Vorlesung PD Friedrich

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Vorlesung "Zelluläre Signalübertragung"
PD Dr. Karlheinz Friedrich
1. Übersicht: Bedeutung und Prinzipien der Signaltransduktion
2. Klassifizierung von Rezeptoren und Liganden
3. Mechanismen der Rezeptor/Kanalaktivierung
4. Intrazelluläre Signalerzeugung und –weiterleitung:
5. Wege intrazellulärer Signalfortleitung ("Pathways")
6. Mechanismen der Signalbegrenzung und Abschaltung
7. Beispiele zellulärer Wirkungen von Wachstumsfaktoren und Hormonen
8. Cytokine und die Steuerung von Hämatopoiese und Immunfunktionen
9. Regulation von Zellproliferation, Zelldifferenzierung und Apoptose
10. Fehlfunktionen der Signaltransduktion, Pathogenese
11. Therapeutische Aspekte zellulärer Signalprozesse
1. Übersicht: Bedeutung und Prinzipien der Signaltransduktion
Zellen antworten auf molekulare Reize aus der Umgebung durch die verschiedensten kurzund langfristigen Reaktionen. Man kann einerseits bereits Sekunden nach Einwirkung des
Auslösers enzymatische Abläufe messen, und andererseits nach Stunden bis Tagen
komplexe zelluläre Phänomene wie Proliferation und Differenzierung beobachten. Die
biochemischen Mechanismen der Informationsübermittlung in die Zelle und innerhalb der
Zelle werden mit dem Begriff “Signaltransduktion” umschrieben. Signaltransduktion ist
entscheidend für die Koordination der physiologischen Funktionen des Organismus, ihre
Fehlfunktion ist an der Ausprägung verschiedener Krankheiten entscheidend beteiligt.
2. Klassifizierung von Rezeptoren und Liganden
Bei den primären Signalauslösern kann es sich um niedermolekulare Substanzen im
extrazellulären Raum handeln, häufig sind es jedoch spezifische Polypeptide und Proteine.
Manche „Liganden“ sind aufgrund ihres lipophilen Charakters fähig, Membranen zu
durchdringen und finden ihre Rezeptoren im Cytoplasma, die meisten bedienen sich jedoch
membranständiger Rezeptoren zur Signalvermittlung ins Zellinnere. Traditionellerweise
erfolgt die Einteilung der signalauslösenden Moleküle auch oft nach ihren biologischen
Funktionen.
Transmembran-Rezeptoren lassen sich in Familien mit gemeinsamen strukturellen und
funktionellen Eigenschaften gruppieren. Man unterscheidet Rezeptoren, die als
ligandenabhängige Ionen-Kanäle fungieren, solche mit intrinsischer, induzierbarer
enzymatischer Aktivität und solche, die die Bildung von „Second Messengers“ im Zellinneren
vermitteln.
3. Mechanismen der Rezeptor/Kanalaktivierung
Signalvermittelnde Liganden gehen eine Wechselwirkung mit Rezeptorproteinen ein,
die meist membranständig, gelegentlich aber auch cytoplasmatisch sind. Durch
dieses Ereignis werden die Rezeptoren “aktiviert”, was mit
Oligomerisierungsvorgängen oder Konformationsänderungen einhergeht.
Eine Folge fast aller bekannter Aktivierungsabläufe ist die hierdurch bewirkte Modulation von
Enzymaktivitäten. Rezeptoren können unmittelbar selbst enzymatische Aktivität besitzen,
die durch den Ligandenkontakt eingeschaltet wird (z.B. “Rezeptor-Tyrosinkinasen”), oder sie
können nach Aktivierung cytoplasmatische Kinasen und andere Enzyme in den
Rezeptorkomplex rekrutieren. Die Änderung der Ionenkonzentration durch die Öffnung
ligandenabhängiger Ionenkanäle kann zur Modulation enzymatischer Aktivitäten führen.
Einen Sonderfall bilden die cytoplasmatischen/nucleären Rezeptoren (z.B. SteroidRezeptoren): Hier ändert die Ligandenbindung die Konformation des Rezeptors und macht
ihn dadurch zum aktiven Transkriptionsfaktor.
Manche Rezeptoren bedienen sich sogenannter “Second Messenger”, kleiner Moleküle, die
in der Zelle die Aktivität nachgeschalteter Enzyme steuern. Der bekannteste Second
Messenger ist cyclisches AMP (cAMP).
4. Intrazelluläre Signalerzeugung und –weiterleitung:
Kovalente Modifikationen und interaktionsinduzierte Konformationsänderung von
Signalproteinen tragen Informationen im Zellinneren weiter.
Die wichtigste Art der
kovalenten
Protein-Modifikation
ist
die
Phosphorylierung.
Reversible
Proteinphosphorylierung von Serin/Threonin- und Tyrosin-Resten ist in eukaryontischen
Zellen die vorherrschende Strategie, die Aktivität von Proteinen zu kontrollieren.
Rezeptorsysteme, die selbst Tyrosin- oder Serin/Threoninkinase-Aktivität besitzen, initiieren
den Ablauf von regulatorischen Phosphorylierungs-Reaktionen im Cytoplasma. So wird etwa
die cytoplasmatische Kinase Src durch Phosphorylierung eines regulatorischen
Tyrosinrestes inaktiviert, durch dessen Dephosphorylierung hingegen in den aktiven
Zustand überführt.
Die enzymatische Produktion von Second Messengers (z.B. cAMP und
Inositoltrisphosphat/Diacylglycerol) wird durch GTP-bindende Proteine (“G-Proteine”)
gesteuert, die ihrerseits durch Rezeptoren aktiviert werden. Die Second Messenger
regulieren beispielsweise Kaskaden von Phosphorylierungsvorgängen und damit letzendlich
Enzymaktivitäten.. Das Ca2+-Ion und das NO-Molekül sind intrazelluläre Signalvermittler, die
die Aktivität von Effektorproteinen beeinflussen.
Viele an der Signaltransduktion beteiligte Proteine sind “modular” aufgebaut:
Charakteristische Proteindomänen und Sequenzmotive tauchen in verschiedenen
Kombinationen immer wieder auf. Von einigen dieser “Signalmodule” sind Struktur und
Funktion sehr gut charakterisiert worden. So ist die sehr verbreitete SH2-Domäne für die
spezifische Wechselwirkung von Proteinen mit phosphorylierten Tyrosinen und ihrer
jeweiligen Umgebung in den jeweiligen Bindungspartnern verantwortlich. Sie haben daher
eine zentrale Bedeutung für Signalprozesse, die mit Tyrosinphosphorylierungen
einhergehen. Die SH3-Domäne scheint in vielen Fällen am Kontakt von Proteinen mit dem
Cytoskelett beteiligt zu sein, PH-Domänen vermitteln Assoziationen mit Lipiden und mit der
Zellmembran.
Einige interessante Signalproteine sind selbst keine Enzyme. Proteine wie Crk und
GRB2 besitzen keine katalytische Domäne, sondern nur Strukturelemente, die an
Protein-Protein Wechselwirkungen beteiligt sind. Diese Moleküle fungieren als
sogenannte Adaptor-Proteine. In jüngerer Zeit sind zudem Proteine entdeckt
worden, deren Funktion daran zu bestehen scheint, Komponenten von Signalwegen
in räumliche Nachbarschaft zu bringen. Diese "Scaffolding" Proteine spielen damit
wahrscheinlich sehr wichtige Rollen bei der Spezifizierung von Signalabläufen.
Veränderte Ionenkonzentrationen beeinflussen spezifische Phosphorylierungsreaktionen in
der Zelle. “CaM-Kinasen” sind calciumabhängige cytoplasmatische Enzyme und werden in
ihrer Aktivität durch Ca2+ und das Vermittlerprotein Calmodulin reguliert.
Einen sehr wichtigen Signalmediator, der an der Signaltranduktion nicht nur von RTKs
beteiligt ist und zentrale Bedeutung für die Zellphysiologie hat, stellt die Phospatidylinositid
3-Kinase (PI 3-Kinase) dar. Sie phosphoryliert die OH-Gruppe am C3 des Inositolrings des
Membranlipids Phosphatidylinositol (PI). PH-Domänen in nachgeschalteten Signalproteinen
nehmen dieses Signal auf und tragen es in die Zelle weiter.
Viele externe und interne Signale bewirken eine spezifische Regulation der Genexpression.
Transkriptionsfaktoren bestimmen dabei die Aktivität von Promotoren, indem sie Kontakt mit
Erkennungssequenzen in der DNA sowie mit dem basalen Transkriptionsapparat
aufnehmen. Die Aktivität der Transkriptionaktivatoren oder -repressoren für die DNA oder
andere Proteine der Transkriptions-Maschinerie wird sehr häufig durch reversible
Phosphorylierung gesteuert. Auch die Kerngängigkeit, eine Voraussetzung für die Funktion
bei der Genregulation, kann vom signalinduzierten Phosphorylierungszustand abhängen.
5. Wege intrazellulärer Signalfortleitung ("Pathways")
Verschiedene Signaltransduktionsprozesse in der Zelle folgen gemeinsamen “Pathways”,
die durch charakteristische Zwischenstufen gekennzeichnet sind. Zelluläre Enzyme werden
durch direkten oder indirekten Einfluß von Rezeptoren in ihrer Aktivität beeinflußt. Ein
Beispiel für den ersten Mechanismus ist die Aktivierung der Proteinkinase A via cAMP: Hier
bindet eine regulatorische Untereinheit den Second Messenger, wodurch eine assoziierte
katalytische Untereinheit in ihre aktive Form versetzt wird. Die PKA spielt u.a. eine zentrale
Rolle bei der Kontrolle des Glycogen-Stoffwechsels, indem sie über Zwischenstufen eine
positive
Regulation
glycogenabbauender
und
negative
Regulation
glycogensynthetisierender Enzyme bewirkt. Viele Mitglieder der membranassoziierten
Proteinkinase C (PKC)-Familie sind von dem Second Messenger Diacylglycerol und Ca2+
abhängig, deren zelluläre Konzentrationen wie die von cAMP ursprünglich von der Aktivität
G-Protein-gekoppelter Rezeptoren herrühren. PKCs sind an einer Vielzahl zellulärer
Reaktionen, u.a. an der Kontrolle der Zellproliferation beteiligt.
Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTKs) werden von vielen Wachstumsfaktoren aktiviert und
steuern proliferative Abläufe. Sie zeigen als membranständige Proteine zwei Domänen: die
extrazelluläre, ligandenbindende Domäne ist über einen hydrophoben, zellmembrandurchspannenden Teil mit der intrazellulären, katalytischen Domäne verbunden ist. Es gibt
konservierte Strukturmotive sowohl in der extrazellulären als auch in der intrazellulären
Domäne. Es sind mehrer Gruppen von RTKs definiert worden, die sich durch die
angesteuerten intrazellulären Signalwege unterscheiden. Besonders gut untersuchte RTKs
sind der Insulin-Rezeptor, die Rezeptoren für Epidermale Wachstumsfaktoren (Epidermal
Growth Factor, EGF) und den Wachstumsfaktor aus Blutplättchen (Platelet-derived Growth
Factor, PDGF).
Alle RTKs werden durch die Bindung des extrazellulären Liganden dimerisiert. Die
Dimerisierung pflanzt sich zur cytoplasmatischen Domäne fort und führt dort durch die
Annäherung der Tyrosinkinase-Domänen zu deren gegenseitiger Aktivierung. Das Ergebnis
ist eine Phosphorylierung der Rezeptormoleküle an Tyrosin-Resten, eine Voraussetzung für
anschliessende Signalprozesse. Die durch Aktivierung phosphorylierten Rezeptoren stellen
kompetente Bindungspartner für SH2 Domänen-Proteine dar, die spezifisch an
phosphorylierte Tyrosine und ihre Umgebung binden. Anschließend können diese Proteine
weitere Signale entweder direkt in den Kern oder indirekt über andere zelluläre Proteine
vermitteln. SH2-Domänen und andere Signal-Module vermitteln die Ausbildung verzweigter
Reaktionsgeflechte, indem sie vielfältige Kontakte zwischen Proteinen herstellen.
Entsprechend der strukturellen Unterschiede in ihren intrazellulären Domänen interagieren
die RTKs verschiedener Familien auch mit verschiedenen zellulären Proteinen und schalten
so bestimmte, für sie charakteristische Signalwege an.
Eine besonders gut charakterisierte Signalkaskade ist der “MAP-Kinase-Pathway”,
wobei MAP-Kinase für Mitogen-aktivierte Proteinkinase steht. Er wurde zuerst im
Zusammenhang mit zellulären Reaktionen auf Wachstumsfaktoren analysiert. Der
Reaktionsweg heißt auch Ras/Raf-Pathway, da er auf der Funktion des GTPbindenden Proteins Ras sowie der Serin/Threonin-Kinase Raf beruht und ist bis hin
zur Genaktivierung im Zellkern aufgeklärt worden.
Im Zentrum des MAP-Kinase Wegs stehen das kleine G-Protein Ras und sein
Interaktionspartner Raf. Ras wird durch rezeptorinduzierte Vermittlung von „NukleotidAustauschfaktoren“ von einem GDP- in einen GTP-bindenden Zustand überführt. In dieser
aktiven Form bindet und stimuliert Ras die Serin/Threon-Kinase Raf. Substrate von Raf sind
u.a. die MAP-Kinasen, die ihrerseits durch Ser/Thr-Phosphorylierung Transkriptionsfaktoren
aktivieren.
Einige Rezeptoren, deren Funktion an entzündlichen Prozessen beteiligt sind (Rezeptoren
der „Toll“-Familie), vermitteln ihre Signale über Kaskaden, deren zentrales Element der
Trankriptionsfaktor
NF-kB
ist.
Seine
Kerngängigkeit
wird
durch
den
Phophorylierungszustand eines Cytoplasmatischen Inhibitorproteins kontrolliert.
Cytokin-Rezeptoren, anders als die RTKs, können nicht durch eigene intrazelluläre
Enzymaktivität Informationen ins Zellinnere weiterleiten. Die Funktion ihrer
cytoplasmatischen Domänen besteht daher hauptsächlich darin, nach Stimulierung
Signalkomponenten in räumlich und zeitlich koordinierter Weise zusammenzuführen. Durch
die Rezeptorstimulation infolge extrazellulärer Ligandenbindung werden an der
cytoplasmatischen Seite die intrazellulären Anteile der Rezeptorketten in unmittelbare
Nachbarschaft zueinander gebracht. Hierdurch kommt es zur Aktivierung von TyrosinKinasen, die mit den Rezeptormolekülen in schon vorher in Kontakt standen. Es handelt sich
um rezeptorassoziierte Kinasen der JAK ("Janus Kinase")-Familie, die sich am dimerisierten
Rezeptor offenbar gegenseiteig phosphorylieren und aktivieren. Die Phosphorylierung von
spezifischen Tyrosin-Resten führt zur Ausbildung von Kontaktstellen für cytoplasmatische
Signalproteine (Transkriptionsfaktoren, Adaptorproteine, cytoplasmatische Tyrosinkinasen
und Phosphatasen). Phosphorylierungs-Substrate der JAKs sind neben den Rezeptorketten
u.a. Transkriptionsfaktoren aus der Gruppe der STATs ("Signal Transducers and Activators
of Transcription"). Diese cytoplasmatischen Proteine werden nach Rekrutierung in den
Rezeptorkomplex und Tyrosin-Phosphorylierung dimerisiert und wandern in dieser Form in
den Zellkern.
Neben cytoplasmatischen Serin/Threonin Kinasen gibt es auch eine Gruppe von
Transmembran-Rezeptoren, deren intrazelluläre Domänen Ser/Thr-Kinase Aktivität haben.
Hierzu gehört z.B. der Rezeptor für den Transforming Growth Factor ß (TGF-ß). TGF-ß und
andere Liganden der Ser/Thr Kinase Rezeptoren greifen regulierend in das Zellwachstum
und in die Morphogenese verschiedener Zellen ein, indem Signale zum Zellzyklus-Apparat
geleitet werden. Eine kritische Funktion von TGF-ß scheint darin zu bestehen,
ausdifferenzierte Zellen an der Teilung zu hindern. "Downstream"-Elemente der
Signaltransduktion durch Rezeptoren mit Ser/Thr-Kinase Aktivität sind die erst kürzlich
entdeckten Smad-Proteine. Sie werden durch die Typ I Rezeptoren phosphoryliert und
können dann in den Zellkern gelangen, wo sie gemeinsam mit DNA-bindenden Proteinen an
der Genregulation beteiligt sind. Smad vermitteln sehr grundlegende Reaktionen bei der
Embryonalentwicklung. Zudem kontrollieren
unkontrolliertes (Tumor-) Wachstum.
sie
den
Zellzyklus
und
verhindern
Die genannten und weitere Signalwege sind auf komplexe und nur in Einzelfällen gut
verstandene Weise miteinander verschaltet. Dieses Phänomen, das sich im Zentrum der
Forschung befindet, wird als „Crosstalk“ bezeichnet.
6. Mechanismen der Signalbegrenzung und Abschaltung
Signaltransduktion muß auch negativen Regulationsmechanismen unterliegen, die die
einmal angeschalteten Reaktionen begrenzen und beenden.
Die Präsenz von Rezeptormolekülen auf der Zelloberfläche und damit die Konzentration und
Lebensdauer von potentiellen “Signalauslösern” wird durch Endocytosevorgänge kontrolliert.
“Second Messenger” werden durch spezifische Enzyme abgebaut, so das cAMP durch das
mit Coffein inhibierbare Enzym Phosphodiesterase. G-Proteine besitzen zudem eine
intrinsische GTPase-Aktivität, die sie ständig mit einer gewissen Rate in den inaktiven, GDPgebundenen Zustand zurückführt. Auch unterliegen die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren
einer „Desensitisierung“ mittels Phosphorylierung durch spezifische Kinasen.
Die Phosphorylierungszustände zentraler Signalmediatoren sind entscheidende Stellglieder
für die Steuerung zellulärer Abläufe und müssen daher strikt kontrolliert werden. Hierzu dient
das abgestimmte Wechselspiel von Proteinkinasen und -Phosphatasen. Neben Ser/Thr-und
Tyr-Phosphatasen gibt es auch solche mit dualer Spezifität. Wie Proteinkinasen sind die
Phosphatasen ebenfalls meist modular aufgebaut und können dadurch an den
unterschiedlichsten Protein-Protein-Wechselwirkungen teilnehmen und z.B. auch als
Funktionen als Adaptor- oder Scaffold-Proteine wahrnehmen.
Es sind natürliche Inhibitoren bekannt geworden, die in der Zelle mit Signalproteinen um
Bindungsstellen konkurrieren und dadurch Signalprozesse unterbinden. Diese Phänomene
sind insbesondere an Cytokin-Rezeptorsystemen gut untersucht worden.
7. Beispiele zellulärer Wirkungen von Wachstumsfaktoren und Hormonen
In vielen Fällen versteht man inzwischen kausale Zusammenhänge zwischen molekularen
Signalprozessen und physiologischen Phänomenen recht gut. So steuern Rezeptoren für
PDGF
(Thrombocyten-Wachstumsfaktor)
und
VEGF
(Vaskulärer
Epithelialer
Waqchstumsfaktor) u.a. die Proliferation bestimmter Zellen bei der Wundheilung und beim
Wachstum von Gefäßen. Der Insulin-Rezeptor phosphoryliert u.a. das "Insulin Rezeptor
Substrat 1" (IRS-1), ein großes Adapterprotein, welches als vielseitiger Verteiler von
Signalen wirkt. U.a. führt seine Funktion zur Translokation des Glucose-Transporters GLUT4, der für die Aufnahme von Glucose aus dem Blut unter Insulin-Einfluß sorgt.
8. Cytokine und die Steuerung von Hämatopoiese und Immunfunktionen
Cytokine sind Vermittler der chemischen Kommunikation zwischen Zellen des blutbildenden
und des Immunsystems. Sie lösen in ihren Zielzellen unterschiedliche Reaktionen wie
"Überleben", Proliferation und Differenzierung aus. Zu den Cytokinen, die eine
Strukturfamilie bilden, zählen u.a. die Interleukine und Interferone sowie viele "Wachstums-"
und "Kolonie-stimulierende" Faktoren (CSFs).
Auch die Rezeptoren für die meisten Cytokine sind strukturell eng miteinander verwandt,
weshalb es nicht überrascht, daß der Signalauslösung und -weiterleitung in den Zielzellen
vergleichbare molekulare Mechanismen zugrunde liegen. Cytokin-Rezeptoren sind aus einer
ligandenbindenden extrazellulären Domäne, einer hydrophoben Transmembran- und einer
cytoplasmatischen Domäne aufgebaut.
Die Aktivierung von Cytokin-Rezeptoren erfolgt durch ligandeninduzierte Dimerisierung oder
Oligomerisierung einzelner Rezeptorketten. Hierbei können interessanterweise sogar
verschiedene Cytokine gemeinsame Rezeptor-Untereinheiten benutzen. Man spricht von
einzelnen Rezeptorfamilien, die Untereinheiten miteinander teilen.
Die von Cytokin-Rezeptoren angesteuerten Signalprozesse greifen in grundlegende
zellphysiologische Abläufe ein und spiegeln so die vielfältigen Wirkungen von Cytokinen auf
ihre Zielzellen wider. Je nach gegebenem Cytokin-Rezeptor und/oder Zelltyp kommt es zur
ligandenabhängigen Beeinflussung von spezifischer Zelltypen. Als cytokinabhängige
Phänomene seien genannt die Koordination der Hämatopoiese und der Immunantwort, die
Steuerung von Entzündungsprozessen und die durch Interferone koordinierte antivirale
Reaktion.
9. Regulation von Zellproliferation, Zelldifferenzierung und Apoptose
Die rezeptorinduzierten Signalprozesse greifen in grundlegende zellphysiologische Abläufe
ein. So kommt es zur Beeinflussung von Zellproliferation Apoptose (programmiertem Zelltod)
und vielen Aspekten der Zelldifferenzierung. Die angemessene Steuerung des ZellteilungsVerhaltens und des kontrollierten Zelltods sind für die Homeostase von Geweben und
Gesamtorganismus von entscheidender Bedeutung.
Eukaryontische Zellen vollziehen ihre Reproduktion in einem zyklischen Prozess, in dem
sich mindestens zwei Phasen, die M- (Mitose-) und die S- (DNA-Synthese-) Phase
unterscheiden lassen. Der Zellzyklus ist einer strengen Kontrolle unterworfen, die die
Zellteilung an die äußeren Gegebenheiten anpaßt. Externe Signale und intrazelluläre
Signaltransduktion wirken auf den Zellzyklus ein. Man weiß, daß auch hier ProteinPhosphorylierungen von entscheidender Bedeutung sind und hat mit den Cyclinen und den
Cyclin-abhängigen Kinasen (CDKs) maßgebliche Moleküle für die Steuerung der
Zellvermehrung identifiziert. Über zwischengeschaltete Mediatoren sind Expression und
Aktivität dieser Moleküle mit den Signalen verknüpft, die von RTKs und anderen
Rezeptorsystemen ausgehen. Es ist noch nicht umfassend verstanden, wie die vielen
unterschiedlichen proliferativen Signale, die von verschiedenen Rezeptor- und Signalsystem
ausgehen, miteinander verschaltet bzw. integriert werden.
Das Retinoblastoma-Protein (Rb) kontrolliert durch seinen zyklisch alternierenden
Phosphorylierungszustand den Fortgang des Zellzyklus. Ein Ausfall seiner Funktion hat die
Entwicklung von Tumoren zur Folge. Als „Wächter“ der Integrität des Genoms fungiert das
multifunktionelle Protein p53, welches unter ungünstigen Bedingungen den Fortgang des
Zellcyclus unterbindet oder die Apoptose einleitet.
Die Apoptose, der aktive, kontrollierte Zelltod, beruht auf der Aktivität einer sukzessiv
wirkenden Gruppe spezialisierter Proteasen, der Caspasen. Apoptose kann entweder durch
die Funktion sogenannter "Todes-Rezeptoren" (z.B. Fas), oder durch Zellschädigungen
ausgelöst werden, die im Entstehen von Sauerstoff-Radikalen resultieren. Der zweite Ablauf
involviert mitochondriales Cytochrom C und die Familie der bcl-2-ähnlichen Proteine.
Im Endeffekt zielt Signaltransduktion stets auf die Transkriptionskontrolle von Genen. Durch
die spezifischen Einflüsse auf das Expressionsniveau von Genen und Gengruppen wird in
der
Zielzelle
des
jeweiligen
Stimulus
ein
der
Situation
angepasstes
Differenzierungsprogramm abgerufen. Solche Differenzierungsvorgänge lassen sich häufig
nicht nur anhand des Auftretens bestimmter Proteinmarker, sondern sogar an der
Zellmorphologie erkennen.
10. Fehlfunktionen der Signaltransduktion, Pathogenese
Fehlregulierte Signalübertragung ist ursächlich an vielen pathologischen Prozessen beteiligt.
Chronische Entzündungen (Beispiel: Rheumatoide Arthritis) sind durch ein persistierendes
Muster der Cytokinexpression und -signalerzeugung gekennzeichnet, welches den
entzündlichen Zustand aufrechterhält. Bei der Allergie vom Soforttyp spielt Interleukin-4 eine
besondere Rolle. IL-4 ist ein Cyokin mit zentraler Bedeutung für die Koordination des
humoralen ("Th2"-) Zweiges der Immunantwort. Es bewirkt eine Proliferation von T- und BZellen sowie von Mastzellen u.a.. Besonders wichtig ist seine Funktion bei der Kontrolle des
Immunglobulin-Klassenwechsels nach IgE. Letzeres bewirkt bei Antigenkontakt unter
Vermittlung von IgE-Rezeptoren eine Ausschüttung von Entzündungsmediatoren durch
Mastzellen und basophile Granulocyten. Überschießende Expression von IL-4 führt zu
einem erhöhten IgE-Spiegel und zur Entwicklung allergischer Reaktionen. Das Verständnis
der Signalprozesse im Zuge der IL-4-Reaktionen ist bedeutsam für die gezielte Entwicklung
von Pharmaka zur Beinflussung allergischer und asthmatischer Erscheinungen.
JAK/STAT-vermittelte Signalprozesse sind entscheidend für die Entwicklung und
Koordination des Immun- und hämatopoietischen Systems. Dieses spiegelt sich wieder bei
Immundefizienzen, die durch Mutationen in JAK/STAT-Komponenten charakterisiert sind.
So findet sich bei Patienten mit "X-linked Immunodeficiency" eine fehlende oder
funktionsdefekte "common g receptor chain". Dieser Cytokin-Rezeptor ist eine gemeinsame
Komponente mehrerer Interleukin-Rezeptorsysteme.
Zentrale Komponenten der zellulären Signaltransduktion kontrollieren die adäquate
Organisation des Zellschicksals, d.h. der Balance zwischen Zellproliferation und
Zelldifferenzierung. Es ist daher nicht überraschend, dass Fehlfunktionen solcher
Proteine sehr häufig mit oncogener Zellproliferation einhergehen. Auf allen Ebenen
der molekularen Kommunikation im Zellgeschehen werden oncogene Varianten
physiologischer Signaltransmitter beobachtet. So kommen oncogene Derivate von
Wachstumsfaktoren und von deren Rezeptoren vor, transformierende
cytoplasmatische Proteinkinasen und Transkriptionsfaktoren. Einige dieser
Komponenten werden in ihrer oncogenen Form bei einem großen Prozentsatz
humaner Malignitäten beobachtet und sind daher äußerst interessante Targets für
die Entwicklung neuartiger Tumortherapien. Hier seien insbesondere der Rezeptor
für den Epidermalen Wachstumsfaktor (EGF), das Ras-Protein und die
cytoplasmatischen Proteinkinasen Abl und Src erwähnt.
Das multifunktionelle Phosphoprotein p53 spielt eine überaus bedeutende Rolle bei
der Kontrolle des Zellverhaltens. Eine seiner Funktionen besteht in der
Überwachung der Integrität des Genoms. Wenn p53 DNA-Schäden detektiert,
bewirkt es ein Anhalten des Zellzyklus oder kann gegebenfalls die Apoptose
einleiten. Die Tatsache, dass in mehr als 50% aller malignen Tumoren defektes p53
gefunden wird, beleuchtet die Bedeutung dieser "Wächterfunktion". Ähnliches gilt für
Rb, den Koordinator der Zellcyclus-Progression. Rb-Mutationen sind extrem häufig
ursächlich mit der Entwicklung maligner Tumoren assoziiert.
11. Therapeutische Aspekte zellulärer Signalprozesse
Das immer detailliertere Wissen um die Abläufe der molekularen Signaltransduktion
ermöglicht zunehmend gezielte Eingriffe, um pathologische Prozesse in gewünschter Weise
zu beeinflussen. Genannt seien hier spezifische Antagonisten von Rezeptoren, die
schädliche Signalerzeugung dämpfen können (Beispiel: ß-Rezeptorenblocker) und
niedermolekulare Inhibitoren von Tyrosinkinasen. Sehr erfolgreich werden bereits
synthetische Substanzen eingesetzt, die das aktive Zentrum oncogener RTKs wie des
PDGF- oder VEGF ("Vaskulärer Edothelialer Wachstumsfaktor") -Rezeptors besetzen oder
auch die an Leukämien ursächlich beteiligte Janus-Kinase JAK2 inhibieren. Zu erwähnen ist
hier auch die Unterbindung der Phosphodoesterase-5 durch Viagra, wodurch die
gefäßrelaxierende Wirkung von cyclischem GMP aufrechterhalten wird. Zwar wurden
immunsupprimierend wirkende Moleküle zumeist empirisch gefunden, man weiss aber
heute, dass ihre Wirkung auf der spezifischen Inhibition des autokrinen IL-2Stimulationsloops bei der T-Zellaktivierung beruht.
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