Wintersemester 2015/2016 - Mathematik, TU Dortmund

Werbung
A NALYSIS 1
Wintersemester 2015/2016
Prof. Dr. Matthias Röger
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
2
Die reellen Zahlen
2.1 Die Axiome der reellen Zahlen . . . . . . .
2.2 Supremum und Infimum . . . . . . . . . . .
2.3 Die Mengen N, Z und Q . . . . . . . . . . .
2.4 Summen, Produkte, Potenzen und Wurzeln
2.5 Ein wenig Kombinatorik . . . . . . . . . . .
2.6 Der Absolutbetrag . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
4
4
6
7
9
10
11
12
Reelle Folgen
3.1 Folgen und Konvergenz von Folgen
3.2 Intervallschachtelungen . . . . . . .
3.3 Teilfolgen und Häufungspunkte . .
3.4 Cauchy-Folgen . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
15
15
19
20
21
4
Der euklidische Raum und die komplexen Zahlen
4.1 Der euklidische Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Die komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Folgen in Rd und C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
22
24
25
5
Reihen in R und C
5.1 Konvergenz von Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Umordnung und Produkt von Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Die Exponentialreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
28
31
32
6
Funktionen und Stetigkeit
6.1 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Stetigkeit und Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Eigenschaften stetiger Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
34
35
38
7
Weitere spezielle Funktionen
7.1 Logarithmus und allgemeine Potenzen .
7.2 Sinus und Kosinus . . . . . . . . . . . .
7.3 Weitere trigonometrische Funktionen .
7.4 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
40
40
41
43
45
8
Differenzierbarkeit
8.1 Ableitung und Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Lokale Extrema und der Mittelwertsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3 Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
46
50
52
9
Das Riemann Integral
9.1 Riemann-integrierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2 Integrationsregeln und Mittelwertsatz der Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . .
54
54
56
3
2
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
9.3
9.4
Integration und Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite 1
58
60
1
Einleitung
1
Einleitung
Ziel Tieferes Verständnis der Differenzial- und Integralrechnung (einer Veränderlichen)
Überblick
• Zahlenmengen
• Folgen und Grenzwerte
• Stetigkeit
• Grenzwerte von Funktionen
• Differenzialrechnung in R
• (Das eindimensionale Riemann-Integral)
Empfohlene Bücher
• Otto Forster, Analysis 1
• Stefan Hildebrandt, Analysis 1
• Konrad Königsberger, Analysis 1
• Winfried Kaballo, Analysis 1
• ...
Quellen
Diese Vorlesung ist wesentlich beeinflusst durch oben genannte Bücher sowie durch Vorlesungen
bzw. Skripten zu Vorlesungen von Stefan Hildebrandt (Universität Bonn), Stefan Müller (Universität
Bonn), Ernst Kuwert (Universität Freiburg) und Michael Struwe (ETH Zürich).
Grundlage dieses Skripts ist eine geTEXte Mitschrift von Christopher Lohmann meiner Vorlesung aus
dem WS 2010/11.
Warum beweisen?
Beispiele: Plausibel aber im Allgemeinen falsch“
”
1.1 Beispiel. Betrachte die unendliche Summe
S =1+
1 1 1
+ + + ...
2 4 8
Multiplizieren wir beide Seiten mit 2 so erhalten wir
2·S =2+1+
1 1
+ + . . . = 2 + S.
2 4
Damit folgt S = 2, was zunächst plausibel ist und was wir später auch beweisen werden.
Seite 2
1
Einleitung
Betrachten wir dagegen das folgende Beispiel
T = 1 + 2 + 4 + 8 + ...
und verfahren wir wie oben, so folgt
2 · T = 2 + 4 + 8 + 16 + . . . = T − 1
und damit T = −1, was offensichtlich falsch ist!
1.2 Beispiel. Sei x eine beliebige reelle Zahl. Betrachte dazu die Zahlenfolge (x, x2 , x3 , x4 , . . .) und den
Grenzwert
L := lim xn .
n→∞
Mit einer Variablentransformation n = m + 1 erhalten wir
L=
lim
m+1→∞
xm+1 =
lim
m+1→∞
x · xm = x ·
lim
m+1→∞
xm = x · lim xm = x · L.
m→∞
Damit folgt, dass x = 1 oder L = 0 gelten muss. Für x = 2 ist dass offensichtlich falsch.
Seite 3
2
Die reellen Zahlen
2
Die reellen Zahlen
2.1
Die Axiome der reellen Zahlen
2.1 Die Axiome der reellen Zahlen. Es existiert eine Menge R mit zwei Verknüpfungen
Addition
Multiplikation
+ : R × R → R,
(x, y) 7→ x + y,
· : R × R → R,
(x, y) 7→ x · y.
und den folgenden Eigenschaften:
(1) R ist ein Körper (Definition 2.2),
(2) R ist geordnet (Definition 2.5),
(3) R ist vollständig (Definition 2.12),
2.2 Definition. Eine Menge K mit zwei Verknüpfungen
Addition
Multiplikation
+ : K × K → K,
(x, y) 7→ x + y,
· : K × K → K,
(x, y) 7→ x · y.
heißt Körper, falls gilt:
(K1) Addition und Multiplikation sind kommutativ: es gilt x + y = y + x und x · y = y · x für alle
x, y ∈ K.
(K2) Addition und Multiplikation sind assoziativ: es gilt (x+y)+z = x+(y+z) und (x·y)·z = x·(y·z)
für alle x, y, z ∈ R.
(K3) Es existieren zwei Elemente 0, 1 ∈ K mit 0 6= 1, sodass 0 + x = x und 1 · x = x für alle x ∈ K
gelten. (Existenz neutraler Elemente)
(K4) Für alle x ∈ K gibt es genau ein u ∈ K mit x + u = 0; für alle x ∈ K mit x 6= 0 gibt es genau
ein v ∈ K mit x · v = 1. Wir bezeichnen u mit −x und v mit x−1 bzw. mit x1 . (Existenz inverser
Elemente)
(K5) Es gilt das Distributivgesetz: x · (y + z) = x · y + x · z.
2.3 Bemerkung.
(1) Das Null- und Einselement sind eindeutig bestimmt.
(2) Die Eindeutigkeit der inversen Elemente in (K4) muss nicht extra gefordert werden.
(3) Wir setzen für x, y ∈ K
x − y := x + (−y),
1
x
:= x ·
y
y
falls y 6= 0,
2.4 Lemma. Es gelten die üblichen Rechengesetze“. Insbesondere gilt für alle x, y, z ∈ R:
”
(a)
(−x) + (−y) = −(x + y)
(b)
x·0=0
Seite 4
2.1
(c)
Die Axiome der reellen Zahlen
Aus x · y = 0 folgt, dass mindestens eine der Zahlen x und y Null ist.
2.5 Definition. Die Aussage R ist geordnet“ bedeutet, dass eine Teilmenge R+ von R existiert, sodass
”
gilt:
(O1) Für jedes x ∈ R gilt genau eine der Eigenschaften
x ∈ R+ ,
x = 0,
−x ∈ R+ .
(O2) Aus x, y ∈ R+ folgt x + y ∈ R+ und x · y ∈ R+ .
Wir schreiben x > y für x − y ∈ R+ , x < y für y − x ∈ R+ , x ≥ y für x − y ∈ R+ ∪ {0}, x ≤ y für
y − x ∈ R+ ∪ {0}.
+
Wir nennen R+ die Menge der positiven reellen Zahlen, R+
0 := R ∪{0} die Menge der nichnegativen
Zahlen und R \ R+
0 die Menge der negativen reellen Zahlen. Die Schreibweise x < y < z bedeutet:
x < y und y < z.
2.6 Proposition. R mit der Ordnungsrelation <“ erfüllt die folgenden Aussagen:
”
(1) Aus x < y und y < z folgt x < z
(Transitivität)
(2) Aus x < y folgt für alle z ∈ R, dass x + z < y + z
(Verträglichkeit mit der Addition)
(3) Aus x < y und 0 < z folgt x · z < y · z
(Verträglichkeit mit der Multiplikation)
2.7 Lemma. Es gelten die üblichen Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen“, insbesondere
”
(1) x < 0 ⇔ −x > 0 und x > 0 ⇔ −x < 0.
(2) xy > 0 ⇔ (x > 0 ∧ y > 0) oder (x < 0 ∧ y < 0),
xy < 0 ⇔ (x > 0, y < 0) oder (x < 0, y > 0)
(3) x 6= 0 ⇔ x2 > 0. Insbesondere gilt 1 > 0. (Dabei ist x2 := x · x für x ∈ R.)
(4) Aus x2 < y 2 und y > 0 folgt x < y.
2.8 Definition.
(1) Eine nicht leere Teilmenge A von R heißt nach oben beschränkt (bzw. nach unten beschränkt), falls
ein k ∈ R existiert, sodass x ≤ k für alle x ∈ A (bzw. x ≥ k für alle x ∈ A).
Ein solches k heißt obere Schranke (bzw. untere Schranke).
(2) Eine nicht leere Teilmenge A von R heißt beschränkt, falls ein k ∈ R existiert, sodass −k ≤ x ≤ k
für alle x ∈ A gilt.
2.9 Beispiel. Die Menge {1, 2, 3, 4, . . . } ist nach unten, aber nicht nach oben beschränkt. Untere Schranken
sind zum Beispiel 1, 0 oder −9.
Die Menge {−1, − 21 , − 13 , − 41 , . . . } ist nach oben und unten beschränkt (und ist damit beschränkt). Jede Zahl
Seite 5
2.2
Supremum und Infimum
r ≥ 0 ist obere Schranke.
Bemerkung. Seien A, B Mengen. Dann schreiben wir A ⊂ B, falls A (echte oder nicht-echte) Teilmenge von
B ist, also wenn gilt:
x∈B
für alle x ∈ A.
Wir schreiben A ( B, falls A echte Teilmenge von B, also A ⊂ B und A 6= B.
2.10 Definition. Eine Zahl k ∈ R heißt kleinste obere (bzw. größte untere) Schranke einer nicht leeren
Teilmenge A ⊂ R, falls erstens k obere Schranke (bzw. untere Schranke) ist und es zweitens keine kleinere
obere (bzw. größere untere) Schranke von A gibt. Wir bezeichnen dann k als das Supremum von A, sup A,
(bzw. Infimum von A, inf A).
2.11 Beispiel. Die größte untere Schranke der Menge A := {1, 2, 3, 4, . . . } ist 1, also: inf A = 1.
Die Menge B := {−1, − 12 , − 31 , − 14 , . . . } hat die größte untere Schranke −1 und die kleinste obere Schranke
0. Beachte, dass inf B ∈ B während sup B 6∈ B gilt.
2.12 Definition. Die Aussage R ist vollständig“ bedeutet:
”
(V1) Jede nicht leere nach oben beschränkte Teilmenge A von R besitzt (in R) eine kleinste obere Schranke.
2.13 Bemerkung. Ersetzen wir in der vorangehenden Aussage R durch Q, der Menge der rationalen Zahlen
(die wir weiter unten systematisch einführen), so ist die Aussage falsch. Betrachte etwa die Menge
A := {q ∈ Q : q 2 < 2}.
Dann existiert in Q keine kleinste obere Schranke von A. Verstehen wir A als Teilmenge von R so ist
die kleinste obere Schranke.
2.2
√
2∈R
Supremum und Infimum
2.14 Bemerkung. Sei A nicht leer. Falls A nach oben (bzw. unten) beschränkt ist, so schreiben wir sup A < ∞
(bzw. inf A > −∞). Falls A nicht nach oben (bzw. unten) beschränkt ist, so schreiben wir sup A = ∞
(bzw. inf A = −∞).
2.15 Satz.
(1) Ist A nicht leer und sup A < ∞, so gibt es zu jedem > 0 ein x ∈ A, sodass x > (sup A) − .
(2) Ist A nicht leer und sup A = ∞, so existiert zu jedem k ∈ R ein x ∈ A mit x > k.
2.16 Satz.
(1) Ist A nicht leer, inf A > −∞, dann existiert für alle > 0 ein x ∈ A, sodass x < (inf A) + .
Seite 6
2.3
Die Mengen N, Z und Q
(2) Ist inf A = −∞, dann existiert zu jedem k ∈ R ein x ∈ A mit x < k.
2.17 Definition. Sei A ⊂ R nicht leer. M ∈ R heißt größtes Element (Maximum) von A, falls M ∈ A
und x ≤ M für alle Elemente x ∈ A gilt.
Entsprechend definieren wir das kleinste Element (Minimum) von A.
Wir setzen in diesen Fällen max A = M bzw. min A = m.
2.18 Bemerkung. (1) Das Maximum und Minimum muss auch für beschränkte Mengen nicht existieren,
betrachte etwa: A = {−1, − 12 , − 31 , − 41 , . . . }; diese Menge hat kein Maximum.
(2) Falls A nicht leer und sup A < ∞, so hat A genau dann ein Maximum, falls sup A ∈ A. Es gilt dann
sup A = max A.
2.3
Die Mengen N, Z und Q
2.19 Definition. Eine Teilmenge A von R heißt induktiv falls gilt:
(1) 1 ∈ A.
(2) Falls x ∈ A, so ist auch x + 1 ∈ A.
Es gibt induktive Mengen: so ist R selbst eine induktive Menge.
2.20 Definition.
(1) Die Menge N der natürlichen Zahlen ist der Durchschnitt aller induktiven Teilmengen von R.
(2) Die Menge N0 ist definiert durch N0 := N ∪ {0}.
(3) Die Menge Z der ganzen Zahlen ist definiert durch Z := N0 ∪ {−n : n ∈ N}
2.21 Bemerkung. N ist induktive Menge. In der Tat: 1 ∈ N, da 1 in jeder induktiven Menge liegt. Weiter:
Falls n ∈ N dann gilt für jede induktive Menge A: n ∈ A und daher n + 1 ∈ A. Damit folgt, dass n + 1 ∈ N.
Wir benutzen für die natürlichen Zahlen die üblichen arabischen Zahlzeichen 1, 2 = 1 + 1, 3 = 1 + 1 + 1, . . .
und die Darstellung mit Ziffern im Dezimalsystem.
2.22 Satz. Sei für jedes n ∈ N eine Aussage (Bn ) gegeben und gelte:
(1) (B1 ) ist wahr.
(2) Falls (Bn ) richtig ist für ein beliebiges n ∈ N, dann ist auch (Bn+1 ) richtig.
Dann ist (Bn ) wahr für alle n ∈ N.
Seite 7
2.3
Die Mengen N, Z und Q
2.23 Bemerkung. Sei für jedes n ∈ N eine Aussage (Bn ) gegeben. Ein Induktionsbeweis der Aussage (Bn )
”
gilt für alle n ∈ N“ besteht aus folgenden Schritten:
(IA) Induktionsanfang: Zeige, dass (B1 ) gilt.
(IS) Induktionsschluss: Für alle n ∈ N gilt: (Bn ) ⇒ (Bn+1 ).
2.24 Satz. Es gilt:
(1) n ≥ 1 für alle n ∈ N.
(2) n + m ∈ N für alle n, m ∈ N.
(3) n · m ∈ N für alle n, m ∈ N.
(4) Für alle n ∈ N gilt n = 1 oder n − 1 ∈ N.
(5) n − m ∈ N für alle n, m ∈ N mit n > m.
(6) Ist m ∈ N0 , so gibt es kein n ∈ N0 , sodass m < n < m + 1.
2.25 Bemerkung. Wir führen folgende Schreibweisen ein:
(1) Seien m ≤ n ganze Zahlen, und sei für alle Zahlen k ∈ Z mit m ≤ k ≤ n eine reelle Zahl ak gegeben.
Dann definieren wir:
n
X
ak := am + am+1 + . . . + an .
k=m
(2) Seien m ≤ n und ak , k = m, . . . , n, wie oben. Dann:
n
Y
k=m
ak = am · am+1 · . . . · an .
(3) Definiere
n! :=
n
Y
k,
0! = 1.
k=1
(4) Zu x ∈ R, n ∈ N0 definieren wir
xn := x
· . . . · x} .
| · x {z
n Faktoren
Eine Definition, die nicht auf die intuitive Erklärung mit . . . zurückgreift, benutzt eine Induktion. Etwa im
Fall von n!:
1! := 1,
falls n! bereits definiert für ein n ∈ N, so setze (n + 1)! := (n!) · (n + 1).
Dann lässt sich die Behauptung n! ist für alle n ∈ N definiert“ leicht durch vollständige Induktion beweisen.
”
Seite 8
2.4
Summen, Produkte, Potenzen und Wurzeln
2.26 Lemma (Bernoullische Ungleichung). Sei x ≥ −1. Dann gilt für alle n ∈ N
(1 + x)n ≥ 1 + nx.
(2.1)
2.27 Lemma (Geometrische Reihe). Sei q ∈ R, q 6= 0. Dann gilt für alle n ∈ N0
n
Sn := 1 + q + · · · + q =
n
X
k=0
qk =
1 − q n+1
.
1−q
(2.2)
Wir definieren mit der Menge der Brüche“ eine weitere wichtige Teilmenge von R:
”
2.28 Definition. Die rationalen Zahlen Q sind definiert als Q := { m
n , m ∈ Z, n ∈ N}.
2.29 Satz (Archimedes).
(1) Zu jedem x ∈ R existiert ein n ∈ N, sodass n > x
(2) Zu jedem x ∈ R existiert ein z ∈ Z, sodass z < x.
(3) Zu jedem x ∈ R, x > 0 existiert n ∈ N, sodass
1
n
< x.
Ein Körper mit der Eigenschaft Satz 2.29(1) heißt archimedisch geordneter Körper.
2.30 Satz. Seien x, y ∈ R mit x < y. Dann existiert q ∈ Q mit x < q < y
2.4
(“Q liegt dicht in R“).
Summen, Produkte, Potenzen und Wurzeln
2.31 Proposition.
n X
m
X
i=1 j=1
(1) Seien n, m ∈ N und aij ∈ R für 1 ≤ i ≤ n und 1 ≤ j ≤ m. Dann gilt:
aij =
m X
n
X
aij .
j=1 i=1
(2) Seien n, m ∈ N und xi , yj ∈ R, 1 ≤ i ≤ n und 1 ≤ j ≤ m. Dann gilt:

 

n
m
n X
m
X
X
X

x i · yj .
xi  · 
yj  =
i=1
j=1
i=1 j=1
(3) Für n, m ∈ N0 , x, y ∈ R gelten:
(a) xn xm = xn+m .
(b) xn · y n = (x · y)n .
(c) (xn )m = xn·m .
Seite 9
2.5
Ein wenig Kombinatorik
2.32 Satz. Für jedes c ≥ 0, c ∈ R existiert genau ein x ∈ R, x ≥ 0, sodass x2 = c. Wir führen für x die
√
1
Schreibweisen c, c 2 ein.
2.33 Satz. Sei n ∈ N. Dann existiert zu c ≥ 0 genau ein x ∈ R, x ≥ 0, sodass xn = c. Wir bezeichnen
√
1
dieses x mit n c und c n .
2.34 Proposition. Es gibt keine rationalen Zahl q ∈ Q, sodass q 2 = 2.
Wir sehen insbesondere, dass Q ( R.
p
q
2.35 Bemerkung. Für x ≥ 0 und p, q ∈ N setzen wir x =
p
q
−p
Für x > 0 setzen wir x q = x1 .
Dann gilt
xr xs = xr+s ,
xr · y r = (x · y)r ,
x
1
q
p
.
(xr )s = xr·s
für alle r, s ∈ Q, wobei x, y > 0 vorausgesetzt sei, falls r < 0 oder s < 0.
2.5
Ein wenig Kombinatorik
2.36 Definition. Für n, k ∈ N0 mit k ≤ n definieren wir:
n
n!
:=
k
k! · (n − k)!
Bemerkung. Insbesondere gilt
n
n
n
n
= 1,
= 1,
=
.
0
n
k
n−k
2.37 Satz.
(1) Es gibt 2n Teilmengen von {1, 2, . . . , n}. (Bei Teilmengen unterscheiden wir nicht die Reihenfolge
der Elemente und Mehrfachaufzählungen von Elementen ; so ist etwa {1, 2} = {2, 1} = {2, 1, 1}.
Weiterhin ist ∅ Teilmenge jeder Menge.)
(2) Es gibt n! Anordnungen von {1, 2, . . . , n}. (Anordnungen berücksichtigen die Reihenfolge, so ist
etwa (1, 2) 6= (2, 1).)
(3) Es gibt
n!
(n−k)!
(4) Es gibt
n
k
Anordnungen von k Elementen (k ≤ n) aus {1, 2, . . . , n}.
k-elementige Teilmengen (k ≤ n) von {1, 2, . . . , n}.
Seite 10
2.6
Der Absolutbetrag
2.38 Folgerung. Für alle n ∈ N, k ∈ N0 gilt:
n
n!
=
∈ N,
k
k!(n − k)!
n
n
n
n
+
+
+ ... +
= 2n .
0
1
2
n
(2.3)
(2.4)
2.39 Satz (Binomialsatz). Für x, y ∈ R und n ∈ N gilt
n X
n n−k k
(x + y) =
x
y .
k
n
k=0
2.40 Bemerkung (Pascalsches Dreieck).
1
1
1
2
2
1
3
1
0
1
3
0
0
1
3
0
1
0
3
1
2
1
1
1
3
2
2
2
Das folgende Lemma besagt, dass der Algorithmus in der Tat funktioniert.
2.41 Lemma. Es gilt für alle n, k ∈ N0 mit k < n
n
n
n+1
+
=
.
k
k+1
k+1
2.6
Der Absolutbetrag
2.42 Definition. Für eine reelle Zahl x ∈ R definieren wir ihren Absolutbetrag:

x
falls x ≥ 0
|x| :=
−x falls x < 0
2.43 Bemerkung. Es gelten für alle x, y ∈ R die folgenden Eigenschaften:
|x| ≥ 0
x ≤ |x|,
und
|x| = 0 genau dann, wenn x = 0,
−x ≤ |x|,
|x · y| = |x| · |y|.
|x| = max{x, −x},
Seite 11
3
3
2.7
Abzählbarkeit
2.44 Satz (Dreiecksungleichung). Für alle x, y ∈ R gilt
|x + y| ≤ |x| + |y|.
2.45 Satz. Es gilt für alle x, y ∈ R:
|x − y| ≥ |x| − |y|.
2.46 Satz (Youngsche Ungleichung). Es gilt für alle x, y ∈ R und δ > 0
1
2|x · y| ≤ δx2 + y 2 .
δ
2.7
Abzählbarkeit
2.47 Definition. Seien M, N Mengen. Eine Abbildung f : M → N ordnet jedem Element aus M ein
Element aus N zu, x ∈ M 7→ f (x) ∈ N . Wir sagen, f hat Definitionsbereich M und Wertebereich N .
2.48 Definition.
(1) f heißt injektiv, falls zu jedem y ∈ N höchstens ein x ∈ M existiert mit f (x) = y.
(2) f heißt surjektiv, falls zu jedem y ∈ N ein x ∈ M existiert mit f (x) = y.
(3) f heißt bijektiv, falls zu jedem y ∈ N genau ein x ∈ M existiert, sodass f (x) = y. In diesem Fall
definieren wir die Umkehrfunktion (Inverse) von f , f −1 : N → M, f −1 (y) := x.
Damit ist f genau dann bijektiv, wenn f sowohl injektiv als auch bijektiv ist.
2.49 Definition. Seien M, N, L Mengen und f : M → N, g : N → L. Dann definieren wir die
Komposition
g ◦ f : M → L,
(g ◦ f )(x) := g(f (x))
für x ∈ M.
2.50 Definition. Seien M, N zwei Mengen.
(1) M und N heißen gleichmächtig, falls eine bijektive Abbildung f : M → N existiert.
Seite 12
2.7
Abzählbarkeit
(2) M heißt endlich mit Kardinalität n ∈ N, falls M gleichmächtig ist zur Menge {1, 2, . . . , n}. Die
leere Menge definieren wir als endlich mit Kardinalität 0. M heißt unendlich, falls M nicht endlich
ist.
(3) M heißt abzählbar (unendlich), falls M gleichmächtig mit N ist.
(4) M heißt höchstens abzählbar, falls M endlich oder abzählbar ist.
(5) M heißt überabzählbar, falls M weder endlich noch abzählbar ist.
2.51 Bemerkung. Z ist abzählbar.
2.52 Satz.
(1) Jede Teilmenge einer höchstens abzählbaren Menge ist höchstens abzählbar.
(2) Eine höchsten abzählbare Vereinigung von höchstens abzählbaren Mengen ist höchstens abzählbar.
Das heißt: Seien
N1 , N 2 , N 3 , . . .
höchsten abzählbar viele Mengen, und sei jede der Mengen Nj höchstens abzählbar. Dann ist auch
M := N1 ∪ N2 ∪ N3 ∪ . . .
höchstens abzählbar.
2.53 Folgerung. Q ist abzählbar.
2.54 Satz. R ist überabzählbar.
Wir führen schließlich noch mit den Intervallen als spezielle Teilmengen von R ein.
2.55 Definition. Seien a, b ∈ R, a < b, dann definieren wir folgende Intervalle:
[a, b] := {x ∈ R : a ≤ x ≤ b}
( abgeschlossen“),
”
(a, b) := {x ∈ R : a < x < b} ( offen“),
”
[a, b) := {x ∈ R : a ≤ x < b} ( halboffen“),
”
(a, b] := {x ∈ R : a < x ≤ b} ( halboffen“).
”
Sei I eines dieser Intervalle. Dann definieren wir die Intervalllänge |I| := b − a von I und die Mitte
m := a+b
2 von I. Die Zahlen a, b heißen linke bzw. rechte Intervallgrenze oder auch Randpunkte des
Intervalls I.
Wir führen weiter die folgenden unechten Intervalle“ ein:
”
(a, ∞) := {x ∈ R : x > a},
[a, ∞) := {x ∈ R : x ≥ a},
Seite 13
2.7
(−∞, b) := {x ∈ R : x < b},
Abzählbarkeit
(−∞, b] := {x ∈ R : x ≤ b}
und (−∞, ∞) := R.
Seite 14
3
Reelle Folgen
3
Reelle Folgen
3.1
Folgen und Konvergenz von Folgen
3.1 Definition. Unter einer reellen Folge versteht man eine Abbildung N → R, jedem n ∈ N ist also
eine Zahl an ∈ R zugeordnet.
Wir schreiben für eine solche Folge (an )n∈N oder (a1 , a2 , a3 , . . .)
3.2 Beispiel.
(1) Konstante Folgen: Setzte an := a für ein festes a ∈ R. Das ergibt die Folge (a, a, a, a, . . .).
(2) Setzte an := n1 für n ∈ N. Das ergibt die Folge
1 1 1
1, , , , . . .
2 3 4
(3) Die Fibonacci Zahlen stellen ein einfaches Populationsmodell dar und entstehen aus der Vorschrift
a1 := 1,
a2 := 1,
an+2 := an+1 + an ,
n ∈ N.
Dies liefert die Folge
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, . . .
(Etwa: Hasenpopulation. Zeiteinheit ein Monat. Annahmen: alle Hasen unsterblich, jedes Hasenpaar
bekommt in einem Monat genau ein Hasenpaar als Nachwuchs, dieses braucht einen Monat um geschlechtsreif zu werden. Sei dann an die Anzahl Hasenpaare nach n Monaten. Wir starten mit a1 = 1
Hasenpaaren, nach einem Monat haben wir immer noch ein Hasenpaar, nach zwei Monaten zwei Hasenpaare. Im n + 2-ten Monat: Anzahl an+1 der Paare im n + 1-ten Monat plus Anzahl Nachwuchs.
Letztere Anzahl ist gegeben durch Anzahl der Paare, die schon einen Monat vorher gelebt haben, also
an .)
3.3 Definition. Sei (an )n∈N eine Folge reeller Zahlen und sei a ∈ R. Dann heißt diese Folge konvergent
gegen a für n → ∞, falls gilt:
∀ > 0 ∃N ∈ N
∀n ≥ N
:
|an − a| < .
Das heißt: Zu jeder noch so kleinen Fehlerschranke ε > 0 gibt es ein Index N ∈ N sodass sich alle
Folgeglieder ab diesem Index um weniger als ε von a unterscheiden. Wir schreiben:
a = lim an
n→∞
oder an → a
(n → ∞).
Die Zahl a heißt dann Grenzwert oder Limes der Folge (an )n .
Eine Folge heißt konvergent, falls sie einen Grenzwert besitzt. Andernfalls heißt sie divergent.
Eine Folge, die gegen Null konvergiert, heißt Nullfolge.
Seite 15
3.1
Folgen und Konvergenz von Folgen
3.4 Bemerkung. Im Allgemeinen ist N abhängig von , also N = N ().
Zu > 0, a ∈ R heißt das Intervall (a−, a+) die (offene) -Umgebung um a. Dann bedeutet die Konvergenz
von (an )n∈N gegen a, dass für eine beliebige -Umgebung von a schließlich alle“ Folgeglieder in dieser ”
Umgebung liegen (wobei schließlich alle“ bedeutet: alle ab einem gewissen Index).
”
3.5 Beispiel.
(1) Die Folge (an )n∈N ,
an :=
1
n
für n ∈ N,
ist eine Nullfolge. In der Tat: Sei > 0 beliebig vorgegeben. Nach dem Satz von Archimedes existiert ein
N ∈ N, sodass N1 < . Dann gilt für alle n ≥ N , dass
|an − 0| = an =
1
1
≤
< .
n
N
Dies zeigt an → 0 (n → ∞), wie behauptet.
(2) Die Folge (an )n , gegeben durch an := n für alle n ∈ N, ist divergent. In der Tat: Angenommen
limn→∞ an = a für ein a ∈ R. Dann gilt für ein N ∈ N
|n − a| ≤ 1
für alle n ≥ N.
Insbesondere gilt für alle n ≥ N
n ≤ |n − a| + a ≤ 1 + a
und für alle n ∈ N mit n < N
n < N ≤ 1 + a.
Damit folgt n ≤ 1 + a für alle n ∈ N und N wäre nach oben beschränkt. Das ist aber ein Widerspruch
zu Satz 2.29.
(3) Die Folge (an )n∈N ,
an = (−1)n für alle n ∈ N
ist divergent. In der Tat: Angenommen an → a (n → ∞) für ein a ∈ R. Dann existiert (zu = 1) ein
N ∈ N, sodass |an − a| < 1 für alle n ∈ N, n ≥ N . Es folgt dann für alle n ≥ N
2 = |an+1 − an | = |an+1 − a + a − an | ≤ |an+1 − a| + |an − a| < 1 + 1 = 2,
also 2 < 2, ein Widerspruch.
(4) Sei 0 < q < 1 . Betrachte dann (an )n∈N mit an = q n . Dann ist (an )n∈N eine Nullfolge. In der Tat:
Zunächst ist 1q = 1 + x mit x = 1q − 1 > 0. Dann gilt nach der Bernouillischen Ungleichung Lemma
2.26
n
1
= (1 + x)n ≥ 1 + nx > nx
q
und es folgt
0 < qn <
1
.
nx
Wähle dann zu beliebig vorgegebenen > 0 ein N ∈ N mit
gilt
|q n − 0| = q n <
1
1
≤
< .
nx
Nx
Seite 16
1
N
< εx und erhalte, dass für alle n ≥ N
3.1
Folgen und Konvergenz von Folgen
(5) Es gilt
√
n
n → 1
(n → ∞).
(Das heißt: Die durch an :=
√
n
n, n ∈ N gegebenen Folge (an )n konvergiert gegen Eins.)
3.6 Satz. Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig.
3.7 Definition. Eine Folge (an )n∈N heißt beschränkt, falls ein k > 0 existiert, sodass
|an | ≤ k
für alle n ∈ N.
Die Folge (an )n∈N heißt nach oben (bzw. nach unten) beschränkt, falls ein k > 0 existiert, sodass an ≤ k
(bzw. an ≥ −k) für alle n ∈ N.
3.8 Satz. Jede konvergente Folge ist beschränkt.
3.9 Satz. Seien (an )n∈N , (bn )n∈N konvergente Folgen und a, b ∈ R gegeben mit
lim an = a,
n→∞
lim bn = b.
n→∞
(1) Dann konvergieren auch die Folgen (an + bn )n∈N sowie (an · bn )n∈N und es gilt
lim (an + bn ) = a + b = lim an + lim bn ,
n→∞
n→∞
lim (an · bn ) = a · b =
lim an · lim bn .
(3.2)
n→∞
n→∞
n→∞
(3.3)
n→∞
(2) Falls zusätzlich b 6= 0 und bn 6= 0 für alle n ∈ N, so konvergiert auch die Folge
an
bn
n∈N
und es
gilt
lim
n→∞
an
a
limn→∞ an
=
=
.
bn
b
limn→∞ bn
(3.4)
3.10 Beispiel. Betrachte (an )n∈N ,
an =
3n2 + 13n
n2 − 1
für alle n ≥ 2.
Wir behaupten, dass an → 3 (n → ∞). In der Tat:
an =
Nun gilt
1
n
3 + 13 n1
.
1 − n12
→ 0 nach Beispiel 3.5 und es folgt aus Satz 3.9, dass 3 + 13 ·
Seite 17
1
n
→ 3 mit n → ∞.
3.1
Weiter gilt
1
n2
Folgen und Konvergenz von Folgen
→ 0 (n → ∞) und damit 1 −
3 + 13 · n1
n→∞
lim an =
n→∞
lim 1 − n12
lim
1
n2
→ 1 (n → ∞). Schließlich:
3
= .
1
n→∞
3.11 Satz. Seien (an )n∈N , (bn )n∈N konvergente Folgen mit
lim an = a,
n→∞
lim bn = b.
n→∞
Dann gilt:
(1) Falls an ≤ bn für alle n ∈ N, so folgt a ≤ b.
(2) Falls c, d ∈ R existieren mit c ≤ an ≤ d für alle n ∈ N so folgt c ≤ a ≤ d.
(3) Quetschlemma“: Falls (cn )n eine weitere Folge mit an ≤ cn ≤ bn für alle n ∈ N und falls a = b,
”
so konvergiert auch (cn )n gegen a.
3.12 Bemerkung. Falls in Satz 3.11(1) sogar an < bn für alle n ∈ N gilt, dann ist trotzdem im Allgemeinen
a < b falsch. Betrachte dazu etwa die Folgen (an )n und (bn )n mit an = n1 , bn = n2 für alle n ∈ N. Dann gilt
an < bn für alle n ∈ N, aber a = b = 0.
3.13 Definition. Eine Folge (an )n∈N heißt bestimmt divergent gegen +∞ falls zu jedem k > 0 ein
N ∈ N existiert, sodass an > k für alle n ≥ N . Wir schreiben dann an → +∞ (n → ∞).
Eine Folge (an )n heißt bestimmt divergent gegen −∞ falls (−an )n∈N bestimmt divergent gegen +∞ ist.
Wir schreiben dann an → −∞ (n → ∞).
3.14 Beispiel.
(1) an = −n2 ist bestimmt divergent gegen −∞.
(2) an = (−1)n ist divergent, aber ist nicht bestimmt divergent.
(3) an = n · (−1)n ist divergent, unbeschränkt, aber nicht bestimmt divergent.
3.15 Satz.
(1) (an )n∈N sei bestimmt divergent gegen +∞ (bzw. gegen −∞). Dann existiert n0 ∈ N, sodass
an 6= 0 für alle n ∈ N, n ≥ n0 und es gilt
lim
n→∞
n≥n0
1
= 0.
an
(2) Sei (an )n∈N Nullfolge. Falls dann an ≥ 0, an 6= 0 für alle n ∈ N, dann ist
divergent gegen +∞.
1
an
n∈N
bestimmt
(3) Sei (an )n∈N bestimmt divergent gegen +∞ und sei (bn )n∈N eine Folge mit an ≤ bn für alle n ∈ N.
Dann ist (bn )n bestimmt divergent gegen +∞.
Seite 18
3.2
Intervallschachtelungen
(4) Sei (an )n∈N bestimmt divergent gegen +∞ und (bn )n∈N eine nach unten beschränkte Folge. Dann
ist (an + bn )n bestimmt divergent gegen +∞.
3.16 Definition. Sei M ⊂ R nichtleer. Eine Abbildung f : M → R heißt
(1) monoton wachsend, falls f (x) ≤ f (y) für alle x, y ∈ M mit x ≤ y,
(2) streng monoton wachsend, falls f (x) < f (y) für alle x, y ∈ M mit x < y,
(3) monoton fallend, falls f (x) ≥ f (y) für alle x, y ∈ M mit x ≤ y,
(4) streng monoton fallend, falls f (x) > f (y) für alle x, y ∈ X mit x < y,
(5) monoton, falls f monoton wachsend oder f monoton fallend,
(6) streng monoton, falls f streng monoton wachsend oder f streng monoton fallend.
3.17 Bemerkung. Eine Folge (an )n∈N ist genau dann monoton wachsend (bzw. streng monoton wachsend),
falls
an ≤ an+1
(bzw. an < an+1 )
für alle n ∈ N
und genau dann monoton fallend (bzw. streng monoton fallend), falls
an ≥ an+1
(bzw. an > an+1 )
für alle n ∈ N.
3.18 Satz. Sei (an )n∈N monoton wachsend. Dann konvergiert (an )n∈N genau dann, wenn (an )n∈N
beschränkt ist.
3.2
Intervallschachtelungen
3.19 Definition. Eine Intervallschachtelung ist eine Folge (In )n∈N von Intervallen der Form
In = [an , bn ],
an < bn
mit den Eigenschaften
I1 ⊃ I2 ⊃ . . .
und
|In | = bn − an → 0 (n → ∞).
3.20 Satz. Sei (In )n∈N eine Intervallschachtelung, dann existiert genau ein x ∈ R, sodass x ∈ In für
alle n ∈ N. Es gilt dann also
\
In = {x}.
n∈N
Weiterhin gilt x = limn→∞ an = limn→∞ bn .
Seite 19
3.3
Teilfolgen und Häufungspunkte
3.21 Beispiel (Eulersche Zahl). Betrachte die Folgen (an )n , (bn )n mit
an := (1 +
1 n
) ,
n
bn := (1 +
1 n+1
)
n
für n ∈ N.
Dann konvergieren (an )n und (bn )n gegen die selbe Zahl e ∈ R, die Eulersche Zahl.
3.3
Teilfolgen und Häufungspunkte
3.22 Definition. Sei (an )n∈N eine Folge und k 7→ n(k) eine streng monoton wachsende Abbildung von
N nach N. Dann heißt die Folge (an(k) )k∈N Teilfolge von (an )n∈N .
1
3.23 Beispiel. Die Folge ( 3k
)k∈N , also die Folge ( 31 , 16 , 19 , . . . ) ist eine Teilfolge von (an )n , an = n1 . Hierbei
ist n(k) = 3.
Die konstante Folge zum Wert −1 ist eine Teilfolge der Folge (an )n , an = (−1)n . Wähle etwa n(k) := 2k + 1
oder n(k) := 4k + 1, k ∈ N.
3.24 Lemma. Falls (an )n gegen a ∈ R konvergiert, so konvergiert auch jede Teilfolge gegen a.
3.25 Definition. a ∈ R heißt Häufungspunkt einer Folge (an )n∈N , falls eine Teilfolge (an(k) )k∈N existiert mit an(k) → a für k → ∞.
3.26 Beispiel. Betrachte die Folge an := (−1)n · 1 − n1 . Diese Folge besitzt die Häufungspunkte −1 und
1. Zugehörige Teilfolgen sind etwas gegeben durch an(k) := a2·k und an(k) := a2·k+1 .
3.27 Proposition. Für eine reelle Folge (an )n∈N und a ∈ R sind äquivalent:
(1) a ist Häufungspunkt von (an )n∈N .
(2) Für alle ε > 0 und alle N ∈ N existiert ein n ≥ N mit |an − a| < ε.
(3) Für alle ε > 0 enthält die Menge {n ∈ N : |an − a| < ε} unendlich viele Elemente.
3.28 Bemerkung und Definition. Sei (an )n∈N eine beschränkte Folge. Setze für n ∈ N
bn := inf{ak : k ≥ n},
cn := sup{ak : k ≥ n}.
Dann sind auch die Folgen (bn )n∈N und (cn )n∈N beschränkt und es ist bn ≤ cn für alle n ∈ N. Weiter
ist (bn )n monoton wachsend und (cn )n monoton fallend. Nach Satz 3.18 existieren b := limn→∞ bn und
c := limn→∞ cn . Wir nennen dann
lim inf an := b
n→∞
und
lim sup an := c
n→∞
den Limes inferior bzw. Limes superior von (an )n .
Seite 20
3.4
Cauchy-Folgen
3.29 Lemma. In der Situation von Bemerkung 3.28 sind b, c Häufungspunkte. b ist der kleinste und c ist der
größte Häufungspunkt von (an )n .
Als Folgerung erhalten wir sofort das folgende wichtige Resultat.
3.30 Satz (Bolzano-Weierstraß). Jede beschränkte reelle Folge besitzt einen Häufungspunkt in R.
3.31 Folgerung. Sei (an )n∈N beschränkt. Dann sind äquivalent:
(1) (an )n∈N ist konvergent.
(2) (an )n∈N hat genau einen Häufungspunkt.
(3) Es ist lim inf n→∞ an = lim supn→∞ an .
3.4
Cauchy-Folgen
3.32 Definition. (an )n∈N heißt Cauchy-Folge, falls für alle > 0 ein N ∈ N existiert, sodass
|an − am | < für alle n, m ≥ N.
3.33 Satz. Sei (an )n∈N eine Cauchy-Folge. Dann ist (an )n∈N beschränkt.
3.34 Satz. Eine Folge (an )n∈N konvergiert genau dann, wenn sie Cauchy-Folge ist.
3.35 Bemerkung. (1) Um die Konvergenz einer Folge zu zeigen, genügt es damit nachzuweisen, dass die
Folge eine Cauchy-Folge ist ( Cauchy-Kriterium“). Dies ist unter Umständen erheblich leichter als der
”
direkte Nachweis der Konvergenz mit Hilfe der Definition, da das Cauchy-Kriterium ohne Kenntnis des
Grenzwertes nachgewiesen werden kann.
(2) Eine Cauchy-Folge in Q konvergiert in R, aber nicht notwendig in Q (das heißt der Grenzwert existiert
in R, aber muss nicht wieder in Q liegen).
(3) Die Aussage aus dem Supremumsaxiom ist äquivalent dazu, dass Satz 3.34 und Satz 2.29 gelten.
(4) Satz 3.34 drückt also wieder die Vollständigkeit von R aus und wird benutzt um die Vollständigkeit in
Räumen zu definieren, in denen keine Ordnungsrelation gegeben ist.
Seite 21
4
Der euklidische Raum und die komplexen Zahlen
4
Der euklidische Raum und die komplexen Zahlen
4.1
Der euklidische Raum
4.1 Definition. Für d ∈ N bezeichne


 




x1






.
d
..  : xi ∈ R, i = 1, . . . , d
R := x = 
 








xd
die Menge der d-Tupel reller Zahlen. Wir definieren eine Addition + : Rd × Rd → Rd durch


x1 + w1


x2 + w2 

 für x, w ∈ Rd ,
x + w := 
..

.


x d + wd
sowie die Skalarmultiplikation R × Rd → Rd durch


λx1
 . 
d
. 
λ x := 
 .  für x ∈ R , λ ∈ R.
λxd
4.2 Bemerkung. Mit diesen Verknüpfungen ist Rd ein Vektorraum (siehe die folgende Definition). Der Nullvektor in Rd und das inverse Element −x zu x ∈ Rd sind gegeben durch
 


0
−x1
 


0
−x2 


0 := 
−x := 
 ..  ,
 ..  .
.
 . 
0
−xd
4.3 Definition. Gegeben ein Körper K, eine nicht-leere Menge V und zwei Verknüpfungen
+ : V × V → V,
· : R × V → V,
(x, y) 7→ x + y,
Addition
(λ, x) 7→ λx
Skalarmultiplikation.
Dann heißt V ein K-Vektorraum, wenn für alle x, y, z ∈ V und λ, µ ∈ R gilt:
x + y = y + x.
(V.1)
(x + y) + z = x + (y + z).
(V.2)
Es existiert ein Element 0 ∈ V mit x + 0 = x
∀x ∈ V.
Es existiert genau ein Element − x mit x + (−x) = 0.
Seite 22
(V.3)
(V.4)
4.1
1 x = x,
Der euklidische Raum
wobei 1 ∈ K das neutrale Element bzgl. der Multiplikation in K.
(V.5)
λ (µ x) = (λ µ) x.
(V.6)
λ (x + y) = λ x + λ y.
(V.7)
(λ + µ) x = λ x + µ x.
(V.8)
4.4 Definition. Wir definieren die euklidische Norm k · k : Rd → R+
0 durch

kxk := 
d
X
j=1
1
2
2
|xj |
x1
für x =
..
.
xd
!
∈ Rd
und das euklidische Skalarprodukt (·, ·) : Rd × Rd → R durch
(x, y) :=
d
X
x j yj
j=1
für x, y ∈ Rd .
Zu x ∈ Rd gibt uns kxk die Länge des Vektors x an (vgl. den Satz des Pythagoras). Zu x, y ∈ Rd
entspricht kx − yk dem Abstand zwischen x und y. Es gilt kxk2 = (x, x) für alle x ∈ Rd .
4.5 Proposition. Das Skalarprodukt auf Rd hat die folgenden Eigenschaften:
(1) Positive Definitheit:
x · x ≥ 0 für alle x ∈ Rd und x · x = 0 gdw. x = 0.
(2) Linearität im 1. Faktor:
(α x + β y ) · z = α x · z + β y · z für alle x, y, z ∈ Rd , α, β ∈ R.
(3) Symmetrie:
x · y = y · x für alle x, y ∈ Rd .
4.6 Proposition (Cauchy–Schwarz). Für alle x, y ∈ Rd gilt
|(x, y)| ≤ kxk kyk.
4.7 Satz. Die euklidische Norm hat die Eigenschaften
(1) Positive Definitheit: kxk ≥ 0 für alle x ∈ Rd und kxk = 0 genau dann, wenn x = 0.
(2) Positive Homogenität: kλxk = |λ| kxk für alle x ∈ Rd , λ ∈ R.
(3) Dreiecksungleichung: kx + yk ≤ kxk + kyk für alle x, y ∈ Rd .
4.8 Bemerkung. Definieren wir den euklidischen Abstand d : Rd × Rd → R+
0 durch
d(x, y) := kx − yk
für x, y ∈ Rd ,
so hat dieser die folgenden Eigenschaften:
Seite 23
4.2
Die komplexen Zahlen
(1) Positive Definitheit: d(x, y) ≥ 0 für alle x, y ∈ Rd und d(x, y) = 0 genau dann, wenn x = y.
(2) Symmetrie: d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ Rd .
(3) Dreiecksungleichung: d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für alle x, y, z ∈ Rd .
Dabei folgen die ersten Eigenschaften sofort und die dritte aus der Dreiecksungleichung für die Norm:
d(x, z) = kx − zk = kx − y + y − zk ≤ kx − yk + ky − zk = d(x, y) + d(y, z).
4.2
Die komplexen Zahlen
In R2 definieren wir eine Multiplikation · : R2 × R2 → R2 durch
!
!
!
a
c
ac − bd
·
:=
.
b
d
ad + bc
(4.1)
4.9 Proposition und Definition. R2 versehen mit der in Definition 4.1 erklärten Addition und mit der
in (4.1) erklärten Multiplikation ist ein Körper, der Körper der komplexen Zahlen
C.
1
Das Einselement
(das neutrale Element der Multiplikation) ist das Element 0 .
Zu ( ab ) 6= 00 ist das inverse Element ( dc ) gegeben durch
c =
a2
a
,
+ b2
d =
a2
−b
.
+ b2
(4.2)
Wie in R schreiben wir meist zw statt z · w für z, w ∈ C.
4.10 Bemerkung. (1) Es ist nicht möglich eine Ordnung auf C zu definieren, die allen Eigenschaften
genügt, die wir für die Ordnung der reellen Zahlen verlangt haben.
(2) Wir identifizieren x ∈ R mit der komplexen Zahl ( x0 ) und verstehen damit R als Teilmenge von C. Diese
Einbettung von R in C ist verträglich mit den Körperoperation, denn für x, y ∈ R ist
!
!
!
!
!
!
x+y
x
y
xy
x
y
=
+
,
=
·
,
0
0
0
0
0
0
und verträglich mit der Skalarmultiplikation, denn für alle x, y ∈ R, α ∈ R gilt
!
!
!
x
α
x
α
=
·
.
y
0
y
Wir identifizieren also insbesondere die 1 ∈ R mit
imaginäre Einheit i,
!
0
i :=
.
1
Es gilt dann
2
i =
0
1
!
·
0
1
!
=
−1
0
!
= −1.
Seite 24
1
0
∈ C. Weiter definieren wir die sogenannte
4.3
(3) Jedes z =
Einheit
x
y
Folgen in Rd und C
∈ C hat die eindeutige Darstellung als Linearkombination der Eins und der imaginären
z = x + iy,
x, y ∈ R.
(4.3)
Dann heißt Re(z) := x Realteil von z und y := Im(z) Imaginärteil von z. Da C ein Körper ist, können
wir in der Darstellung (4.3) Multiplikationen und Summen von komplexen Zahlen unter Berücksichtigung
von i2 = −1 mit Hilfe der üblichen Rechenregeln“ bestimmen, etwa
”
(a + ib) · (c + id) = ac + aid + ibc + i2 bd = ab − bd + i(ad + bc),
in Übereinstimmung mit (4.1).
(4) Wir versehen C mit der euklidischen Norm aus R2 , also für z =
kzk :=
p
x
y
= x + iy setzen wir
x2 + y 2 .
4.11 Definition.
Wir definieren die komplexe Konjugation C → C, z 7→ z̄ wie folgt:
für z = xy = x + iy setzen wir
z̄ := x − iy.
4.12 Bemerkung. Es gelten für alle z, w ∈ C, z =
x1 y1
= x1 + iy1 , w =
x2 y2
= x2 + iy2
z z̄ = x21 + y12 = kzk2 ,
z + w = z̄ + w̄,
zw = z̄ w̄,
kzwk = kzk kwk,
| Re z| ≤ kzk,
| Im z| ≤ kzk,
kzk = kz̄k.
Wir schreiben meist für z ∈ C statt kzk kurz |z|.
4.3
Folgen in Rd und C
4.13 Definition. Eine Folge (cn )n∈N komplexer Zahlen heißt konvergent gegen c ∈ C, falls zu jedem
ε > 0 ein N ∈ N existiert, sodass
|cn − c| < ε
für alle n ≥ N.
Eine Folge (an )n∈N in Rd heißt konvergent gegen a ∈ Rd , falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert,
sodass
kan − ak < ε
für alle n ≥ N.
Identifizieren wir C mit dem R2 so entspricht die Konvergenz in C gerade der Konvergenz in R2 .
Daher gelten die folgenden Eigenschaften für Folgen in Rd entsprechend für Folgen in C.
Seite 25
4.3
Folgen in Rd und C
4.14 Satz. Sei (an )n∈N eine Folge in Rd , an = (an,1 , . . . , an,d ), n ∈ N. Sei weiter a ∈ Rd , a =
(a1 , . . . , ad ). Dann sind äquivalent:
(1) an → a (n → ∞) in Rd .
(2) Für alle i = 1, . . . d gilt an,i → ai (n → ∞) in R.
4.15 Folgerung. Sei (cn )n eine Folgen in C, cn = xn + iyn mit xn , yn ∈ R. Dann sind äquivalent:
(1) (cn )n∈N ist konvergent.
(2) Beide Folgen (xn )n∈N und (yn )n∈N sind konvergent.
(3) (cn )n∈N ist konvergent.
Es gilt dann
lim cn = lim xn + i lim yn ,
n→∞
n→∞
n→∞
lim cn = lim cn .
n→∞
n→∞
4.16 Definition. Eine Folge (an )n∈N in Rd heißt Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N
existiert, sodass
kan − am k < ε
für alle n, m ≥ N.
Eine Folge (cn )n∈N in C heißt Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, sodass
|cn − cm | < ε
für alle n, m ≥ N.
4.17 Satz. Sei eine Folge (an )n∈N in Rd gegeben. Dann sind äquivalent:
(1) (an )n∈N ist Cauchy-Folge.
(2) Für jedes 1 ≤ i ≤ d ist (an,i )n∈N Cauchy-Folge.
(3) (an )n∈N ist konvergent in Rd .
4.18 Folgerung. Sei eine Folge (cn )n∈N in C, cn = xn + iyn mit xn , yn ∈ R gegeben. Dann sind äquivalent:
(1) (cn )n∈N ist Cauchy-Folge (in C).
(2) Beide Folgen (xn )n∈N , (yn )n∈N sind Cauchy-Folgen (in R).
(3) (cn )n∈N ist konvergent (in C).
Aufgrund der Eigenschaft, dass alle Cauchyfolgen in C und Rd konvergent sind, nennen wir C und
Rd vollständig.
Es gelten die folgenden Rechenregeln“ für konvergente Folgen.
”
Seite 26
4.3
Folgen in Rd und C
4.19 Satz. Seien (an )n∈N , (bn )n∈N zwei konvergente Folgen in Rd , λ ∈ R. Dann sind auch (an +bn )n∈N
sowie (λan )n∈N in Rd konvergent und es gilt
lim (an + bn ) = lim an + lim bn ,
n→∞
n→∞
n→∞
lim (λan ) = λ lim an .
n→∞
n→∞
4.20 Satz. Seien (zn )n∈N , (wn )n∈N zwei konvergente Folgen in C. Dann sind auch (zn )n∈N sowie
(zn wn )n∈N in C konvergent und es gilt
lim zn = lim zn ,
n→∞
n→∞
lim zn wn = lim zn · lim wn .
n→∞
n→∞
n→∞
Ist außerdem limn→∞ wn 6= 0 so existiert ein n0 ∈ N mit wn 6= 0 für alle n ≥ n0 , die Folge ( wznn )n≥n0
konvergiert in C und es gilt
lim
n→∞
n≥n0
zn
limn→∞ zn
=
.
wn
limn→∞ wn
Seite 27
5
Reihen in R und C
5
Reihen in R und C
5.1
Konvergenz von Reihen
5.1 Definition. Sei (ak )k∈N eine Folge in R oder C. Betrachte dann die Folge (sn )n∈N der Partialsummen
sn := a1 + . . . + an =
n
X
ak .
k=1
Wir nennen (sn )n∈N (unendliche) Reihe und schreiben dafür
5.2 Definition. Die Reihe
∞
X
P∞
k=1 ak
P∞
k=1 ak .
heißt konvergent, falls (sn )n∈N konvergent ist. Wir setzen dann
ak := lim sn
k=1
n→∞
(trotz der Doppeldeutigkeit: je nach Zusammenhang meint
P∞
k=1 ak
die Reihe oder den Grenzwert!).
5.3 Beispiel. (1) Für z ∈ C mit z 6= 1 und die Folge (ak )k , ak := z k , k ∈ N, a0 := z 0 := 1 gilt nach
Lemma 2.27
n
n
X
X
1 − z n+1
sn :=
ak =
zk =
1−z
k=0
k=0
(in der Tat haben wir beim Nachweis dieser Identität in Lemma 2.27 nur die Körpereigenschaften von
R benutzt, das Argument gilt also entsprechend auch für komplexe Zahlen). Nun gilt für |z| < 1 nach
Beispiel 3.5(4)
|z n+1 | = |z|n+1 → 0 (n → ∞),
damit limn→∞ z n+1 = 0 und
∞
X
k=0
zk =
1
.
1−z
P
1
(2) Die Reihe ∞
k=1 k heißt harmonische Reihe.
Pn 1
Sei (sn )n∈N die Folge der Partialsummen, sn =
k=1 k . Dann ist (sn )n∈N divergent, denn für alle
n ∈ N gilt
s2n − sn =
1
1
1
1
1
+
+ ... +
≥ n·
= .
n+1 n+2
2n
2n
2
Damit ist (sn )n∈N keine Cauchyfolge, also nach dem Cauchy-Konvergenzkriterium Satz 3.34 divergent.
Da (sn )n∈N monoton wächst, ist (sn )n∈N sogar bestimmt divergent gegen +∞,
∞
X
1
= +∞.
k
k=1
Seite 28
5.1
Konvergenz von Reihen
P
P
5.4 Satz. Sei K = R oder K = C. Seien dann ∞
ak und ∞
k=1 bk zwei konvergente Reihen in K und
Pk=1
(λa
+
µb
seien weiter λ, µ ∈ K. Dann ist auch die Reihe ∞
k
k ) konvergent mit
k=1
∞
X
(λak + µbk ) = λ
k=1
∞
X
ak + µ
k=1
∞
X
bk
k=1
P
5.5 Satz. Sei eine Reihe ∞
k=0 ak in R oder C gegeben. Dann sind äquivalent:
P∞
(1)
k=0 ak ist konvergent.
(2) Cauchy Kriterium: Zu jedem > 0 existiert ein N ∈ N existiert, sodass
m
X
< für alle n, m ≥ N mit m > n.
a
k
k=n+1 Insbesondere ist (ak )k eine Nullfolge, falls
P∞
k=0 ak
(5.1)
konvergent ist.
5.6 Bemerkung. Die Umkehrung
der letzten Aussage in Satz 5.5 gilt nicht, so ist etwa die harmonische Reihe
P∞ 1
1
Nullfolge.
k=1 k divergent, aber k
k∈N
5.7 Satz. Seien (ak )k und (bk )k zwei reelle Folgen.
P∞
P
(1) Falls 0 ≤ an ≤ bn für alle n ∈ N und ∞
k=1 ak und es
k=1 bk konvergiert, so konvergiert auch
gilt
0≤
∞
X
k=1
ak ≤
∞
X
bk .
k=1
(2) Falls bn ≤ an für alle n ∈ N und
5.8 Beispiel. Die Reihe
0 ≤ ak =
(5.2)
P∞
1
k=1 k2
P∞
k=1 bk
= +∞, so gilt auch
n
X
k=1
k=1 ak
= +∞.
ist konvergent, denn für alle k ≥ 2 gilt zunächst
1
1
1
1
≤
=
− =: bk .
k2
k(k − 1)
k−1 k
Setzen wir noch b1 = 1, so gilt ak ≤ bk für alle k und die Reihe
tn =
P∞
bk = 1 + 1 −
P∞
k=1 bk
ist konvergent wegen
1
→ 2 (n → ∞).
n
5.9 Satz (Leibniz - Kriterium). Sei die reelle Folge (ak )k∈N monoton fallend mit ak → 0 (k → ∞).
Seite 29
5.1
Konvergenz von Reihen
Dann konvergiert die alternierende Reihe“
”
∞
X
a1 − a2 + a3 − a4 + . . . − . . . =
(−1)k+1 ak .
k=1
1
2
5.10 Beispiel. Die alternierende harmonische Reihe 1 −
5.11 Definition. Eine Reihe
konvergiert.
P∞
k=1 ak
+
1
3
−
1
4
+
1
5
−
1
6
+ . . . − . . . ist konvergent.
in R oder C heißt absolut konvergent, falls die Reihe
P∞
k=1 |ak |
5.12 Beispiel. Die alternierende harmonische Reihe ist konvergent, aber nicht absolut konvergent.
5.13 Satz. Eine absolut konvergente Reihe
∞ ∞
X X
a
≤
|ak | .
k
k=1 k=1
P∞
k=1 ak
ist konvergent und es gilt
P∞
P
5.14 Satz (Majorantenkriterium). Sei ∞
k=1 ck eine konk=1 ak eine Reihe in R oder C. Sei weiter
vergente Reihe in R und existiere ein k0 ∈ N mit
|ak | ≤ ck
Dann folgt, dass
für alle k ≥ k0 .
P∞
k=1 ak
absolut konvergent ist.
P∞
5.15 Satz (Quotientenkriterium). Sei eine Reihe
gilt, dass ak 6= 0 für alle k ≥ N .
k=1 ck
P∞
heißt dann konvergente Majorante“.
”
k=1 ak
(1) Falls
ak+1 < 1,
q := lim sup ak k→∞
P
so ist ∞
k=1 ak absolut konvergent.
(2) Falls
ak+1 > 1,
lim inf k→∞
ak P
so ist ∞
k=1 ak divergent.
Seite 30
in R oder C gegeben, sodass für ein N ∈ N
5.2
5.16 Beispiel.
Umordnung und Produkt von Reihen
(1) Zu z ∈ C mit |z| < 1, z 6= 0, setze ak = kz k , k ∈ N. Dann ist
a
k+1
k+1 |(k + 1)z k+1 |
=
|z|
=
ak
k
|kz k |
und daher
a
k+1 lim = |z| < 1.
k→∞
ak
Mit Satz 5.15 folgt die Konvergenz der Reihe
P∞
k=1 kz
k.
(2) Betrachte das Quotientenkriterium für die (divergente!) harmonische Reihe, also ak = k1 , k ∈ N. Dann
ist
1
ak+1
k
=1−
< 1 für alle k ∈ N.
=
ak
k+1
k+1
a
Es gilt aber k+1
ak → 1 (k → ∞). Damit ist das Quotientenkriterium also in der Tat nicht erfüllt.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Aussage in Satz 5.15 falsch ist, wenn wir dort nur q ≤ 1 verlangen.
(3) Betrachte schließlich die Reihe zu ak =
1
,
k2
k ∈ N. Dann gilt
k2
ak+1
k2
1
=
=
=
2
2
2
ak
(k + 1)
k + 2k + 1
1+ k +
1
k2
→ 1 (k → ∞).
P
1
Das Quotientenkriterium ist damit wieder nicht erfüllt. Die Reihe ∞
k=1 k2 ist aber dennoch konvergent!
Dies zeigt, dass das Quotientenkriterium eine hinreichende aber nicht notwendige Bedingung für die
Konvergenz einer Reihe ist.
P
5.17 Satz (Wurzelkriterium). Sei ∞
k=1 ak eine Reihe in R oder C.
p
P
(1) Falls lim supk→∞ k |ak | < 1, so ist ∞
k=1 ak absolut konvergent.
p
P
(2) Falls lim supk→∞ k |ak | > 1, so ist ∞
k=1 ak divergent.
5.18 Beispiel. Betrachte m ∈ N und dazu die Reihe
r
k
km
2k
√ m
k
k
=
2
k→∞
−−−→
km
k=1 2k .
P∞
Dann ist nach Beispiel 3.5(5)
1
< 1.
2
Nach dem Wurzelkriterium ist die Reihe damit konvergent.
5.2
Umordnung und Produkt von Reihen
P
k+1 1 ist konvergent. Wir betrachten
5.19 Bemerkung. Die alternierende harmonische Reihen ∞
k=1 (−1)
k
folgende Umordnung der Reihe. Dabei summieren wir schrittweise alle ak := (−1)k+1 k1 , k ∈ N nach dem
folgenden Schema: Wähle zu j ∈ N ein k(j) ∈ N, sodass
k(j)
X
l=1
j
X 1
1
> j+
.
2l − 1
2l
l=1
Seite 31
5.3
Die Exponentialreihe
P
1
Dies ist möglich, da ∞
l=1 2l−1 = +∞ (vgl. die bestimmte Divergenz der harmonischen Reihe). In Schritt
j = 1 summieren wir zunächst die ersten k(1) Folgeglieder mit k ungerade auf, dann das erste Folgeglied
mit geradem Index. Im zweiten Schritt addieren wir die nächsten Folgeglieder mit ungeradem Index bis zum
k(2)-ten, und dann das j = 2-te Folgeglied mit geradem Index hinzu, und iterieren dieses Verfahren. Dies gibt
uns nach dem j-ten Schritt die Partialsumme
1
1
1
1
1
1
+ ··· +
− +
+ ··· +
−
3
2k(1) − 1 2 2k(1) + 1
2k(2) − 1 4
1
1
1
1
1
1
+
+ ··· +
− + ··· +
+ ··· +
−
2k(2) + 1
2k(3) − 1 6
2k(j − 1) + 1
2k(j) − 1 2j
Sj+k(j) = 1 +
=
k(j)
X
j
X 1
1
−
> j.
2l − 1
2l
l=1
l=1
Damit gilt limj→∞ Sj+k(j) = +∞ und die umgeordnete Reihe ist divergent!
5.20 Satz. Sei
Reihe
∞
X
P∞
k=1 ak
absolut konvergent und sei ϕ : N → N bijektiv. Dann ist auch die umgeordnete
aϕ(k) = aϕ(1) + aϕ(2) + aϕ(3) + . . .
k=1
absolut konvergent und es gilt
∞
X
aϕ(k) =
k=1
∞
X
ak .
k=1
P∞
P
5.21 Satz (Cauchy Produktsatz). Seien ∞
j=1 cj absolut konvergent. Setze dann dk :=
k=1 bk ,
P∞
Pk
j=1 bj ck−j+1 . Dann konvergiert
k=1 dk absolut und es gilt
s :=
∞
X



∞
∞
∞
X
X
X




dk =
bk
cj =:
bk cj
k=1
5.22 Bemerkung. Seien
∞
X
k=0
5.3
k=1
P∞
k=0 bk ,
j=1
P∞
j=0 cj
k,j=1
absolut konvergent, dk =
Pk
j=0 bj ck−j .
Dann gilt



∞
∞
∞
X
X
X
dk = 
bk  
cj  =
bk cj .
k=0
j=0
k,j=0
Die Exponentialreihe
5.23 Satz. Für jedes z ∈ C konvergiert die Exponentialreihe exp(z) :=
Seite 32
P∞
1 k
k=0 k! z
absolut.
5.3
Die Exponentialreihe
5.24 Satz (Additionstheorem). Für alle z, w ∈ C gilt exp(z + w) = exp(z) · exp(w)
Die Identität in Satz 5.24 heißt auch Funktionalgleichung der Exponentialfunktion.
5.25 Proposition. Es gilt
(1) exp(z) 6= 0 und exp(−z) =
1
exp(z)
für alle z ∈ C,
(2) exp(z) = exp(z̄) für alle z ∈ C,
(3) exp(x) > 0 für alle x ∈ R,
(4) | exp(ix)| = 1 für alle x ∈ R.
n
5.26 Satz. Es gilt exp(1) = e = limn→∞ 1 + n1
und
exp(q · x) = exp(x)q
für alle q ∈ Q, x ∈ R,
insbesondere also exp(q) = eq für alle q ∈ Q.
In der Übung zeigen wir auch die folgende Abschätzung.
5.27 Lemma. Für alle z ∈ C mit |z| ≤ 1 und alle n ∈ N0 gilt
n
X
1
2
k
exp(z) −
z ≤
|z|n+1 .
k!
(n + 1)!
k=0
Seite 33
6
Funktionen und Stetigkeit
6
Funktionen und Stetigkeit
Sei im Folgenden K = R oder K = C und, falls nicht anders angegeben, D ⊂ K.
6.1
Funktionen
6.1 Definition. Sei M eine Menge. Unter einer M -wertigen Funktion f auf D verstehen wir eine Abbildung f : D → M . Das Bild von D unter f ist die Menge
n
o
f (D) := f (x) : x ∈ D .
Der Graph von f ist die Menge
graph(f ) := (x, y) : x ∈ D, y ∈ K, y = f (x) ⊂ D × M.
Falls M ⊂ R nennen wir f eine reellwertige Funktion, falls M ⊂ C eine komplexwertige Funktion.
6.2 Beispiel.
(1) Die konstante Funktion zu c ∈ R ist gegeben durch f (x) := c für alle x ∈ D.
(2) f : K → K heißt affin linear, falls a, b ∈ K existieren mit
f (x) = ax + b
für alle x ∈ K.
(3) Die (komplexe) Exponentialfunktion exp : C → C und die reelle Exponentialfunktion exp : R →
R, x 7→ exp(x).
(4) Für A ⊂ K ist die charakteristische Funktion von A gegeben durch

1 falls x ∈ A,
XA : A → R, XA (x) :=
0 sonst.
(5) Die Signumfunktion sgn : R → R ist gegeben durch



−1 falls x < 0,
sgn(x) := 0
falls x = 0,


1
falls x > 0.
(6) Die Gaußklammerfunktion f : R → R ist gegeben durch
f (x) := bxc := max{n ∈ Z : n ≤ x}.
6.3 Definition. Seien f, g : D → K, D ⊂ K, λ ∈ K. Dann definieren wir Funktionen f + g, f · g, λf :
D → K durch
(f + g)(x) := f (x) + g(x),
(f · g)(x) := f (x) · g(x),
Seite 34
(λf )(x) := λ · f (x)
6.2
Stetigkeit und Grenzwerte
für x ∈ D. Weiter setzen wir D0 := x ∈ D : g(x) 6= 0 und definieren
f (x)
f
f
0
(x) :=
: D → K,
.
g
g
g(x)
6.4 Definition. Seien M Megen, f : D → M und A ⊂ D. Dann definieren wir die Einschränkung
f |A : A → K von f auf A durch
f |A (x) := f (x)
6.2
für x ∈ A.
Stetigkeit und Grenzwerte
Für x ∈ K, ε > 0 heißt
B(x, ε) := {y ∈ K : |x − y| < ε}
der offene ε-Ball um x.
6.5 Definition. Sei A ⊂ K.
(1) x ∈ K heißt Häufungspunkt von A, falls für alle ε > 0 die Menge A ∩ B(x, ε) unendlich viele
Elemente hat.
(2) A heißt abgeschlossen, falls jeder Häufungspunkt von A in A liegt.
(3) Wir definieren den Abschluss von A als
A := A ∪ {x ∈ K : x ist Häufungspunkt von A}.
(4) x ∈ A heißt isolierter Punkt, falls für ein ε > 0 gilt: B(x, ε) ∩ A = {x}.
6.6 Bemerkung.
(1) Ā ist abgeschlossen für alle A ⊂ K.
(2) Kein isolierter Punkt von A ist Häufungspunkt von A.
(3) Für a ≤ b ist das reelle Intervall [a, b] abgeschlossen.
(4) Für den Abschluss der rationalen Zahlen gilt Q = R.
6.7 Lemma. Sei A ⊂ K und x ∈ K. Dann sind äquivalent:
(1) x ist Häufungspunkt von A.
(2) Es existiert eine Folge (xk )k∈N in A \ {x} mit xk → x für k → ∞.
Seite 35
6.2
Stetigkeit und Grenzwerte
6.8 Definition. Eine Funktion f : D → K heißt stetig in x0 ∈ D, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0
existiert, sodass
|f (x) − f (x0 )| < ε
für alle x ∈ D mit |x − x0 | < δ.
f heißt stetig, falls f in allen x0 ∈ D stetig ist.
6.9 Beispiel. (1) Die Betragsfunktion ist stetig: Seien x0 ∈ R und ε > 0 beliebig. Dann gilt
|x|
−
|x
|
für alle |x − x0 | < δ := ε.
0 ≤ |x − x0 | < ε
(2) Die charakteristische Funktion X[0,1] : R → R ist nicht stetig an x0 = 0: Für ε =
|X[0,1] (x) − X[0,1] (0)| = 1 > ε
1
2
und alle δ > 0 gilt
für alle 0 < x < δ.
6.10 Definition. f : D → K heißt Lipschitzstetig, falls L ≥ 0 existiert mit
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y|
für alle x, y ∈ D.
L heißt dann Lipschitzkonstante von f .
6.11 Proposition. Lipschitzstetige Funktionen sind stetig.
6.12 Proposition. Die Exponentialfunktion exp : C → C ist stetig.
6.13 Definition. Sei D ⊂ K, f : D → K und sei x0 ∈ K Häufungspunkt von D. Die Funktion f
konvergiert für x gegen x0 gegen a ∈ K, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert, sodass
|f (x) − a| < ε
für alle x ∈ D mit 0 < |x − x0 | < δ.
Wir schreiben f (x) → a für x → x0 oder limx→x0 f (x) = a.
6.14 Satz. Sei D ⊂ K, x0 Häufungspunkt von D, f : D → K, a ∈ K. Dann sind äquivalent:
(1) f (x) → a für x → x0 .
(2) Für alle Folgen (xk )k in D \ {x0 } mit x0 = limk→∞ xk gilt limk→∞ f (xk ) = a.
Weiterhin sind für x0 ∈ D äquivalent:
(3) f ist stetig in x0 .
(4) f (x) → f (x0 ) für x → x0 .
(5) Für alle Folgen (xk )k in D mit x0 = limk→∞ xk gilt limk→∞ f (xk ) = f (x0 ).
Seite 36
6.2
Stetigkeit und Grenzwerte
6.15 Beispiel. Für die Funktion sgn : R → R existiert limx→0 sgn(x) nicht:
Betrachte etwa xk := k1 , dann gilt
xk → 0 (k → ∞)
fk (x) → 1 (k → ∞).
und
Andererseits gilt für yk := − k1 , dass
yk → 0 (k → ∞)
f (yk ) → −1 (k → ∞).
aber
Damit kann der Grenzwert limx→x0 f (x) nicht existieren.
Für Funktionen die auf Teilmengen von R definiert sind, ist es oft zweckmäßig einen ‘rechtsseitigen’ und ‘linksseitigen’ Limes an einer Stelle des Definitionsbereichs zu definieren. Siehe dazu die
Übungsaufgabe 3 von Blatt 9.
Zusatz: Definition. Sei D ⊂ R, f : D → R. Falls x0 Häufungspunkt von D ∩ (−∞, x0 ), dann definieren
wir den linksseitigen Limes von f an x0 als
lim f (x) := lim f |D∩(−∞,x0 ) (x).
lim f (x) := x→x
x%x0
x→x0
0
x<x0
Falls x0 Häufungspunkt von D ∩ (x0 , ∞), dann definieren wir den rechtsseitigen Limes von f an x0 als
lim f (x) := x→x
lim f (x) := lim f |D∩(x0 ,∞) (x).
x&x0
x→x0
0
x>x0
Der Limes limx→x0 f (x) existiert genau dann, wenn links- und rechtsseitiger Limes von f an x0 existieren und übereinstimmen. In Beispiel 6.15 existieren sowohl links- als auch rechtsseitiger Limes,
limx%0 sgn(x) = −1, limx&0 sgn(x) = 1, diese stimmen aber nicht überein.
6.16 Satz. Seien f, g : D → K, x0 ∈ K Häufungspunkt von D und gelte f (x) → a, g(x) → b für
x → x0 . Dann gilt für x → x0
f (x) + g(x) → a + b,
und im Fall b 6= 0 auch
f (x)
g(x)
f (x)g(x) → ab,
→ ab .
Seien f, g :D → K stetig. Dann
sind auch die Funktionen f + g, f g : D → K stetig.
Für D0 := x ∈ D : g(x) 6= 0 gilt fg : D0 → K ist stetig.
6.17 Satz. Seien f : D → K, g : E → K gegeben mit f (D) ⊂ E. Falls dann f stetig ist in x0 ∈ D und
g stetig in f (x0 ) ∈ E, so ist g ◦ f : D → R stetig in x0 .
6.18 Definition.
(1) Eine Polynom auf K ist eine Funktion p : K → K der Form p(x) = an xn + an−1 xn−1 + . . . +
a1 x + a0 mit Koeffizienten a0 , . . . , an ∈ K, n ∈ N0 . Falls an 6= 0, so heißt p Polynom vom Grad n.
(2) Eine rationale Funktion r : D → K ist von der Gestalt r(x) =
Polynome und q(x) 6= 0 für alle x ∈ D.
Seite 37
p(x)
q(x)
für alle x ∈ D, wobei p, q
6.3
Eigenschaften stetiger Funktionen
6.19 Folgerung. Polynome und rationale Funktionen sind stetig.
6.20 Definition. Sei f : D → R, D ⊂ R.
(1) (Uneigentliche Grenzwerte.) Sei x0 ∈ R Häufungspunkt von D. Dann gilt limx→x0 f (x) = +∞,
wenn es zu jedem M > 0 ein δ > 0 gibt mit
f (x) > M
für alle x ∈ D mit 0 < |x − x0 | < δ.
Entsprechend definieren wir limx→x0 f (x) = −∞.
(2) (Grenzwerte für x → +∞.) Sei D nicht nach oben beschränkt und a ∈ R. Falls dann zu jedem
ε > 0 ein k ∈ R existiert mit
|f (x) − a| < ε
für alle x ∈ D mit x > k
so schreiben wir limx→+∞ f (x) = a.
Entsprechend definieren wir limx→−∞ f (x) = a.
6.3
Eigenschaften stetiger Funktionen
6.21 Satz (Zwischenwertsatz). Sei f : [a, b] → R stetig und f (a) 6= f (b). Dann existiert zu jedem
y0 ∈ R zwischen f (a) und f (b) ein x0 ∈ [a, b], sodass f (x0 ) = y0 .
6.22 Folgerung. Sei p : R → R Polynom vom Grad n, n = 2k − 1 für ein k ∈ N. Dann besitzt p mindestens
eine Nullstelle.
6.23 Proposition. Sei I ⊂ R Intervall (eventuell uneigentlich). Sei f : I → R stetig. Dann ist f (I) ein
Intervall (eventuell uneigentlich).
Ein eigentliches“ Intervall kann auf ein uneigentliches Intervall abgebildet werden. Betrachte etwa:
”
f (x) := x1 , I = (0, 1], dann ist f stetig und f (I) = [1, ∞).
6.24 Definition. Eine Funktion f : D → K heißt beschränkt, falls f (D) eine beschränkte Menge in K
ist, das heißt: es existiert M > 0 mit |f (x)| ≤ M für alle x ∈ M .
Eine Funktion f : D → R heißt nach unten (oben) beschränkt, falls f (D) nach unten (oben) beschränkt
ist.
6.25 Satz. Sei f : [a, b] → R stetig. Dann nimmt f sein Maximum und Minimum an, das heißt es
existieren x+ , x− ∈ [a, b], so dass f (x+ ) = sup{f (x) : x ∈ [a, b]} und f (x− ) = inf{f (x) : x ∈ [a, b]}.
Insbesondere ist f beschränkt.
Seite 38
6.3
Eigenschaften stetiger Funktionen
6.26 Definition. Sei f : D → K und A ⊂ D. Dann heißt f gleichmäßig stetig auf A, falls zu jedem
> 0 ein δ > 0 existiert, sodass für alle x, y ∈ A mit |x − y| < δ folgt, dass |f (x) − f (y)| < . Die
Funktion f heißt gleichmäßig stetig, falls f gleichmäßig stetig auf D ist.
6.27 Bemerkung. f stetig in D bedeutet, dass
∀x0 ∈ D
∀ > 0 ∃δ > 0
:
|f (x) − f (x0 )| < ∀x ∈ D mit |x − x0 | < δ,
wobei δ = δ(x0 , ε) im Allgemeinen von x0 und ε abhängt. Dagegen bedeutet f gleichmäßig stetig, dass
∀ > 0 ∃δ > 0 ∀x0 ∈ D
:
|f (x) − f (x0 )| < ∀x ∈ D mit |x − x0 | < δ,
wobei δ = δ(ε) nicht von x0 (aber i.A. von ε) abhängig ist.
6.28 Beispiel. Betrachte die Funktion f : (0, ∞) → R, f (x) :=
gleichmäßig stetig auf [a, ∞) ist. In der Tat gilt für alle x, y ≥ a
1 1 |x − y|
1
|f (x) − f (y)| = − =
≤ 2 |x − y|.
x y
xy
a
1
x.
Wir zeigen, dass f für alle a > 0
Sei > 0 vorgegeben, dann gilt für alle x, y ≥ a mit |x − y| < δ := a2 |f (x) − f (y)| <
1 2
a = ,
a2
damit ist f gleichmäßig stetig auf [a, ∞).
Allerdings ist f nicht gleichmäßig stetig
auf (0, ∞):
Denn sonst müsste zu := 1 ein δ > 0 existieren, sodass
für alle x, y > 0 mit |x − y| < δ gilt f (x) − f (y) < 1.
Betrachte nun aber y = x2 , dann gilt |x − y| = x2 < δ für alle 0 < x < 2δ. Andererseits folgt
1
1
f (x) − f (y) = − = 1 → ∞ (x → 0),
x
x
x
2
insbesondere f (x) − f (y) > 1 für x > 0 klein genug, ein Widerspruch.
6.29 Satz. Sei f : [a, b] → R stetig. Dann ist f gleichmäßig stetig.
6.30 Bemerkung. Ersetzen wir in Satz 6.29 das abgeschlossene Intervall [a, b] durch ein Intervall von anderem Typ, so ist die Aussage in Satz 6.29 im Allgemeinen falsch.
6.31 Satz. Sei f : I → R, I Intervall mit Intervallgrenzen a < b. Sei f stetig und streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend). Dann ist J := f (I) Intervall mit Intervallgrenzen α := limx&a f (x)
und β := limx%b f (x) und es gilt α < β (bzw. β < α). Die Funktion f : I → J ist bijektiv. Die Umkehrfunktion f −1 : J → I ist streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend) und stetig.
Wir bemerken, dass entsprechende Aussagen auch für uneigentliche Intervalle gelten.
Seite 39
7
Weitere spezielle Funktionen
7
Weitere spezielle Funktionen
7.1
Logarithmus und allgemeine Potenzen
7.1 Satz. Die Exponentialfunktion exp : R → (0, ∞) ist bijektiv, streng monoton wachsend und stetig,
es gilt
lim exp(x) = 0,
x→−∞
lim exp(x) = ∞.
x→∞
Wir definieren dann die Logarithmusfunktion als die Umkehrfunktion
log := exp−1 ,
log : (0, ∞) → R.
Der Logarithmus ist stetig, streng monoton steigend, bijektiv und erfüllt
lim log(x) = −∞,
x&0
log(1) = 0,
log(e) = 1,
lim log(x) = ∞.
x→∞
Weiterhin gelten die Funktionalgleichung des Logarithmus,
log(xy) = log x + log y
für alle x, y > 0,
und log( x1 ) = − log x für alle x > 0.
exp
x 7! x
log
3
2
1
3
2
1
1
1
2
3
Seite 40
2
3
7.2
Sinus und Kosinus
7.2 Definition. Sei a > 0. Die Funktion
expa : R → (0, ∞),
expa (x) := ax := exp(x log a)
für x ∈ R
heißt allgemeine Potzenfunktion zur Basis a.
Damit gilt insbesondere expe (x) = ex = exp(x log e) = exp x für alle x ∈ R.
7.3 Satz. Für alle a > 0 ist expa : R → (0, ∞) stetig. Für alle a, b > 0 und alle x, y ∈ R gilt:
(1)
ax ay = ax+y
(2)
(ax )y = axy
(3)
ax bx = (ab)x
x
1
= a−x
a
(4)
Wir schreiben im Folgenden auch für komplexe Argumente ez := exp(z).
7.2
Sinus und Kosinus
7.4 Definition. Wir definieren die Funktionen Sinus und Kosinus, sin : R → R, cos : R → R durch
cos(x) := Re(exp(ix)) =
eix + e−ix
,
2
sin(x) := Im(exp(ix)) =
eix − e−ix
2i
für x ∈ R.
7.5 Bemerkung. Damit gilt die Eulersche Formel
exp(ix) = cos(x) + i sin(x)
für alle x ∈ R.
Für alle x ∈ R gilt | exp(ix)| = 1 und exp(ix) liegt auf dem Einheitskreis in der Gaußschen Zahlenebene.
Kosinus bzw. Sinus sind die Koordinaten des Punktes exp(ix) auf der reellen bzw. imaginären Achse.
Für alle x ∈ R gilt
cos(−x) = cos(x),
2
2
sin(−x) = − sin(x),
cos (x) + sin (x) := (cos(x))2 + (sin(x))2 = 1.
Seite 41
7.2
Sinus und Kosinus
Im(z)
exp(ix)
sin(x)
cos(x)
Re(z)
Abbildung 7.1: Sinus und Kosinus am Einheitskreis
7.6 Satz. Die Funktionen sin : R → R, cos : R → R sind stetig auf ganz R.
7.7 Satz (Additionstheoreme für Sinus und Kosinus). Für alle x, y ∈ R gilt
cos(x + y) = cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y),
sin(x + y) = cos(x) sin(y) + sin(x) cos(y).
7.8 Folgerung. Für alle x, y ∈ R gilt
x+y
x−y
sin(x) − sin(y) = 2 cos
sin
,
2
2
x+y
x−y
cos(x) − cos(y) = −2 sin
sin
.
2
2
7.9 Satz. Für alle x ∈ R gilt
cos(x) = 1 −
sin(x) = x −
∞
X
x2 x4 x6
x2k
+
−
+ ... − ... =
(−1)k
,
2
4!
6!
(2k)!
x3
3!
+
x5
5!
−
x7
7!
+ ... − ... =
k=0
∞
X
(−1)k
k=0
Beide Reihen konvergieren für alle x ∈ R absolut.
7.10 Proposition. Es gilt
lim
x→0
sin(x)
= 1.
x
Seite 42
x2k+1
(2k + 1)!
7.3
Weitere trigonometrische Funktionen
7.11 Satz. Die Funktion cos hat im Intervall [0, 2] genau eine Nullstelle t0 . Wir definieren π := 2t0 .
Der Kosinus ist streng monoton fallend auf [0, 2] und der Sinus ist streng monoton steigend auf [0, π2 ],
beide Funktionen sind positiv auf (0, π2 ).
7.12 Satz. Es gilt für alle x ∈ R
cos(x +
π
) = − sin x,
2
sin(x +
π
) = cos x.
2
Sinus und Kosinus nehmen folgende Werte an:
x
0
π
2
π
3π
2
2π
sin(x)
0
1
0
−1
0
cos(x) 1
0
−1
0
1
(7.1)
7.13 Folgerung. Für alle x ∈ R gilt
cos(x + 2π) = cos(x),
sin(x + 2π) = sin(x),
cos(x + π) = − cos(x),
sin(x + π) = − sin(x).
Weiterhin gilt cos(x) = 0 genau dann, wenn x = π2 + kπ für ein k ∈ Z, und sin(x) = 0 genau dann, wenn
x = kπ für ein k ∈ Z.
Der Sinus ist streng monoton (steigend oder fallend) auf allen Intervallen [ π2 + (k − 1)π, π2 + kπ], k ∈ Z. Der
Kosinus ist streng monoton (steigend oder fallend) auf allen Intervallen [kπ, (k + 1)π], k ∈ Z.
Schließlich gilt für x ∈ R genau dann exp(ix) = 1, falls x = k · 2π für ein k ∈ Z.
7.3
Weitere trigonometrische Funktionen
7.14 Definition.
(1) Die Tangensfunktion tan : R \ { π2 + kπ : k ∈ Z} → R ist definiert durch
tan x :=
sin(x)
.
cos(x)
(2) Die Kotangensfunktion cot : R \ {kπ : k ∈ Z} → R ist definiert durch
cot x :=
cos(x)
.
sin(x)
Nach Satz 6.16 sind tan und cot stetig. Weiterhin gilt tan(−x) = − tan(x), cot(−x) = − cot(x) für alle
x aus dem jeweiligen Definitionsbereich.
Seite 43
7.3
Weitere trigonometrische Funktionen
0,8
-3π
-2π
-π
0
π
2π
3π
-0,8
Abbildung 7.2: Graphen von Sinus (rot) und Kosinus
(schwarz)
−3π/2
π
−π/2
π/2
π
3π/2
2π
5π/2
Abbildung 7.3: Graph des Tangens
7.15 Satz (Umkehrfunktionen von Sinus, Kosinus und Tangens).
(1) Die Einschränkung des Kosinus cos : [0, π] → [−1, 1] ist streng monoton fallend und bijektiv. Die
Umkehrfunktion
arccos : [−1, 1] → [0, π]
nennen wir Arcus-Kosinus. Der Arcus-Kosinus ist stetig.
(2) Die Einschränkung des Sinus sin : − π2 , π2 → [−1, 1] ist streng monoton steigend und bijektiv.
Die Umkehrfunktion
π π
arcsin : [−1, 1] → − ,
2 2
nennen wir Arcus-Sinus. Der Arcus-Sinus ist stetig.
Seite 44
7.4
Polarkoordinaten
(3) Die Einschränkung des Tangens tan : − π2 , π2 → R ist streng monoton steigend und bijektiv. Die
Umkehrfunktion
π π
arctan : R → − ,
2 2
nennen wir Arcus-Tangens. Der Arcus-Tangens ist stetig.
⇡
1
cos
arccos
sin
arcsin
⇡
2
⇡
2
⇡
2
1
1
1
1
1
1
⇡
⇡
2
⇡
2
⇡
2
tan
arctan
⇡
2
1
1
⇡
2
1
1
1
⇡
2
1
⇡
2
7.4
Polarkoordinaten
7.16 Satz (Polarkoordinaten). Jede komplexe Zahl z ∈ C lässt sich schreiben als
z = r · exp iϕ,
wobei ϕ ∈ R und r = |z|. Für z 6= 0 ist ϕ bis auf ein ganzzahliges Vielfaches von 2π eindeutig bestimmt.
1
Seite 45
8
Differenzierbarkeit
8
Differenzierbarkeit
8.1
Ableitung und Ableitungsregeln
8.1 Definition. Sei I ⊂ R ein Intervall mit mehr als einem Punkt, x0 ∈ I und f : I → R. Dann heißt
f differenzierbar in x0 , falls
f 0 (x0 ) := lim
x→x0
f (x) − f (x0 )
x − x0
d
existiert. f 0 (x0 ) heißt Ableitung von f an der Stelle x0 . Wir schreiben für f 0 (x0 ) auch dx
f (x0 ).
Die Funktion f : I → R heißt differenzierbar, falls f in allen x0 ∈ I differenzierbar ist. Denn definieren
wir die Ableitungsfunktion (meist kurz Ableitung) von f ,
f 0 : I → R,
x 7→ f 0 (x).
Falls J ⊂ I Intervall und f differenzierbar ist in jedem x0 ∈ J, so nennen wir f differenzierbar auf J.
8.2 Bemerkung. Geometrische Motivation der Ableitung: Betrachten wir den Graphen von f , so gibt der
(x0 )
Differenzenquotient f (x)−f
gerade die Steigung der Sekante durch die Punkte (x0 , f (x0 )) und (x, f (x))
x−x0
des Graphen an. Falls f differenzierbar in x0 ist, so entspricht f 0 (x0 ) damit der Steigung der Tangenten des
Graphen von f in (x0 , f (x0 ).
Als alternative Motivation stellen wir uns x ∈ I als Zeitvariable vor und f (x) als die Position eines punktförmigen
Teilchens auf dem Zahlenstrahl. So können wir f : I → R als Beschreibung einer Bewegung verstehen. Der
(x0 )
Differenzenquotient f (x)−f
gibt dann gerade die Durchschnittsgeschwindigkeit der Bewegung auf dem
x−x0
Zeitintervall (x, x0 ) (bzw. (x0 , x)) an. Damit entspricht f 0 (x0 ) gerade der Momentangeschwindigkeit des
Teilchens zum Zeitpunkt x0 .
Eine hilfreiche alternative Charakterisierung der Differenzierbarkeit: f ist genau dann in x0 differenzierbar,
wenn
lim
h→0
x0 +h∈I
f (x0 + h) − f (x0 )
h
existiert. Dieser Limes stimmt dann gerade mit f 0 (x0 ) überein.
8.3 Beispiel. (1) Zu m, a ∈ R betrachte die affin-lineare Funktion f : R → R, f (x) := mx+a für x ∈ R.
Dann ist f differenzierbar in jedem x0 ∈ R mit
f 0 (x0 ) =
lim
x→x0
f (x) − f (x0 )
mx + a − (mx0 + a)
= lim
= lim m = m.
x→x
x→x0
x − x0
x − x0
0
(2) f : R \ {0} → R, f (x) :=
0
f (x0 ) =
lim
x→x0
1
x2
1
.
x2
−
Dann ist f differenzierbar in allen x0 ∈ R \ {0} und es gilt
1
x20
x − x0
= lim
x→x0
x20 − x2
−x − x0
−2
= lim
= 3.
2
2
2
2
x→x0
(x − x0 )x x0
x x0
x0
Seite 46
8.1
Ableitung und Ableitungsregeln
(3) Betrachte f : R → R, f (x) = |x|. Dann ist f in x0 = 0 nicht differenzierbar. In der Tat ist
lim
x%x0
Dagegen ist
f (x) − f (x0 )
x − x0
f (x) − f (x0 )
x&0
x − x0
lim
=
=
|x|
−x
= lim
= −1.
x%0 x
x%0 x
lim
x
= 1.
x&0 x
lim
Damit existiert
f (x) − f (x0 )
lim
x→x0
x − x0
nicht. (Für die Definition des links- bzw. rechtsseitigen Limes siehe die Definition nach Beispiel 6.15.)
8.4 Proposition. Die reelle Exponentialfunktion exp : R → R ist differenzierbar. Für die Ableitungsfunktion
gilt (exp)0 = exp, d.h. für alle x0 ∈ R ist exp0 (x0 ) = exp(x0 ).
8.5 Proposition. Kosinus cos : R → R und Sinus sin : R → R sind differenzierbar. Für alle x0 ∈ R gilt
sin0 (x0 ) = cos(x0 ) und cos0 (x0 ) = − sin(x0 ).
8.6 Satz. Sei I ⊂ R Intervall mit mehr als einem Punkt, sei x0 ∈ I und sei f : I → R differenzierbar in
x0 . Dann ist f stetig in x0 .
8.7 Satz. Sei I ⊂ R Intervall mit mehr als einem Punkt und sei x0 ∈ I. Dann sind äquivalent:
(1) f ist in x0 differenzierbar.
(2) Es existieren m ∈ R und eine Funktion ϕ : D → R, sodass
f (x) = f (x0 ) + m(x − x0 ) + ϕ(x)
lim
x→x0
ϕ(x)
= 0.
x − x0
für alle x ∈ D,
Falls (1),(2) gelten, so ist m = f 0 (x0 ).
Bemerkung. Die Umkehrung gilt nicht! Vergleiche dazu Beispiel 8.3 (3).
//
8.8 Satz. Sei I ⊂ R Intervall mit mehr als einem Punkt und sei x0 ∈ I. Seien f, g : I → R beide
differenzierbar in x0 und sei λ ∈ R beliebig. Dann gilt:
(1) Linearität: Die Funktion λf + g : I → R ist differenzierbar in x0 mit
(λf + g)0 (x0 ) = λf 0 (x0 ) + g 0 (x0 ).
(2) Produktregel: Die Funktion f g : I → R ist differenzierbar in x0 mit
(f g)0 (x0 ) = f 0 (x0 )g(x0 ) + f (x0 )g 0 (x0 ).
Seite 47
8.1
Ableitung und Ableitungsregeln
(3) Quotientenregel: Falls zusätzlich g(x0 ) 6= 0, so ist auch
f
: D → R,
g
D = x ∈ I : g(x) 6= 0
differenzierbar in x0 mit
0
f
f 0 (x0 )g(x0 ) − f (x0 )g 0 (x0 )
(x0 ) =
.
g
g(x0 )2
8.9 Beispiel.
(1) Sei fn : R → R, f (x) = xn , n ∈ N. Dann ist fn differenzierbar für alle ∈ R mit
fn0 (x) = nxn−1 .
Insbesondere sind alle reellen Polynome und reelle rationale Funktionen differenzierbar.
(2) Betrachte für k = −n, n ∈ N, die Funktionen
fk : R \ {0} → R, fk (x) = xk = x−n =
1
.
xn
Nach Satz 8.8 ist fk differenzierbar und mit der Quotientenregel folgt
fk0 (x) =
−nxn−1
−n
= n+1 = −nx−n−1 .
(xn )2
x
Damit gilt für alle k ∈ Z, x 6= 0 die Ableitungsregel fk0 (x) = kz k−1 .
(3) Nach der Quotientenregel ist der Tangens tan : − π2 , π2 → R differenzierbar mit
(tan)0 (x) =
(cos x)2 − (sin x) · (− sin x)
sin2 x + cos2 x
1
=
=
= 1 + tan2 x.
2
2
cos x
cos x
cos2 x
8.10 Satz (Kettenregel). Seien I, E ⊂ R Intervalle mit jeweils mehr als einem Punkt, weiter f : I →
R, g : E → R und gelte f (I) ⊂ E. Falls f differenzierbar ist in x0 ∈ I und g differenzierbar ist in
y0 = f (x0 ), so ist auch
g ◦ f : I → R, (g ◦ f )(x) = g(f (x))
differenzierbar in x0 mit
(g ◦ f )0 (x) = g 0 (f (x0 )) · f 0 (x0 ).
8.11 Beispiel. Betrachte h : R → R, h(x) = (x3 + 6x − 7)4 , dann gilt
h = g ◦ f,
für f, g : R → R,
f (x) = x3 + 6x − 7,
Nach Satz 8.10 ist h damit für alle x ∈ R differenzierbar, mit
h0 (x) = 4(x3 + 6x − 7)3 · (3x2 + 6).
Seite 48
g(y) = y 4 .
8.1
Ableitung und Ableitungsregeln
8.12 Satz (Differenzierbarkeit der Umkehrfunktion). Sei I ⊂ R ein Intervall mit mehr als einem
Punkt, f : I → R stetig und streng monoton wachsend (oder fallend). Sei dann
g = f −1 : J → I,
J = f (I).
Falls f differenzierbar ist in x0 ∈ I mit f 0 (x0 ) 6= 0, so ist g im Punkt y0 = f (x0 ) differenzierbar und es
gilt
g 0 (y0 ) =
1
1
= 0
.
f 0 (x0 )
f (g(y0 ))
8.13 Beispiel. (1) log : (0, ∞) → R ist die Umkehrfunktion von exp : R → (0, ∞).
Da (exp)0 = exp nichtnegativ ist, folgt mit Satz 8.12, dass log differenzierbar ist in jedem x ∈ (0, ∞)
mit
(log)0 (x) =
1
1
1
=
= .
(exp)0 (log(x))
exp(log(x))
x
(2) Zu r ∈ R definiere fr : (0, ∞) → R, fr (x) := xr = exp(r log x). Dann ist fr nach Satz 8.10
differenzierbar mit
(fr )0 (x) = (exp)0 (r log x)r
r
r
1
= exp(r log x) = xr = rxr−1 .
x
x
x
Für die Spezialfälle r ∈ Z stimmt das mit den Ergebnissen aus Beispiel 8.9 überein.
(3) arcsin : [−1, 1] → − π2 , π2 ist nach Satz 8.12 differenzierbar für alle x ∈ − π2 , π2 und wir erhalten
(arcsin)0 (x) =
1
1
=
sin (arcsin x)
cos(arcsin x)
0
Setze y := arcsin
= x und cos2 y = 1 − sin2 y = 1 − x2 . Da weiterhin cos nicht
π πx. Damit gilt sin y √
negativ auf − 2 , 2 ist, folgt cos y = 1 − x2 und
(arcsin)0 (x) = √
1
.
1 − x2
Mit Satz 8.12 und ähnlichen Rechnungen erhalten wir, dass arccos : [−1, 1] → [0, π] differenzierbar ist
auf (−1, 1) mit
(arccos)0 (x) = √
−1
1 − x2
für alle x ∈ (−1, 1).
(4) Mit Beispiel 8.9(3) folgt aus Satz 8.12, dass arctan : R → (− π2 , π2 ) differenzierbar ist und dass für alle
x ∈ R gilt:
(arctan)0 (x) =
1
(tan)0 (arctan x)
=
1
1+
tan2 (arctan x)
8.14 Definition (Höhere Ableitungen).
Seite 49
=
1
.
1 + x2
8.2
Lokale Extrema und der Mittelwertsatz
(1) Sei f : I → R differenzierbar mit Ableitungsfunktion f 0 : I → R. Falls
0
f 00 (x0 ) := f 0 (x0 )
in x0 ∈ I existiert, so nennen wir f in x0 zweimal differenzierbar und f 00 (x0 ) die zweite Ableitung
von f in x0 .
Induktiv definieren wir für k ∈ N dann k-te Ableitungen von f . Die k-te Ableitung in x0 bezeichnen wir mit f (k) (x0 ).
(2) Falls f : I → R stetig ist, so schreiben wir f ∈ C 0 (I). Falls für ein k ∈ N die Funktion f sogar
k-mal differenzierbar ist und die k-te Ableitungsfunktion f (k) : I → R stetig ist, so heißt f k-mal
stetig differenzierbar, wir schreiben dann f ∈ C k (I).
T
Schließlich setzen wir C ∞ (I) := k∈N0 C k (I).
Es sei noch bemerkt, dass nach Theorem 6.16 und Theorem 8.8 die Mengen C k (I), k ∈ N0 , und C ∞ (I)
Vektorräume über R sind. Wir nennen C k (I) Raum der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen
und C ∞ (I) Raum der unendlich-oft differenzierbaren Funktionen.
8.2
Lokale Extrema und der Mittelwertsatz
8.15 Definition. Eine Funktion f : D → R, D ⊂ R, hat in x0 ∈ D
(1) ein lokales Maximum (bzw. lokales Minimum), falls ein > 0 existiert, sodass für alle x ∈ D mit
|x − x0 | < gilt:
f (x) ≤ f (x0 ),
(bzw. f (x) ≥ f (x0 ) ),
(2) ein striktes lokales Maximum (bzw. striktes lokales Minimum), falls ein > 0 existiert, sodass für
alle x ∈ D \ {x0 } mit |x − x0 | < gilt:
f (x) < f (x0 ),
(bzw. f (x) > f (x0 ) ),
(3) ein lokales Extremum, falls f in x0 ein lokales Maximum oder ein lokales Minimum hat,
(4) ein striktes lokales Extremum, falls f in x0 ein striktes lokales Maximum oder striktes lokales Minimum hat.
Falls f (x) ≤ f (x0 ) für alle x ∈ D gilt, so sagen wir, dass f in x0 ein globales Maximum (oder einfach
Maximum) hat. Entsprechendes definieren wir für Minimum, striktes Maximum, striktes Minimum.
8.16 Satz (Notwendiges Kriterium für lokale Extrema). Sei I ⊂ R Intervall mit mehr als einem
Punkt und sei x0 ∈ I kein Randpunkt. Falls f : I → R in x0 ein lokales Extremum hat und in x0
differenzierbar ist, dann gilt f 0 (x0 ) = 0.
8.17 Bemerkung.
(1) Falls f : [a, b] → R ein Minimum in x0 = a hat, so folgt im Allgemeinen nicht
Seite 50
8.2
Lokale Extrema und der Mittelwertsatz
f 0 (a) = 0, auch wenn f 0 (a) existiert. Betrachte etwas das Beispiel f : [0, 1] → R, f (x) = x.
(2) Falls f : (a, b) → R differenzierbar ist, so ist f 0 (x0 ) = 0 eine notwendige Bedingung für das Vorliegen eines lokalen Extremums an x0 . Diese Bedingung ist aber nicht hinreichend, wie das Beispiel
f : (−1, 1) → R, f (x) = x3 zeigt (hier ist f 0 (0) = 0, aber f hat kein lokales Extremum an x0 = 0).
(3) Die Funktion f : (−1, 1) → R, f (x) = |x| hat ein Minimum in x = 0, ist aber nicht differenzierbar in
x = 0, das Kriterium aus Satz 8.16 ist also nicht anwendbar.
8.18 Definition. Sei I ⊂ R, x0 ∈ I kein Randpunkt und sei f : I → R differenzierbar in x0 . Dann
heißt x0 stationärer Punkt von f , falls f 0 (x0 ) = 0. Ein stationärer Punkt, der kein lokales Extremum ist,
heißt Sattelpunkt.
8.19 Satz (Mittelwertsatz). Sei a < b, sei f : [a, b] → R stetig auf [a, b] und f differenzierbar auf
(a, b). Dann existiert ein x0 ∈ (a, b) mit
f 0 (x0 ) =
f (b) − f (a)
.
b−a
8.20 Folgerung. Sei f : [a, b] → R stetig auf [a, b] und differenzierbar auf (a, b). Es gebe m, M ∈ R, sodass
m ≤ f 0 (x) ≤ M
für alle x ∈ (a, b)
Dann gilt für alle x1 , x2 ∈ [a, b] mit x1 < x2
f (x2 ) − f (x1 ) ≤ M (x2 − x1 ),
f (x2 ) − f (x1 ) ≥ m(x2 − x1 ).
Insbesondere ist f Lipschitzstetig mit
|f (x) − f (y)| ≤ max{M, −m}|x − y|
für alle x, y ∈ [a, b].
8.21 Folgerung. Sei f : [a, b] → R stetig, und sei f differenzierbar auf (a, b).
(1) f 0 (x) = 0 für alle x ∈ (a, b) gilt genau dann, wenn f konstant ist.
(2) f 0 (x) ≥ 0 für alle x ∈ (a, b) gilt genau dann, wenn f monoton wachsend ist.
(3) Aus f 0 (x) > 0 für alle x ∈ (a, b) folgt, dass f strikt monoton wachsend ist.
(4) f 0 (x) ≤ 0 für alle x ∈ (a, b) gilt genau dann, wenn f monoton fallend ist.
(5) Aus f 0 (x) < 0 für alle x ∈ (a, b) folgt, dass f strikt monoton fallend ist.
8.22 Bemerkung. In (3) und (5) gilt im Allgemeinen nicht die Äquivalenz, betrachte etwa die Funktionen
f, g : [−1, 1] → R, f (x) = x3 und g(x) = −x3 .
8.23 Satz (Hinreichende Kriterien für ein lokales Minimum). Seien a < b, x0 ∈ (a, b) und f :
(a, b) → R stetig.
Seite 51
8.3
Konvexität
(1) Sei f differenzierbar auf (a, x0 ) und auf (x0 , b). Falls dann ein ε > 0 existiert mit
f 0 (x) < 0
für alle x ∈ (x0 − ε, x0 ),
f 0 (x) > 0
für alle x ∈ (x0 , x0 + ε),
( Vorzeichenwechsel der ersten Ableitung von − nach +“), dann hat f ein striktes lokales Mini”
mum an x0 .
(2) Sei f differenzierbar auf (a, b) und zweimal differenzierbar in x0 mit f 0 (x0 ) = 0 und f 00 (x0 ) > 0.
Dann hat f ein striktes lokales Minimum an x0 .
Bemerkung. Da eine Funktion f in einem Punkt genau dann ein lokales Maximum hat, wenn die Funktion −f in diesem Punkt ein lokales Minimum hat, folgern wir aus Satz 8.23 entsprechende hinreichende
Kriterien für ein lokales Maximum: Unter den jeweiligen Voraussetzungen sind das zum einen ein Vorzeichenwechsel der ersten Ableitung von + nach −, und zum anderen eine negative zweite Ableitung in
einem stationären Punkt.
//
8.24 Satz (de l’Hospital). Seien f, g : [a, b] → R stetig und differenzierbar auf (a, b) mit f (a) =
g(a) = 0. Es gelte weiter g 0 (x) 6= 0 für alle x ∈ (a, b) und es existiere der Grenzwert
f 0 (x)
.
x&a g 0 (x)
q := lim
Dann ist g(x) 6= 0 für alle x ∈ (a, b) und es gilt
lim
x&a
f (x)
= q.
g(x)
8.25 Beispiel. Mit Satz 8.24 folgt
sin x
cos x
= lim
= 1.
x&0 x
x&0 1
lim
Da der Sinus eine ungerade Funktion ist, folgt auch (vgl. Proposition 7.10)
lim
x%0
8.3
sin x
= 1
x
und damit
lim
x→0
x6=0
sin x
= 1.
x
Konvexität
8.26 Definition. Sei f : I → R, I ⊂ R Intervall. Dann heißt f konvex (auf I), falls für alle x0 , x1 ∈ I
und für alle t ∈ [0, 1]
f ((1 − t)x0 + tx1 ) ≤ (1 − t)f (x0 ) + tf (x1 ).
f heißt konkav, falls −f konvex ist.
Seite 52
8.3
Konvexität
8.27 Bemerkung. Geometrisch lässt sich die Konvexität von f so veranschaulichen, dass der Graph von f
immer unterhalb (nicht notwendig strikt unterhalb) der Verbindungsstrecke zwischen zwei Graphenpunkten
liegt, wie wir im Folgenden zeigen: Seien x0 , x1 ∈ I, x0 < x1 . Zunächst ist die Verbindungsstrecke zwischen
(x0 , f (x0 )) und (x1 , f (x1 )) gegeben als Graph der affin-linearen Abbildung s : [x0 , x1 ] → R,
s(x) = f (x0 ) +
f (x1 ) − f (x0 )
(x − x0 ).
x1 − x0
Weiter können wir jeden Punkt aus [x0 , x1 ] eindeutig schreiben als
x(t) = (1 − t)x0 + tx1
mit t ∈ [0, 1].
In der Tat ist s differenzierbar und streng monoton steigend mit x(0) = x0 und x(1) = x1 . Mit dem Zwischenwertsatz und der strengen Monotonie folgt die Behauptung.
Wir erhalten aus der Konvexitätsbedingung für alle t ∈ [0, 1], dass
f (x1 ) − f (x0 )
(x(t) − x0 )
x1 − x0
= f (x0 ) + t(f (x1 ) − f (x0 )) = (1 − t)f (x0 ) + t · f (x1 ) ≥ f (x(t)).
s(x(t)) = f (x1 ) +
8.28 Satz. Sei a < b und f : (a, b) → R differenzierbar. Dann sind äquivalent:
(1) f 0 ist monoton wachsend auf (a, b).
(2) f ist konvex.
(3) Für alle x0 , x1 ∈ (a, b) gilt f (x1 ) ≥ f (x0 ) + f 0 (x0 )(x1 − x0 ).
Falls f zweimal differenzierbar ist, so ist f genau dann konvex, falls
(4) f 00 (x) ≥ 0
für alle x ∈ (a, b).
8.29 Lemma (Allgemeine Young Ungleichung). Sei 1 < p < ∞ gegeben und sei q =
Exponent’ (es ist dann p1 + 1q = 1). Dann gilt die Ungleichung
xy ≤
1 p 1 q
x + y
p
q
für alle x, y > 0.
p
p−1
der ‘duale
(8.1)
Wenn wir in (8.1) p = 2 setzen, so erhalten wir die Young Ungleichung aus Satz 2.46 mit δ = 1. Eine
entsprechende Verallgemeinerung für beliebiges δ > 0 erhalten wir, wenn wir in (8.1) x durch δx und
y durch 1δ y ersetzen.
Seite 53
9
Das Riemann Integral
9
Das Riemann Integral
9.1
Riemann-integrierbare Funktionen
Sei im Folgenden stets a < b.
9.1 Definition.
(1) Eine Zerlegung des Intervalls [a, b] ist eine endliche Teilmenge τ von [a, b] mit a, b ∈ τ . Zwei
Punkte x, y ∈ τ heißen aufeinander folgend, falls x < y und (x, y) ∩ τ = ∅ gilt.
(2) Eine Zerlegung σ heißt Verfeinerung der Zerlegung τ , falls τ ⊂ σ.
(3) Eine Funktion f : [a, b] → R heißt Treppenfunktion (TF), falls eine Zerlegung τ von [a, b] existiert,
sodass für alle aufeinander folgenden x, y ∈ τ gilt, dass f auf (x, y) konstant ist. Wir nennen f
dann eine TF zur Zerlegung τ .
Mit T [a, b] bezeichnen wir die Menge der Treppenfunktion auf [a, b].
9.2 Bemerkung. Eine Funktion ϕ : [a, b] → R ist genau dann eine Treppenfunktion, wenn K ∈ N, Zahlen
x0 , ..., xK mit
a = x0 < x1 < . . . < xK = b
und Werte c1 , . . . , cK existieren, sodass
für alle x ∈ (xk−1 , xk ), k = 1, . . . , K.
ϕ(x) = ck
(9.1)
9.3 Definition. Für eine Treppenfunktion ϕ auf [a, b] mit einer Darstellung (9.1) definieren wir
ˆ
b
ϕ(x) dx :=
a
K
X
k=1
ck (xk − xk−1 ).
9.4 Lemma. Seien ϕ, ψ : [a, b] → R zwei Treppenfunktionen auf [a, b].
(1) Monotonie. Falls ϕ ≤ ψ so gilt
ˆ
ˆ
b
ϕ(x) dx ≤
a
b
ψ(x) dx.
a
(2) Linearität. Für alle α ∈ R ist auch αϕ + ψ ∈ T [a, b] mit
ˆ
ˆ
b
(αϕ + ψ)(x) dx = α
a
ˆ
b
b
ϕ(x) dx +
a
ψ(x) dx.
a
Seite 54
9.1
Riemann-integrierbare Funktionen
9.5 Definition. Sei f : [a, b] → R beschränkt. Wir definieren dann das untere (Riemann) Integral
ˆ
ˆ
b
b
ϕ(x) dx : ϕ ∈ T [a, b], ϕ ≤ f auf I
f (x) dx := sup
a
a
und das obere (Riemann) Integral
ˆ
ˆ
b
b
f (x) dx := inf
a
a
ψ(x) dx : ψ ∈ T [a, b], ψ ≥ f auf I .
9.6 Proposition. Unter- und Oberintegral sind wohldefiniert und reell. Für alle beschränkten Funktionen
f : [a, b] → R gilt
ˆ
ˆ
b
f (x) dx ≤
a
b
f (x) dx.
(9.2)
a
Falls f Treppenfunktion auf [a, b], so ist
ˆ
ˆ
b
f (x) dx =
a
ˆ
b
b
f (x) dx =
a
f (x) dx.
(9.3)
a
9.7 Definition. Eine beschränkte Funktion f : [a, b] → R heißt (Riemann) integrierbar, falls
ˆ
ˆ
b
f (x) dx =
a
Dann heißt
ˆ
b
a
a
´b
a
b
f (x) dx.
f (x) dx =:
f (x) dx Integral von f (über [a, b]).
Sei f : [a, b] → R und [c, d] ⊂ [a, b]. Wir nennen f integrierbar über [c, d], falls die Einschränkung
f |[c,d] : [c, d] → R integrierbar ist.
9.8 Bemerkung. Nach Proposition
´ 9.6 sind Treppenfunktionen integrierbar.
Mit I = [a, b] schreiben wir auch I f (x) dx für das Integral von f über [a, b].
9.9 Satz. Sei f : [a, b] → R beschränkt. Dann sind äquivalent:
(1) f ist integrierbar.
(2) Für alle ε > 0 existieren Treppenfunktionen ϕ, ψ : [a, b] → R mit ϕ ≤ f ≤ ψ auf [a, b], sodass
ˆ
a
ˆ
b
ψ(x) dx −
a
b
ϕ(x) dx ≤ ε.
9.10 Satz. Sei f : [a, b] → R monoton. Dann ist f integrierbar.
Seite 55
9.2
Integrationsregeln und Mittelwertsatz der Integralrechnung
Der Beweis zeigt insbesondere, dass für f , ϕK , K ∈ N, wie oben
ˆ
ˆ
b
f (x) dx = lim
K→∞ a
a
b
ϕK (x) dx.
Im nächsten Beispiel nutzen wir dies, um Integrale zu berechnen.
9.11 Beispiel. Betrachte b > 0 und f : [0, b] → R, f (x) = x3 für x ∈ [0, b]. Wir folgen der Konstruktion aus
dem Beweis von Satz 9.10 und setzen für K ∈ N
xk := k
b
,
K
ϕK (x) = f (xk−1 ) = (k − 1)2
b3
K3
für alle x ∈ (xk−1 , xk ), k = 1, . . . , K.
Wir erhalten dann mit Hilfe von Blatt 2, Präsenzaufgabe 3
ˆ
b
ϕK (x) dx =
0
K
X
k=1
K−1
b4 X 3
b4
b3 b
b4 1
= 4
(k − 1) 3
k = 4 (K − 1)2 K 2 →
K K
K
K 4
4
3
k=0
(k → ∞).
Dies zeigt
ˆ
b
x3 dx =
0
b4
.
4
9.12 Satz. Sei f : [a, b] → R stetig. Dann ist f integrierbar.
9.13 Satz (Riemann Summen). Sei a < b und f : [a, b] → R stetig. Dann existiert für alle ε > 0 ein
δ > 0, sodass für jedes K ∈ N, jede Zerlegung
a = x0 < x1 < . . . < xK = b
mit
max (xk − xk−1 ) < δ
k=1,...,K
(9.8)
und für alle zk ∈ [xk−1 , xk ], k = 1, . . . , K gilt:
ˆ b
K
X
f (x) dx −
f (zk )(xk − xk−1 ) < ε.
a
(9.9)
k=1
P
Wir nennen K
k=1 f (zk )(xk − xk−1 ) wie in (9.9) eine Riemann-Summe. Der angegebene Satz gilt auch
allgemeiner für beliebige integrierbare Funktionen und erlaubt sogar eine äquivalente Charakterisierung von Integrierbarkeit.
9.2
Integrationsregeln und Mittelwertsatz der Integralrechnung
9.14 Satz (Monotonie). Seien f, g : [a, b] → R integrierbar mit f ≤ g. Dann gilt
ˆ
a
ˆ
b
f (x) dx ≤
b
g(x) dx.
a
Seite 56
9.2
Integrationsregeln und Mittelwertsatz der Integralrechnung
9.15 Folgerung. Sei f : [a, b] → R integrierbar. Es gebe m, M ∈ R, sodass m ≤ f (x) ≤ M für alle
x ∈ [a, b]. Dann gilt
ˆ
(b − a)m ≤
a
b
f (x) dx ≤ (b − a)M.
9.16 Satz (Linearität). Seien f, g : [a, b] → R integrierbar und sei α ∈ R. Dann ist auch die Funktion
αf + g : [a, b] → R
integrierbar und es gilt
ˆ
ˆ
b
(αf + g)(x) dx = α
a
ˆ
b
f (x) dx +
a
b
g(x) dx.
a
9.17 Satz (Mittelwertsatz der Integralrechnung). Seien f, g : [a, b] → R stetig und sei g ≥ 0. Dann
existiert ein x0 ∈ [a, b], sodass
ˆ
ˆ
b
f (x)g(x) dx = f (x0 )
a
b
g(x) dx.
a
Insbesondere existiert ein x0 ∈ [a, b], sodass
1
b−a
ˆ
b
f (x) dx = f (x0 ).
a
9.18 Definition. Sei f : D → R, D ⊂ R. Dann definieren wir f+ , f− : D → R+
0


f (x) falls f (x) ≥ 0,
−f (x) falls f (x) ≤ 0,
f+ (x) :=
f− (x) :=
0
0
sonst,
sonst.
Bemerkung. Es ist f = f+ − f− und |f | = f+ + f− , wobei |f | : D → R die Funktion x 7→ |f (x)|
bezeichne.
//
9.19 Proposition. Sei f : [a, b] → R integrierbar. Dann ist auch |f | : [a, b] → R integrierbar und es gilt
ˆ b
ˆ b
f (x) dx ≤
|f (x)| dx.
a
a
Seite 57
9.3
9.3
Integration und Differentiation
Integration und Differentiation
9.20 Satz (Gebietsadditivität). Sei f : [a, b] → R integrierbar, weiter x0 ∈ [a, b]. Dann ist f integrierbar über [a, x0 ] und [x0 , b] und es gilt
ˆ b
ˆ x0
ˆ b
f (x) dx.
f (x) dx +
f (x) dx =
x0
a
a
9.21 Satz (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung). Sei f : [a, b] → R stetig. Dann ist
die Funktion F : [a, b] → R,
ˆ x
f (y) dy für x ∈ [a, b],
F (x) :=
a
differenzierbar auf [a, b] und es gilt für alle x0 ∈ [a, b]
F 0 (x0 ) = f (x0 ).
9.22 Satz. Seien f, F wie in Satz 9.21. Dann sind für G : [a, b] → R äquivalent:
(1) G ist differenzierbar mit G0 = f .
(2) G − F ist konstant auf [a, b].
Eine solche Funktion G heißt Stammfunktion von f . Es gilt dann für alle x1 < x2 , x1 , x2 ∈ [a, b]:
ˆ x2
x2
f (x) dx = G(x2 ) − G(x1 ) =: G(x)
.
(9.10)
x=x1
x1
9.23 Bemerkung. Für f : [a, b] → R integrierbar und x1 , x2 ∈ [a, b], x2 < x1 definieren wir
ˆ x2
ˆ x1
ˆ x1
f (x) dx := −
f (x) dx
und
f (x) dx := 0.
x1
x2
x1
Dann gilt (9.10) für alle x1 , x2 ∈ [a, b].
9.24 Beispiel. (1) Seien s 6= −1 und 0 < a < b gegeben. Dann ist
ˆ b
1 s+1
1 s+1
b
−
a ,
xs dx =
1+s
1+s
a
denn F (x) =
1
s+1
1+s x
ist Stammfunktion zu x 7→ xs .
(2) Für 0 < a < b ist
ˆ b
1
dx = log b − log a.
x
a
(3) Es ist
ˆ
0
π
sin x dx = − cos(π) + cos(0) = 1 + 1 = 2.
Seite 58
9.3
Integration und Differentiation
(4) Sei [a, b] ⊂ − π2 , π2 . Dann folgt
ˆ b
ˆ b
b
sin x
tan x dx =
dx = − log(cos x)
x=a
a cos x
a
9.25 Satz (Substitutionsregel). Sei f : [a, b] → R stetig, ϕ : [c, d] → R stetig differenzierbar mit
ϕ([c, d]) ⊂ [a, b]. Dann gilt
ˆ d
ˆ ϕ(d)
0
f (ϕ(y))ϕ (y) dy =
f (x) dx.
c
ϕ(c)
9.26 Beispiel. (1) Seien a, b, α, β ∈ R mit α 6= 0. Dann gilt
ˆ b
ˆ b
ˆ
1
1 αb+β
α · dt =
f (αt + β) dt =
f (αt + β ) |{z}
f (x) dx.
| {z }
α
α αa+β
a
a
=:ϕ(t)
ϕ0 (t)
(2) Schließlich berechnen wir
ˆ 1p
1 − x2 dx.
0
Betrachte dazu die Transformation x = ϕ(t) = sin t, x ∈ [0, 1], also t = ϕ−1 (x) = arcsin x, t ∈ [0, π2 ],
p
√
1 − x2 =
cos2 t = | cos t| = cos t.
Es ist ϕ0 (t) = cos t und damit nach Satz 9.25
ˆ 1p
ˆ ϕ−1 (1)
ˆ
2
1 − x dx =
cos t · cos t dt =
ϕ−1 (0)
0
π
2
cos2 t dt.
0
Nun ist
cos(2t) = cos2 t − sin2 t = 2 cos2 t − 1,
also folgt mit der Identität oben
ˆ 1p
ˆ π
ˆ π
π
2 1
1
π
π
2
1 − x dx =
(1 + cos 2t) dt =
(1 + cos s) ds = + sin s
= .
4
4
s=0
0
0 2
0 4
9.27 Satz (Partielle Integration). Seien f, g : [a, b] → R stetig differenzierbar. Dann gilt
ˆ b
b ˆ b
f 0 (x)g(x) dx = (f · g) −
f (x) · g 0 (x) dx
a
a
(1) Sei 0 < a < b, dann ist
9.28 Beispiel.
ˆ
ˆ
b
log x dx =
a
a
a
b
h
ib
h
ib ˆ b
1 · log x dx = x · log x −
1 dx = x log x − (b − a)
a
a
a
ib
= x(log x − 1)
h
x=a
Seite 59
.
9.4
(2) Für a, b ∈ R beliebig gilt
ˆ
ˆ
b
b
b ˆ b
(− cos x)(2 sin x · cos x) dx
sin x · sin x dx = (− cos x · sin x) −
a
a
ˆ b
b
2
sin x(1 − sin2 x) dx
= (− cos x · sin x) + 2
a
a
ˆ b
h
ib
= − cos x · sin2 x − 2 cos x − 2
sin3 x dx.
2
3
sin (x) dx =
a
a
Uneigentliche Integrale
2
a
a
Damit folgt
ˆ b
h
ib
3
sin3 x dx =
− cos x · sin2 x − 2 cos x .
a
a
9.4
Uneigentliche Integrale
9.29 Definition.
(1) Sei I = [a, b) oder I = [a, ∞). Dann heißt f : I → R uneigentlich integrierbar (über I), falls f
für jedes z ∈ I integrierbar über [a, z] ist und der Limes
ˆ z
ˆ
lim
f (x) dx =:
f (x) dx
z%b a
I
existiert.
(2) Sei I = (a, b] oder I = (−∞, b]. Dann heißt f : I → R uneigentlich integrierbar (über I), falls f
für jedes z ∈ I integrierbar über [z, b] ist und der Limes
ˆ
lim
z&a z
ˆ
b
f (x) dx =:
f (x) dx
I
existiert.
(3) Sei I = (a, b) mit a < b, a ∈ R ∪ {−∞}, b ∈ R ∪ {+∞}. Dann heißt f : I → R uneigentlich
integrierbar, falls f für ein x0 ∈ I uneigentlich integrierbar über (a, x0 ] und über [x0 , b) ist. Wir
setzen dann
ˆ b
ˆ x0
ˆ b
f (x) dx :=
f (x) dx +
f (x) dx.
a
a
x0
9.30 Bemerkung. Sei I = (a, b) wie in Definition 9.29 (3). Dann ist f : I → R genau dann uneigentlich
integrierbar,
wenn f für alle x0 ∈ I uneigentlich integrierbar über (a, x0 ] und über [x0 , b) ist. Weiter ist
´b
a f (x) dx unabhängig von der Wahl von x0 .
9.31 Beispiel. (1) Betrachte f : [1, ∞) → R, f (x) := xα , α ∈ R. Dann ist f für alle z ≥ 1 integrierbar
über [1, z] und für alle α 6= −1 gilt
z
ˆ z
1
1
1
α+1 α
x
=
z α+1 −
.
x dx =
α+1
α+1
α+1
1
1
Seite 60
9.4
Uneigentliche Integrale
Damit ist f für alle α < −1 über [1, ∞) uneigentlich integrierbar mit
ˆ ∞
1
xα dx = −
,
1+α
1
und ist für kein α > −1 uneigentlich integrierbar über [1, ∞).
Im Fall α = −1 ist f wegen
ˆ z
1
dx = log z → ∞ (z → ∞)
x
1
ebenfalls nicht über [1, ∞) uneigentlich integrierbar.
(2) Mit ähnlichen Überlegungen erhalten wir, dass x 7→ xα , α ∈ R, genau dann über (0, 1] uneigentlich
integrierbar ist, wenn α > −1 ist. In diesem Fall gilt
ˆ
1
xα dx =
0
1
.
α+1
(3) Sei I = (−∞, ∞) und f (x) =
ˆ
1
.
1+x2
Dann gilt nach Beispiel 8.13(4) für alle z > 0
z
z
1
π
dx
=
arctan
x
= arctan z → (z → ∞)
2
1+x
2
x=0
0
1
π
dx = − arctan z = arctan(−z) → (z → −∞).
2
1+x
2
0
und
ˆ
z
Damit ist f über R uneigentlich integrierbar mit
ˆ ∞
1
dx = π.
2
−∞ 1 + x
Seite 61
Herunterladen