Ω, A - Springer

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KAPITEL 3
WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
Wir gehen nun von einem messbaren Raum (Ω, A) aus und werden die
Ereignisse, d.h. die Elemente der σ-Algebra A, mit Gewichten versehen, wobei
wir die Eigenschaften einer σ-Algebra voll ausnützen. Auf diese Weise erhalten wir ein Tripel (Ω, A, P), genannt Wahrscheinlichkeitsraum. Die Idee,
ein Zufallsexperiment mit Hilfe eines solchen Tripels zu beschreiben, das
übrigens keineswegs eindeutig bestimmt sein muss, markiert eine entscheidende Wende in der Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Sie geht
im wesentlichen auf Kolmogorov1 zurück.
1. Wahrscheinlichkeitsmasse
Definition. — Es sei (Ω, A) ein messbarer Raum. Als Wahrscheinlichkeitsmass P auf A bezeichnet man eine Abbildung, die jedem Ereignis A eine Zahl
P(A), genannt Wahrscheinlichkeit von A, zuordnet, wobei die folgenden Axiome gelten sollen:
(P1) 0 ≤ P(A) ≤ 1 für alle A ∈ A;
(P2) P(Ω) = 1;
(P3) ist (An ) eine Folge von Ereignissen aus A, die paarweise unverträglich
sind (i.e., Ai ∩ Aj = ∅ für i = j), so ist
P
∞
n=1
An
=
∞
P(An ).
n=1
(P3) wird als Axiom der σ-Additivität für P bezeichnet.
Definition. — Als Wahrscheinlichkeitsraum bezeichnet man jedes Tripel
(Ω, A, P), wo (Ω, A) ein messbarer Raum und P ein Wahrscheinlichkeitsmass
auf A (genauer gesagt: auf (Ω, A)) ist.
Bemerkung. — Aus der Sicht der Analysis ist ein Wahrscheinlichkeitsmass
nichts anderes als ein positives, beschränktes Mass, dessen Wert auf Ω mit 1
festgesetzt ist (siehe Kap. 10).
1
Kolmogorov (A.N.). —
Springer, .
Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung. —
Berlin,
20
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
Bemerkung. — Die Zahl P(A), die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A,
kommt in Aussagen wie P(A) = p vor. Man sagt dafür: die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses A ist p.
2. Eigenschaften. — Es folgt nun eine Liste von elementaren Eigenschaften von Wahrscheinlichkeitsmassen. Diese sind sehr einfacher Natur,
werden aber bei der konkreten Berechnung von Wahrscheinlichkeiten immer
wieder gebraucht.
Es sei also ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P) gegeben. Die Buchstaben
A, B, mit oder ohne Indices, bezeichnen Ereignisse, die zu A gehören.
Satz 2.1
1) P(∅) = 0.
2) Ist n ≥ 2 und (Ai ) (i = 1, 2, . . . , n) eine Folge von n paarweise
unverträglichen Ereignissen, so gilt
n
n
Ai =
P(Ai ).
P
i=1
3)
4)
5)
6)
i=1
Falls A und B unverträglich sind, so ist P(A + B) = P(A) + P(B).
Es gilt: P(A) + P(Ac ) = 1.
Es gilt P(A1 )+· · ·+P(An ) = 1 für jede Partition (A1 , . . . , An ) von Ω.
Sind A und B zwei beliebige Ereignisse, so gilt
P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(AB),
wobei AB den Durchschnitt A ∩ B bezeichnet.
7) Wenn das Ereignis A das Ereignis B impliziert, wenn also A ⊂ B
gilt, so ist
P(A) ≤ P(B)
und
P(B \ A) = P(B) − P(A).
Beweis. — Für 1) wählt man die Folge (An ) mit A1 = Ω und An = ∅ für
n ≥ 2 und verwendet die σ-Additivität von P. Für 2) wählt man Ai = ∅
für i ≥ n + 1 und wendet die σ-Additivität und die gerade bewiesene
Eigenschaft 1) an. Die Eigenschaft 3) ist ein Spezialfall von 2). Um 4) zu
zeigen, genügt es, 3) in der Situation A+Ac = Ω zu benutzen und noch Axiom
(P2) anzuwenden. Zum Beweis von 5) genügt es, 3) und das Axiom (P2)
anzuwenden.
Für die Eigenschaft 6) betrachtet man die Zerlegungen A∪B = A+(B \A)
und B = AB + (B \ A). Daraus ergibt sich P(A ∪ B) = P(A) + P(B \ A)
und P(B) = P(AB) + P(B \ A), und somit die behauptete Gleichheit.
Für 7) schliesslich beachte man, dass B = A + (B \ A) aus A ⊂ B
folgt, und daher P(B) = P(A) + P(B \ A). Folglich ist P(A) ≤ P(B) und
P(B \ A) = P(B) − P(A).
3. FORMEL VON POINCARÉ UND UNGLEICHUNG VON BOOLE
21
3. Die Formel von Poincaré und die Ungleichung von Boole.
Die Formel von Poincaré bezieht sich auf eine Folge (Ai ) (i = 1, 2, . . . , n)
von Ereignissen, für die man a priori die Wahrscheinlichkeiten der Konjunktionen von Ereignissen P(A
in1 · · · Aik ) kennt. Man kann dann die Wahrschein
lichkeiten des Ereignisses i=1 Ai : mindestens eines der Ereignisse Ai tritt
n
ein und des Ereignisses i=1 Ai c : keines der Ereignisse Ai tritt ein berechnen.
Satz 3.1 (Formel von Poincaré). — Es sei n ≥ 2 und (Ai ) (i =
1, 2, . . . , n) eine Folge von Ereignissen. Dann gilt
P(Ai ) −
P(Ai Aj ) + · · · + (−1)n−1 P(A1 · · · An ),
P(A1 ∪ · · · ∪ An ) =
i
i<j
oder kürzer geschrieben
P(A1 ∪ · · · ∪ An ) =
n
(−1)k−1
P(Ai1 · · · Aik ),
1≤i1 <···<ik ≤n
k=1
wobei sich die letzte Summation über alle strikt wachsenden Folgen (i1 ,...,ik )
von k ganzen Zahlen aus dem Intervall [1, n] erstreckt.
Beweis. — Für n = 2 gilt diese Formel, dies ist gerade die Eigenschaft 6)
aus Satz 2.1. Mittels Induktion über n erhält man
P(A1 ∪ · · · ∪ An ) = P (A1 ∪ · · · ∪ An−1 ) ∪ An
= P(A1 ∪ · · · ∪ An−1 ) + P(An )
− P (A1 ∩ An ) ∪ · · · ∪ (An−1 ∩ An )
n−1
(−1)k−1
P(Ai1 · · · Aik )
=
k=1
−
n−1
(−1)k−1
P Ai1 · · · Aik An + P(An ),
k=1
und
über alle strikt wachsenden Folgen
wobei sich die Summationen
(i1 , . . . , ik ) von k ganzen Zahlen aus dem Intervall [1, n − 1] erstrecken. Man
erhält somit eine Summation über alle Folgen von k ganzen Zahlen aus
dem Intervall [1, n], weil sich die erste (bzw. die zweite) Summation über
alle Folgen erstreckt, die das Element n nicht enthalten (bzw. enthalten —
ausgenommen die Folge (n) der Länge 1, die dem noch fehlenden Term P(An )
entspricht).
Bemerkung. — Man verwendet oft die Formel von Poincaré in der Form
P(A1 ∩ · · · ∩ An ) =
c
c
n
k=0
(−1)k
P(Ai1 · · · Aik ),
22
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
mit 1 ≤ i1 < · · · < ik ≤ n und 0 ≤ k ≤ n, wie zuvor, wobei man den
Summationsterm für k = 0 in plausibler Weise mit 1 ansetzt.
Satz 3.2 (Ungleichung von Boole). — Für jede Folge (An ) (n = 1, 2, . . . )
von Ereignissen gilt:
∞
∞
An ≤
P(An ).
P
n=1
n=1
Beweis. — Man verwendet die Zerlegung
∞
∞ n−1
An =
Ai
An \
n=1
n=1
(A0 = ∅).
i=0
Auf der
rechten Seite steht nun aber eine disjunkte Vereinigung und es ist
n−1
An \ i=0 Ai ⊂ An , daher
∞
∞
n−1
∞
P
An =
P An \
Ai ) ≤
P(An ).
n=1
n=1
n=1
i=0
Es bleibt anzumerken, dass diese Ungleichung gelegentlich keinerlei Information liefert, vor allem dann, wenn die Summe auf der rechten Seite einen
Wert grösser als 1 ergibt oder gar divergiert!
4. Weitere Eigenschaften. — Die σ-Additivität ist, genau besehen,
eine Stetigkeitseigenschaft. Das erkennt man am besten, wenn man Folgen
von Ereignissen und Folgen von reellen Zahlen in Beziehung setzt.
Satz 4.1. — Es sei (An ) eine monotone Folge von Ereignissen. Dann
gilt
P(limn An ) = limn P(An ).
Beweis. — Zunächst mache man sich klar, dass die beiden Operatoren
lim in verschiedener Bedeutung auftreten. Sei zunächst (An ) eine monoton
wachsende Folge. Mit der Bezeichnung A0 = ∅ ergibt sich:
∞
∞
An = P
(An \ An−1 )
P(limn An ) = P
=
n=1
∞
n=1
P(An \ An−1 ) = limn
n=1
n
P(Ak \ Ak−1 ).
k=1
Es ist aber
n
n
P(Ak ) − P(Ak−1 ) = P(An )
P(Ak \ Ak−1 ) =
k=1
k=1
und daher
P(limn An ) = limn P(An ).
23
4. WEITERE EIGENSCHAFTEN
Falls die Folge (An ) monoton fallend ist, so ist (A1 \ An ) (n = 2, 3, . . . )
monoton wachsend. Daher ist
P(A1 ) − P(limn An ) = P(A1 \ limn An )
= P limn (A1 \ An ) = limn P(A1 \ An )
= limn P(A1 ) − P(An ) = P(A1 ) − limn P(An )
und somit
P(limn An ) = limn P(An ).
Der gerade bewiesene Satz besitzt eine Umkehrung im folgenden Sinne.
Satz 4.2. — Es sei P eine auf den Elementen einer σ-Algebra A
definierte Funktion mit Werten in dem abgeschlossenen Intervall [0, 1].
Weiter sei vorausgesetzt, dass sie die nachfolgend aufgeführten Eigenschaften
1), 2) und 3) oder 1), 2) und 3 ) habe:
1) P(Ω) = 1;
2) endliche Additivität, d.h. P(A+B) = P(A)+P(B) für jedes disjunkte
Paar A, B von zu A gehörenden Mengen;
3) Stetigkeit, d.h. limn P(An ) = 0 für jede monoton fallende Folge (An )
von Elementen aus A, die gegen ∅ konvergiert;
3 ) Stetigkeit , d.h. limn P(An ) = P(A) für jedes A ∈ A und jede gegen
A konvergierende monoton wachsende Folge (An ) von Elementen aus A.
Dann ist P ein Wahrscheinlichkeitsmass auf A.
Beweis. — Es sei (An ) eine Folge von paarweise disjunkten Elementen
∞ aus
A. Es genügt,
die σ-Additivität nachzuweisen. Man setzt nun A = n=1 An ,
n
Bn = k=1 Ak und Cn = A \ Bn . Die Folge (Cn ) ist monoton fallend und
konvergiert gegen die leere Menge ∅. Falls also P der Bedingung 3) genügt,
so gilt limn P(Cn ) = 0 und daher
P(A) = P(Bn ) + P(Cn ) =
und somit
P(A) =
n
k=1
∞
P(Ak ) + P(Cn ),
für jedes n
P(An ).
n=1
Ganz entsprechend ist (Bn ) eine monoton wachsende Folge, die gegen A
konvergiert. Falls also P der Bedingung 3 ) genügt, so gilt:
∞
n
n
Ak = limn
P(Ak ) =
P(Ak ).
P(A) = P limn
k=1
k=1
k=1
24
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
5. Binomialidentitäten. — Bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten gewisser Ereignisse verwendet man zahlreiche Identitäten, in denen die Binomialkoeffizienten vorkommen. Diese Identitäten können ganz
verschiedenes Aussehen haben, aber meist handelt es sich dabei um einfache Folgerungen aus zwei bekannten, klassischen Formeln, dem binomischen Lehrsatz und der Identität von Chu-Vandermonde. Diese Identitäten
betrachtet man am bestem im Kontext der hypergeometrischen Funktionen.
Wir werden hier einige elementare Tatsachen und Berechnungsverfahren für
diese Funktionen behandeln.
5.1. Die wachsenden Faktoriellen. — Es sei a eine reelle oder komplexe
Zahl und n eine nichtnegative ganze Zahl. Die wachsende Faktorielle (a)n
wird definiert durch:
1,
falls n = 0;
(a)n =
a(a + 1) · · · (a + n − 1), falls n ≥ 1.
Man kann diese Definition von (a)n mit Hilfe der Gammafunktion für
beliebige n ∈ Z erweitern. Dazu erinnern wir kurz an die Definition der
Gammafunktion. Für komplexes a mit e a > 0 definiert man Γ(a) =
+∞ −t a−1
e t
dt; für komplexes a, das verschieden von Null und jeder nega0
tiven ganzen Zahl ist, definiert man Γ(a) durch
Γ(a) =
Γ(a + n)
,
(a)n
wobei n eine ganze Zahl mit n + e a > 0 ist. Das motiviert die folgende
erweiterte Definition von (a)n für beliebige ganze n ∈ Z durch
(a)n =
Γ(a + n)
.
Γ(a)
Die folgenden Eigenschaften sind offensichtlich, aber bei Berechnungen sehr
nützlich:
(a)i+j = (a)i (a + i)j ;
(a)n = (−1)n (1 − n − a)n .
Weiter gilt (−m)n = 0, falls m, n positive ganze Zahlen mit n > m sind.
Der Binomialkoeffizient ist für beliebiges komplexes a und beliebiges
ganzzahliges n ≥ 0 definiert durch
a
a(a − 1) · · · (a − n + 1)
,
=
n!
n
oder, in der Notation der wachsenden Faktoriellen,
(−a)n
a
.
= (−1)n
n!
n
25
5. BINOMIALIDENTITÄTEN
Man beachte, dass die Definition der Binomialkoeffizienten als Quotient von
Fakultäten a!/(n! (a − n)!) nur dann einen Sinn macht, wenn a selbst eine
positive ganze Zahl ist.
5.2. Hypergeometrische Funktionen. — Es seien p, q nichtnegative ganze
Zahlen, sowie (a1 , . . . , ap ) und (b1 , . . . , bq ) zwei Folgen reeller Zahlen. Sofern
keine der Zahlen bi negativ ganzzahlig oder Null ist, definiert man die
hypergeometrische Funktion mit Parametern p und q als die folgende Reihe
in der komplexen Variablen x:
p Fq
(a ) · · · (a ) xn
a , . . ., a
1
p
1 n
p n
.
;x =
b 1 , . . . , bq
(b1 )n · · · (bq )n n!
n≥0
Diese Reihe konvergiert für alle komplexen x, falls p ≤ q ist, sowie für |x| < 1,
falls p = q + 1. Ist p = 0 (bzw. q = 0), so kennzeichnet man mit einem
horizontalen Strich die Abwesenheit von Parametern in dem Ausdruck, der F
definiert.
Man beachte: falls einer der Parameter ai des Zählers eine negative ganze
Zahl − m oder Null ist, so ist die hypergeometrische Reihe tatsächlich ein
Polynom in x, und zwar höchstens vom Grad m, da ja alle Terme (−m)n für
n ≥ m + 1 zu Null werden.
Ein grosser Teil der elementaren Funktionen (cf. Aufgabe 13) lässt sich in
der Tat durch hypergeometrische Funktionen ausdrücken. In ihren Reihenentwicklungen findet man nur rationale Koeffizienten und es ist dann einfach,
die Parameter der entsprechenden Darstellung als hypergeometrische Reihe
zu bestimmen. So hat man etwa für die Exponentialfunktion
− xn
;x =
;
exp x = 0 F0
−
n!
n≥0
die Binomialformel andererseits besagt
a xn
(1 − x)−a = 1 F0
;x =
(5.2.1)
(a)n
−
n!
(|x| < 1).
n≥0
Um letztere
Formel zu beweisen, betrachtet man die Reihenentwicklung
n
fa (x) =
n≥0 (a)n (x /n!) und bestimmt Relationen zwischen fa (x) und
seiner Ableitung fa (x) einerseits, sowie zwischen fa (x) sowie fa+1 (x) andererseits. Man erhält eine einfache Differentialgleichung, aus deren Integration
sich fa (x) = (1 − x)−a ergibt (cf. Aufgabe 12).
5.3. Die Identität von Chu-Vandermonde. —
Die Binomialformel ist
nichts anderes als die Summation der Reihe 1 F0 . Die Identität von ChuVandermonde erlaubt es, die Reihe 2 F1 im Argument x = 1 zu summieren,
sofern mindestens einer der Nennerparameter eine negative ganze Zahl und
26
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
die Reihe somit tatsächlich ein Polynom ist:
−n, a (c − a)
n
(5.2.2)
,
;1 =
2 F1
c
(c)n
c∈
/ −N.
Es ist interessant festzustellen, dass sich eine eindrucksvolle Anzahl von
Binomialidentitäten auf (5.2.2) zurückführen lässt.
Um nun (5.2.2) zu beweisen, beginnt man mit der simplen Gleichung
(1−x)−(a+b) = (1−x)−a (1−x)−b und wendet die Reihenentwicklung gemäss
der Binomialformel an. Betrachtet man dann den Koeffizienten von xn auf
beiden Seiten, so erhält man
(a)k (b)n−k
(a + b)n
=
(n ≥ 0),
n!
k! (n − k)!
0≤k≤n
und folgert daraus
(a)k (n − k + 1)k
(a)k (−n)k
(a + b)n
=
=
(b)n
(b + n − k)k k!
(1 − b − n)k k!
0≤k≤n
a, −n
;1 ,
1−b−n
oder anders geschrieben
−n, a (c − a)n
= 2 F1
;1 ,
c
(c)n
0≤k≤n
= 2 F1
c ∈ −N.
5.4. Eine Variation der Identität von Chu-Vandermonde. — Unter den
Verallgemeinerungen der Formel von Poincaré gibt es beispielsweise eine
solche, mit der man die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass mindestens r
Ereignisse von n gegebenen Ereignissen eintreten. Diese kann man mit Hilfe
folgender Identität herleiten:
l−r
l
k r+k−1
(−1)
=1
(r < l).
r−1
r+k
k=0
Um diese Identität zu beweisen, drückt man zunächst einmal die Binomialkoeffizienten durch wachsende Faktorielle aus; dann wird aus der linken
Seite
l−r
k=0
(−1)
k (r)k
r (−l)r
l−r
(r)k (−l + r)k
= (−1)
(r + k)!
r!
k! (1 + r)k
k=0
−(l − r), r (−l)r
= (−1)r
F
;1
2 1
r!
r+1
(l − r)!
l
(1)l−r
l!
=
= 1.
=
r! (l − r)! (r + 1) · · · l
r (r + 1)l−r
k!
(−1)
r+k (−l)r+k
ERGÄNZUNGEN UND ÜBUNGEN
27
ERGÄNZUNGEN UND ÜBUNGEN
1. — Man betrachte zwei aufeinanderfolgende Würfe einer perfekten
Münze; folgendes Tripel (Ω, A, P) wird üblicherweise verwendet, um dieses
Experiment zu beschreiben. Als Ω nimmt man die Menge bestehend aus allen
vier möglichen Ausgängen des Experiments: (K, K), (K, Z), (Z, K), (Z, Z),
wobei beispielsweise (K, Z) den Vorgang beschreibt, dass beim ersten Wurf
Kopf und beim zweiten Wurf Zahl erzielt wird. Als A nimmt man P(Ω)
und als P die Gleichverteilung auf (Ω, P(Ω)), die durch P({ω}) = 1/4 für alle
ω ∈ Ω definiert ist. Man betrachte nun die beiden Ereignisse A : “Kopf” im
ersten Wurf und B : “Zahl” im zweiten Wurf . Man beschreibe A und B
als Elemente von P(Ω) und berechne P(A ∪ B).
2. Der Unterschied zwischen eine Münze n-mal nacheinander werfen und gleichzeitig n Münzen werfen . — Diese Aufgabe besteht darin, das
Tripel (Ω, A, P) zu den beiden folgenden Zufallsexperimenten zu konstruieren:
a) Man wirft eine perfekte Münze n-mal hintereinander, d.h. Ω =
{K, Z}×· · ·×{K, Z} = {K, Z}n, wobei {K, Z} die aus den beiden Elementen
K ( Kopf ) und Z ( Zahl ) bestehende Menge bezeichnet, mit A = P(Ω)
n
und P als Gleichverteilung auf Ω. Es gilt card Ω = 2n , card A = 2(2 ) und
P({ω}) = 1/2n für alle ω ∈ Ω.
b) Nun werden n perfekte und ununterscheidbare Münzen gleichzeitig
geworfen. Man nimmt Ω = {ω0 , ω1 , . . . , ωn }, wobei ωk (k = 0, 1, . . . , n)
die Stichprobe bezeichnet, bei der k-mal Kopf unter den n geworfenen
Münzen vorkommt; weiter nimmt man A = P(Ω). Dann ist card Ω = n + 1
und card A = 2n+1 . Als Wahrscheinlichkeitsmass sollte man hier nicht
die Gleichverteilung wählen. Eine plausible
n n Überlegung führt dazu, P so
festzulegen, dass man P({ωk }) = k /2 für k = 0, 1, . . . , n hat. Das
Experiment b) ist natürlich viel gröber als a). Man gebe auf a) bezogene
Ereignisse an, welche bezogen auf b) keinen Sinn ergeben.
3. — Nun betrachte man zwei aufeinanderfolgende Würfe eines perfekten Würfels und konstruiere ein Tripel (Ω, A, P), mit dem man dieses Experiment beschreiben kann. Man betrachte sodann die beiden Ereignisse:
A : die Summe der beiden erzielten Augenzahlen ist gerade ;
B : mindestens ein Würfel zeigt die Augenzahl 1 .
a) Wie sind die Ereignisse A ∩ B, A ∪ B, A ∩ B c zu interpretieren?.
b) Man berechne deren Wahrscheinlichkeiten.
4. — Man zeige, dass die Formel von Poincaré (cf. Satz 3.1) auch dann
wahr ist, wenn man die Zeichen ∪ und ∩ vertauscht; anders gesagt,
28
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
man zeige, dass gilt:
P(A1 ∩ · · · ∩ An ) =
n
k=1
(−1)k−1
P(Ai1 ∪ · · · ∪ Aik ).
1≤i1 <···<ik ≤n
5. — Es sei (Ω, A, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Die symmetrische
Differenz von zwei Elementen A, B ∈ A wird durch AB = (A∩B c )∪(Ac ∩B)
definiert. Man zeige:
a) die Funktion d(A, B) = P(A B) ist eine Metrik auf A;
b) |P(A) − P(B)| ≤ P(A B).
6. — Es sei (An ) (n ≥ 1) eine Folge von Ereignissen in einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P). Dann gelten die folgenden Ungleichungen von Fatou:
(1)
P(lim inf n An ) ≤ lim inf n P(An ) ;
(2)
lim supn P(An ) ≤ P(lim supn An ) ;
Man schreibt A∗ = lim inf n An und A∗ = lim supn An . Falls A∗ = A∗
gilt, so sagt man, dass die Folge (An ) (n ≥ 1) konvergiert, und ihr Limes,
geschrieben limn An , ist der gemeinsame Wert von A∗ und A∗ . In dieser
Situation zeigen die beiden Ungleichungen (1) und (2), dass die numerische
Folge (P(An )) (n ≥ 1) einen Limes (im üblichen Sinn) hat und dass
P(limn An ) = limn P(An ) gilt. Man konstruiere ein Beispiel, bei dem jede
der beiden Ungleichungen (1), (2) von Fatou strikt ist.
7. — Es sei Ω eine unendliche Menge (beispielsweise N) und es sei A die
Familie aller Teilmengen von Ω, die endlich oder co-endlich sind (d.h. ein
endliches Komplement haben).
a) Man zeige, dass A eine Algebra ist, aber keine σ-Algebra.
b) Man zeige, dass A als Algebra von der Familie C aller einelementigen
Teilmengen von Ω erzeugt wird.
c) Es bezeichne P die Abbildung von A in R+ , die definiert ist durch:
0, falls A endlich ist;
P(A) =
1, falls A co-endlich ist.
Man zeige, dass P einfach additiv, aber nicht σ-additiv auf A ist,
d.h. für jede
Folge (An ) von paarweise disjunkten
Elementen
aus
A
gilt
n≥1 An ∈ A,
aber nicht notwendigerweise P( n≥1 An ) = n≥1 P(An ).
8. — Es sei Ω eine überabzählbare unendliche Menge (beispielsweise R)
und es bezeichne A die Familie aller Teilmengen von Ω, die abzählbar oder
ERGÄNZUNGEN UND ÜBUNGEN
29
co-abzählbar sind (d.h. Komplemente von abzählbaren Teilmengen). Hierbei
ist mit abzählbar gemeint: endlich oder abzählbar unendlich .
a) Man zeige, dass A eine σ-Algebra ist.
b) Man zeige, dass A als σ-Algebra von der Familie C der einelementigen
Teilmengen von Ω erzeugt wird.
c) Es bezeichne P die Abbildung von A in R+ , die definiert ist durch:
0, falls A abzählbar ist;
P(A) =
1, falls A co-abzählbar ist.
Man zeige, dass P ein Wahrscheinlichkeitsmass auf A ist. [Falls abzählbar als unendlich und abzählbar zu lesen ist, so ist A nicht einmal eine σAlgebra!]
9. — Es sei (A1 , . . . , An ) (n ≥ 0) eine Folge von Teilmengen von Ω und
A die von der Familie {A1 , . . . , An } erzeugte Algebra. Weiter sei (c1 , . . . , cm )
eine Folge von reellen Zahlen und (B1 , . . . , Bm ) eine Folge von Elementen
aus A (m ≥ 0). Man betrachte die Ungleichung
m
(1)
ck P(Bk ) ≥ 0,
k=1
wobei P ein Wahrscheinlichkeitsmass auf A ist. Dann sind die beiden folgenden Eigenschaften äquivalent:
a) Die Ungleichung (1) gilt für alle Wahrscheinlichkeitsmasse P auf A.
b) Die Ungleichung (1) gilt für alle P mit P(Ai ) = 0 oder 1, für alle
i = 1, 2, . . . , n.
10. — Es sei S0n = 1 und Skn =
1≤i1 <...<ik ≤n P(Ai1 ∩ . . . ∩ Aik ) für
1 ≤ k ≤ n. Es bezeichne nun Vnr (bzw. Wnr , bzw. Un ) die Wahrscheinlickeit
dafür, dass genau r (bzw. mindestens r, bzw. eine ungerade Anzahl) der
Ereignisse A1 , . . . , An eintreten (0 ≤ r ≤ n).
Man leite mit Hilfe von Aufgabe 9 die Formel von Poincaré her und beweise
dann folgende Formeln:
n−r
n−r
r
k r+k
n
r
k r+k−1
n
(−1)
(−1)
,
Sr+k , Wn =
Sr+k
Vn =
k
k
k=0
k=0
Un =
n
(−1)j−1 2j−1 Sjn .
j=1
11. — Es sei (Ω, A) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Man betrachte eine
Abbildung P von A in R+ , für die folgendes gilt:
30
KAPITEL 3: WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME
a) 0 ≤ P(A) ≤ 1 für alle A ∈ A;
b) P(Ω) = 1;
c) für jede ganze Zahl n ≥ 1 und jedes n-Tupel (A1 , . . . , An ) von
Elementen aus A, die paarweise disjunkt sind, gilt
P(A1 ∪ · · · ∪ An ) = P(A1 ) + · · · + P(An ).
(Eigenschaft der einfachen Additivität.)
Man zeige, dassfür eine Folge von paarweise disjunkten
Elementen (An )
(n ≥ 1) mit A = n≥1 An die Ungleichung P(A) ≥ n≥1 P(An ) gilt. (Das
Axiom (P3) der σ-Additivität ersetzt in dieser Formel die Ungleichheit durch
eine Gleichheit.)
12. — Man beweise die Binomialformel (5.2.1) gemäss der im Text
gegebenen Hinweise.
13. — Ausgehend von den Taylor-Reihenentwicklungen in einer Umgebung von 0 für die Funktionen sin x, cos x, ln(1 + x), arctg x, arcsin x, drücke
man diese Reihenentwicklungen mit Hilfe hypergeometrischer Funktionen
aus.
http://www.springer.com/978-3-7643-6169-3
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