Erklärungen zur Abstimmung

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2-001
SITZUNG AM DIENSTAG, 22. OKTOBER 2002
___________________________
2-002
VORSITZ: GERHARD SCHMID
Vizepräsident
(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)1
2-003
Medikamente
2-004
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame Aussprache über folgende drei Berichte im
Namen
des
Ausschusses
für
Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik von:
- Frau Rosemarie Müller (A5-0330/2002) über den
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates (KOM(2001) 404 - C50591/2001 - 2001/0252(COD)) zur Festlegung von
Gemeinschaftsverfahren
für
die
Genehmigung,
Überwachung und Pharmakovigilanz von Human- und
Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen
Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln;
- Frau Françoise Grossetête (A5-0340/2001) über den
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates (KOM(2001) 404 -C50592/2001 - 2001/0253(COD)) zur Änderung der
Richtlinie
2001/83/EG
zur
Schaffung
eines
Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel;
- Frau Françoise Grossetête (A5-0334/2001) über den
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates (KOM(2001) 404 -C50593/2001 - 2001/0254(COD)) zur Änderung der
Richtlinie
2001/82/EG
zur
Schaffung
eines
Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel.
Das Wort hat Herr Kommissar Liikanen.
2-005
Liikanen, Kommission. – (EN) Herr Präsident, bevor ich
die drei Vorschläge der Kommission kurz vorstelle,
möchte ich den beiden Berichterstatterinnen Frau Müller
und Frau Grossetête sowie dem Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
für die Anstrengungen danken, die sie auf die
Erarbeitung dieser drei Berichte verwandt haben.
Zunächst ein Wort zu den drei Zielen der Vorschläge.
An aller erster Stelle steht dabei die Sicherung eines
hohen Niveaus an Gesundheitsschutz für die
europäischen Bürger. Das ist immer unser
Ausgangspunkt. Zweitens geht es darum, mehr
innovative Produkte bereitzustellen und dabei
gleichzeitig den Wettbewerb mit Generika zu
1
Vorlage von Dokumenten - Debatten über Fälle von Verletzungen der
Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit
(eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll.
gewährleisten, und drittens geht es um die Vorbereitung
der Erweiterung, die bald Realität sein wird.
Was die konkreten Vorschläge betrifft, so werde ich
mich auf drei konzentrieren. Erstens müssen die Rolle
der Europäischen Agentur für die Beurteilung von
Arzneimitteln sowie das zentralisierte Verfahren gestärkt
werden. Wieso? Weil das Ziel darin besteht, allen
europäischen Bürgern gleichzeitig Zugang zu neuen
innovativen Medikamenten zu verschaffen. Das ist eine
Frage der Gleichberechtigung für alle Patienten in
Europa. Deshalb hat die Kommission vorgeschlagen,
dass alle Medikamente, die neue Wirkstoffe enthalten,
zentral zugelassen werden. Das ist die Lösung der
Gemeinschaft hinsichtlich der Verfügbarkeit innovativer
Medikamente, und ich hoffe, dass dieses Haus dieser
Lösung zustimmen wird. Das hätte zudem
Größenvorteile und die Einsparung von Ressourcen und
Zeit zur Folge und würde die Zulassungseffizienz
verbessern.
Die Kommission möchte vor allem in einer erweiterten
EU sicherstellen, dass die Patienten Zugang zu
innovativen Medikamenten haben. Das Verfahren der
gegenseitigen Anerkennung ist an seine Grenzen
gestoßen. Das Bewertungsverfahren durch die Londoner
Behörde dauert im Durchschnitt 180 Tage und ist damit
eindeutig kürzer als die vom Gesetzgeber vorgesehene
Frist von maximal 210 Tagen.
Das zentralisierte Verfahren wäre auch für kleine und
mittlere Unternehmen von Vorteil. Nehmen wir das
Beispiel Biotechnologie. KMU sind in diesem Bereich,
in dem die zentralisierte Zulassung bereits obligatorisch
vorgeschrieben ist, sehr aktiv. Die Erfahrungen deuten
auf keine wesentlichen Probleme hin.
Die Vorzüge eines zentralisierten Verfahrens für die
KMU liegen in Bereichen wie den Orphanpräparaten, in
denen die Genehmigung zur Vermarktung ohnehin meist
an KMU erteilt wird, auf der Hand. Dennoch könnte die
Kommission im Interesse einer übergreifenden Lösung
Fördermaßnahmen für KMU vorsehen, um diesen die
Überwindung gegebenenfalls vorhandener Hindernisse
zu erleichtern.
Zweitens müssen wir ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen innovativen Medikamenten und der
Konkurrenz durch Generika herstellen. Wieso ist das so
wichtig? Kurz gesagt, brauchen wir innovative Produkte,
von denen die Patienten profitieren, und Generika, die
das Gesundheitssystem finanziell entlasten.
Wie können diese Erfordernisse in Einklang gebracht
werden? Die Kommission schlägt für innovative
Medikamente einen neuen Datenschutzzeitraum vor. Für
Generika wird der Marktzugang beschleunigt. Wie soll
das vor sich gehen? Erstens schlägt die Kommission vor,
den
in
den
einzelnen
Ländern
geltenden
Datenschutzzeitraum auf zehn Jahre zu vereinheitlichen.
6
Damit erzielen wir eine europaweit einheitliche Lösung.
Dieser
Zeitraum
bietet
der
innovativen
pharmazeutischen Industrie die Möglichkeit, ihre F&EAufwendungen zu decken. Um die Entwicklung
neuartiger Produkte zusätzlich zu honorieren, sieht der
Vorschlag eine potenzielle Verlängerung des
Schutzzeitraums auf bis zu elf Jahre vor.
Im Falle von Generika schlägt die Kommission vor,
neue Wege zu beschreiten. Wir schlagen erstmals in der
Geschichte der EU-Gesetzgebung vor, dass Versuche
mit Generika bereits durchgeführt werden können,
während das Referenzprodukt noch patent- oder
anderweitig geschützt ist. Dies wird die Vermarktung
von Generika auf den meisten nationalen Märkten
beschleunigen und den Wettbewerb beträchtlich
ankurbeln.
Nach Ansicht der Kommission handelt es sich hierbei
um einen ausgewogenen Vorschlag. Er berücksichtigt
die Interessen der innovativen pharmazeutischen
Industrie in Europa, die gegenüber der pharmazeutischen
Industrie der USA an Boden verliert. Wenn wir unsere
Strategie nicht ändern, werden Arbeitsplätze und
Forschungskapazität verloren gehen. Gleichzeitig
unterstützt der Vorschlag die Herausbildung eines
Wettbewerbsmarktes für Generika, und das bedeutet
Medikamente zu einem niedrigeren Preis für die Bürger
Europas.
Abschließend möchte ich noch kurz auf den
kontrollierten Zugang der Patienten zu Informationen
eingehen. Ich wusste, dass uns eine schwierige
Diskussion bevorstehen würde, aber lassen Sie mich
eingangs feststellen, dass die Kommission keine sich
direkt an den Patienten wendende Werbung nach
amerikanischem Vorbild vorschlägt. Im Mittelpunkt der
Diskussionen stand immer wieder das amerikanische
Modell, das jedoch nicht unser Modell ist.
Tatsache ist, dass das Internet zumindest für den
Englisch sprechenden Patienten bereits jetzt eine
Vielzahl bruchstückhafter Informationen anbietet. Das
hat zwei wesentliche Nachteile: Erstens stellt dies eine
Diskriminierung derjenigen dar, die nicht Englisch
sprechen, und zweitens bedeutet dies, dass die
Informationen unter Umständen zusammenhanglos und
unzuverlässig sind.
Wir schlagen vor, dass die europäischen Bürger Zugang
zu Informationen haben sollten, die von europäischen
Aufsichtsbehörden validiert worden sind und sich an den
zwischen Mitgliedstaaten und Kommission vereinbarten
Leitlinien orientieren. Das ist ein kluger Vorschlag. Das
ist ein europäisches Pilotprojekt, das mit dem
amerikanischen Modell nichts gemein hat. Die eine
Alternative zur jetzigen Regelung ist die fortgesetzte
massive Direktwerbung über das Internet. An dieser
Situation können wir mit unserer Gesetzgebung nichts
ändern. Die andere Alternative besteht darin, den
Patienten die Möglichkeit zu geben, sich zuverlässige
Informationen über Medikamente für einige Krankheiten
zu beschaffen, die von den zuständigen europäischen
22/10/2002
Behörden validiert worden sind. Meiner Meinung nach
bietet die zweite Möglichkeit den europäischen Patienten
mehr Entscheidungsfreiheit und Sicherheit.
Die Vorschläge der Kommission zielen darauf ab, den
Gesundheitsschutz für die europäischen Bürger auf
hohem Niveau zu gewährleisten, die Verfügbarkeit von
innovativen Medizinprodukten sowie von Generika in
ausgewogener Weise zu erhöhen und Vorbereitungen für
die Erweiterung zu treffen.
Die uns vorliegenden Regelungen stellen eine echte
Herausforderung dar. Ich freue mich auf die Aussprache
in diesem Haus sowie auf die weitere Zusammenarbeit
mit dem Parlament und dem Rat.
2-006
Müller, Rosemarie (PSE), Berichterstatterin. – Herr
Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der
vorliegenden Gesetzgebung müssen wir uns die Frage
stellen, ob wir bei der Zulassung von neuen innovativen
Arzneimitteln mehr Europa brauchen oder ob das
Verfahren der gegenseitigen Anerkennung die optimale
Vorgehensweise ist. Mit anderen Worten: Wollen wir
mehr Binnenmarkt für Arzneimittel unter der Prämisse,
dass den Patienten europaweit neue, sichere und
wirksame Arzneimittel schneller zur Verfügung stehen,
oder soll das äußerst umständliche Zulassungsverfahren
die Patienten auch künftig möglichst lange von neuen
Arzneimitteln fernhalten?
Ich plädiere für die Ausweitung der Zulassung auf
Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen. Das bringt nicht nur
Vorteile für die Patienten, es ist auch vorteilhaft für die
Unternehmen, die Arzneimittel schneller als bisher
vermarkten und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit
verbessern können. Mit den für die KMU vorgesehenen
Unterstützungen werden Härten der zentralen Zulassung,
von denen sie in der Tat betroffen sind, ausgeglichen. Im
Mittelpunkt der Gesetzgebung haben meines Erachtens
grundsätzlich der Patient und seine Bedürfnisse zu
stehen. Das heißt, im Zulassungsverfahren muss die
Sicherheit und Wirksamkeit eines Arzneimittels eine
zentrale Rolle spielen.
Das Verfahren muss transparent sein. Deshalb ist es
notwendig, dass Patienten, Ärzte und Unternehmen
Zugriff auf alle nicht schützenswerten Informationen
haben. Über eine öffentliche Datenbank sind künftig
jederzeit umfassende Informationen über den Stand des
Zulassungsverfahrens, über durchgeführte klinische
Tests sowie über Nebenwirkungen und Preise der
Arzneimittel abrufbar.
In diesem Zusammenhang bedaure ich, dass das
Informationsprojekt der Kommission zu Asthma,
Diabetes und Aids im Ausschuss keine Mehrheit
gefunden hat. Der Kommissionsvorschlag war sicher
missverständlich und hat die Befürchtung geweckt, dass
Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel
zugelassen werden soll. Mit der Ausschussentscheidung
wurde allerdings die Chance vergeben, die Information
für Patienten zu verbessern. Ich bin sicher, dass dieser
22/10/2002
Fehler in den nächsten Jahren ausgebessert werden
muss.
Wichtig für die Sicherheit eines Arzneimittels ist die
Pharmakovigilanz, das heißt die Überwachung und die
Meldung von Nebenwirkungen. Mit der Meldepflicht für
Nebenwirkungen und der periodischen Berichtspflicht
an die Zulassungsbehörde ist eine kontinuierliche
umfassende
Bewertung
eines
Arzneimittels
sichergestellt. Das Sicherheitsnetz im Bereich der
Pharmakovigilanz ist eng geknüpft. Das erleichtert die
Erfassung der Nebenwirkungen und eröffnet die Chance
schnellen Handelns im Krisenfall. Aus diesen Gründen
kann auf ein Neuzulassungsverfahren nach fünf Jahren
verzichtet werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist, die Gremien
der europäischen Arzneimittelagentur auf künftige
Aufgaben und die Erweiterung der EU vorzubereiten.
Mit
offenen
Bewerbungsverfahren
für
den
Verwaltungsrat und den Verwaltungsdirektor wird die
Struktur der EU-Lebensmittelbehörde auch bei der
europäischen Arzneimittelagentur eingeführt. Hohe
wissenschaftliche Kompetenz und die Offenlegung der
Interessen sind die Voraussetzungen, um Mitglied eines
Gremiums der Agentur zu werden. Neben den bereits
bestehenden wissenschaftlichen Ausschüssen wird es
künftig einen gleichberechtigten Ausschuss für
pflanzliche Arzneimittel geben. Somit wird eine
freiwillige zentrale Zulassung von pflanzlichen
Arzneimitteln möglich sein. Patienten haben damit
europaweit die Möglichkeit, auf bewährte pflanzliche
Arzneimittel zurückzugreifen.
Neben dem für die Patienten wichtigen Punkt des
Gesundheitsschutzes stellt sich auch die Frage der
Wettbewerbsund
Innovationsfähigkeit
der
pharmazeutischen Industrie in Europa. Ein Schritt zu
mehr
Wettbewerbsfähigkeit
ist
sicher
die
Harmonisierung des Unterlagenschutzes. Nach den
derzeitigen Regelungen beträgt er in Europa zwischen
sechs und zehn Jahren und muss dringend harmonisiert
werden. Die Zehn-Jahres-Regelung ist ein Signal an die
Pharmaunternehmen, die Forschung zu intensivieren und
echte Innovationen auf den Markt zu bringen. Es ist aber
auch ein Signal an die Generika-Hersteller, die BOLARRegelung zu nutzen. Der Kommissionsvorschlag ist
meines Erachtens der gelungene Versuch eines
Ausgleichs zwischen den berechtigten Anliegen der
Pharmaunternehmen, die Unterlagen zu schützen, und
dem Anspruch der öffentlichen Gesundheitssysteme, den
Zugriff auf kostengünstige generische Arzneimittel zu
verbessern.
Insgesamt ist die vorliegende Gesetzgebung ein
wichtiger
Beitrag
zur
Verbesserung
des
Gesundheitsschutzes in Europa, von der die Patienten
langfristig profitieren werden.
(Beifall)
2-007
7
Grossetête (PPE-DE), Berichterstatterin. – (FR) Herr
Präsident, Herr Kommissar! Das Thema, mit dem wir
uns heute befassen, ist eines der wichtigsten der ganzen
Legislaturperiode, weil es letztlich jeden europäischen
Bürger betrifft. Lassen Sie mich zunächst allen meinen
Kolleginnen und Kollegen aus sämtlichen Fraktionen für
die Diskussionen, die wir geführt haben, und die Arbeit,
die sie mit den 800 Änderungsanträgen geleistet haben,
danken. Meiner Meinung nach gibt es etwas zu viele
Änderungsanträge, was sich auf die Qualität und
Kohärenz unserer Arbeit nachteilig auswirken könnte.
Das Hauptziel der Vorschläge ist die Gewährleistung
eines hohen Gesundheitsschutzniveaus für alle Bürger
insbesondere durch einen raschen Zugang zu
innovativen und sicheren Produkten, durch Einführung
eines präventiven kontinuierlichen PharmakovigilanzSystems
sowie
durch
Verbesserung
der
Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie im Rahmen
der Suche nach neuen Behandlungsformen. Vergessen
werden darf auch nicht, dass der Bereich der Generika
unbedingt neue Impulse braucht. Arzneimittel sind keine
Erzeugnisse wie alle anderen. Sie werden nicht wie
gewöhnliche Artikel des täglichen Lebens gekauft und
verbraucht. Ihr Gebrauch ist von besonderer Art, und
jeder erwartet, dass ein Medikament sicher und wirksam
ist. Diese Sicherheit, diese Qualität und diese
Wirksamkeit sind die drei Pfeiler des Europas der
Arzneimittel. Denn ehe ein Arzneimittel dem Patienten
angeboten wird, muss es spezielle, zwingend
vorgeschriebene Etappen durchlaufen, um eine
Zulassung für das Inverkehrbringen zu erhalten.
Gegenwärtig gibt es zwei Registrierungsverfahren: das
von der Europäischen Agentur durchgeführte zentrale
Verfahren, bei dem eine Zulassung für sämtliche
Unionsländer erteilt wird, und das Verfahren der
gegenseitigen Anerkennung, das in die Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten fällt.
Wir haben nicht vor, die gegenwärtig bestehende duale
Struktur zu verändern, sondern wir wollen vielmehr ihre
Funktionsweise optimieren. Dabei geht es im
Wesentlichen um die neuen Wirkstoffe. Wir stimmen
alle überein, dass es einen Unterschied zwischen neuen
Wirkstoffen, von denen jährlich etwa 20 entwickelt
werden, und neuen Medikamenten gibt, von denen
jährlich 200 bis 300 auf den Markt kommen. Die
Kommission schlägt daher vor, die Registrierung dieser
neuen Wirkstoffe mittels eines zentralen Verfahrens
verbindlich vorzuschreiben, damit der Zugang aller zu
den besten innovativen Therapien gesichert ist. Einige
Kollegen wollen diesen Grundsatz in Frage stellen. Ich
möchte ihnen sagen, dass wir vor einer grundlegenden
Entscheidung stehen, denn Sie müssen sich zwischen
den Marktinteressen oder den gesundheitlichen
Interessen entscheiden. Wer den Änderungsantrag zur
Infragestellung des Geltungsbereichs befürwortet, muss
sich fragen lassen, wie einem Kranken erklärt werden
soll, dass sein europäischer Nachbar sich mit einem
neuartigen und effizienten Mittel behandeln lassen kann,
während er selbst einige Jahre warten muss, bis die
Genehmigung für sein Land erteilt wird. Betrachten wir
8
22/10/2002
dazu einen Extremfall mit Blick auf die Erweiterung: So
könnten beispielsweise ein Slowene und ein Portugiese
in den Genuss einer neuartigen Therapie kommen,
während diese für einen Deutschen oder einen Zyprer
nicht verfügbar wäre. Was wird in diesem Fall aus der
Gleichheit
des
europäischen
Bürgers
im
Gesundheitsbereich? Mancher wird sagen, das zentrale
Verfahren sei teuer für die KMU. Doch im Zuge der
Erweiterung werden 25 Zulassungsanträge im Rahmen
des dezentralen Verfahrens noch teurer ausfallen.
die der Erzeugung von Nahrungsmitteln dienen,
herzustellen. Das Kaskadensystem ermöglicht in dem
Fall, dass für die Behandlung einer bestimmten
Erkrankung eines bestimmten Tiers kein spezifisches
Medikament verfügbar ist, auf Medikamente, die für
andere Krankheiten oder andere Tierarten bestimmt sind,
oder auch auf Humanarzneimittel zurückgegriffen
werden kann. Diese Regelung ist im Sinne einer
optimalen Wirksamkeit und Sicherheit ergänzt und
erweitert worden.
Wir haben alle noch die jüngsten Beispiele von
Medikamenten vor Augen, die aus gesundheitlichen
Gründen vom Markt genommen wurden. Bekannt ist
auch, dass die Erteilung einer Genehmigung für ein
Medikament nicht das Ende der Kontrolle seiner
Wirksamkeit und Sicherheit bedeutet. Daher müssen die
Anforderungen im Bereich der Pharmakovigilanz
verschärft werden, um die besten Garantien für den
Patienten bieten zu können, und zwar durch
unangemeldete Kontrollen an der Produktionsquelle, die
zur Gewährleistung der unabdingbaren Unabhängigkeit
ausschließlich öffentlich finanziert werden müssen,
sowie durch ein System zum schnellen Austausch der
von allen Beteiligten erfassten Daten, was zur
Einheitlichkeit der Pharmakovigilanz-Systeme der
Mitgliedstaaten beiträgt.
Die Kommission schlägt vor, die Verschreibungspflicht
auf alle Medikamente für Tiere, die der
Nahrungsmittelherstellung dienen, auszudehnen, was für
bestimmte Mitgliedstaaten wie Irland und das Vereinigte
Königreich Probleme mit sich bringt. Durch einen im
Umweltausschuss
angenommenen
Kompromissänderungsantrag wird die Vereinbarkeit
dieser Maßnahme mit den einzelstaatlichen Regelungen
gewährleistet.
Jegliche Herstellung von Medikamenten erfordert
umfangreiche vorherige Forschungsarbeiten, d. h. die
Entdeckung von neuen Wirkstoffen. Bekanntlich sind
Innovationen mit einem hohen Kostenaufwand
verbunden. Daher ist die Industrie daran interessiert,
dass die entsprechenden Daten geschützt werden. Es ist
unsere Pflicht, die Forschung im Interesse der
Weiterentwicklung der Wissenschaft zu fördern, woraus
sich die Notwendigkeit ergibt, unsere besten Forscher
bei uns zu halten. Es geht auch darum, die Sicherheit des
Patienten zu gewährleisten sowie zu verhindern, dass
unsere europäischen Unternehmen im Weltmaßstab ins
Hintertreffen geraten und hinter den USA und Asien
zurückbleiben. Über den Nutzen von Generika besteht
augenscheinlich kein Zweifel mehr. Sie tragen zur
Zukunftsfähigkeit
unserer
europäischen
Gesundheitssysteme bei. Die Einführung von geeigneten
Maßnahmen, insbesondere durch die Bolar-Regelung,
bewirkt ebenfalls, dass sie schneller auf den Markt
kommen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass
sich Generika nur durch Innovationen entwickeln.
Ich erwarte auch, dass alle Mitgliedstaaten
Informationskampagnen für die breite Öffentlichkeit
durchführen, um darüber aufzuklären, was Generika
sind, und um deren therapeutische Gleichwertigkeit mit
den Referenzmedikamenten hervorzuheben.
Was speziell die Tierarzneimittel betrifft, so geht es in
erster Linie darum, das Problem der Verfügbarkeit zu
bewältigen. Man hat versucht, ein angemessenes
Verhältnis zwischen der flexibleren Gestaltung
bestimmter Regelungen wie des so genannten
Kaskadensystems und der Aufrechterhaltung eines
hohen Verbraucherschutzniveaus im Falle von Tieren,
Des Weiteren können wir nicht über die Revision des
europäischen Arzneimittelrechts sprechen, ohne auf das
Thema der Information über Arzneimittel und den
Vorschlag der Kommission einzugehen, versuchsweise
für fünf Jahre die Verbreitung von Informationen zu
bestimmten Medikamenten gegen Asthma, AIDS und
Diabestes durch die Industrie zuzulassen. Der
Arzneimittelmarkt ist nicht mit anderen Märkten zu
vergleichen, und das angestrebte Ziel darf nicht darin
bestehen, einen möglichst großen Umsatz zu fördern. Es
ist absolut erforderlich, auch weiterhin klar zwischen
Information und Werbung zu unterschieden und letztere
strikt zu verbieten. Denn es gibt keine bessere
Information als die durch den Arzt oder Apotheker.
Allerdings
haben
sich
Informationssysteme,
insbesondere über das Internet, bereits stark entwickelt,
so dass es völlig ungerecht erscheint, wenn nur
diejenigen Patienten, die Zugang zum Internet haben und
Englisch verstehen, sich solche Informationen
beschaffen können, die anderen aber nicht. Wir müssen
jedoch vermeiden, dass es zu Fehlentwicklungen kommt,
indem verdeckte, anpreisende Informationen gegeben
werden, die auf die Erhöhung der Verschreibung, des
Verkaufs
oder
der
Verwendung
bestimmter
Medikamente abzielen.
Im Umweltausschuss ist der als sehr zweischneidig
beurteilte Vorschlag der Kommission mehrheitlich auf
Ablehnung gestoßen. Doch eine bloße Ablehnung wirft
auch Probleme auf. Ich möchte, dass die Begriffe
Information und Werbung genauer definiert werden, und
habe daher ein System zur Validierung der
Informationen
im
Vorfeld
durch
neutrale
wissenschaftliche Instanzen vorgeschlagen. Dieser
Vorschlag könnte die Grundlage für eine neue
umfassende Studie darstellen, die wir von der
Kommission erwarten.
Es gibt hingegen eine unabdingbare Quelle für
Informationen und Hinweise: den Beipackzettel.
Sämtliche dazu eingebrachten Änderungsanträge zielen
22/10/2002
darauf ab, dessen Abfassung, Klarheit und
Verständlichkeit zu verbessern. Dies ist ein sehr
positiver Punkt.
9
nicht beliebig wirtschaften kann. Das ist nicht möglich,
denn dafür fehlt uns das Geld.
2-009
Abschließend ist die Bedeutung der Erweiterung
hervorzuheben. Es darf nicht übersehen werden, dass die
hier anstehende Revision auch für die Beitrittsländer gilt.
Aus diesem Grund habe ich insbesondere einen
Vorschlag zu den – wie ich sie bezeichnen möchte –
„Eurogenerika“ gemacht. In einigen Kandidatenländern
sind die Referenzmedikamente aus historischen oder
wirtschaftlichen Gründen nie registriert worden. Die
Aktualisierung der Genehmigungen für Generika nach
den europäischen Rechtsbestimmungen macht jedoch
erforderlich, sich auf ein Referenzprodukt zu beziehen.
Das Fehlen eines solchen Produkts könnte dazu führen,
dass Generika vom Markt genommen werden müssen,
die in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit
aber den Anforderungen genügen. Das hätte zur Folge,
dass der Zugang zu Generika problematisch werden
könnte. Daher wäre es wichtig, ein in einem anderen
Mitgliedstaat vorhandenes Referenzmedikament als
Referenz verwenden zu können.
Jeder neue Kandidatenstaat hat eine bedeutende Rolle
als vollwertiger Akteur bei Schaffung und Ausbau jenes
umfassenden Europas der Gesundheit zu spielen, das wir
alle nachdrücklich anstreben.
(Beifall)
Read (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – (EN) Herr Präsident, ich
möchte die beiden Berichterstatterinnen zur Bewältigung
einer enorm schwierigen und komplizierten Aufgabe
beglückwünschen. Sie haben die Bedeutung dieser
Branche als wichtiger Arbeitgeber in der Forschung und
Entwicklung hervorgehoben. Dem will ich mich
anschließen. Es ist sowohl für die Europäische Union als
auch insbesondere für die Verbraucher, die sichere,
wirksame und bezahlbare Medikamente fordern,
wichtig, dass dieser Zweig in der Europäischen Union
erhalten bleibt. Ferner geht es um die komplexen
Anforderungen der Sektoren dieses Industriezweigs, von
denen es zumindest drei gibt, und zwar den Sektor für
patentgeschützte Arzneimittel, den Sektor für Generika
und den Sektor für frei verkäufliche Medikamente. Mit
vielen der Änderungsanträge wird versucht, ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Sektoren
herzustellen. Wir müssen darauf hinwirken, dass der
Sektor für patentgeschützte Arzneimittel neue
Medikamente entwickelt. Doch auch der Sektor für
Generika bietet preiswerte Medikamente an. Betrachtet
man dieses Problem dann im weltweiten Maßstab noch
unter dem Aspekt des Zugangs und der
Erschwinglichkeit, wird einem klar, wie ungeheuer
komplex diese Materie ist.
2-008
Kuckelkorn (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Haushaltsausschusses. – Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ständiger
Berichterstatter
für
die
Agenturen
im
Haushaltsausschuss habe ich auch diese Berichte
verfolgt, da es dabei um die Grundverordnung der
Londoner Arzneimittelagentur, der Agentur für die
Zulassung von Arzneimitteln, geht. Ich bin der
Berichterstatterin
bzw.
dem
Ausschuss
für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
sehr dankbar, dass sie unsere Anregungen in ihre
Berichte haben einfließen lassen. Eines möchte ich aber
dem Parlament in aller Deutlichkeit sagen, und dies gilt
natürlich auch für die Kommission und die
Mitgliedstaaten: Wenn ich einer Agentur neue Aufgaben
gebe, dann muss ich gleichzeitig überlegen, woher das
Geld dafür kommen soll. Ich kann eine Agentur nicht
unbegrenzt vergrößern.
Wir haben einen Gesamthaushaltsplan, und uns steht nur
eine bestimmte Summe zur Verfügung. Auch das
Parlament kann die Summe nicht aufstocken. Wir
können da nur noch umschichten. Wenn wir also in
Zukunft einer Agentur Finanzmittel zur Verfügung
stellen wollen, müssen wir sie einer anderen Agentur
wegnehmen. Ich weiß, dass ich mich mit diesen
Aussagen nicht beliebt mache, aber deshalb bin ich ja
auch nicht hier. Wir müssen künftig beachten, dass eine
Agentur mit dem zugewiesenen Geld nur die ihr
übertragenen Aufgaben erfüllen und darüber hinaus
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit lediglich auf drei
Punkte
lenken.
Der
Erste
betrifft
das
Genehmigungsverfahren. Ich fordere die Kollegen auf,
zumindest für die unmittelbare Zukunft den Fortbestand
der zwei Genehmigungsverfahren zu akzeptieren.
Vielleicht sollte sich Frau Grossetête nochmals
eingehend mit der ganzen Frage des zentralisierten
Verfahrens und des Zugangs beschäftigen. Die Tatsache,
dass Arzneimittel genehmigt werden, bedeutet nicht
automatisch, dass sie auch auf den Markt gebracht
werden. Das gilt insbesondere für Tierarzneimittel. Vor
allem in ihrem Fall halte ich die Fortsetzung des
Dualismus für angebracht.
Was
die
Frage
der
Werbung
und
der
Verbraucherinformation betrifft, so fordere ich das
Parlament dringend auf, den Änderungsantrag zu
unterstützen, mit dem die Kommission zur nochmaligen
Prüfung dieser Problematik aufgefordert wird. Die
Kommission hat mit ihrer Feststellung, dass einige, aber
nicht alle Bürger Zugang zu Informationen haben,
Recht. Dieser Aspekt entzieht sich zumindest teilweise
unserer Kontrolle.
Hinsichtlich der Datenexklusivität hat der Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
eine ausgewogene Lösung gefunden. Ich hoffe, dass das
Parlament dies wohlwollend prüfen wird. Es wird zu
einer wichtigen zweiten Lesung und möglicherweise
zum Vermittlungsverfahren kommen. Uns bleibt also
noch Zeit für weitere Verbesserungen.
10
2-010
Nisticò (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – (IT) Herr Präsident, ich
möchte als Erstes Frau Müller und Frau Grossetête für
ihr Engagement sowie für ihre Bereitschaft zur
Zusammenarbeit bei zwei Berichten, die für
Uneingeweihte gewiss schwierig und kompliziert sind,
meinen Dank aussprechen. Das Hauptziel aller
Institutionen, des Europäischen Parlaments, der
Kommission und der Mitgliedstaaten, sollte darin
bestehen, endlich über neue, bessere Vorschriften
verfügen zu können, die allen, oftmals unter schweren
und tödlichen Krankheiten leidenden Patienten den
schnellstmöglichen Zugang zu neuen, wirksameren und
verträglicheren Arzneimitteln gestatten, um ihre Leiden
zu lindern und ihnen ein längeres und besseres Leben zu
ermöglichen.
In der mir zur Verfügung stehenden kurzen Redezeit
werde ich nur auf zwei Aspekte zu sprechen kommen.
Was die Europäische Agentur für die Beurteilung von
Arzneimitteln anbelangt, so bin ich mit dem Vorschlag
bezüglich der Zusammensetzung des management
board, d. h. des Verwaltungsrats, absolut nicht
einverstanden. Ein Verwaltungsrat wie der von der
Kommission, aber auch von der Berichterstatterin, Frau
Müller, vorgeschlagene ist sicher zum Scheitern
verurteilt. Die gleichzeitige Präsenz von Mitgliedern,
welche die Institutionen vertreten, und Mitgliedern mit
Interessenkonflikten – wie Vertreter der Industrie, der
Patienten und Versicherungen – im Verwaltungsrat wird
nur zu Chaos, Zeitverlust und großen Streitigkeiten
führen.
Ein zweiter Punkt, den ich hervorheben möchte, betrifft
die zentralisierte Bewertung durch die Europäische
Agentur. Herr Kommissar, es geht um eine bessere
Definition des Begriffs „neues Arzneimittel“. Was
versteht man unter einem neuen Arzneimittel? Ein
Arzneimittel mit derselben, geringfügig geänderten
Zusammensetzung wie die bereits vorhandenen, oder
Arzneimittel mit neuer chemischer Zusammensetzung?
Ich würde mir wünschen, dass Sie und der Rat diesen
Punkt noch einmal überdenken.
2-011
Sturdy (PPE-DE). – Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und
ländliche Entwicklung. – (EN) Herr Präsident, zunächst
möchte
ich
die
beiden
Berichterstatterinnen
beglückwünschen. Ich möchte mich zudem sehr herzlich
bei Frau Grossetête bedanken, mit der ich in dieser
Sache sehr eng zusammengearbeitet habe. Ich vertrete
den Agrarausschuss heute lediglich im Hinblick auf
Tierarzneimittel. Es wäre nicht in Ordnung, wenn ich
eingangs nicht darauf verweisen würde, dass es der
Landwirtschaft noch nie so schlecht ging. Auf die
Probleme, denen sich die britische Rindfleischbranche
gegenübersieht, will ich erst gar nicht eingehen.
Jede von diesem Parlament angenommene und
gegenüber der Kommission durchgesetzte Regelung
kann sich nachteilig auswirken, wenn dabei Fehler
22/10/2002
gemacht werden. Was die tierärztlichen Regelungen
angeht, so hat Frau Grossetête ausgezeichnet mit mir
und anderen Abgeordneten zusammengearbeitet, und
deshalb werden wir die Gesetzesvorlage auch voll und
ganz unterstützen.
Ich möchte drei Punkte ansprechen. Auf einen davon ist
Frau Read bereits kurz eingegangen. Ich schließe mich
ihren Ausführungen zum so genannten „Dualismus“ an.
Eines der Probleme, die wir in der Europäischen Union
haben, besteht darin, dass im hohen Norden nicht
notwendigerweise die gleichen Tiere leben wie im
Süden. Ich verwende den Begriff des „RentierSyndroms“, den viele Kollegen bereits von mir gehört
haben dürften. Der Dualismus stellt ein Mittel zur
Förderung des ordnungsgemäßen Einsatzes von
Medikamenten für Tierarten dar, die nicht in der
gesamten Europäischen Union verbreitet sind. Es dürfte
schwierig sein, jemanden zu finden, der Tests an
derartigen für eine bestimmte Tierart entwickelten
Medikamenten finanziert. Deshalb haben wir
Änderungsantrag 137 erneut eingebracht, und ich hoffe,
dass Frau Grossetête und die Kommission ihn
wohlwollend prüfen werden und dass sich dieses Haus
möglicherweise zu seiner Befürwortung entschließen
kann. Wie ich bereits sagte, würden davon die weniger
weit verbreiteten Arten profitieren.
Frau Grossetête ging u. a. darauf ein, wie Medikamente
in bestimmten Ländern ausgegeben werden. Ich freue
mich, dass sie diese Problematik berücksichtigt hat. Ich
begrüße nachdrücklich den Kompromissantrag, für den
ich mich im Agrarausschuss besonders engagiert
eingesetzt habe. Derzeit ist es so, dass die
Mitgliedstaaten erstens den Beruf des Tierarztes und
dessen Bedeutung unterschiedlich definieren und dass
sie zweitens bei der Ausgabe dieser Arzneimittel
unterschiedlich verfahren.
Im Vereinigten Königreich, in Irland und in ein zwei
anderen Ländern sind qualifizierte Personen befugt,
leichte Medikamente – insbesondere Produkte wie
Wurmmittel und Flohpulver – auszugeben. Unsere Sorge
betrifft weniger die für die Nahrungskette bestimmten
Tiere. Unter der Abschaffung dieser Möglichkeit hätten
vor allem die Haustiere zu leiden, deren Besitzer es sich
dann nicht mehr leisten könnten, zum Tierarzt zu gehen,
um beispielsweise ein Wurmmittel für ihre Katze zu
kaufen. Deshalb brauchen wir diese Flexibilität. Ich
freue mich, dass beide Berichterstatterinnen diese
Überlegung aufgegriffen haben, die ich mit großem
Nachdruck befürworte.
Mein letzter Punkt betrifft den Einsatz von
Arzneimitteln für Pferde. Auch hier gilt, dass wir Tieren
unnötiges Leid zufügen, wenn wir nicht vorsichtig sind.
So werden Pferde im Vereinigten Königreich nicht
gegessen. Mag sein, dass Pferdefleisch in anderen
Ländern als akzeptabel gilt. Wenn die uns zur
Verfügung stehenden Medikamente eingeschränkt
werden, dann werden die Tiere darunter leiden. Deshalb
sollte der neue Änderungsantrag 65 in Bezug auf Pferde
unbedingt angenommen werden. Damit bin ich auf den
22/10/2002
gesamten Bereich der Agrarwirtschaft eingegangen, und
dabei will ich es bewenden lassen. Ich danke den beiden
Berichterstatterinnen dafür, dass sie die Stellungnahme
des Agrarausschusses berücksichtigt haben, und freue
mich auf ein lohnenswertes Ergebnis. Ich hoffe, dass
sich auch die Kommission meiner Meinung anschließen
wird.
11
Finanzierung und die Bereitstellung von ärztlicher
Betreuung und Arzneimitteln sicherstellen müssen. Wie
gestern zu erleben war, hat sich Präsident Bush eben
deswegen bewegt, weil der wirtschaftliche Druck, unter
dem die Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet stehen, sehr
groß ist.
2-013
2-012
Trakatellis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich
möchte den beiden Berichterstatterinnen für die
ausgezeichnete Arbeit, die sie hier für diese Debatte
vorgelegt haben, danken. Mein Dank gilt insbesondere
Frau Grossetête, mit der wir ausgesprochen produktiv
zusammengearbeitet haben.
Bezüglich des Vorschlags zur Novellierung der
Arzneimittelgesetzgebung, der ein hohes Niveau an
öffentlicher Gesundheit gewährleisten, den Binnenmarkt
auch auf dem Gebiet der Pharmaerzeugnisse
voranbringen, die Herausforderungen der Erweiterung
bewältigen, effizientere und einfachere Genehmigungsund Überwachungsverfahren von Arzneimitteln – und
zwar bezahlbarer – schaffen will und schließlich
Transparenz sowie einen besseren Zugang der Patienten
zu Informationen über Arzneimittel anstrebt, möchte ich
kurz auf die folgenden Punkte eingehen.
Innovation: Ohne wissenschaftliche Forschung und
Innovation gibt es keine neuen Kombinationen von
Wirkstoffen und Medikamenten, die wesentlich zur
Verhütung und Behandlung von Krankheiten beitragen.
Die Forschung aber setzt mutige Investitionen der
Pharmaindustrie voraus, die wiederum nur dann
gewährleistet sind, wenn wir ein System wirtschaftlicher
Anreize bieten.
Anreize: Diese liegen in erster Linie in der Exklusivität,
das heißt im Schutz des geistigen Eigentums und der
Erfindungen. Die Kosten der Entwicklung von
Arzneimitteln werden also vom Markt und von den
Sozialversicherungssystemen getragen, die heutzutage
aufgrund der Alterung der Bevölkerung unter
erheblichen Druck geraten sind. Dabei muss aber das
Verhältnis zwischen der dem Patent geschuldeten
Exklusivität, den Preisen der Arzneimittel und der
Geltungsdauer der Exklusivität austariert sein, was nicht
gerade einfach ist. Meiner Meinung nach gewährleisten
die im Verordnungsvorschlag erzielten Regelungen
sowohl die Exklusivität als auch eine angemessene
Geltungsdauer.
Sicherheit der Pharmaerzeugnisse: Das ist ein weiteres
bedeutendes Anliegen. Darüber hinaus werden auch die
Themen Qualität und Vigilanz in dem ausgezeichneten
Bericht behandelt.
Genehmigungsverfahren: Hierbei befürworte ich eine
zentrale Regelung mit einer gewissen Dezentralisierung
im Hinblick auf die Mitgliedstaaten.
Schließlich, die Subsidiarität: Ein sehr bedeutendes
Element, denn es sind die Mitgliedstaaten, die die
Ferreira (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
gemeinschaftliche Arzneimittelrecht mit dem Ziel zu
revidieren, eine bessere medizinische Versorgung zu
gewährleisten, ist eine gute Sache. Daher können wir
diesen neuen Prozess der Harmonisierung im Bereich
der Human- und Tierarzneimittel nur begrüßen.
Allerdings darf sich die Gesundheitspolitik in Europa
nicht auf den Text beschränken, über den wir abstimmen
werden, und hätte Gegenstand einer umfassenderen
Reflexion sein müssen. Die Arzneimittel müssen wieder
vom Standpunkt eines im Dienste des Bürgers stehenden
öffentlichen Gesundheitswesens betrachtet werden, denn
es genügt nicht, dass Medikamente verfügbar sind, sie
müssen auch für alle zugänglich sein. Daher ist es
bedauerlich, dass es keine Aussprache über den
Sozialschutz gegeben hat.
Damit die öffentliche Gesundheitspolitik den Vorrang
vor der Industriepolitik erhält, ist es erforderlich, die
Arzneimittelagentur der Generaldirektion Gesundheit
und Verbraucherschutz und nicht der GD Unternehmen
zu unterstellen.
Auch weitere Punkte des Kommissionsvorschlags
können uns nicht zufrieden stellen. Der Erste, den ich
erwähnen möchte, betrifft die Information des Patienten.
Wir
leben
in
einer
Gesellschaft
der
Hyperkommunikation, und das Internet ermöglicht es
allen, die dies wollen oder dazu in der Lage sind, sich
zahlreiche Informationen zu verschaffen. Die Qualität
dieser Informationen ist zwar nicht immer zufrieden
stellend, doch die von der Kommission zur Bewältigung
dieses Problems vorgeschlagene Lösung ist nicht die
richtige. Den Pharmaunternehmen die Möglichkeit
einzuräumen, Informationen über ihre Produkte zu
vermitteln, führt nicht dazu, falsche Informationen
auszuschließen, sondern gibt grünes Licht für Werbung
zu verschreibungspflichtigen Medikamenten. Diese in
den USA und Neuseeland zulässige Regelung hat dort
bereits ihre Grenzen gezeigt. So sind in den letzten zehn
Jahren in den USA die Aufwendungen für
Direktwerbung von 55 Millionen auf 2,5 Milliarden
Dollar im Jahr 2000 gestiegen. Von der gesamten
Zunahme im Arzneimittelbereich entfielen 47 % auf die
Werbung für 50 Medikamente. Hierbei handelt es sich
zweifelsfrei um eine kommerzielle Strategie und nicht
um das Bestreben nach Information. Das ist es nicht,
was wir für die europäischen Bürger wollen.
Was wir brauchen, sind unabhängige Informationen aus
unabhängigen Quellen, welche das Arzt-PatientenVerhältnis nicht beeinträchtigen und nicht zu einem
Überkonsum von Medikamenten führen.
12
Die Vorschläge zur Transparenz der von der Agentur
gelieferten Angaben gehen in diese Richtung. Man hätte
hier sicher noch etwas weiter gehen können. Die
Patienten brauchen nicht nur Informationen, sondern
auch Sicherheit, und es kann bezweifelt werden, dass die
Abschaffung der alle fünf Jahre erforderlichen
Verlängerung der Genehmigungen dazu beiträgt.
Wir sollten abwarten, wie sich die neuen Vorschläge
hinsichtlich der Pharmakovigilanz bewähren, und uns
bei neuen Medikamenten die Möglichkeit einer
wirklichen
wissenschaftlichen
Bewertung
des
Medikaments fünf Jahre nach ihrer Markteinführung
vorbehalten. Diese Bewertung könnte auch dazu genutzt
werden, sich ein Bild vom therapeutischen Nutzen des
Medikaments zu verschaffen.
Zudem möchte ich sagen, dass die Patienten zwar
generell effiziente Medikamente brauchen, dass manche
von ihnen sich jedoch unglücklicherweise in einer
Notlage befinden und sich gern mit neuartigen Mitteln
behandeln lassen würden, für die zwar noch nicht alle
Sicherheitsgarantien erbracht sind, die aber für sie eine
letzte Chance darstellen. Wir müssen den Wunsch dieser
Patienten berücksichtigen und eine Antwort darauf
geben. In diesem Bericht geht es um wichtige
Herausforderungen, die zweifelsohne Auswirkungen auf
die
Arzneimittelpolitik,
aber
auch
auf
die
Gesundheitspolitik haben werden.
2-014
Maaten (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Die
Kommission war in ihrem Vorschlag bemüht, den
pharmazeutischen Sektor zu reformieren oder zumindest
damit zu beginnen. Auf dem Gebiet der
pharmazeutischen Industrie verliert Europa Terrain
gegenüber den Vereinigten Staaten. Nicht ohne Grund
entscheiden sich immer mehr Unternehmen für eine
Auslagerung
ihrer
Forschungsund
Entwicklungstätigkeit in die USA. Europa mit seinen
undurchschaubaren Rechtsvorschriften bremst die
Motivation der Unternehmen für die Durchführung ihrer
Arbeiten in Europa. Um dem zu begegnen, bedarf es auf
dieser Ebene also unbedingt einer besseren europäischen
Koordinierung. Das Aufbrechen dieses verkrusteten
Marktes unterstütze ich uneingeschränkt. Deshalb
müssen wir mehr Wettbewerb auf dem Binnenmarkt
anstreben, und eine Möglichkeit, um dies zu erreichen,
ist beispielsweise mit der frühzeitigeren Bereitstellung
von Generika gegeben, wozu im Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
ein tragfähiger Kompromiss zustande gekommen ist.
Außerdem plädiere ich für eine Stärkung des von der
Europäischen Agentur für die Beurteilung von
Arzneimitteln in London verwalteten zentralisierten
Verfahrens, damit die Gleichbehandlung sämtlicher
Pharmaunternehmen gewährleistet ist und den Patienten
in ganz Europa dieselben Arzneimittel zugänglich sind.
Dieses zentralisierte Verfahren fördert zudem zur Gänze
die von der Kommission verfolgten Ziele wie
erstklassige Gesundheitsversorgung, Vollendung des
22/10/2002
Binnenmarkts, mehr Transparenz, Erhöhung des
Wettbewerbs und Vorbereitung auf die Erweiterung.
Daneben lege ich großen Wert auf die Mitteilung von
Informationen. Nach wie vor ist es mir schleierhaft,
weshalb es der pharmazeutischen Industrie verboten ist,
die Patienten über ihre Erzeugnisse zu informieren.
Obgleich ich schon des Öfteren darauf hingewiesen
habe, möchte ich an dieser Stelle wiederholen, dass die
Europäische Union auf diese Weise gegen die Tatsachen
anrennt und die Patienten diskriminiert. Gegenwärtig
gelangt man an diese Informationen nur dann, wenn man
Englisch spricht und Zugang zum Internet hat, weil diese
Informationen in den Vereinigten Staaten sehr wohl zur
Verfügung stehen. Patienten, die auf diese Quellen nicht
zurückgreifen können, werden von Europa im Dunkeln
gelassen, und deshalb dürfte der Vorschlag der
Europäischen Kommission für einen Versuchslauf
sinnvoll und auf jeden Fall ein erster Schritt in die
richtige Richtung sein. Gleichwohl werden meiner
Ansicht nach Patienten mit anderen Erkrankungen
diskriminiert, wenn lediglich Informationen über
Asthma, Aids und Diabetes mitgeteilt werden, und
deshalb trete ich für eine Erweiterung dieser Liste ein.
Abschließend möchte ich noch herausstellen, wie
wichtig in diesem Rahmen selbstverständlich auch die
Stärkung der Rolle von Patientenorganisationen auf
europäischer Ebene auch und gerade mit Blick auf die
Erweiterung und das zentralisierte Verfahren ist. Die
Fraktion der Grünen hat dazu Änderungsanträge
eingebracht, die ich unterstützen möchte.
2-015
González Álvarez (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident,
ich möchte den Berichterstatterinnen meinen Dank
aussprechen, denn es handelt sich um sehr schwierige
Berichte, und es ist nicht leicht, die unterschiedlichen
Interessen in Einklang zu bringen. Ich stimme mit ihnen
darin überein, dass wir unser Hauptaugenmerk auf die
Fürsorge und klare Information der Patienten richten
müssen.
Ebenso wenig dürfen wir vergessen, was der Herr
Abgeordnete über den Haushalt der Agentur und der
verschiedenen Agenturen sagte. Es ist ein restriktiver
Haushalt, und zum Schluss wird man jenen von uns
Recht geben, die immer wieder erklären, der
Gesamthaushalt der Europäischen Union sei zu niedrig,
um der Erweiterung und den durch die neuen Länder
entstehenden Kosten gerecht zu werden.
Da mir nicht viel Zeit zur Verfügung steht, möchte ich
gern einige Aspekte des Berichts herausstellen: Erstens
die Garantie, dass die Beamten, Sachverständigen und
Verfasser von Berichten keine finanziellen oder anders
gearteten Interessen in der pharmazeutischen Industrie
haben.
Zweitens, was hier schon mehrfach gesagt wurde, die
klare Differenzierung zwischen Werbung und
Information. Die kostenlos nutzbare Datenbank mit
verschiedenen Benutzerebenen, Gesundheitspersonal,
22/10/2002
Unternehmen und andere – das ist alles sehr gut.
Allerdings hat, wie hier ebenfalls verlautete, nicht jeder
Zugang zum Internet, nicht jeder beherrscht die
englische Sprache, und die Mitgliedstaaten müssen den
Patienten weitere wichtige Informationen zur Verfügung
stellen, damit diese zwischen Wirkung, Nebenwirkungen
und Kontraindikationen entscheiden können.
Ein System von Sanktionen gegenüber Inhabern von
Genehmigungen, die die Richtlinie nicht einhalten,
wobei das Verhalten der Betreffenden öffentlich
gemacht wird. Und eine Stärkung – wie die
Berichterstatterinnen
schon
erwähnten
–
der
Pharmakovigilanz,
denn
die
Wirkungen
des
Medikaments hören nicht mit der Genehmigung auf, es
bedarf darüber hinaus einer ständigen Überwachung.
Abschließend, Herr Präsident, muss der Zugang zu
Generika erleichtert werden, durch die die Kosten für
Medikamente gesenkt werden. Und seitens der
Mitgliedstaaten sind die Patienten auch dahingehend
aufzuklären, dass ein billigeres Medikament nicht
zwangsläufig weniger wirksam ist.
2-016
Rod (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, unserer
Meinung
nach
muss
die
Neufassung
des
Arzneimittelrechts in erster Linie darauf gerichtet sein,
die Sicherheit, die Qualität und die Wirksamkeit der auf
den europäischen Markt gebrachten Medikamente zu
verbessern, um die Volksgesundheit zu schützen. Der
Umweltausschuss hat sich davon leiten lassen und sich
mehrheitlich
gegen
jede
Direktwerbung
für
verschreibungspflichtige Medikamente ausgesprochen.
Gleichzeitig hat er die Verfahren zur Genehmigung für
das Inverkehrbringen verschärft. Die Patienten haben
Anspruch auf eine objektive und verlässliche
Information über Krankheiten und die zu deren
Behandlung verfügbaren Mittel. Der beste Weg zu einer
solchen Information bestünde zweifellos darin, die
Datenbank, in der alle durch die Agentur registrierten
Arzneimittel
nebst
dem
entsprechenden
Bewertungsbericht, den Gründen für ihre Zulassung oder
Ablehnung und die Erläuterungen zu den – positiven
oder negativen – Ergebnissen der klinischen Versuche
gespeichert sind, der Öffentlichkeit zugänglich zu
machen.
Im Gegensatz dazu kann eine allein von der
Pharmaindustrie stammende Information nicht objektiv
sein und kommt eindeutig einer Direktwerbung unter
den Verbrauchern gleich. Des Weiteren dürfte es wichtig
sein, dass striktere Bestimmungen für das Marketing für
Arzneimittel bei den Angehörigen der medizinischen
Berufe erlassen werden, wie dies in meinem Heimatland
der Fall ist. Wir müssen die Transparenz und die
Unabhängigkeit der Agentur erhöhen, indem wir sie für
die Vertreter der Verbraucher und der Patienten öffnen.
Die Sicherheit und die Qualität eines Medikaments
beruhen auf seiner wissenschaftlichen Bewertung,
welche sowohl den Nutzen als auch die Risiken dieses
Medikaments abschätzt. Von diesem Nutzen-Risiko-
13
Verhältnis hängt ab, ob seine Markteinführung
genehmigt werden kann oder nicht. Doch nach einer
bestimmten Zeit muss eine erneute Bewertung erfolgen,
um die Wirkungen im Zusammenhang mit seinem
Gebrauch
sowie
die
neuesten
verfügbaren
wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen zu
können. Die bürokratischen Auswüchse des Verfahrens
der fünfjährlichen Erneuerung der Genehmigung für das
Inverkehrbringen rechtfertigen keineswegs die ersatzlose
Streichung jeglicher periodischer Neubewertung
insbesondere der neuen Arzneimittel. Daher schlagen
wir vor, dass mindestens eine Neubewertung fünf Jahre
nach der Markteinführung erfolgt. Diese Maßnahme, die
in keiner Weise im Widerspruch zu den Bestimmungen
über die Pharmakovigilanz steht, würde eindeutig zu
einer erhöhten Sicherheit der Medikamente beitragen.
Weiterhin lehnen wir eine Beschneidung der Zeit für die
wissenschaftliche Begutachtung der Arzneimittel sowohl
im Rahmen des zentralen wie auch des dezentralen
Verfahrens und selbst im Falle des beschleunigten
Verfahrens als auch des Kurzprotokolls ab, das wir
unterstützen.
Die Wirksamkeit eines Medikaments kann zudem nur
nachgewiesen werden, wenn sie mit der anderer
verfügbarer Medikamente zur Behandlung der gleichen
Krankheiten verglichen wird. Wozu sollten neue
Arzneimittel entwickelt werden, wenn sie in
therapeutischer Hinsicht nichts bringen, oder solche
beibehalten werden, die von der medizintechnischen
Entwicklung überholt sind? Die ursprüngliche
Bewertung sowie die nach fünf Jahren durchgeführte
bieten die Möglichkeit, sich ein Bild vom
therapeutischen Zusatznutzen der Medikamente zu
verschaffen. Diese Maßnahme kann der europäischen
Forschung und Innovation nur neue Impulse verleihen.
Ferner werden wir alle Änderungsanträge ablehnen, die
darauf gerichtet sind, das zentrale Verfahren zu
begrenzen und dem Verfahren der gegenseitigen
Anerkennung Vorrang einzuräumen
oder die
Vermarktung von Generika zu verzögern. Wir begrüßen,
dass der Umweltausschuss die Änderungsanträge zur
Auswirkung der Medikamente auf die Umwelt
angenommen hat. Meine Kollegen und ich haben diese
Frage verfolgt und wir sind recht zufrieden darüber.
Abschließend sei festgestellt: Die Pharmaunternehmen
konnten sich zwar in den ursprünglichen Vorschlägen
der Kommission weitgehend durchsetzen, doch wir
fühlen uns verpflichtet – und dies muss Aufgabe des
Europäischen Parlaments sein – die Interessen der
Bürger, der Patienten und der Verbraucher zu wahren.
2-017
Fitzsimons (UEN). – (EN) Herr Präsident,
Medizinprodukte sind etwas Gewöhnliches und
Alltägliches. Praktisch jeder von uns hat derartige
Produkte bereits benutzt oder ist mit ihnen in Berührung
gekommen.
Anders
ausgedrückt,
sind
die
Mitentscheidungsbefugnisse des Parlaments auf diesem
Gebiet deshalb so wichtig, weil sie spürbarer Ausdruck
dafür sind, wie sich die Entscheidungen des
14
Europäischen Parlaments auf das Leben der Bürger
auswirken. Als Mitglied des Ausschusses für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
ist es für mich inzwischen selbstverständlich, dass sich
die unterschiedlichsten Organisationen an mich wenden.
Im vorliegenden Fall sind Bauernorganisationen,
tierärztliche
Vereinigungen,
landwirtschaftliche
Genossenschaften,
Vertreter
pharmazeutischer
Interessen, Reformhäuser und zahlreiche Bürger meines
Wahlkreises bei mir vorstellig geworden. Jede Gruppe
hat ihre eigenen Sorgen, aber allen gemein ist die Sorge,
dass bei der vorgeschlagenen Regelung die
unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen
Mitgliedstaaten nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Das sollte der Kommission wirklich zu denken geben.
Im Idealfall würde die vorgeschlagene Regelung diese
Vielfalt berücksichtigen.
In Irland werden Pferde in erster Linie für sportliche
Zwecke gezüchtet, und ihr Fleisch gelangt nicht in die
Nahrungskette. Deshalb unterliegen Arzneimittel, die für
Pferde
bestimmt
sind,
anderen
Sicherheitsanforderungen. Ich könnte noch zahlreiche
weitere Beispiele anführen, und ich habe für meine
Fraktion eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht,
die eine Lösung für einige dieser Probleme anstreben.
An die Adresse der Kommission gerichtet, würde ich
sagen, dass wir die demokratische Legitimation der
Entscheidungsfindung nur dann garantieren können,
wenn sich unsere Bürger darauf verlassen können, dass
wir ihre Sorgen ernst nehmen. Wenn wir auch weiterhin
undifferenzierte Einheitsregelungen beschließen, die die
Besonderheiten einzelner Länder und Regionen außer
Acht lassen, dann stoßen wir die Bürger möglicherweise
vor den Kopf.
Wir haben gerade eine lange Kampagne zum
Volksentscheid in Irland mit einem positiven Ergebnis
für den Vertrag von Nizza abgeschlossen, und eines der
wichtigsten Themen war dabei das Gefühl der
Machtlosigkeit und der Distanz. Es ist unsere Aufgabe
als Gesetzgeber, die Bürger einzubeziehen und ihre
Alltagssorgen im Auge zu behalten.
Abschließend möchte ich beiden Berichterstatterinnen
gratulieren.
2-018
Blokland (EDD). – (NL) Herr Präsident! Jedes
menschliche Leben ist einzigartig und wertvoll, weil es
von Gott gegeben ist. Deshalb müssen wir jedem Leben
von der Wiege bis zur Bahre bestmöglichen Schutz und
Fürsorge angedeihen lassen. Ein reibungsloser
Binnenmarkt für Arzneimittel wird diesem ehrgeizigen
Streben gerecht.
Für unsere Fraktion ist es besonders wichtig, dass
Europa keine Hemmnisse errichtet, die die
Funktionsweise des Arzneimittelmarkts beeinträchtigen
könnten. Unserer Meinung nach muss der
Arzneimittelhersteller deshalb nach wie vor zwischen
dem zentralen und dem dezentralen Zulassungsverfahren
22/10/2002
für Arzneimittel wählen können. Durch eine
obligatorische zentrale Zulassung wird die erforderliche
Flexibilität bei regionalen Erzeugnissen eingeschränkt,
wandern Wissenschaftler von den nationalen
Zulassungsbehörden ab und kann für die kleinen und
mittleren Unternehmen eine nicht zu überwindende
finanzielle Hürde für das Inverkehrbringen bestimmter
Erzeugnisse entstehen.
Darüber hinaus befürworten wir eine intensivierte
Forschungstätigkeit zu den Auswirkungen von
Arzneimitteln auf Kinder. Bis zum heutigen Tage wird
ein Großteil der Arzneimittel, die zur Behandlung von
Kindern eingesetzt werden, ausschließlich an
Erwachsenen getestet, obgleich sich Kinder und
Erwachsene
doch
augenscheinlich
in
ihrem
Stoffwechsel, der notwendigen Dosierung und der Art
der Verabreichung unterscheiden.
Schließlich sind wir gegen die Zulassung von Werbung
für Arzneimittel, weil dies einen unnötig erhöhten
Arzneimittelverbrauch bedingen kann. Allerdings treten
wir für eine umfassende Unterrichtung der Patienten ein.
Mit Spannung erwarten wir deshalb die Ergebnisse des
von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen
Versuchslaufs mit aktiver Mitteilung von Informationen
an die Patienten.
2-019
Schleicher (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen
und Herren! Wir haben es heute mit einer umfassenden
neuen Regelung des gesamten Arzneimittelrechts in
Europa zu tun. Dies hat Auswirkungen auf die
Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Industrie aller
Größenordnungen und damit auf viele Arbeitsplätze.
Aber es betrifft natürlich auch den gesamten Handel, die
Apotheker und schließlich die Patienten. Dieses
Mammutwerk ist unter anderem ein Ergebnis der neuen
Strategie der Kommission, die sie nun schon seit einigen
Jahren verfolgt. Unter dem Gesichtspunkt der
Vereinfachung und Straffung des Gemeinschaftsrechts
soll der Umfang der gemeinschaftlichen Gesetzgebung
von derzeit über 80 000 Seiten reduziert werden.
Bei dieser Neufassung wird ein einziger Akt erlassen,
mit dem die gewünschten inhaltlichen Änderungen
eingearbeitet und die verbliebenen Bestimmungen dann
kodifiziert
werden.
Die
Schwierigkeit
dieses
Unterfangens dokumentieren nicht nur die zahlreichen
Änderungsanträge, die schon im zuständigen Ausschuss
und jetzt wieder im Plenum vorliegen. Ich habe größte
Hochachtung vor der immensen Arbeit, die die
Kommission,
aber
auch
unsere
beiden
Berichterstatterinnen, Frau Grossetête und Frau Müller,
geleistet haben. Aber ich bin insgesamt recht besorgt,
dass möglicherweise der Überblick ein wenig verloren
geht und scheinbar weniger wichtige Dinge vielleicht
liegen bleiben. Deshalb möchte ich das Augenmerk auf
die homöopathischen Arzneimittel lenken, nicht nur für
Menschen, sondern auch für Tiere, und würde bitten,
dass diese Änderungsanträge auch unterstützt werden.
22/10/2002
Das Europäische Parlament ist Mitgesetzgeber, und wir
müssen darauf achten, dass sorgfältig gearbeitet wird. In
der ersten Lesung haben wir noch viele Chancen, aber
wir müssen uns auch Möglichkeiten für die zweite
Lesung offen halten. Deshalb bitte ich um
Unterstützung, aber ich bitte auch den Rechtsdienst und
unsere
Berichterstatterinnen,
das
Endergebnis
dahingehend zu überprüfen, ob es kohärent ist. Ob aber
diese pharmazeutische Gesetzgebung im Ergebnis durch
eine
verringerte
sprachliche
Komplexität
für
Mitgliedstaaten und Akteure leichter anwendbar wird,
wird uns die Zukunft zeigen. Ich danke allen, die sich
beteiligt haben, und hoffe, dass uns das große Werk
gelingt.
2-020
Whitehead (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte in
der Kürze der Zeit zwei Punkte ansprechen, die sich
beide auf Tierarzneimittel beziehen. Aufgrund der
großen Komplexität der Situation in Bezug auf
humanmedizinische
Substanzen
werden
die
Tierarzneimittel bei diesen Aussprachen stets etwas
stiefmütterlich behandelt.
Warnen möchte ich zunächst vor den von der
Kommission nach Artikel 67 eingereichten Vorschlägen,
denen zufolge sämtliche Tierarzneimittel, die für zur
Lebensmittelerzeugung genutzte Tiere bestimmt sind,
nur auf Rezept abgegeben werden sollten. Einige
Mitgliedstaaten, zu denen auch mein Heimatland gehört,
verfügen über ein bewährtes Abgabesystem, das es
gestattet, Medikamente, für deren sichere und wirksame
Verabreichung die Hinzuziehung eines Tierarztes nicht
für erforderlich gehalten wird, auch ohne tierärztliches
Rezept abzugeben. Ich verstehe, weshalb einige
Fachverbände in einigen Mitgliedstaaten ein solches
Vorgehen ablehnen, doch dieses System hat sich in
Irland wie auch im Vereinigten Königreich seit vielen
Jahren bewährt. Angesichts der bevorstehenden
Erweiterung der Union dürfte ein Übergang zu einem
zentralisierten System, das für Medikamente, die derzeit
in Ländern wie dem Vereinigten Königreich durch
qualifizierte Personen abgegeben werden können, die
Rezeptpflicht einführt, eine Vielzahl unterschiedlichster
Probleme hervorrufen. Deshalb empfehle ich dem Haus
Änderungsantrag 43.
Mein zweiter und letzter Punkt betrifft die von der
Kommission vorgeschlagenen zentralisierten Verfahren.
Dabei setzt sich der Ausschuss im Falle der
Humanarzneimittel für ein flexibleres System ein, ohne
für die Tierarzneimittel Gleiches zu tun. Das sollten wir
korrigieren, und durch Änderungsantrag 171 ist dies
auch möglich.
Ich möchte abschließend feststellen, dass ich den
Vorschlag
der
Kommission,
das
Fünfjahresverlängerungsverfahren
für
die
Vermarktungsgenehmigung abzuschaffen, für einen
Fehler halte. Diese Sicherheitsvorkehrung sollten wir
beibehalten.
2-021
15
Thors (ELDR).  (SV) Sehr geehrter Herr Kommissar,
verehrte Berichterstatter! Ich möchte unseren
Berichterstattern für ihre intensive Arbeit an einem recht
schwer
zu
durchdringenden
Thema
danken.
Normalerweise spreche ich den Berichterstattern
eigentlich keinen Dank aus. In diesem Fall gibt es jedoch
Anlass dazu, denn es ist äußerst schwer, dieses große
Gebiet zu beherrschen.
Wir wissen alle, dass die Kosten für Arzneimittel in
vielen Mitgliedstaaten den am schnellsten wachsenden
Kostenanteil im Gesundheitswesen ausmachen. In
einigen Ländern besteht bei der Finanzierung von
Medikamenten ein recht großes Defizit. Meiner Ansicht
nach war es deshalb wichtig, die Gesundheitsminister in
dieser Frage einzubeziehen, ehe der Rat im Interesse
einer Effizienzverbesserung umstrukturiert wurde. Ich
hoffe, sie werden auch in Zukunft einbezogen werden.
Normalerweise reagiere ich auch äußerst skeptisch,
wenn das Parlament weitere Berichte von der
Kommission fordert. In diesem Fall ist es meines
Erachtens jedoch von großer Bedeutung, dass die
Kommission
auch
die
Entwicklung
der
Arzneimittelpreise und die dabei bestehenden
Unterschiede in den einzelnen Ländern verfolgt. Das
kann uns wertvolle Informationen über verschiedene
Begrenzungen geben.
Ich unterstütze die Aussagen meines Kollegen Maaten
zum Zugang zu Informationen sowie die Erklärung des
Kommissionsmitglieds, es handele sich hier nicht um
Werbung, sondern um den Zugang zu Information. Es
gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass die Ärzte auf völlig
unzureichende Weise informiert oder anderweitig
unterstützt werden. Durch kontrollierte Informationen
können wir auch besser ermitteln, wie viel Geld in
diesem Sektor ausgegeben wird, was ich für wichtig
halte.
Meiner Meinung nach ist eines der größten Probleme,
das auch von vielen Änderungsanträgen aufgegriffen
wird, die so genannte finanzierte Forschung. Es gibt
außerdem recht viele seriöse Zeitungen, die ihre Seiten
dafür zur Verfügung gestellt haben.
Schließlich möchte ich mich Herrn Rod anschließen und
meiner Freude Ausdruck geben, dass auch die
Umweltauswirkungen der Medikamente Beachtung
finden sollen. Hier geht es nicht darum, Arzneimittel zu
behindern, sondern um die Bewertung der positiven
Auswirkungen im Verhältnis zu anderen.
2-022
Ainardi (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, das
Hauptziel der von der Kommission vorgelegten
Verordnungs- und Richtlinienvorschläge besteht allem
Anschein nach in einer Verstärkung der kurzfristigen
Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaunternehmen.
So wird insbesondere vorgeschlagen, die Schutzdauer
für klinische Unterlagen zu verlängern, das Verfahren
der Genehmigung für das Inverkehrbringen flexibler zu
16
22/10/2002
handhaben und zu beschleunigen und vor allem das
Verbot
für
Pharmaunternehmen,
für
verschreibungspflichtige
Medikamente
in
der
Öffentlichkeit zu werben, aufzuheben.
jedoch ermöglicht werden, ihre Erzeugnisse in NichtEU-Ländern abzusetzen. Diesen zumeist ärmeren
Ländern wäre mit diesen preisgünstigeren Arzneimitteln
gedient.
Hier wird uns im Grunde das Beispiel der USA
vorgeschlagen, wo dieses Verbot bereits 1997
abgeschafft wurde. In diesen auf einem rein
kommerziellen Ansatz beruhenden Vorschlägen werden
Medikamente als gewöhnliche Konsumerzeugnisse, ja
fast wie normale Waren betrachtet. Dieses Vorgehen
steht mit im Einklang mit dem Konzept, das sich in den
internationalen Handelsverhandlungen immer stärker
abzeichnet, nach dem das Gesundheits- und das
Bildungswesen im Rahmen der Liberalisierung der
Dienstleistungen den Marktgesetzen unterworfen werden
sollen.
Zur großen Freude meiner Fraktion wurde der Vorschlag
der Europäischen Kommission für die Zulassung von
Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für
Aids, Asthma und Diabetes im Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
abgeschmettert. Dennoch hat die Fraktion der Liberalen
diesen unsinnigen Vorschlag erneut vorgelegt. In den
USA ist die Werbung für verschreibungspflichtige
Arzneimittel seit 5 Jahren freigegeben. Die
Verkaufszahlen
sind
um
80 %
gestiegen,
zugegebenermaßen nicht nur durch Reklame, aber
trotzdem.
Der
Gesundheitszustand
der
USamerikanischen Bevölkerung hat sich dadurch nicht
verbessert. Die Gewinne der Pharmaindustrie sind
allerdings in die Höhe geschnellt.
Angesichts dieser gefährlichen Entwicklung haben sich
auf
europäischer
Ebene
Verbraucherverbände,
Familienorganisationen,
Patientenverbände,
Versicherungsvereine
auf
Gegenseitigkeit
und
Krankenversicherer zusammengeschlossen, und diese
Vereinigung mit der Bezeichnung „Europe et
médicaments“ hat bei den europäischen Instanzen und
den Regierungen Informations- und Aufklärungsarbeit
geleistet.
Diese Aktion, welche auch dazu beigetragen hat, unsere
Kenntnisse über die wirtschaftlichen, politischen und
ethischen Implikationen dieser Problematik zu
verbessern, hat Erfolge gezeitigt. So sind durch die
Mehrheit der Mitglieder des Umweltausschusses
Berichte angenommen worden, die von der Haltung der
Kommission abweichen. Besonders erfreut bin ich
darüber, dass in diesen Berichten die Werbung für
Arzneimittel abgelehnt wird.
Meine Fraktion wird sich in Verbindung mit der
Vereinigung „Europe et médicaments“ weiter dafür
einsetzen, dass in der Europäischen Union eine
verantwortungsvolle
Politik
im
Dienste
der
Volksgesundheit, des therapeutischen Fortschritts und
des Verbraucherschutzes betrieben wird. Dazu müssten
im europäischen System der Arzneimittelregulierung
drei Faktoren verstärkt werden: die Harmonisierung
unter den Ländern zur Gewährleistung einer
Qualitätsbewertung
und
-überwachung,
die
Unabhängigkeit der für Arzneimittel zuständigen
Institutionen sowie die Transparenz des Systems für alle.
2-023
de Roo (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Wir
bevorzugen das zentralisierte Verfahren. Arzneimittel
müssen für sämtliche Europäer zugänglich sein, zumal
nach der Erweiterung. Die 500 vorliegenden
Änderungsanträge sind auf die einzelnen Lobbys
zurückzuführen und zeugen insbesondere von dem
Konflikt zwischen neuen Arzneimitteln und Generika.
Ich begrüße den erzielten Kompromiss, der einen Schutz
von 8 Jahren vorsieht. Dem zehnjährigen Schutz von
neuen Arzneimitteln im Binnenmarkt kann ich gerade
noch zustimmen. Den Herstellern von Generika sollte es
Die Patienten brauchen dringend mehr Informationen,
aber nur dann, wenn sie danach fragen. Gegenwärtig
müssen sie mit US-Websites vorlieb nehmen. Über das
Internet und Telefonhilfsdienste sollten Patienten
imstande sein, sich selbst Informationen zu
Arzneimitteln in ihrer Muttersprache zu verschaffen. Die
erneute Beurteilung von Arzneimitteln nach fünf Jahren
ist derzeit eine reine Formsache. Meine Fraktion würde
gerne ein verbessertes Neubeurteilungsverfahren sehen,
eine Neubeurteilung mit Inhalt. Hat ein Arzneimittel
einen zusätzlichen Nutzen? Die pharmazeutische
Industrie lehnt dies entschieden ab. Gleichwohl möchte
ich wiederholen, dass nicht die Wirtschaftsinteressen,
sondern die Gesundheitsversorgung im Vordergrund
stehen sollten. Bei Arzneimitteln handelt es sich oft um
toxische Substanzen. Wenn sie den Körper verlassen,
sind sie häufig noch immer toxisch, auch für die
Umwelt. Deshalb ist meine Fraktion sehr erfreut, dass
bei der Bewertung neuer Arzneimittel jetzt auch der
Umweltaspekt in Betracht gezogen wird. Die
Europäische Kommission hat sich hier einen gewaltigen
Schnitzer geleistet. Liegt es daran, weil hierfür die
Generaldirektion Industrie verantwortlich zeichnet?
2-024
Farage (EDD). – (EN) Herr Präsident, dies ist ein
Bereich, in dem wir im Verlaufe der Jahre umfangreiche
Erfahrungen gesammelt haben, insbesondere was die
phosphororganischen Pestizide betrifft, wie sie
beispielsweise zur Schafdesinfektion und für eine
Vielzahl anderer Anwendungsgebiete verwendet
werden.
Unsere Erfahrungen besagen, dass ein für alle
gleichermaßen geltendes Zulassungssystem insofern
falsche Sicherheitsgarantien bietet, als sich mittels
Prognosetests niemals der volle Umfang toxischer
Wirkungen und potenzieller gesundheitlicher Gefahren
für Mensch oder Tier ermitteln lässt. Der Schlüssel zur
Sicherheit liegt daher in einer wirksamen Überwachung
nach erteilter Zulassung, die empfindlich genug ist, um
negative Reaktionen rasch aufzudecken und ebenso
22/10/2002
rasch wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dazu
bedarf es in jedem Mitgliedstaat effektiver
administrativer
und
medizinischer
Systeme
einschließlich von Diagnosesystemen. Auch hier
besagen unsere Erfahrungen, dass diese Systeme
keinesfalls den Anforderungen entsprechen. Wir halten
es daher für sinnvoller, unsere Anstrengungen auf diesen
Bereich zu konzentrieren, anstatt einen ohnehin schon
sehr komplexen Kodex noch auszubauen.
2-025
Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Das
Problem der erheblich voneinander abweichenden
Arzneimittelpolitik unserer Mitgliedstaaten lösen wir
heute nicht. Gleichwohl vollziehen wir dort einen Schritt
in die richtige Richtung, wo es um mehr Harmonisierung
bei der Registrierung und bei den Bedingungen für das
Inverkehrbringen der Arzneimittel, insbesondere bei den
Generika, geht. Die Marktzulassung für die
Mitgliedstaaten liegt allerdings nach wie vor im
Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten.
Ein wichtiges Thema der heutigen Diskussion ist der
Zusammenhang zwischen dem Originalarzneimittel und
dem Generikum, das nach Ablauf des Patents und des
Datenschutzes in Verkehr gebracht wird. Ein wackeliger
Kompromiss liegt vor, zu dem ich noch einen besser
formulierten Änderungsantrag eingebracht habe.
Obgleich ich dafür die Zustimmung meiner Kolleginnen
und Kollegen erbitte, unterstütze ich den Kompromiss.
Bei dieser Gelegenheit sei übrigens auch davor gewarnt,
dass das zügigere Inverkehrbringen eines Generikums
nicht automatisch zu niedrigeren Kosten führt. In den
Niederlanden beispielsweise stelle ich fest, dass der
Preis eines Generikums über dem in zahlreichen anderen
Mitgliedstaaten
geltenden
Preis
für
ein
Markenarzneimittel, also ein Originalarzneimittel, liegt.
Gestatten Sie mir ferner eine Bemerkung zur
Preispolitik. Obwohl wir jetzt abermals mehr
Aufmerksamkeit für Transparenz fordern, ist es
frustrierend – und das sage ich auch an die Adresse der
Berichterstatter
von
1989
–,
dass
die
Transparenzrichtlinie nicht umgesetzt, nicht ausgestaltet
wird. Es gibt erhebliche Unstimmigkeiten, die wir heute
nicht aus der Welt schaffen. Ich finde es lächerlich,
wenn Arzneimittel aus den Niederlanden, wo der
Verbraucher derart hohe Preise für Generika zahlen
muss, anschließend durch Parallelexport in andere
Mitgliedstaaten gelangen. Damit muss Schluss sein.
Schließlich halte ich nichts von Werbung. Allerdings bin
ich für unter Selbstkontrolle stehende Informationen, die
im Web zugänglich sind. Ob diese Informationen nun
von den nationalen Agenturen oder der Industrie selbst
stammen, ist solange unerheblich, wie die
Selbstkontrolle gewährleistet ist. Ein mündiger
Verbraucher sollte nicht auf US-amerikanischen
Websites Rat suchen müssen, sondern auch in Europa
Zugang zu diesen Informationen haben. Ich darf Sie
bitten, meine diesbezüglichen Änderungsanträge noch
einmal gründlich zu überdenken.
17
(Beifall)
2-026
Corbey (PSE). – (NL) Herr Präsident, verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Der pharmazeutischen
Industrie geht es gut. Über einen langen Zeitraum erzielt
sie hohe Gewinne. Um die Gesundheitsbudgets ist es
leider nicht so rosig bestellt. In den meisten
Mitgliedstaaten steigen die Ausgaben für Arzneimittel.
Die Entwicklung von Arzneimitteln kommt ebenfalls
nicht voran. In Europa gibt es kaum echte Innovation
und, schlimmer noch, die Entwicklung von
Arzneimitteln zur Bewältigung der weltweiten
Gesundheitskrise bleibt erheblich zurück. Obgleich diese
Situation höchst unbefriedigend ist, können wir mit der
Novellierung der Pharmagesetzgebung Schritte in die
richtige Richtung setzen.
Erstens sollten wir eine vernünftige Preispolitik
verfolgen. Der Arzneimittelpreis wird auf nationaler
Ebene festgesetzt. Die Preise für Arzneimittel weichen
derzeit in den EU-Mitgliedstaaten stark voneinander ab.
Bei neuen Arzneimitteln sollte die Kommission eine
Richtschnur auf der Grundlage der Entwicklungskosten
festlegen. Zahlreiche Länder wollen bei den
Gesundheitsausgaben
sparen,
indem
sie
die
Selbstbeteiligung
der
Patienten
an
den
Arzneimittelkosten anheben. Das ist nicht akzeptabel.
Anstelle eines Anstiegs der Eigenbeteiligung für die
Patienten sollten Einsparungen nämlich durch
gemeinsame und gezieltere Verhandlungen mit der
Industrie angestrebt werden.
Zweitens dürfen die Rechtsvorschriften die Innovation
nicht hemmen, sondern vielmehr fördern. Die Industrie
möchte dies über einen längeren Datenschutz erreichen,
das aber bietet keine Garantie für Innovation. Ganz im
Gegenteil, in den Vereinigten Staaten gibt es trotz
kürzerer Schutzzeiten mehr Innovation. Wir müssen
Innovation anregen, indem wir den zusätzlichen
therapeutischen Nutzen herausstellen, vor allem auch
Führungsqualitäten an den Tag legen und auf dem
Gebiet der Forschung selbst Fragen aufwerfen. Im Laufe
der Preisverhandlungen können Vereinbarungen über
das Forschungsprogramm getroffen werden. Gute Preise
im Tausch gegen Investitionen in weltweit benötigte
Arzneimittel, damit machen wir einen Schritt nach vorn.
Drittens müssen wir Vorkehrungen für die Herstellung
von Generika für lebenswichtige Arzneimittel treffen,
die noch Patentschutz genießen, in Entwicklungsländern
aber unbezahlbar sind. Dies sollte nur für Arzneimittel
für Länder gelten, die selbst noch nicht über die
Produktionskapazität verfügen. In Doha sind wesentliche
Maßnahmen eingeleitet worden, damit Arzneimittel in
Entwicklungsländern erschwinglicher werden. Jetzt fehlt
uns nur noch ein kleiner, aber bedeutsamer Schritt.
Schließlich müssen wir an dem Verbot für
Arzneimittelwerbung unbeirrt festhalten. Die Zulassung
von direkten Informationen oder von Werbung, die auf
Patienten abzielt, bringt uns nicht voran. Schon jetzt gibt
18
die Pharmaindustrie Unsummen für das Marketing aus.
Noch mehr Marketing verteuert Arzneimittel unnötig.
Nicht minder wichtig ist das Argument, dass wir die
Industrie davon abhalten müssen, gesunden Menschen
Krankheiten einzureden. Wir können auf andere Weise
sicherstellen, dass die Patienten gut informiert werden.
Zum Abschluss noch ein Wort des Dankes an Frau
Grossetête und insbesondere an Frau Müller für all ihre
komplizierte Arbeit. Ihre Anstrengungen für eine
verbesserte Abstimmung der Arzneimittel auf Kinder
und Frauen unterstütze ich ebenso uneingeschränkt wie
ihr Plädoyer für ein europäisches Vorgehen, für das
ihnen ebenfalls mein Dank gebührt.
22/10/2002
Mut gehabt hat, sich an ein bedeutendes praktisches
Problem heranzuwagen, das – ob man will oder nicht –
unbedingt geklärt werden muss. Die frei zugänglichen
medizinischen Informationen im Internet unterliegen
gegenwärtig keinerlei Kontrolle, was schädliche Folgen
haben kann, wie Kommissar Liikanen zu Beginn dieser
Aussprache darlegte. Und zweitens weil eine korrekte
Information – darauf muss wohl verwiesen werden –
nicht gleich Werbung sein muss und weil die von
bestimmten Leuten bewusst unterhaltene Gleichsetzung
von einer eingeschränkten Sicht zeugt und irreführend
ist. Es war daher erforderlich, den Text der Kommission
zu präzisieren und zu konkretisieren, was Frau
Grossetête versucht hat, aber nicht, ihn gänzlich zu
streichen.
2-027
Ries (ELDR). – (FR) Herr Präsident, auch ich möchte
den Dienststellen von Kommissar Liikanen, vor allem
aber Frau Grossetête und Frau Müller für die
ausgezeichnete Arbeit an einem der wichtigsten Dossiers
dieser Legislaturperiode im Gesundheitsbereich danken.
Da das Wesentliche bereits gesagt ist, werde ich mich
auf die noch bestehenden Reibungspunkte beschränken.
Was zunächst die Europäische Agentur für die
Bewertung von Arzneimitteln in London betrifft, so
halte ich es für wichtig, auf die wesentliche Rolle zu
verweisen, welche diese Agentur seit sieben Jahren
spielt und die mit Blick auf die bevorstehende
Erweiterung sowie im Interesse einer besseren
Funktionsweise des Binnenmarkts auf alle Arzneimittel,
die auf neuen Wirkstoffen beruhen, ausgedehnt werden
sollte. Daher lehnt die liberale Fraktion den im Bericht
von Frau Müller enthaltenen Änderungsantrag 136
nachdrücklich ab.
Was den Unterlagenschutz betrifft, so bin ich mit dem
im Ausschuss mit 8 + 2 angenommenen Kompromiss,
der einen Ausgleich zwischen den Anforderungen
schafft, vollkommen einverstanden. Aus welchem
Grund? Weil niemand eine direkte und eindeutige
Verbindung zwischen dem Schutz des gewerblichen
Eigentums und dem Erfolg der Generika hat nachweisen
können. Die Beispiele Deutschlands und des Vereinigten
Königreichs, in denen bei einem konsequenten
zehnjährigen Unterlagenschutz die Generika 20 %
Marktanteil
aufweisen,
verdeutlichen
dies
in
augenfälliger Weise. Wenn man Entwicklung und
Forschung angreift, dann irrt man sich in der
Zielrichtung und gefährdet die eigentlichen Grundlagen
des Gesundheitsschutzes. Meiner Meinung nach wäre es
ehrlicher, den realen Einfluss einer auf Anreize im
Bereich der Preise und Rückzahlungen setzenden Politik
auf die Entwicklung der Generika und parallel dazu
einer pädagogischen Aktion der Gesundheitsberufe in
Richtung ihrer Patienten anzuerkennen, womit ich mit
den
Argumenten
von
Frau
Oomen-Ruijten
übereinstimme.
Was die Patienteninformationen betrifft, so gehöre ich
zu den Abgeordneten, welche sich nicht mit dem im
Ausschuss erzielten Abstimmungsergebnis zufrieden
geben. Erstens weil die Europäische Kommission den
Schließlich – und das ist das Wichtigste, wie die
Berichterstatterinnen deutlich gemacht haben – kommt
es darauf an, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen
den wesentlichen Prioritäten der öffentlichen Gesundheit
und denen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des
pharmazeutischen Sektors und damit der Forschung in
Europa sowie der Vollendung unseres Binnenmarktes zu
wahren.
(Beifall von rechts)
2-028
Bordes (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, dieser
Bericht geht von Standpunkt der Verteidigung der
Interessen der Pharmaindustrie aus. Doch die Jagd nach
Profit ist unvereinbar mit der Verteidigung der
öffentlichen Gesundheit. Wenn man die öffentliche
Gesundheit verteidigen will, dann muss man die
Interessen der Gesellschaft in den Vordergrund stellen
und die Gesundheit aller Menschen, ob zahlungsfähig
oder nicht, in Betracht ziehen.
Die pharmazeutische Industrie hingegen interessiert sich
nur für diejenigen, die zahlen können. Aus diesem
Grunde ist sie bestrebt, möglichst rasch Medikamente
herauszubringen, an denen sie viel verdient. Sie setzen
auf, wie es in ihrem Jargon heißt, Block-busters, die über
eine Milliarde Dollar im Jahr einbringen. Doch wenn es
im Stadium der Forschung und der Kontrollen schnell
gehen muss, damit rascher Profite gemacht werden
können, dann geht das unweigerlich auf Kosten der
Sicherheit und der Gesundheit der Kranken, ganz zu
schweigen von den Arbeitnehmern dieser Unternehmen.
Ich möchte im Übrigen auch eine weitere Folge der Jagd
nach Profit anprangern: den Arbeitsplatzabbau bis hin in
den Forschungssektor. Dies trifft gegenwärtig auf den
Pharmakonzern Aventis zu, der weltweit 10 000
Arbeitsplätze abbaut und Unternehmen sowie
Forschungseinrichtungen in mehreren Ländern schließt.
Sie
sprechen
von
Transparenz.
Doch
die
Pharmaindustrie hat ihre Gewinnmargen immer geheim
gehalten, die schon aufgrund der Tatsache, dass sie von
der Sozialversicherung garantiert werden, zu den
höchsten gehören.
22/10/2002
Man malt uns aus, wie schlimm es wäre, wenn
Terroristen ganze Bevölkerungsgruppen mit Pocken
verseuchen würden und es wären nicht genügend
Medikamente zu deren Behandlung verfügbar. Das ist
sicher so, doch dieses Katastrophenszenario ist bereits
Wirklichkeit. Tagtäglich sterben Kinder an Krankheiten,
die heilbar sind, wie den Masern, und gegen die es
Medikamente gibt. Dafür ist die Profitgier der großen
Pharmaunternehmen zusammen mit dem geheimen
Einverständnis der Regierungen verantwortlich.
2-029
Breyer (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen aus eigener
Erfahrung, dass es in der Europäischen Union keinen
wirklichen Binnenmarkt für Pharmazeutika gibt. Wir
haben Preisunterschiede zwischen Belgien und
Deutschland von bis zu 400 %, und das lässt sich nicht
durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze erklären!
Ich habe die Befürchtung, dass wir uns bei diesen
Berichten zu sehr auf die Zulassung konzentrieren. Ich
hoffe aber, dass die Transparenz, die wir hier angemahnt
haben und einfordern, auch dazu führt, dass es künftig
für die Verbraucher besser nachvollziehbar ist, warum es
zu diesen großen Preisunterschieden zwischen den
einzelnen Mitgliedstaaten kommt.
Es geht nicht an, dass wir einen europäischen
Binnenmarkt haben, der für die Pharmaindustrie
offensichtlich so nicht gilt. Ich hoffe, dass die
Transparenz auch deutlicher macht, wie die
Verflechtung zwischen der öffentlichen Forschung und
der Industrieforschung aussieht, dass über die
Datenbanken künftig auch deutlicher wird, wer an
bestimmten klinischen Tests mitgewirkt hat und in
welchem Umfang öffentliche Studien finanziert werden.
Auch ich freue mich, dass es uns gelungen ist, die
Werbung außen vorzulassen, denn das hätte nur dazu
geführt, dass bei den Patienten Erwartungen geschürt
werden, die nicht erfüllt werden können. Es geht um
bessere und preisgünstigere Produkte anstatt um mehr
Werbung!
2-030
Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, sehr geehrter
Herr Liikanen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
schätze außerordentlich die Tatsache, dass Frau
Grossetête
in
ihren
Änderungsanträgen
zum
wiederholten Male die Aspekte der Volksgesundheit und
-sicherheit in den Vordergrund gerückt hat. Es sind dies
jene Dinge, zu deren Schutz Arzneimittel ursprünglich
einmal gedacht waren. Diese kurzen Bemerkungen sind
nicht vergebens. Auch wenn Arzneimittel in den Händen
des Einen oder Anderen zu einem Wert an sich, zum
Selbstzweck geworden sind, der sich gegenüber dem
eigentlichen Ziel ins Gegenteil verkehrt hat, so stellt
doch der von Frau Grossetête vertretene Ansatz eine
Rückkehr zur Disziplin dar, die sehr zu begrüßen ist. Ich
wünsche mir in der Tat, dass dieser Geist in der
vorliegenden Richtlinie bis zu ihrer endgültigen
Verabschiedung erhalten bleiben möge.
19
Auch Änderungsantrag 16 zur Ausweisung der einzelnen
Bestandteile von generischen Arzneimitteln ist sinnvoll,
da dies zu einem vernünftigeren Einsatz dieser Mittel
führen wird, der so genannten generischen Substitution.
Worum es hier geht, ist die vernünftige Verwendung von
Arzneimitteln sowie die Ausnutzung der Preispotenziale
in den öffentlichen Systemen zur Substitution von
Arzneimitteln nach dem Erlöschen von Patentrechten für
medizinische Produkte. Auch die Eigenanteile der
Patienten verringern sich, wenn dazu übergegangen
wird, Arzneimittel zu verschreiben, die den
Originalmedikamenten ähnlich, jedoch billiger als diese
sind.
Die Förderung der Verwendung von Generika entspricht
voll
und
ganz
den
arzneimittelund
gesundheitspolitischen Zielen der Europäischen Union.
Zu diesen Zielen zählt im Übrigen auch die Einführung
neuer Arzneimittel, die von ihrem therapeutischen Wert
her als wichtig für solche Patienten angesehen werden,
die auf diese angewiesen sind. Diese Medikamente
unterliegen Patentrechten und sind in der Regel teuer.
Die Erfahrungen in meinem Heimatland Finnland sowie
in vielen anderen Ländern zeigen, dass sich die
Verschreibungspraxis bei Arzneimitteln nicht in
ausreichendem Maße in Richtung auf alternative
Medizinprodukte bzw. alternative Importmedikamente
verändert, solange man die Entwicklung nicht mit
staatlichen Mitteln, d. h. im Wege der Gesetzgebung,
steuert.
Solche
Steuerungsinstrumente
sind
beispielsweise
Referenzpreissysteme,
Arzneimittelbudgets für Ärzte und die generische
Substitution.
Ich möchte außerdem jenen Kollegen danken, die
Änderungsantrag 95 eingebracht haben, welcher die
Hersteller von Arzneimitteln verpflichtet, die
Medikamente in ausreichenden Mengen an die
Großhändler zu liefern. Lieferbeschränkungen, wie sie
von einigen pharmazeutischen Unternehmen praktiziert
werden, verursachen Schwierigkeiten auf Seiten der
Arzneimittelgroßhändler und letzten Endes auch bei den
Patienten.
2-031
De Keyser (PSE). – (FR) Herr Präsident, die uns heute
vorliegenden Berichte von Frau Grossetête und Frau
Müller gehen beide von einem impliziten, doch
grundlegenden Postulat aus: Arzneimittel sind keine
gewöhnlichen Erzeugnisse, denn sie dienen der
Gesundheit und diese ist nicht verhandelbar. Ich weiß
nicht, ob es sich dabei um ein göttliches Recht handelt,
wie gesagt wurde, doch auf jeden Fall ist es ein
unveräußerliches Recht.
Abgesehen davon ist den beiden Berichterstatterinnen
das schier Unmögliche gelungen – oder zumindest
nahezu: nämlich erstens die Interessen des Patienten im
Hinblick auf unabhängige Information, Sicherheit und
raschen Zugang zu Generika miteinander zu
vereinbaren, auch wenn man hier meiner Meinung nach
sicherlich noch weiter hätte gehen können. Doch sind
die dazu erreichten Kompromisse immer noch zufrieden
20
stellend. Zweitens einen Beitrag zur Eindämmung der
Kosten der Krankenkassen zu leisten, denn wenn die
Gesundheit auch nicht verhandelbar ist, so hat sie doch
einen Preis, der aufgrund der medizinischen und
pharmazeutischen
Fortschritte
sowie
der
Bevölkerungsalterung ständig steigt. Drittens – und dies
ist nicht zu vernachlässigen – die Interessen der
Pharmaunternehmen zu wahren, deren Anliegen
hinsichtlich der Exklusivität der Daten sowie der
Forschungsaufwendungen berücksichtigt worden sind.
Meiner Meinung nach wird ihre Wettbewerbsfähigkeit
nicht beeinträchtigt werden, denn mir ist bewusst, dass
wir über diese auch die Arbeitsplätze verteidigen, die in
diesen Unternehmen angesiedelt sind.
Die im Umweltausschuss erreichten Kompromisse
widerspiegeln deutlich die Besonderheiten des
europäischen Sozialmodells, mit dem versucht wird, die
soziale Komponente mit der Wettbewerbsfähigkeit zu
verbinden. Besonders erfreut bin ich über die Ablehnung
jeder
Werbung
für
verschreibungspflichtige
Medikamente, was deren besonderen Charakter noch
stärker
betont
und
einem
unbegründeten
explosionsartigen Anstieg ihres Verbrauchs vorbeugt.
Es verbleiben noch zwei strittige Punkte, die der
Aufmerksamkeit bedürften, denn sie sind eher
wissenschaftlicher Natur. Der Erste betrifft die
fünfjährliche Erneuerung der Genehmigung für das
Inverkehrbringen des Medikaments, die immer noch
nicht geregelt ist. Zahlreiche Beispiele aus der
Vergangenheit wie z. B. das Thalidomid, zeigen jedoch,
dass ein Medikament nach fünf Jahren durchaus noch
Nebenwirkungen aufweisen kann. Zudem entwickelt
sich die Medizin so schnell, dass sich die Behandlung
einer bestimmten Krankheit rasch ändern kann. Diese
Problematik kann nicht allein mit der gleichwohl sehr
bedeutsamen Pharmakovigilanz geregelt werden.
Der zweite Punkt ist die Idee des therapeutischen
Mehrwerts eines neuen Medikaments. Diese einfache
Idee, die sich deutlich vom Kosten-Nutzen-Verhältnis
unterscheidet, müsste immerhin von den Forschern der
pharmazeutischen Industrie verstanden werden. Denn
was nützt eine Innovation, wenn sie keinen Vorteil in
therapeutischer
Hinsicht
erbringt?
Wenn
wir
akzeptieren, dass die pharmazeutische Industrie ihre
Forschungsaufwendungen
in
den
Preis
ihres
Erzeugnisses einbezieht, dann kann man erwarten, dass
sie dies unter Berücksichtigung der gängigsten
wissenschaftlichen Kriterien tut.
22/10/2002
es falsch, Nahrungsergänzungsmittel und die
Reformhäuser, die sie verkaufen, mit noch mehr
überflüssigen Auflagen zu belegen. Viele glauben an den
Nutzen dieser Erzeugnisse, und zumindest sind sie
unschädlich. In Bezug auf homöopathische Mittel
vertrete ich denselben Standpunkt.
Wir haben heute mehr Patienten, die besser informiert
sind als je zuvor – das ist eine gute Sache. Ich möchte,
dass die Bürger Zugang zu objektiven Informationen
über Medikamente und Behandlungsarten haben. Das ist
jedoch grundsätzlich von der Direktwerbung für
Medikamente zu unterscheiden, die nicht zu einer
besseren Information der Öffentlichkeit, sondern dank
der
Marketingmethoden,
wie
wir
sie
von
Gebrauchtwagenhändlern kennen, nur zu mehr
Verwirrung führen würde.
2-033
VORSITZ: GIORGOS DIMITRAKOPOULOS
Vizepräsident
2-034
Schnellhardt (PPE-DE). – Herr Präsident, meine
Damen und Herren! Mein Kompliment den beiden
Berichterstatterinnen für ihre ausgezeichnete Arbeit. Ich
glaube, dass die Vorschläge eine gute Grundlage sind,
damit der Binnenmarkt für Arzneimittel sowohl für
Human- als auch für Tierarzneimittel funktioniert.
Binnenmarkt definiert sich bei mir nicht über die
Preisstabilität, sondern über die Preisgleichheit; das ist
ganz etwas anderes und hat mit dem Binnenmarkt
eigentlich gar nichts zu tun. Durch diese Vorschläge
wird weiterhin auch die Forschung gestärkt. Forschen
lohnt sich also wieder und auch die Generikahersteller
können existieren. Ich glaube auch, dass durch diese
Vorschläge alle Möglichkeiten genutzt werden können,
um die Gesundheit der Bürger zu erhalten.
Der Förderung der Forschung dient insbesondere die
Harmonisierung des Unterlagenschutzes in der
Europäischen Union, wobei gleichzeitig die Tätigkeit
der Generikahersteller erleichtert werden soll. Dieses
findet meine volle Zustimmung, und es sollten von den
betroffenen Parteien keine weiteren Forderungen
erhoben werden. Meiner Meinung nach entspricht aber
die Ausweitung des zentralen Zulassungsverfahrens für
Arzneimittel, wie von der Kommission im Ausschuss
betrieben, nicht den genannten Grundsätzen. Das
derzeitige Zulassungsverfahren auf zwei Säulen erfüllt
voll und ganz die Forderungen des Binnenmarkts und
garantiert eine größere Vielfalt von Medikamenten auch
mit kleinen Chargen.
2-032
Davies (ELDR). – (EN) Herr Präsident, ich hege
Bewunderung für die Leistungen der Wissenschaft bei
der Entwicklung von nachweislich hochwirksamen
Arzneimitteln. Gleichzeitig bewahre ich aber auch eine
gesunde
Skepsis
sowohl
gegenüber
der
pharmazeutischen Industrie als auch gegenüber einem zu
starken Vertrauen in einige ihrer Produkte, von denen
viele weit mehr Schaden anrichten als illegale
Freizeitdrogen, die weit stärker im Mittelpunkt des
öffentlichen Interesses stehen. Aus diesem Grunde wäre
Mit dem jetzt geplanten Zwang zur Nutzung des
zentralen Verfahrens bei den neuen Wirkstoffeinheiten
wird der Wettbewerb zwischen den Zulassungsverfahren
ausgehebelt. Wir können in der Verordnung
Bearbeitungszeiten aufführen, so viele wir wollen - ohne
Wettbewerb sind die Angaben Makulatur! Ich kenne
sehr viele mittelständische Unternehmen, die Forschung
betreiben und insbesondere im Bereich der so genannten
orphan drugs oder der Tierarzneimittel forschen und
entwickeln. Dort werden solche Wirkstoffe entwickelt.
22/10/2002
Dafür müsste dann in London eine Zulassung beantragt
werden, und das, glaube ich, können sich diese
Unternehmen weder leisten, noch können sie es
umsetzen. Wir werden damit einen Abbruch dieser
Forschung erreichen. Das können wir eigentlich nicht
hinnehmen. Deswegen sollten wir die Änderung, die hier
vorgesehen ist, nicht mittragen.
2-035
Stihler (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte den
Berichterstatterinnen sowie den Schattenberichterstattern
für ihre Arbeit danken. Wie viele Kollegen bereits
feststellten, lassen sich pharmazeutische Produkte mit
anderen Produkten nicht vergleichen. Wir müssen
garantieren, dass diese Produkte sicher und wirksam
sind. Deshalb meine ich, dass wir im Hinblick auf das
zentralisierte Verfahren eine gewisse Flexibilität
brauchen. Wir dürfen die Auswahl nicht einschränken,
sondern müssen sie ebenso fördern wie die Flexibilität in
Bezug auf die Zulassung.
Was die Verlängerung der Genehmigung betrifft, so
lehne ich den Vorschlag der Kommission ab, das
Fünfjahresverlängerungsverfahren der Genehmigung für
das Inverkehrbringen entsprechender Medikamente
abzuschaffen und sich zur Gewährleistung der
Produktsicherheit
und selbst der
Exklusivität
ausschließlich auf eine bessere Pharmakovigilanz zu
verlassen. Meiner Ansicht nach wurde ein fairer
Kompromiss erzielt.
Ich freue mich sehr, dass der Umweltausschuss die
Verbraucherdirektwerbung abgelehnt hat. Es muss
deutlich werden, dass wir alle wollen, dass die Patienten
informiert sind. Wir alle wollen, dass die Patienten
bewusste Entscheidungen treffen können. Dagegen kann
niemand etwas einwenden. Wir dürfen jedoch keine
Verhältnisse wie in den USA zulassen, wo die zehn am
stärksten beworbenen Medikamente auch die zehn am
meisten verkauften sind. Deshalb sind die im Ausschuss
angenommenen Änderungsanträge, in denen ein
entsprechender Bericht gefordert wird, sowie die Frage,
wie mit Informationen für Patienten umgegangen wird,
auch so wichtig. Was die den Patienten von der Branche
bereitgestellten Informationen angeht, so reicht die
Palette
von
ausgezeichneten
Ansätzen
und
Partnerschaften mit Patienten bis hin zu Fällen, in denen
Patientenorganisationen beschuldigt werden, der
Branche als Feigenblatt zu dienen. Hier müssen wir das
richtige Maß finden.
Wir haben im Rahmen der Revision Gelegenheit, die
Forschung zu verbessern, Arbeitsplätze zu sichern und
die Bereitstellung von Produkten sowie von
Informationen für die Patienten zu verbessern. Dies ist
eine hochinteressante Zeit, und freue mich auf die
Revision der geltenden Regelungen in zweiter Lesung.
21
nur die Überlebensrate erhöht, sondern darüber hinaus
die Lebensqualität der Erkrankten wesentlich verbessert
haben.
Als ich vor 20 Jahren als frisch ausgebildeter Arzt zu
praktizieren begann, war es üblich, die Informationen, zu
denen ich in meiner Eigenschaft als Arzt Zugang hatte,
vor dem Zugriff durch Unbefugte zu verschließen.
Vieles hat sich seit dem verändert. Heutzutage können
alle, die über einen Internetzugang und ausreichende
Sprachkenntnisse
verfügen,
sich
über
Behandlungsmethoden
informieren
und
Arzneimittelinformationen abrufen. Diese Entwicklung
ist positiv für das Gesundheitswesen und wird auch von
den Patientenorganisationen gefordert. Sicherlich stellt
sie höhere Anforderungen an die Ärzte, aber für den
Arzt wird sich das beste Verhältnis zu dem Patienten
einstellen, der gut informiert ist.
Herr Präsident, der Versuch, die Informationen für die
Patienten zu verhindern oder zu begrenzen, steht im
Widerspruch zu den Grundsätzen der Transparenz
innerhalb des modernen Gesundheitswesens.
Abschließend noch eine Bemerkung an die Adresse von
Herrn Rod und die Verts/ALE-Fraktion: Ihr Vorschlag
für doppeltes Testen ist nicht nur schlecht, sondern kann
sogar gefährlich sein. Die Überprüfung neuer
Arzneimittel, darf nämlich nicht erst nach fünf Jahren
erfolgen, sondern muss kontinuierlich vorgenommen
werden.
2-037
Müller, Rosemarie (PSE). – Herr Präsident,
übereinstimmend kann ich festhalten, dass die
Verbesserung des Gesundheitsschutzes das wichtigste
Ziel ist, aber auch dass die Forschung gefördert werden
muss. Mit den Forschungsanreizen, die vorgesehen sind,
stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und
sichern damit die ca. 500 000 Arbeitsplätze in Europa,
wir fördern aber auch die Entwicklung neuer
Arzneimittel.
Der vorliegende Verordnungsvorschlag und die beiden
Richtlinien sind aber auch Anforderungen an die
Pharmaindustrie,
angesichts
fast
optimaler
Rahmenbedingungen - der Unterlagenschutz ist
nirgendwo so hoch wie in Europa - ihre
Innovationsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Die
Patienten brauchen innovative neue Arzneimittel und
keine Analogpräparate, die unsere Gesundheitssysteme
ohne zusätzlichen Nutzen für die Patienten belasten.
Das Parlament sollte meines Erachtens im weiteren
Beratungsverfahren
die
drei
Ziele
hoher
Gesundheitsschutz, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
und Sicherung der Arbeitsplätze nicht aus dem Auge
verlieren.
2-036
Arvidsson (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident, die neuen,
viel wirksameren Medikamente haben zu einer großen
Revolution im Gesundheitswesen geführt und helfen
vielen Patienten in der Tat. Ein Beispiel dafür sind die
modernen Arzneimittel gegen Herzinsuffizienz, die nicht
2-038
Nisticò (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr
Kommissar, ich möchte noch auf einige Aspekte
eingehen, die ich für strategisch wichtig halte. Der
Vorschlag der Kommission, einen Unterlagenschutz von
22
10 bzw. 10 Jahren plus 1 Jahr zu gewähren, muss meines
Erachtens eine feste und unumstößliche Säule bleiben.
Dieser Standpunkt ist sehr ausgewogen und wird es
ermöglichen, dass die europäische Industrie neue
Anreize und Stimuli erhält, um weiter in die Erforschung
und Entwicklung wirksamerer und sicherer Arzneimittel
zu
investieren,
und
letztendlich
international
wettbewerbsfähig wird.
Auch für die bekannten Arzneimittel ist, sofern es neue
therapeutische Indikationen gibt, ein angemessener
Unterlagenschutz wichtig. Wie ich bereits vorhin gesagt
habe, bin ich mit dem Ansatz bezüglich der
Zusammensetzung des Verwaltungsrats, der meines
Erachtens nur aus Vertretern der Institutionen bestehen
sollte, nicht einverstanden. Deshalb bitte ich Sie, Herr
Kommissar, sich gemeinsam mit dem Rat auf eine
ausgewogene Lösung für den Verwaltungsrat zu einigen,
damit er unvoreingenommen, ohne Konflikte und
Streitigkeiten, arbeiten kann.
Ich wundere mich, wenn ich mir beispielsweise die
Änderungsanträge 153 und 154 ansehe, dass in dieser
Richtlinie immer noch von „traditionellen pflanzlichen
Arzneimitteln” die Rede ist. Ich bin der Verfasser eines
anderen Berichts über pflanzliche Arzneimittel und bin
deshalb gegen die Änderungsanträge 153 und 154.
Hingegen begrüße ich den Vorschlag, das Verfahren der
alle fünf Jahre zu erneuernden Genehmigung
abzuschaffen, denn das ist eine zu hohe
verwaltungsmäßige Belastung. Ich hoffe, dass wir mit
Hilfe eines wirkungsvollen, EU-weit angewandten
Pharmakovigilanz-Systems endlich eine kontinuierliche
Überwachung durch hoch qualifizierte Personen
erreichen – Europa ist reich an Fachleuten für klinische
Pharmakologie –, um dafür Sorge zu tragen, dass
eventuell auftretende toxische Nebenwirkungen sofort
gemeldet werden.
2-039
Müller, Emilia Franziska (PPE-DE). – Herr Präsident,
Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen! Ich danke Frau Grossetête und Frau Müller
für ihre umfassenden Berichte. Wir stimmen morgen
über das bisher größte Revisionspaket für die
Gesetzgebung zu Arzneimitteln in der Europäischen
Union ab. Die zentralen Ziele sind dabei: erstens die
Gewährung eines hohen Gesundheitsschutzes und der
rasche Zugang der Patienten zu innovativen Produkten,
zweitens die Qualität, die Sicherheit und die
Wirksamkeit von Arzneimitteln in Europa und drittens
der weitere Abbau von bestehenden Handelshemmnissen
innerhalb des Binnenmarktes.
Arzneimittel müssen zweckmäßig und sachgerecht
verwendet werden. Deshalb ist es unerlässlich, in den
Rechtsvorschriften eine deutliche Trennung zwischen
Information
und
Werbung
festzulegen.
Alle
Produktinformationen
müssen
vor
ihrer
Veröffentlichung wissenschaftlich geprüft werden.
Vorschriften für Arzneimittel sollen ausschließlich auf
Produkte anwendbar sein, die einen therapeutischen
22/10/2002
Nutzen haben und einer therapeutischen Anwendung
dienen. Überschneidungen mit dem Lebensmittelrecht
müssen vermieden werden, um Rechtsunsicherheiten
auszuschließen. Dabei ist eine klare Definition für
Arznei- und Lebensmittel dringend erforderlich, wie in
den Änderungsanträgen 11 und 18 vorgesehen.
Die Leistungen der industriellen Forschung im Hinblick
auf innovative therapeutische Anwendungen müssen
durch einen angemessenen Unterlagenschutz für so
genannte Originalprodukte anerkannt werden. Ich
unterstütze aber auch Änderungsantrag 40, der bereits
vorhandenen Arzneimitteln bei einer neuen Indikation
einen zusätzlichen Unterlagenschutz von drei Jahren
gewährt. Auch Generika, die selbstverständlich alle
Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit
erfüllen müssen, sollen auf dem europäischen Markt
etabliert und unmittelbar nach Ablauf der Schutzfrist für
das Original vermarktet werden können.
Beim Zulassungsverfahren ist die Wahlmöglichkeit
zwischen dem zentralen und dem dezentralen Verfahren,
wie es seit 1995 besteht, beizubehalten. Es hat eine
deutliche
Effizienzsteigerung
bei
den
Zulassungsverfahren bewirkt und nicht zu der
befürchteten
Polarisierung
geführt.
Für
die
mittelständischen Unternehmen in Europa ist das
Weiterbestehen der gegenseitigen Anerkennung
unerlässlich. Es ist notwendig, ein System zu schaffen,
das Innovation zum Wohle aller Patienten fördert.
(Beifall)
2-040
Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, in diesen
Berichten geht es um sehr wichtige Belange, und ich
gratuliere den Berichterstatterinnen. Die Debatte
darüber, ob die Pharmakovigilanz der obligatorischen
Fünfjahresverlängerung vorzuziehen ist, und die Frage,
ob die Registrierung im zentralisierten Verfahren
erfolgen sollte oder ob das zentralisierte, nationale und
das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung
nebeneinander bestehen sollten, sind von entscheidender
Bedeutung. Die Lösung des Problems ist greifbar nahe;
wir müssen nur noch einige notwendige Veränderungen
vornehmen. Sehr wichtig ist, dass alle Bürger
gleichberechtigten
Zugang
zu
den
neuesten
Medikamenten haben, ganz gleich wo in Europa sie
leben. Entweder wir haben einen Binnenmarkt oder wir
haben keinen.
Gleiches gilt für irische Rinder. Sie sollten Zugang zu
den gleichen Tierarzneimitteln haben wie britische
Rinder. Im Moment ist das allerdings nicht der Fall.
Wir müssen ein ausgewogenes Verhältnis finden in
Bezug auf den Zugang zu Generika, Innovationen, die
Forschung und die Bedürfnisse der pharmazeutischen
Unternehmen. Gleiches gilt für den Vorschlag der
Kommission über verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Ich möchte den Kommissar bitten, den vom Ausschuss
für
Umweltfragen,
Volksgesundheit
und
Verbraucherpolitik
vorgeschlagenen
Kompromiss
22/10/2002
aufzugreifen, der allen Beteiligten gerecht wird, denn
der Vorschlag der Kommission verursacht in vielen
Ländern, vor allem im Vereinigten Königreich und in
Irland, schwer wiegende Probleme.
Die
Verordnung
von
1990
über
Rückstandshöchstmengen trat 1992 in Kraft und sah für
etliche Länder eine bis zum 1. Januar 2000 geltende
Ausnahmeregelung vor. Das hatte zur Folge, dass
Hunderte von Tierarzneimitteln vom Markt genommen
wurden, was über viele Jahre mit enormen Problemen
für das Wohlergehen weniger bedeutender Tierarten, zu
denen die Pferde zählen, verbunden war. Die Branche
muss die Möglichkeit haben, für Pferde bestimmte
Tierarzneimittel, für die keine Rückstandshöchstmengen
gelten, auf den Markt zu bringen, wobei diese Produkte
nach dem Kaskadenprinzip unter Buchführung über die
Behandlung für Tiere eingesetzt werden können, die
nicht für die Lebensmittelerzeugung genutzt werden.
Änderungsantrag 65 ist notwendig, da er diesen
Grundsatz, der durch Änderungsantrag 10 des
Umweltausschusses
bestätigt
wird,
mit
der
Passentscheidung 2000/68/EWG zur Änderung der
Entscheidung 93/623/EWG verknüpft.
Ich würde Kommissar Liikanen bitten, die Entscheidung
2000/68/EWG über die Ausstellung eines Passes zu
prüfen. Hier kommt es auf Einheitlichkeit an. Holen Sie
nicht nur die Meinung der kompetenten Mitarbeiter der
GD ein, sondern auch die der veterinärmedizinischen
Experten in Forschung und Praxis. Kein Verbraucher ist
daran interessiert, dass Tiere wegen der Nahrungskette
unnötig leiden oder unsere Tierärzte Gesetze brechen
müssen. Wir haben auf diesem Gebiet schon einmal
Fehler gemacht. Bitte gehen Sie sehr sorgfältig vor.
23
Ende nur noch die global players wie Pfizer erfüllen
können. Wir brauchen angepasste Regeln für den
Mittelstand. In dem Zusammenhang sind viele Aspekte
wichtig, zum Beispiel der Änderungsantrag, der von
Herrn Nisticò eingereicht wurde. Drei Jahre
Unterlagenschutz für eine zusätzliche Indikation - das
können die Mittelständler nämlich vielleicht besser
umsetzen als den Unterlagenschutz für eine ganz neue
Substanz.
Ich habe mich im Ausschuss gegen das Pilotprojekt zum
Thema Information und Währung ausgesprochen, da es
für mich einfach nicht einsehbar ist, dass wir für drei
spezielle Indikationen eine Ausweitung der Information
bekommen, in anderen Bereichen aber eine sehr viel
strengere Regelung. Wir brauchen Informationen für alle
Indikationen und für alle Erkrankungen, und Werbung
für verschreibungspflichtige Medikamente soll es in gar
keinem Fall geben. Deswegen bin ich mit der
Entscheidung des Ausschusses einverstanden. An
einigen Stellen ist der Ausschuss aber über das Ziel
hinausgeschossen, und auch Informationen, die die
pharmazeutische Industrie jetzt geben kann, sollen
hinterher nicht mehr zulässig sein. Da müssen wir bei
der morgigen Abstimmung nachbessern.
Am Schluss möchte ich die Kommission auffordern,
ganz schnell einen Vorschlag zum Thema
Arzneimittelsicherheit bei Kindern vorzulegen. Ich weiß,
dass die hier anwesenden Mitarbeiter der Kommission
und auch der Kommissar dieses Thema als sehr wichtig
ansehen, aber wir warten schon zu lange auf einen
konkreten Gesetzgebungsvorschlag. Ich möchte Sie
bitten, ihn noch dieses Jahr vorzulegen.
(Beifall)
2-041
Liese (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen, Herr Kommissar! Ich unterstütze
grundsätzlich den Kommissionsvorschlag und die
Berichte von Frau Grossetête und Frau Müller. In
einigen Punkten möchte ich jedoch eine andere Position
vertreten. Ein Punkt ist in der Debatte noch gar nicht
erwähnt worden, obwohl er meiner Ansicht nach recht
wichtig ist. Die Kommission schlägt vor, die
Verschreibungspflicht für Medikamente auch im
dezentralen Verfahren zu harmonisieren. Ich glaube,
dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass wir
aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten dürfen.
Wir sollten hier meines Erachtens vorsichtig sein, denn
wenn am Ende alle Medikamente, die heute frei
verkäuflich sind, verschreibungspflichtig sind, dann ist
das sicherlich problematisch für den Verbraucher und
unvernünftig, was die Kosten im Gesundheitssystem
betrifft. Deswegen bitte ich Sie, den Änderungsantrag
151, den ich gemeinsam mit einigen Kolleginnen und
Kollegen eingereicht habe, zu unterstützen.
Der zweite wichtige Punkt ist schon häufig erwähnt
worden, aber man kann gar nicht oft genug darauf
hinweisen. Wir müssen eine Regelung finden, die für die
mittelständische pharmazeutische Industrie verträglich
ist. Wir können keine Gesetzgebung schaffen, die am
2-042
Grossetête (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Nachdem ich meinen Kollegen heute
Vormittag zugehört habe, möchte ich ihre
Aufmerksamkeit auf einen Aspekt lenken, der mir
wesentlich erscheint: die neuen Wirkstoffe. Ich
befürworte ebenso wie die Kommission, dass die
Genehmigung für die Markteinführung dieser neuen
Wirkstoffe über das zentrale Verfahren eingeholt werden
muss. In diesem Zusammenhang möchte ich meine
Kollegen – und insbesondere die deutschen – auf das
Beispiel der Orphan-Präparate verweisen.
Wie Sie sich sicher erinnern werden, haben wir zu
Beginn unserer Legislaturperiode die Verordnung über
die Orphan-Präparate, die Medikamente zur Behandlung
von seltenen Krankheiten, verabschiedet. Im Rahmen
dieser Politik der Orphan-Präparate, die einen wirklichen
Erfolg auf europäischer Ebene darstellt, ist nur das
zentrale Genehmigungsverfahren vorgesehen. Da die
Forschung im Bereich dieser Medikamente in kleinen
und mittleren Unternehmen stattfindet, ergibt sich
daraus, dass alle KMU die Genehmigungen für das
Inverkehrbringen ihrer Medikamente über das zentrale
Verfahren bei der Europäischen Agentur in London
einholen. Daher ist Ihre Argumentation zugunsten des
24
dezentralen Verfahrens für neue Wirkstoffe nicht
stichhaltig und trifft für uns heute nicht zu. Darüber
sollten Sie einmal nachdenken.
Bei der morgigen Abstimmung sollten Sie daran denken,
was Sie dem einen oder anderen Mitbürger antworten
werden, wenn er Sie fragt, was Sie getan haben. Dazu
sollten Sie sich überlegen: Habe ich wirklich für einen
besseren Gesundheitsschutz gestimmt? Habe ich
wirklich das wesentlich Ziel, nämlich die Verbesserung
der öffentlichen Gesundheit, vor Augen gehabt? Trägt
mein ganzes Wirken, mein Abstimmungsverhalten zu
diesem Ziel bei? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
bitte Sie daher, sich genau zu überlegen, wie Sie morgen
abstimmen werden. Unsere oberste Pflicht besteht darin,
alles für die Verbesserung der Gesundheit und die
Gleichheit der Bürger im Gesundheitsbereich zu tun.
2-043
Liikanen, Kommission. – (EN) Herr Präsident, die
heutige Aussprache war sehr aufschlussreich und zeigt,
wie stark sich viele der Abgeordneten dieses Hauses für
diese Problematik engagieren.
Es wurde eine Reihe von interessanten Fragen
angesprochen. Ich möchte auf die Fragen derjenigen
Abgeordneten eingehen, die noch anwesend sind. Es ist
bedauerlich, dass Abgeordnete häufig verschwinden,
bevor ich Gelegenheit zur Beantwortung der Fragen
habe. Ich hoffe, das ist keine ungebührliche Anmerkung.
Ich werde auf sechs Gruppen von Änderungsanträgen
eingehen. Erstens zur Frage der Erweiterung des
Anwendungsbereichs des zentralisierten Verfahrens.
Frau Grossetête hat den Fall sehr gut dargelegt. Sinn und
Zweck dieses Verfahrens ist es, dafür zu sorgen, dass die
Produkte rasch, gerecht und entsprechend den Interessen
aller Patienten in Europa bereitgestellt werden. Verfügen
wir zum Zeitpunkt des Beitritts von zehn neuen
Mitgliedstaaten nicht über ein zentralisiertes Verfahren,
so hat das immense Ungleichgewichte zur Folge.
Wir nehmen die Hinweise zu den KMU sehr ernst und
sind daher bereit, uns um konkrete Maßnahmen zur
Entlastung der KMU zu bemühen. Dazu könnten
beispielsweise eine Senkung der Gebühren, die direkte
wissenschaftliche Beratung durch die Agentur in London
oder administrative Unterstützung zählen.
Die Kommission ist zudem überzeugt davon, dass die
Erweiterung des Anwendungsbereichs der zentralen
Zulassung für Human- und Tierarzneimittel sowohl den
Bürgern als auch Unternehmen in Europa zugute kommt.
Aus
diesem
Grund
kann
die
Kommission
Änderungsanträge, die eine Einschränkung des
Anwendungsbereichs des zentralisierten Verfahrens
vorsehen, nicht akzeptieren.
Die zweite Frage betrifft das Gleichgewicht zwischen
Innovation und der Konkurrenz durch Generika. Das ist
ein sehr heikles Thema, auf das ich genauer eingehen
möchte. Wie Frau Corbey sagte, müssen wir in Bezug
auf das amerikanische System bedenken, dass wir bei
22/10/2002
einem Vergleich nicht nur einen Punkt heranziehen
dürfen. Der amerikanische Arzneimittelmarkt ist
vollständig
dereguliert,
und
die
Verbraucherdirektwerbung ist gang und gäbe. Das
schlagen wir nicht vor. Wir versuchen, über den
Datenschutz eine ausgewogene Lösung zu finden. Wir
schlagen etwas vor, das sich die Kommission jahrelang
weigerte vorzuschlagen, und zwar das Bolar-System für
Generika, das den Wettbewerb nach Ablauf eines
Patents natürlich ankurbelt und gleichzeitig für
niedrigere Preise und Einkommenseinbußen für
diejenigen sorgt, die das Medikament ursprünglich
entwickelt haben. Das bringt eindeutig Vorteile für den
Verbraucher. Daran müssen wir unbedingt festhalten.
Um einen Ausgleich zu schaffen, schlagen wir
gleichzeitig eine Lösung für die Exklusivität unter
Einhaltung eines Zehnjahreszeitraums vor, der, falls sich
weitere Untersuchungen erforderlich machen, um ein
weiteres Jahr verlängert werden kann.
Ich glaube nicht, dass europäische Unternehmen
Marktanteile verloren haben, dass die Zahl innovativer
Arzneimittel und dass die Forschung in diesem Bereich
zurückgegangen sind und dass dies den Interessen der
europäischen Patienten entspricht. Das glaube ich
einfach nicht. Meiner Ansicht nach müssen wir
versuchen zu akzeptieren, dass es zwei oder drei
öffentliche Güter gibt, für die wir uns gleichzeitig
einsetzen können. Der Volksgesundheit kommt oberste
Priorität zu, doch wir müssen auch Forschung und
Innovation in Europa fördern. Tun wir dies nicht, setzt in
allen Sektoren auf Dauer die Talfahrt ein.
Forschungsintensive Bereiche sind jene Bereiche, die
Arbeitsplätze schaffen, für Entwicklung und Wohlstand
sorgen und uns in die Lage versetzen, unserer globalen
Verantwortung nachzukommen. Wir müssen also
versuchen, beide Probleme gleichzeitig in Angriff zu
nehmen. Es ist nicht immer leicht, ein ausgewogenes
Verhältnis herzustellen. Wir haben dies nach sorgfältiger
Überlegung erreicht.
Mit einigen der Änderungsanträge soll das geändert
werden. Das lehnen wir ab. So sieht Änderungsantrag 34
weitere Maßnahmen zugunsten von Generika vor, die
die Position der Innovation schwächen würden. Das
können wir im Interesse einer ausgewogenen Regelung
nicht befürworten. Andererseits wird mit den
Änderungsanträgen 40 und 92 in zwei Situationen ein
zusätzlicher Datenschutz von drei Jahren gefordert. Und
zwar erstens in Fällen, in denen es sich um eine neue
Indikation für einen eingeführten Wirkstoff handelt, und
zweitens in Fällen, in denen ein Unternehmen beantragt,
den Status eines Produkts von verschreibungspflichtig in
nicht verschreibungspflichtig umzuändern. Diese
Änderungsanträge sind im Gesamtkontext der
Datenschutzproblematik zu betrachten.
Was den zusätzlichen Datenschutz bei der Umstufung
eines Produkts angeht, so teilen wir die Ansicht, dass
dieses Anliegen nicht ungerechtfertigt ist. Dies könnte
dazu beitragen, dass mehr rezeptfreie Medikamente
angeboten werden. Wir können Änderungsantrag 92
22/10/2002
daher dem Grundsatz nach zustimmen, aber wir behalten
uns eine Entscheidung bezüglich des Zeitraums dieses
zusätzlichen Schutzes vor.
Was den zusätzlichen Datenschutz für eingeführte
Produkte betrifft, so könnte dieser Vorschlag eine
Verlängerung zur Folge haben, die weit über den
Zeitraum von zehn Jahren hinausgeht und, um genau zu
sein, bis zu 14 Jahre betragen kann. Aus diesem Grund
können wir Änderungsantrag 40 nicht zustimmen.
Der dritte Punkt betrifft die Verbesserung der
Informationen für Patienten. Mir ist bei dieser Debatte
etwas unwohl, weil ich den Vorschlag, den viele
Mitgliedstaaten ablehnen, ebenfalls ablehne, nämlich das
amerikanische Modell. So sagte eine Abgeordnete, dass
in den USA die zehn meist gebrauchten Arzneimittel
auch die zehn am meisten beworbenen sind. Von den
fünf am meisten beworbenen Arzneimitteln zumindest
dürfte nicht eines auch nur am Pilotprojekt teilnehmen.
Ein Pilotprojekt ist nicht mit Direktwerbung
gleichzusetzen. Dabei handelt es sich lediglich um von
den zuständigen Behörden validierte Informationen, die
auf
Ersuchen
des
Patienten
oder
von
Patientenorganisationen bereitgestellt werden. Die
amerikanische Direktwerbung wird ganz zu Recht
abgelehnt. Das schlagen wir auch gar nicht vor.
Es ist doch so, dass über das Internet eine große Menge
an Informationen zur Verfügung steht, die nicht validiert
sind und den Verbraucher extrem verunsichern, die sich
auf Produkte konzentrieren, die nicht auf dem Markt
sind, und die viele Bürger beim Arztbesuch verwirren.
Weil wir dies nicht unterbinden können, wollen wir
Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen schaffen,
die anhand eindeutiger Leitlinien validiert, von der
Gemeinschaft akzeptiert und durch die Europäische
Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln
überwacht, beobachtet und kontrolliert werden. Ich
verstehe, dass das amerikanische System von vielen
abgelehnt wird, aber wir haben es nie vorgeschlagen.
Deshalb können wir Änderungsantrag 101 und andere
dieses Ziel verfolgende Änderungsanträge nicht
akzeptieren.
Der vierte Punkt betrifft die relative Wirksamkeit, auf
die sich einige der Änderungsanträge beziehen. Darin
wird vorgeschlagen, neben Qualität, Unbedenklichkeit
und Wirksamkeit den therapeutischen Mehrwert als
Kriterium für die Genehmigung eines Medizinproduktes
heranzuziehen. Die Kommission teilt die Ansicht, dass
der relativen Wirksamkeit große Bedeutung zukommt,
weil sie die Art von Innovation fördern kann, von denen
die Patienten maßgeblich profitieren.
Die Genehmigung hängt von einem positiven NutzenRisiko-Verhältnis, von der Qualität, Unbedenklichkeit
und Wirksamkeit des Medikaments selbst ab. Die
relative Wirksamkeit ist kein Grund, einem Medikament
den Marktzugang zu versagen.
25
Die Kommission befürwortet den Gedanken, dass die
relative Wirksamkeit auf EU-Ebene geprüft werden
sollte, und kann daher einige der entsprechenden
Änderungsanträge, wie die Änderungsanträge 4 und 100,
dem Grundsatz nach akzeptieren. Nicht akzeptieren kann
die Kommission Änderungsanträge, die vorsehen, die
relative Wirksamkeit als vierte Bedingung für die
Erteilung
einer
Vermarktungsgenehmigung
zu
postulieren.
Die fünfte Gruppe der Änderungsanträge betrifft die
rechtliche Einstufung. Die Kommission schlägt vor, die
Bedingungen für die Abgabe (rezeptfrei oder
verschreibungspflichtig) im Rahmen des Verfahrens der
gegenseitigen Anerkennung zu bestimmen. Die hätte
natürlich einen EU-weit einheitlichen Rechtsstatus für
sämtliche entsprechend genehmigten Produkte zur
Folge.
Die Kommission bleibt bei ihrem Standpunkt, dass es
richtig ist, die rechtliche Einstufung im Rahmen des
Verfahrens
der
gegenseitigen
Anerkennung
vorzunehmen. Die Kommission versteht dahingehende
Bedenken, dass die Suche der Mitgliedstaaten nach dem
kleinsten gemeinsamen Nenner möglicherweise dazu
führt, dass zu viele Produkte als verschreibungspflichtig
eingestuft werden.
Abschließend ein Wort zur Europäischen Agentur für
die Beurteilung von Arzneimitteln. Wir haben uns bei
unseren diesbezüglichen Vorschlägen an den
seinerzeitigen Vorschlägen zur Schaffung der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
orientiert. Änderungsantrag 116 stimmt den EMEAVerwaltungsrat auf das schließlich von der Kommission
für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
beschlossene Modell ab, und die Kommission kann
diesen Änderungsantrag befürworten.
Ich möchte zum Schluss nochmals darauf hinweisen,
dass dem Parlament eine umfassende Liste vorliegt, aus
der der Standpunkt der Kommission zu jedem der
Änderungsanträge hervorgeht2.
2-044
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar!
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNG GEMÄSS
ARTIKEL 120
2-045
Thomas-Mauro (NI), schriftlich. – (FR) Es ist eine
Tatsache: die Arzneimittelpolitik wird künftig auf
europäischer Ebene bestimmt. Nun geht es darum, diese
Entwicklung zu begleiten, ohne die Funktionsweise der
nationalen Gesundheitssysteme zu beeinträchtigen, und
2
Siehe Anhang: Standpunkt der Kommission.
26
22/10/2002
für die Einhaltung des Erfordernisses nach maximaler
Sicherheit zu sorgen.
In Bezug auf Humanarzneimittel dient der
Änderungsantrag, den ich verfasst habe, ebendiesem
Ziel. Mit ihm sollen die Lehren aus dem Bayerskandal
gerade zu einem Zeitpunkt gezogen werden, da die
Problematik des Wirkstoffs Cerivastatin in den USA von
neuem auf der Tagesordnung steht.
Es muss über die Notwendigkeit nachgedacht werden,
die Verfahren für die klinische und vorklinische Prüfung
zu standardisieren. Wenn die Rückverfolgbarkeit beim
Verfahren der Markteinführung besser gewährleistet ist,
wird sich das positiv auf die Sicherheit der europäischen
Patienten auswirken.
Eine verlässliche Durchführung des zentralen
Verfahrens zum Inverkehrbringen von Medikamenten ist
ohne eine solche Maßnahme nicht gewährleistet.
Ich bin allerdings gegen einen generellen Wegfall des
dezentralen Verfahrens zugunsten der alleinigen
Anwendung der zentralen Genehmigung für das
Inverkehrbringen. Die Wahlfreiheit zwischen diesen
beiden Verfahren muss erhalten bleiben, damit unsere
nationalen Agenturen nicht durch die Europäische
Agentur ausgehebelt werden.
2-046
Veterinärbedingungen für die Verbringung von
bestimmten Heimtieren
2-047
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über die Empfehlung für die zweite Lesung
(A5-0327/2002) von Frau Evans im Namen des
Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik betreffend den Gemeinsamen
Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
über die Veterinärbedingungen für die Verbringung von
Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur
Änderung der Richtlinie 92/65/EG des Rates (7839/2002
– C5-0309/2002 – 2000/0221(COD)).
2-048
Evans, Jillian (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (EN)
Herr Präsident, Ziel dieser Verordnung ist es, die für die
Verbringung von Heimtieren geltenden Regelungen, die
vielfach unter der Bezeichnung „Pet-Passport-Progamm“
zusammengefasst werden, zu vereinheitlichen. Diese
Entwicklung ist sehr zu begrüßen und von großer
Bedeutung für das Leben viele EU-Bürger, die in der
Vergangenheit häufig nicht verreisen konnten, weil sie
ihre Haustiere nicht mitnehmen konnten. Die Tatsache,
dass die Kommission in der Lage ist, einen derartigen
Vorschlag vorzulegen, ist Ausdruck dafür, wie
erfolgreich die im Verlaufe der letzten Jahre ergriffenen
Maßnahmen zur Tollwutbekämpfung waren. Es lohnt
sich, die Zahlen zu wiederholen: die Zahl der
Tollwutfälle bei Hunden und Katzen ist von fast 500 im
Jahre 1991 auf gerade einmal 5 im Jahre 1998
zurückgegangen.
In dem Maße, indem die Mitgliedstaaten eigene
Bestimmungen für die verstärkte Verbringung von
Heimtieren erlassen haben, wurde deutlich, dass ein
europäisches System gebraucht wird, das den
Heimtierbesitzern die Verbringung ihrer Tiere erleichtert
und Ordnung ins Chaos bringt. Ich freue mich, dass in
den Änderungsanträgen des Parlaments, die in den
Gemeinsamen Standpunkt eingeflossen sind, detaillierte
Informationen für Verbraucher gefordert werden, damit
sie sich entsprechend auf die Reise mit ihrem Haustier
vorbereiten können.
Ich möchte auf einige Schlüsselprobleme aufmerksam
machen, und zwar erstens die Rechtsgrundlage. Die
Abgeordneten werden sich erinnern, dass sie einer der
Hauptdiskussionspunkte in erster Lesung war. Die
Kommission hatte eine doppelte Rechtsgrundlage
vorgeschlagen, während das Parlament die Ansicht
vertrat, dass eine einfache Rechtsgrundlage ausreicht, da
das Hauptziel der Verordnung im Schutz der
öffentlichen Gesundheit besteht. Der Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
hat sich nach Erhalt des Gemeinsamen Standpunktes
jedoch entschlossen, die doppelte Rechtsgrundlage zu
akzeptieren.
Zweitens den Handel. Zwar hat der Rat, dem Ersuchen
des Parlaments folgend, Maßnahmen zum Handel in die
Verordnung
aufgenommen,
eine
eindeutige
Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht
kommerzieller Verbringung wird jedoch noch immer
nicht getroffen. Die Festsetzung der Höchstzahl der nach
dem Ratsvorschlag zu verbringenden Tiere auf fünf ist in
Ordnung. Wenn aber das Ziel der Verordnung in erster
Linie darin besteht, die öffentliche Gesundheit zu
schützen, ist die Zahl der zu verbringenden Tiere
irrelevant. Wir haben deshalb Änderungsanträge zur
Streichung dieser Höchstzahl eingebracht.
Drittens die Identifizierung. Das Parlament hatte in der
Vergangenheit die Verwendung von der ISO-Norm
entsprechenden Transpondern sowie die Aufnahme des
Namens und der Adresse des Eigentümers gefordert. Die
Vorschläge der Kommission und des Rates sahen auch
die Verwendung anderer Transpondertypen unter der
Voraussetzung vor, dass der Eigentümer eine
entsprechende Lesevorrichtung mit sich führt. Da ISOChips nicht in allen Ländern zur Verfügung stehen, hat
sich der Umweltausschuss bereit erklärt, auf die
Forderung nach der ISO-Norm entsprechenden Geräten
zu verzichten. An der Forderung, die Angaben des
Besitzers zu speichern, hält er jedoch fest. Dies würde
zudem der Bekämpfung des illegalen Handels mit
Heimtieren dienen. Wir sind der festen Überzeugung,
dass die elektronische Kennzeichnung wirksamer und
zuverlässiger ist als die Tätowierung und zudem dem
Tierschutz besser gerecht wird und dass nach einem
achtjährigen Übergangszeitraum nur noch Mikrochips
zugelassen werden sollten.
Der vierte Punkt betrifft Jungtiere. Der Ausschuss hat
erneut die Änderungsanträge vorgelegt, die die
22/10/2002
Verbringung von Tieren unter drei Monaten unter
Aussetzung der geltenden Bestimmungen verbieten. Das
Vereinigte Königreich, Irland oder Schweden wären
davon ausgenommen. Für alle anderen Mitgliedstaaten
würde diese Regelung gelten. Meiner Ansicht nach sind
die Behörden nicht in der Lage, die erforderlichen
Kontrollen
durchzuführen,
also
beispielsweise
verbindlich festzustellen, dass das Tier seit seiner Geburt
an dem Ort gehalten wurde, an dem es geboren ist, ohne
mit wild lebenden Tieren in Kontakt gekommen zu sein.
Dies würde eine Gesetzeslücke insbesondere für den
Handel mit jungen Hunden und Katzen schaffen.
Der fünfte Punkt betrifft das Mitspracherecht des
Europäischen
Parlaments.
Mehrere
unserer
Änderungsanträge fordern die Einbeziehung des
Parlaments in Entscheidungen wie z. B. Maßnahmen zur
Verlängerung des Übergangszeitraums für die drei
problematischen Länder sowie im Falle von
Komitologieverfahren, bei denen das Mitspracherecht
des Parlaments erhalten bleiben muss.
Zum Schluss ein Wort zum Internationalen
Tiergesundheitskodex
des
Internationalen
Tierseuchenamtes (OIE). Der Ausschuss bleibt bei
seiner
Forderung,
Entscheidungen
über
den
Gesundheitsstatus
von
Drittländern
unter
Berücksichtigung des OIE-Kodexes vorzunehmen. Diese
Forderung ist ziemlich umstritten. Mir ist klar, dass der
Rat befürchtet, dass weite Teile der EU aufgrund des
OIE-Kodexes vor allem nach der Erweiterung von der
Freizügigkeit für Tiere ausgeschlossen sein würden. Ich
weiß auch, dass Länder wie das Vereinigte Königreich
ihren Status als tollwutfreies Land gegebenenfalls
aufgeben, weil eine solche Regelung beispielsweise die
USA und Kanada ausschließen würde. Doch der
Ausschuss hat beschlossen, einen vorsichtigen Ansatz zu
wählen.
Ich glaube, dass sich jedes dieser Probleme ohne größere
Schwierigkeiten lösen lässt, und ich bitte das Parlament,
den Standpunkt des Umweltausschusses zu unterstützen.
Ich muss sagen, dass ich enttäuscht darüber bin, dass es
uns trotz all meiner Bemühungen nicht gelungen ist, vor
der zweiten Lesung eine Einigung mit dem Rat zu
erzielen.
Ich
bedanke
mich
bei
den
Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen, bei den
Vertretern der Präsidentschaft und der Kommission für
ihre Kooperation im Rahmen der Diskussionen der
letzten drei Wochen. Meiner Ansicht nach verfolgt das
Parlament einen sehr konstruktiven Ansatz, und daran
werden wir auch festhalten, damit wir schnellstmöglich
eine Einigung erzielen können.
2-049
Byrne, Kommission. – (EN) Herr Präsident, ich möchte
eingangs Frau Evans, der Berichterstatterin, sowie dem
Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik für den Bericht zum Gemeinsamen
Standpunkt des Rates danken. Ich habe mich davon
überzeugt, dass der Bericht den technischen
Vorkehrungen zum Umgang mit der Tollwutgefahr im
27
Wesentlichen zustimmt, auch wenn in einigen wenigen
Punkten, die es zu klären gilt, noch Uneinigkeit herrscht.
Die Hauptunterschiede zwischen dem ursprünglichen,
vom Parlament in erster Lesung behandelten Vorschlag
und dem uns heute vorliegenden Gemeinsamen
Standpunkt lassen sich in drei Kategorien einordnen.
Erstens verfügen wir über eine Bestimmung, die die
Verbringung von Jungtieren zwischen Mitgliedstaaten
mit gleichem Status erleichtert. Zweitens ist vorgesehen,
die spezifischen Bedingungen für die Verbringung nach
Irland, Schweden und ins Vereinigte Königreich
innerhalb von fünf Jahren neu zu bestimmen. Drittens
betrifft dies Bestimmungen zur Änderung der
Bedingungen für den Handel, die damit den für die nicht
kommerzielle Verbringung geltenden Bedingungen
angepasst werden. Damit wurde einem Wunsch des
Parlaments in erster Lesung entsprochen.
Gestatten Sie mir, dass ich mich jetzt den einzelnen im
Bericht vorgeschlagenen Änderungsanträgen zuwende.
Diese lassen sich in zwei Kategorien unterteilen, und
zwar
in
technische
und
in
institutionelle
Änderungsanträge. Beginnen werde ich mit den neun
technischen Änderungsanträgen.
Änderungsanträge 1 und 6 beruhen möglicherweise auf
einem Missverständnis. Die Festsetzung einer
Höchstzahl
von Tieren
dient
lediglich der
Unterscheidung zwischen der kommerziellen und nicht
kommerziellen Form der Verbringung. Sie dient nicht
der Abgrenzung unterschiedlicher Regelungsbereiche –
sowohl für die kommerzielle als auch die nicht
kommerzielle Verbringung gelten die gleichen
Vorschriften. Es wäre daher falsch zu sagen, die
Festsetzung der Höchstzahl auf beispielsweise fünf stelle
eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit dar. Dies
bedeutet lediglich, dass in Fällen von mehr als fünf
Tieren die kommerziellen Vorschriften anzuwenden
sind, während bei der Verbringung von weniger als fünf
Tieren die im vorliegenden Entwurf enthaltenen
Vorschriften gelten.
Änderungsanträge 3 und 4 hätten ein Verbot der
Verbringung von Jungtieren, die das Impfalter noch
nicht erreicht haben, zwischen den Mitgliedstaaten mit
Ausnahme von Irland, Schweden und des Vereinigten
Königreichs, für die Sonderregelungen gelten, zur Folge.
Die Gespräche mit dem Rat liefen letztlich darauf
hinaus, dass eine solche Verbringung von Jungtieren
schon immer gestattet war, dass sie ein unerhebliches
Risiko darstellt und diese Flexibilität erhalten bleiben
muss. Andernfalls würden wir die Verbringung dieser
Tiere ernsthaft behindern. Deshalb können wir die
Änderungsanträge 1, 3, 4 und 6 nicht akzeptieren.
Mit den Änderungsanträgen 7, 8 und 9 wird für
Drittländer, die ihren tollwutfreien Status gemäß OIEKodex nachgewiesen haben, die Übernahme von
Einfuhrbestimmungen analog den für die Verbringung in
der
Gemeinschaft
geltenden
Bestimmungen
vorgeschlagen. Wie bereits in erster Lesung festgestellt
28
wurde, befindet sich dies nicht im Einklang mit der von
uns zu verfolgenden Strategie in Bezug auf die
Risikoanalyse.
Deshalb
können
wir
diese
Änderungsanträge nicht befürworten. Dies widerspräche
sogar den für die Verbringung innerhalb der Union
geltenden Bestimmungen, da einige Mitgliedstaaten
nicht als „tollwutfrei“ gemäß Definition im OIE-Kodex
gelten, obwohl die Tollwut bei Heimtieren auf ihrem
Hoheitsgebiet, wie Frau Evans sagte, unter Kontrolle ist.
Wir müssen deshalb gegenüber Drittländern mit
ähnlichen Bedingungen einen ähnlichen Ansatz
verfolgen. Ich kann abschließend zu den technischen
Änderungsanträgen feststellen, dass die Kommission die
Änderungsanträge 2 und 13 akzeptieren kann.
In fast allen Mitgliedstaaten gilt die Verwendung von
Mikrochips
als
zuverlässige
Methode
der
Identifizierung, und ich werde die automatische
Harmonisierung nach einem Übergangszeitraum von
acht Jahren wohlwollend prüfen.
Damit komme ich zu den sieben institutionellen
Änderungsanträgen.
Im
Geiste
der
Kompromissbereitschaft könnte die Kommission
Änderungsantrag 5,
der
die
Einführung
des
Mitentscheidungsverfahrens für die Verlängerung der
Sonderregelungen für das Vereinigte Königreich, Irland
und Schweden vorsieht, wohlwollend prüfen. Die
Kommission
wäre
auch
bereit
gewesen,
Änderungsantrag 16
als
Alternative
zu
Änderungsantrag 12 zu akzeptieren, und ich bedauere
daher, dass Änderungsantrag 16 zurückgezogen wurde.
Änderungsantrag 12 nimmt der Kommission in
unangemessener
Weise
jede
Möglichkeit,
Übergangsmaßnahmen vorzuschlagen, wohingegen
Änderungsantrag 16 dies in hinnehmbarer Weise
ermöglicht hätte. Deshalb kann ich Änderungsantrag 12
nicht akzeptieren.
Die anderen vier Änderungsanträge kann ich ebenso
wenig akzeptieren. Änderungsanträge 10 und 11 würden
die Durchführungsbefugnisse der Kommission auf
„technische“ Aspekte beschränken. Diese Formulierung
würde sehr wahrscheinlich Rechtsstreitigkeiten zur
Auslegung des Wortes „technisch“ auslösen, das vom
Gesetzgeber nicht definiert wird. Dies wiederum würde
die ordnungsgemäße Anwendung und effiziente
Durchführung der Verordnung gefährden. Die
Änderungsanträge 14 und 15 müssen abgelehnt werden,
weil sie über die institutionelle Vereinbarung
hinausgehen. Ferner möchte ich Sie darauf aufmerksam
machen, dass sie sich im Widerspruch zur doppelten
Rechtsgrundlage der Verordnung befinden.
Ich hoffe, ich habe meinen Standpunkt zu den einzelnen
Änderungsanträgen nachvollziehbar begründet.
2-050
Arvidsson (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident, die
Bedingungen für die Tiergesundheit bei der Verbringung
von Heimtieren sind von besonderer Bedeutung für
diejenigen Mitgliedstaaten, die gegenwärtig tollwutfrei
22/10/2002
sind. Dennoch halte ich es für wichtig, dass
grenzüberschreitende Reisen innerhalb der EU für
Familien und Einzelpersonen, die ein Heimtier
mitführen, erleichtert werden.
Es freut mich, dass der Rat in seinem Vorschlag die vom
Parlament in der ersten Lesung vorgebrachten
Standpunkte berücksichtigt hat. Für mich ist es
unbegreiflich, dass gegenwärtig für das Verbringen von
Heimtieren zu Handelszwecken innerhalb der EU
unterschiedliche Vorschriften gelten. Die Gefahr einer
Tollwutinfektion kann ja nicht wesentlich anders sein,
nur weil die Reise des Heimtiers einen anderen Zweck
verfolgt. Aus diesem Grunde ist eine Anpassung der
Gesundheitsvorschriften für die Verbringung von
Heimtieren zu Handelszwecken an diese Richtlinie
notwendig.
Abschließend möchte ich Frau Evans für die sehr gute
Zusammenarbeit bei diesem Thema danken.
2-051
Whitehead (PSE). – (EN) Herr Präsident, diese
Maßnahme ist von großer Bedeutung für das Vereinigte
Königreich, Irland und Schweden, also die Länder, die
gegenwärtig ihre Regelungen zur Verbringung von
Heimtieren an die in den anderen Ländern der
Gemeinschaft übliche Praxis anpassen. Ebenso wie die
Berichterstatterin finde auch ich es bedauerlich, dass wir
vor dem Vermittlungsverfahren keine Einigung erzielen
konnten, aber ich weiß um die Differenzen. Einige dieser
Differenzen widerspiegeln sich in dieser Aussprache,
und ich habe noch einige kleinere Differenzen mit der
Berichterstatterin, die sie bereits zur Kenntnis
genommen hat.
Für all jene Länder, die bisher die Einreise potenziell
tollwutgefährdeter Tiere ohne langwierige Quarantäne
verhindert haben, stellt dies in gewisser Weise eine
Vertrauenssache dar. Ermöglicht wird dies durch die
Tatsache, dass wir nunmehr über wirksame
Impfmethoden verfügen, die per Transponder
nachweisbar sind. Unlängst haben sich Vertreter der
Tierärzteschaft mit der Forderung an uns gewandt,
verstärkt Tätowierungen vorzuschreiben, weil, so wird
behauptet, der Transponderchip chirurgisch entfernt oder
anderweitig ungültig gemacht werden kann. Diese
Argumente kann ich nicht akzeptieren. Kommission und
Abgeordnete dieses Hauses sind sich weitgehend darin
einig, dass wir eine Angleichung der Regelungen
anstreben sollten.
Ich teile die Ansicht der Berichterstatterin, dass die
Verbringung von Jungtieren, die zwangsläufig ein
gewisses Risiko darstellt, den gleichen strengen
Bestimmungen unterworfen werden sollte wie die
anderen Tierkategorien. Ich kann die Gegenargumente
nicht nachvollziehen, außer dass dies in irgendeiner
Form den Handel mit Tieren beeinträchtigen könnte.
Doch wie der Kommissar sehr gut weiß, hat der Handel
mit Tieren immer dann, wenn er nicht wirksam geregelt
und kontrolliert wird, zu ernsthaften Verletzungen des
22/10/2002
Gemeinschaftsrechts geführt. Deshalb halte ich das für
kein überzeugendes Argument.
Im Hinblick auf die Änderungsanträge 7, 8 und 9 stimme
ich allerdings dem Kommissar und nicht der
Berichterstatterin zu. Die Einführung von Änderungen,
die die Verbringung von Tieren zwischen einigen
existierenden Mitgliedstaaten sowie die vom Vereinigten
Königreich und anderen Ländern mit entsprechenden
Einschränkungen angestrebte Ausweitung der Regelung
auf andere Länder, die derzeit nicht tollwutfrei sind,
einschränken, halte ich für kontraproduktiv. Wir sehen
im Falle der USA und Kanadas beispielsweise keinen
Grund, weshalb die in den Änderungsanträgen 7, 8 und 9
genannten Hindernisse errichtet werden sollten.
In der Komitologiefrage schließen wir uns allerdings der
Berichterstatterin an. Ich begrüße die Zusage des
Kommissars, man werde eine geeignete Änderung in
Bezug auf das Mitspracherecht des Parlaments bei jeder
Überprüfung einfügen.
Für viele mag dies eine eher nebensächliche Regelung
und für Länder, in denen das Überqueren der EUBinnengrenzen durch Tiere gang und gäbe ist, kaum von
Bedeutung sein, doch all jene, die in einem Haustier
einen Gefährten fürs Leben sehen, werden diese
Regelung von ganzem Herzen begrüßen.
29
Millionen von Hunde- und Katzenbesitzern dar,
insbesondere für die am wenigsten Bemittelten, für die
ihr Haustier oft die einzige Freude ist, während wir in
Frankreich, wie die Berichterstatterin feststellt, eine
kostengünstige und verlässliche zentrale Datei besitzen,
die eine sichere Identifizierung und somit eine einfache
Suche nach vermissten Tieren ermöglicht, was – wie mir
scheint – doch das angestrebte Ziel ist. Warum also alles
harmonisieren, noch dazu wenn das unverlässlichste
Verfahren als Muster gewählt wird? In einer Frage von
so geringer strategischer Bedeutung sollten wir daher die
Subsidiarität voll zur Anwendung kommen und beide
Systeme nebeneinander bestehen lassen.
2-053
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar!
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 11.30 Uhr statt.
(Die Sitzung wird um 11.20 Uhr unterbrochen und um
11.30 Uhr wieder aufgenommen.)
2-054
VORSITZ: RENZO IMBENI
Vizepräsident
2-055
Abstimmungen
2-052
Bernié (EDD). – (FR) Herr Präsident, diese Verordnung
wirft Probleme auf, indem sie zur Kennzeichnung von
Heimtieren
die
Verwendung
von
angeblich
hundertprozentig sicheren Mikrochips anstatt der
Tätowierung vorschreibt, und zwar im Namen der
Effizienz, der Modernität und des Tierschutzes.
Vor kurzem hat jedoch Dr. Mouthon von der
Veterinärhochschule Maison-Alfort in Frankreich
nachgewiesen, dass die Verlässlichkeit dieses
Verfahrens ernsthaft zu bezweifeln ist. Am 21. März
2002 hat er in Gegenwart eines Vollstreckungsbeamten
demonstriert, wie leicht ein solcher Mikrochip mittels
eines einfachen elektrischen Geräts, das magnetische
Strahlen erzeugt, unwirksam und damit unlesbar
gemacht werden kann, und zwar ohne Spuren zu
hinterlassen und ohne Schmerzen zu verursachen. Sie
können das amtliche Feststellungsprotokoll von mir
erhalten. Des Weiteren stellt dieser Fachmann fest, dass
der Mikrochip im Körper des Tieres wandern kann, was
durch Röntgenaufnahmen, ärztliche Berichte und
chirurgische Gutachten bestätigt wird, und dass er mit
einem einfachen Teppichmesser entfernt werden kann,
wie bei der Zerschlagung von Schwarzhandelsnetzen
nachgewiesen wurde.
2-056
Bericht (A5-0321/2002) von Herrn Joseph Daul im
Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und
ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer
Zusatzabgabe im Milchsektor
(KOM(2002) 307 - C5-0359/2002 - 2002/0135(CNS))
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0346/2002) von Herrn Luciano Caveri im
Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr
und Fremdenverkehr über den Vorschlag für einen
Beschluss des Rates über den Abschluss eines
Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen
der Europäischen Gemeinschaft und der Ehemaligen
Jugoslawischen Republik Mazedonien über das
Ökopunktesystem, das auf den Transitverkehr der
Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien
durch Österreich anzuwenden ist
(KOM(2002) 418 - C5-0410/2002 - 2002/0188(CNS))
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
Zudem verdreifachen sich die Kennzeichnungskosten
durch dieses wenig verlässliche Verfahren, nämlich von
den 22 Euro für die herkömmliche Tätowierung auf fast
70 Euro für den Mikrochip nebst einem obligatorischen
Besuch beim Tierarzt, der damit künftig eine
Monopolstellung einnimmt. Diese außergewöhnlich
hohen Kosten stellen eine starke Belastung für die
***
Bericht (A5-0314/2002) von Herrn Struan Stevenson
im Namen des Ausschusses für Fischerei über den
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den
Abschluss des Abkommens in Form eines
30
22/10/2002
Briefwechsels über die Verlängerung des Protokolls
zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der
finanziellen Gegenleistung nach dem Abkommen
zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
und der Regierung der Republik Angola über die
Fischerei vor der Küste Angolas für die Zeit vom 3.
Mai 2002 bis zum 2. August 2002
(KOM(2002) 369 - C5-0393/2002 - 2002/0148(CNS))
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0331/2002) von Herrn Gianfranco
Dell'Alba im Namen des Haushaltsausschusses über
die
Vorschläge
zur
Änderung
der
Gründungsrechtsakte
der
Gemeinschaftseinrichtungen infolge der Annahme
der neuen Haushaltsordnung (KOM(2002) 406), d. h.
über
Vorschläge
für
Verordnungen
des
Europäischen Parlaments und des Rates zur
Änderung:
1. der Verordnung (EWG) Nr. 1210/90 des Rates in
Bezug auf die Haushalts- und Finanzvorschriften für die
Europäische Umweltagentur und das Europäische
Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz
sowie den Zugang zu Dokumenten dieser Agentur
(KOM(2002) 406 - C5-0371/2002 - 2002/0169(COD))
2. der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Bezug auf
die Haushalts- und Finanzvorschriften für die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und
den Zugang zu Dokumenten dieser Behörde
(KOM(2002) 406 - C5-0372/2002 - 2002/0179(COD))
3. der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 zur
Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die
Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen
Agentur für Flugsicherheit
(KOM(2002) 406 - C5-0373/2002 - 2002/0181(COD))
4. der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur
Errichtung einer Europäischen Agentur für die
Sicherheit des Seeverkehrs
(KOM(2002) 406 - C5-0374/2002 - 2002/0182(COD))
Vor der Abstimmung:
2-057
Dell'Alba (NI), Berichterstatter. – (FR) Die drei
Berichte, die meinen Namen tragen, sind eng
miteinander verbunden. Daher werde ich, ehe ich auf
den im Plenum zur Abstimmung stehenden Bericht zu
sprechen komme, zunächst einen kurzen Überblick über
die Situation geben.
Diese drei Berichte ergeben sich unmittelbar aus der
Annahme der neuen Haushaltsordnung, die am 1. Januar
2003 in Kraft tritt und die gleichzeitige Annahme der
Rahmenfinanzregelungen für die dezentralen Agenturen
erforderlich macht. Es gibt sechzehn diesbezügliche
Verordnungen;
vier
davon
unterliegen
dem
Mitentscheidungsverfahren und die übrigen zwölf dem
Konsultationsverfahren.
Mit der neuen Haushaltsordnung wird eine tief greifende
Reform der Haushaltsführung und des Finanzgebarens
der europäischen Institutionen eingeführt. Daher war der
Haushaltsausschuss vor allem bestrebt zu erreichen, dass
diese
neue
Regelung
auch
auf
die
Gemeinschaftseinrichtungen Anwendung findet.
Daher werden für jede Agentur die gleichen
Änderungsanträge vorgeschlagen, was für die drei
Berichte gilt. Diese Änderungsanträge beschränken sich
auf die Einführung des stets vom Parlament
unterstützten Grundsatzes der Transparenz, der
vorherigen Unterrichtung der Haushaltsbehörde sowie
der
Pflicht
zur
Unterscheidung
zwischen
Verwaltungsausgaben und operationellen Ausgaben bei
der Aufstellung des Haushalts.
Wir werden jetzt über die vier Berichte abstimmen, die
der Mitentscheidung unterliegen. Es ist ein
Änderungsantrag eingebracht worden, der das In-KraftTreten der Verordnung an einen vorhergehenden
Beschluss des Rates über den Sitz der Einrichtung
bindet. Es lag mir sehr am Herzen, dies darzulegen, denn
ich werde Ihnen gleich vorschlagen, nicht für die
legislative Entschließung zu stimmen.
2-058
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0322/2002) von Herrn Gianfranco
Dell'Alba im Namen des Haushaltsausschusses über
den Entwurf einer Verordnung der Kommission
betreffend
die
Rahmenfinanzregelung
für
Einrichtungen gemäß Artikel 185 der Verordnung
(EG, Euratom) des Rates (Haushaltsordnung für den
Gesamthaushaltsplan)
(SEK(2002) 836 - C5-0400/2002 - 2002/0902(CNS))
Vor der Abstimmung:
2-059
Dell'Alba (NI), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident,
diesem weiteren Bericht kann zugestimmt werden. Ich
möchte lediglich noch anmerken, dass wir die Einwände
des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger
hinsichtlich der künftigen Verordnung für die
Europäische Polizeiakademie im Entschließungstext
gebührend berücksichtigt haben.
2-060
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0336/2002) von Herrn Gianfranco
Dell'Alba im Namen des Haushaltsausschusses über
die
Vorschläge
zur
Änderung
der
Gründungsrechtsakte
der
Gemeinschaftseinrichtungen infolge der Annahme
der neuen Haushaltsordnung:
(KOM(2002) 406 - C5-0428/2002 - 2002/0167(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0429/2002 - 2002/0168(CNS))
22/10/2002
31
(KOM(2002) 406 - C5-0430/2002 - 2002/0170(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0431/2002 - 2002/0171(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0432/2002 - 2002/0172(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0433/2002 - 2002/0173(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0434/2002 - 2002/0174(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0435/2002 - 2002/0175(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0436/2002 - 2002/0176(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0437/2002 - 2002/0177(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0438/2002 - 2002/0178(CNS))
(KOM(2002) 406 - C5-0439/2002 - 2002/0180(CNS))
an den Rat, das Europäische Parlament, den
Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss
der Regionen: Sicherheit der Netze und
Informationen: Vorschlag für einen europäischen
Politikansatz
(KOM(2001) 298 - C5-0657/2001 - 2001/2280(COS))
Vor der Abstimmung:
Bericht (A5-0319/2002) von Herrn Francesco Fiori im
Namen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie über die Mitteilung der
Kommission über alternative Kraftstoffe für den
Straßenverkehr und ein Bündel von Maßnahmen zur
Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen
(KOM(2001) 547 - C5-0160/2002 - 2002/2068(COS))
2-061
Dell'Alba (NI), Berichterstatter. – (FR) Dies ist meine
letzte Wortmeldung, Herr Präsident.
Ich möchte lediglich die Aufmerksamkeit der
Kolleginnen
und
Kollegen
im Namen des
Haushaltsausschusses auf folgenden Punkt lenken. Ich
schlage Ihnen eine Vorgehensweise vor, die wir bereits
mehrfach
im
Zusammenhang
mit
ähnlichen
Verordnungen
praktiziert
haben,
d. h.
die
Änderungsanträge anzunehmen, aber die Abstimmung
über die legislativen Entschließungen zu vertagen. Die
Mitentscheidungsverfahren laufen noch, und wir wollen
die Antwort des Rates abwarten. Wir halten es für
angebracht, Ihnen diese Verfahrensweise vorzuschlagen,
die wir bereits mehrfach angewendet haben, d. h. über
die Änderungsanträge abzustimmen, aber die
Abstimmung über die Entschließung zu vertagen.
2-062
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0345/2002) von Herrn Gérard M.J.
Deprez im Namen des Ausschusses für die Freiheiten
und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten über die Initiative des Königreichs
Belgien, des Großherzogtums Luxemburg und des
Königreichs der Niederlande im Hinblick auf den
Erlass eines Rechtsakts des Rates zur Änderung des
Statuts der Bediensteten von Europol
(9566/2002 - C5-0293/2002 - 2002/0811(CNS))
Nach der Ablehnung der Initiative:
2-063
Deprez (PPE-DE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, da das Haus die Initiative soeben abgelehnt
hat und der Rat nicht anwesend ist, sollten wir meiner
Meinung nach jetzt über die legislative Entschließung
abstimmen und diese annehmen.
(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)
***
(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0323/2002) von Herrn Michel Hansenne
im Namen des Ausschusses für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie über den
Neunzehnten Jahresbericht der Kommission an das
Europäische Parlament über die Antidumping- und
die Antisubventionsmaßnahmen der Gemeinschaft Überblick über die Überwachung der Antidumpingund
Antisubventionsmaßnahmen
sowie
der
Schutzmaßnahmen von Drittländern
(KOM(2001) 571 - C5-0013/2002 - 2002/2020(INI))
(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)
***
Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0327/2002) im
Namen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und betreffend den Gemeinsamen
Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der
Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Veterinärbedingungen für die
Verbringung von Heimtieren zu anderen als
Handelszwecken
und
zur
Änderung
der
Richtlinie 92/65/EG des Rates (7839/2/2002 - C50309/2002 - 2000/0221(COD)) (Berichterstatterin:
Frau Jillian Evans)
(Der Präsident erklärt den Gemeinsamen Standpunkt für
gebilligt.)
***
2-064
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0311/2002) von Frau Elena Ornella
Paciotti im Namen des Ausschusses für die Freiheiten
und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten über die Mitteilung der Kommission
Bericht (A5-0333/2002) von Frau Jean Lambert im
Namen des Ausschusses für die Freiheiten und
Rechte
der
Bürger,
Justiz
und
innere
Angelegenheiten über den Vorschlag für eine
Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die
Anerkennung
und
den
Status
von
Drittstaatsangehörigen
und
Staatenlosen
als
32
22/10/2002
Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig
internationalen Schutz benötigen
(KOM(2001) 510 – C5-0573/2001 – 2001/0207(CNS))
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
2-065
Begrüßung
2-066
Der Präsident. – Es ist mir eine Freude, Ihnen
mitzuteilen, dass eine Delegation des Senats von Puerto
Rico auf der Ehrentribüne Platz genommen hat. Die
Delegation, der drei Mitglieder des Senats angehören,
steht unter der Leitung von Herrn Antonio Fas
Alzamora, Präsident des Senats von Puerto Rico.
(Beifall)
Sehr geehrter Herr Präsident Fas Alzamora, ich möchte
Sie und Ihre Delegation herzlich willkommen heißen.
Mir ist bekannt, dass Sie hier in Straßburg einige
wichtige
Begegnungen
mit
Mitgliedern
des
Europäischen Parlaments haben werden. Ich wünsche
Ihnen im Namen des Europäischen Parlaments einen
erfolgreichen Aufenthalt. Danke für Ihren Besuch.
***
Der Präsident. – Wir unterbrechen jetzt die
Abstimmungsstunde, die im Anschluss an die feierliche
Sitzung fortgesetzt wird.
- Bericht Daul (A5-0321/2002)
2-070
Patakis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Wir haben
keinen Einwand gegen diesen Bericht, der im übrigen
Portugal betrifft, möchten aber bei dieser Gelegenheit
darauf hinweisen, dass Griechenland in der Frage der
Aufteilung der Milchquoten in empörender Weise
ungerecht behandelt worden ist und die Kommission
rasch einen Vorschlag präsentieren muss, der diese
Ungerechtigkeit durch eine Verdoppelung der unserem
Land zugebilligten Rindermilchquote korrigiert.
Die für die Produktion unseres Landes festgelegte Quote
– rund 700 000 Tonnen – deckt nicht nur keineswegs
den Bedarf des einheimischen Marktes, der über
1 100 000 Tonnen liegt, sondern kostet die Viehzüchter
im Falle ihrer Überschreitung auch Unsummen an
Bußgeldern wegen Mitverantwortlichkeit. Gleichzeitig
verdienen sich die bekannten großen Molkereikonzerne
eine goldene Nase, streichen auf Kosten der Viehzüchter
– die ihre Milch zu immer niedrigeren Preisen abgeben
müssen – gigantische Gewinne ein und heben
andererseits die Verbraucherpreise an. Die Viehzucht in
unserem Land ist somit zum Untergang verdammt, und
die Bevölkerung wird, da die in EU-Ländern erzeugte
Frischmilch nicht rechtzeitig auf den einheimischen
Markt kommt, zur Konsumierung eingeführter
sterilisierter Produkte genötigt, obwohl Griechenland
alle Möglichkeiten hätte, mehr zu produzieren und den
Eigenbedarf an Frischmilch zu decken.
(Die Sitzung wird um 11.56 Uhr unterbrochen und um
12.36 Uhr wieder aufgenommen.)
Wir fordern eine gerechte Neuverteilung der Quoten,
basierend auf demographischen Kriterien, dem
Verbraucherbedarf und den Produktionsmöglichkeiten.
2-067
2-071
Abstimmungen (Fortsetzung)
- Bericht Fiori (A5-0319/2002)
2-072
2-068
Bericht
(A5-0328/2002)
von
Frau
Charlotte
Cederschiöld im Namen des Ausschusses für die
Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten über den Vorschlag der Kommission
für einen Rahmenbeschluss des Rates über Angriffe auf
Informationssysteme
(KOM(2002) 173 - C5-0271/2002 - 2002/0086(CNS))
(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0264/2002) von Frau Geneviève Fraisse im
Namen des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung,
Medien und Sport über die Bedeutung und die Dynamik
des Theaters und der darstellenden Künste im
erweiterten Europa (2001/2199(INI))
(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)
Erklärungen zur Abstimmung
2-069
Belder (EDD), schriftlich. – (NL) Den Bericht Fiori
habe ich nicht unterstützt. Aus zwei Gründen habe ich
mich der Stimme enthalten.
Zunächst halte ich es für unvernünftig, den
Verbrauchssteuersatz für Biokraftstoffe zu ermäßigen,
ehe wir uns ein vollständiges Bild von den
Umweltauswirkungen bei Einführung dieser Kraftstoffe
im Straßentransport machen können. Außerdem wurde
verschiedentlich die Steuerpolitik angesprochen, eine
Politik, die wie keine andere nahe beim Bürger, also in
den Mitgliedstaaten, ausgestaltet werden muss. Erst bei
einer nachweislich erheblichen Wettbewerbsverzerrung
ist eine europäische Initiative gerechtfertigt.
Zweitens habe ich Bedenken gegen die Einstufung von
LPG als alternativen Kraftstoff. Immerhin handelt es
sich ja um ein Erdölprodukt. Obgleich bei der
Verbrennung
insgesamt
gesehen
weniger
verunreinigende Stoffe freigesetzt werden als bei
herkömmlichem Benzin, kommt es durchaus zur
Emission von Schadstoffen. Ein alternativer Kraftstoff
unterscheidet sich grundlegend von den so genannten
traditionellen Kraftstoffen, weil er als Energiequelle
22/10/2002
sowohl erneuerbar als auch emissionsfrei ist. Deshalb
kann man LPG mit Sicherheit nicht als alternativen
Kraftstoff bezeichnen.
Summa summarum, wegen dieser beiden Elemente
konnte ich den Bericht unmöglich unterstützen.
Sicherlich begrüße ich eine Verlagerung auf Kraftstoffe
mit geringeren Umweltauswirkungen, aber nicht auf die
in dem Bericht vorgeschlagene Weise.
2-073
Raschhofer (NI), schriftlich. – Die EU hat am Gipfel
von Johannesburg eine Steigerung der Produktion
alternativer Energie bis 2010 um 15 % vorgeschlagen.
Die Erhöhung der Produktivität erneuerbarer Energien
ist die einzige langfristige Alternative zu traditionellen
Kraftstoffen. Die Forschung und Entwicklung muss
dahingehend
intensiviert
werden.
Die
daraus
resultierenden positiven Auswirkungen liegen auf der
Hand. Durch die Forschung werden Arbeitsplätze
geschaffen. Für den Agrarbereich eröffnet sich durch die
vermehrte Verwendung von Biokraftstoffen eine weitere
Produktalternative, und nicht zuletzt werden die
negativen Auswirkungen auf die Umwelt reduziert.
Aus all diesen Gründen haben wir diesem Bericht Fiori
unsere Zustimmung erteilt.
2-074
- Bericht J. Evans (A5-0327/2002)
2-075
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, der Bericht
von Frau Evans bezieht sich auf die Verbringung von
Heimtieren. Der Bericht bedeutet offensichtlich auch
einen Fortschritt für den freien Verkehr von Haustieren
in Europa. Es werden nämlich Hunde, Katzen, tropische
Zierfische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere
aufgezählt.
Ich habe ganz bewusst u. a. die tropischen Zierfische
genannt, Herr Präsident, weil ich, wie Sie ja wissen,
einen direkten Draht zu den Fischen habe. So haben sich
die Blaufische beschwert: „Auch wir haben Teil am
freien Verkehr, aber nur, um direkt in den Küchen der
Restaurants, direkt in der Pfanne zu landen, während die
tropischen Zierfische dank Eurer Richtlinie nach
Belieben umherreisen können. Ist es denn möglich, dass
Ihr im Europäischen Parlament nicht versucht, auch uns
endlich das Rentenalter erreichen zu lassen, sondern uns
immer nur in der Pfanne haben und verspeisen wollt?"
2-076
de La Perriere (NI), schriftlich. – (FR) Der Zeit voraus,
werden unsere Hunde und Katzen sich frei auf dem
Unionsgebiet bewegen können, sofern sie mit einem
elektronischen Chip ausgestattet sind. In acht Jahren
wird die Tätowierung ungesetzlich; unsere Hamster und
Meerschweinchen sind dann in allen Mitgliedstaaten
willkommen, in Erwartung einer Haushaltslinie für um
Asyl ersuchende Tiere? Das ist die Frage …
Eine bange Frage steht noch im Raum: In welche
Kategorie sollen bloß die Frettchen eingestuft werden?
Die Spannung ist kaum noch auszuhalten. Man könnte
33
glatt das GVO-Moratorium oder den drohenden Krieg
im Irak vergessen! Es handelt sich zweifellos um einen
Bericht von höchster Bedeutung für die europäische
Einigung kurz nach dem irischen Ja und kurz vor der
Erweiterung.
Man kann natürlich immer spotten, doch wie stets bei
solchen etwas folkloristischen Texten sind zwischen den
Zeilen ernsthafte Anliegen erkennbar. Hier geht es um
die Festlegung des Quarantänezeitraums für Tollwut.
Ähnlich wie in einer Fabel von La Fontaine wird hier der
Versuch der Kommission deutlich, die Mitgliedstaaten
zu ihrem tierseuchenrechtlichen Glück zu zwingen,
indem man sie daran hindert, ihre Bürger so zu schützen,
wie sie es für richtig halten.
2-077
- Bericht Lambert (A5-0333/2002)
2-078
Schulz (PSE). – Herr Präsident, Kolleginnen und
Kollegen, meine Damen und Herren! Ich beziehe mich
nicht auf Fische in der Pfanne wie der Kollege Fatuzzo,
sondern auf eine ernst zu nehmende Problematik im
Zusammenhang mit dem Bericht Lambert. Die SPDAbgeordneten im Europäischen Parlament haben diesem
Bericht zugestimmt, wiewohl wir die Probleme, die eine
Reihe von Kolleginnen und Kollegen bei der
Zustimmung zu diesem Bericht hatten, verstehen
können. Ich will einen entscheidenden Punkt benennen,
der uns bewogen hat, diesem Bericht unsere
Zustimmung zu geben, obwohl wir ihn strukturell anders
angelegt haben wollten.
Es geht darum, dass Flüchtlinge, im Konkreten politisch
Verfolgte, und solche Personen, die vorübergehenden
Schutz durch die Europäische Union benötigen, im
Rahmen der Richtlinie von Frau Lambert rechtlich
gleichgestellt werden. Das ist vom Prinzip, was die
Betreuung
und
die
Leistungen,
die
diese
Personengruppen in den Mitgliedstaaten der EU erhalten
sollen, angeht, nichts Ungerechtfertigtes. Im Gegenteil,
wir wollen nicht, dass Menschen, die auf der Flucht sind,
unterschiedlich behandelt werden. Aber uns geht es
darum, dass es eine qualifizierende Unterscheidung
geben muss zwischen jemandem, der politisch verfolgt
ist, also der als Widerständler in einer Diktatur ins Exil
geht und dort Schutz braucht, und solchen Leuten, die
vor einer vorübergehenden, sagen wir einmal einer
Bürgerkriegssituation flüchten und deshalb nur
temporär,
auch
im
Sinne
der
Genfer
Flüchtlingskonvention gegebenenfalls nur subsidiären
Schutz bekommen.
Die Richtlinie von Frau Lambert umfasst aber alle diese
Personengruppen. Wir wären der Auffassung gewesen,
dass man eine Unterscheidung hätte vornehmen sollen.
Im deutschen Verfassungsrecht nehmen wir prinzipiell
auch diese Unterscheidung vor, weil wir nach Artikel 16
des deutschen Grundgesetzes einen einklagbaren
Rechtsanspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung
definieren, aber keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf
subsidiären Schutz. Wir haben deshalb als deutsche
Sozialdemokraten diesem Bericht trotz aller Bedenken
34
zugestimmt, unter anderem auch deshalb, weil er
ansonsten überhaupt nicht zustande gekommen wäre und
dieses Parlament gut beraten ist, in der Konsultation mit
dem Rat seine Stellungnahmen abzugeben.
(Beifall)
22/10/2002
Dieses Abstimmungsergebnis, das beim gegenwärtigen
Stand der Dinge glücklicherweise nur konsultativen
Wert besitzt, kann nichtsdestoweniger die Position des
Rates politisch schwächen, der seit einiger Zeit versucht,
der Flut der von Laxheit geprägten Vorschläge von
Seiten der Kommission zu widerstehen.
2-079
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, als Vertreter
der
Rentnerpartei
habe
ich
für
diesen
Richtlinienvorschlag gestimmt, weil ich es wie viele
unter uns als eine Pflicht unserer Staaten betrachte, die
Flüchtlinge aufzunehmen, und zwar würdevoll.
Ich hebe hervor, Herr Präsident, wie wichtig es nach
meinem Dafürhalten ist, auch das Problem anzugehen,
wo und mit den finanziellen Mitteln welches Staates der
EU diese Aufnahme erfolgen soll, wenn – was leider
sehr oft passiert – viele Drittstaatsangehörige in unsere
europäischen Staaten fliehen. Die Lasten der Aufnahme
von Flüchtlingen sollten gerecht unter all unseren
Staaten Europas aufgeteilt werden.
Zum Abschluss der gestrigen Aussprache begnügte sich
Kommissar Vitorino, ohne meine diesbezüglichen
Argumente insgesamt in Frage zu stellen, mit der
Erklärung, die Kommission habe nicht vor, das System
des subsidiären Schutzes neu zu erfinden. In der Tat
besteht ein ergänzender Schutz zusätzlich zu dem in der
Genfer Konvention vorgesehenen in einigen Ländern
wie beispielsweise in Frankreich in Form des
„territorialen Asyls“. Doch dabei handelt es sich um
Erweiterungen von geringer Tragweite. Was ich der
Kommission vorwerfe, ist, dass sie dieses System im
Rahmen des Gemeinschaftsrechts einführen will, und –
was noch schwer wiegender ist – alle Voraussetzungen
für seine Erweiterung schafft.
2-080
Arvidsson, Cederschiöld, Grönfeldt Bergman und
Stenmarck (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Die
Delegation der Moderaten Sammlungspartei im
Europäischen Parlament hat heute für die Richtlinie über
Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von
Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge
oder als Personen, die anderweitig internationalen
Schutz benötigen gestimmt, aber gegen den geänderten
Vorschlag des Parlaments.
Unserer Ansicht nach ist das Recht von Flüchtlingen auf
Schutz in Europa vor Verfolgung und Unterdrückung
eine Selbstverständlichkeit. Die Festlegung von
Mindestnormen ist ein wichtiger Schritt in Richtung auf
eine gemeinsame Asylpolitik in der EU. Es muss jedoch
auch unterstrichen werden, dass es für die
Mitgliedstaaten möglich sein muss, über die von der
Union festgelegten Mindestnormen hinaus Menschen
auch aus anderen Gründen Schutz zu gewähren.
Das Hauptprinzip bei der Erarbeitung einer
gemeinsamen Haltung der EU bezüglich Einwanderung
und Migration muss Transparenz sein. Die Entwicklung
einer Einwanderungspolitik, d. h. der Vorschriften für
die Übersiedlung in ein Land, ist stets ein Balanceakt.
Offene Grenzen können leicht dazu führen, dass wir
Dynamik und Verbesserungen außen vor lassen.
Einwanderung ist grundsätzlich etwas Positives. Daher
sollten ausländische Bürger, bei denen es sich nicht um
Flüchtlinge handelt, größere Möglichkeiten erhalten, als
Arbeitskräfte nach Europa einzuwandern.
2-081
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Das Europäische
Parlament hat soeben recht nachdrücklich den Bericht
Lambert bestätigt, der den äußerst negativen Vorschlag
der Kommission zum Status von Flüchtlingen
befürwortet und verstärkt. Wir haben ebenso wie ein
wesentlicher Teil der Rechten dagegen gestimmt.
Wieder einmal spielt die Kommission eine zerstörerische
Rolle, was uns bewegen sollte, generell über das
Verhältnis zwischen den europäischen Institutionen
nachzudenken.
2-082
Bonde und Sandbæk (EDD), schriftlich. – (DA) Wir
haben heute für den Bericht Lambert gestimmt, weil mit
ihm in vielen Bereichen Verbesserungen an den
Mindeststandards vorgenommen werden, die unter der
Schirmherrschaft der EU in Bezug auf Flüchtlinge und
Personen mit subsidiärem Flüchtlingsstatus nun leider
festgelegt werden sollen.
Eines der Ziele des Berichts ist es, den Kreis der
Personen, für die die Standards gelten würden, zu
erweitern und die Bedingungen und die Rechte zu
verbessern. Beispielsweise bezieht sich der Vorschlag
der Kommission ausschließlich auf Drittstaatsangehörige
und Staatenlose, während Bürger der EU nicht erfasst
sind. Dieser Zustand soll nun durch den Bericht
korrigiert werden, denn es wäre schon ein seltsames und
gefährliches Signal an die internationale Gemeinschaft,
dass die EU-Mitgliedstaaten, die jeder für sich die
Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben,
beschließen können, sich gegenseitig von diesem
internationalen Übereinkommen auszunehmen und
damit ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass
das Übereinkommen auf die eigenen Bürger nicht
angewandt werden kann.
Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, dass
Personen mit Flüchtlingsstatus größere Rechte haben
müssen. Das ist natürlich positiv zu bewerten, doch
sollte das, wie von der Berichterstatterin empfohlen,
auch für Personen mit subsidiärem Flüchtlingsstatus
gelten.
Die Juni-Bewegung setzt sich für eine von
Menschlichkeit getragene Flüchtlingspolitik ein. Wir
22/10/2002
treten für das Recht eines jeden Menschen auf ein Leben
in Würde ein, doch sind wir grundsätzlich der Meinung,
dass diesem Anliegen nicht dadurch am besten gedient
wird,
dass
eine
gemeinsame
europäische
Flüchtlingspolitik entwickelt wird, die auf dem
supranationalen ersten Pfeiler beruht, dem auch der
Vorschlag im Bericht zuzuordnen ist.
2-083
Crowley (UEN), schriftlich. – (EN) Ich erkläre hiermit,
dass ich mich nicht an der Abstimmung zum Bericht
Lambert (A5-0333/02) beteiligt habe. Meine Enthaltung
ist nicht als grundsätzliche Ablehnung der
vorgeschlagenen Richtlinie zu verstehen, sondern als
Ablehnung einiger Elemente, die meiner Ansicht nach
unangebracht und der Grundüberzeugung des Schutzes
derjenigen, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen,
abträglich sind. Ich bin u. a. bei folgenden Elementen
anderer Meinung: Die Definition des Begriffs Familie
geht weit über die in den meisten Mitgliedstaaten und
anderen Ländern übliche Norm hinaus. Diese
Problematik hätte einfühlsamer behandelt werden sollen,
und der Bericht hat in diesem Punkt jämmerlich versagt.
Die in verschiedenen Artikeln gesetzten Fristen sind zu
kurz. Der Bericht nimmt in unangebrachter Weise auf
die Grundrechtecharta Bezug. Wird der Geltungsbereich
auch auf andere Personengruppen als jene, die einer
Verfolgung ausgesetzt sind, erweitert, schränken wir
damit unsere rechtmäßigen Möglichkeiten zum Schutz
der Schutzbedürftigsten ein. Aus diesen und anderen
Gründen hielt ich es für unangebracht, mich an der
Abstimmung zu beteiligen.
2-084
Evans, Robert J.E. (PSE), schriftlich. – (EN) Die
britischen
Abgeordneten
der
Fraktion
der
Sozialdemokratischen Partei Europas haben für den
Bericht Lambert gestimmt. Unserer Ansicht nach gibt es
zur Entwicklung einer gemeinsamen EU-Asylpolitik
keine Alternative. Dieser Bericht über Mindestnormen
stellt einen wichtigen Schritt auf diesem Weg dar. Wir
lehnen
die
rechtsradikalen
Ansichten
jener
konservativen Abgeordneten der EVP-Fraktion ab, die
eine Einschränkung des Rechtes auf Asyl und Schutz
anstreben. Als Sozialisten sind wir der Meinung, dass
unser Herangehen von Mitgefühl und Verständnis
geprägt sein sollte.
Bei der Erarbeitung einer gemeinsamen Politik für
fünfzehn und schließlich fünfundzwanzig Länder wird es
immer einige Abweichungen in Detailfragen geben. Wir
glauben, dass diese Differenzen nicht benutzt werden
sollten, um unsere Kompromissbemühungen zu
hintertreiben, sondern dass wir mit großem Stolz auf
dem aufbauen sollten, was uns verbindet.
Auch wenn der Bericht Lambert einige Aspekte enthält,
die wir als Labour-Abgeordnete in Frage stellen, stimmt
seine Gesamtrichtung. Deshalb befürworten wir ihn.
2-085
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) Europa zählt zu
den wohlhabendsten, demokratischsten und stabilsten
Kontinenten der Welt. Es ist mithin nicht verwunderlich,
35
dass viele Menschen, die in anderen Länder verfolgt,
bedroht oder schikaniert werden, hier Zuflucht suchen.
In ihrem Gefolge kommen auch andere, die nicht
verfolgt werden, auf die aber das Wohlstandsniveau in
Europa Anziehungskraft ausübt. Wenn diese Menschen
eine Ausbildung in einem Fachgebiet genossen haben,
für das hier ein Arbeitskräftemangel herrscht, werden sie
sogar aktiv angeworben, häufig auf Kosten der
Einrichtungen in ihrem Herkunftsland. Echte Flüchtlinge
hingegen sind immer weniger willkommen. Für einige
Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zählen nur noch die
Zahlen. Man begrenzt deshalb lieber die Zahl der
Flüchtlinge, als die Gründe, aus denen die Menschen
flüchten, und die Gefahr, in der sie verkehren,
gebührend zu würdigen. Es ist an der Zeit, dass wir
damit Schluss machen und die Not der Flüchtlinge selbst
als Richtschnur nehmen. Wir müssen damit aufhören,
Menschen in für sie unsichere Staaten auszuweisen, die
Familienzusammenführung zu verweigern oder die
Verfolgung auf Grund von Intoleranz oder
geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu leugnen. Am
24. September hat der Bericht Evans über Asyl und
Sicherheit in die richtige Richtung gewiesen, obgleich
diese Vorschläge nach Ansicht meiner Fraktion noch
nicht weit genug gingen. Allerdings erhielten die
Vorschläge letzten Endes mehr Nein- als Ja-Stimmen.
2-086
Queiró und Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich. – (PT)
Der Beitrag des Europäischen Parlaments wäre sehr
nützlich und positiv, wenn er – unter Wahrung von
Geltungsbereich und Grenzen des Richtlinienvorschlags
– zur rechtlichen Klärung von Begriffen beitragen
würde, die bei der Übernahme der zukünftigen Richtlinie
und ihrer Umsetzung Zweifel oder Kontroversen
hervorrufen könnten. Die Berichterstatterin und die
Mehrheit des parlamentarischen Fachausschusses haben
diese Klärung jedoch leider nicht herbeigeführt. Sie
haben im Gegenteil im Rahmen eines allen
Mitgliedstaaten
gemeinsamen
Mindeststatus
unerklärlicherweise Wege der sukzessiven Erweiterung
der normativen Bestimmung eingeschlagen, was
kontraproduktiv nur zu noch mehr Schwierigkeiten und
neuen Hindernissen führen kann, die für ihre Annahme
unnötig sind. Daraus ergibt sich unser Stimmverhalten
zu diesen speziellen Fragen und bei der
Schlussabstimmung: Die meisten der vorgestellten
Änderungen sind unbrauchbar und gehen im Gegenteil
häufig über das Notwendige und Vernünftige hinaus,
wenn es um die Festlegung von Mindestnormen für alle
Mitgliedstaaten geht. Trotz allem bin ich für die
ursprüngliche Initiative, die im Parlament eingegangen
ist, denn im Einklang mit dem Europäischen Rat von
Tampere befürworten wir die Annäherung der
Vorschriften zum Flüchtlingsstatus und anderer
subsidiärer Maßnahmen für Personen, die, auch wenn
ihnen dieser Flüchtlingsstatus verwehrt wurde, eines
gleichwertigen Schutzes bedürfen.
2-087
Thorning-Schmidt (PSE), schriftlich. – (DA) Die
dänischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament
haben heute für den Bericht Lambert (A5-0333/2002)
gestimmt. Wir sind damit einverstanden, dass die EU
36
Mindeststandards
für
die
Anerkennung
von
Staatsangehörigen aus Drittländern und von Staatenlosen
als Flüchtlinge bzw. als Personen, die aus anderen
Gründen internationalen Schutz benötigen, festlegt.
Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass die
Richtlinie dem Abschnitt IV des EG-Vertrags unterliegt
und nicht für Dänemark gilt, vgl. Protokoll zur Position
Dänemarks.
2-088
- Bericht Cederschiöld (A5-0328/2002)
2-089
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, der soeben
von uns in diesem Parlament angenommene Bericht von
Frau
Cederschiöld
bezieht
sich
auf
einen
Rahmenbeschluss des Rates, der uns vor Angriffen so
genannter Hacker auf Informationssysteme schützen
soll.
Ein Computer-Fachmann, der zwar pensioniert ist, mein
Freund Infissi Maurizio aus Capriate San Gervasio,
einem schönen Ort in der Nähe von Bergamo, sagte zu
mir, als er davon erfuhr, dass wir uns mit diesem Thema
beschäftigen: „Es ist richtig, wenn Ihr Euch vor
Angriffen auf Informationssysteme schützt, aber wäre es
nicht auch eine gute Idee, die Rentner vor den Angriffen
der
Regierungen,
der
Premierminister
und
Haushaltsminister zu schützen, die bisweilen
Maßnahmen vorschlagen, um zum gewaltsamen Angriff
gegen unsere Lebens- und Überlebenschancen
überzugehen, indem sie Renten beschließen, die oftmals
zu kläglich sind und uns kein würdevolles Leben
gestatten? Wann werdet Ihr Euch mit Maßnahmen zum
Schutz der Rentner vor den Angriffen der Regierungen
befassen?“ „Sicher bald“, gab ich ihm zur Antwort, und
ich hoffe wirklich darauf, Herr Präsident!
2-090
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der
Bericht, der im Parlament zur Abstimmung stand,
verbessert den von der Kommission vorgeschlagenen
Text, indem die Bezüge zum Schutz der Menschenrechte
und Grundfreiheiten sowie der Privatsphäre verstärkt
werden. Bei einigen Aspekten hingegen hält man an der
von der Europäischen Kommission eingeschlagenen
Richtung fest und orientiert außerdem auf eine
Vergemeinschaftung der Politik.
Es sei darauf hingewiesen, dass der Vorschlag der
Kommission dem Konzept der Ausnutzung der
Ereignisse des 11. September 2001 entspricht, bei dem
bestimmte Grundrechte eingeschränkt werden, ohne dass
dies große Proteste hervorgerufen hätte, und zwar vor
allem Rechte im Zusammenhang mit dem Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.
Zudem offenbart der Vorschlag der Kommission eine
Besessenheit zur Reglementierung, einen Versuch zur
Harmonisierung des Strafrechts und eine repressive statt
präventive Sichtweise, womit wir nicht einverstanden
sind.
22/10/2002
Deswegen stimmen wir gegen den Bericht.
2-091
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) Aus den
unterschiedlichsten Gründen können Menschen in das
Hacking von Computern verwickelt werden. Dabei
handelt es sich nicht nur um findige junge Leute, die die
technischen Möglichkeiten erkunden, oder um Chaoten,
die anderer Leute Arbeit gern durcheinander bringen,
sondern auch um kritische Spürnasen auf der Suche nach
Informationen, die für viele von Bedeutung sind, aber zu
Unrecht geheim gehalten werden. Diese letztgenannte
Gruppe trägt dazu bei, dass es weniger Raum für
Umweltskandale, Korruption, finanzielle Betrügereien,
Kriegshetze und diktatorisches Handeln gibt. In
sämtlichen Fällen beeinträchtigen Angriffe auf die
Informationssysteme das reibungslose Funktionieren von
privaten Unternehmen ebenso wie von Behörden. Bei
der Bewertung dieser Störaktionen kommt es aber
letzten Endes auf deren positive oder negative Folgen
an. Mit der Berichterstatterin Cederschiöld gehe ich voll
und ganz darin konform, dass der vorliegende
Rahmenbeschluss und die zugehörigen nationalen
Umsetzungsmaßnahmen nicht dazu benutzt werden
dürfen, die Freiheit der Meinungsäußerung, die
Demonstrations- und die Vereinigungsfreiheit zu
unterdrücken. Geringfügige Störungen, die in den
einzelnen Mitgliedstaaten als von geringerer Bedeutung
gelten, brauchen von der EU nicht unter Strafe gestellt
zu werden. Die Anwendung von Artikel 12, der die
Errichtung
von
Kontrollstellen
für
den
Informationsaustausch vorsieht, kann sich auch
nachteilig auswirken. Deshalb unterstütze ich den
Vorschlag zur Zurückstellung dieses Teils.
2-092
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich. – (PT) Ich habe
diesen Bericht unterstützt, weil er verdeutlicht, dass wir
uns der Bedeutung des Kampfes gegen die
computerbasierte Kriminalität bewusst sind, und weil er
aufzeigt, dass es wesentlich darauf ankommt,
Strafrechts-, Präventions- und Strafmaßnahmen in einer
Weise zu begrenzen, dass die Meinungsfreiheit, die freie
Meinungsäußerung,
die
Versammlungsund
Vereinigungsfreiheit respektiert werden. Ferner habe ich
zwei weitere Vorschläge der Berichterstatterin Frau
Cederschiöld unterstützt: Der Erste ist ihre Forderung,
dass die EU, wenn es um Fragen der
Informationsübermittlung geht, stets dafür sorgen muss,
dass es entsprechende Bestimmungen im Bereich des
Datenschutzes gibt, um den mit dem Datentransfer
verbundenen Gefahren entgegenzutreten; der zweite
betrifft die weniger strenge Beurteilung für den Fall,
dass ein Minderjähriger zum ersten Mal sich
unrechtmäßig Zugang zu einem Informationssystem
verschafft. Kurzum, meiner Ansicht nach hat das
Parlament zur Verbesserung des Vorschlags für einen
Rahmenbeschluss beigetragen, mit dem auf die
Cyberkriminalität reagiert werden soll, indem man eine
Annäherung der strafrechtlichen Bestimmungen der
Mitgliedstaaten anstrebt, um sicherzustellen, dass alle
Angriffe auf Informationssysteme strafrechtlich verfolgt
werden, und indem man die polizeiliche und justizielle
Zusammenarbeit in diesem sensiblen Bereich fördert.
22/10/2002
Nicht zuletzt halte ich auch die Einrichtung eines Netzes
von Kontaktstellen, die rund um die Uhr konsultiert
werden können, im Kampf gegen eine Kriminalität, bei
der diese hochmodernen Technologien eingesetzt
werden, für äußerst wichtig.
2-093
- Bericht Fraisse (A5-264/2002)
37
auf die Einmischung des Kapitals in die nationalen
Kulturen zurückzuführen sind?
Darüber hinaus sind wir weder mit dem dominanten
Einfluss der Privatunternehmen und Sponsoren, noch
mit jenem diffusen Gebilde, das als „europäische
kulturelle Identität“ anvisiert wird, noch mit den
Methoden zu seiner Durchsetzung einverstanden.
2-094
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, der Bericht
behandelt die Bedeutung und Dynamik des Theaters und
der darstellenden Künste im erweiterten Europa. Ich
habe wieder einmal geträumt, Herr Präsident: Ich
träumte, ich sah eine Theateraufführung, an der das
erweiterte Europa teilnahm. Und was sah ich in dieser
Theatervorstellung? Ich sah den Abgeordneten Fatuzzo,
der in einem Restaurant des italienischen Ortes Vercelli
zusammen mit dem Präsidenten der Republik Ungarn,
Herrn Ferenc Mádl – dem wir soeben applaudiert haben
–, und dem Präsidenten der Republik Bulgarien, exKönig Simeon II, zu Mittag speiste. Man genoss
Gerichte mit Safranreis, Reis mit Pilzen und schwarzen
Reis mit Tintenfisch, wie es sich in einem Ort wie
Vercelli, wo Reis angebaut wird, empfiehlt. Wir alle
waren sehr zufrieden, doch der Chef sagte zu uns: „Bald
werdet Ihr keinen Reis mehr genießen können, wenn Ihr
Mitglieder des EP nichts für die Landwirtschaft im
Rahmen einer Reform der Agrarpolitik unternehmt, die
im Europäischen Parlament und in der Europäischen
Gemeinschaft durchgeführt wird, um auch die
Landwirtschaft in Reisanbaugebieten wie Vercelli,
Novara, Pavia, Mailand und anderen Gegenden Europas
zu schützen.“
2-095
Alyssandrakis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Unser
Standpunkt zu Fragen der Kultur ist unmittelbar mit
ihrem politischen Charakter sowie den von ihr
getragenen
Werten,
Grundsätzen
und
Verhaltensvorbildern
verbunden.
Von
primärer
Bedeutung ist dabei, ob die kulturellen Aktivitäten dem
Arbeitnehmer nutzen und zum gesellschaftlichen
Fortschritt beitragen oder aber dem Kapital zum Vorteil
gereichen, seine Herrschaft ausdehnen und seine
Gewinne vermehren.
Deshalb
haben
wir,
die
Abgeordneten der
Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen
Parlament, uns der Stimme enthalten.
2-096
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) In einer vom Geld regierten Welt
können sich auch die Kultur im Allgemeinen und die
darstellenden
Künste
im
Besonderen
dieser
Beherrschung nicht entziehen. Die vom Profitstreben
angetriebenen Privatinteressen interessieren sich für
diese Bereiche nur insoweit, wie sie dort direkt oder in
Form von Steuervorteilen Geld verdienen können. Und
in einer Zeit, da die öffentlichen Institutionen nur das
Wort Einsparungen im Munde führen, wird die Kultur
noch stärker auf das absolute Minimum beschränkt. Als
Erste leiden darunter die Kleinen, die Namenlosen, wie
die unständig Beschäftigen in den Theatern, die in
Frankreich gerade gegen die weitere Verschlechterung
ihrer bereits prekären Beschäftigungsverhältnisse
streiken.
Wir sind dagegen, öffentliches Geld an die Unternehmen
und die Reichen zu verteilen, auch in Form von
steuerlichen Vergünstigungen für Mäzenatentum und
Sponsoring, die nur für diejenigen von Vorteil sind, die
als Mäzene auftreten und dabei einen Reibach machen,
während sich an der Lage der übergroßen Mehrheit der
Künstler und der Beschäftigten im Bereich der
darstellenden Künste nichts Wesentliches ändert. Trotz
dieser von der Berichterstatterin befürworteten
Maßnahme haben wir für diesen Bericht gestimmt, der
insgesamt und wenn er konkret umgesetzt würde die
Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten im
Bereich der darstellenden Künste verbessern könnte.
2-097
Der Bericht befürwortet die ideologische, politische und
gesellschaftliche Einbindung der mit den darstellenden
Künsten verbundenen kulturellen Prozesse in die Politik
der Europäischen Union. Das Theater soll in den Dienst
des „europäischen Ideals“ gestellt werden und zur
Umsetzung politischer Ziele wie die der Mobilität und
des „lebenslangen Lernens“ beitragen. Dabei zielt der
Bericht insbesondere auf die Mittelmeerländer und die
Länder Mittel- und Osteuropas.
Worin besteht aber dieses „Ideal“, das zu unterstützen
wir aufgerufen werden? Wenn das nicht klar ist, wie
kann man dann von uns erwarten, dass wir solche
widersprüchlichen Vorgehensweisen mittragen und
dabei mitverantworten, die zwar einige temporäre
Fragen (des geistigen Eigentums, der Freizügigkeit, der
Ausbildung) lösen, aber die Probleme verschleiern, die
Malmström, Paulsen und Olle Schmidt (ELDR),
schriftlich.  (SV) Wir haben uns bei der Abstimmung
zum Bericht Fraisse über die Bedeutung und die
Dynamik des Theaters und der darstellenden Künste im
erweiterten Europa der Stimme enthalten.
Wir haben eine positive Grundeinstellung zur
Europäischen Union. Als schwedische Liberale
betrachten wir die europäische Integration als
Möglichkeit
zur
Lösung
grenzüberschreitender
Probleme, z. B. in den Bereichen Umwelt, Handel,
Freizügigkeit,
Menschenrechte
und
Konfliktmanagement. Hier haben die Demokratien
Europas eine Möglichkeit, der Welt zu zeigen, dass
Zusammenarbeit zu Frieden und zu wachsendem
Wohlstand führt.
38
Überdies glauben
wir
aber auch an das
Subsidiaritätsprinzip, nach dem Beschlüsse so nahe wir
möglich an den Betroffenen gefasst werden sollen.
Darum engagieren wir uns aktiv für eine Verfassung der
Europäischen Union, in der die Kompetenzverteilung für
jeden deutlich erkennbar ist. Es muss für alle Bürger
eindeutig sein, dass die EU sich ausschließlich mit den
Problemen beschäftigt, die sie am besten lösen kann,
d. h. die grenzüberschreitenden. Alle anderen Fragen
sollten auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene
behandelt werden.
Wir halten Theater und darstellende Künste für wichtig
und unterstützen die größeren Möglichkeiten für die
Mobilität der Menschen. Ferner wollen wir die
Erlangung von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen für
ausländische Arbeitnehmer vereinfachen, sind aber der
Ansicht, dass die Bedingungen für eine Einreise für alle
Berufsgruppen die gleichen sein sollten. Der Vorschlag
sollte sich daher nicht nur auf Künstler und
Kulturschaffende, sondern auf Angehörige aller
Berufsgruppen beziehen.
Wir sind für die kulturelle Vielfalt, die Unterstützung
des kreativen Schaffens, die künstlerische Freiheit und
den Zugang aller zur Kultur, meinen aber nicht, dass
diese in die zukünftige Europäische Verfassung
aufgenommen werden sollten. Viele der im Bericht
Fraisse vorgestellten Ideen finden auf nationaler Ebene
unsere volle Unterstützung.
2-098
Marchiani (UEN), schriftlich. – (FR) Dieser Bericht
wird die dienstfertige Intelligenzia, die ihr
proeuropäisches Engagement ostentativ zur Schau stellt,
voll befriedigen. Doch abgesehen davon sehe ich nicht,
wozu ein solcher Text nützlich wäre. Ich würde sogar
sagen, er beunruhigt mich.
Erstens betrifft er einen Bereich, für den allein die
Mitgliedstaaten zuständig sind. Daher ist es nicht
hinnehmbar, wenn das Parlament „die Mitgliedstaaten
nachdrücklich auf(fordert), ihre Kulturpolitik europaweit
kohärent zu gestalten“. Was hat sich dieses Parlament
hier überhaupt einzumischen?
Zweitens bin ich überzeugt, dass dieser Bericht die
Belohnung des föderalistischen Europas für das
politisch-kulturelle Establishment darstellt, das keine
Mühe scheut, um die proeuropäische Sache
voranzubringen. Dieser Bericht, mit dem auf ihren
Pfründen sitzenden „Künstlern“ unglaubliche Privilegien
und Subventionen zugeschanzt werden, ist einzig und
allein für die fett subventionierten Eliten gedacht, um
ihnen für ihre Verdienste um die „europäische Idee“ zu
danken.
Drittens trägt dieser Bericht de facto zu einer
unheilvollen, gefährlichen Entwicklung bei, die darin
besteht, das Theater und die darstellenden Künste vor
den Karren der proeuropäischen Ideologie zu spannen.
Mehr noch als die Kultur zu fördern, tendiert dieser
22/10/2002
Bericht in bestimmten Aspekten vor allem dazu, Kultur
und Propaganda zu verwechseln.
In dem Bestreben, die schöpferische Freiheit der
wirklichen Künstler zu bewahren, werde ich gegen
diesen Bericht stimmen.
2-099
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich. – (PT) Ich habe für
diesen Bericht gestimmt, der auf die wirksame
Förderung der Bedingungen aufmerksam machen will,
derer es bedarf, damit die darstellenden Künste vor
allem durch die Förderung und den Schutz der Mobilität
der Künstler und ihrer Werke, durch Beihilfen für die
Übersetzung und Übertitelung als Instrument der
Annäherung und des gegenseitigen kulturellen
Verständnisses und durch den Anreiz zur Ausbildung
und für Maßnahmen zur Verbreitung zum einen immer
mehr zum Allgemeingut werden und zum anderen ihre
Attraktivität erhöht und der Zugang zu ihnen erleichtert
wird. Der Schutz der darstellenden Künste ist auch eine
Voraussetzung, um die Bewahrung der Werte der
kulturellen Vielfalt, die den europäischen Geist
auszeichnet, sicherzustellen. So stimme ich der
Berichterstatterin zu, dass es wichtig ist, die
darstellenden Künste in den Ländern eng ins Auge zu
fassen, die sich auf ihren EU-Beitritt vorbereiten – ein
entscheidendes Element für den Aufbau eines Europas,
das auf einer Werteteilung beruht und dessen größter
Reichtum seine Vielfalt ist. Folgt man diesem
Gedankengang weiter, müssen wir meiner Meinung nach
Privatinitiativen einen besonderen Wert beimessen – die
doch der spontane Ausdruck des kulturellen
„Pulsschlags“ der Gemeinschaft sind -, statt unsere
Energie für direktes Handeln des Staates oder staatlicher
Behörden einzusetzen.
2-100
Der Präsident. – Die Abstimmungsstunde ist damit
beendet.
(Die Sitzung wird um 12.50 Uhr unterbrochen und um
15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
2-101
VORSITZ: GERHARD SCHMID
Vizepräsident3
2-102
Haushaltsverfahren 2003: erste Lesung
2-103
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame Aussprache über folgende zwei Berichte im
Namen
des
Haushaltsausschusses
zum
Gesamthaushaltsplan 2003:
- von Herrn Göran Färm (A5-0350/2002) zum Entwurf
des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für
das Haushaltsjahr 2003 (11138/2002 - C5-0300/2002 2002/2004(BUD)) und Berichtigungsschreiben Nr.
1/2003 zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans der
3
Genehmigung des Protokolls: siehe Protokoll.
22/10/2002
Europäischen Union für das Haushaltsjahr
(12640/2002 - C5-0480/2002)
Einzelplan III - Kommission;
39
2003
Von Herrn Per Stenmarck (A5-0351/2002) zum Entwurf
des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für
das Haushaltsjahr 2003
Einzelplan I - Europäisches Parlament
Einzelplan II - Rat
Einzelplan IV - Gerichtshof
Einzelplan V - Rechnungshof
Einzelplan VI - Wirtschafts- und Sozialausschuss
Einzelplan VII - Ausschuss der Regionen
Einzelplan VIII (A) - Europäischer Bürgerbeauftragter
Einzelplan
VIII
(B)
Europäischer
Datenschutzbeauftragter
(C 5-0300/2002 - 2002/2005(BUD)).
2-104
Färm (PSE), Berichterstatter.  (SV) Herr Präsident!
Lassen Sie mich zunächst einen herzlichen Dank an
meine Kollegen richten, nicht zuletzt an die Mitglieder
des Haushaltsausschusses und an das Sekretariat des
Haushaltsausschusses, die mit diesem Haushalt eine
phantastische Arbeit geleistet haben. Dies ist für mich
eine gute Gelegenheit, die außerordentlich schwere
Arbeit der Mitarbeiter zu würdigen. Mein Dank gilt auch
der Kommission und dem Rat, die mit einer langen
Reihe von Trilogen, Vermittlungen, Arbeitsgruppen und
anderen Kontakten dazu beigetragen haben, dass wir nun
einen guten Entwurf des Gesamthaushaltsplans für 2003
zur Abstimmung vorliegen haben. Ferner möchte ich
betonen, dass wir zu den meisten Punkten im
Haushaltsausschuss eine breite Einigkeit erzielen
konnten, was natürlich auch von großer Bedeutung für
das Parlament ist.
Ich möchte mit einigen grundsätzlichen Überlegungen
zum Haushaltsverfahren der Europäischen Union
beginnen. Nachdem ich nun etwa zehn Monate an
diesem Haushalt gearbeitet habe, bin ich zu dem Schluss
gekommen, dass das Haushaltsverfahren der EU
dringend einer umfassenden Reform bedarf. Mit der
neuen Haushaltsordnung dürfte sich einiges verbessern,
und auch mit der projektbezogenen Budgetierung (ABB)
werden wir eine Reihe von Verbesserungen erreichen.
Einige Probleme haben wir durch die Verbesserung der
internen Arbeit des Parlaments selbst lösen können. Ich
persönlich habe mich für einen besseren Dialog mit den
Ausschüssen eingesetzt. Zum Haushaltsplan vollzieht
sich der Dialog zwischen dem Haushaltsausschuss auf
der einen Seite sowie den Ausschüssen und deren
Verfassern der Stellungnahme zum Haushaltsplan auf
der anderen nun praktisch permanent, von den Leitlinien
im Frühjahr, über die in diesem Jahr erstmals
durchgeführte
Nachbereitung
des
laufenden
Haushaltsplans in speziellen Arbeitsgruppen, bis hin zu
den Änderungsanträgen in Vorbereitung der ersten
Lesung. Meiner Ansicht nach haben wir den schon
traditionellen Konflikt in diesem Jahr mildern können,
bei dem die Fachausschüsse der Ansicht sind, der
Haushaltsausschuss würde ihren politischen Prioritäten
nicht genügend Aufmerksamkeit schenken und der
Haushaltsausschuss seinerseits den Fachausschüssen
entgegenhält,
sie
würden
für
unrealistische
Haushaltsforderungen kämpfen.
In diesem Jahr sind wir weiter vorangekommen als in
früheren Jahren, nicht zuletzt hinsichtlich des traditionell
komplizierten Kapitels A-30 mit seinen Zuschüssen für
verschiedene europäische Organisationen. Diesmal ist es
uns durch eine enge Zusammenarbeit mit den
Ausschüssen und den Fraktionen gelungen, einen
einstimmig
angenommenen
Vorschlag
des
Haushaltsausschusses vorzulegen.
Wie bekannt haben wir auch die Haushaltsdebatte
reformiert und die große Aussprache bereits während der
Plenartagung im September durchgeführt. Das war ein
Experiment, das meines Erachtens gut gelungen ist,
wobei sicherlich noch weitere Verbesserungen möglich
sind.
Trotz dieser Verbesserungen bin ich nicht zufrieden und
möchte an dieser Stelle ein Signal an unsere Kollegen im
Konvent senden. Ich meine, es ist einfach nicht sinnvoll,
in Form der Finanziellen Vorausschau einen
langfristigen Rahmen zu schaffen, der so strikte
Grundsätze
für
sektorenbezogene
Obergrenzen
beinhaltet, wie die, mit denen wir gegenwärtig leben
müssen. Bereits jetzt, nach der Hälfte des von der
Finanziellen Vorausschau abgedeckten Zeitraums
entstehen dadurch immer mehr Ad-hoc-Systeme, die das
Haushaltsverfahren völlig unübersichtlich machen
können.
Während des diesjährigen Haushaltsverfahrens hat die
Kommission bereits in drei Fällen die Inanspruchnahme
des Flexibilitätsinstruments vorgeschlagen. Beim
Konzertierungsverfahren im Juli haben wir eine
planmäßigere Nutzung eines Instruments vereinbart, das
eigentlich als Notreserve vorgesehen war. Das Problem
der Kommission, in Vorbereitung der Erweiterung
ausreichende Personalressourcen zur Verfügung zu
haben, haben wir durch ein kompliziertes Modell des so
genannten Frontloading gelöst, das es uns ermöglicht,
nicht verwendete Mittel des laufenden Jahres zu
ermitteln und diese für Kosten zu verwenden, die
ansonsten im Jahr 2003 anfallen würden.
Gerade heute sind wir mit dem Rat darüber hinaus
bezüglich eines neuen Flexibilitätsinstruments zu einer
Einigung gekommen. Dabei handelt es sich um den so
genannten Europäischen Solidaritätsfonds, mit dessen
Hilfe den Auswirkungen von Naturkatastrophen usw.
begegnet werden soll.
Nun müssen wir uns jedoch fragen: Wie viele solcher
Flexibilitätsinstrumente und Ad-hoc-Lösungen brauchen
wir noch, ehe wir auf breiter Front begreifen, dass das
gesamte Haushaltsverfahren reformiert werden und
flexibler gestaltet werden muss.
Der Haushaltsausschuss hat auch Stellung dazu
genommen. Wir haben die Obergrenze in drei
40
Kategorien bewusst überschritten, u. a. um die
Widersinnigkeit des gegenwärtigen geschlossenen
Systems aufzuzeigen. Darauf werde ich bei den
einzelnen Begründungen noch zurückkommen.
Bitte beachten Sie aber, dass ich nicht darauf aus bin, die
Obergrenzen abzuschaffen. Ich plädiere auch nicht für
ein Abgehen von der Forderung nach Haushaltsdisziplin.
Aber es muss einen Mittelweg geben zwischen völliger
Disziplinlosigkeit und der gegenwärtig praktizierten
strikten Sieben-Jahres-Planwirtschaft!
Ich hege die Hoffnung, dass es auch zukünftig
selbstverständlich sein wird, dass das Modell der
Mitentscheidung sich auf den gesamten Haushaltsplan
bezieht, auch auf die Agrarpolitik, und dass sämtliche
Ausgaben der Union in den Haushaltsplan einbezogen
werden, auch der Europäische Entwicklungsfonds. Dies
ist ein wichtiges Thema, von dem ich hoffe, dass wir es
in den kommenden Jahren weiter diskutieren können.
Lassen Sie mich nun noch eine weitere Frage
allgemeinerer Art aufgreifen, ehe ich mich den einzelnen
Rubriken des Haushaltsplans zuwende. Das betrifft die
Ausführung des Haushaltsplans der EU, die zu einem
ernsten Problem zu werden droht. Wir können nicht Jahr
für Jahr den Bürgern und Steuerzahlern mitteilen, dass
wir ihnen jährlich unnötigerweise 15 Mrd. EUR
abnehmen,
die
wir
dann
ihren
dankbaren
Finanzministern zurückzahlen. Meiner Ansicht nach
muss die Union in dieser Frage große Anstrengungen
unternehmen, um Glaubwürdigkeit für ihre Politik und
ihren Haushalt zu erreichen und alle durch den Haushalt
gemachten Zusagen zu erfüllen. Wir müssen ganz
einfach die Nutzung der Strukturfonds vereinfachen und
können damit bereits im aktuellen Zeitraum beginnen.
Darauf hat uns Herr Barnier sein Wort gegeben, aber wir
können natürlich im kommenden Planungszeitraum noch
radikalere Veränderungen vornehmen.
Ich bin zudem der Meinung, dass der gesamte Prozess
der Einführung neuer Mehrjahresprogramme verbessert
werden muss. Jedes Mal bekommen wir wieder zu
hören, dass es bei Mehrjahresprogrammen, die in ihren
dritten oder vierten Programmplanungszeitraum
eintreten - so laufen beispielsweise gegenwärtig das
Sechste Rahmenprogramm für Forschung und
Entwicklung, das dritte LIFE-Programm usw. - oftmals
ein ganzes Jahr dauert, ehe die Arbeit im neuen
Planungszeitraum in Gang kommt. Das ist doch völlig
inakzeptabel, denn dann ist es ja zum Beispiel so, dass
für die Dauer von fünf Jahren geplante Arbeiten in einen
Durchführungszeitraum von vier Jahren hineingepresst
werden müssen.
Ein drittes Gebiet, für das ich einen Verbesserungsbedarf
hinsichtlich der Durchführung und Vereinfachung sehe,
ist der Personalbereich. In diesem Jahr haben wir
beschlossen, das Flexibilitätsinstrument nicht für neue
Stellen bei der Kommission einzusetzen, was aber nicht
bedeutet, dass diese Stellen nicht gebraucht würden.
Langfristig werden meiner Meinung nach wohl mehr
Stellen benötigt, so u. a. für die neue, dezentralisiertere
22/10/2002
Organisation im Außendienst, aber das erfordert
natürlich auch, dass die Kommission glaubhaft
nachweist,
dass
sie
effizient
arbeitet,
die
Kommissionsreform
durchführt,
ein
effizientes
Management durchsetzt und z. B. die zweite Phase der
so genannten RELEX-Reform auch tatsächlich in
Angriff genommen wird. Ohne diese Anstrengungen ist
es nicht sehr aussichtsreich, für mehr Stellen in der
Kommission zu werben, auch wenn wir überzeugt davon
sind, dass diese langfristig wirklich benötigt werden.
Lassen Sie mich nun kurz auf einige konkrete Probleme
in den einzelnen Haushaltsbereichen eingehen. Was die
Agrarpolitik, Rubrik 1, betrifft, so setzt sich der
Ausschuss bereits seit mehreren Jahren für eine
prinzipielle Veränderung, eine Weiterentwicklung der
Agrarpolitik ein. Um diesen grundsätzlichen Standpunkt
deutlich zu machen, haben wir sogar die Obergrenze für
die Rubrik 1B, Entwicklung des ländlichen Raums, um
20 Mio. EUR überschritten. Unserer Ansicht nach
sollten nämlich Mittel, insbesondere solche, die als
Überschussbetrag in der Rubrik 1 vorhanden sind, in den
auf eine offensivere Politik ausgerichteten Bereich der
Entwicklung des ländlichen Raums übertragen werden.
Ferner schlagen wir vor, die Beihilfen für die Ausfuhr
lebender Tiere zu senken und gesondert auszuweisen.
Damit würde deutlich, wie viele Mittel tatsächlich für
den Export lebender Tiere aufgewendet werden. Dabei
wird es übrigens sehr interessant sein zu sehen, ob die
Regierungen, die Tiertransporte usw. kritisieren, jetzt
wirklich die Chance ergreifen und der Linie des
Parlaments folgen.
Alle von uns vorgeschlagenen Maßnahmen entsprechen
dem
Vorschlag
der
Kommission
für
eine
Halbzeitbewertung, auch wenn wir das in der
Entschließung eher als Weiterentwicklung der
Agrarpolitik denn als Reform bezeichnen.
Rubrik 2: Strukturausgaben. Das Problem der
Ausführung habe ich bereits angesprochen und werde
mich deshalb nur kurz der Fischereifrage widmen. Ich
habe volles Verständnis dafür, dass der dänische
Ratsvorsitz im Moment der Erweiterung Vorrang
einräumt. Das ist natürlich die wichtigste politische
Frage, aber dennoch muss die Fischereipolitik reformiert
werden. Die EU braucht eine nachhaltige Fischerei, die
langfristig gesehen überleben kann. In Erwartung
konkreter Vorschläge haben wir zwei Dinge
beschlossen. Erstens legen wir fest, dass die Zusage von
weiteren 27 Mio. EUR für die Umstellung der
spanischen und portugiesischen Fischereiflotte vom
vergangenen Jahr einzuhalten ist. Gleichzeitig haben wir
keine Stellung dazu genommen, wie die Finanzierung
dafür im Einzelnen erfolgen soll, sondern werden zu
einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen. Was
die Haushaltslinie für die Fischereireform betrifft, so
haben wir die Aufstellung einer solchen Haushaltslinie
beschlossen, sie aber nicht mit einem konkreten Betrag
versehen. Das wird ein so genannter p.m.-Eintrag.
22/10/2002
In der Rubrik 3, interne Politikbereiche, möchte ich vor
allem die Informationspolitik nennen. Der Vorschlag der
Kommission,
umfassende
Kürzungen
in
der
Informationspolitik durchzuführen, findet nicht unsere
Zustimmung. Wir sind im Gegenteil der Meinung, dass
die Union eine stärkere Unterstützung durch die Bürger
benötigt, was durch die Information gefördert werden
kann. Wir verteilen allerdings die Mittel um, wobei
unsere Prioritäten eindeutig sind: die Erweiterung und
die Zukunft der EU.
Lassen Sie mich auch die externen Einrichtungen
ansprechen, die Agenturen. Hier haben wir uns für eine
restriktive Haltung entschieden und sind in den meisten
Fällen dem Haushaltsentwurf des Rates gefolgt. Das
hängt damit zusammen, dass die Mitgliedstaaten in den
Verwaltungsgremien der Agenturen vertreten sind und
daher den Mittelbedarf dieser Einrichtungen im
Haushaltsentwurf des Rates angemessen berücksichtigen
müssten. Leider müssen wir feststellen, dass dies nicht
immer so ist. Daher glaube ich, dass wir dieses Thema in
der Zukunft noch diskutieren müssen.
Was die Durchführung von Pilotprojekten und
vorbereitenden Maßnahmen betrifft, so haben wir
meines Erachtens einen sehr guten Dialog mit der
Kommission erreicht. Wir bringen jetzt neue Ideen dazu
ein, u. a. einen Vorschlag für ein Pilotprojekt zur
Zusammenarbeit
von
kleinen
und
mittleren
Unternehmen der EU nicht nur mit den Beitrittsländern,
sondern auch mit Ländern wie Russland, den
Balkanstaaten und nordafrikanischen Ländern, von dem
ich glaube, dass es von großer Bedeutung sein wird.
Abschließend möchte ich mich auf die Rubrik 4, die
externen Politikbereiche, konzentrieren. Auf diesem
Gebiet haben wir seit 1999, seit ich in dieses Parlament
gewählt wurde, jedes Jahr denselben Konflikt
auszukämpfen. Rat und Kommission schlagen neue
umfassende Maßnahmen vor, z. B. in Bezug auf den
Balkan und Serbien, in diesem Jahr Afghanistan und den
Global Health Fund, den Kampf gegen AIDS und andere
armutsbedingte
Krankheiten
in
den
Entwicklungsländern. Niemand übernimmt jedoch die
Verantwortung dafür, auch die erforderlichen Mittel
dafür zur Verfügung zu stellen. Das ist doch eine
absurde Situation! Die Obergrenze ist ganz einfach zu
niedrig und die Ausgaben wurden jedes Jahr erhöht,
ohne dass neue Mittel bereit gestellt wurden. Wir haben
in diesem Jahr eine Überschreitung der Höchstgrenze
vorgesehen, wollen dies aber in offener Weise, durch ein
so genanntes asterisk amendment erreichen, wo wir
unter direktem Hinweis auf Afghanistan und den Global
Health Fund 72 Mio. EUR mehr für die Rubrik 4
fordern.
Dieser Vorschlag basiert so weit wie möglich auf einer
Kombination der Prioritäten unserer beiden Ausschüsse,
des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik und des Ausschusses für
Entwicklung und Zusammenarbeit.
41
Dies wird meiner Ansicht nach der Hauptpunkt der
Verhandlungen mit dem Rat zwischen der ersten und
zweiten Lesung sein. Wollen wir den außenpolitischen
Aktivitäten der EU ein annehmbares Gewicht verleihen,
dann müssen wir diese Frage lösen. Das gilt auch für die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Es ist nicht
zu akzeptieren, dass dieser Bereich immer mehr von
Verwaltungsausgaben zu operativen Ausgaben übergeht,
jedoch ohne, dass das Europäische Parlament auf den
Haushaltsplan den Einfluss bezüglich der normalen
Außenbeziehungen geltend machen kann, den es haben
muss. Aus diesem Grunde haben wir für die GASP ein
Mindestniveau von 30 Mio. EUR festgelegt, plus
10 Millionen, die wir aber über das Programm CARDS
eingebracht haben, um die europäische Polizeitruppe in
Bosnien aufbauen zu können. Diese Frage werden wir
sehr ausführlich zwischen der ersten und zweiten Lesung
diskutieren müssen.
Zum Abschluss möchte ich noch daran erinnern, dass
dies der letzte Haushaltsplan einer Europäischen Union
mit 15 Mitgliedstaaten ist. Daher war die Vorbereitung
der Erweiterung bereits in diesem Haushaltsplan
natürlich ein zentraler Schwerpunkt. Es freut mich ganz
besonders, berichten zu können, dass wir die meisten
Probleme im Zusammenhang mit der Erweiterung durch
das Engagement aller Fraktionen und Abgeordneten aller
nationalen Delegationen in großer Einigkeit lösen
konnten. Das empfinde ich als den vielleicht wichtigsten
Erfolg unserer Arbeit in diesem Jahr.
(Beifall)
2-105
Stenmarck (PPE-DE), Berichterstatter.  (SV) Herr
Präsident! Auch ich möchte mich für eine gute
Zusammenarbeit bedanken sowie dafür, dass ich auf
diese Weise an der Erarbeitung des Haushaltsplans 2003
teilnehmen konnte. Danken möchte ich vor allem den
Kollegen des Haushaltsausschusses, dem sehr
kompetenten Sekretariat des Haushaltsausschusses, dem
Präsidium, dem Präsidenten der heutigen Sitzung und
nicht zuletzt der Kommission, dem Rat und einer äußerst
pragmatischen
und
engagierten
dänischen
Ratspräsidentschaft.
Während des gesamten laufenden Jahres waren die
Verwaltungsausgaben der EU, die wir als Rubrik 5
bezeichnen, das große Problem. Anfang des Jahres
hatten wir ein erhebliches prognostiziertes Defizit im
Haushaltsplan 2003, wobei von einer Größenordnung
von 140 Mio. EUR die Rede war. Dieses Defizit haben
wir im Laufe des Frühjahrs in verschiedenen Phasen
abgebaut. Dennoch hat die Kommission in ihrem
Haushaltsvorentwurf vorgeschlagen, das so genannte
Flexibilitätsinstrument in Höhe von 66 Mio. EUR in
Anspruch zu nehmen, vor allem um die Ausgaben der
Kommission zur Vorbereitung der Erweiterung zu
decken.
Sowohl Rat als auch Parlament haben sich aus
verschiedenen Gründen einer solchen Lösung widersetzt.
42
Erstens, weil es schwer einzusehen ist, dass ein
Verwaltungshaushalt
ein
Grund
für
die
Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments sein
könnte. Man kann wohl kaum behaupten, dass hier
plötzlich Ausgaben angefallen seien oder die
Erweiterung unvermittelt über uns hereingebrochen sei.
Zweitens würde auf diese Weise, zusammen mit den
anderen Bereichen, für die das Flexibilitätsinstrument
bereits eingesetzt worden ist, bereits die Hälfte dieses
Instruments verwendet werden. Damit wäre eine
Nutzung für andere Gebiete, auf denen es vermutlich
wesentlich dringender benötigt würde, unmöglich
gemacht.
Drittens, und das ist für verantwortungsvolle Politiker
ein nicht unwichtiger Punkt, sind die Haushaltsrahmen
dazu da, eingehalten zu werden, auch wenn man mit
einem gewissen Recht behaupten kann, dass gerade der
EU-Haushaltsplan zu strikt ist.
Bei der Übereinkunft zwischen Rat und Parlament, die
am 19. Juli und damit so früh wie noch nie erzielt wurde,
haben wir zumindest drei Dinge erreicht. Wir haben den
Gesamthaushaltsplan geschlossen und dabei die
vorgegebene Obergrenze für die Rubrik 5 respektiert.
Wir wussten, welchen Umfang der Haushaltsplan des
Rates haben würde und haben den Haushaltsplan des
Europäischen Parlaments begrenzt. Innerhalb dieser
Rahmen konnten die Prioritäten berücksichtigt werden,
hinter die sich das Parlament bereits in den Leitlinien
gestellt hatte und die hauptsächlich zwei Dinge
betreffen. Die erste und wichtigste Priorität ist natürlich
die Erweiterung. Wenn die Mitgliedstaaten auf dem
Gipfel von Kopenhagen im Dezember ihre Zusage
erfüllen und zehn neue Mitglieder aufnehmen und wenn
dann im März die Verträge unterzeichnet werden, dann
wissen wir in Anbetracht der zuvor getroffenen
Beschlüsse ja heute bereits, dass schon im April des
nächsten Jahres 147 Beobachter aus diesen Ländern ihre
Plätze hier im Europäischen Parlament einnehmen
können. Bis dahin werden die erforderlichen
Entscheidungen im Hinblick auf Grundstücke,
Räumlichkeiten usw. getroffen sein.
Die zweite Priorität betraf die Durchführung der
erforderlichen Reformen, die mit oder ohne Erweiterung
notwendig werden, insbesondere was das Parlament
betrifft. Dabei geht es vor allem um Schlüsselbereiche,
bei denen jedes Parlament, sei es ein nationales oder das
Europäische Parlament, eine starke Position haben muss.
Für das Europäische Parlament gilt vor allem, die
Haushaltstruktur zu verstärken, das betrifft nicht nur den
Haushaltsausschuss, sondern auch die Unterstützung
aller anderer Ausschüsse in ihrer wichtigen
Haushaltsarbeit. Ferner muss die legislative Funktion
des Parlaments gestärkt werden. Dieses Parlament hat in
sehr kurzer Zeit erhebliche legislative Befugnisse
erhalten, weshalb sich nun auch die Bedingungen für die
Wahrnehmung dieser Befugnisse verbessern müssen.
Nachdem dies klar war, gab es im Rahmen des
Haushaltsplans 2003 noch zwei wichtige Dinge zu lösen.
22/10/2002
Das war zum einen die Aufteilung auf die Institutionen,
auch hier hatte die kommende Erweiterung höchste
Priorität, und zum anderen die Lösung der noch offenen
Probleme der Kommission hinsichtlich der Finanzierung
der Vorbereitungen für die Erweiterung. Letzteres ist
von besonderer Bedeutung, da nach der Konzertierung
eine Partei als Verlierer dastand, nämlich die
Kommission. Bereits in der Konzertierungsphase hatten
Rat und Parlament ausdrücklich ihre Unterstützung für
die Lösung der Probleme der Kommission im
Zusammenhang mit der Erweiterung zugesagt, eine
Zusage, die dann bei verschiedenen Gelegenheiten,
sowohl durch mich als auch durch andere Vertreter von
Rat und Parlament wiederholt worden ist. In diesem
Zusammenhang kommt der Begriff „Frontloading“ ins
Spiel, als ein von uns anzuwendendes Instrument.
Dabei müssen wir in einem ersten Schritt ermitteln, wie
viele Gelder im laufenden Haushalt, d. h. für das Jahr
2002, in den einzelnen Institutionen noch übrig sind.
Diese Mittel können wir dann in einem zweiten Schritt
verwenden, um den Druck auf den Haushaltsplan 2003
zu mildern und sie an die Kommission zu übertragen,
damit die Kosten für die Vorbereitung der Erweiterung
gedeckt sind.
Bei einem Treffen mit den Generalsekretären aller
Institutionen bekamen wir auf diese Weise einen
Gesamtbetrag in Höhe von ca. 77 Mio. EUR zusammen,
die in den Institutionen ungenutzt waren. Der
Höchstbetrag, den die Kommission für die Vorbereitung
der Erweiterung nutzen kann, beträgt damit etwa
72 Mio. EUR.
Lassen Sie mich noch einige Worte zum eigenen Anteil
des Parlaments an diesem „Frontloading“ sagen. Laut
dem Vorschlag, dem gestern Abend sowohl der
Haushaltsausschuss als auch das Präsidium des
Parlaments zugestimmt haben, beträgt dieser für das
laufende Jahr 43 Mio. EUR. Diese Mittel hätten
eigentlich, entsprechend der vom Parlament bisher
praktizierten vorausschauenden Mittelverwendung, für
vorzeitige Abzahlungen für die Immobilien des
Parlaments verwendet werden sollen. Das werden wir
nun um ein Jahr aufschieben. Damit ist auch gesagt, dass
wir Teile davon ein Jahr später zurückbekommen
werden, d. h. von den 43 Mio. EUR, die wir auf diese
Weise an die Kommission übertragen, werden wir 2003,
entsprechend dem Vorschlag, über den wir heute
entscheiden müssen, 35 Mio. EUR zurückerhalten. In
diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass der
ursprüngliche Vorschlag bei 40 Mio. EUR lag. Wir
befürworten nun eine Änderung auf 35 Mio. EUR.
Somit wird der Anteil des Parlaments am
„Frontloading“, über zwei Haushaltsjahre hinweg
betrachtet, 8 Mio. EUR betragen, ein Betrag, der
großzügig bemessen ist, aber gleichzeitig im Vergleich
zu allen übrigen Institutionen wohl abgewogen ist.
Es zeigt sich meines Erachtens, dass das „Frontloading“
sich erfolgreich durchsetzt und zukünftig auch in
anderen Zusammenhängen angewendet werden könnte,
22/10/2002
denn es schafft die Möglichkeit, einen Haushaltsplan
über mehrere Jahre zu erstrecken und die Mittel optimal
zu nutzen.
Ich habe bereits erwähnt, dass wir der Kommission
versprochen haben, sie bei der Lösung der Probleme
hinsichtlich der Kosten für die Vorbereitung der
Erweiterung zu unterstützen. Ein Versprechen ist ein
Versprechen und muss bekanntlich gehalten werden!
Nun haben wir also das „Frontloading“ durchgeführt,
das uns die Möglichkeit gibt, unsere Zusagen
einzuhalten. Das ist ein gutes Gefühl.
Für mich geht es dabei auch um eine Art Investition in
gute Beziehungen. Die Erweiterung wird nur gelingen,
wenn wir erkennen, dass wir in der Tat alle gemeinsam
daran arbeiten müssen, denn sie ist eine gemeinsam
übernommene Verpflichtung. Ich als Berichterstatter bin
äußerst dankbar für das Engagement aller Institutionen,
großer wie kleiner, bei der Lösung dieser äußerst
komplizierten Situation.
(Beifall)
2-106
Schreyer, Kommission. – Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Berichterstatter, sehr geehrte Abgeordnete!
Nach dem positiven Ausgang des Referendums in Irland
sind wir der Erweiterung der Europäischen Union einen
Riesenschritt näher. Nun liegt es am Rat, in dieser
Woche auf dem Gipfel von Brüssel eine gemeinsame
Verhandlungsposition für die Finanzierungsfragen zu
finden, also dafür, wie viel Mittel ab 2004 für die neuen
Mitgliedstaaten in den Haushalt der Europäischen Union
eingestellt werden können.
Auch daran wird noch einmal deutlich, dass der
Haushalt 2003 sehr wahrscheinlich der letzte Haushalt
für eine Union von 15 Mitgliedstaaten sein wird. Wir
stehen also mehr oder weniger am Vorabend der
Erweiterung. Deshalb wird das Haushaltsjahr 2003 nicht
nur
für
die
Kandidatenstaaten
weitere
Herausforderungen beinhalten, sondern für alle
Europäischen Institutionen, die sich vorbereiten müssen.
Hier hatte es ja schwer wiegende Differenzen zwischen
dem Rat und der Kommission gegeben, weil der Rat nur
sich selbst zusätzliche Stellen für das Jahr 2003 zur
Vorbereitung auf die Erweiterung gebilligt hatte, dies
aber für die Kommission abgelehnt hatte.
Umso unverständlicher ist es auch, dass der Rat in seiner
Vorbereitung des Brüsseler Gipfels immer wieder
deutlich macht, welche Erwartungen er an die
Kommission für das Jahr 2003 in Bezug auf die
Vorbereitung der Erweiterung richtet, z. B. im Bereich
der Strukturfonds. Aber das braucht natürlich auch
Personal. Umso mehr weiß es die Kommission zu
schätzen, dass das Europäische Parlament die Initiative
ergriffen hat, um die Anfragen der Kommission dennoch
zu sichern.
Ich spreche den Berichterstattern, insbesondere Herrn
Stenmarck und Herrn Färm, meinen Respekt aus, dass
43
sie sich nicht nur mit der Idee des „Frontloading“
durchgesetzt haben, sondern nun auch Schritt für Schritt
seine Umsetzung wirklich mit Vehemenz vorantreiben.
Ich bedanke mich auch sehr für Ihre Worte, Herr
Stenmarck. Sie haben das Versprechen gegeben und Sie
realisieren es auch. Wir wissen es in der Tat zu schätzen.
Noch einmal meinen herzlichsten Dank im Namen der
Kommission an die Berichterstatter und an den
Haushaltsausschuss. Diese Idee wird nun in Form eines
interinstitutionellen Berichtigungshaushalts realisiert
werden, und schon allein diese Tatsache, dass es einen
interinstitutionellen Berichtigungshaushalt gibt, verdient
Beachtung. Also, vielen Dank für die Unterstützung!
Ein Wort zu den Ausgaben zur Agrarpolitik. Sie wissen,
dass die Kommission die gleiche Linie verfolgt wie das
Europäische Parlament, nämlich eine Umstrukturierung
der marktbezogenen Ausgaben und Marktorganisation
hin zu einer Stärkung der Förderung des ländlichen
Raums. Die Kommission hat im Rahmen ihrer midterm
review-Vorschläge
genau
dieses
Thema
zum
Kernbestandteil gemacht. Wir können allerdings nicht
zustimmen, dass diese Vorschläge bereits jetzt
umgesetzt werden, da die Regelungen dies noch
ausschließen und eine Aufstockung der Mittel bei dem
Programm zur Förderung des ländlichen Raums über das
hinausgehen, was derzeit in der Finanzplanung dafür
vorgesehen ist.
Sie schlagen aber auch eine weitere Änderung vor - und
Sie, Herr Färm, haben es eben noch einmal betont -,
nämlich die Haushaltslinien für die Exporterstattung von
Tieren zu teilen, um die Erstattungen für lebende Tiere
extra ausweisen zu können. Ich bin der Meinung, das
kann in der Tat erwogen werden, soweit es die geltenden
Rechtsgrundlagen zulassen. Das von Ihnen damit
verfolgte Anliegen, nämlich mehr Tierschutz zu haben,
teile ich und teilt auch die Kommission voll und ganz.
Ein Drittel des Budgets wird im nächsten Jahr für die
Strukturpolitik wieder zur Verfügung stehen. Über die
Durchführung der Strukturfondsprogramme wurde in der
Plenarsitzung vom September debattiert, und Herr Färm
hat hierzu noch einmal klare Aussagen gemacht.
Sie sprechen sich nachdrücklich dafür aus, dass die
Verfahren vereinfacht werden sollen, damit die
Mitgliedstaaten schneller und einfacher die Mittel
abrufen können. Mein hierfür zuständiger Kollege, Herr
Barnier, hat hierzu ein Seminar durchgeführt, um zu
eruieren, welche Möglichkeiten bestehen. Es wurde
damit auch noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass
die Kommission in dieser Frage sehr engagiert ist. Aber
es bedarf natürlich auch der Mitarbeit der
Mitgliedstaaten, und es ist schlichtweg nicht zufrieden
stellend,
wenn
die
Vorausschätzungen
der
Mitgliedstaaten darüber, wie viel sie nun in einem Jahr
an Strukturfondsmitteln umsetzen, also gebrauchen
können, so sehr neben der Realität liegen, wie sie in den
vergangenen Jahren daneben gelegen haben. In diesem
Punkt muss ich auch darauf hinweisen, dass wir
natürlich gemeinsam prüfen müssen, ob die erhöhten
Mittelansätze, die das Parlament hier vorschlägt, für die
Strukturfonds im nächsten Jahr vonnöten sind.
44
Den
vorgeschlagenen
Änderungen
des
Haushaltsausschusses bei den Mitteln für die internen
Politiken kann sich die Kommission weitgehend
anschließen, zum Beispiel den Maßnahmen zugunsten
der Einwanderungs- und Asylpolitik und den
Maßnahmen zugunsten der kleinen - und mittleren
Unternehmen und dem Vorschlag im Bereich der
Informationspolitik.
Was das außenpolitische Budget angeht, kann ich
allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht ganz
Übereinstimmung feststellen, beispielsweise beim
Global Health Fund zur Bekämpfung zum Beispiel von
Aids. Es gibt selbstverständlich keine Zweifel daran,
dass die Kommission die Wichtigkeit dieses weltweiten
Fonds sehr hoch einschätzt. Es geht jetzt nur darum, wie
viele Mittel für 2003 vonnöten sind, und auch darum,
wie diese Mittel aufzubringen sind. Die Kommission
schlägt nach wie vor vor, dass die Mittel zur Hälfte aus
dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden
sollten. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal
betonen, dass der weitaus größte Teil der Mittel für
diesen weltweiten Fonds bisher von der Europäischen
Union aufgebracht wurde, das heißt einerseits aus
Gemeinschaftsmitteln, andererseits aus bilateralen
Mitteln der Mitgliedstaaten. Ein Schwerpunkt im
auswärtigen Budget bleibt die Hilfe für die Länder des
Balkans. Neu im Haushalt 2003 werden die Mittel für
die gemeinsamen Polizeimissionen in Bosnien sein. Die
Kommission hatte deshalb für die gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik eine Aufstockung um 10
Millionen Euro vorgesehen. Diese Aufstockung soll
nach dem Vorschlag des Parlaments wieder rückgängig
gemacht werden – oder sagen wir, jetzt noch nicht
eingeplant werden. Ich bin mir aber sicher, dass bis zur
zweiten Lesung des Haushalts eine Lösung gefunden
werden kann, wie die Finanzierung dieser wichtigen
außenpolitischen Aktion gesichert werden kann.
In Bezug auf die neue Herausforderung für den EUHaushalt – nämlich maßgebliche Hilfe für Afghanistan
bereitzustellen – begrüßt es die Kommission, dass der
Haushaltsausschuss sich darauf verständig hat, eine
Extra-Haushaltszeile einzurichten. Wir begrüßen das
auch
deshalb,
weil
sich
diese
Aufgabe
„Finanzierungshilfe Afghanistan“ natürlich über die
nächsten Jahre im Haushalt wiederfinden sollte. Aber
gerade deshalb sind wir der Meinung, dass sich diese
Finanzierungen regulär im Haushalt befinden, und nicht
erst durch die Mobilisierung der Flexibilitätsreserve
gesichert werden sollte. Allerdings sieht die
Kommission nach wie vor weiterhin die Notwendigkeit
der Nutzung der Flexibilitätsreserve, nicht zuletzt auch,
um das Thema Fischereireformen im nächsten Jahr
finanziell abzusichern und Portugal und Spanien die
notwendigen restlichen Mittel für die Umstrukturierung
der Fischereiflotte zur Verfügung zu stellen.
Nach dem Vorschlag des Parlaments würde der Haushalt
2003 in Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung
aller Mitgliedstaaten 1,05 % betragen, also die gleiche
Höhe haben wie in diesem Jahr. Ich erwähne das
22/10/2002
deshalb, weil die Debatten im Hinblick auf den Gipfel in
Brüssel ja noch sehr strittig sind. Aber nach dem
Vorschlag, der für die Finanzierung der Erweiterung in
den Jahren 2004, 2005 und 2006 auf dem Tisch liegt,
wird dieser Anteil des europäischen Haushaltes an der
europäischen Wirtschaftsleistung auch mit weiteren zehn
Mitgliedern nicht wieder auf eine Höhe steigen, wie es
Mitte der neunziger Jahre der Fall war.
Wenn wir das noch einmal reflektieren - welche Höhe
das europäische Budget hat, und welche geringfügige
Erhöhung durch die Erweiterung jetzt vorgesehen ist -,
dann muss ich doch sagen, dass der Streit, der jetzt
geführt wird, meines Erachtens nicht ganz gerechtfertigt
erscheint, sondern die Gefahr besteht, dass man sich bei
Finanzierungsfragen sehr stark an Einzelfragen
festklammert und vielleicht auch festbeißt. Wir sollten
aber im Auge behalten, dass die Erweiterung der
Europäischen Union eine sehr gute - eine sehr gute! Investition in die Zukunft ist. In dem Sinne möchte ich
auch an dieser Stelle an die Staats- und Regierungschefs
appellieren, nun auch in Brüssel zu einem gemeinsamen
Standpunkt zu kommen, damit gerade nach dem
positiven Votum in Irland der Fahrplan für die
Erweiterung weiterhin gut eingehalten werden kann.
(Beifall)
2-107
Elles (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich schließe
mich meinen Vorrednern an und danke Herrn Färm und
Herrn Stenmarck, unserem Respekt einflößendem Duo,
für die ausgezeichnete Arbeit, die sie im Verlaufe dieses
Haushaltsverfahrens im Auftrag des Parlaments geleistet
haben.
Beide haben verdeutlicht, dass wir jetzt bei unseren
Überlegungen von einer Union ausgehen müssen, die
demnächst mindestens 25 Länder umfassen wird.
Sowohl für das Parlament als auch für die Kommission
liegt die Betonung bei diesem Haushalt auf der
Erweiterung. Ich möchte dazu einen persönlichen
Gedanken äußern. Ich hoffe, dass wir künftig zu viele
Volksbefragungen und Abstimmungen zu bestimmten
Themen vermeiden können. Es könnte sonst in diesem
Haus zur Gewohnheit werden, dass wir einen Beschluss
fassen und dann überlegen, ob wir nicht noch einmal
abstimmen sollten, weil wir das falsche Ergebnis erzielt
haben.
Damit komme ich zum Haushalt des Parlaments und
zum Haushalt der Kommission. Unsere Fraktion hat für
beide Haushalte eine Strategie erarbeitet, die sich im
Wesentlichen
mit
dem
jetzigen
Stand
des
Haushaltsverfahrens deckt.
Was den Haushalt des Parlaments betrifft, so möchten
wir unterstreichen, dass die Mittel für FreelanceÜbersetzungen aufgestockt werden sollten, denn dies
wird in den kommenden Jahren ein bedeutender Faktor
sein. Wir freuen uns, dass die Vorruhestandsregelung
auf die Fraktionen ausgedehnt wurde, und möchten dem
Rat – auch wenn er heute Nachmittag nicht anwesend ist
22/10/2002
– dafür danken. Wir fordern umfassende Transparenz
und die öffentliche Beratung aller Rechtsakte im Rat.
Diese Punkte werden von unserer gesamten Fraktion
unterstützt.
Im Hinblick auf den Haushalt der Kommission möchte
ich vier wichtige Punkte ansprechen. Was erstens
Zahlungen und Rückstände anbelangt, so fordern wir
konsequente Bemühungen um den Abbau der bereits
gebundenen 110 Milliarden Euro. Wie aus dem
Entschließungsentwurf hervorgeht, fordern wir die
Kommission auf, in einem Bericht darzustellen, wie sie
gedenkt, das Ziel des Abbaus der noch abzuwickelnden
Mittelbindungen zu erreichen.
Der zweite Punkt betrifft die internen Politikbereiche.
Hier streben wir ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis
an und fordern daher, dass ein Teil der für die
Informationspolitik vorgesehenen Mittel in die Reserve
eingestellt wird, weil wir an weiteren Einsparungen bei
den Verwaltungs- und Humanressourcen interessiert
sind. Dazu erwarten wir bis zum 30. April 2003 einen
Bericht von der Kommission.
Der dritte Punkt betrifft die externen Politikbereiche, in
denen die Rechenschaftspflicht zu verbessern ist.
Deshalb unterstützen wir den Aufruf unseres
Berichterstatters nach genaueren Angaben zur
Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Rat,
Parlament und Kommission im Hinblick auf die
Ausgaben für die Außen- und Sicherheitspolitik. Wissen
möchten wir ferner, mit welchen Arten von Ausgaben
der Rat in den nächsten fünf Jahren rechnet, weil wir wie
der Berichterstatter der Ansicht sind, dass es bedenklich
wäre, davon auszugehen, dass der Rat hohe Beträge
ausgibt, die nicht der üblichen Verwendung und
Kontrolle unterliegen.
Außerdem fordern wir die Kommission auf, nun endlich
gezielte Überlegungen anzustellen. In der Kommission
scheint sich hinsichtlich der Aufstellung von Prioritäten
für die künftige Gestaltung unserer Außen- und
Sicherheitspolitik eine gewisse Lethargie breit zu
machen.
Abschließend stelle ich im Namen meiner Fraktion fest,
dass uns sehr am Abschluss des Reformprozesses
gelegen ist. Außerdem müssen wir prüfen, wie dieser
Prozess durchgeführt wird. Wir sind davon überzeugt,
dass Fortschritte erzielt wurden, wir sind aber noch nicht
davon überzeugt, dass dieses ganze Reformprogramm
auch umgesetzt werden wird. Wir möchten wissen, was
die Kommission tut, um die Öffentlichkeit für diese
Reformen zu gewinnen und um zu gewährleisten, dass
diese bis Ende des nächsten Jahres, so wie im jüngsten
Reformdokument
der
Kommission
dargelegt,
abgeschlossen werden.
Doch bevor wir neuen Stellen zustimmen, wollen wir
uns davon überzeugen, dass die Voraussetzungen für die
Reformen geschaffen wurden und dass Sie selbst davon
überzeugt sind, dass der Reformprozess zum Abschluss
45
gebracht werden wird. Gelingt uns dies nicht vor Ablauf
der derzeitigen Legislaturperiode des Parlaments und der
Kommission, würden wir damit die unseren Wählern
gegebenen Versprechen hinsichtlich der Durchführung
echter institutioneller Reformen brechen.
2-108
Walter (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte auch
ich mich natürlich bei unseren beiden Berichterstattern
bedanken. Es war eine schwedische Erfahrung, die das
Parlament gemacht hat und ich glaube, es war eine gute
Erfahrung, denn sie war auf Konsens angelegt und
ebenso einfallsreich wie flexibel, denn es wurden auch
einmal strukturelle Aspekte unter die Lupe genommen.
Dieses Haushaltsverfahren hat sicherlich auch
strukturelle Begleiterscheinungen, die man gründlich
prüfen muss.
Unter diesem Blickwinkel möchte ich auch Folgendes
anmerken: Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass
dies der letzte Haushalt vor der Erweiterung ist, der nur
für 15 Länder gelten wird. Dies ist aber auch, so hoffe
ich, einer der letzten Haushalte, bevor der Konvent dann
tatsächlich dazu kommt, uns, dem Parlament, zumindest
mittelfristig ein volles Haushaltsrecht sowohl für alle
Arten der Ausgabenpolitik als auch für die
Einnahmenpolitik zu geben. Das ist eine Forderung, die
wir gestellt haben. Sie wissen, dass ich diese Forderung
auch in jedem Haushaltsverfahren erhoben habe ceterum censeo, sage ich an dieser Stelle nur. Ich glaube,
es ist wichtig, dass wir hier auch zu einer
Demokratisierung des Haushaltsverfahrens beitragen.
Der Haushalt, so wie wir ihn jetzt aufstellen, zeichnet
sich dadurch aus, dass wir im Haushaltsverfahren selbst
während der Beratungen sehr hart miteinander streiten,
um jede einzelne Million, zum Teil um jeden Tausender,
dass wir aber im Verlauf des Jahres immer wieder sehr
viel umschichten, neu arrangieren müssen. Allein in
diesem Jahr werden wir wahrscheinlich sechs Nachtragsund Berichtigungshaushalte aufstellen. Wir werden 70
bis 80 Mittelübertragungen haben, d. h. wir müssen hier
sehr vieles umschichten. Wir sind nicht nur in diesem
Jahr, sondern auch schon in den Vorjahren während des
Haushaltsverfahrens und ganz zum Ende des Jahres dazu
übergegangen, durch „Frontloading“ Dinge zu
finanzieren, die eigentlich ins nächste Jahr fallen
würden. Wir zeigen durch diesen Pragmatismus, dass
wir bereit sind, die Notwendigkeiten der europäischen
Politik zu finanzieren, aber auch, dass wir zu Beginn des
Jahres einen Haushalt beschlossen haben, der zum
Schluss so viel Flexibilität und Spielraum hergibt, dass
er am Ende des Jahres eben nicht mehr so verlässlich ist,
wie man es sich anfangs gewünscht hat und wie man
hätte glauben müssen, nachdem wir zum Teil über
bestimmte Dinge so heftig gestritten haben. Das heißt,
grundsätzlich ist diese Form des Haushaltens zumindest
überdenkenswert. Das sollten wir in den nächsten
Wochen, Monaten und Jahren ins Kalkül ziehen, wenn
wir die Haushaltspolitik weiterentwickeln.
46
Der Haushalt für 2003 ist, wie die Kommissarin gesagt
hat, ein sparsamer. Wir werden 1,05 % des
Bruttosozialprodukts aufwenden, um all die Aufgaben,
die uns in der Europäischen Union gestellt sind, zu
bewältigen.
Wenn man sich die Situation der so oft debattierten
Nettozahlerländer anschaut, so muss man feststellen,
dass selbst die größten Nettozahler nicht mehr als 0,3 bis
0,7 % ihres Bruttosozialprodukts zahlen. Das sind
zwischen 0,3 % für mein eigenes Land und 0,7 % des
Bruttosozialprodukts, um diese europäische Politik zu
finanzieren. 0,3 % für Deutschland!
Dies zu der heftigen Debatte, die wir immer haben, wie
teuer das doch alles sei! Wir versuchen im Rahmen des
Haushaltens, mit unseren Mitteln sparsam umzugehen.
Wir achten darauf, dass die Balancen gewahrt werden.
Das wird auch die Aufgabe der Zukunft sein - zunächst
einmal die Balancen auf diesem Kontinent. Wir
brauchen langfristig ein finanzielles Gleichgewicht in
Europa. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere
Institutionen funktionsfähig sind, auch unter dem
Blickwinkel der Erweiterung, auch unter dem
Blickwinkel der Alterung unserer Institutionen und der
gesamten Europäischen Union. Dies sind langfristige
Aufgaben.
Wir müssen darauf achten, dass die Menschen in
Europa, die auf uns vertrauen, mit einem finanziellen
Gleichgewicht rechnen können und nicht von
kurzfristigen Veränderungen überfahren werden. Ich
sage das ganz ausdrücklich für den Bereich der
Agrarwirtschaft, aber auch für den Bereich der
Regionalpolitik. Wir sind auch interessiert daran, dass
im Bereich der Regionalpolitik reformiert wird, dass
Rückstände abgebaut werden. Dazu möchte ich jedoch
anmerken, Frau Kommissarin: Es reicht nicht, wenn
Herr Barnier im Bereich der Strukturfonds prüft, wie die
Bürokratie abgebaut werden kann. Das ist ein Thema,
das für alle Zuschussprogramme der Europäischen
Union gilt. Ich wäre froh, wenn die anderen betroffenen
Kommissare sich ähnlich verhalten würden.
Wir brauchen also eine Balance auf dem Kontinent. Wir
brauchen aber auch als Europäer ein Gleichgewicht
zwischen den Kontinenten, denn wir sind keine Insel der
Glückseligen, sondern zwischen den Kontinenten gibt es
ja Beziehungen. Wir haben in den vergangenen Jahren
über unsere Außenpolitik immer wieder dazu
beigetragen, auch in anderen Regionen der Welt
Hilfestellung zu leisten. Das ist immer schwerer
geworden, weil zu dem, was wir uns ursprünglich
vorgenommen hatten, ständig neue Aufgaben
hinzukamen: Finanzierung, Wiederaufbau, der Balkan,
die Finanzierung des Wiederaufbaus in Afghanistan,
aber auch die große Aufgabe der Weltgesundheit,
nämlich die Bekämpfung von Aids. Das ist kein Thema
nur für Afrika, sondern es ist ein Thema für die gesamte
Welt und auch für den europäischen Kontinent. Dafür
muss Geld bereitgestellt werden.
22/10/2002
Über die Finanzierung, Frau Schreyer, können wir uns
unterhalten, aber es ist wohl unbestreitbar, dass wir hier
eine Verantwortung haben, der wir gerecht werden
müssen. Dies alles zu bewältigen, ist schwierig. Die
Kategorie 4 hat uns in diesem Jahr wie in den
vergangenen Jahren große Probleme bereitet. Wir
werden flexibel sein, um alle Probleme aus der Welt zu
schaffen. Eines aber wollen wir deutlich machen: Die
europäischen Bürgerinnen und Bürger können sich
darauf verlassen, dass wir auf ihre Interessen auf diesem
Kontinent achten. Wir schauen aber auch darauf, dass
dieser Kontinent in der gesamten Welt eine angemessene
Position innehat. Wir werden sparsam, solide, aber auch
zukunftsorientiert mit ihnen zusammen haushalten.
(Beifall)
2-109
Virrankoski (ELDR). – (FI) Herr Präsident, gestatten
Sie mir zunächst, den Haushaltsberichterstattern, Herrn
Göran Färm und Herrn Per Stenmarck, für ihre fundierte
und konstruktive Arbeit zu danken. Ebenso danken
möchte
ich
auch
dem
Vorsitzenden
des
Haushaltsausschusses, Herrn Terence Wynn. Ich danke
auch dem dänischen Vorsitz für die hervorragende
Zusammenarbeit sowie Frau Michaele Schreyer. Der
Haushaltsentwurf entspricht im wesentlichen den
Forderungen der Fraktion der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas. Er ist sparsam und
diszipliniert, und der Anteil der Zahlungsmittel beträgt
nur 1,04 % des Bruttoinlandsprodukts, gegenüber
1,08 %, die in der Finanziellen Vorausschau angesetzt
waren. Der Haushalt enthält somit eine freie
Finanzspitze von über drei Milliarden Euro.
Der hier vorliegende Haushaltsentwurf liegt auch in
Form eines tätigkeitsbezogenen Haushalts vor. Dies hat
mit der Reform der Verwaltung der Kommission zu tun.
Bislang ist bereits die Haushaltsordnung neu gefasst
worden, die zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten
wird. Darin enthalten ist eine Überarbeitung des Statuts
für die Bediensteten der Europäischen Union, die
gegenwärtig im Parlament behandelt wird. Es handelt
sich dabei um ein umfassendes Reformpaket, welches
die
Verwaltung
effizienter
machen,
die
Entscheidungsgewalt nach unten verlagern und die
persönliche Verantwortung präzisieren soll. Es sind dies
Zielstellungen, die unsere Fraktion von ganzem Herzen
befürwortet.
Die zweifelsfrei oberste Priorität des Haushalts ist die
Erweiterung. Dieser Haushaltsplan ist augenscheinlich
der letzte, der für eine Union von fünfzehn
Mitgliedstaaten aufgestellt wird. Er enthält eine Reihe
sehr
entscheidender
Haushaltsansätze.
Der
Haushaltsausschuss empfiehlt, zusätzliche 699 Millionen
Euro
an
Heranführungsbeihilfen
für
die
Beitrittskandidaten bereitzustellen, um es diesen zu
erleichtern, sich auf die Anforderungen der
Mitgliedschaft einzustellen.
Das Problem in bezug auf den Verwaltungshaushalt ist
die unzureichende Bewegungsfreiheit in Rubrik 5. Aus
22/10/2002
diesem Grunde haben einige Organe damit begonnen,
Mittel
aus
dem
diesjährigen
Haushalt
zusammenzutragen, um die Kosten der Erweiterung
bereits im Voraus bezahlen zu können. Das Parlament
beabsichtigt beispielsweise, der Kommission 43
Millionen Euro zu leihen, der Rat 18 Millionen Euro.
Das zeigt, dass die Zusammenarbeit beispielhaft ist, und
mein
besonderer
Dank
dafür
gilt
dem
Haushaltsberichterstatter, Herrn Per Stenmarck.
Das größte Problem bei der Haushaltsführung der EU
sind
die
nicht
zahlbar
gemachten
Verpflichtungsermächtigungen
und
die
nicht
ausgeschöpften Zahlungsmittel. Der Umfang der nicht
zahlbar gemachten Verpflichtungsermächtigungen ist
bereits auf 107 Milliarden Euro angewachsen, was mehr
ist als der gesamte EU-Haushalt für ein Jahr. Der Grund
dafür liegt in der unzureichenden Verwendung der
Zahlungsmittel. Dies betrifft insbesondere die
Strukturfonds und die externen Politikbereiche.
18 Milliarden Euro an Zahlungsmitteln sind im
vergangenen Jahr nicht ausgeschöpft worden, im Jahr
davor waren es 11 Milliarden Euro. Minderausgaben in
einem solchen Ausmaß untergraben die gesamte EUHaushaltsführung in bedrohlichem Maße. Im Bereich
der Strukturfonds betrug der Umfang der nicht zahlbar
gemachten Verpflichtungsermächtigungen im Frühjahr
dieses Jahres 80 Milliarden Euro. Dessen ungeachtet hat
der Rat den von der Kommission vorgeschlagenen
Ansatz für die Zahlungsmittel verringert. Der
Haushaltsausschuss hat aus diesem Grunde den Umfang
der Zahlungsmittel um über eine Milliarde Euro
angehoben.
Unsere Fraktion fordert eine drastische Vereinfachung
der
Verwaltung
der
Strukturfonds.
Unter
Berücksichtigung der hier vorgetragenen Anmerkungen
sind wir bereit, dem Entwurf des Haushaltsplans
zuzustimmen.
2-110
Seppänen (GUE/NGL). – (FI) Herr Präsident, es gibt
Verträge, die deshalb als dumm zu bezeichnen sind, weil
sind nicht flexibel sind. Das ist auch der Grund, warum
von maßgeblicher Stelle aus erklärt wurde, der
Stabilitäts- und Wachstumspakt sei stupid, also dumm.
Einige Abgeordnete in unserer Fraktion aus Frankreich,
Deutschland und Portugal dürften derselben Meinung
sein, ebenso vielleicht auch einige italienische. Dumm
ist aber auch die im Mai 1999 verabschiedete
Interinstitutionelle Vereinbarung zur Haushaltsdisziplin.
Diese Vereinbarung war der letzte Dienst, den das
vorige Parlament dem jetzigen erwiesen hat. Dieser
dummen Vereinbarung ist es zu verdanken, dass das
Europäische Parlament im Bereich der Haushaltspolitik
faktisch machtlos ist. Alles was wir tun können ist
herumzusitzen, Erbsen zu zählen und uns mit
belanglosen Verwaltungsfragen herumzuschlagen.
Zum Stabilitäts- und Wachstumspakt hat Herr Prodi
gesagt, dass die Realität, die diesem Vertrag zugrunde
liegt, vielschichtig sei und dass die Organe der EU diese
Vielschichtigkeit berücksichtigen und entsprechend
47
flexibel agieren müssten. Das gleiche muss auch für die
Interinstitutionelle Vereinbarung zur Haushaltsdisziplin
gelten. Besonders dumm, was die Inflexibilität angeht,
ist Rubrik 4, in der im wesentlichen die externen
Politikbereiche zusammengefasst sind. Wir alle wissen,
jeder in diesem Hause weiß, dass der Haushalt in diesem
Sinne
nur
„quasi“-angespannt
ist.
In
der
Interinstitutionellen
Vereinbarung
wurde
eine
Obergrenze vereinbart, die der Rat nicht zu
flexibilisieren bereit ist. Das Parlament stand und steht
jetzt vor der ungemein schwierigen Aufgabe, die neuen
Prioritäten, die sowohl Parlament als auch Rat für
wesentlich halten, unterhalb der im Jahre 1999
festgesetzten Obergrenze unterzubringen. Bei den
Verhandlungen geht es um einige Millionen, während
sich zur gleichen Zeit der Umfang der nicht
ausgeschöpften Zahlungsmittel in Rubrik 4 auf eine
Milliarde Euro belaufen dürfte. Es ist also Geld
innerhalb der Rubrik vorhanden, von dem alle wissen,
dass es nicht ausgegeben wird. Eines der größten
Probleme beim Haushaltsverfahren ist die Frage, wie wir
die neuen Mittel, die wir ausgeben wollen und die wir
ausgeben müssen, um den Willen der Haushaltsbehörden
umzusetzen, in dieser Rubrik zusätzlich zu den nicht
ausgeschöpften Zahlungsmitteln unterbringen können.
Angesichts der Tatsache, dass die Haushaltsaufstellung
mit den Mitteln der Interinstitutionellen Vereinbarung
terrorisiert wird, sollte es keinen überraschen, dass,
wenn von diesem Haushalt zehn Milliarden Euro nicht
ausgeschöpft
werden
sollten,
diese
an
die
Mitgliedstaaten zurück überwiesen werden. Ich
bezeichne die Interinstitutionelle Vereinbarung deshalb
als dumm, weil sie so unflexibel ist, und dasselbe gilt für
den Rat, weil er diese Inflexibilität aufrechterhält. Was
die Dummheit des Stabilitäts- und Wachstumspakts
angeht, kann ich mich allerdings der Auffassung von
Kommissionspräsident Prodi nicht anschließen.
Alle
Achtung,
Schweden!
Die
schwedischen
Berichterstatter haben eine ausgezeichnete Arbeit
geleistet.
2-111
Buitenweg (Verts/ALE). – (NL) Noch immer muss ich
mich psychologisch daran gewöhnen, erst nach der
GUE/NGL-Fraktion das Wort zu haben. Ich fürchte
aber, ich muss mich damit abfinden. Herr Präsident,
gewöhnlich reagieren wir Parlamentarier zunächst ein
wenig kritisch, wenn der Rat in unserer Plenarsitzung
durch Abwesenheit glänzt. Der Rat hat allerdings
während der vorigen Aussprache zum Haushaltsplan
wirklich sein Bestes getan und hier vier Stunden in
einem fort ausgeharrt. Deshalb werden wir ihm sein
Fortbleiben jetzt nicht übel nehmen.
Ich möchte dem Rat allerdings noch einen Vorschlag
unterbreiten. Heute Morgen hat erstmals eine
Konzertierung mit dem Rat per Videokonferenz
stattgefunden, bei der wir live on screen
Übereinstimmung über den Solidaritätsfonds haben
erzielen können. Wenn nächstes Mal eine Debatte im
Plenum parallel zu seinen eigenen Sitzungen stattfindet,
48
kann der Rat sie möglicherweise auf dem Bildschirm
verfolgen und seine Kommentare dann virtuell abgeben.
Die niederländische Regierung hätte übrigens
ausgezeichnet die Honneurs machen können. Da die
niederländische Regierung zurückgetreten ist und das
Parlament noch keinen Standpunkt zur Erweiterung
eingenommen hat, wurde vereinbart, der niederländische
Außenminister solle in den nächsten Tagen in
Luxemburg zwar präsent sein, sich aber vornehmlich
nicht äußern. Für uns im Parlament ist das nichts
Einmaliges, und deshalb hätte der niederländische
Minister hier in Straßburg ohne Weiteres seinen Mund
halten können.
Aber gut, wir sollen hier den Haushaltsplan für das Jahr
2003 erörtern. Zunächst darf ich meinen Kollegen Färm
und Stenmarck für die von ihnen geleistete Arbeit
danken, die in der ersten Lesung des Haushaltsplans
mündete, die jetzt vor uns liegt. Meiner Meinung nach
haben sie ihre Sache als Berichterstatter meisterhaft
gemacht, und sie sind und waren recht aufgeschlossen
gegenüber sämtlichen Fraktionen. Obgleich sie also
wirklich kein Tadel trifft, möchte ich dennoch nicht
verhehlen, dass mich diese Haushaltsdebatte ebenso
wenig begeistert wie der vorliegende Haushaltsplan
2003. Wenn ich den Leuten darlege, weshalb ich mich
für den Haushaltsausschuss entschieden habe, dann
führe ich als Argument stets an, der Haushaltsplan der
Europäischen Union umfasse sämtliche Bereiche. Es
geht
also
um
Strukturfonds,
Landwirtschaft,
Umweltpolitik, Forschung, Maßnahmen gegen soziale
Ausgrenzung, Wiederaufbau von Kriegsgebieten, und
dann sprechen wir nicht über peanuts, sondern durchaus
über eine Summe von rund 100 Milliarden EUR.
Selbstverständlich stimmt das, was ich sage, aber das ist
nur eine Seite der Medaille. In dem politischen Streit,
den wir hier und heute im Plenum austragen, geht es
nämlich wirklich nicht um das Verschieben von
Milliarden oder um die Grundzüge, sondern um
Millionen und um die Verlagerung von Schwerpunkten.
Das liegt sowohl an der rigiden Finanziellen
Vorausschau als auch an verschiedenen, bereits
festgelegten Rechtsvorschriften, durch die uns die Hände
gebunden sind.
Nehmen wir beispielsweise die Agrarpolitik. Wenn
meine Fraktion anregt, die Exportzuschüsse zur
Diskussion zu stellen, weil zahlreiche Bauern in den
Entwicklungsländern dadurch in ihren wirtschaftlichen
Möglichkeiten gravierend beeinträchtigt werden, dann
bedient
man
sich
des
Arguments
der
Verwaltungssicherheit. Die Exportzuschüsse sind
Bestandteil der derzeitigen Politik und können von uns
als Parlament in einer Haushaltsdebatte nicht ohne
weiteres
geändert
werden.
Das
stimmt
selbstverständlich. Allerdings ist es uns auch wichtig,
ein politisches Signal auszusenden, schließlich sind wir
ein politisches Forum. Nun werden gegen unseren
Vorschlag zur Streichung von Exportzuschüssen keine
stichhaltigen Argumente vorgebracht, sondern die drei
Milliarden ebenso einfach gebilligt wie die enormen
Summen für die europäische Tabakerzeugung, die wir
22/10/2002
anschließend wiederum für überaus schädlich für die
öffentliche Gesundheit halten.
Meine Fraktion steht den für die transeuropäischen
Netze eingestellten Beträgen ebenfalls recht kritisch
gegenüber. Nach acht Jahren stecken die meisten
Projekte noch immer in den Kinderschuhen. Aber noch
immer bringt niemand den Mut auf, öffentlich zu
erklären, dass die EU-Beihilfen in gewissem Maße zum
Fenster hinausgeworfenes Geld sind. Wir machen
einfach unbeirrt weiter, nicht immer mit den besten
Projekten. Die Mitgliedstaaten selbst bevorzugen
nationale Projekte, während der zusätzliche Wert der
europäischen Finanzierung doch gerade in den
grenzüberschreitenden Projekten besteht. Jetzt muss die
Kommission
alle
möglichen
Notmaßnahmen
konzipieren,
damit
die
tatsächlichen
grenzüberschreitenden Projekte nachträglich unterstützt
werden können, obgleich das selbstverständlich eine
ziemlich bizarre Situation ist.
Ebenso verfolgen die Mitgliedstaaten bei den
Strukturmitteln doppelte und oft widersprüchliche
Prioritäten, die zum Teil die enormen Verzögerungen bei
der Umsetzung erklären. Einerseits sind sie alle begierig,
nur möglichst viel aus den Brüsseler Töpfen
herauszuholen, zugleich aber tun sie sich schwer, die
nationale Kofinanzierung aufzubringen, weil diese
Projekte nicht immer eine nationale Priorität darstellen.
Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass sich die
Mitgliedstaaten für Gemeinschaftsmittel oder für deren
sorgsame und gerechte Verwendung weniger
verantwortlich fühlen als für die nationalen Gelder. Das
mutet doch recht sonderbar an, wenn man bedenkt, dass
die Gelder sämtlich vom selben Steuerzahler stammen.
Ein weiterer Punkt, der an der korrekten Verwendung
zweifeln lässt, ist ganz anders geartet. Hoffentlich wird
mich das Parlament darin bestärken. Es handelt sich um
die Gelder für die KEDO. Schon gestern Abend sind wir
kurz darauf eingegangen. Der europäische Steuerzahler
finanziert eine Kernenergieanlage in Nordkorea. Meine
Fraktion ist aus Prinzip ohnehin schon dagegen, weil wir
lieber erneuerbare Energien fördern. Aber gut, so ist das
nun mal, und wie ich weiß, ist das Parlament
mehrheitlich dafür. Jetzt stellt sich allerdings heraus,
dass Nordkorea wahrscheinlich auch Kernwaffen
entwickelt. Mir ist klar, dass wir dies genau unter die
Lupe nehmen müssen, und es erscheint mir auch
sinnvoll, diese Mittel in die Reserve einzustellen und
erst dann wieder freizugeben, wenn wir uns über die
Programme für diese Anlage Klarheit verschafft haben.
Auch von der Frau Kommissarin möchte ich wissen, wie
sie darüber denkt und ob sie möglicherweise selbst
schon beabsichtigt, diese Mittel in der zweiten Lesung in
die Reserve einzustellen. All diese Beispiele stehen für
Mittel, die verwendet werden, wobei ich jedoch
hinterfragen möchte, ob das klug ist.
Darüber hinaus gibt es eine weitere Kategorie von
Mitteln, die meiner Meinung nach verwendet oder sogar
noch in stärkerem Maße verwendet werden sollten. Ein
Beispiel dafür ist die Erweiterung. Eine wunderbare
22/10/2002
niederländische Redensart besagt „goedkoop is
duurkoop“ [billig und gut sind selten beieinander], und
ich überlasse es den Dolmetschern, dafür eine treffende
Übersetzung zu finden. Ich bin nicht für das
Verschleudern von Geldern, sondern möchte, dass wir
unsere Versprechen halten und historische Chancen
nutzen. Die Situation stellt sich nun einmal anders dar,
als wir 1999 in Berlin bei der Festlegung der
Finanziellen Vorausschau erwartet hatten. Nicht sechs,
sondern wahrscheinlich zehn Länder werden beitreten.
Und das nicht im Jahr 2002, sondern 2004. Daher sollte
der Finanzplan auch entsprechend angepasst werden.
Wegen ihrer buchhalterischen Einstellung wollen die
Nettozahler allerdings nichts davon wissen. Meine
Fraktion wird auf jeden Fall die Änderungsanträge
unterstützen, die eine Anpassung ermöglichen. Nach
meiner Überzeugung wird uns das letzten Endes nämlich
teuer zu stehen kommen.
Die Lage in Rubrik 4 hat sich ebenfalls verändert. Im
Zusammenhang mit dem Wiederaufbau auf dem Balkan
und in Afghanistan wurde bereits mehrfach gesagt, wir
könnten nicht sämtliche Versprechen in Rubrik 4
erfüllen, wenn wir nicht bei verschiedenen anderen
Prioritäten den Rotstift ansetzen. Beispielsweise wurde
auch das Mehrjahresprogramm für die anderen Länder
auf dem westlichen Balkan wegen der Lage in Serbien
nach Milosevic nach unten angepasst. Wie werden wir
nun verfahren, wenn im Nahen Osten der Friede Einzug
hält? Welche Programme werden wir dann opfern? Die
Bereiche, wo ruhig ein paar Milliarden eingespart
werden können, habe ich bereits aufgezählt, hier aber
hätte ich gern einige Millionen mehr.
Ein weiteres Gebiet, bei dem einige zusätzliche
Millionen gar nicht verkehrt wären, ist Rubrik 5,
Verwaltungsausgaben. Ich mache keinen Hehl daraus,
dass ich mit dem während der Vermittlung im Juli
geschlossenen Deal nicht glücklich war. Diesem Deal
zufolge sollen sich Parlament und Rat um die Nöte des
anderen kümmern und die Kommission über das
frontloading-Verfahren bedient werden. Das ist gut
gegangen. Die 500 zusätzlichen Stellen für die
Erweiterung werden wahrscheinlich geschaffen.
Gleichwohl halte ich das politische Signal für recht
unerfreulich. Die Kommission ist kein Schlusslicht,
sondern muss für einen reibungslosen Ablauf der
Erweiterung sorgen. Paradoxerweise sind die Menschen,
die gegenüber der Erweiterung und der Fähigkeit der
Beitrittsländer
zur
Umsetzung
des
acquis
communautaire am kritischsten eingestellt sind, oftmals
gerade die Leute, die der Kommission ausreichend
Personal verwehren wollen, um für die Umsetzung des
gemeinschaftlichen Besitzstands und die Kontrolle
sorgen zu können. Meiner Meinung nach ist das
frontloading, wie auch Herr Walter schon bemerkt hat,
weder besonders reizvoll noch transparent. Trotz allem
möchte ich den Berichterstattern herzlich zu dem
Ergebnis gratulieren, weil es letzten Endes auf das
Resultat ankommt.
2-112
49
Der Präsident. – Frau Kollegin Buitenweg! Ich verstehe
Ihren Schmerz, wenn Sie sagen, dass Sie es nicht
gewöhnt
sind,
nach
der
GUE/NGL-Fraktion
dranzukommen, aber es mag Sie trösten, Sie haben
dreimal so lange sprechen dürfen. Das ist auch etwas
Schönes!
2-113
Turchi (UEN). – (IT) Herr Präsident, verehrte
Kolleginnen und Kollegen! In dieser ersten Aussprache
anlässlich der ersten Lesung des Gesamthaushaltsplans
2003 möchte ich mich nicht auf technische Aspekte
konzentrieren, denn ich habe mich in den letzten
Monaten mehrfach zu Wort gemeldet, um die Mängel
und
historischen
Ungereimtheiten
des
Gemeinschaftshaushalts wie die RAL oder die
Finanzierung der internen und externen Politikbereiche
aufzuzeigen, aber auch, um Sie auf die erst in den
vergangenen Monaten sichtbar gewordenen Probleme
aufmerksam zu machen, wie z. B. die zu niedrige
Obergrenze der Rubrik „Verwaltungsausgaben“ und
ganz allgemein die Unangemessenheit der 1999 in
Berlin vereinbarten Finanziellen Vorausschau.
Heute möchte ich versuchen, die Situation von einem
eher politischen – wenn er denn so beschrieben werden
kann – als technischen Standpunkt aus zu betrachten. Zu
einem historischen Zeitpunkt wie diesem, in dem sich
zum einen das internationale System fortwährend
verändert und zum anderen die Erweiterung und die
Debatte über die Zukunft der Union stattfinden, sollten
auch wir uns als Finanzexperten die Frage stellen,
welche Rolle wir für unser Parlament anstreben.
Die Frage lautet folgendermaßen: Finden wir uns damit
ab, simple Vollstrecker größtenteils von anderen
festgelegter Regeln zu sein, oder wollen wir etwas
Neues bewirken? Gefällt es uns beispielsweise, dass der
Rat imstande war, von der Kommission eine
Rechtsgrundlage
z. B.
für
die
Frage
der
Naturkatastrophen zu bekommen, was wirklich wichtig
ist, oder möchten nicht auch wir in der Lage sein, einen
Beitrag zu der Arbeit der Kommission leisten zu
können? Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr oft
verstecken wir uns – und damit meine ich offenkundig
uns als gesamte politische Klasse – hinter der Einhaltung
der Regeln und Verfahren, ohne jemals zu versuchen,
sie, selbstverständlich im positiven Sinne, wirklich zu
verändern oder zu verstärken: Das ist die Botschaft, die
ich am Rande dieser Debatte vermitteln möchte.
Der Haushaltsplan 2003 erweist sich als guter
Haushaltsplan,
und
ich
beglückwünsche
die
Berichterstatter zu dem Engagement, den Bemühungen
und den Ergebnissen, die auch dank der Kommissarin
Schreyer, der gesamten Kommission, des Sekretariats
und der Verfasser einer Stellungnahme erreicht wurden,
doch kann ich nicht umhin zu betonen, dass es sich um
einen technischen Haushaltsplan handelt, bei dem unsere
Rolle hauptsächlich darin bestand, für einen Ausgleich
der Konten zu sorgen, ohne die Kraft, den Mut oder den
Willen zu echtem politischen Handeln aufgebracht zu
haben.
50
Wir jungen Leute möchten manchmal vielleicht die Welt
verändern, doch diesmal würde es mir schon genügen,
zumindest eine Kleinigkeit an unserem Haushaltsplan
der Union zu verändern.
2-114
van Dam (EDD). – (NL) Herr Präsident! In dieser
Lesung möchten wir den Haushaltsplan noch mit drei
Randbemerkungen versehen.
Erstens hat das Parlament auf Vorschlag der
Kommission in seiner vorigen Sitzung beschlossen, in
den Haushaltslinien B2-400 und B7-090 einen
Solidaritätsfonds einzurichten. Damals habe ich unsere
Zweifel an diesem Fonds angemeldet, und jetzt möchte
ich mich auf die haushaltsmäßigen Aspekte
beschränken. Dieser Fonds ist im Grunde virtuell, denn
er ist noch nicht gefüllt. Sobald sich eine große
Katastrophe ereignet, müssen wir im Haushalt
nachträglich Raum für die Finanzierung dieses Fonds
schaffen. Das halten wir für höchst unwahrscheinlich.
Bei mehreren Katastrophen in einem Kalenderjahr kann
außerdem die Obergrenze des Fonds (1 Milliarde EUR)
zu einem Problem werden. Nehmen wir an, im Frühjahr
ereignet sich eine schlimme Katastrophe, für die die
Kommission aus diesem Fonds 700 Millionen EUR
bereitstellt. Was geschieht dann nach einer Katastrophe
vergleichbaren Ausmaßes im Herbst? Es ist zu
befürchten, dass ein Vorgriff auf die Mittel des nächsten
Jahres gemacht wird. Das wäre der Anfang vom Ende.
In Anbetracht der unsicheren Herkunft der Fondsmittel
kommt es insofern zu einer unerwünschten Situation, als
es einen Fonds gibt, für den im Haushaltsplan 2003
keine Vorkehrungen getroffen worden sind. Das heißt,
nach einigen Jahren könnten die Mitgliedstaaten
erheblich unter Druck geraten, zusätzliche Mittel
abführen zu müssen. Angesichts der derzeitigen
Wirtschaftslage und der Freiheit, die sich einige
Mitgliedstaaten bei der Haushaltspolitik gestatten, sehe
ich massive Probleme voraus.
Gestatten Sie mir jetzt eine kritische Bemerkung zu dem
Budget für das Sechste Rahmenprogramm für Forschung
und Entwicklung. Die Finanzierung der Forschung aus
dem EU-Haushalt bringt ethische Dilemmas mit sich,
wie es beispielsweise bei der Forschung mit Embryonen
der Fall ist. In dem fanatischen Streit um die
Finanzierung gerät bald das gesamte Rahmenprogramm
in Gefahr, weil das Parlament in zweiter Lesung keine
weiteren wegweisenden Erklärungen zur Finanzierung
umstrittener Bereiche abgeben wollte. Im Übrigen hätte
der Rat vernünftiger daran getan, die Diskussion über
die Ethik früher auf den Weg zu bringen und mit den
ethischen Leitlinien bis nach der Annahme des
Programms
zu
warten.
Diese
Kontroverse
veranschaulicht, dass sich das Rahmenprogramm auf die
Vereinfachung
der
grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit beschränken sollte. Aktive finanzielle
Unterstützung ist nicht erwünscht und überflüssig.
Weshalb sollten wir Forschung kofinanzieren, die
wahrscheinlich ohnehin stattfindet?
22/10/2002
Meine dritte und abschließende Bemerkung betrifft die
Fischerei. Kommission und Parlament widmen den
spanischen und portugiesischen Fischern viel
Aufmerksamkeit, die gemeinsam mit ihren Regionen
durch das Ausbleiben eines Abkommens mit Marokko
im Stich gelassen worden sind. Millionen von Euro
wurden für die Entschädigung, den Abbau von
Arbeitsplätzen und die Umschulung der Fischer in
diesen Gebieten bereitgestellt. Mittlerweile bekommen
auch andere Fischereiregionen die schwierige Lage zu
spüren. Offensichtlich empfehlen Biologen der
Kommission jetzt ein Verbot der Kabeljaufischerei und
eine Absenkung anderer Quoten. Die finanziellen Folgen
wären unter anderem in den Niederlanden gravierend.
Wäre es dann nicht vernünftig, in dem Haushaltsplan
Umschichtungen zugunsten von Fischereiregionen
vorzunehmen, die sich bis zum heutigen Tage selbst
finanziert haben? Finanzielle Unterstützung für diese
Gebiete in Form sozioökonomischer Programme ist
wünschenswert. Dennoch vermisse ich diesen Aspekt im
Haushaltsplan, aus dem zwar Millionen für
Fischereiabkommen mit Drittländern fließen, wovon
lediglich einige Länder und Reeder profitieren. Apropos
Solidarität: Es könnte nicht schaden, wenn die Union in
finanzieller Hinsicht ihr Augenmerk vermehrt auf einen
Fischereisektor richtet, der Beihilfen für den Um- und
Neubau von Schiffen schon seit Jahren nicht nutzen
kann. Dadurch herrscht schon jahrelang unlauterer
Wettbewerb. Ein Fischereisektor, der sich an die Quoten
hält, sollte von Brüssel mehr erwarten können.
2-115
Ilgenfritz (NI). – Herr Präsident! Vieles wurde von den
Vorrednern bereits gesagt. Wir verteilen die Mittel
teilweise mit der Gießkanne, setzen zu wenig
Schwerpunkte, finanzieren auch unwirksame Aktionen,
wenn wir uns nach wie vor zwei Parlamentsstandorte
leisten und nun auch einen sehr fraglichen
Abgeordnetentourismus sowie einen millionenschweren
Konvent finanzieren. Europa braucht Impulse. Wir
benötigen eine Wirtschaftsoffensive, indem vor allem
auch den Klein- und Mittelbetrieben billiges Kapital zur
Verfügung gestellt wird – ich meine damit Risikokapital.
Gerade in diesem Fall fehlen uns wirksame Ansätze im
Haushalt 2003.
Im Hinblick auf die Einführung der BASEL-IIBestimmungen besteht dringender Handlungsbedarf, vor
allem wenn wir uns vor Augen führen, dass 45 % der
europäischen Klein- und Mittelbetriebe über keine oder
nur geringe Eigenmittel verfügen. Neben der Änderung
der Fördermittelzuteilung in der Landwirtschaft wird
man in der Zukunft auch die Verteilungskriterien der
Strukturfonds ändern müssen. Der Lebensstandard einer
Region soll nicht als Maß der Dinge bzw. als Maß für
die Förderzuteilung herangezogen werden. Betriebe
bzw. Branchen, die Unterstützung benötigen, sollten
diese Mittel ohne Unterschiede bekommen, unabhängig
davon, ob der Betriebsstandort im Norden, Süden oder
Osten liegt. Wir müssen die uns anvertrauten Mittel
effizienter und sparsamer verwenden, wenn wir die
Erweiterung auch mitfinanzieren wollen.
2-116
22/10/2002
Garriga Polledo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, meine abwesenden Vertreter des Rates,
meine Damen und Herren! Heute hat der Haushalt einen
schwedischen Akzent, und ich glaube, Schwedisch ist
eine Sprache des Konsenses und der allseitigen
Verständigung. Angesichts ihrer Aufgeschlossenheit und
ihrem Streben nach gemeinsamen Standpunkten möchte
ich den beiden Berichterstattern, Herrn Göran Färm und
Herrn Per Stenmarck, für die geleistete Arbeit danken.
Göran Färm reiht sich in die lange Liste von
Berichterstattern ein, die mit dem Hauptdilemma der
Rubrik 4 der externen Politikbereiche konfrontiert sind,
das heißt, ob der Rat oder die Kommission das letzte
Wort bei der Festlegung der außenpolitischen Prioritäten
haben sollen oder ob darüber das Parlament befinden
soll.
Jahr für Jahr führen wir in erster Lesung die gleiche
Debatte. Die Kommission unterbreitet einen Vorentwurf,
der die traditionellen außenpolitischen Prioritäten der
Union beschneidet; die Kommission kürzt die von
diesem Parlament im Vorjahr beschlossenen Mittel und
erklärt, dass die betreffenden Programme nicht zufrieden
stellend ausgeführt worden sind. Danach kommt die
erste Lesung im Rat, und dieser nutzt die
vorausgegangene Erklärung der Kommission und kürzt
nochmals die Mittel für die externen Politikbereiche mit
der frommen moralischen Rechtfertigung von
Haushaltseinsparungen und der Prinzipien gesunder
Haushaltsführung.
Darauf folgt die Runde, in der wir uns jetzt befinden, in
welcher das Parlament die eingebüßten Mittel wieder
einsetzt, die außenpolitischen Prioritäten bekräftigt und
die beiden anderen Institutionen daran erinnert, dass dies
ein Dreierspiel ist. Ich gehöre zu der parlamentarischen
Mehrheit, die die Finanzielle Vorausschau von Berlin
1999 für korrekt und ausreichend gehalten hat. Ich habe
für diese Vorausschau gestimmt und für sie die Trommel
gerührt. Ich teile nicht die Auffassung einiger
Abgeordneter, dass diese Finanzielle Vorausschau
revidiert werden müsse.
Nun gut, ich gebe zu, dass unsere Situation jeden Tag
komplizierter wird. Es entstehen neue außenpolitische
Verpflichtungen, die vom Rat oder von Herrn Prodi oder
von beiden einvernehmlich – obwohl das fast nie
passiert – und frohen Mutes eingegangen werden. Diese
Verpflichtungen müssen dann in einen sehr engen
Finanzrahmen eingeordnet werden, der sich aus
nichtobligatorischen Ausgaben zusammensetzt, zu deren
Respektierung wir Abgeordneten angehalten sind.
Aber da nicht alle Verpflichtungen Platz haben und nicht
alles finanziert werden kann, wenn das Geld knapp ist,
muss zur Ausrede der geringen Ausführung einiger
geografischer Programme gegriffen werden. Ich glaube,
dieser Vorwand gilt nicht mehr. Wir Abgeordneten
stimmen über Mittel ab, die aus dem Geldbeutel der
europäischen Bürgerinnen und Bürger stammen, damit
sie zur Finanzierung von Außenhilfeprogrammen
ausgegeben werden.
51
Frau Kommissarin, Ihre Arbeit und die der übrigen
Kommissionsmitglieder und des Rates ist es zu sichern,
dass diese Programme ausgeführt werden. Sie sind die
Exekutive der Gemeinschaft. Ich weiß nicht, ob
Lateinamerika oder die Mittelmeerländer, um ein
Beispiel zu nennen, die Schuld daran tragen, dass der
Ausführungsgrad ihrer Programme gering ist, aber ich
weiß, dass ihre Bedürfnisse real vorhanden sind. Ich
weiß, dass das Problem nicht gelöst werden kann, indem
die von uns beschlossenen Mittel Jahr für Jahr gekürzt
werden, indem die Programme reduziert werden,
sondern indem, wie wir alle wissen, neue Wege zur
Verbesserung der Ausführung gesucht werden.
Wir hoffen, dass die Kommission für das nächste Jahr –
und diesen Wunsch bringen wir jedes Jahr in der ersten
Lesung zum Ausdruck – anstatt das Geld des Vorjahrs
zu kürzen, noch mehr Geld fordert, um die traditionellen
außenpolitischen
Prioritäten
des
Europäischen
Parlaments zu erfüllen.
Ich glaube, um Kürzungen vorzunehmen, sind die
Bemühungen des Rates völlig ausreichend, da dieser ein
großer Spezialist auf diesem Gebiet ist.
2-117
Wynn, Terence (PSE). – (EN) Herr Präsident, nach den
15 Minuten von Herrn Färm und den zehn Minuten von
Herrn Stenmarck sowie all den anderen Beiträgen gibt es
nicht mehr allzu viel zu sagen.
Ich habe neulich vor einem der von Herrn Amato
geleiteten Unterausschüsse des Konvents über das
Problem der Vereinfachung gesprochen. Dabei stellte
ich fest, dass die Haushaltssprache möglicherweise die
zwölfte Sprache in dieser Institution ist. Wenn ich mir
die heutige Aussprache so anhöre, in der häufig Worte
wie „Umschichtung“ und „Frontloading“ fallen, dann
möchte man meinen, dass diese inzwischen zur
Alltagssprache in der Haushaltsdebatte gehören.
Ich stellte zudem fest, dass wir nur eine Lesung des
Haushalts brauchen und dass dies den gesamten Prozess
vereinfachen würde. Würde dies bereits gelten, dann, da
bin ich mir sicher, hätten wir nicht für den Haushalt in
der uns jetzt vorliegenden Fassung gestimmt. Ich sage
das deshalb, weil die Art und Weise, in der wir am
Donnerstag über den Haushalt abstimmen werden,
vielen Leuten Kopfzerbrechen bereitet. Damit meine ich
nicht nur die Kommission und den Rat, sondern auch
Kollegen aus einer Reihe von Parlamentsausschüssen.
Allen, die diese Sorge teilen, möchte ich klar und
deutlich sagen, dass dies schließlich erst die erste
Lesung ist, eine erste Lesung, die zeigt, dass wir
politische Prioritäten haben, und mit der wir einen
gewissen Druck auf den Rat ausüben. Das letzte Wort ist
noch nicht gesprochen. Anlass zu diesen Bedenken
haben die Beschlüsse des Ausschusses gegeben. Wir
haben in drei Rubriken die Obergrenzen überschritten. In
Rubrik 1b werden wir sehen, wie das Parlament am
Donnerstag abstimmen wird. In Rubrik 2 müssen wir
52
eine Lösung mit dem Rat finden. Auch in Rubrik 4
müssen wir gemeinsam mit dem Rat eine Lösung finden.
Die Beschlüsse in Rubrik 4 wurden deshalb gefasst, weil
wir im Interesse der Lösung einiger der politischen
Probleme in diesem Bereich gewährleisten müssen, dass
ein echter Dialog mit dem Rat stattfindet.
Wie einige meiner Vorredner bereits feststellten, ist die
Obergrenze in Rubrik 4 seit Abschluss der
Interinstitutionellen Vereinbarung ein Problem. Wir
waren seither jedes Jahr gezwungen, auf das
Flexibilitätsinstrument zurückzugreifen. Einige mögen
so wie Herr Seppänen der Meinung sein, die
Vereinbarung sei töricht. Ich gehöre zu denjenigen, die
für sie gestimmt haben. Damit bin ich möglicherweise
auch töricht, aber es ist nun einmal so, dass das
Parlament ihr zugestimmt hat, und nun müssen wir
damit und mit ihren Beschränkungen leben. Ich hoffe,
dass wir bis zur nächsten Interinstitutionellen
Vereinbarung unsere Lektion gelernt haben werden, und
zwar vor allem in Bezug auf Rubrik 4.
Vorerst muss jedoch der Bedarf in Rubrik 4, und zwar
vor allem im Hinblick auf Afghanistan und den
Weltgesundheitsfonds, geklärt werden. Hinsichtlich des
Weltgesundheitsfonds jedenfalls bestehen sehr große
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Kommission,
dem Rat und uns. Erschwert wird die Sache dadurch,
dass wir von mindestens einem Mitgliedstaat
aufgefordert werden, zusätzlich 65 Millionen Euro
aufzutreiben, was die Sache angesichts des bereits
bekannten Standpunktes des Rates nicht eben erleichtert.
Wenn ich sage, dass die Sache geklärt werden muss,
dann meine ich damit, dass wir mit dem Rat eine echte
Lösung finden müssen, ohne uns in den üblichen
Spielchen wie Vermittlung, Trilog oder dergleichen zu
verlieren. Wir haben in diesen Bereichen ernste
Probleme, und wir brauchen eine echte Zusammenarbeit,
wobei festgestellt werden muss, dass wir gut mit dem
dänischen Ratsvorsitz zusammenarbeiten. Wir sollten
den dänischen Ratsvorsitz nicht dafür verurteilen, dass er
heute keinen Vertreter entsandt hat. Er hat sich bei mir
entschuldigt und erklärt, dass er aufgrund anderer
Verpflichtungen verhindert ist. Die Tatsache, dass der
amtierende Präsident unserer letzten Sitzung viereinhalb
Stunden beigewohnt hat, ist Ausdruck für seine
Kooperationsbereitschaft. Der Ratsvorsitz arbeitet gut
mit dem Parlament zusammen. Er respektiert das
Parlament und den Willen des Parlaments. Wir arbeiten
gern mit dem dänischen Ratsvorsitz zusammen.
Wie Frau Buitenweg sagte, hat der Ratsvorsitz auch
heute seinen guten Willen unter Beweis gestellt, selbst
bei
der
Videokonferenz
zum
Europäischen
Solidaritätsfonds. Hoffen wir, dass wir auch beim
Eintritt in die nächste Vermittlungsrunde vor der zweiten
Lesung durch den Rat auf diese guten Beziehungen
bauen können.
Ich habe im Konvent zudem darauf verwiesen, dass wir
im
Gegensatz
zum
amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg, in dem die Forderung lautete
22/10/2002
„Keine Besteuerung ohne Mitspracherecht“, uns in
diesem Parlament des Luxus eines Mitspracherechts
ohne Besteuerung erfreuen. Das veranlasst den Rat
häufig zu der Annahme, dass wir die Steuergelder
verschwenden. Wir müssen den Rat davon überzeugen,
dass die von uns hier beschlossenen Haushaltspläne
seriös und wohl durchdacht sind, aber dass wir mit ihnen
auch politische Prioritäten setzen. Ich hoffe, dass wir bis
Dezember einige dieser politischen Schwerpunkte
erreicht haben werden.
(Beifall)
2-118
Sbarbati (ELDR). – (IT) Herr Präsident, unser Dank
gilt den Berichterstattern, dem Vorsitzenden des
Haushaltsausschusses und der Frau Kommissarin. Wir
haben schon gesagt, dass wir als ELDR-Fraktion recht
zufrieden mit diesem Haushaltsplan sind, der uns absolut
rigoros und transparent erscheint. Das gehört zu unserer
Tradition. Ich möchte jedoch gleich hinzufügen, dass
dies auch ein übermäßig technischer Haushaltsplan ist,
der nur eine sehr begrenzte politische Dimension besitzt.
Seine Grundansätze sind annehmbar, insbesondere, was
die Reform und die Erweiterung betrifft, die ich als die
wichtigste anstehende Herausforderung betrachte. Aber
gerade weil es sich um eine Herausforderung handelt,
müssen wir uns politisch entschiedener und vor allem für
die Bürger sichtbarer einbringen. Auch ich bin der
Ansicht,
dass,
wie
der
Vorsitzende
des
Haushaltsausschusses vorhin gesagt hat, das Verfahren
unbedingt reformiert werden muss. Es bedarf einer
technischen Weiterentwicklung des Verfahrens, einer
Vereinfachung
und
insbesondere
auch
einer
Entwicklung in kultureller und politischer Hinsicht,
indem die Befugnisse des Rates optimal, nicht restriktiv,
festgelegt werden, um eine fruchtbarere, sachbezogenere
und vor allem aktuellere Debatte zu führen. Es bedarf
einer Grundphilosophie des EU-Haushaltsplans, einer
Grundphilosophie, die gemeinsame, und nicht
konzentrierte, Verwaltungsverantwortung bedeutet – ich
wiederhole, gemeinsame Verantwortung, das ist wirklich
wichtig -, einhergehend mit einer stärkeren politischen
Rolle des Europäischen Parlaments, das seine Aufgabe
bestmöglich erfüllen muss, denn dieses Parlament muss
wie die gesamte Union ein politisches Profil haben und
politische Antworten geben.
Ich möchte nur auf zwei technische Aspekte zu sprechen
kommen. Der Erste betrifft das Problem der Rubrik IV,
das die Kollegin soeben erwähnte. Ich möchte noch
etwas hinzufügen. Vielleicht wird wenig oder zu wenig
an das Mittelmeerproblem, zu wenig an das
Nahostproblem gedacht. Wir sprechen zwar über den
Wiederaufbau, über Afghanistan und über Probleme sehr
weit entfernt liegender Länder, doch gibt es auch etwas
in unser Nähe, mit dem wir uns bald, allzu bald, auf
intensivere und wesentlich entschlossenere Art und
Weise befassen müssen.
Ich füge noch eine weitere Frage hinzu: die Kultur. Die
Mittel, die für die Jugendlichen, für die Ausbildung und
22/10/2002
53
Information gebunden werden, sind nämlich absolut
unzureichend.
Parlament gemeinsam
untersetzen.
2-119
Das Haushaltsverfahren sollte jedoch nicht als Mittel zur
Gestaltung dieser Politiken benutzt werden. Ich beziehe
mich dabei insbesondere auf bestimmte Empfehlungen
im Hinblick auf den Agrar- und die Strukturfonds. Der
Vorschlag, die Ausfuhrsubventionen zu senken, ist vor
allem deshalb völlig verfehlt, weil damit eine politische
Entscheidung, die im Wesentlichen auf einen Abbau der
Transporte von lebenden Tieren hinausläuft, erzwungen
werden soll. Der Haushalt ist nicht das geeignete
Instrument für derartige Sachentscheidungen, ganz
gleich, wie man zu diesem Problem stehen mag.
Fiebiger (GUE/NGL). – Herr Präsident! Das
Europäische Parlament hat im März 2002 einen
Entschließungsantrag zu den Leitlinien für den Haushalt
2003 verabschiedet. Es wurde eine Reihe von Themen
benannt, die für die Zukunftsfähigkeit der
Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung von
größter Bedeutung sind. Dazu gehören Aufgaben wie die
Halbzeitbewertung
der
Agenda
2000,
der
Verbraucherschutz und die Osterweiterung. Ich hoffe,
dass die Kommission den Mut und die richtige
Kompetenz aufbringt, diese langfristigen Zielsetzungen
in den Haushaltsdurchführungen auch anzupacken, und
sich nicht von den tagespolitischen Forderungen
ablenken lässt.
Ich hoffe, dass Konfliktmuster, wie Mangel in der
Buchführung, Mauschelei und Manipulation, abgelöst
werden, und stattdessen Transparenz und strikte
Disziplin in der Haushaltsdurchführung eine Punkt-ZielGerade treffen. National und international bietet sich für
die
interessierten
Bürger
ein
diffuses
und
widersprüchliches Bild der Agrarpolitik.
Die Vorschläge des EU-Kommissars Fischler finden in
ihrer gegenwärtigen Form keine Zustimmung, die sich
auf Mehrheiten bezieht. Es gilt hier also, daran zu
arbeiten. Trotz der großen wirtschaftlichen und sozialen
Anpassung der EU-Bewerberländer sehen die
Beschlüsse von Berlin vor, den Mitteltransfer für die
Beitrittskandidaten bei den Heranführungshilfen und
auch für die Erweiterungsausgaben so beizubehalten,
wie sie festgelegt und bekannt sind. Mehrere
Diskussionen, an denen ich teilgenommen habe,
bestärken mich für die Bewerberländer in der
Auffassung, dass die Regelung, die 25 % an
Direktzahlungen vorsieht, politisch nicht durchsetzbar
ist, und außerdem befürchten die Bewerberländer hohe
Einbußen und fordern einen Beitrittsrabatt und
veränderte Quoten. Das hat große Auswirkungen auf die
Finanzierung der Agrarpolitik, und die Finanzielle
Vorschau wird, so sie jetzt besteht, revidiert werden
müssen.
Was kostet die Erweiterung? Das ist die Frage. Wie sie
mit dem Haushalt 2003 zu beantworten ist, bleibt offen.
1,05 % + X ist eine Existenzfrage für die
Agrarwirtschaft, und solange diese nicht beantwortet ist,
bleibt die Haushaltsdurchführung 2003 eine gefährliche
Sache für die Landwirtschaft.
2-120
VORSITZ: CHARLOTTE CEDERSCHIÖLD
Vizepräsidentin
2-121
Ó Neachtain (UEN). – (EN) Frau Präsidentin, ich
beglückwünsche Herrn Färm und Herrn Stenmarck zu
ihrer ausgezeichneten Arbeit zur Vorbereitung des
Haushalts 2003. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass
der Haushalt dazu da ist, die vom Rat oder von Rat und
beschlossenen
Politiken
zu
Was die Sache an sich betrifft, sollten wir bedenken,
dass wir in einer globalen Wirtschaft mit
leistungsfähigen Wettbewerbern im Bereich des
Agrarhandels leben. Unter den derzeitigen von niedrigen
Preisen und politischer Ungewissheit geprägten
Bedingungen benachteiligen wir unsere Landwirte nur
noch mehr. Ich kann Ihnen versichern, dass die
Australier sofort einspringen und unsere Märkte
übernehmen würden, falls die EU die Ausfuhr lebender
Tiere verbietet. Das ist ein wichtiger kommerzieller
Gesichtspunkt, den wir berücksichtigen müssen.
Ich teile, um bei der Agrarwirtschaft zu bleiben, die
Bedenken vieler Kollegen in Bezug auf die
vorgeschlagene pauschale Kürzung der Agrarausgaben
um 275 Millionen Euro. Dieser Vorschlag entspricht in
keinerlei Weise den Realitäten der Agrarwirtschaft.
Meine Fraktion hat eine Reihe von Änderungsanträgen
vorgelegt, mit denen ein Teil des potenziellen Schadens
abgewendet werden soll.
Gleiches gilt für die vorgeschlagene Kürzung der
Zahlungsermächtigungen um 525 Millionen Euro bei
den Strukturfonds. Als Vertreter einer Ziel-1-Region im
Nordwesten von Irland bin ich mir des Nutzens bewusst,
den jeder einzelne Euro bringt, der zur Überwindung des
ökonomischen
und
sozialökonomischen
Ungleichgewichts in der Union ausgegeben wird.
Abschließend möchte ich feststellen, dass ich jede
Verbesserung im Hinblick auf die Umsetzungsrate bei
aus den Strukturfonds finanzierten Programmen und
Projekten begrüßen würde. Dazu müssen wir unsere
Vorhersagen in Bezug auf den Zahlungsbedarf
verbessern, aber ich lehne jeden Versuch ab, die
Gesamtbeträge in irgendeiner Form zu kürzen.
2-122
Dell'Alba (NI). – (FR) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Zu diesem Haushalt ist bereits vieles gesagt worden, und
zahlreiche
Redner
haben
sich
der
vom
Kommissionspräsidenten
eingeführten
Mode
angeschlossen. Wenn alles dumm ist, dann ist auch die
Sparsamkeit dieses Haushalts dumm. Wenn der
Stabilitätspakt dumm ist, wenn er geändert werden muss,
um unseren Ländern, unseren Wirtschaften mehr
Flexibilität zu verschaffen, dann ist es doch wohl eine
54
große Dummheit, Frau Kommissarin, zu einem
Zeitpunkt, da 10 Länder an unsere Tür klopfen, uns auf
einen – wie ich sagen möchte – Krämerhaushalt zu
beschränken, einen Haushalt, der auf das absolute
Minimum begrenzt ist, so dass wir unsere Fantasie arg
strapazieren müssen – und hier möchte ich insbesondere
das Geschick unseres Berichterstatters würdigen –, um
Afghanistan oder noch zahlreiche andere Punkte
unterzubringen. Kurz, es handelt sich um einen
Haushalt, der unbeweglich ist und möglichst so klein
wie nie zuvor gehalten werden soll. All dies zu einem
Zeitpunkt, da unsere Staaten der Meinung sind – Ihr
Präsident hat sich ja auf sehr eloquente Weise zu deren
Sprachrohr gemacht –, man müsse sich der Zwangsjacke
von Gesetzen entledigen, die auch denen, die als ihre
Hüter fungieren, dumm erscheinen.
Diese Sichtweise sollte auch für den Haushalt gelten.
Meiner Meinung nach geht dieser Haushalt an den
Realitäten vorbei. Ich bin der Auffassung, zum
Zeitpunkt der Erweiterung muss man im Rahmen des
Konvents insbesondere an einen neuen europäischen
Vertrag denken, muss man daran denken, diesem
Parlament mehr Rechte einzuräumen, das davon guten
Gebrauch machen könnte, und man muss auch und vor
allem daran denken, dass wir mit 25 Mitgliedern nicht
mit einem Haushalt auskommen können, der bei 15
schon rückläufig ist. Soweit meine Gedanken zum
gegenwärtigen Zug der Zeit.
Im Zusammenhang mit der Abstimmung am Donnerstag
haben wir gestern im Haushaltsausschuss eine
Maßnahme erörtert, die mir wichtig erscheint. Wie wir
erfahren haben, benutzt Nordkorea das zivile
Nuklearprogramm, das wir großzügig, nämlich mit über
25 Millionen
Euro,
finanzieren,
heimlich
zu
militärischen Zwecken, was eine flagrante Verletzung
der
mit
der
internationalen
Gemeinschaft
abgeschlossenen Verträge darstellt. Unserer Auffassung
nach könnten wir bei der Haushaltsabstimmung etwas
bewirken, indem wir die betreffenden Haushaltsmittel in
Reserve stellen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit,
Frau Kommissarin, um etwas mehr Licht in diese
Angelegenheit zu bekommen, und zwar auch im Rat.
Ansonsten haben wir nach meiner Meinung einen
Haushalt, der in gewissen Bereichen neue Wege geht.
2-123
Ferber (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Zunächst möchte ich anmerken, dass ich es sehr
bedauerlich finde, dass die andere Hälfte der
Haushaltsbehörde heute nicht anwesend ist. Es würde
sich schon gehören, dass der Rat bei diesen Debatten mit
dabei ist. Auch wenn wir in der letzten Plenarwoche eine
Grundsatzdebatte über den Haushalt geführt haben,
würde es sich schon anstehen, dass man, wenn es
konkret wird – und bei der ersten Lesung des Parlaments
wird es wirklich sehr konkret –, auch entsprechend
anwesend ist. Insofern bin ich sehr froh, dass wir einen
Antrag eingereicht haben, der die Stellenmehrung des
Rates zunächst einmal noch in die Reserve stellt und
22/10/2002
etwas hinterfragt. Ich hoffe, dass dieser Antrag dann
auch eine ausreichende Mehrheit bekommt. Er ist an
Bedingungen geknüpft, die der Rat bis Ende des Jahres
erfüllen kann, so dass die Erweiterung auch im Rat nicht
gefährdet ist.
Ich wollte zunächst eigentlich damit beginnen, mich
beim Rat zu bedanken, dass es heute Vormittag mit dem
Solidaritätsfonds so gut geklappt hat und dass wir uns
einigen konnten. Ich hoffe aber in diesem
Zusammenhang, dass die betroffenen Mitgliedstaaten,
insbesondere die Bundesregierung, jetzt auch schnell
ihre Zahlen meldet. Wir haben alle Anstrengungen
unternommen, um die haushaltsrechtlichen Bedingungen
zu erfüllen. Jetzt haben wir beide erfüllt. Wir haben
Haushaltszeilen, wir haben eine Rechtsgrundlage, und
jetzt müssen wir nur noch Geld dafür bekommen. Wenn
der Kommission dafür Informationen fehlen, finde ich es
mehr als beschämend. Wir haben Ende Oktober, und
eigentlich müssten sie zur Verfügung stehen.
Ich möchte einige wenige Aspekte herausgreifen, weil
die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion schon
einiges angesprochen haben. Eine grundsätzliche
Bemerkung vorweg: Es zeigt sich immer mehr, dass das,
was die Staats- und Regierungschefs im März 1999 im
Rahmen der Agenda 2000 und der Finanziellen
Vorausschau bis zum Jahr 2006 beschlossen haben, eine
Wunschliste war, die vielleicht aus dem Zeithorizont
1999 sinnvoll war, die aber mit den aktuellen
Herausforderungen der Union nichts mehr zu tun hat.
Ich möchte das nur einmal an zwei Zahlen festmachen:
Wenn wir zwar in der Lage sind, laut Vorausschau 42
Milliarden Euro für die Landwirtschaftspolitik
auszugeben, aber am Ende für die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik unter großen Kraftanstrengungen
nur 47 Millionen Euro für gemeinsame Aktivitäten
zusammenbekommen, dann zeigt das ein Missverhältnis
der politischen Schwerpunkte.
Gerade im Bereich der Kategorie 4 der Aktivitäten
Europas als Friedensstifter bei unseren Nachbarn – und
das ist eine wichtige Aufgabe, die wir als europäisches
Erbe in andere Regionen mitzutragen haben – stehen wir
noch auf sehr, sehr schwachen Füßen. Das, was im März
1999 beschlossen wurde, trägt nicht dazu bei, diesen
Verpflichtungen dauerhaft gerecht zu werden. Ich hoffe,
dass es hier Instrumente gibt – wir haben durch
verschiedene Anträge ja versucht, das zu untermauern –
und dass wir endlich mehr Möglichkeiten haben werden,
um dieser wichtigen Aufgabe der Europäischen Union
im 21. Jahrhundert gerecht werden zu können.
Lassen Sie mich ein zweites Thema ansprechen, bei dem
ich auch um die Unterstützung der Kolleginnen und
Kollegen der anderen Fraktionen bitte. Wir haben einen
Antrag eingebracht, wonach bei den transeuropäischen
Netzen insbesondere die Engpässe zu den
Erweiterungsländern beseitigt werden sollen. Ich würde
mich freuen, wenn er eine Mehrheit in diesem Hause
finden würde. Es kann nicht sein, dass die Erweiterung
am Ende faktisch nicht stattfinden kann. Sie wird zwar
vertraglich stattfinden, aber sie wird wirtschaftlich,
22/10/2002
ökonomisch nicht stattfinden können, wenn nicht eine
entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht. Hier ist
die Gemeinschaft gefordert. Wir tun viel bei den
erweiterungswilligen Ländern, wir müssen aber unsere
Anstrengungen noch verstärken.
2-124
Dührkop Dührkop (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, ich
werde tun, was ich kann. Zunächst möchte ich im
Namen der Sozialistischen Fraktion den Berichterstatter,
Herrn Stenmarck, zu einem sehr soliden und gut
erarbeiteten Bericht beglückwünschen, Aber ich möchte
noch weiter gehen und ihm in meinem eigenen Namen
für die Bereitschaft und die Unterstützung danken, die er
mir bei meiner zeitweiligen Tätigkeit als gelegentliche
Schattenberichterstatterin entgegengebracht hat.
Meine Damen und Herren! Wie schon gesagt wurde, hat
die Erarbeitung des Haushalts durch die anderen
Institutionen für das Haushaltsjahr 2003 gezeigt, welch
großen Druck der Bedarf der Verwaltung, vor allem in
Verbindung mit den Kosten für die Vorbereitung der
Erweiterung, auf die Obergrenze der Rubrik 100 ausübt.
Meine Fraktion unterstützt den Berichterstatter voll und
ganz in Bezug auf das Hauptziel, das zu Recht darin
besteht, die Institutionen mit den notwendigen Mitteln
für eine erfolgreiche Vorbereitung der bevorstehenden
Erweiterung auf 25 Länder auszustatten. In diesem Sinne
hat der Berichterstatter versucht, den Institutionen die
entsprechenden
Mittel
zuzuweisen,
um ihren
vorrangigen Mittelbedarf zu decken.
Meine Fraktion unterstützt Herrn Stenmarck auch in
seiner Strategie des so genannten front-loading, das
heißt, der Nutzung verfügbarer Überschüsse aus dem
laufenden Haushaltsjahr 2002, um bestimmte für 2003
vorgesehene Ausgaben vorzuziehen und so die
Belastung des Haushalts 2003 abzumildern, wie der
Berichterstatter in seiner Rede ausführlich erläutert hat.
Nach diesen Ausführungen möchte ich mich auf eine
Reihe von Punkten konzentrieren, die für meine Fraktion
Priorität besitzen:
Erster Punkt. Alle Institutionen – im Übrigen war das
Europäische Parlament die letzte – haben unmittelbar
vor der Abstimmung im Haushaltsausschuss,
hauptsächlich auf Druck der Sozialistischen Fraktion,
einen Haushalt vorgelegt, der auf einer rigorosen
Kosten-Nutzen-Rechnung beruht. Und um diese zwölfte
Sprache zu verwenden, die Herr Wynn als
Gemeinschaftsjargon bezeichnet hat: Es ist das so
genannte Activity Based Budget vorgelegt worden, weil
klar ist, dass die Institutionen zur Gewährleistung der
Effektivität ein transparentes Finanzmanagementsystem
benötigen.
Was das Personal angeht, so möchte ich auf zwei Punkte
hinweisen. Erstens hat meine Fraktion stets den
Gedanken unterstützt, dass die Institutionen über die
erforderlichen Humanressourcen verfügen müssen,
vorausgesetzt, dass dieser Bedarf real ist. Folglich freuen
55
wir uns, dass der Haushaltsausschuss für unseren
Änderungsantrag gestimmt hat, in dem wir eine
Beschreibung der Funktionen und des Mittelbedarfs
forderten, um exakt festlegen zu können, welche
Unterstützung für die Beamtenstellen erforderlich ist.
Allerdings nur für die Beamtenstellen. Deshalb lehnen
wir den Änderungsantrag 1 ab, den die Fraktion der
Europäischen Volkspartei dem Plenum unterbreitet hat
und in dem gefordert wird, dies auch auf die
Abgeordneten mit ähnlichen Verantwortungsbereichen
auszudehnen.
Was die Pensionen betrifft, so möchte ich sagen: Es ist
peinlich. Ich war Generalberichterstatterin für den
Haushalt 1999, und in dem damaligen Bericht habe ich
schon großen Nachdruck – das war beinahe ein
gesonderter Bericht – auf die Dringlichkeit der Lösung
des Problems der Pensionen für die europäischen
Beamten gelegt. Wir haben jetzt das Jahr 2002 und
erheben noch immer die gleiche Forderung. Hier hätte
auch ich gern gesehen, Herr Ferber, dass der Rat
anwesend wäre, der dieser Pflicht in erster Linie
nachzukommen hat.
Zum anderen hat meine Fraktion immer den Standpunkt
vertreten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bewusst
sein müssen, dass das Europäische Parlament ihr Haus
ist; ein transparentes Haus. Daher unterstützen wir ein
Pilotprojekt zur Direktübertragung der Plenarsitzungen.
Und, Frau Präsidentin, da es hier keinen Blankoscheck
gibt, sollte uns das Präsidium des Europäischen
Parlaments mit Blick auf den Haushalt 2004
diesbezüglich einschlägige Vorschläge unterbreiten.
2-125
van den Bos (ELDR). – (NL) Um menschliches Leid zu
mindern und unsere eigene Glaubwürdigkeit zu
untermauern, bedarf es noch einer Korrektur am
Haushalt für die externen Politikbereiche. Nach wie vor
ist es höchst bedauerlich, dass in Bezug auf die
Landminenproblematik eine Lücke von noch gut
3 Millionen EUR klafft. Weltweit wird bei den Mitteln
für dieses Ziel ja schon gekürzt. Die Europäische Union
sollte diesem Trend nicht folgen. Täglich kommen noch
immer etwa 50 Menschen, insbesondere Frauen und
Kinder, zu Schaden. Speziell für die Nachbetreuung der
Opfer und Verwandten ist noch eine enorme Summe
vonnöten. Außerdem müssen wir als Parlament die im
Jahr 2001 übernommenen Verpflichtungen auch
erfüllen. Jetzt summieren sich die Zahlungsrückstände,
obgleich die Union gerade auf diesem Gebiet den
Nachweis erbracht hat, einen wirksamen Beitrag leisten
zu können. Deshalb hat der Ausschuss für auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik
meinen
Änderungsantrag erneut eingebracht. Unser Parlament
sollte erkennen, dass auch nichtstaatliche Akteure bei
der Ächtung von Landminen mitwirken müssen. Unser
Parlament beweist Konsequenz, indem es den
Änderungsantrag unterstützt. Mit ein wenig mehr Geld
werden wir das Leid vieler Menschen lindern.
2-126
56
Miranda (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! Die
finanztechnischen Maßnahmen, die durch das derzeitige
Haushaltsverfahren notwendig sind, verdeutlichen
einmal mehr, dass der Finanzrahmen der Gemeinschaft
unzureichend ist. Natürlich sind wir nicht gegen die
Prioritäten, die der Berichterstatter ausgeführt hat. Im
Übrigen möchte ich die Berichterstatter zu ihrer Arbeit
beglückwünschen. Wir meinen jedoch, dass andere
Wege beschritten werden könnten, um diese Prioritäten
umzusetzen – ohne Beschädigung und unter
vollkommener Achtung der uns übertragenen Legitimität
und Kompetenzen, und die uns vor allem beim Erreichen
gerade dieser Prioritäten einen Vorteil verschaffen
würden.
Das Wichtigste in dieser Situation ist die Revision der
Finanziellen Vorausschau. Oder, wenn es nicht dazu
kommt, die volle Inanspruchnahme der Vorrechte, die
uns die Verträge gewähren. Es ist doch inakzeptabel, an
einem Haushalt festzuhalten, der für die vor uns
stehenden Prioritäten ganz eindeutig nicht ausreicht.
Objektiv gesehen sind die Mittel für die ehrgeizigen
Ziele, die jetzt gesteckt werden, nicht vorhanden. Das
Parlament verliert stetig an Macht, und das Ergebnis ist
deutlich sichtbar – vor allem in der Rubrik 4, wo wir
einen unverkennbaren und anhaltenden Druck auf die
Zusammenarbeit mit den weniger entwickelten Ländern
feststellen, da in dieser Kategorie sowohl die
Vorbeitrittshilfen für die Kandidatenländer als auch die
Beträge für den Wiederaufbau – erst des Balkans und
jetzt Afghanistans – aufgenommen worden sind. Das
muss sich ändern.
Nach diesen Ausführungen gestatten Sie mir bitte, auf
einen besonderen Fall einzugehen: Ost-Timor. Zunächst
möchte ich sagen, dass ich mit den vom
Haushaltsausschuss
beschlossenen
Beträgen
einverstanden bin. Nicht einverstanden bin ich jedoch
mit der Streichung der speziellen Linie für dieses junge
und so leidgeprüfte Land. Das wäre ein schädliches und
destabilisierendes
politisches
Signal
für
eine
Bevölkerung, die erst vor einigen Wochen die
Unabhängigkeit errungen hat und der es noch immer an
allem mangelt. Ein solches politisches Zeichen wäre
doch auch nicht mit den von uns angenommenen
Entschließungen, ja nicht einmal mit dem SacharovPreis, den wir verliehen haben, vereinbar. Zudem würde
die Aufnahme der Beträge in die Asien-Haushaltslinie
zu einem Zeitpunkt, da noch nicht feststeht, wie der Weg
der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Timor und
der Europäischen Union aussieht, ein ganz klar
überstürztes Vorgehen darstellen. Ich halte es deshalb
für angebracht und unerlässlich, dass die entstandene
Situation im Plenum korrigiert wird.
2-127
Martinez (NI). – (FR) Frau Präsidentin, sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt 2003 ist
sowohl schicksalhaft, nostalgisch als auch historisch.
Schicksalhaft zunächst, weil er sich mit einer Reihe von
Dingen abfindet, die nicht hinnehmbar sind. So
22/10/2002
beispielsweise der Britenrabatt. Eines Nachts in
Fontainebleau – wie Mrs. Thatcher in ihren Memoiren
berichtet –, sagte Präsident Mitterrand zu ihr: „Madame,
Sie werden Ihren Rabatt bekommen“. Doch seitdem ist
Großbritannien zu einem Nettoempfänger geworden.
Das ist etwa so, als ob ein Milliardär weiter in die
Obdachlosen-Restaurants essen gehen würde, weil er
meint, dass es sich um einen gemeinschaftlichen
Besitzstand handele.
Schicksalhaft auch wegen der nicht ausgeschöpften
Mittel (RAL) sowohl im Bereich der Strukturfonds als
auch der Landwirtschaft. Die Differenz zwischen dem
verabschiedeten Haushalt und den tatsächlich in
Anspruch genommenen, wirklich ausgezahlten Mitteln
ist so groß, dass den europäischen Bauern innerhalb von
10 Jahren faktisch Mittel in der Größenordnung eines
Jahreshaushalts verloren gegangen sind.
Doch dieser Haushalt ist nicht einfach schicksalhaft,
sondern auch nostalgisch. Wie alle erwähnt haben, ist es
der letzte Haushalt in der Runde der Fünfzehn. Der
ungarische Präsident hat uns vorhin klar und deutlich zu
verstehen gegeben, dass es in einem Europa mit 25
Mitgliedern keine zwei Klassen geben könne – auf der
einen Seite diejenigen, die 100 % der Agrarsubventionen
einstecken, und auf der anderen diejenigen, die sich mit
25 % begnügen müssen. Das politische Kräfteverhältnis
ist in der Tat dergestalt, dass dieser Weg nicht weiter
beschritten werden kann.
Doch der Haushalt 2003 beginnt sich bereits darauf
einzustellen, und in diesem Sinne ist er historisch. Doch
nicht etwa wegen einer Reihe hochtrabender Dinge wie
die jährliche Strategieplanung (APS) oder das
maßnahmenbezogene Management (ABM). Diese Dinge
gibt es schon seit den Sechzigerjahren in Form des
Planning-Programming-Budgeting System. Nein, wenn
dieser Haushalt historisch ist, dann weil er zum ersten
Mal die Schwelle von 100 Milliarden Euro überschreitet,
weil er zum ersten Mal dreistellig ist. Um das zu
erreichen, hat es immerhin 43 Jahre gedauert, doch bis
die zweiten 100 Milliarden erreicht sind, wird es nicht
einmal ein Duzend Jahre dauern. Und daher werden
diese 200 Milliarden natürlich eines Tages eine
europäische Steuer erforderlich machen.
Dieser Haushalt ist zu begrüßen: Es ist der letzte
glückliche Haushalt, der letzte, bei dem es noch friedlich
zugeht. Danach wird die Jagd auf den Steuerzahler
beginnen, die für unsere britischen Freunde immerhin
ein gewisser Ersatz für die nunmehr verbotene
Fuchsjagd sein wird.
2-128
Podestà (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, dieser
Haushaltsplan wurde als nostalgisch, schicksalsschwer
und historisch bezeichnet; mir scheint es ein guter,
ausgeglichener Haushaltsplan zu sein, und ich danke den
Kollegen Färm und Stenmarck für ihre durch Scharfsinn
gekennzeichnete Arbeit.
22/10/2002
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihr
Augenmerk auf Aspekte lenken, die zweitrangig
erscheinen mögen, jedoch das Initiativrecht des
Europäischen Parlaments und dessen Gebrauch
betreffen. Unter Wahrung der Interinstitutionellen
Vereinbarung und der Haushaltsordnung schickt sich das
Europäische Parlament an, neue Initiativen für
Pilotprojekte
und
vorbereitende
Maßnahmen
anzunehmen, die meines Erachtens der europäischen
Integration förderlich sind.
Die erste Initiative betrifft die Vorbereitung der Kleinund Mittelunternehmen auf die Erweiterung. Damit wird
ein wichtiges Signal für die Industrie gesetzt, durch das
sich jenes Netzwerk der kleinen Unternehmen, das für
unsere Wirtschaft so lebenswichtig ist, stärker
einbezogen fühlen wird. Konkrete Maßnahmen würden
meiner Überzeugung nach weitaus wirkungsvoller sein
als eine Reihe von Informationskampagnen.
Die zweite Initiative, auf die ich hinweisen möchte,
betrifft das so genannte ENEA-Programm für ältere
Menschen, das an den Erfolg des Programms
ERASMUS/SOKRATES anknüpfen soll, indem es die
Mobilität der älteren Menschen zum Ziel hat. Der
innovative Charakter dieses Programms besteht darin,
dass es sich zu einer Schnittstelle zwischen Kultur,
Sozialpolitik und Gesundheitswesen entwickeln könnte
und das Europäische Parlament mit der Annahme dieses
Pilotprojekts der Kommission die Möglichkeit gibt, ein
Programm zu entwickeln, das geeignet ist, die
Begegnung älterer Menschen aus 25 verschiedenen
Ländern zu fördern.
Das letzte Thema, das ich anführen möchte, ist die
Initiative im Umweltbereich, wo durch die Finanzierung
von Auf- und Wiederaufforstungsarbeiten und die
Schaffung einer Saatgutbank der Mechanismus für
umweltverträgliche Entwicklung wie im Protokoll von
Kyoto vorgegeben gefördert werden kann. Ziel des
Projekts ist es, auf europäische Ebene konkrete
Maßnahmen zur Reduzierung des CO2 in der
Atmosphäre voranzubringen, indem gleichzeitig eine
operative Struktur für die Sammlung und Aufbewahrung
von Saat- und Pflanzgut, das in vielen Fällen als
autochthones Material verloren gehen würde, und deren
Nutzung für die Umweltsanierung geschaffen wird. Das
bedeutet auch Arbeitsplätze, denn die Umstellung der
landwirtschaftlichen Tätigkeit wird zwangsläufig
Probleme und neue Zielsetzungen mit sich bringen.
Die Kommission muss nun das Parlament schnellstens
über die Maßnahmen informieren, die sie zu ergreifen
gedenkt, um den Empfehlungen der Haushaltsbehörde
nachzukommen, wenn das ganze Paket am kommenden
Donnerstag und dann im Dezember angenommen
werden soll.
Ich danke den Kollegen Färm und Stenmarck nochmals
für ihren Einsatz und hoffe, dass die Kommission
weiterhin zu jener engen Zusammenarbeit bereit ist, wie
wir sie in den vergangenen Monaten schätzen gelernt
haben.
57
2-129
Colom i Naval (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, meine
Damen und Herren! Ich habe vernommen, wie mehrere
Abgeordnete und sogar der Generalberichterstatter auf
die noch abzuwickelnden Mittelbindungen, RAL,
eingegangen sind, Anfragen und Vorschläge an die
Kommission gerichtet sowie Möglichkeiten zur
Vereinfachung geprüft haben. Ich möchte Ihre
Aufmerksamkeit auf ein seltsames Phänomen lenken:
Die Ausführung der Strukturfonds, die einen der
umfangreichsten Posten bilden, ist in den ärmsten
Ländern der Union viel besser als in den reichen, was in
jeder Hinsicht widersprüchlich ist. Eigentlich wäre zu
erwarten, dass die entwickelteren Länder eine bessere
Ausführung und ein besseres Management hätten, aber
das entspricht nicht den uns vorliegenden Daten.
Vielleicht sollten spezifischere Anfragen an den Rat
gestellt werden. Bei der Betrachtung dieser
Angelegenheit können wir nicht homogen sein und
glauben, alle Welt sei gleich.
Ich spreche im eigenen Namen, aber auch als ständiger
Berichterstatter für die finanzielle Vorausschau. Deshalb
möchte ich mich auf zwei Punkte konzentrieren.
Zunächst möchte ich den Rat fragen – der zwar
abwesend ist, aber hoffentlich das Protokoll lesen wird –
, ob er die Vereinbarung vom vergangenen Jahr
einzuhalten gedenkt, bei der es um die Ausstattung des
Programms zur Umstellung der Fischereiflotte geht, die
traditionell in marokkanischen Gewässern fischte und
deren Umstrukturierung wir wegen des fehlenden
Abkommens mit diesem Land beschlossen haben.
Die Haushaltsbehörde der Union, das heißt, der Rat und
dieses Parlament, vereinbarten im Dezember 2001,
spätestens im Haushalt 2003, das sei betont, die
27 Millionen Euro aufzunehmen, die fehlten, um dieses
Programm zum Abschluss zu bringen. Aber im Entwurf
des Haushaltsplans hat der Rat den Haushaltsposten
gestrichen, den die Kommission zu diesem Zweck
aufgenommen hatte, und deshalb möchte ich wissen,
was das zu bedeuten hat. Soll das heißen, dass der Rat
seine Zusagen nicht einzuhalten gedenkt oder dass er
sich eine Ausrede einfallen lassen will? Halten Sie mich
nicht für misstrauisch, denn ich habe meine
Erfahrungen. Ich führe diesen Krieg schon viele Jahre.
Wir im Haushaltsausschuss schlagen Ihnen zwei
Möglichkeiten vor, die zudem ergänzenden Charakter
haben können. Einerseits im kommenden November
eine Übertragung von Mitteln vorzunehmen, die in der
Kategorie 2 nicht verwendet werden. Per 18. Oktober
waren 105 Millionen Euro nicht gebunden. Die
Kommission sagt uns jetzt, dass sie nur 9 Millionen
verwenden könne. Ich würde sie bitten, sich für diese
105 Millionen zu verwenden, und dann werden wir
sehen, was sie erreichen kann. Andernfalls sollten wir
wirklich das in der Institutionellen Vereinbarung
vorgesehene Flexibilitätsinstrument für das kommende
Haushaltsjahr mobilisieren. Das ist natürlich nicht sehr
orthodox, könnte aber akzeptiert werden, denn im
Artikel der Vereinbarung ist eine Ausnahme vorgesehen.
Außerdem hoffe ich, dass der Rat, wie es zuweilen
58
geschieht, sein Versprechen einhält und wir bis zum
Dezember eine Verständigung erzielen.
Das zweite Thema ist die Kürzung der traditionellen
Politiken gegenüber Drittländern. In der Rubrik 4
werden wir ständig angehalten, unsere Hilfen für neue
Länder zu erhöhen, und das geschieht zum Nachteil der
alten. Dies erfordert auch eine Reflexion des Rates über
den Gesamtbetrag für diese Rubrik.
2-130
Jensen (ELDR). – (DA) Frau Präsidentin, ich möchte
einen kleinen Teil des Haushalts ansprechen, nämlich
den Haushalt für die so genannten dezentralen
Agenturen. Zwei Agenturen haben das Problem, dass sie
in Ländern angesiedelt sind, in denen die Inflation über
dem EU-Durchschnitt liegt, was ihren Haushalt belastet
und dadurch die Möglichkeit zur Lösung ihrer Aufgaben
beschränkt. Das gilt für die Agentur in Dublin, die sich
mit der Entwicklung des sozialen Dialogs u. a. in den
beitrittswilligen Ländern befasst, und es trifft auf die
Agentur in Turin zu, deren Aufgabe die Entwicklung der
Berufsausbildung auf dem Balkan sowie die
Unterstützung der MEDA- und TACIS-Programme ist.
In der Haushaltsplanung der Kommission wird dieses
Inflationsproblem nicht berücksichtigt, und ich glaube,
dass zurzeit mehrere neue Agenturen eingerichtet
werden, um die erforderliche Sachkenntnis im
Verwaltungsbereich sicherzustellen. Sie sind sehr
unterschiedlich, was ihren Aufbau und ihre Aufgaben
angeht, und ich hoffe deshalb, dass die unterschiedlichen
Strukturen und Aufgaben der Agenturen in Zukunft im
Haushalt angemessener berücksichtigt werden.
2-131
Boudjenah (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, ich
möchte meinerseits meine Besorgnis zum Ausdruck
bringen, die ich angesichts des Stellenwertes empfinde,
welcher der Entwicklungshilfe im Haushalt beigemessen
wird. Es ist Sparsamkeit angesagt. Haushaltslinien
werden ganz oder teilweise gestrichen, und wir sind
zweifellos weit von einem Haushalt entfernt, der den
Bedürfnissen und Erwartungen gerecht wird. Abgesehen
davon, dass die Erhöhung dieses Teils des Haushalts in
Wirklichkeit gar keine ist, da die Vorbeitrittshilfe für
Zypern, Malta und vor allem die Türkei eingerechnet
werden muss, verheißt die aus den Zahlen ablesbare
allgemeine Entwicklung nichts Gutes hinsichtlich der
Bereitschaft der Union, ihrer Rolle gegenüber dem
Süden gerecht zu werden.
Welch ein seltsames Vorgehen ist es doch, sich das Ziel
der Beseitigung der Armut zu setzen, während
gleichzeitig eine
Verringerung
der
für
die
Entwicklungshilfe bereitgestellten Mittel zu verzeichnen
ist! Die Streichungen sind nicht zu übersehen: weniger
für die Nahrungsmittelhilfe, weniger für Lateinamerika.
Sie sind besonderes einschneidend für den
Mittelmeerraum und den Balkan, ganz zu schweigen von
möglichen neuen Einschnitten, wenn die Finanzierung
der Afghanistan-Hilfe nicht mittels anderer Ressourcen
gesichert werden kann. Wem will man weismachen, dass
die so genannte Verlagerung von Geldern auf andere
Haushaltslinien zu mehr Mitteln, zu größerer
22/10/2002
Wirksamkeit für die Befriedigung der Bedürfnisse der
betreffenden Völker führt? Ohne eine ernsthafte
Revision der Finanziellen Vorausschau wird der Druck
auf diese Rubrik 4 unerträglich.
Nach der Abschaffung des Ministerrates Entwicklung
wäre ein solches Budget ein äußerst schlechtes Signal.
Ein
weiteres
Beispiel:
Kürzlich
haben
die
Verhandlungen
über
den
Abschluss
von
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit unseren AKPPartnern begonnen. Ihnen werden beträchtliche
Anpassungsanstrengungen abverlangt. Die damit
verbundenen finanziellen Belastungen können nicht von
den AKP-Ländern allein und auch nicht vom EEF
getragen werden, sondern erfordern zusätzliche Mittel,
die von der Europäischen Union bereitgestellt werden
müssen.
Des Weiteren möchte ich den Vorschlag meiner Fraktion
nach Schaffung einer speziellen Haushaltslinie für die
Palästina-Hilfe unterstützen. Einige sind der Meinung,
dass die von der Europäischen Union finanzierten
Projekte aufgegeben werden sollten, da diese doch nur
systematisch zerstört werden. Kommissar Patten
bezifferte die Schäden aufgrund der Zerstörung solcher
Infrastrukturen durch die israelische Armee bereits vor
einigen Monaten auf 20 Millionen Euro. Dessen
ungeachtet darf die Europäische Union sich eben nicht
dem Gesetz des Stärkeren beugen, sondern muss so
handeln, wie es das Recht verlangt. Dies hat Kommissar
Patten hervorgehoben, als er aufrief zu – ich zitiere –
„entschlossenem und gemeinsamem Handeln zur
Reform und zum Wiederaufbau der Palästinensischen
Autonomiebehörde, denn sie ist … der einzige
glaubwürdige Gesprächspartner bei den geplanten
Friedensgesprächen“. Dieses Ziel muss jedoch
entsprechend politisch und haushaltsmäßig untermauert
werden.
2-132
Laschet (PPE-DE). – Frau Präsidentin, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Debatte vor
zwei Wochen bereits über einige Schwerpunkte des
Ausschusses
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik im Budget 2003 gesprochen. Ich
möchte mich heute auf einige Bemerkungen zu dem
Text konzentrieren, den
wir zur
künftigen
Zusammenarbeit in der gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik mit dem Rat beschlossen haben.
Der Haushaltsausschuss macht den Vorschlag für die
weiteren Verhandlungen mit dem Rat, einen
interinstitutionellen Mechanismus einzuführen, indem
das Parlament stärker beteiligt wird, bevor der Rat
Entscheidungen über außenpolitische Finanzzusagen
trifft. In den letzten Jahren waren wir ja immer wieder
mit dem Problem konfrontiert, dass der Rat - vor allem
aufgrund der Krisen in den 90er Jahren - Zusagen
gemacht hat und das Parlament dann am Ende mit
irgendwelchen Notmitteln an anderen außenpolitischen
Schwerpunkten kürzen musste.
22/10/2002
Deshalb wollen wir einen Mechanismus, bei dem der
Rat das Parlament bereits in der Vorphase beteiligt, und
wir schlagen dazu erstens vor, dass das Parlament in der
Phase der Prüfung möglicher gemeinsamer Aktionen
konsultiert wird, falls es erforderlich ist, auch im
vertraulichen Rahmen. Zweitens fordern wir, dass das
Parlament durch den Vorsitz oder den Vertreter des
Vorsitzes des politischen und sicherheitspolitischen
Komitees über ein Mandat und vor allem über die
finanziellen Auswirkungen einer gemeinsamen Aktion
unterrichtet wird. Und drittens sollte ein gemeinsamer
Arbeitsplan durch die Kommission und das Parlament
aufgestellt werden, in dem die Schwerpunkte für die
nächste Zeit festgelegt werden.
Dies ist ein Angebot an den Rat, und nur, wenn wir hier
zu einem befriedigenden Ergebnis kommen, werden wir
die Mittel für die Polizeimission in Bosnien in der
zweiten Lesung bewilligen. Die ersten Signale sind sehr
positiv, und ich glaube, dass das ein sehr wichtiger
Schritt ist, auch die gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik in Zukunft parlamentarisch zu
kontrollieren.
2-133
Haug (PSE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Die großen Linien
unseres zukünftigen Haushalts 2003 haben die Kollegen
und Berichterstatter Göran Färm und Per Stenmarck
bereits abgearbeitet. Die Kolleginnen und Kollegen, die
vor mir gesprochen haben, haben ihre Akzente gesetzt
und ihre Aspekte hinzugefügt. Ich will das auch tun,
nämlich einen dieser kleinen Akzente, von denen Frau
Buitenweg gesprochen hat, hinzufügen. Mein
Augenmerk gilt, wie übrigens schon lange, den kleinen
und mittleren Unternehmen und da vor allen Dingen den
Kleinstunternehmen. Wir können auch nicht jedes
Haushaltsjahr eine neue Priorität erfinden, deshalb
bleibe ich dabei.
Deshalb wiederhole ich auch, was viele wissen, aber es
schadet nicht, wenn es noch einmal ins Gedächtnis
gerufen wird: 99 % aller Unternehmen in Europa haben
weniger als 50 Angestellte. Sie beschäftigen mehr als die
Hälfte aller Erwerbstätigen und sorgen auch für etwa die
Hälfte des gesamten Umsatzes in der Europäischen
Union. Im Durchschnitt sind in einem Unternehmen fünf
Personen beschäftigt. Kleine und mittlere Unternehmen
sind es, die sehr innovativ und wachstumsorientiert sind.
Sie spielen also eine entscheidende Rolle im Kampf um
Mehrbeschäftigung und bei der Reduzierung von
Arbeitslosigkeit. Das ist, was für eine Sozialdemokratin
zählt!
Wir tun auf der europäischen Ebene schon einiges, um
die Wettbewerbsfähigkeit der KMU zu stärken; erinnert
sei an das Mehrjahresprogramm für Unternehmen und
unternehmerische Initiative. Aber wir wollen noch mehr
tun. Zum Projekt „KMU in Grenzregionen“ soll das
Projekt „KMU und Erweiterung“ hinzutreten und - das
haben sich jedenfalls einige Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten fest vorgenommen - wir wollen ein
Projekt, das die KMU darin unterstützt, das Konzept
59
„Soziale Verantwortung in Unternehmen - ein
Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung“
auch umzusetzen. Bisher zielen die vorhandenen
Vorschläge mehr und eher auf die großen Unternehmen
ab. Wen wundert es auch, haben sie sich doch an der
Erarbeitung beteiligt. Wir halten das nicht für falsch,
keineswegs. Aber wir wollen nun die Ergänzung um die
Leitlinien für unsere kleinen und mittleren
Unternehmen. Wir wollen das Pilotprojekt KMU und
soziale Verantwortung.
2-134
Mulder (ELDR). – (NL) Frau Präsidentin! Zunächst
möchte ich die beiden Berichterstatter beglückwünschen.
Ich bin jedes Jahr aufs Neue erstaunt, welch gewaltige
Arbeit sie bewältigen müssen. Wie schätze ich den
Haushaltsplan generell ein? Wie auch aus den
vorangegangenen Jahren bekannt ist, bestehe ich
unbedingt darauf, dass wir das, was wir vereinbart
haben, so weit als möglich umsetzen. Wir müssen also
an der Finanziellen Vorausschau festhalten. Auch in
diesem Jahr gibt es wieder einige Haushaltsposten, die
diese Finanzielle Vorausschau durchbrechen. Das trifft
im Besonderen auf Rubrik 4 zu. Meines Erachtens
sollten wir dieses Mal flexibel damit umgehen. Im
Hinblick auf die erforderlichen Ausgaben für
Afghanistan und für den Global Health Fund sollten wir,
so meine ich, das Flexibilitätsinstrument in Anspruch
nehmen und mit dem Rat in Verhandlungen eintreten.
Wann immer ich mich zum Haushaltsplan äußere, kann
ich um eine Bemerkung zu den Agrarausgaben nicht
umhin. Ich habe auch jetzt wieder eine Vielzahl von
Änderungsanträgen eingebracht, die, sofern das Plenum
zustimmt, hoffentlich vom Rat übernommen werden.
Derzeit haben wir einen Untersuchungsausschuss Maulund Klauenseuche. Dieser Untersuchungsausschuss
unterbreitet einige Empfehlungen, über die Sie später in
diesem Jahr abstimmen können. Einige Dinge sind
jedoch schon jetzt klar. Für uns ist es nicht hinnehmbar,
dass künftig nochmals in großem Stil Tiere
abgeschlachtet werden, wie in der Vergangenheit
geschehen. Deshalb habe ich Änderungsanträge für die
Entwicklung besserer Impfstoffe und Testmethoden
sowie für die Unterscheidung zwischen infizierten und
geimpften Tieren und so weiter vorgelegt. Zudem muss
die landwirtschaftliche Erzeugung – und der Meinung ist
übrigens ein jeder – auf Qualität ausgerichtet sein. Dann
aber müssen die Bürger auch wissen, was Qualität ist.
Europa muss ein eigenes, für die Kunden leicht
erkennbares Qualitätssystem konzipieren, und dafür
stehen auch Mittel bereit, sofern es effizient ist.
Was schließlich die Kosten für die Bekämpfung der
Tierkrankheiten betrifft, ist es meiner Ansicht nach nicht
akzeptabel, wenn wir jedes Jahr eine relativ geringe
Summe in den Haushalt einstellen, obgleich sich jedes
Jahr aufs Neue zeigt, dass eine irgendwo tatsächlich
ausbrechende Epidemie Milliarden kostet. Meines
Erachtens
müssen
wir
europäische
Versicherungssysteme einrichten.
60
Mir ist aufgefallen – und damit komme ich zum Schluss
–, dass die Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission
und Parlament bislang reibungslos verläuft. Das wird
hoffentlich in der Zukunft so bleiben.
2-135
Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, im
Namen des Ausschusses für Haushaltskontrolle möchte
ich die beiden Berichterstatter, die, wie ich weiß, sehr
viel Arbeit in ihre Berichte investiert haben,
beglückwünschen. Mein Glückwunsch gilt auch Terry
Wynn, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, für
die zügige Art, mit der er in einigen äußerst lebhaften
Debatten die Abstimmungen durchgeführt hat. Ein derart
zügiger Arbeitsablauf ist stets von Vorteil, und dafür
möchte ich ihm danken.
Mein Ausschuss befasste sich vornehmlich mit vier
Bereichen. Der erste betraf das Europäische Amt für
Betrugsbekämpfung OLAF. Meiner Ansicht nach haben
wir das Problem, das alle Parteien dieses Hauses bei der
Suche nach einer geeigneten Formulierung für einen
Änderungsantrag zur Finanzierung von OLAF im
nächsten Jahr hatten, gelöst. Sorgen bereitet uns jedoch
noch der Dialog zwischen der Kommission und OLAF
im Haushaltsprozess. Vor allem fürchte ich, dass sich
daraus Fragen in Bezug auf die Unabhängigkeit von
OLAF ergeben; das Amt ist in diesem Prozess Teil der
Kommission, und so können wir seinen Haushalt ändern.
Der zweite Bereich betrifft die Ausfuhrerstattungen.
Mein Vorredner, Herr Mulder, ist ebenso wie Herr
Casaca von der sozialistischen Fraktion ein Experte auf
diesem Gebiet, auf dem ich mich leider kaum auskenne.
Soweit mir bekannt ist, sind sie mit dem Ergebnis der
von ihnen auf diesem Gebiet unterbreiteten
Änderungsanträge relativ zufrieden.
Drittens ging es uns um den Schutz des Euro vor
Fälschungen. Wir waren um den Wert des Euro besorgt,
weil große Mengen hätten gefälscht werden können.
Vielleicht hätten wir uns mehr Sorgen um die
merkwürdigen Äußerungen des Präsidenten der
Kommission machen und einen entsprechenden
Änderungsantrag einbringen sollen.
Und vor allem bereitete uns viertens der Reformfahrplan
der Kommission beträchtliche Sorgen. Daher möchte ich
auch die Aufmerksamkeit der Abgeordneten aller
Parteien auf die Änderungsanträge zum Bericht Färm
lenken, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit
der Reform der Kommission. Der ehemalige
Hauptbuchhalter der Kommission verweist auf eine
Reihe von Problemen mit den Rechensystemen, und
stellt die Frage danach, wie unsere Steuermittel, die
Gelder der einzelnen Regierungen, ordnungsgemäß
ausgegeben werden können, wenn die einzelnen
Computersysteme nicht kompatibel sind oder die
erforderlichen Zahlen liefern.
Darauf werden wir zweifellos bei künftigen Aussprachen
zurückkommen. Das waren die wichtigsten Punkte, mit
22/10/2002
denen sich der Haushaltskontrollausschuss auseinander
gesetzt hat.
2-136
Pittella (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, meine lieben exzellenten Berichterstatter!
Einer der in den Haushaltsdebatten wiederkehrenden
Aspekte ist die gute Ausführung. Das galt und gilt nicht
nur für die Strukturfonds.
Wir haben viele Kommentare zu diesem Thema
vernommen, die fast alle durch Empörung, nicht aber
durch Konstruktivität gekennzeichnet waren. Einige
haben hingegen auch dieses Jahr Vorschläge
unterbreitet, darunter den der Einstellung in die Reserve:
Wir haben vor wenigen Minuten eine Wiederholung
dieses Vorschlags gehört. Dieses Heilmittel ist meines
Erachtens schlimmer als die Krankheit; ich halte
vielmehr die Vereinfachung für den richtigen Weg.
Es wurde bereits daran erinnert, dass Kommissar Barnier
eine wichtige Initiative in dieser Richtung auf den Weg
gebracht hat, indem er das Parlament einbezogen hat; es
wurden Vorschläge unterbreitet, die es im Falle einer
umgehenden Umsetzung ermöglichen werden, den
Verlust von Strukturfondsmitteln in den Ziel-1-Regionen
abzubauen. Das ist jedoch nicht ausreichend: Es müssen
eine Vereinfachung der allzu zahlreichen bürokratischen
Verfahren, der unendlichen Kette von Dokumentationsund
Kontrollanforderungen,
sowie
eine
Zusammenlegung der Mittel vorgenommen werden, wie
sie durch die Integration der Entwicklungsmaßnahmen
erfolgt ist. Das ist auch entscheidend für die
Erweiterung. Eine stärkere Union bedeutet nicht
zwangsläufig eine schwerfälligere Union – ganz im
Gegenteil: die Einfachheit der Regeln und die
Anwendung des Subsidiaritätsprinzips werden den EUHaushaltsplan vielmehr zu einem flexiblen Politik- und
Rechnungsführungsinstrument machen, das nicht mehr
durch noch ausstehende Zahlungen belastet ist; vor
allem aber werden sie die Europäische Union weniger
bürgerfern und mehr bürgernah machen.
2-137
Grönfeldt Bergman (PPE-DE).  (SV) Frau
Präsidentin! Wie ich bereits während der vorherigen
Plenardebatte gesagt habe, hat der Ausschuss für
Wirtschaft und Währung im Großen und Ganzen die
erste Lesung des Haushaltsentwurfs der Kommission
durch den Rat begrüßt.
Richtig ist auch, dass der Haushaltsplan der EU für
2003, was unseren Ausschuss betrifft, wesentlich
bescheidener ausfällt als in den vergangenen Jahren. Das
hängt, wie wir alle wissen, mit den umfassenden
Informationskampagnen zusammen, die vor der
Einführung der gemeinsamen Währung durchgeführt
und aus dem EU-Haushalt finanziert wurden, und die
nun hinter uns liegen. Ich werde jedoch gleich noch
einmal auf diese Frage zurückkommen.
Unser Ausschuss hat nur sehr wenige Änderungsanträge
zum Haushaltsplan eingebracht, weshalb ich umso
enttäuschter darüber bin, dass diese fast vollständig vom
22/10/2002
Haushaltsausschuss
verworfen
wurden.
Unsere
Forderungen waren, wie gesagt, sehr bescheiden und
hätten angenommen werden können. Das gilt vor allem
für die Stellungnahme und den Änderungsantrag des
Ausschusses zum Programm PRINCE und insbesondere
dessen Teileinzelplan B5-3061: Aktionen im Bereich
Öffentlichkeitsarbeit zur einheitlichen Währung.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung war sich
einig darüber, dass Informationskampagnen sich
insbesondere auf die Länder konzentrieren sollten, die
die einheitliche Währung noch nicht eingeführt haben,
sowie in gewissem Umfang auch auf die
Beitrittskandidaten, die sie ja eines Tages auch einführen
werden. Die Ablehnung dieses Änderungsantrags
erscheint umso bedauerlicher, als mindestens ein
Mitgliedstaat, vielleicht sind es sogar mehrere, mit hoher
Wahrscheinlichkeit
im
nächsten
Jahr
eine
Volksbefragung zur einheitlichen Währung durchführen
wird. Angesichts dessen erscheint es logisch, Mittel
speziell für diese Länder zu reservieren, anstatt sie für
Informationskampagnen von zweifelhaftem Nutzen in
den Ländern einzusetzen, die bereits sehr erfolgreich die
einheitliche Währung eingeführt haben. Für mich ist es
schwer
nachzuvollziehen,
welchen
Nutzen
Informationsmaßnahmen in den Ländern haben könnten,
in denen der Euro bereits Realität ist und zum Alltag
gehört. Um an dieser Stelle Wim Duisenberg, den
Präsidenten der Europäischen Zentralbank zu zitieren:
„Ich habe noch nie eine Zentralbank erlebt, die Probleme
damit gehabt hätte, ihr Produkt zu verkaufen.“
Ich teile diese Auffassung und bin der Ansicht, dass
diese Maßnahmen von jedem Euro-Land selbst ohne
Mittel aus dem EU-Haushalt ergriffen werden können.
2-138
Guy-Quint (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss
gestehen, dass ich unmittelbar vor der Abstimmung über
den Haushalt 2003 gemischte Gefühle empfinde. Wir
arbeiten
daran,
die
Beschränkungen
des
Gemeinschaftshaushalts so gut wie möglich zu
überwinden und alles bestmöglich abzuwägen. Doch
kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass diese
Beschränkungen hausgemacht sind. Die nunmehr
regelmäßige Verringerung des Gemeinschaftshaushalts
prozentual zum BIP scheint mir besonders Besorgnis
erregend zu sein. Wieder einmal scheinen wir offenbar
nicht gewillt, die Voraussetzungen für unsere
ehrgeizigen Ziele zu schaffen.
Die Lage hinsichtlich der Rubrik 4 ist diesbezüglich
besonders aufschlussreich. Der Rat verpflichtet sich auf
großen internationalen Konferenzen, die verschiedensten
völlig gerechtfertigen Anliegen zu unterstützen: den
Wiederaufbau Afghanistans, den Kampf gegen Aids
usw. Doch wenn er dann wieder nach Brüssel
zurückgekehrt ist, scheint er uns nicht die Mittel
bereitstellen zu wollen, die für die Erfüllung seiner
Versprechen erforderlich sind. Wir haben die Aufgabe,
die Mitgliedstaaten an ihre Pflicht zur Kohärenz und
insbesondere an unsere ambitionierten Ziele im
61
Zusammenhang mit der Erweiterung zu erinnern.
Generell scheint mir, dass das gegenwärtige System der
Finanziellen Vorausschau heute nicht mehr geeignet ist,
um den Bedürfnissen Europas gerecht zu werden.
Allerdings möchte ich auch nicht den Eindruck
erwecken, als ob unser Haushaltsentwurf schlecht sei.
Mir scheint im Gegenteil, dass es uns in vielen
Bereichen gelungen ist, die Dinge voranzubringen und
für alle annehmbare Kompromisse zu finden.
Ich bin erfreut darüber, dass die vom Haushaltsausschuss
im Hinblick auf die Rubrik 1 vorgeschlagenen
Änderungen ganz klar unseren Wunsch widerspiegeln,
die gemeinsame Agrarpolitik ausgeglichener, gerechter
und nachhaltiger zu gestalten sowie ihre Komponente
„ländliche Entwicklung“ zu verstärken. Der Haushalt
muss in erster Linie den Erwartungen der Bürger gerecht
werden. Die von meiner Fraktion zum Kapitel
„Informationsund
Kommunikationspolitik“
eingebrachten Änderungsanträge gehen in diese
Richtung und sind besonders wichtig für die Zukunft
Europas. Gleiches gilt für die Unterstützung für die
Kleinunternehmen und das Handwerk. Wie Jutta Haug
in den verschiedenen Redebeiträgen deutlich gemacht
hat, handelt es sich dabei um Prioritäten, die
beschäftigungsrelevant sind. Diese Mittel können nicht
jedes Jahr abgelehnt werden. Nichtsdestoweniger
möchte ich unseren beiden Berichterstattern danken, die
neue Verfahren in die Haushaltsdiskussion eingeführt
haben, welche zu einer erhöhten Transparenz beitragen,
denn all dies ist unabdingbar, um den Bürgern künftig
die europäische Politik besser zu vermitteln.
2-139
Rübig (PPE-DE). – Sehr geehrte Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zuerst möchte ich mich sehr herzlich bei dem
Berichterstatter Stenmarck bedanken. Er hat es
geschafft, unseren Wunsch nach einer Parlamentarischen
Versammlung der WTO im Haushalt zu verankern. Das
ist, glaube ich, eine historische Tat. Der Ausschuss für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie ist
wirklich stolz, dass das zumindest in dieser Lesung
gelungen ist.
Zweitens möchte ich mich bei Herrn Färm auch im
Namen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie sehr herzlich bedanken, nämlich
für das Verständnis für kleine und mittlere Betriebe,
gerade in den grenznahen Gebieten. Ich glaube, dass hier
diese Initiative sehr gut ankommt und für die Zukunft
besonders im Hinblick auf die Erweiterung ein
Riesenvorteil ist.
Ich sehe noch ein Problem. Der Ausschuss für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie hat das 6.
Rahmenforschungsprogramm einstimmig beschlossen.
Hier haben wir seit dem Abschluss mit Kommission und
Rat ein neues Problem. Wir haben auf der einen Seite
eine Entwicklung bei Basel II, die die Kreditwürdigkeit
von kleinen und mittleren Unternehmen massiv bedroht,
und gleichzeitig stehen wir vor der Erweiterung und
62
befinden uns derzeit in einer konjunkturell sehr
unglücklichen Situation.
Herr Walter hat schon völlig richtig gesagt: Wir
brauchen ein Gleichgewicht, und das Gleichgewicht ist
momentan gestört. Uns brechen die Einnahmen weg.
Das heißt, was müssen wir tun, um die Einnahmen von
steuerlicher Seite her zu verbessern? Wir müssen
verhindern, dass noch mehr Unternehmen in Konkurs
gehen, denn mit den Konkursen droht eine massive
Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Dieser Trend könnte sich
verstärken, wenn wir uns nicht rechtzeitig auf die
Einführung von Basel II vorbereiten. Ich selbst bin
Wirtschaftswissenschaftler, aber ich glaube, dass wir im
6.
Rahmenprogramm
sehr
wohl
einen
Forschungsschwerpunkt
Basel
II
brauchen
Kreditwürdigkeit für kleine und mittlere Unternehmen.
Ich würde hier Herrn Färm sehr herzlich bitten, uns bei
diesem wichtigen Anliegen zu unterstützen, weil wir
neue Instrumente brauchen, um die Stabilität Europas
weiter zu gewährleisten - einen Stabilitätspakt für KMU.
2-140
Titley (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, als Verfasser der
Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik bin ich
im Wesentlichen einverstanden mit dem Standpunkt, den
der Haushaltsausschuss zu unseren Änderungsanträgen
bezogen hat. Ich möchte Herrn Färm für seine Hilfe und
Unterstützung danken. Besonders freut mich, dass meine
Änderungsanträge zur Sicherheit unserer EUDelegationen befürwortet wurden. Ich halte diesen Punkt
für äußerst wichtig. Ferner freue ich mich, dass es uns
gelungen ist, die Kürzungen der Haushaltslinie für
Menschenrechte und Demokratie rückgängig zu machen.
Ich verstehe die Strategie des Berichterstatters zu
Afghanistan. Ich möchte nur sichergehen, dass wir uns
darüber im Klaren sind, dass nichts unser Engagement
für den Wiederaufbau von Afghanistan unterminieren
wird.
Enttäuscht bin ich allerdings über die Ablehnung meines
Änderungsantrags zu den Landminen, denn mit den
dafür vorgesehenen 3,15 Millionen Euro hätten wir den
von uns ursprünglich vorgesehenen Betrag wieder
erreicht. Die Haushaltslinie zu den Landminen war eine
Maßnahme, für die sich das Europäische Parlament ganz
besonders eingesetzt hat. Ich hoffe, dass wir bei der
Abstimmung auch über die Wiedereinsetzung dieses
Betrags abstimmen werden, denn wir würden damit die
von uns ursprünglich vorgeschlagene Summe wieder
erreichen. Ich bin enttäuscht über die Änderungsanträge,
mit denen unter recht interessanten Bedingungen
15 Millionen Euro für Palästina in die Reserve
eingestellt werden sollen. Ich hoffe, dass wir alle für
Palästina vorgesehenen Mittel als ordentliche
Haushaltsposten einsetzen können.
2-141
Pronk (PPE-DE). – (NL) Im Namen des Ausschusses
für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten möchte
auch ich den Berichterstattern danken, die ihr Bestes
22/10/2002
getan haben, um diesen Haushaltsplan trotz aller
Beschränkungen erfolgreich zum Abschluss zu bringen.
Übrigens haben wir gestern sehr eingehend über die drei
Prozent diskutiert, und meines Erachtens sollte Herr
Prodi sämtlichen Ländern schlicht und einfach
empfehlen, das Haushaltssystem der Europäischen
Union zu übernehmen, denn, wenn sie so verfahren,
würden sie nie wieder Defizite haben und immer
Überschüsse erzielen. Vor eben diesem Problem stehen
wir: Das System ist so konzipiert, dass stets Überschüsse
entstehen. Die Länder können dieses System zwar
einfach übernehmen, haben aber selbstverständlich nur
das Problem, dass sich bestimmte Wünsche nicht
erfüllen lassen. Das System ist unbarmherzig, und damit
müssen wir leben.
Meiner Meinung nach haben wir eine Reihe vernünftiger
Lösungen gefunden, damit wir besser damit leben
können, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wir
können uns lauthals wegen knapper Mittel beklagen,
wenn man aber bedenkt, was an die Mitgliedstaaten
zurückfließt, dann mutet das stets ein wenig sonderbar
an. Dort müssen wir doch etwas unternehmen. Das ist
auch in der Interinstitutionellen Vereinbarung festgelegt
und sollte in Erwägung gezogen werden. Wir müssen
einfach imstande sein, mit den uns jetzt zur Verfügung
stehenden Mitteln besser umzugehen und nicht alles
vorschnell festzulegen.
Ziemlich zufrieden sind wir mit dem Ergebnis und
insbesondere mit dem Projekt für die Mobilität älterer
Menschen, das auf Veranlassung von Herrn Podestà in
diesen Haushaltsplan aufgenommen wurde. Mit einem
Punkt bin ich unzufrieden, nämlich mit der Art und
Weise, wie Stiftungen – und ich beziehe mich in erster
Linie auf die Dubliner Stiftung – behandelt werden.
Wenn die Kosten in einem Land schneller steigen als in
der übrigen Union, dann gibt es in der Gemeinschaft
dafür eine bestimmte Regel. So ist es nun mal. Dann
geht es nicht an, dass der Haushaltsausschuss und
speziell der Verantwortliche im Haushaltsausschuss in
solchen Fällen erklärt: „Oh nein, das kümmert uns
überhaupt nicht, wir geben diese Gelder einfach nicht,
sie müssen ihre eigenen Reserven mobilisieren“. Diese
Reserven gibt es nicht, und das ist auch ganz gut so.
Obgleich das nur eine Nebensächlichkeit ist und ich
darüber nicht viele Worte verlieren möchte, halte ich es
doch für wichtig genug, etwas dagegen zu unternehmen.
2-142
Howitt (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, angesichts des
wachsenden
Finanzierungsbedarfs
aufgrund
der
zunehmenden internationalen Instabilität und der
Bekämpfung der Armut als Schwerpunktaufgabe der EU
im Rahmen ihrer Hilfe für Entwicklungsländer weltweit
bereitet uns die streng einzuhaltende Obergrenze von
Rubrik 4 auch in diesem Jahr wieder erhebliche
Probleme. Doch das gesamte Parlament – nicht nur der
Ausschuss für Entwicklung und Zusammenarbeit – setzt
sich für die Entwicklung als übergeordnete politische
Priorität des diesjährigen EU-Haushalts ein, die auch die
Unterstützung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von
AIDS, Tuberkulose und Malaria einschließt.
22/10/2002
In seiner Entschließung vom Mai unterstrich der Rat sein
Engagement. Die Kommission sagt, sie will ihren Sitz
im
Verwaltungsrat
behalten.
Dennoch
wird
vorgeschlagen, den im letzten Jahr bereitgestellten
Beitrag in Höhe von 120 Millionen Euro im nächsten
Jahr
auf
magere
35 Millionen Euro
zusammenzustreichen. Nein, das Parlament will nicht,
dass die Europäische Union das absolute Minimum
bereitstellt. Es erkennt, dass AIDS und HIV heute die
größte Herausforderung für die Menschheit darstellen;
dass nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit
mindestens 7 Milliarden benötigt werden und dass
bereits Vorschläge in Höhe von 5 Milliarden unterbreitet
wurden.
Der Globale Fonds verkörpert einen neuen kühnen
Ansatz, der sich durch rasches Handeln, partizipatives
Vorgehen und demokratische Kontrolle auszeichnet. Die
Europäische Union muss beweisen, dass sie diese Vision
teilt und über ebenso viel Phantasie und Engagement
verfügt, indem sie ihren finanziellen Beitrag drastisch
anhebt und bei der Bekämpfung der schlimmsten Geißel
unserer Zeit eine führende Rolle übernimmt.
63
des
Fischereiausschusses
zum
Entwurf
des
Haushaltsplans für das Jahr 2003 deutlich dargelegt.
Sie wissen ja, dass die Haushaltsausgaben der
Europäischen Union für die GFP insgesamt unter denen
der kleinsten gemeinsamen landwirtschaftlichen
Marktorganisationen liegen; die für die Fischerei
eingesetzten Haushaltsmittel der Union sind zum
Beispiel niedriger als die für Baumwolle.
Ich möchte das Hohe Haus an die Verpflichtung des
Rates und des Parlaments erinnern, die 27 Millionen
Euro dieses Haushaltsjahrs für die Umstrukturierung der
Flotte, die in Marokko tätig war, bereitzustellen. Die
Betroffenen, nämlich die Fischer und Reeder, warten
darauf, dass diese Verpflichtung eingehalten wird,
welche haushaltstechnischen oder buchungstechnischen
Maßnahmen auch immer ergriffen werden.
Wenn auch nicht die Mittel vorhanden sind, um die
entsprechenden Linien für den sozialen Dialog und die
Küstenfischerei aufzustocken, wie wir es uns gewünscht
hätten, sollte die Kommission den Wunsch dieses
Parlaments nach mehr Unterstützung in diesen beiden
Fragen zur Kenntnis nehmen.
2-143
Goodwill (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich freue
mich, dass der Haushaltsausschuss so viele der vom
Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik eingereichten Änderungsanträge
befürwortet hat. Das gilt vor allem im Hinblick auf die
Haushaltslinie
B7-524
–
Unterstützung
im
Nuklearbereich. Wir fordern eine angemessene Summe
für die Bereitstellung von Geräten zur Behandlung von
Krebserkrankungen in der Republik Weißrussland, die
noch immer unter den Folgen des Unglücks im
Atomkraftwerk Tschernobyl in der benachbarten
Ukraine zu leiden hat. Fast 23 % der Landesfläche waren
kontaminiert; etwa zwei Millionen Menschen, darunter
500 000 Kinder, leben in radioaktiv verseuchten
Gebieten. Die Erkrankungsrate in den verseuchten
Gebieten ist dramatisch angestiegen. So leiden heute
fünfzigmal mehr Kinder unter 18 Jahren an
Schilddrüsenkrebs als vor dem Unfall. Bei der
Erwachsenenbevölkerung hat sich die Zahl der
Schilddrüsenerkrankungen verfünffacht.
Die wirksamste Methode zur Bekämpfung derartiger
Tumore ist die hochdosierte Brachytherapie, bei der die
Strahlenbelastung gesunder Organe und Gewebe
während der Bestrahlung der bösartigen Geschwulst
minimal ist. Für die hochdosierte Brachytherapie sind
hochmoderne Geräte erforderlich. Die mit dem Kauf und
der Wartung dieser Geräte verbundenen hohen Kosten
kann die Republik Weißrussland nicht allein tragen.
Unsere durchaus begründeten Bedenken in Bezug auf
die Demokratie und die Menschenrechte in
Weißrussland sollten uns nicht davon abhalten, diesen
Kindern zu helfen.
2-144
Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Frau
Figueiredo als Verfasserin der Stellungnahme hat dem
Haushaltsausschuss und diesem Plenum die Bedenken
2-145
Hatzidakis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich
möchte, nachdem ich zunächst den Berichterstattern und
dem Ausschussvorsitzenden meinen Glückwunsch zu
der von ihnen geleisteten Arbeit aussprechen will, zu
den Problemen der Regional- und Verkehrspolitik
sprechen.
Leider habe ich keine erfreulichen Dinge zu verkünden.
Die Transeuropäischen Netze kommen, ungeachtet der
beim
Ratsgipfel
von
Essen
übernommen
Verpflichtungen, nur sehr langsam voran. Die
vorrangigen Projekte stagnieren, und die Antwort des
Rats darauf sind weitere Kürzungen. Daher unterstützen
wir seitens des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr
und Fremdenverkehr vorbehaltlos die Änderungsanträge,
die auch vom Haushaltsausschuss befürwortet werden
und darauf ausgerichtet sind, die Lage ein wenig zu
verbessern. Zweitens möchte ich im Hinblick auf die aus
den Strukturfonds vorgenommenen Mittelzahlungen
unsere dringende Besorgnis ausdrücken.
Im Jahr 2000 kamen die Zahlungen nur sehr langsam in
Gang, wofür vor allem die Mitgliedstaaten
verantwortlich waren, und dies war auch im Jahre 2001
der Fall. Bekanntlich bemüht sich die Kommission, die
Dinge zu richten, und auch Kommissar Barnier hat sich
in letzter Zeit verstärkt engagiert, indem er eine
Mitteilung herausgegeben und sich mit den Ministern
der Mitgliedstaaten getroffen hat. Dennoch müssen auch
die Mitgliedstaaten jede erdenkliche Anstrengung
unternehmen. Außerdem wurde, und ich möchte das
ausdrücklich unterstreichen, darauf hingewiesen, dass
die Situation bei den wohlhabenderen Mitgliedstaaten
schlimmer ist als bei den ärmeren. Diese müssen also
alles daransetzen, die Mittel zügig auszuzahlen, während
die Kommission diese Entwicklung genauestens
64
überwachen sollte, damit wir das Problem endlich in den
Griff bekommen. Denn wenn dieser Zustand andauert,
fürchte
ich,
werden
am
Ende
erhebliche
Strukturfondsmittel verloren gehen.
2-146
Ceyhun
(PSE).
–
Frau
Präsidentin!
Im
Haushaltsverfahren 2003 sind die Anträge des
Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger,
Justiz
und
innere
Angelegenheiten,
dessen
Berichterstatter ich bin, zum größten Teil berücksichtigt
worden.
Bedauerlicherweise wurden drei mir wichtige Anträge
des Ausschusses verworfen oder abgeändert. Sie werden
im Plenum erneut zur Abstimmung gebracht. Sie
beziehen sich erstens auf die Kooperation mit
Drittstaaten im Bereich der Migration. Hier wollen wir
5 000 000 Euro mehr in die Verpflichtungen einfügen.
Ich bin der Überzeugung, dass eine Verbesserung der
Situation nur durch verstärkte Kooperation möglich ist,
und das bedeutet finanzielle Anstrengungen der
Europäischen Union.
Zweitens beziehen sie sich auf den Europäischen
Flüchtlingsfonds. Darüber, glaube ich, muss ich nicht
lange reden, da es eigentlich schon bekannt ist. Der
dritte Punkt ist die Celex-Finanzierung.
Wir haben trotz der veränderten Situation seit den
Anschlägen in den USA vieles umgesetzt, ohne
dramatisch höhere Ausgaben zu verlangen. Darum,
denke ich, sind unsere Forderungen - diese drei Punkte allesamt gerechtfertigt, und ich bitte Sie, in diesem Sinne
abzustimmen.
22/10/2002
Wenn die Bürger in den Kandidatenländern und den
jetzigen Mitgliedstaaten die Erweiterung nicht verstehen,
dann werden sich die Probleme, die wir mit Irland
hatten, wiederholen. Der Haushaltsausschuss stimmte
dem Vorschlag des Kulturausschusses zu, von diesen
21 Millionen Euro eine Million für die Ausbildung
künftiger Abgeordneter des Europäischen Parlaments
aus den Kandidatenländern vorzusehen. Heute Morgen
war der ungarische Präsident hier. Das zeigt, dass
Politiker in den Kandidatenländern an einer Mitarbeit in
diesem Parlament interessiert sind, und das müssen sie
lernen.
Ferner freut mich, dass es uns gelungen ist, sofern dieser
Haushalt verabschiedet wird, den ursprünglich für das eLearning vorgesehenen Betrag von 17 Millionen Euro
wieder einzusetzen, den die Kommission in ihrem
Vorschlag auf 9 Millionen Euro gekürzt hatte.
Wir haben nicht nur unsere haushaltspolitischen
Prioritäten falsch gesetzt, auch das ganze System ist
falsch. Ich bedanke mich für die Unterstützung, die wir
vom Berichterstatter des Haushaltsausschusses in diesem
Jahr sowie von der Kommission erhalten haben, aber der
Rat fehlt heute Nachmittag. Er fehlte auch bei den
Diskussionen zum vorgeschlagenen Haushalt in den
Ausschüssen. Er sollte sich seiner Einstellung in dieser
Sache schämen.
2-148
Die Präsidentin. – Ich stimme Herrn Perry und den
übrigen Rednern zu, die im Laufe des Nachmittags die
Abwesenheit des Rates angesprochen haben. Ich möchte
im Namen des Parlaments unterstreichen, dass es
wichtig ist, dass der Rat an unseren Aussprachen
teilnimmt und unsere Standpunkte zur Kenntnis nimmt.
2-147
Perry (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, wenn Sie
wissen wollen, was für jemanden wirklich wichtig ist,
fragen Sie ihn nicht. Schauen Sie sich die
Kontrollabschnitte seines Scheckheftes oder seine
Kreditkartenabrechnung an, und Sie wissen Bescheid.
Heute
Nachmittag
schauen
wir
uns
die
Kontrollabschnitte des Scheckheftes der Kommission an,
und was stellen wir fest? Es wurden 2,4 Milliarden Euro
für Oliven ausgegeben, aber nur 240 Millionen Euro für
das Gemeinschaftliche Aktionsprogramm im Bereich der
Bildung Sokrates. Als Berichterstatter für den
Kulturausschuss komme ich nicht umhin festzustellen,
dass wir zehnmal mehr für Oliven als für die Bildung
ausgeben.
Die Kommission schlägt 14 Millionen Euro für
Informationskampagnen für die Erweiterung vor. Ganz
ordentliche Summe, werden Sie denken, bis Sie
feststellen, dass 16,5 Millionen Euro als Beihilfe für die
Bienenzucht vorgeschlagen werden. Damit kritisiere ich
nicht die Unterstützung für die Bienenzucht, aber ich
denke, dass die Aufstockung der von der Kommission
für Informationen für die Erweiterung vorgeschlagenen
14 Millionen Euro auf 21 Millionen Euro durch das
Parlament richtig war.
2-149
Wijkman (PPE-DE).  (SV) Frau Präsidentin! Ich
möchte meine zwei Minuten dafür verwenden, meiner
Zufriedenheit darüber Ausdruck zu verleihen, dass mit
dem nun vorliegenden Entwurf die Arbeit hinsichtlich
der Verhinderung der Verbreitung so genannter
armutsbedingter Krankheiten wie HIV, Malaria und
TBC intensiviert werden kann. Wir wissen, dass diese
Krankheiten für Millionen von Menschen ernorme
Schwierigkeiten und Probleme bereiten, aber auch, dass
das Leid und der Tod, den diese Krankheiten
verursachen, die Erfolge jahrelanger Entwicklungsarbeit
schnell zunichte machen.
Bereits Anfang der 90er Jahre gab es Prognosen, vor
allem hinsichtlich der Verbreitung von HIV, die
besagten, dass in einigen Fällen bis zu 25 % der
erwachsenen Bevölkerung einzelner Länder betroffen
sein würden. Diese Voraussagen wurden vom Tisch
gewischt und ich muss sagen, dass sowohl die
internationale
Gemeinschaft,
einschließlich
der
Geberländer, als auch einzelne Länder im Süden, diese
Probleme allzu sehr auf die leichte Schulter genommen
haben. Bis vor kurzem hat auch die Kommission im
Rahmen ihrer Entwicklungshilfe nur sehr wenig in
dieser Hinsicht geleistet. Da wir jetzt eine neue
Richtlinie zum Umgang mit diesen Fragen besitzen, aber
22/10/2002
vor allem auch die Haushaltsmittel erhöhen, besteht nun
die Möglichkeit, dass die EU in diesem Bereich eine
wesentlich größere Verantwortung übernimmt.
65
danken, die dieses Mal offensichtlich Früchte getragen
hat.
Die Aussprache ist geschlossen.
Besonders möchte ich unterstreichen, welche Bedeutung
wir der ausreichenden Mittelausstattung des gerade
eingerichteten Fonds beimessen, damit die EU und
Europa auf diese Arbeit einen ausreichenden und
beständigen Einfluss nehmen können.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 11.30 Uhr
statt.
(Die Sitzung wurde um 17.40 Uhr unterbrochen und um
18.00 Uhr wieder aufgenommen.)
2-150
Smet (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin! Zunächst möchte ich den beiden
Berichterstattern des Haushaltsauschusses und den
Mitgliedern des Haushaltsausschusses dafür danken,
dass – und das ist das erste Mal – der weitaus größte Teil
der Änderungsanträge des Ausschusses für die Rechte
der
Frau
und
Chancengleichheit
vom
Haushaltsausschuss in derselben oder in geänderter
Form übernommen worden ist. Diese Änderungsanträge,
Frau Kommissarin, betrafen drei Bereiche.
Die erste Gruppe von Änderungsanträgen bezog sich auf
Gewalt gegen Frauen wie Genitalverstümmelung,
Vergewaltigung, Steinigung von Frauen usw. in sehr
vielen Staaten auf der Welt. Erstmals haben wir im
Haushaltsplan festgeschrieben, dass die Hilfe, die wir
einigen Ländern gewähren, dann ausgesetzt werden
kann, wenn sie die Rechte der Frauen nicht achten. Ich
halte das für richtig und danke dem Haushaltsausschuss.
Das ist also der erste Bereich, der angenommen worden
ist.
Ein zweiter Punkt betrifft Frauen und Beschlussfassung.
In zahlreichen Mitgliedstaaten hat sich auf dem Gebiet
der politischen Beschlussfassung durch Frauen eine
Menge getan. Allerdings haben die Gewerkschaften und
Arbeitgeber recht wenig zur Förderung der Präsenz von
Frauen in ihren Organisationen unternommen. Das ist
jedoch notwendig, denn in einer ganzen Reihe von
Mitgliedstaaten sind sie praktisch zum Gesetzgeber
geworden: Verträge, die sie abschließen, haben
Gesetzeskraft. Obgleich sie also enorme Macht errungen
haben, haben sie sich jedoch nicht in dem Maße wie
unsere einzelstaatlichen Parlamente und unsere
nationalen politischen Parteien bemüht, die Frauen in
den Vordergrund zu stellen. Dieser Änderungsantrag ist
ebenfalls angenommen worden, und dafür gebührt dem
Haushaltsausschuss mein Dank. Nicht angenommen –
und hier appelliere ich an die Kommissarin, Frau
Diamantopoulou – wurde der Änderungsantrag
betreffend flexiblere Standards für die Finanzierung von
Projekten für Frauen. Derzeit gelten sehr strenge
Kriterien. Viele Frauenorganisationen können sie nicht
erfüllen. Dies ist der einzige Änderungsantrag, der keine
Zustimmung gefunden hat. Dennoch möchte ich im
Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und
Chancengleichheit Dank sagen.
2-151
Die Präsidentin. – Ich danke Ihnen für diesen Beitrag.
Als Frau möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, Ihnen
für Ihre langjährige Arbeit für die Sache der Frauen zu
2-152
VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident
Nach der Tagesordnung folgt die Fragestunde. (B50494/2002). Wir behandeln eine Reihe von Anfragen an
die Kommission.
Teil I
2-153
Fragestunde (Kommission)
2-154
Der Präsident. – Anfrage Nr. 38 von Raimon Obiols i
Germà (H-0645/02):
Betrifft:
Tindouf
Nahrungsmittelknappheit in den Flüchtlingslagern von
Anfang September erklärte Radhouane Nouicer, zuständig für die
Hilfsprogramme des UNHCR in Nordafrika und im Nahen Osten, dass
155 000 saharauischen Flüchtlingen in den Flüchtlingslagern von
Tindouf eine Hungerkatastrophe droht. Wenn keine neuen
Hilfslieferungen in die Lager gebracht werden, so das
Welternährungsprogramm (WFP), können für die Flüchtlinge im
Oktober lediglich 11 % der pro Tag notwendigen Kalorienzufuhr
sichergestellt werden; das entspricht 231 Kilokalorien pro Person,
wohingegen eine normale Tagesration an Mehl, Hülsenfrüchten,
Bohnen, Speiseöl und anderen Nahrungsmitteln bei 2 100 Kalorien
liegt.
Die Kinder sind am schlimmsten von dieser Situation betroffen.
Angaben des UNHCR zufolge sind 35 % der Kinder chronisch
unterernährt und 13 % von ihnen leiden an Rachitis.
Kann die Kommission angesichts der beschränkten Mittel, die ihr zur
Verfügung stehen, Sofortmaßnahmen ergreifen, um die drohende
Hungerkatastrophe abzuwenden?
Mit welchen Mechanismen kann die Kommission weitere
Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten an das WFP unterstützen?
2-155
Nielson, Kommission. – (EN) Ein beträchtlicher Teil der
von ECHO verfolgten Strategie besteht in der Linderung
vergessener Krisen, und das ist sehr wichtig. Deshalb
werden auch die sahrauischen Flüchtlinge kontinuierlich
von uns unterstützt. ECHO ist für diese Flüchtlinge die
wichtigste Hilfsquelle. In den letzten drei Jahren hat
ECHO seine Unterstützung für die sahrauischen
Flüchtlinge mehr oder weniger verdoppelt, und zwar von
7,5 Millionen Euro
im
Jahre
1999
auf
14,34 Millionen Euro in diesem Jahr.
66
Während das Welternährungsprogramm für die
Bereitstellung der Grundnahrungsmittel zuständig ist,
konzentriert ECHO seine Hilfsmaßnahmen auf
ergänzende
Nahrungsmittel,
um
eine
abwechslungsreichere Ernährung zu ermöglichen. Da
das Welternährungsprogramm jedoch erhebliche
Schwierigkeiten hat, die zur Erfüllung seiner
Verpflichtungen benötigten Geber zu finden, beschloss
ECHO 2001 die Einrichtung eines als Puffer gedachten
Dreimonatsvorrats an Grundnahrungsmitteln wie
Getreide, Hülsenfrüchte, Öl und Zucker, den das WFP
nutzen kann, falls seine Lieferungen für die Versorgung
der Flüchtlinge zu spät eintreffen. Bedingung ist, dass
das Welternährungsprogramm die entnommenen
Bestände auffüllt.
Diese Regelung hat sich als äußerst wertvoll erwiesen.
Bis Ende Oktober 2002 hat das WFP dreizehnmal von
dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und insgesamt
12 153 t entnommen. Das Problem ist, dass bisher
lediglich 5 589 t ersetzt wurden, so dass die
Pufferbestände mit 17,24 % des Gesamtbestandes sehr
niedrig sind.
Vor
diesem
Hintergrund
gaben
Welternährungsprogramm und UNHCR Anfang
September 2002 einen gemeinsamen Appell zur
Verstärkung der internationalen Hilfe heraus, um den
Bedarf an Grundnahrungsmitteln decken zu können.
Obwohl es stimmt, dass das WFP im Oktober lediglich
11 % des Bedarfs decken kann, ist dem hinzufügen, dass
sich diese Zahl lediglich auf WFP-Lieferungen bezieht
und Lieferungen von anderen Gebern nicht
berücksichtigt.
ECHO finanzierte 300 t Reis, die im Oktober
bereitgestellt wurden, und die Inanspruchnahme der von
mir erwähnten Pufferbestände trug ebenfalls maßgeblich
dazu
bei,
dass
der
Gesamtbedarf
an
Grundnahrungsmitteln im Oktober gedeckt werden
konnte. Es stimmt also nicht, dass im Oktober nur 11 %
des Bedarfs sichergestellt waren. Wie ich hier erklärte,
ist die Lage wesentlich besser.
Lassen Sie mich kurz auf den von der Kommission in
diesem Jahr für ECHO beschlossenen Globalplan für
diese Flüchtlinge eingehen. Dieser Plan im
Gesamtumfang von 14,34 Millionen Euro dürfte
zumindest die schlimmsten Auswüchse der Krise
verhindern. Über 80 % des Globalplans ECHO 2002
bestehen aus Nahrungsmitteln. Im Rahmen dieses Plans
werden
in
den
nächsten
Wochen
weitere
Grundnahrungsmittel über 5000 t eintreffen. Zusätzlich
werden in den nächsten Monaten mehr als 3 000 t aus
ECHO-Mitteln finanzierte ergänzende Nahrungsmittel
bereitgestellt. Außerdem hat der WFP die Bereitstellung
von über 4 000 t Grundnahrungsmittel angekündigt. Das
sind erfreuliche Nachrichten. Dennoch besteht noch
immer Grund zur Sorge, und zwar insbesondere im
Hinblick auf die Versorgung im Januar und Februar, da
die Nahrungsmittel möglicherweise nicht ausreichen
werden, um den Gesamtbedarf in diesem Zeitraum zu
decken.
22/10/2002
Bei den Gebern herrscht eine gewisse Müdigkeit. Das ist
der Hintergrund. Ich stimme der Frage in dieser Hinsicht
zu. Deshalb beteiligt sich ECHO auch an Maßnahmen
zur Aufklärung der Geber über diesen Konflikt und diese
Menschen.
2-156
Obiols i Germà (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich
möchte dem Kommissar für seine Informationen und der
Kommission, insbesondere ECHO, für ihre Arbeit zur
Linderung dieser aus humanitärer Sicht Besorgnis
erregenden Situation einfach meinen Dank aussprechen.
Der Hohe Kommissar, Herr Ruud Lubbers, bezeichnete
die Situation als unannehmbar, und ich möchte
hinzufügen, sie ist politisch schäbig.
Sollte die politische Erklärung für diese aus humanitärer
Sicht
unannehmbare
Situation
in
Ermüdungserscheinungen der Geber liegen, so muss
man sagen, dass einige Geber schon durch sehr spärliche
Summen zum Ermüden gebracht werden. Sollte es eine
andere Erklärung geben, wäre die Schäbigkeit noch
größer, denn es gibt viel würdigere und vor allem viel
effektivere Methoden, um Druck auszuüben, als Kinder
und Frauen bei der Nahrungsmittelhilfe leiden zu lassen.
Kurz, vielen Dank für Ihre Information und Ihre Arbeit,
Herr Kommissar.
2-157
Nielson,
Kommission.
–
(EN)
Nur
eine
Zusatzbemerkung. Morgen findet in Kopenhagen eine
Konferenz über vergessene humanitäre Krisen statt. Sie
ist Ausdruck eines ganz bewussten und systematischen
Versuchs der Kommission, mit Unterstützung des Amtes
für humanitäre Hilfe eine Methodik zur Bestimmung
von Krisen zu erarbeiten, die man als „vergessene
Krisen“ bezeichnen könnte, also diejenigen, die nicht im
Scheinwerferlicht der Medien stehen. Die genannte
Krise fällt in diese Kategorie, deshalb begrüße ich diese
Frage und die Möglichkeit, sie zu beantworten und die
damit verbundenen Probleme hervorzuheben. Das macht
den Dialog mit dem Parlament sinnvoll und nützlich.
2-158
Der Präsident. – Anfrage Nr. 39 von Lennart Sacrédeus
(H-0630/02):
Betrifft: Vorwurf der Verwendung von EU-Mitteln zur Finanzierung
terroristischer Aktivitäten in Palästina
In den letzten Jahren wurden wiederholt Vorwürfe laut, dass EU-Mittel
für die Palästinensische Autonomiebehörde zur Finanzierung
terroristischer Aktivitäten verwendet würden.
So übermittelte im Mai dieses Jahres die israelische Regierung der
Kommission einen Bericht, worin man Beweise dafür vorlegen zu
können glaubte, dass die Palästinensische Autonomiebehörde einen
Teil der erhaltenen EU-Hilfen Terroristen oder gar für terroristische
Aktivitäten zur Verfügung gestellt hat, etwa über ein künstliches
Aufblähen der Kosten für die öffentlichen Bediensteten.
Welche Möglichkeit hat die Kommission, um die Verwendung der
Hilfen zu kontrollieren? Wie hat man von den Informationen der
israelischen Regierung Gebrauch gemacht?
22/10/2002
2-159
Patten, Kommission. – (EN) Es gibt immer wieder
Behauptungen über den angeblichen Missbrauch von
EU-Geldern
durch
die
Palästinensische
Autonomiebehörde. Vor einiger Zeit erstellte eine
israelische Regierungsstelle ein Dossier, mit dem
nachgewiesen werden sollte, dass Präsident Arafat und
die Palästinensische Autonomiebehörde von der
Europäischen Union gemeinsam mit Norwegen und
einigen anderen Ländern bereitgestellte Mittel benutzen,
um Anhänger des Terrorismus und sogar terroristische
Aktivitäten zu finanzieren.
Dies sind äußerst schwer wiegende Behauptungen, und
die Kommission hat sie sorgfältig geprüft. Ich möchte
wiederholen, was ich am 19. Juni bereits vor dem
Ausschuss
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik sowie dem Haushaltsausschuss
gesagt habe: die Kommission hat nach Prüfung
sämtlicher von der israelischen Regierung vorgelegter
Dokumente keine Hinweise darauf gefunden, dass von
der Europäischen Union zur Verfügung gestellte Mittel
für andere als die zwischen der Europäischen Union und
der Palästinensischen Autonomiebehörde vereinbarten
Ziele verwendet wurden.
Die Kommission stellt monatlich Haushaltszuschüsse in
Höhe von 10 Millionen Euro für die Palästinensische
Autonomiebehörde bereit. Das entspricht 10 % des
Gesamthaushalts der Behörde. Die Unterstützung durch
die Europäische Union trug dazu bei, dass der völlige
Kollaps der palästinensischen Institutionen verhindert
werden und damit einer der Gesprächspartner im
Friedensprozess erhalten werden konnte. Gleichzeitig
wirkt sie mit dem erforderlichen Druck auf einen
ernsthaften Reformprozess vor allem im Bereich der
öffentlichen Finanzen hin, wo sie auch anleitend wirkt.
Ich möchte das Haus daran erinnern, dass die
Europäische Union die Haushaltszuschüsse letztlich
bereitstellt, um die Auswirkungen des Einfrierens der
Transferzahlungen durch die israelische Regierung
etwas auszugleichen, durch das der Behörde inzwischen
mehr als 680 Millionen US-Dollar vorenthalten werden.
Für die Haushaltshilfe gelten eine Reihe von
Bedingungen in Bezug auf die Reform von Verwaltung
und Justiz, Finanzkontrollen usw., die regelmäßig
kontrolliert und verbessert werden. Die Auszahlung der
Haushaltszuschüsse wird vor Ort von der Kommission
und dem Internationalen Währungsfonds überwacht, der
monatliche
Berichte
zu
wirtschaftsund
finanzpolitischen Entwicklungen, zur Entwicklung des
Arbeitsmarktes,
zur
Lohnsumme
und
den
Lohnnebenkosten,
zur
Entwicklung
der
Investitionsausgaben usw. vorlegt. Die Vorzüge unserer
Haushaltshilfe werden allgemein anerkannt, und zwar
nicht nur vom Ministerrat, sondern auch von der
internationalen Gemeinschaft. Die USA und die anderen
Mitglieder des Nahost-Quartetts – die UNO und die
Russische Föderation – bestätigen, dass dank unserer
Hilfe Fortschritte bei der Abwicklung der finanziellen
67
Angelegenheiten
der
Palästinensischen
Autonomiebehörde gemacht worden sind.
Auch bei den Reformbemühungen sind dank unserer
Haushaltshilfe Fortschritte zu verbuchen, zu denen die
Einrichtung
eines
einzigen
Kontos
beim
Finanzministerium, die Konsolidierung der öffentlichen
Finanzen der Behörde sowie erste Schritte auf dem Weg
zu einem modernen System der Finanzkontrolle zählen.
Als Nächstes folgen die Verabschiedung eines
Sparhaushalts, anschließend der Abbau von Rückständen
und schließlich und vor allem die Verabschiedung und
Inkraftsetzung von Rechtsakten mit zentraler Bedeutung,
wie das Gesetz über die richterliche Unabhängigkeit und
das Grundgesetz.
An dieser Stelle sei gleichzeitig daran erinnert, dass
Israel in den letzten Wochen über 45 Millionen USDollar an das Finanzministerium der Palästinensischen
Autonomiebehörde gezahlt hat. Das ist ein kleiner, aber
positiver Schritt. Dieses Geld wurde auf dasselbe Konto
des
Finanzministeriums
eingezahlt
wie
die
Haushaltszuschüsse der EU und unterliegt denselben,
von mir eben beschriebenen Kontrollmechanismen der
Europäischen Union und des IWF. Ich hoffe, dieser Satz
wird einige Abgeordnete zum Nachdenken anregen.
Damit erkennt Israel an, dass auf finanziellem Gebiet
Fortschritte erzielt wurden, und das ist in nicht geringem
Maße auf unsere politisch ausgerichtete finanzielle
Unterstützung und Haushaltshilfe zurückzuführen. Israel
sollte letztendlich die regelmäßigen Transferzahlungen
wieder aufnehmen, und ich begrüße in diesem
Zusammenhang die konstruktiven Gespräche, die
kürzlich zwischen Premierminister Scharon und
Präsident Bush stattgefunden haben.
Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Hilfe
fortgesetzt
werden
sollte.
Der
Abzug
der
Haushaltszuschüsse hätte den Zusammenbruch der
Palästinensischen Autonomiebehörde sowie eine
Vertiefung des Chaos und der schweren humanitären
Krise zur Folge. Die Kommission wird auch weiterhin
die Verwendung der Haushaltszuschüsse und die
Einhaltung der damit verknüpften Bedingungen
überwachen. Wir werden sämtliche Vorwürfe des
Missbrauchs von EU-Mitteln wie immer vordringlichst
untersuchen.
2-160
Sacrédeus (PPE-DE).  (SV) Ich möchte Herrn Patten
für die Antwort sowie für sein Engagement in dieser
Frage danken. Wenn die israelische Regierung solche
Angaben veröffentlicht, ist es nur natürlich, dass wir
Abgeordnete des Europäischen Parlaments diesen auf
den Grund gehen wollen. Daher möchte ich dem
Kommissar folgende Fragen dazu stellen:
Betrachten Sie die Beziehungen zur israelischen
Regierung als gut und sind Sie der Ansicht, dass man
seitens Israels den Bericht, der der Kommission und dem
Europäischen Parlament zugestellt wurde, als erledigt
68
ansieht oder hält man die darin enthaltenen Anklagen
aufrecht?
Ferner möchte ich wissen, ob Ihrer Meinung nach die
Hilfsaktionen der EU für den Nahen Osten ausreichend
kontrolliert werden, nicht nur in diesem speziellen Fall,
sondern ganz allgemein.
2-161
Patten, Kommission. – (EN) Ich fürchte, die
Informationen
des
Herrn
Abgeordneten
sind
ausnahmsweise etwas veraltet. Mir ist nicht bekannt,
dass die israelische Regierung auf der Richtigkeit der
von ihr vorgelegten Fakten beharrt, und selbst wenn sie
das täte, verstünde ich nicht, weshalb sie die Transfers
an die Palästinensische Autonomiebehörde wieder
aufgenommen hat und dabei dieselben Mechanismen
wie wir benutzt. Das wäre wirklich höchst merkwürdig.
Diese Geschichte taucht immer wieder auf, ganz gleich,
mit welchen Fakten wir sie widerlegen. Vielleicht sollte
ich nochmals darauf verweisen, dass die anderen
Mitglieder des Quartetts, also die USA und die UNO,
unser Vorgehen nicht nur unterstützen, sondern auch die
Ansicht vertreten, dass wir die Wegbereiter für
Reformen
nicht
zuletzt
der
Finanzen
der
Palästinensischen Autonomiebehörde sind.
2-162
Cushnahan (PPE-DE). – (EN) Herr Kommissar, ich
habe Sie diese Frage schon mehrfach beantworten hören.
Ich kenne Sie jetzt seit etwa 20 Jahren, und ich weiß,
dass Sie ein Ehrenmann sind, der Terrorismus in jeder
Form ablehnt. Ich möchte Ihnen zwei Fragen stellen.
Frustriert es Sie, dass einige Abgeordnete Ihr Wort nicht
akzeptieren, obwohl sie eine solch klare und eindeutige
Antwort geben?
Zweitens, sind Sie nicht auch der Meinung, dass unsere
Hilfe für Palästina eigentlich dazu beiträgt, die
Bedingungen, unter denen der Terrorismus gedeiht, zu
beseitigen?
2-163
Patten, Kommission. – (EN) Ich danke dem verehrten
Abgeordneten für das, was er eingangs sagte. Wer wäre
das nicht? Er kennt meine schon legendäre
Großherzigkeit, und vielleicht muss ich es einfach als
eine Tatsache des politischen Lebens akzeptieren, dass
manche Leute die Wahrheit einfach ignorieren, ganz
gleich, wie oft man sie ihnen sagt. Es wäre hilfreich,
wenn einige von denen, die diese Anschuldigungen
machen, sich gelegentlich im Plenarsaal oder auf den
Ausschusssitzungen, auf denen ich diese Behauptungen
widerlege, blicken ließen. Vielleicht sollten sie auch hin
und wieder die Zeitung lesen, um zu erfahren, was
bezüglich
der
Reform
der
Palästinensischen
Autonomiebehörde gesagt und getan wird. Aber ich
vermute, ein oder zwei von ihnen spielen ihre eigenen
Spiele, Spiele, die sehr wenig mit Tatsachen und sehr
viel mit Vorurteilen und einer böswilligen Einstellung zu
tun haben.
22/10/2002
Zweitens zur Beeinflussung der Bedingungen vor Ort.
Die Lage vor Ort ist entsetzlich. Das kann wohl keiner
bestreiten. Wir erhielten kürzlich den Bericht von
Catherine Bertini, der Sonderbeauftragten des UNOGeneralsekretärs, dem eine weitere Studie folgte. Die
israelischen Medien haben über die privaten
Bemerkungen des britischen Botschafters in Tel Aviv
berichtet. Ich glaube nicht eine Sekunde, dass Armut,
Entbehrung oder Hunger – die es in dieser oder jener
Form seit langem in Palästina gibt – Israels Sicherheit
langfristig beeinträchtigen. Sind die im Westjordanland
und im Gazastreifen existierenden Bedingungen dem
Extremismus und Mangel an Mäßigung eher zu- oder
abträglich?
Ich hoffe, dass die Feststellungen, die Herr Pérez gestern
im Rahmen des Assoziationsrates EU-Israel zur
humanitären Lage vor Ort getroffen hat, eine gewisse
Verbesserung bewirken werden. Ich hoffe, dass die
Aufstockung unserer Hilfe für das UNWRA zu einer
Verbesserung der Lage beitragen wird, und ich hoffe,
dass sich die israelische Regierung einiges von dem, was
wir sagen, zu Herzen nimmt, beispielsweise im Hinblick
auf die Blockade der 500 Container mit Hilfsgütern vom
Welternährungsprogramm im Hafen von Aschdod. Was
hat das mit der Sicherheit von Israel zu tun?
Ich habe vollstes Verständnis für die Forderung, dass die
Sicherheit Israels gewährleistet sein muss, aber ich
glaube nicht, dass die Verschlechterung der
Lebensbedingungen
der
Palästinenser
bis
zu
Unerträglichkeit dazu der richtige Weg ist.
2-164
Der Präsident. – Ich erinnere Sie daran, dass Sie zwei
Anfragen stellen können, und lasse sie in
chronologischer Reihenfolge zu; das Wort hat Herr
Tannock.
2-165
Tannock (PPE-DE). – (EN) Wenn der Kommissar oder
sein Büro diesen Standpunkt vertreten, warum lehnen sie
die von mir und Abgeordneten anderer Fraktionen
angeregte Unterschrifteninitiative ab, mit der wir das
Parlament auffordern wollen, einen Ausschuss zur
Untersuchung dieser sehr schweren Anschuldigungen zu
bilden? Wenn das, was er sagt, stimmt, dann würde ein
solches Gremium seinen Standpunkt bestätigen, die
Atmosphäre reinigen und diese immer wieder
auftauchenden
Behauptungen
bezüglich
der
Finanzierung terroristischer Aktivitäten durch die PLO
widerlegen. Würden damit nicht gleichzeitig auch
Behauptungen über die Finanzierung von Rassenhass
und der Gehirnwäsche junger Palästinenser in ihren
Schulen widerlegt werden, die langfristig die
Feindseligkeiten anheizen
und
potenziell
zur
Herausbildung künftiger Selbstmordattentäter beitragen?
2-166
Patten, Kommission. – (EN) Der Herr Abgeordnete hat
den ersten Teil seiner Frage um Behauptungen über die
Finanzierung palästinensischer Schulbücher durch die
Europäische Union ergänzt. Wir haben in diesem Saal
22/10/2002
und in den Ausschüssen wieder und wieder betont, dass
diese Behauptungen jeglicher Grundlage entbehren.
Wir haben den Abgeordneten dieses Hauses den Bericht
der Missionsleiter in Jerusalem vorgelegt, aus dem
ebenfalls klar hervorgeht, dass es sich hier um eine reine
Erfindung handelt. Wenn mich der verehrte Abgeordnete
also fragt, warum ich die Bildung eines Ausschusses zur
Untersuchung der vorangegangenen Lügengeschichten
nicht begrüße, ja was in aller Welt meint er denn, was
ich dazu sagen werde?
Die Durchführung einer derartigen Untersuchung – und
ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Haus sie
ablehnen würde – würde den Eindruck erwecken, als ob
an diesen Behauptungen etwas dran wäre.
69
2-168
Patten, Kommission. – (EN) Die Kommission setzt sich
im Rahmen ihres Dialogs mit den russischen Behörden
über die Menschenrechte aktiv für den Grundsatz der
Religionsfreiheit ein. Wir teilen die Sorge des
Abgeordneten über die jüngsten Ausweisungen
katholischer Priester, und wie der Abgeordnete weiß,
waren auch andere Glaubensbekenntnisse in letzter Zeit
in ähnlicher Weise betroffen. Diese Praxis ist mit den
Verpflichtungen der Russischen Föderation in Bezug auf
die Menschenrechte unvereinbar. So wird vor allem in
der gemeinsamen Erklärung des letzten Gipfels EURussland betont, dass unser gemeinsames Ziel in der
Stärkung der Gesellschaft unter Beachtung der
Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte
besteht.
Bedenken Sie auch, welche Auswirkungen eine derartige
Untersuchung auf diejenigen Mitarbeiter meiner
Dienststellen hätte, die Schecks für das UNWRA oder
einen anderen Zweck zugunsten der Palästinensischen
Autonomiebehörde ausstellen müssen. Dies hätte
aufgrund der psychologischen Wirkung einen Rückgang
der Hilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde
und der Spenden an die UNO und humanitäre
Organisationen zur Folge und das zu einem Zeitpunkt,
da wir die für Anfang Dezember geplante
Geberkonferenz
im
Rahmen
des
Ad-hocKoordinierungsausschusses vorbereiten und von der
Europäischen Union – und an dieser Stelle möchte ich
dem Haushaltsausschuss und meiner Kollegin in der
Kommission für den Haushalt danken – erwartet wird,
dass sie beim Ausbau der humanitären Hilfe für die
Palästinenser mit gutem Beispiel vorangeht. Wer
erwartet das von uns? Die Amerikaner, die UNO und die
Israelis, von der übrigen internationalen Gemeinschaft
ganz zu schweigen.
Die Kommission wird auch weiterhin gegenüber den
russischen Behörden nachdrücklich den Standpunkt
vertreten, dass die funktionierende Partnerschaft, die die
Union und Russland versuchen aufzubauen, auf einer
Reihe von Grundwerten basieren muss, zu denen auch
die
allseitige
Achtung
der
Menschenrechte
einschließlich der Religionsfreiheit zählt. Die
Europäische Union hat im Rahmen unseres intensiven
politischen Dialogs mit Russland wiederholt ihre
Besorgnis bezüglich der Religionsfreiheit in Russland
geäußert. Die Kommission wird auch weiterhin diese
und andere Menschenrechtsfragen bei den russischen
Behörden ansprechen.
Deshalb möchte ich an die Adresse des Herrn
Abgeordneten, dem ich auf keinen Fall irgendwelche
böswilligen Motive unterstellen möchte, sagen, dass der
Gedanke, die Durchführung einer Untersuchung könne
mir und der Sache der humanitären Hilfe für Palästina
dienlich sein und zu einer politischen Lösung und der
Verhinderung weiterer blutiger Zusammenstöße
beitragen, an Realitätsferne kaum noch zu überbieten ist.
Aus meiner Sicht ist ein Untersuchungsausschuss das
Allerletzte, was wir brauchen.
Ich möchte dem Abgeordneten nochmals versichern,
dass mir dieses Problem persönlich am Herzen liegt und
dass ich entschlossen bin, es bei den russischen
Behörden zur Sprache zu bringen, wann immer dies
erforderlich ist.
2-167
Der Präsident. – Anfrage Nr. 40 von José María GilRobles Gil-Delgado (H-0688/02):
Betrifft:
Russische Föderation – Ausweisung katholischer Priester
Es ist allgemein bekannt, dass viele Katholiken während der Zeit der
Sowjetunion aus den baltischen Staaten, Polen und Deutschland in das
Zentrum Russlands vertrieben wurden. Die seelsorgerische Betreuung
dieser Menschen wurde durch die jüngste Ausweisung von fünf
katholischen Priestern unmöglich gemacht.
Sind diese Ausweisungen durch die russischen Behörden mit den
internationalen Verpflichtungen der russischen Föderation in Bezug
auf die Achtung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit
vereinbar?
Gleichzeitig wird die Förderung der Menschenrechte in
Russland zu den Schwerpunktaufgaben im Rahmen der
Europäischen Initiative zur Förderung der Demokratie
und zum Schutz der Menschenrechte zählen. Wie das
Parlament weiß, ist Russland das wichtigste Land in
diesem Programm.
2-169
Gil-Robles Gil-Delgado (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, ich brauche keine Zusatzfrage zu stellen. Ich
möchte dem Kommissar lediglich für seine Erklärungen
danken und klarstellen, dass es in der Anfrage natürlich
um katholische Priester ging, aber das Problem betrifft
alle nicht orthodoxen christlichen Konfessionen, da in
der orthodoxen Kirche noch ein gewisses traditionelles
(nennen wir es mal so) Territorialmonopol besteht, das
mit dem Recht auf Religionsfreiheit unvereinbar ist. Ich
möchte dem Kommissar nochmals danken und ihm bei
seinen Bemühungen größten Erfolg wünschen.
2-170
Patten, Kommission. – (EN) Wie der Herr Abgeordnete
und ich festgestellt haben, waren auch andere Kirchen
betroffen. Da gab es beispielsweise den Fall eines
protestantischen schwedischen Pfarrers. Eine Reihe
protestantischer
Missionare
wurde
ebenfalls
70
22/10/2002
ausgewiesen, und im vergangenen Jahr wurde der
Moskauer Arm der Heilsarmee aufgelöst.
Dieses Problem ist also von allgemeiner Bedeutung.
Wann immer christliche Seelsorger oder Missionare in
dieser Weise behandelt werden, sollte uns dies Anlass zu
beträchtlicher Sorge geben.
Ich habe am Karfreitag in diesem Jahr die Kathedrale
von Schanghai besucht, wo die Verehrung des Kreuzes
vom Bischof von Schanghai zelebriert wurde, der 20
Jahre seines Lebens in Einzelhaft verbracht hatte. Ich bin
mir so wie wir alle daher der bemerkenswerten Opfer
bewusst, die christliche Missionare, Priester und
Bischöfe in Ländern bringen, in denen die
Religionsfreiheit
leider
keine
solche
Selbstverständlichkeit
darstellt,
wie
dies
im
Wesentlichen in der Europäischen Union der Fall ist.
Finanzkontrolle tätige Bedienstete sowie einige Nutzer
in
den
internen
und
externen
Rechnungsführungsdiensten,
zum
Beispiel
Rechnungshof,
und
in
den
operationellen
Generaldirektionen ab.
Zu Ihrer dritten Frage: Die tatsächliche Zahl der Nutzer
der SAP-Finanz- und Rechnungsführungs-Software
beläuft sich derzeit auf 300.
2-174
Meijer (GUE/NGL). – (NL) Ich danke der Frau
Kommissarin für ihre Antwort. Meine Zusatzfrage
lautet, ob die Kommission Ihrer Meinung nach sämtliche
Möglichkeiten, die vorbereitet und bezahlt waren, voll
ausgeschöpft hat. Falls nicht, warum? Werden Sie
nachträglich gezielter davon Gebrauch machen, weil Sie
eine größere Zahl erwähnen, als letzten Endes genutzt
worden ist?
2-171
Der Präsident. – Mit dieser Antwort von Kommissar
Patten schließen wir den ersten Teil der Anfragen an die
Kommission ab.
Teil II
Anfragen an Frau Schreyer
2-172
Der Präsident. – Anfrage Nr. 41 von Erik Meijer (H0707/02):
Betrifft: Vorbereitung, Kauf und Nutzung eines
Buchführungssystems durch die Europäische Kommission
speziellen
Kann die Kommission im Zusammenhang mit dem in den schriftlichen
Anfragen E-2557/02, E-2558/02 und E-2559/02 behandelten Fall
bestätigen, dass sie um das Jahr 1995 geplant hatte, 4 000 Lizenzen
eines speziell für ihre Zwecke vom deutschen Softwareunternehmen
SAP entwickelten Systems zu nutzen?
Kann die Kommission bestätigen, das sie schließlich 700 Lizenzen von
SAP gekauft hat und dass nur 300 oder 400 davon tatsächlich
verwendet wurden?
Wie viele Lizenzen werden heute verwendet? Wie werden sie
tatsächlich eingesetzt?
2-173
Schreyer, Kommission. – Herr Präsident! Die
Kommission hat bei der Vergabe eines Auftrags an das
Software-Unternehmen SAP zu keiner Zeit an eine
Größenordnung von 4 000 Nutzern gedacht. In der
öffentlichen Ausschreibung von 1994 wurde zur
Orientierung eine Zahl von 1 053 möglichen Nutzern
angegeben.
Zum zweiten Punkt: Im Anschluss an das im Amtsblatt
veröffentliche öffentliche Ausschreibungsverfahren
beschloss die Kommission - und zwar der SINCOM-Rat
- mit SAP einen Rahmenvertrag über den Kauf von
Lizenzen über die Software SAP R/3 im Wert von
1,5 Mio. Euro - das war der Auftragswert einschließlich
der
damit
verbundenen
Serviceleistungen
abzuschließen. Dieser Betrag deckt die Nutzung der
Finanz- und Rechnungsführungsmodule durch 600
überwiegend in der Generaldirektion Haushalt und in der
2-175
Schreyer, Kommission. - Herr Präsident! Das
Rechnungsführungssystem SAP R/3 wird ja sowohl von
der Finanzkontrolle als auch vom Rechnungswesen, von
der Buchführung, in Anspruch genommen. Ich bin aber
gerne bereit, Ihre Frage schriftlich noch ausführlicher zu
beantworten.
2-176
Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin!
Ich danke für die Beantwortung der Anfrage. Mich
würde interessieren, wie das System eigentlich auf die
Erweiterung der Europäischen Union vorbereitet ist?
Hier gibt es ja spezielle Herausforderungen im Bereich
der
Buchhaltung.
Wir
kennen
auch
die
Anschuldigungen, die in der Öffentlichkeit erhoben
wurden. Welche zukünftigen Vorkehrungen werden Sie
treffen, damit uns das bestehende System auch nach der
Erweiterung
die
Garantie
gibt,
dass
die
Haushaltsführung zukunftsorientiert ist und den
europäischen Steuerzahler schont?
2-177
Schreyer, Kommission. - Sehr geehrter Herr
Abgeordneter! Das Rechnungsführungssystem, das wir
haben, besteht ja nicht nur aus dem eben genannten SAP
R/3-Bereich, sondern für die Mittel bewirtschaftenden
Stellen ist das SINCOM-2-System vorhanden. Alle
Dienststellen der Kommission und alle Mittel
bewirtschaftenden Stellen sind daran angeschlossen.
Betreffend die Frage der Erweiterung: Es werden sich ja
jetzt nicht direkt die angeschlossenen Dienststellen
erweitern. Auch die Vorbeitrittshilfen werden mit
diesem System verwaltet. Die Vorbereitungen auf die
Erweiterung
erfordern
natürlich
von
den
Kandidatenstaaten und den neuen Mitgliedstaaten
bestimmte Maßnahmen. Es müssen ja in den
Zentralbanken bzw. in den nationalen Treasuries Konten
für die Kommission eröffnet werden. Hinsichtlich der
Frage der gesamten Ablieferung der Eigenmittel sowie
der Nutzung der nationalen Treasuries sind sehr
intensive Vorbereitungen zwischen der Generaldirektion
Haushalt und den entsprechenden Erweiterungsstaaten
im Gang.
22/10/2002
71
2-178
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Anfragen an Herrn Vitorino
2-179
Der Präsident. – Anfrage Nr. 42 von María Izquierdo
Rojo (H-0654/02):
Betrifft: Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung bei
der Erteilung von Visa
Die aus dem Spanier Juan Carlos Manteca Cendrero und dem
Argentinier Carlos Daniel Bettio bestehende Lebensgemeinschaft
beantragte am 27. Juli 2002 eine Aufenthaltserlaubnis zwecks
Familienzusammenführung beim spanischen Generalkonsulat in
Buenos Aires (Argentinien), um Daniel Bettio die Möglichkeit zu
geben, sich legal in Spanien niederzulassen. Die erforderlichen
Unterlagen waren beigefügt, nachdem die Antragsteller vom
erwähnten Konsulat die Auskunft erhalten hatten, dass Personen, die
sich in derselben Situation befanden, also gleichgeschlechtliche Paare,
in der Vergangenheit Visa erhalten hätten. Am 13. August 2002
erhielten sie einen ablehnenden Bescheid mit dem Hinweis darauf,
dass sie „die in der Königlichen Verordnung 864/2001 geforderten
Bedingungen nicht erfüllen“. In dem Absatz, in dem die konkrete
Bedingung zu nennen war, wird die „Negative Auskunft der
Verwaltungs- oder Arbeitsbehörde“ angegeben.
Angesichts der spezifischen Umstände dieses Falles und des
dringenden Verdachts, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die
Erteilung von Visa verweigert wird, sowie der Tatsache, dass dies den
Gleichheitsgrundsatz ebenso verletzt wie Rechte, die sich aus der
spanischen Verfassung und den EU-Verträgen, insbesondere dem
Amsterdamer Vertrag, ergeben, der die Gleichberechtigung aller
Menschen garantiert, ungeachtet des Geschlechts und der sexuellen
Orientierung, möge die Kommission folgende Fragen beantworten:
Könnte aufgrund der vorliegenden Anzeichen für eine Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts (Ablehnung des Visums für Carlos Daniel
Bettio) eine Umkehr der Beweislast ins Auge gefasst werden? Ist der
Kommission bekannt, dass diese Form von Diskriminierung bei der
Erteilung von Visa in der EU existiert? Welche Maßnahmen sind zu
ergreifen, um diese Diskriminierung zu beenden? Welche Maßnahmen
wurden bereits getroffen, um eine solche Diskriminierung zu
verhindern oder zu beenden?
2-180
Vitorino, Kommission. – (FR) Herr Präsident, meine
Damen und Herren Abgeordneten! Die Frau
Abgeordnete spricht die Ablehnung des Visaantrags
eines
argentinischen
Staatsangehörigen
zwecks
Familienzusammenführung mit seinem Partner gleichen
Geschlechts in Spanien an, die sie als Diskriminierung
auf Grund der sexuellen Orientierung ansieht.
Die Familienzusammenführung von Unionsbürgern, die
wie im vorliegenden Fall nicht unter das
gemeinschaftliche Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht
fällt,
ist
noch
nicht
Gegenstand
eines
Gemeinschaftsinstruments und unterliegt weiterhin dem
einzelstaatlichen Recht eines jeden Mitgliedstaats. Die
Ablehnung eines Aufenthaltsvisums muss daher vor den
zuständigen einzelstaatlichen Instanzen angefochten
werden. Unter Artikel 63 Ziffer 3 Buchstabe a) sieht der
EG-Vertrag vor, dass der Rat Maßnahmen hinsichtlich
der Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen sowie der
Normen für die Verfahren der Visaerteilung für
langfristige
Aufenthalte
und
Aufenthaltstiteln,
einschließlich solcher zur Familienzusammenführung,
durch die Mitgliedstaaten beschließt.
Die
Maßnahmen
im
Bereich
der
Familienzusammenführung müssen unter Beachtung der
Pflicht zum Schutz des Familienlebens und des
Diskriminierungsverbots erlassen werden.
Aus ihrem geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des
Rates zur Familienzusammenführung hat die
Kommission auf Verlangen des Rates die Bestimmung
herausgenommen,
die
vorsah,
die
Familienzusammenführung der Familienmitglieder eines
Unionsbürgers, der seinen Wohnsitz in einem
Mitgliedstaat hat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt
und der sein Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch
genommen hat, an die Familienzusammenführung der
Familienmitglieder eines Unionsbürgers anzugleichen,
der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat. Die
Situation dieses Personenkreises wird daher später in
einem gesonderten Vorschlag geregelt.
Die gegenwärtig für Unionsbürger und ihre
Familienmitglieder hinsichtlich Freizügigkeit und
Aufenthalt
geltenden
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften
sehen
das
Recht
auf
Familienzusammenführung für den Ehegatten, aber nicht
für den nicht verheirateten Partner vor. Um dem raschen
Wandel der Familieneinheit in der Gesellschaft und der
Einführung eines besonderen Rechtsstatus für nicht
verheiratete Paare in bestimmten Mitgliedstaaten
Rechnung zu tragen und die Notwendigkeit der
weitestmöglichen Beseitigung von Diskriminierungen
gegenüber nicht verheirateten Paaren beiderlei
Geschlechts zu berücksichtigen, wird mit dem von der
Kommission am 23. Mai 2001 angenommenen
Vorschlag einer Richtlinie über das Recht der
Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und
aufzuhalten, das Recht auf Familienzusammenführung in
den Fällen, in denen in der Gesetzgebung des
Aufnahmemitgliedstaats nicht verheiratete Partner und
Ehepartner gleichgestellt sind, unter den Bedingungen,
die in diesem Mitgliedstaat gelten, auf nicht verheiratete
Partner ausgedehnt.
2-181
Izquierdo Rojo (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich wäre
dem Herrn Kommissar Vitorino dankbar, wenn er diese
Anfrage persönlich, mündlich und in der Plenarsitzung
beantworten würde, denn bei diesem Thema schlägt die
Europäische Union eindeutig einen neuen Weg ein. Ein
Beweis dafür ist, dass das Europäische Parlament gerade
heute
Vormittag
in
diesem
Saal
einen
Entschließungsantrag angenommen hat, nach dem die
homosexuellen Partner von Flüchtlingen das Recht auf
Familienzusammenführung haben. Ist der Herr
Kommissar somit der Ansicht, dass wir diese Position
auf den uns vorliegenden Fall anwenden könnten?
Der Herr Kommissar weiß, dass wir uns auf einen
aktuellen Antrag beziehen, und ich bitte ihn zu
antworten, um zu erfahren, was wir tun müssten, um zu
positiven Ergebnissen beitragen zu können.
2-182
72
22/10/2002
Vitorino, Kommission. – (FR) Herr Präsident, wie
bereits in meiner schriftlichen Antwort ausgeführt,
hatten wir dem Rat im Rahmen der Richtlinie zur
Familienzusammenführung eine spezielle Bestimmung
für nicht verheiratete Partner vorgeschlagen, die auch für
gleichgeschlechtliche Partner gelten sollte. Auf
Verlangen des Rates haben wir diesen Vorschlag aus der
Richtlinie mit der Begründung herausgenommen, dass es
besser sei, diese Frage in einem gesonderten
Rechtsinstrument zu regeln. Darum bemühen wir uns
jetzt, indem wir ein solches Dokument erarbeiten.
Ich will der Frau Abgeordneten nicht verhehlen, dass die
Schwierigkeit in der Unterschiedlichkeit der rechtlichen
Lösungen liegt, die in den fünfzehn Mitgliedstaaten zur
rechtlichen Anerkennung von nicht verheirateten Paaren
und
insbesondere
nicht
verheirateten
gleichgeschlechtlichen Paaren vorgesehen sind. Es
kommt darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen einer nicht diskriminierenden Lösung und der
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu finden. Wir sind
der
Auffassung,
dass
im
Falle
von
Drittstaatsangehörigen keine Diskriminierung zulässig
ist, wenn die nationale Gesetzgebung des Mitgliedstaats
die Gleichstellung von verheirateten und nicht
verheirateten
Paaren,
einschließlich
gleichgeschlechtlicher Paare, vorsieht.
2-183
Der Präsident. – Anfrage Nr. 43 von Rodi KratsaTsagaropoulou (H-0659/02):
Betrifft:
Kampf gegen Pädophilie
Die Öffentlichkeit zeigt sich enttäuscht über die milden Strafen, die
kürzlich gegen Personen verhängt wurden, die wegen ihrer Beteiligung
am größten Pädophilie-Ring in Frankreich verurteilt wurden. Keines
der bestehenden Programme zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität oder zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit
spricht den Bereich Pädophilie direkt an. Beabsichtigt die Kommission
angesichts dieser Tatsache, entsprechende Initiativen zu ergreifen, um
einen Vorschlag zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten für die Definition der Straftat, das Strafmaß, die
Festlegung des Alters und die Betreuung der Opfer vorzulegen sowie
ein Programm zur Bekämpfung der Pädophilie auszuarbeiten?
Verfügt die Europäische Kommission über vergleichende Daten
darüber, wie dieses tragische Phänomen von den einzelnen
Mitgliedstaaten im Bereich der Gesetzgebung und der Rechtsprechung
angegangen wird? Ist die Kommission der Auffassung, dass Europol
und Eurojust über die entsprechenden Strukturen verfügen, um solche
Netzwerke aufzuspüren und zu bekämpfen?
2-184
Vitorino, Kommission. – (EN) Wie dem Parlament
bekannt ist, hat die Kommission im Dezember 2000
einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der sexuellen
Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie
vorgelegt. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können,
dass der Rat für Justiz und Inneres am 14. Oktober eine
politische Einigung zum Vorschlag der Kommission
erzielen konnte. Dieser Rahmenbeschluss zählt, was die
Harmonisierung des Strafrechts betrifft, zu den bisher
weitreichendsten Instrumenten. Er setzt sich mit
verschiedenen Formen der sexuellen Ausbeutung von
Kindern auseinander, wie beispielsweise Nötigung zur
Prostitution, zu pornographischen Handlungen sowie
Missbrauch eines anerkannten Vertrauensverhältnisses.
Der
Beschluss
erstreckt
sich
auch
auf
Kinderpornographie im Internet und andere Formen der
Kinderpornographie.
Hinsichtlich der Strafen hat der Rat Schritte zur
Erarbeitung
eines
generellen
Konzepts
zur
Harmonisierung der Strafen ergriffen. Das ist auch der
Hauptgrund dafür, weshalb die Annahme des
Rahmenbeschlusses durch den Rat so lange gedauert hat.
Jetzt sieht der Rahmenbeschluss ein Strafmaß vor, das
im Falle leichter Vergehen von einem bis zu drei Jahren
und in Fällen mit erschwerenden Umständen von fünf
bis zu zehn Jahren reicht.
Der Rahmenbeschluss sieht keine Annäherung der
Schutzaltersgrenze vor. Nach Ansicht der Kommission
sind in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip
hierfür die Mitgliedstaaten zuständig. Die nach
einzelstaatlichem Recht definierte Schutzaltersgrenze
wird jedoch zur Festlegung des Strafmaßes
herangezogen, wobei der Grundsatz gilt: Je jünger das
Opfer, desto schlimmer das Vergehen.
Was die Unterstützung betrifft, so stellt das Programm
STOP ein sehr wertvolles Instrument bei der
Bekämpfung der Pädophilie dar. Auch das Programm
DAPHNE geht konkret auf das Problem der Pädophilie
ein. Über das neue Programm für Strafverfolgung und
justizielle Zusammenarbeit AGIS wir die Kommission
auch weiterhin Projekte auf diesem Gebiet unterstützen.
Zum letzten Teil der Frage wäre zu sagen, dass der
Kommission vergleichende Informationen darüber
vorliegen, wie dieses tragische Phänomen in den
Bereichen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung
bekämpft wird. Europol hat einen Bericht zu dieser
Thematik vorgelegt, aus dem hervorgeht, wie
konsequent
diese
Behörde
gegen
die
Kinderpornographie vorgeht. Europol war unlängst an
mehreren erfolgreichen groß angelegten Operationen
beteiligt. Die Kommission ist überzeugt, dass Eurojust,
sobald die Behörde voll einsatzfähig ist, die
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im
Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern
durch die Erleichterung der Rechtshilfe und die
Abwicklung von Auslieferungsersuchen fördern und
verbessern wird.
2-185
Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr
Kommissar! Vielen Dank für Ihre Erläuterungen.
Sicherlich stimmen die Kollegen darin überein, dass
dieses Problem von entscheidender Bedeutung ist, zumal
die Opfer Kinder sind, die sowohl von den Justiz- als
auch von den öffentlichen Behörden vielfach nicht ernst
genommen werden und denen es schwer fällt, über das
ihnen zugefügte Leid zu sprechen. Daher werden nur
wenige Fälle vor Gericht gebracht, und nur selten
erhalten die Kinder Recht.
Das Problem nimmt mit der Erweiterung noch an
Schärfe zu, nicht nur weil die Grenzen fallen und
22/10/2002
dadurch kriminelle Handlungen erleichtert werden,
sondern auch weil dem Grundproblem, der Armut, in
den Erweiterungsländern nur sehr schwer beizukommen
ist.
Beabsichtigen Sie besondere Maßnahmen zu ergreifen,
um die Beitrittsländer in die Programme hinsichtlich der
Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der
Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und auch der
Betreuung der Opfer einzubeziehen?
2-186
Vitorino, Kommission. – (EN) Ich teile Ihre Ansicht,
dass wir derartigen Aktionen auch im Hinblick auf die
Beitrittskandidaten Priorität einräumen müssen. Ich kann
Ihnen versichern, dass in die letzte Generation der
Programme STOP und DAPHNE auch die
Verpflichtungen
der
Kandidatenländer
Eingang
gefunden haben und diese bereits an konkreten
Maßnahmen beteiligt sind.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass der
soeben vom Rat angenommene Rahmenbeschluss
Bestandteil des gemeinsamen Besitzstandes sein wird.
Das bedeutet, dass die Beitrittsländer diesen neuen
Rahmenbeschluss bis zum 1. Januar 2004 in ihr
nationales Strafrecht integrieren müssen.
2-187
Banotti (PPE-DE). – (EN) Es wird den Kommissar
vielleicht interessieren, dass ich die Ehre hatte, letzte
Woche bei einer dem Thema Kinderpornographie
gewidmeten und vom International Centre for Missing
and Exploited Children organisierten Beratung den
Vorsitz zu führen. Herr Morgan von Europol war mit
einem ausgezeichneten Beitrag vertreten, und ich hatte
die Freude, die Vereinbarung zu verkünden, die, so
glaube ich, an eben diesem Tag in den Zeitungen
veröffentlicht worden war.
Ich möchte Sie aber fragen, wie Ihrer Ansicht nach
Auslieferungsersuchen erfüllt werden sollen, wenn das
Material beispielsweise aus Drittländern stammt, wo
möglicherweise nicht dieselben elementaren Regelungen
existieren.
Welche Strategie sollten wir zweitens bei Material
verfolgen, dass von außerhalb der Gemeinschaft kommt?
Dies ist eindeutig der Weg, den derartiges Material zum
Zwecke der Umgehung der sowohl hier wie auch in den
USA geltenden Gesetze nehmen wird.
2-188
Vitorino, Kommission. – (EN) Diese Vorschläge
enthalten spezielle Bestimmungen für die Bekämpfung
der Pädophilie im Internet. Wir müssen gewährleisten,
dass im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit und
vor allem im Rahmen der gegenseitigen Rechtshilfe mit
Drittländern die Notwendigkeit der Konsolidierung der
für die ordnungsgemäße Strafverfolgung erforderlichen
Beweise berücksichtigt wird.
Wir können das Material nur am Zielort, also auf dem
Territorium der Mitgliedstaaten beschlagnahmen. Im
73
Falle von Material aus Drittländern müssen wir uns auf
die Kooperationsabkommen über Rechtshilfe berufen
und die Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten
bitten, etwas gegen die Urheber derartigen Materials zu
unternehmen.
Ich möchte hinzufügen, dass wir in diesem generellen
Rahmen auch die Möglichkeiten des Übereinkommens
des Europarats über Cyberkriminalität im Internet
ausschöpfen sollten. Klar ist, dass die Herstellung von
illegalem Material mit pädophil-pornographischem
Inhalt eine Straftat darstellt. Deshalb fände das
Übereinkommen des Europarates auf solche Fälle
uneingeschränkt Anwendung.
2-189
Der Präsident. – Anfrage Nr. 44 von Ioannis Marinos
(H-0664/02):
Betrifft:
Einstufung von Terroristen als „politische Häftlinge“
Nach den jüngsten Verhaftungen von Terroristen in Griechenland
haben die meisten Verhafteten zugegeben, der terroristischen
Organisation „17. November“ anzugehören. Nichtsdestotrotz sind in
den letzten Tagen von der griechischen Presse Informationen verbreitet
worden, die von den Inhaftierten selbst oder ihren Anwälten stammen
und denen zufolge einige dieser Inhaftierten beabsichtigen, ihr
Geständnis mit dem Ziel abzuändern, in zehn bis zwölf Jahren
freizukommen; dabei berufen sie sich darauf, dass sie „politische
Häftlinge“ sind, und verweisen auf ähnliche Fälle in anderen
europäischen Ländern, wie aus Presseartikeln und Analysen in
Fernsehsendungen hervorgeht.
Kann die Kommission mitteilen, ob es in den Demokratien der
Europäischen Union Rechtsvorschriften für politische Häftlinge in
diesen Ländern gibt, da bekannt ist, dass nach den jüngsten
Änderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften strenger gegen
die Terroristen vorgegangen wird, selbst wenn man davon ausgeht,
dass „edle“ ideologische Beweggründe für die von ihnen begangenen
Morde und Diebstähle maßgeblich waren?
2-190
Vitorino, Kommission. – (EN) Die Europäische Union
beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, Demokratie,
der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten
sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind
allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Sie werden in
Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische
Union anerkannt und finden ihren Niederschlag in der
Charta der Grundrechte. Der Kommission sind daher
keine rechtlichen Regelungen für politische Häftlinge in
den Demokratien der Europäischen Union bekannt, da
bereits der Begriff des politischen Häftlings, also eines
Menschen, der aus politischen Gründen oder wegen
seiner politischen Überzeugung verfolgt oder inhaftiert
wird, gegen die Gründungsprinzipien der Union
verstoßen würde.
Was die Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten betrifft,
so hat das gegenseitige Vertrauen in die einzelstaatlichen
Rechtssysteme zu einer Änderung der Sonderregelung
für politische Straftaten in Bezug auf terroristische
Handlungen geführt.
In Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens von 1996
über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der
Europäischen
Union,
das
das
Europäische
74
Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
ergänzt, heißt es: „Für die Zwecke der Anwendung
dieses Übereinkommens wird keine strafbare Handlung
vom ersuchten Mitgliedstaat als politische strafbare
Handlung,
als
eine
mit
einer
solchen
zusammenhängende strafbare Handlung oder als eine auf
politischen Beweggründen beruhende Handlung
angesehen.“ Diese Feststellung erstreckt sich auf die
terroristischen Straftaten, die in Artikel 1 und 2 des
Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des
Terrorismus von 1977 genannt werden, dem alle
Mitgliedstaaten beigetreten sind.
Der Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen
Haftbefehl vom 13. Juni 2002, der die bisher geltende
Auslieferungsregelung demnächst ablösen wird, ergänzt
die Straftaten, die der Auslieferung gemäß einem
europäischen Haftbefehl unterliegen um terroristische
Handlungen, vorausgesetzt, die Straftat wird im
ausstellenden Mitgliedstaat mit einer Haftstrafe von
maximal drei Jahren geahndet. Der politische Charakter
einer Straftat kann nicht als Grund für die
Nichtausführung des Haftbefehls angegeben werden.
Der
Rahmenbeschluss
des
Rates
zur
Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002 sieht eine
gemeinsame Definition für terroristische Straftaten vor.
Schwere Straftaten gelten dann als terroristische
Straftaten, wenn sie mit dem Ziel verübt werden, die
Bevölkerung
auf
schwer
wiegende
Weise
einzuschüchtern oder öffentliche Stellen oder eine
internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun
oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen,
verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen
Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen
Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu
zerstören. Nach dieser Definition ist eine Bezugnahme
auf ideologische Motive weder für die Definition einer
terroristischen Straftat noch für den Ausschluss einer
solchen von Relevanz.
2-191
Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Vielen
Dank, Herr Kommissar! Ich werde meinen Kollegen, der
heute nicht hier sein kann, um mit Ihnen zu diskutieren,
davon in Kenntnis setzen, dass es auch aus
ideologischen Gründen, denn darauf will er hinaus, für
keinerlei Straftat einen Sündenerlass gibt.
2-192
Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrter Herr
Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Terrorbekämpfung ist derzeit wohl das wichtigste
Ziel in dieser Welt. Deshalb würde mich interessieren:
Was plant die Kommission im Bereich des Justizsystems
in Anbetracht dieser neuesten Entwicklungen?
2-193
Vitorino, Kommission. – (EN) Zunächst einmal denke
ich, dass wir das, was wir seit dem 11. September 2001
erreicht haben, fortsetzen müssen, nämlich die
Umsetzung
des
Rahmenbeschlusses
zur
Terrorismusbekämpfung sowie des Rahmenbeschlusses
über den Europäischen Haftbefehl in nationales Recht.
22/10/2002
Zweitens möchte ich die Rolle der polizeilichen
Zusammenarbeit und des Austauschs von Informationen
zu
terroristischen
Aktivitäten
zwischen
den
Geheimdiensten hervorheben, die vor allem durch die
Antiterror-Einheit von Europol und ein Spezialteam von
Antiterror-Richtern bei Eurojust ermöglicht werden.
Neue Initiativen leiten sich insbesondere aus den
laufenden Verhandlungen mit den USA über ein
Rechtshilfeabkommen, das auch die Auslieferung
vorsieht, sowie dem Abschluss einer Vereinbarung über
den Austausch von Informationen zwischen Europol und
den Strafverfolgungsbehörden der USA ab.
Was Gesetzgebungsinitiativen für das Jahr 2003 betrifft,
so steht die Finanzierung des Terrorismus im
Vordergrund. Für die Bekanntgabe konkreter Initiativen,
die wir dem Parlament und dem Rat im nächsten Jahr
vorlegen werden, ist es jedoch noch etwas zu früh.
2-194
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar. Bis
19.30 Uhr werden wir weiter alle Anfragen der Reihe
nach behandeln.
Anfragen an Herrn Byrne
2-195
Der Präsident. – Anfrage Nr. 45 von Richard Corbett
(H-0613/02):
Betrifft:
Viehmärkte
Ist die Kommission angesichts der wachsenden Besorgnis in der
Öffentlichkeit über die Behandlung von Tieren auf Viehmärkten und in
Schlachthöfen nun bereit, eine Richtlinie zur Festlegung von
Mindeststandards für den Tierschutz auf Viehmärkten vorzuschlagen?
2-196
Byrne, Kommission. – (EN) Wie der Abgeordnete ganz
richtig bemerkt, wächst die Sorge in Bezug auf die
Behandlung von Tieren auf Viehmärkten. Die
Kommission beabsichtigt, diesen Bereich in ihren
Vorschlägen für neue Regelungen über den Schutz der
Tiere während des Transports, die sie bis Jahresende
vorlegen wird, zu berücksichtigen.
Die bisher gewonnenen praktischen Erfahrungen und
wissenschaftlichen
Erkenntnisse
dürften
der
Kommission dabei helfen. Der Kommission geht es
insbesondere darum, dass die Mitgliedstaaten
Tierschutzregelungen als festen Bestandteil der
Durchführung von Viehmärkten durchsetzen. Die auf
einigen Märkten festgestellte grausame Behandlung der
Tiere oder deren Vernachlässigung sind auf die Ignoranz
der Betreiber und ungenügende Aufsicht seitens der
zuständigen Behörden zurückzuführen. Die Kommission
ist daher der Ansicht, dass das Personal im Umgang mit
Tieren auf Viehmärkten geschult werden sollte.
Nach Ansicht der Kommission sind zudem in erster
Linie die Betreiber der Märkte für die Einhaltung der
Tierschutzbestimmungen verantwortlich. Sie sollten in
der gleichen Weise für die Einhaltung der
22/10/2002
Tierschutzbestimmungen
verantwortlich
gemacht
werden, in der sie es bereits für die Regelungen zur
Tiergesundheit sind. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass
für die operative Durchsetzung die Mitgliedstaaten
verantwortlich sind. Im Rahmen der geltenden
einzelstaatlichen Bestimmungen sind bereits erhebliche
Verbesserungen möglich.
Es ist nicht Aufgabe der Kommission, die Durchführung
von Viehmärkten zu überwachen, sondern zu
gewährleisten,
dass
die
Mitgliedstaaten
die
entsprechenden EU-Regelungen einhalten.
2-197
Corbett (PSE). – (EN) Ich möchte dem Kommissar für
diese Antwort danken und ihn bitten, bei der Erarbeitung
der Gesetzesvorlagen zu prüfen, ob es nicht sinnvoll
wäre, Viehmärkte schrittweise gänzlich abzuschaffen.
Soweit ich weiß, gibt es sie in einigen Ländern schon
fast nicht mehr. Das ist schließlich nicht nur eine Frage
des Tierschutzes, sondern auch eine Frage der
Verbreitung von Krankheiten. Vielleicht stellen derartige
Märkte im modernen Zeitalter nicht mehr die geeignetste
Form des Handels mit Tieren dar.
Sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass
sie erhalten werden müssen, dann sollten sie
ordnungsgemäß reguliert werden. Ich begrüße die
Ausführungen des Kommissars, aber ist er nicht auch
der Meinung, das entsprechende Bestimmungen nicht
nur für den Transport von Tieren gelten sollten, der in
gewisser Weise bereits durch die geltende Richtlinie
geregelt wird, sondern auch für den Schutz aller Tiere,
die derartige Viehmärkte durchlaufen?
2-198
Byrne, Kommission. – (EN) Was den ersten Teil Ihrer
Zusatzfrage bezüglich der schrittweisen Abschaffung
von Viehmärkten betrifft, so ist zu sagen, dass
Viehmärkte für einige Nutztiere ein notwendiges
Verkaufsinstrument darstellen. Die Vermarktung und der
Verkauf von Tieren auf dem Viehmarkt basiert auf
langjährigen Traditionen, welche auf historische und
sozioökonomische Gründe zurückgehen, die man mit
einem Verbot nicht einfach wegwischen kann.
Richtig ist jedoch, dass wir dieses Problem in
Verbindung mit den Regelungen zum Tiertransport
prüfen, an denen wir im Moment arbeiten. Ich teile Ihre
Ansicht, dass dieses Problem nicht nur für Tiere
während des Transports von Bedeutung ist, sondern für
alle Tiere. Dennoch prüfen wir diese Problematik im
Rahmen der genannten Rechtsvorschriften. Wie ich eben
sagte, muss gewährleistet werden, dass die
entsprechenden Arbeitskräfte im ordnungsgemäßen
Umgang mit Tieren geschult werden müssen, und zwar
nicht nur im Zusammenhang mit dem Tiertransport,
sondern ganz allgemein. Das ist eine der Zielsetzungen,
die die derzeit von uns erarbeitete Regelung verfolgen
wird.
2-199
Der Präsident. – Anfrage Nr. 46 von Philip BushillMatthews (H-0633/02):
75
Betrifft:
Lebensmittelsicherheit
Kann die Kommission mitteilen, welche Sofortmaßnahmen sie zu
treffen gedenkt und wie damit das immer wieder auftretende Problem
der Nichtentfernung von Rückenmark bei Fleisch, das in
Schlachthöfen in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich
behandelt wird, effizient gelöst wird?
2-200
Byrne, Kommission. – (EN) Die Kommission misst der
ordnungsgemäßen Entfernung von spezifiziertem
Risikomaterial große Bedeutung bei, da dies eine der
wichtigsten Möglichkeiten ist, die Gesundheit der
Verbraucher vor den mit BSE verbundenen Risiken zu
schützen. Die genannten Fälle stellen nicht nur eine
inakzeptable Gefährdung der Gesundheit dar, sondern
untergraben auch das Vertrauen der Verbraucher in die
Wirksamkeit der Gemeinschaftsmaßnahmen im Kampf
gegen BSE.
Laut Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit
Vorschriften zur Verhütung, Bekämpfung und Tilgung
bestimmter TSE ist das spezifizierte Risikomaterial im
Schlachthof oder im Falle der Wirbelsäule von Rindern
im Zerlegungsbetrieb zu entfernen. Schlachtkörper, hälften oder -viertel, die außer der Wirbelsäule kein
spezifiziertes Risikomaterial enthalten, können in einen
anderen
Mitgliedstaat
verbracht
werden.
Im
letztgenannten Fall sollte die Wirbelsäule im
Zerlegungsbetrieb im Bestimmungsmitgliedstaat entfernt
werden. Mängel bezüglich der ordnungsgemäßen
Entfernung
von
spezifiziertem
Risikomaterial,
insbesondere
von
Rückenmark,
wurden
bei
Schlachtkörpern festgestellt, die aus folgenden
Mitgliedstaaten stammten: Deutschland, Spanien,
Frankreich, dem Vereinigten Königreich, den
Niederlanden, Österreich, Belgien, Dänemark, Irland
und Italien.
Die Kommission hat die Mitgliedstaaten mehrfach auf
die Bedeutung der ordnungsgemäßen Umsetzung der
Bestimmung zur Entfernung von spezifiziertem
Risikomaterial hingewiesen. In Wiederholungsfällen hat
die Kommission strenge Maßnahmen wie die zeitweilige
Sperrung der Lizenz des verantwortlichen Betriebs oder
die Ergreifung von Korrekturmaßnahmen angeregt. Die
Kommission hat um Informationen über entsprechende
Korrekturmaßnahmen gebeten.
Bei anschließenden Inspektionen in Bezug auf BSE und
Probleme in Verbindung mit BSE, die das Lebensmittelund Veterinäramt in den Mitgliedstaaten durchgeführt
hat, wurde festgestellt, dass die Entfernung von SRM im
Wesentlichen zur Zufriedenheit erfolgt, wobei die
ermittelten geringfügigen Mängel auf technische oder
operationelle Probleme zurückzuführen sind. Die
Kommission finanziert zudem ein Forschungsprojekt,
um alternative und effektivere Methoden zur Entfernung
des Rückenmarks zu finden. Das Projekt steht kurz vor
seinem Abschluss.
76
22/10/2002
Die Kommission verfolgt die Situation sehr aufmerksam
und wird alle Mitgliedstaaten erforderlichenfalls an ihre
Pflicht zur Entfernung des Rückenmarks bei über
12 Monate alten Rindern erinnern. Die Durchführung
der
von
den
Mitgliedstaaten
angekündigten
Korrekturmaßnahmen zur Abstellung der Mängel wird
vom Lebensmittel- und Veterinäramt kontrolliert
werden.
wirksam, dass sie die betroffenen Betriebe veranlassen,
ihre Qualität zu verbessern. Letztlich besteht immer die
Möglichkeit,
ein
Vertragsverletzungsverfahren
einzuleiten, aber unter den gegebenen Umständen
erscheint mir ein solches Vorgehen angesichts der Zeit,
die bis zur eigentlichen Verhandlung vergeht, nicht die
wirksamste Methode zur Durchsetzung der geltenden
Vorschriften zu sein.
Zu beachten ist abschließend, dass die Wirbelsäule bei
Schlachtkörpern von mehr als 12 Monate alten Rindern
in allen Mitgliedstaaten außer Portugal und dem
Vereinigten Königreich als spezifiziertes Risikomaterial
definiert wird. In der Wirbelsäule verbliebene
Rückenmarksreste sollten daher im Bestimmungsland
bereits automatisch entfernt worden sein, bevor das
Fleisch zum Verbraucher gelangt.
Wie Sie möglicherweise wissen, arbeite ich derzeit an
einem
Rechtsakt
über
Lebensund
Futtermittelkontrollen, der die Verhängung von
Geldstrafen bei Verstößen gegen diese Regelungen
vorsieht. Ich hoffe, der Kommission demnächst einen
entsprechenden Vorschlag vorlegen zu können, der,
sollte er angenommen werden, veröffentlicht und dem
Parlament zur Diskussion vorgelegt werden wird.
2-201
2-203
Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Ich nehme Ihre
Ausführungen mit Interesse zur Kenntnis, Herr
Kommissar, und freue mich sehr, dass die Kommission
diese Problematik ernst nimmt, aber soweit ich das
verstanden habe, scheint Ihre Aufgabe darin zu bestehen,
die Mitgliedstaaten an ihre Pflichten zu erinnern, strenge
Maßnahmen anzuregen und dann um Informationen zu
bitten. Bei allem Respekt, meinen Sie denn, dass das
ausreicht oder dass die Öffentlichkeit damit zufrieden
sein wird? Schließlich treten diese Probleme immer
wieder auf.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 47 von Mary Elizabeth
Banotti (H-0639/02):
Seit ich diese Frage gestellt habe, wurde in den letzten
Wochen im Vereinigten Königreich ein weiterer Fall der
Verletzung dieser Bestimmungen durch Deutschland
bekannt. Dabei handelte es sich bereits um die 13.
Lieferung von Fleisch, das verbotenes Rückenmark
enthielt. Kann die Kommission wirklich nichts anderes
tun, als zu erinnern und zu ersuchen? Wenn nicht, sollte
sie nicht in der Lage sein, mehr zu tun? Wie lange will
sie noch ersuchen und erinnern, bevor wirklich etwas
getan wird?
2-202
Byrne, Kommission. – (EN) Das Problem wird sehr
genau überwacht, und ausgehend von den vorläufigen
Ergebnissen für 2002 haben die in den Mitgliedstaaten
ergriffenen Maßnahmen zu einer Verringerung der
Anzahl der Verstöße in Bezug auf Rückenmarksreste
geführt. Natürlich wird die Kommission die Lage auch
weiterhin aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls
auftretende Probleme dem Ständigen Ausschuss für die
Lebensmittelkette und Tiergesundheit melden, um die
Bedeutung der ordnungsgemäßen Entfernung von
spezifiziertem Risikomaterial, also Rückenmark, im
Schlachthof
zu
unterstreichen
und
strenge
Korrekturmaßnahmen zu fordern.
Ich habe in dieser Sache Gespräche mit den zuständigen
Ministern in einer Reihe von Mitgliedstaaten mit dem
Ergebnis geführt, dass in zwei Mitgliedstaaten die
Lizenzen für bestimmte Schlachthöfe zeitweilig gesperrt
wurden. Dies sind strenge Sanktionen, um die die
Kommission ersuchen kann und die ja auch verhängt
wurden. Diese Sanktionen sind meines Erachtens so
Betrifft:
Diabetes
Schätzungen zufolge wird es bis 2010 in der EU 30 Millionen
Diabetiker geben. Was unternimmt die Kommission derzeit gegen
diese katastrophale Zunahme des Diabetes, und schlägt die
Kommission hierzu irgendwelche Forschungsmaßnahmen oder
Aufklärungskampagnen vor?
2-204
Byrne, Kommission. – (EN) Die Kommission räumt ein,
dass es sich bei Diabetes um eine chronische Krankheit
handelt, die eine beträchtliche Gefahr für die öffentliche
Gesundheit der Gemeinschaft darstellt. Ihre Ursachen
stehen in enger Verbindung zu den für die Gesundheit
bestimmenden Faktoren Ernährung, Fettsucht und
körperliche Aktivität. Zwischen diesen Faktoren besteht
eindeutig eine Wechselwirkung, und die Konzentration
auf jeweils nur eine von ihnen ist wenig Erfolg
versprechend.
Der Vertrag stellt fest, dass die Gemeinschaft die
Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation
des Gesundheitswesens und die medizinische
Versorgung in vollem Umfang wahrt, und schränkt die
Zuständigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet der
öffentlichen Gesundheit ein. In Bezug auf Diabetes
konzentriert sich die Kommission daher darauf, die
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch
Programme im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu
fördern. Im Rahmen dieser Programme hat die
Kommission die Entwicklung von Strategien und
Maßnahmen in Bezug auf die bestimmenden Faktoren
für den Typ-2-Diabetes, also Ernährung, Übergewicht
und körperliche Aktivität, angeregt.
Im Mittelpunkt des neuen Programms im Bereich der
öffentlichen Gesundheit, das am 1. Januar 2003 in Kraft
tritt,
steht
die
Erfassung
von
Daten
zu
Schlüsselindikatoren wie die ernährungsbedingte
Mortalität und Morbidität. Einen weiteren Schwerpunkt
wird die Erarbeitung gemeinsamer Strategien zu
22/10/2002
gesundheitsbestimmenden
bilden.
77
Faktoren
wie
Ernährung
Die existierenden Programme zur Gesundheitsförderung
und -kontrolle sowie zur Krebsbekämpfung haben zur
Unterstützung einer Vielzahl von Initiativen in den
Bereichen Ernährung, Fettsucht und körperliche
Aktivität beigetragen. Dazu zählt die Unterstützung von
Konferenzen wie der im Rahmen des französischen und
des
dänischen
Ratsvorsitzes
durchgeführten
Veranstaltungen zu den Themen Ernährung und
Fettsucht. Der Eurodiet-Bericht kann inzwischen auf der
Website der Kommission eingesehen werden und ist
damit einer breiten internationalen Leserschaft
zugänglich.
Die Prospektive Studie über Ernährung und Krebs
(EPIC), die im Rahmen des Krebsprogramms finanziert
und von der Internationalen Agentur für Krebsforschung
in Lyon durchgeführt wird, ist eine weitere wichtige
Initiative, die den Zusammenhang zwischen Ernährung
und Krankheit untersucht. Das durch das Programm zur
Gesundheitsförderung „Sli na slàinte“ (Weg zur
Gesundheit) unterstützte Projekt ist eine Initiative zur
Förderung der körperlichen Aktivität als vorbeugende
Maßnahme.
All diese Maßnahmen kommen der Diabetes-Prophylaxe
zugute. Wir werden in Kürze einen Statusbericht über
die Rolle der Ernährung in allen Politikbereichen der
Kommission, nicht nur dem Bereich der öffentlichen
Gesundheit, vorlegen und veröffentlichen.
Ausgehend von den in Artikel 152 EGV gesetzten
Grenzen hat die Kommission nicht die Absicht, einen
speziellen Plan mit Schwerpunkt Diabetes aufzustellen.
Stattdessen soll mit der im Rahmen des neuen
Programms im Bereich der öffentlichen Gesundheit
verfolgten Strategie anstatt der althergebrachten
Methode, bei der jede Krankheit mit einem eigenen
Programm bedacht wurde, ein komplementärer und
horizontaler Ansatz bei der Prophylaxe verfolgt werden.
Das neue Programm ist strategieorientiert und propagiert
gesundheitspolitische und praktische Maßnahmen in
Bezug auf die gesundheitsbestimmenden Faktoren, die
weit verbreitete Krankheiten wie Typ-2-Diabetes
beeinflussen.
Die Kommission hat die Diabetesforschung in der
Vergangenheit durch ihre Forschungsrahmenprogramme
unterstützt. Mittel in beträchtlichem Umfang wurden für
die Unterstützung dieser Forschungsmaßnahmen
bereitgestellt.
Im
Fünften
Rahmenprogramm
beschäftigte
sich
das
spezifische
Programm
„Lebensqualität und Management lebender Ressourcen“
u. a. auch mit der Diabetes-Problematik.
Insgesamt wurden mehr als 18 Millionen Euro
bereitgestellt. Die Diabetesforschung wird auch im
bevorstehenden Sechsten Rahmenprogramm im Rahmen
der ersten thematischen Priorität „Lebenswissenschaften,
Genomik und Biotechnologie im Dienste der
Gesundheit“ eine Schwerpunktaufgabe darstellen.
Die
Vergabe
der
Forschungsmittel
wird
wettbewerbsorientiert auf der Grundlage eines Aufrufs
zur
Einreichung
von
Vorschlägen
erfolgen.
Informationen werden beispielsweise auf der
Forschungs-Website der breiten Öffentlichkeit zur
Verfügung gestellt werden. Zusätzlich zur Unterstützung
von
Forschungsprojekten
wird
das
Sechste
Rahmenprogramm Mittel für Forschungsstipendien
sowie für die Vernetzung von nationalen DiabetesForschungsaktivitäten im Rahmen des spezifischen
Programms „Integration und Stärkung des Europäischen
Forschungsraums“ zur Verfügung stellen.
Abschließend sei noch erwähnt, dass für die speziellen
Ernährungserfordernisse von Diabetikern bestimmte
Lebensmittel derzeit den Anforderungen der Richtlinie
89/398 des Rates über Lebensmittel, die für eine
besondere Ernährung bestimmt sind, entsprechen
müssen. Die Kommission beabsichtigt, Parlament und
Rat einen Bericht vorzulegen, der sich damit
beschäftigen wird, ob bestimmte, die Ernährung von
Diabetikern betreffende Vorschriften erstrebenswert
sind.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um dem WeltDiabetestag am 14. November einen erfolgreichen
Verlauf zu wünschen. Ich hoffe, dass ich Gelegenheit
haben werde, mich der am 19. November hier in
Straßburg anlaufenden Aufklärungskampagne, in deren
Rahmen auch Diabetes-Tests durchgeführt werden,
anzuschließen.
2-205
Banotti (PPE-DE). – (EN) Herr Kommissar, das war
eine sehr lange und recht fachspezifische Antwort. Ich
möchte eine Reihe von Problemen ansprechen. Die
Fachleute sind sich dahingehend einig, dass es keine
Spezialnahrung für Diabetiker geben sollte. Die beste
Nahrung für Diabetiker und Menschen mit
Diabetesrisiko sind hochwertige, einfache, frische und
unverarbeitete Lebensmittel.
Diabetes wurde erst nach erheblichen Problemen in das
Sechste Rahmenprogramm aufgenommen. Ich hoffe,
dass Sie sich zum gegebenen Zeitpunkt dafür einsetzen
werden, dass die Einrichtung eines Lehrstuhls für die
Pflege
von
Diabetikern
an
einer
der
Gemeinschaftsuniversitäten prioritär gefördert wird.
Dabei sind bis zu einem gewissen Grade die Kosten zu
berücksichtigen, die den Gesundheitsdiensten in der
Gemeinschaft durch eine Erkrankung entstehen, von der,
wie ich in meiner Frage erwähnte, bis 2010
schätzungsweise 30 Millionen Menschen betroffen sein
werden. Angesichts einer solchen Entwicklung wüsste
ich gern, ob die Kommission gedenkt, einen
vorausschauenderen Weg einzuschlagen.
2-206
Byrne, Kommission. – (EN) Es stimmt natürlich, dass
die Kosten für die Gesundheitsfürsorge in den
Mitgliedstaaten mit jedem Tag und mit jedem Jahr
weiter ansteigen. Tatsache ist, dass das öffentliche
78
Gesundheitswesen wie auch einige Regierungen
verstärkt in die Krankheitsprophylaxe und die
Propagierung einer gesunden Lebensweise investieren.
In der Vergangenheit stand nur allzu oft die
Aufwendung hoher Summen für die medizinische
Versorgung im Vordergrund.
Wenn es zu der von Ihnen in Ihrer Frage
angesprochenen Änderung kommt, dann wird sich das
nachhaltig auf die Diabetes-Problematik, um die es in
Ihrer Frage vorrangig geht, aber auch auf andere
Erkrankungen auswirken. Ich bin der festen
Überzeugung, dass das aus drei Programmteilen
bestehende Programm im Bereich der öffentlichen
Gesundheit, das im Januar 2003 anlaufen wird, bereits
im ersten Programmteil wertvolle Informationen und
Daten erbringen wird. Im Programmteil zu den
gesundheitsbestimmenden Faktoren werden wir den
gesunden Lebensstil und die ausgewogene Ernährung,
die Sie in Ihrer Zusatzfrage erwähnten, propagieren
können. Ich untersuche derzeit die Wechselbeziehungen
beispielsweise zwischen Krankheiten wie Fettsucht und
Lebensmitteln, und ich hoffe, Ihnen bis Jahresende
entsprechende Ergebnisse vorlegen zu können.
2-207
Atkins (PPE-DE). – (EN) Als Vater einer
zuckerkranken Tochter kann ich den Appell der
verehrten
Abgeordneten
an
die
Kommission
unterstützen. Vor allem beglückwünsche ich sie zu der
Tatkraft, mit der sie und Herr Bovis das Parlament auf
dieses Problem aufmerksam machen.
Aufgrund der wachsenden Zahl derjenigen, die an dieser
Krankheit leiden, sind die Auskünfte zu den
verschiedenen Behandlungsformen oft widersprüchlich.
Dennoch hören wir fast täglich von neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen, sowohl was die
palliative als auch was die chirurgische Behandlung
betrifft. Ist der Kommissar nicht auch der Ansicht, dass
wir in der Lage sein sollten, den Bürgern der
Europäischen Union eine klare Vorstellung von den
Fortschritten der Forschung zu vermitteln? Die
Kommission und die Europäische Union sollten
maßgeblich dazu beitragen, dass Informationen darüber,
wie die Krankheit zu behandeln und vor allem zu
vermeiden ist, mit der Zunahme der DiabetesErkrankungen Schritt halten sollten.
22/10/2002
Ernährungswissenschaften
vergessen,
das
vom
Gesundheitsprogramm gefördert wird. Das beantwortet
die vorhergehende Frage von Frau Banotti, auf die ich
nicht eingegangen bin.
2-209
Arvidsson (PPE-DE).  (SV) Typ-II-Diabetes ist eine
Wohlstandskrankheit. Meiner persönlichen Auffassung
nach kann man in diesem Bereich die besten Ergebnisse
durch Anwendung des Subsidiaritätsprinzips erreichen,
indem man die Menschen dazu bringt, ihre
Essgewohnheiten zu ändern und mehr Sport zu treiben,
was ja die beiden grundlegenden Voraussetzungen sind.
Die EU ihrerseits könnte diese Arbeit durch umfassende
Bevölkerungsstudien unterstützen, die wir in der
Zukunft brauchen werden, damit wir dieses Problem
konstruktiver angehen können. Langfristige Studien
unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen
in
verschiedenen europäischen Ländern wären ein guter
Beitrag der Europäischen Union dazu.
2-210
Byrne, Kommission. – (EN) Da kann ich nur
wiederholen, was ich in Beantwortung der
vorhergehenden Fragen gesagt habe, dass nämlich
diesbezüglich bereits sehr viel unternommen wurde und
sich zahlreiche weitere Maßnahmen in Vorbereitung
befinden. Ich erwähnte bereits, dass ich mich derzeit mit
der Wechselwirkung zwischen der Ernährung und
beispielsweise der Fettsucht sowie mit dem Gesundsein
im Allgemeinen beschäftige.
Ich denke, dass spürbare Fortschritte zu verzeichnen sein
werden, sobald das Programm im Bereich der
öffentlichen Gesundheit angelaufen ist. Die Erwartungen
in den Mitgliedstaaten sind hoch, und ich glaube, dass
wir auf eine beträchtliche Unterstützung seitens der
Gesundheitsminister der Mitgliedstaaten zählen können.
2-211
Banotti (PPE-DE). – (EN) Ich möchte dem Kommissar
lediglich mitteilen, dass ich nicht den zum Magister
führenden Studiengang der Ernährungswissenschaften
meinte. Mir ging es um den Lehrstuhl für die
Ausbildung von Spezialpflegepersonal für Diabetiker,
für den der Kommission ein Antrag vorliegt. Das wollte
ich nur klarstellen.
2-212
2-208
Byrne, Kommission. – (EN) Ich verweise nochmals auf
den ersten Programmteil des am 1. Januar 2003 in Kraft
tretenden Programms im Bereich der öffentlichen
Gesundheit. Die dabei erfassten Informationen und
bereitgestellten Daten werden maßgeblich zur
Erarbeitung von Lösungen und zur Verbreitung
wertvoller Informationen nicht nur in der Kommission
und den anderen Institutionen der Europäischen Union,
sondern natürlich auch in den Mitgliedstaaten beitragen.
Bei dem, was ich vorhin über die verschiedenen
Programme, Maßnahmen und Investitionen auf diesem
Gebiet sagte, habe ich ein Projekt zur Einrichtung eines
zum Magisterabschluss führenden Ausbildungsgangs der
Der Präsident. – Da sie dasselbe Thema betreffen,
behandeln wir die Anfragen 48 und 49 gemeinsam.
Anfrage Nr. 48 von Marit Paulsen (H-0660/02):
Betrifft:
Salmonellen und Fleischzubereitungen
In Schweden wurde am 12. November 2001 die Verpflichtung zur
obligatorischen
Selbstkontrolle
von
Salmonellen
bei
Fleischzubereitungen, die aus anderen EU-Ländern nach Schweden
eingeführt werden, aufgehoben. Diese Aufhebung erfolgte, nachdem
die Europäische Kommission dem schwedischen Lebensmittelamt
mitgeteilt hatte, dass Fleischzubereitungen wie etwa mariniertes Huhn
nicht unter die Salmonellengarantien fallen, die Schweden vor seinem
Beitritt zur EU ausgehandelt hatte.
Im Jahre 2002 untersuchte das schwedische Lebensmittelamt
gemeinsam mit fünf Gemeinden aus anderen EU-Ländern eingeführte
22/10/2002
Fleischzubereitungen auf Salmonellen. Aus den bislang vorliegenden
Ergebnissen geht hervor, dass etwa ein Drittel der entnommenen
Proben tatsächlich salmonellenhaltig sind.
Beabsichtigt die Kommission wirklich, auf eine Verschlimmerung der
Lage bei der Verbreitung von Salmonellen in jenen Gebieten der EU
hinzuarbeiten, die bislang noch kaum davon betroffen sind, während
gleichzeitig an der Ausarbeitung einer Verordnung gearbeitet wird, mit
der eine ähnliche Situation in der gesamten Union herbeigeführt
werden soll?
Anfrage Nr. 49 von Jonas Sjöstedt (H-0669/02):
Betrifft:
Salmonellen in mariniertem Fleisch
Das schwedische Lebensmittelamt hat gemeinsam mit fünf
schwedischen Gemeinden etwa 40 Proben bei eingeführten
Fleischzubereitungen entnommen, wobei in etwa einem Drittel der
entnommenen Proben Salmonellen nachgewiesen wurden. Zu den
meisten Kritiken gaben Erzeugnisse auf der Grundlage von
Hühnerfleisch Anlass.
Im November 2001 beschloss die Kommission, dass die
Bestimmungen über die obligatorische Kontrolle von Salmonellen
nicht
auf
Fleischzubereitungen
Anwendung
finden.
Für
Fleischzubereitungen, die aus Drittländern eingeführt werden, gelten
dagegen die schwedischen Bestimmungen.
79
nicht um wärmebehandelte Erzeugnisse. Uns ist bekannt,
dass Salmonellen in derartigen Produkten abgetötet
werden und für ein Auftreten darin eine
Neukontaminierung erforderlich wäre.
Aber hier geht es darum, dass es jedem erlaubt ist, ein
Hühnchen in eine Tüte mit einigen Gramm Salz zu
stecken und zu behaupten, es handele sich um eine
Fleischzubereitung. Das ist das Hauptproblem. Es ist
etwas absurd, dass ich Berichterstatterin des Parlaments
bezüglich
einer
Verordnung
bin,
die
eine
Salmonellenkontrolle in der gesamten Union schaffen
soll, die in etwa der entspricht, die in den
skandinavischen Ländern gegenwärtig angewendet wird.
Da ist es doch etwas verwunderlich, dass ein schneller
Beschluss über eine Salmonellengarantie für nicht
wärmebehandelte Fleischzubereitungen nicht gefasst
werden kann. Wenn wir eine Salmonellenkontrolle in
ganz Europa erreichen wollen, müssen sich die
salmonellenfreien Gebiete, unabhängig davon, welche
das sind, schützen können, bis die anderen zu ihnen
aufgeschlossen haben.
2-215
Die in Schweden durchgeführten Kontrollen haben gezeigt, dass auch
Fleischzubereitungen unter die obligatorische Salmonellenkontrolle
fallen müssen, damit die Garantie in Bezug auf Salmonellen auch
wirklich im Land greifen kann.
Welche Maßnahmen gedenkt die Kommission vorzusehen, um zu
gewährleisten, dass Fleischzubereitungen so rasch wie möglich unter
die obligatorische Salmonellenkontrolle fallen, bevor sie nach
Schweden exportiert werden?
2-213
Byrne, Kommission. – (EN) Ich bin besorgt über das
häufige
Auftreten
von
Salmonellen
in
Fleischzubereitungen, die nach Schweden eingeführt
werden, sowie über Ihre Bedenken, dies könnte den
Salmonellenstatus von Schweden beeinträchtigen. Wie
Sie wissen, wurden Schweden und Finnland im Rahmen
ihres Beitritts zur Europäischen Union zusätzliche
Salmonellengarantien gewährt. Diese zusätzlichen
Garantien erstrecken sich auf die Einfuhr von
bestimmten lebenden Tieren, Eiern, Frischfisch und
Hackfleisch nach Finnland und Schweden.
Sie schlagen vor, dass die Kommission die zusätzlichen
Salmonellengarantien
auf
Fleischzubereitungen
ausdehnt. Das ist nur über eine Änderung der
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften
zu
Fleischzubereitungen möglich. Die Richtlinie über
Hackfleisch und Fleischzubereitungen schreibt jedoch
bereits
salmonellenrelevante
Kriterien
für
Fleischzubereitungen vor, die von sämtlichen in der
Gemeinschaft
hergestellten
Fleischzubereitungen
einzuhalten sind.
2-214
Paulsen (ELDR).  (SV) Es ist gut, dass Sie, Herr
Byrne, besorgt sind über das häufige Vorkommen von
Salmonellen
in
nach
Schweden
eingeführten
Fleischzubereitungen. Wir wissen jetzt, dass es sich hier
um ein Versäumnis bei unseren Beitrittsverhandlungen
handelt. Bei der jetzigen Diskussion geht es nämlich
Byrne, Kommission. – (EN) Die Ausweitung der
zusätzlichen Salmonellengarantien auf Hackfleisch
wurde von der Kommission nicht vorgeschlagen. Die
Begründung, weshalb sich die zusätzlichen Garantien
nicht auf Fleischzubereitungen erstrecken sollten, die
Existenz des Salmonellenkriteriums, gilt auch für
Hackfleisch. Dabei ist jedoch anzumerken, dass es
möglicherweise einfacher ist, Salmonellen in
Fleischzubereitungen zu kontrollieren als in Hackfleisch.
Deshalb
ist
das
Salmonellenkriterium
für
Fleischzubereitungen auch
wirksamer als für
Hackfleisch. Dies wiederum würde die Anwendung
zusätzlicher Garantien für Hackfleisch, jedoch nicht für
Fleischzubereitungen rechtfertigen.
Ich bin sicher, Frau Paulsen weiß um den Rechtsakt, mit
dem sich der Rat im Moment beschäftigt und der auf der
letzten Tagung des Rates „Landwirtschaft“ diskutiert
worden war. Die Diskussion geriet etwas ins Stocken,
und nun soll sich der nächste Rat „Landwirtschaft“
erneut mit dieser Thematik beschäftigen. Dabei wird
auch das genannte Problem zur Sprache kommen.
Man wird sich generell mit Fleischzubereitungen
beschäftigen, allerdings nicht nur im Hinblick auf
Schweden und Finnland. Uns geht es um eine
Verbesserung der Bedingungen für die EU insgesamt,
und das wird auch in diesem Rechtsakt deutlich, den der
Rat „Landwirtschaft“ im Dezember hoffentlich
beschließen wird.
2-216
Sjöstedt (GUE/NGL).  (SV) Ich möchte Ihnen für die
Antwort danken, die wir bisher erhalten haben. Wie Sie
sicherlich wissen, hat Schweden lange Jahre erhebliche
Anstrengungen und finanzielle Mittel investiert, um das
Land salmonellenfrei zu machen. Wenn nun, wie das
gegenwärtig geschieht, Salmonellen aus anderen
Mitgliedstaaten in unser Land gelangen, besteht die
Gefahr, dass diese ganze Arbeit zunichte gemacht wird.
80
Wie Sie ganz richtig betont haben, gibt es Vorschriften
für die Fleischzubereitungen, über die wir hier sprechen.
Wenn aber ein Drittel der kontrollierten Zubereitungen
salmonellenhaltig sind, liegt das Problem darin, dass
diese Vorschriften offensichtlich nicht eingehalten
werden. Ist es da nicht angemessen, dass Schweden,
solange die Union die Einhaltung der Vorschriften nicht
garantieren kann, für Fleischzubereitungen die gleiche
Art der Salmonellenkontrolle wie für andere
Produktsorten anwendet, um eine Verbreitung dieser
Infektion zu verhindern?
2-217
Byrne, Kommission. – (EN) Wie ich bereits sagte, ist
sich die Kommission der von Salmonellen ausgehenden
Gefahren wohl bewusst. So sterben jährlich etwa 200
Menschen in der Europäischen Union an einer
Salmonellenvergiftung. Ausgehend davon, beabsichtige
ich, die Vorschriften für Probenahmen zu verbessern und
die Höchstgrenzen für den Salmonellengehalt in
Fleischzubereitungen
zu
senken.
Das
dürfte
gemeinschaftsweit
zu
einer
Reduzierung
der
Verseuchung von Fleischzubereitungen mit Salmonellen
beitragen.
Zudem dürften die kontinuierlichen Revisionen der
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften
zur
Lebensmittelhygiene sowie, wie bereits erwähnt, zu den
Zoonosen eine Verschärfung der Salmonellenkontrollen
entlang der gesamten Nahrungskette von Erzeuger zum
Verbraucher bewirken. Dies wird sich natürlich positiv
auf die Lage in Bezug auf die Salmonellenverseuchung
von Lebensmitteln in der gesamten Europäischen Union
und nicht nur in einzelnen Mitgliedstaaten auswirken.
2-218
Der Präsident. – Anfrage Nr. 50 von Joachim
Wuermeling (H-0673/02):
Betrifft: Exportverbot für Zigaretten – WHO-Rahmenkonvention
zur Tabakkontrolle
Europäisches Parlament und Rat haben im letzten Jahr die Richtlinie
2001/37/EG4, die ein Exportverbot für starke Zigaretten enthält,
verabschiedet. Das Verbot wurde aber bis zum 1. Januar 2007
aufgeschoben, um in der Zwischenzeit ein weltweites Abkommen über
Höchstwerte bei Nikotin und Kondensat abzuschließen.
Wie weit sind die Verhandlungen der WHO in diesem
Punkt bislang gediehen? Ist mit harmonisierten
Standards bis zum Jahr 2007 zu rechnen? Beabsichtigt
die Kommission, einen Verzicht auf das Exportverbot
vorzuschlagen, wenn eine globale Regelung scheitert?
22/10/2002
Vertragsparteien nahe, die von der Konferenz der
Vertragsparteien empfohlenen Normen anzunehmen und
umzusetzen, einschließlich der Normen und bewährten
Praktiken für das Testen und Messen der in diesen
Produkten enthaltenen Stoffe und ihrer Emissionen. Die
endgültige Fassung der Konvention wird für März 2003
erwartet. Sollte diese Position Eingang in die endgültige
Fassung der Rahmenkonvention finden, wäre es auch
angesichts des für die Einrichtung der Konferenz der
Vertragsparteien vorgesehenen Zeitplans durchaus
möglich, dass bis 2007 derartige Empfehlungen
erarbeitet werden könnten.
Nach Ansicht der Kommission stellen die Annahme
gemeinsamer Normen für die Regelung der in
Tabakprodukten enthaltenen Stoffe und ihrer
Emissionen sowie die Annahme gemeinsamer Regeln
für Messverfahren wesentliche Maßnahmen dar, die von
allen Vertragsparteien der Konvention ergriffen werden
sollten.
Die von der Konferenz der Vertragsparteien gegebenen
Empfehlungen können ein sehr wichtiges Instrument für
die Harmonisierung der Normen darstellen und sollten
von den Vertragsparteien daher sorgfältig geprüft
werden.
Da eine solche Harmonisierung jedoch zu einer Senkung
des Niveaus des öffentlichen Gesundheitsschutzes
führen könnte, vertritt die Gemeinschaft den Standpunkt,
dass derartige Empfehlungen nicht verbindlich sein
sollten. Das heißt, ihre Annahme sollte dem Ermessen
der Vertragsparteien überlassen bleiben. Das würde den
Vertragsparteien wie beispielsweise der Gemeinschaft
gestatten, ihre strengen Vorschriften in diesem Bereich
aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang möchte
ich Herrn Wuermeling darauf aufmerksam machen, dass
den Verhandlungsrichtlinien des Rates zufolge die
Verhandlungen darauf abzielen müssen, die bestehenden
Gemeinschaftsvorschriften
den
operativen
Bestimmungen der Rahmenkonvention zugrunde zu
legen.
Was den letzten Teil von Herrn Wuermelings Frage
betrifft, so ist zu sagen, dass die Kommission fest vom
Erfolg der Verhandlungen zu einer Rahmenkonvention
überzeugt ist. Sie tut alles, um zu gewährleisten, dass ein
effizientes Instrument vereinbart wird, das den
Tabakkonsum möglichst nachhaltig beeinflusst. Sollten
die Verhandlungen jedoch wider Erwarten scheitern, so
wäre das für die Kommission kein Grund,
Veränderungen für die Richtlinie 2001/37 über ein
Exportverbot vorzuschlagen.
2-219
Byrne, Kommission. – (EN) Das zwischenstaatliche
Verhandlungsgremium
für
die
WHORahmenkonvention zur Tabakkontrolle führt derzeit
seine fünfte Sitzung in Genf durch. Was die Regelung zu
den Höchstwerten bei Tabakerzeugnissen angeht, so legt
der vom Vorsitz zur Diskussion freigegebene Text keine
einheitlichen Normen fest, sondern legt den
4
ABl. L 194 vom 18.7.2001, S. 26.
2-220
Lechner (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich will mich
zunächst sehr herzlich für die Information bedanken und
den Kollegen Wuermeling entschuldigen, der ganz
kurzfristig zu einer wichtigen Sitzung nach Berlin
musste. Ich möchte dann zwei kurze Fragen anschließen,
die der Kommissar vielleicht zusammen kurz
beantworten kann.
22/10/2002
Könnte es nicht sein, dass es unter Umständen die
Verhandlungsposition bei den Verhandlungen der
Kommission verbessert, wenn sie es sich vorbehält, die
Richtlinie, die das Exportverbot anbelangt, in den
Verhandlungen gegebenenfalls zu ändern, weil sie
ihrerseits auf die anderen Länder Druck ausüben kann,
einer solchen Empfehlung zu folgen?
Zweitens: Rechnen Sie bei einem Scheitern der
Verhandlungen mit Produktionsverlagerungen größeren
Ausmaßes aus dem europäischen Raum in Drittstaaten?
Ist der Kommission bekannt, oder liegen ihr
Schätzungen vor, wie viele Arbeitsplätze in der
Europäischen Union dadurch wegfallen könnten?
2-221
Byrne, Kommission. – (EN) Die Verhandlungsposition
der Kommission sieht so aus, dass wir das bestmögliche
Ergebnis für die öffentliche Gesundheit erzielen wollen.
Diesem Ziel muss sich alles andere unterordnen. Davon
werden meine Mitarbeiter und ich uns bei den
Verhandlungen im Namen der EU in allen Fragen, die
der Zuständigkeit der Gemeinschaft unterliegen, leiten
lassen.
Die Frage, ob sich die Produktion in Drittstaaten
verlagern wird, wird oft gestellt. Anders ausgedrückt,
werden davon Arbeitsplätze betroffen sein? Auf diese
Frage habe ich zwei Antworten.
Erstens darf die öffentliche Gesundheit nicht
arbeitsmarktpolitischen Überlegungen untergeordnet
werden. Das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste.
Das habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten betont.
Im Zusammenhang mit derartigen Bedenken wurden im
Vorfeld der dem Parlament jetzt vorliegenden Regelung
entsprechende Untersuchungen angestellt. In jenen
Mitgliedstaaten, die beispielsweise strenge Gesetze
eingeführt haben, die u. a. Tabakwerbung verbieten, gab
es
durchaus
entsprechende
Hinweise.
Die
Arbeitslosigkeit hat im Gefolge derartiger Regelungen
jedoch nicht zugenommen. Ich habe daher bisher noch
keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür gefunden,
dass sich Gesetze dieser Art negativ auf den
Arbeitsmarkt auswirken.
2-222
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar.
Da die für die Fragestunde vorgesehene Redezeit
erschöpft ist, werden die Anfragen Nr. 51 bis 108
schriftlich beantwortet.5
Die Fragestunde mit Anfragen an die Kommission ist
geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.35 Uhr unterbrochen und um
21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
2-232
VORSITZ: RENZO IMBENI
Vizepräsident
5
Siehe Anlage „Fragestunde“.
81
2-233
Zugang des Parlaments zu sensiblen Informationen
im Bereich der GASP: Interinstitutionelle
Vereinbarung - Änderung der Geschäftsordnung
2-234
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0329/2002) von Herrn Elmar Brok im
Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über
die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem
Europäischen Parlament und dem Rat über den Zugang
des Europäischen Parlaments zu sensiblen Informationen
des Rates im Bereich der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik und über Änderungen der
Bestimmungen
der
Geschäftsordnung
(2002/2130(ACI)).
2-235
Brok (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Bericht
betreten wir, falls er angenommen werden sollte,
Neuland. Warum Neuland? Weil wir damit aufgrund
einer Institutionellen Vereinbarung mit dem Rat die
Gelegenheit bekommen, Einblick in militärische
Geheimdokumente zu nehmen und Informationen zu
erhalten, und eine Methode zu entwickeln, die auch in
diesen Bereichen parlamentarische Kontrolle ermöglicht.
Hier haben langjährige Verhandlungen stattgefunden, zu
denen ich besonders dem schon lange zurückliegenden
schwedischen
Vorsitz
und
der
spanischen
Ratspräsidentschaft für ihre Hilfe danken möchte, die
dazu geführt hat, dass wir heute hier verhandeln können.
Natürlich ist dieses Papier nicht vollkommen. Wir
betreten hier Neuland, und deswegen ist auch Lernen
angesagt. Wir dürfen aber nicht von vorneherein zu weit
gehen, weil es sich um einen sehr sensiblen Bereich
handelt, in dem es auch um die Sicherheitsinteressen
unserer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
unserer Mitbürger insgesamt geht. Aus diesem Grunde
müssen alle, sowohl der Rat als auch das Parlament, erst
lernen, miteinander umzugehen, Vertrauen zu schaffen,
um auf dieser Grundlage die notwendigen Informationsund Kontrollprozesse in Gang zu setzen.
Deshalb haben wir auch klargestellt, dass jede der
beiden Seiten die Vereinbarung nach zwei Jahren
aufkündigen kann, um aufgrund der Erfahrungen ein
neues Abkommen zu erarbeiten, und dass dies somit
keine Festlegung auf Dauer ist, sondern nur ein Einstieg
in diese sensible Frage der inneren Sicherheit.
Hier ist auch ausdrücklich festgelegt worden, dass diese
Vereinbarung im Bereich der Außen-, Sicherheits- und
Verteidigungspolitik kein Präjudiz für weitere
Abkommen über die Transparenz interner Dokumente
für interne Politiken ist. Auch in diesen Bereichen
müssen - dies wurde zum Ausdruck gebracht Vereinbarungen getroffen werden. Ich sage es ganz
deutlich: Ich halte es für durchaus vorstellbar, geradezu
für notwendig, dass Maßnahmen in den Bereichen der
internen Politiken ergriffen werden, wo bestimmte
Sensibilitäten auch wegen der möglichen Beteiligung
82
auswärtiger Staaten schon im ersten Anlauf sehr viel
weitergehen könnten, als das in diesem Dokument der
Fall ist.
Ich glaube, dass wir hier etwas geschaffen haben, das
durchaus dem Vergleich mit den Standards in nationalen
Parlamenten
standhält,
und
dass
die
Sicherheitsstandards, die wir selbst bei uns im Hause
entwickeln müssen, sicherlich auch dazu beitragen
müssen, dass wir den Erfordernissen gerecht werden,
wie sich auch diejenigen, die in dem fünfköpfigen
Gremium mitarbeiten, den Sicherheitsüberprüfungen
ihrer jeweiligen Mitgliedsländer stellen müssen. Das
heißt, auch hier gibt es keine gesonderte Regelung,
sondern die Vergleichbarkeit zu den nationalen
Parlamentariern ist gegeben. Auf dieser Grundlage
können wir zu Lösungen kommen, die uns weiterhelfen.
Ich möchte Sie bitten, diese beiden Papiere zur
Änderung der Geschäftsordnung sowie das Abkommen
selbst zu unterstützen. Ich bitte auch darum, dass der
eine Änderungsantrag abgelehnt wird, denn hier geht es
um den Extremfall, dass es zu kriminellen
Überschreitungen - auf welcher Seite auch immer kommt. Dies ist ein Fall, der bei jeder Frage der
Behandlung öffentlicher Mittel und öffentlicher
Dokumente gegeben sein könnte. Das ist in anderen
Bereichen - nicht in der Geschäftsordnung - geregelt und
muss auch hier nicht geregelt werden. Hier muss
vielmehr nach dem klassischen Prinzip vorgegangen
werden, dass dagegen eingeschritten werden soll, wenn
kriminelle Taten verübt werden. Hier ist sicherlich
letzten Endes auch das Gewissen derjenigen gefragt, die
Kenntnis von solchen kriminellen Überschreitungen
haben, damit dagegen eingeschritten werden kann.
Ich glaube, dass wir damit einen Schritt hin zur
Transparenz und zur Kontrolle der Außen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik gehen, und wenn mir jemand
vor fünf oder zehn Jahren gesagt hätte, dass wir im
Europäischen Parlament die Einrichtung eines solchen
Ausschusses verhandeln würden, hätte ich dies für
unmöglich gehalten. Dies zeigt die Entwicklung der
Europäischen Union insgesamt seit dem Vertrag von
Amsterdam und dem Kölner Gipfel im Bereich der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es zeigt aber auch
die Notwendigkeit der parlamentarischen Kontrolle, die
damit verbunden ist. Deswegen bitte ich herzlich um die
Unterstützung des Hauses für dieses Vorhaben.
22/10/2002
Wir müssen schon ein bisschen aufpassen bei all dem.
Begrüßenswert ist, dass es auch mit dieser Vereinbarung
ein Stück Machtzuwachs des Europäischen Parlaments
gibt, dass es aber auch eine Chance gibt, bestimmte
Dokumente zu überprüfen. Ich will nicht Gefahr laufen,
dass der Kleine, der immer sagt, „EB, EB“ Recht
bekommt, dass nämlich das Europäische Parlament„EP“ verwechselt wird mit EB-„Elmar Brok“.
Warum sage ich das, und warum gibt es diese seltsame
Gleichsetzung? Weil ich glaube, verehrte Kolleginnen
und Kollegen, dass die Form, wie das verhandelt worden
ist, nicht gerade beispielgebend ist, dass wir
schlussendlich hier vor der Situation stehen: Friss oder
Stirb. Es gab für viele Abgeordnete kaum eine
Möglichkeit, an dem Prozess des Aushandelns beteiligt
zu werden, und vor allen Dingen ist es jetzt, wenn es um
die internen Dokumente geht, wieder der EB, der dazu
Zugang hat und – wie er selbst ja auch sagt – es gerne
hat, dass nur Mitglieder des Ausschusses für auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik beteiligt werden und
das EP, das Europäische Parlament, außen vorbleibt.
Mit diesen Einwendungen kann man leben, muss man
wohl
leben,
weil
man
das
natürlich
als
Einschleichprozess begreifen kann, aber aus meiner
Sicht - und nicht nur meiner - ist natürlich im Bericht ein
beruhigender Passus enthalten, und zwar heißt es in der
Begründung: Es ist von großer Bedeutung, dass die
Vereinbarung selbst vorsieht, dass sie nach zwei Jahren
auf Antrag einer der beiden Institutionen im Lichte der
in ihrer Anwendung gemachten Erfahrungen überprüft
wird."
Ich hoffe sehr, dass die, die jetzt beteiligt werden, also
die paar EBs und his friends, nicht so handeln, dass die
Vereinbarung einseitig vom Rat oder von wem auch
immer aufgekündigt wird, sondern dass dann das EP
eine Chance hat, bei einer Nachbearbeitung stärkeres
Gehör zu finden und tatsächlich dorthin zu gelangen,
wovon vorher die Rede war, nämlich zu einem fullyfledged parliament, mit allen Möglichkeiten, die es dort
in den entsprechenden Ausschüssen gibt, unter fairer
Berücksichtigung der verschiedensten Mitglieder des
Hauses, damit eben dieses Zusammenlaufen nicht
passiert, und damit auch stimmt, was angedeutet worden
ist, dass wir uns hier einig sind, dass keine Demokratie
ohne Transparenz – und zwar auch innerhalb des Hauses
– möglich ist.
2-236
Martin, Hans-Peter (PSE). – Sehr geehrter Herr
Präsident des Europäischen Parlaments … nein, EB des
EB! Sehr geehrter Herr Präsident des Europäischen
Parlaments … nein, EB, EB! Worum geht es hier? Man
kann das genau so staatstragend begründen und
darstellen, wie mein persönlich und auch in anderen
Berufsfeldern von mir hoch geschätzter Kollege Elmar
Brok das getan hat, oder man kann auch ein bisschen
zum Verfahren sagen, wie diese Vereinbarung zustande
gekommen ist und warum dahinter immer einer sagt
„EB, EB“, wenn ich sage: „EP“.
2-237
Malmström (ELDR).  (SV) Herr Präsident! Als wir
vor
anderthalb
Jahren
nach
komplizierten
Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und
Kommission während des schwedischen Ratsvorsitzes
zu einer Einigung über Artikel 255, bzw. Verordnung
1049, gelangen konnten, war dies ein großer Schritt nach
vorn. Eine einheitliche Regelung hinsichtlich der
Vorschriften über den Zugang der Bürger zu
Dokumenten war ein wichtiger Schritt in Richtung auf
eine verstärkte Transparenz und ein größeres Vertrauen
in die Institutionen der Union. Transparenz ist die
22/10/2002
Grundlage einer demokratischen Ordnung und
Voraussetzung dafür, dass die Bürger Entscheidungen
öffentlicher Stellen nachvollziehen und an ihnen
teilhaben können. Auf diese Weise kann die
Zusammenarbeit in der EU auf mehr Vertrauen fußen,
und es kann ihre Legitimität erhöht werden – zwei
Faktoren, die derzeit leider Mangelware sind.
Im Kampf um höchstmögliche Transparenz stehen wir
Liberalen stets an der Spitze. Wir waren mit einigen
Abschnitten der Vorschriften nicht völlig einverstanden
und meinen, es gibt eine übertriebene Furcht davor,
Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Was die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
betrifft, so befindet sich dieser Bereich in der
Entwicklung und es gibt ein sehr großes Interesse von
Bürgern und Journalisten an diesen Fragen. Natürlich
stimmt es, dass bestimmte Dokumente nicht
veröffentlicht werden können, sondern vertraulich
behandelt werden müssen. Das sehen auch wir ein.
Wenn man nun einer kleinen Gruppe von Abgeordneten
Zugang zu diesen äußerst sensiblen Dokumenten
gewährt, ist dies ein Weg, eine, zugegebenermaßen
begrenzte, parlamentarische Kontrolle in diesem Bereich
zu sichern und so Druck auf den Rat auszuüben.
Der Vorschlag von Herrn Brok ist somit eine sehr
angemessene Regelung, wobei nach Ansicht der
Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei
Europas jedoch darauf geachtet werden muss, dass nicht
zu viele Dokumente automatisch an diesen kleinen
Ausschuss verwiesen werden. Die meisten Dokumente
müssen natürlich für uns andere, für die Öffentlichkeit,
für Journalisten und alle Interessierten öffentlich sein.
Den kleineren Kreis sollten nur einige wenige, sensible
Dokumente erreichen, bei denen das tatsächlich
notwendig ist.
Ich war erfreut darüber, dass Herr Brok eine gründliche
Auswertung dieser Vereinbarung angekündigt hat. Diese
könnten wir im Zusammenhang mit der allgemeinen
Überprüfung der Transparenzvorschriften durchführen,
wobei wir, so hoffe ich, immer mehr erkennen werden,
dass Transparenz vom Grundsatz her nicht gefährlich ist.
2-238
Frahm (GUE/NGL). – (DA) Herr Präsident, bei sehr
festlichen Anlässen sprechen wir im Parlament und in
den Institutionen der EU darüber, wie wir die Union den
Bürgern näher bringen können. Eine Möglichkeit dafür
wäre, den Bürgern die Teilnahme zu ermöglichen, sie
am gesamten innerhalb und zwischen den EUInstitutionen
ablaufenden
Beschlussverfahren
teilnehmen und mitwirken zu lassen. Damit die Bürger
diese Rolle spielen können, müssen sie sich ein Bild
darüber machen können, was sich vor der
Beschlussfassung abspielt. Deshalb ist das Prinzip des
freien Zugangs zu den Unterlagen so wichtig.
Wie meine Kollegin Malmström sagte, sind wir uns alle
im Klaren darüber, dass es vertrauliche Dokumente gibt,
deren Herausgabe problematisch ist. Das Europäische
83
Parlament hat sich in dieser Frage meiner Meinung nach
jedoch auf einen gefährlichen Weg begeben. Wir haben
uns in eine Lage gebracht, in die wir uns nicht hätten
begeben dürfen. Als Interessenvertreter der Bürger, als
Wächter der Demokratie, als Institution, welche in
diesem Verfahren die Interessen der Demokratie
wahrnehmen sollten, haben wir uns jetzt in eine
Situation begeben, wo wir zustimmen, dass die Bürger
keinen Zugang zu bestimmten Dokumenten erhalten, zu
denen nur wir selbst bzw. eine kleine Gruppe von uns
Zugang haben. Damit stellen wir implizit unsere eigenen
Interessen – oder besser gesagt, die Interessen einer
kleineren Gruppe von Abgeordneten – über die der
europäischen Bürger und ihre Möglichkeit der
Teilnahme am demokratischen Verfahren.
Das gesamte Verfahren in Bezug auf Akteneinsicht und
Zugang zu Dokumenten hat, wie mein Kollege aus der
sozialdemokratischen
Fraktion
darlegte,
hinter
verschlossenen Türen stattgefunden. Das ist ein Problem
an sich, gerade wenn man über Offenheit, Akteneinsicht
und Zugang zu Dokumenten diskutiert. Deshalb kann ich
mich für dieses Dokument nicht erwärmen.
2-239
Hautala (Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident, unser
Berichterstatter, Herr Brok, der auch diese Vereinbarung
ausgehandelt hat, hat bereits erklärt, dass wir uns hier
auf einem völlig neuen Terrain bewegen. Er hat auch
erklärt, dass diese Vereinbarung auf Antrag einer der
beiden Institutionen nach zwei Jahren noch einmal
überprüft werden solle. Dennoch möchte ich im Namen
meiner Fraktion auf jene Schwachstellen eingehen, die
diese Konstruktion bereits von Anbeginn an
kennzeichnen. In der Vereinbarung wird darauf
verwiesen, dass diese sich gewissermaßen an bewährte
Praktiken in den Mitgliedstaaten anlehne. Dies müsste
dann bedeuten, dass dem Europäischen Parlament ein
absolutes Recht gewährt würde, Zugang zu geheimen
Dokumenten im Bereich der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik zu erlangen. Ich erlaube mir
allerdings die Frage aufzuwerfen, ob das tatsächlich der
Fall sein wird.
Worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, dass sich der
Rat mit dieser Vereinbarung selbst alle Rechte vorbehält,
im Einzelfall zu entscheiden, welche Dokumente er
jenem kleinen Sonderausschuss des Europäischen
Parlaments tatsächlich aushändigt. Ich könnte mir
vorstellen, dass diese Regelung auf Gespräche hinter den
Kulissen zwischen Rat und NATO zurückzuführen ist.
Es hat in vielerlei Hinsicht den Anschein, als hätten die
Wünsche und Forderungen der NATO den Inhalt dieser
Vereinbarung sehr weitgehend diktiert. Die Interessen
des Europäischen Parlaments sind dabei meiner
Meinung nach nicht unbedingt berücksichtigt worden.
Einige Kollegen sind meines Erachtens ganz zu Recht
darauf eingegangen, dass sich auch das Europäische
Parlament nicht die Exklusivrechte bezüglich der
demokratischen und öffentlichen Kontrolle der Außenund Verteidigungspolitik im Namen seiner Bürgerinnen
und Bürger vorbehalten könne. Bisweilen hat es für
84
mich den Anschein, als habe man sich beim Aushandeln
der Vereinbarung von dem Gedanken leiten lassen, dass
diese Dinge nicht für die Bürgerinnen und Bürger
bestimmt seien, sondern dass vielmehr eine kleine
Gruppe von handverlesenen Ausschussmitgliedern des
Parlaments die volle Verantwortung in diesen Fragen zu
übernehmen habe. Das war auch der Grund, warum ich
meinen Änderungsantrag eingebracht habe, den der
Berichterstatter hier bereits erwähnt hat. Ich möchte
nämlich ausdrücklich betonen, dass sich die in der
Geschäftsordnung aufgeführten Ausnahmetatbestände,
an die sich die Mitglieder des Europäischen Parlaments
entsprechend dieser Vereinbarung zu halten haben,
streng auf die in der Transparenzverordnung angeführten
vertraulichen Informationen bzw. die „sensiblen“
Dokumente beziehen müssen und auf nichts anderes.
Ebenso kann auch das Recht der Mitglieder des
Europäischen Parlaments auf Auskunftserteilung in
Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik - ein Recht,
das ihnen bereits in Artikel 21 des EU-Vertrags
eingeräumt wird - nicht durch diese Vereinbarung
eingeschränkt werden. Schließlich muss unbedingt noch
hervorgehoben
werden,
dass,
wenn
geheime
Informationen irgendeinen Hinweis auf irgendwelche
verbrecherischen
Aktivitäten
enthalten,
nichts
zugelassen werden darf, was ein Mitglied des
Europäischen Parlaments davon abhalten könnte, sich an
die zuständigen Behörden zu wenden. Ich bitte um Ihre
Unterstützung für Änderungsantrag 2, der weitgehender
ist als der vom Ausschuss eingebrachte Antrag.
2-240
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, der PPEKongress in Estoril hat sich jetzt für die vollständige
Offenheit des legislativen Verfahrens im Rat
ausgesprochen. Damit unterstützen alle bedeutenden
politischen Kräfte die Transparenz, die auf die
Tagesordnung gesetzt wurde, als die Dänen am 2. Juni
1992 gegen den Vertrag von Maastricht stimmten. Es hat
eine Reihe von Fortschritten gegeben, einiges bleibt aber
noch zu tun. Die Kommission veröffentlicht jetzt die
Tagesordnungen und die Protokolle ihrer Sitzungen. Es
ist wichtig zu wissen, wer was gesagt hat und wie er
abgestimmt
hat.
Die
Kommissare
müssen
rechenschaftspflichtig gegenüber der Öffentlichkeit sein.
Der Rat hat die Protokolle über die Beratungen der
Arbeitsgruppe zur Transparenz zugänglich gemacht.
Ebenso müssen wir auch Zugang zu den
Arbeitsunterlagen
und
Protokollen
anderer
Arbeitsgruppen haben. Und wir brauchen den Zugang
sofort, damit wir uns informieren können, bevor
Gesetzesvorschriften beschlossen werden.
Wir behandeln jetzt einen Kompromissentwurf über den
Zugang des Parlaments zu vertraulichen Informationen,
doch die neuen Vorschriften würden den Zugang
beschränken, den alle Abgeordneten gemäß dem Vertrag
haben. Ich glaube, dass wir mehr erreichen können,
wenn wir den Gerichtshof anrufen, was in bestimmten
Fällen bereits sehr erfolgreich war. Deshalb werde ich
nicht für den Kompromiss stimmen.
22/10/2002
Die Wahrheit ist, dass das Europäische Parlament nie
Fortschritte durch Verhandlungen erreicht hat. Es gab
einige Abgeordnete, die Druck ausgeübt haben, und
zwar zusammen mit dem Bürgerbeauftragten und
aktiven Bürgern, die in vielen Rechtsverfahren
erfolgreich waren. Die meisten Fortschritte sind über den
Gerichtshof in Luxemburg erreicht worden, nicht durch
Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und
Parlament. So sieht es leider aus. Das Europäische
Parlament ist schnell dabei, Forderungen zu stellen,
macht aber einen Rückzieher, wenn die Möglichkeit
besteht, eine Rahmenvereinbarung in eine in der
Diskussion befindliche Verordnung zur Transparenz
einzubeziehen, welche die Gefahr mit sich bringt, dass
Dokumente, die in Dänemark und Schweden jetzt
öffentlich sind, ab dem Zeitpunkt ihrer Übergabe an die
EU als geheim betrachtet werden müssen.
Ich habe auch bei der neuen Vereinbarung kein gutes
Gefühl und möchte den Ausschuss für auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik auffordern, den
Gerichtshof in Bezug auf jene Dokumente anzurufen, die
uns nicht ausgehändigt werden, z. B. die ScreeningBerichte über die Anpassung der Beitrittskandidaten an
die Rechtsnormen der EU. Diese Berichte sind ein sehr
gutes Beispiel für Dokumente, die allen Abgeordneten
hier im Haus und in den Parlamenten der
Kandidatenländer zugänglich sein müssten. Ich habe
meine Zweifel, ob dies nach den neuen Vorschriften
möglich sein wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
der Gerichtshof uns den Zugang zu Dokumenten
verwehren wird, die ein eindeutiger Bestandteil des
legislativen Verfahrens sind. Ich glaube, durch Kampf
können wir mehr erreichen als durch einen schwachen
Kompromiss.
2-241
Turco (NI). – (IT) Herr Präsident, ich möchte Herrn
Brok aufrichtig dafür danken, dass er gemeinsam mit
dem Präsidenten des Europäischen Parlaments die
Initiative für eine klarere und genauere Regelung des
Rechts des Parlaments auf Zugang zu sensiblen
Dokumenten des Rates ergriffen hat. Obgleich die
Vereinbarung Lücken aufweist, auf die der
Berichterstatter selbst aufmerksam macht, indem er
davon spricht, dass das Parlament Zugeständnisse an den
Rat machen musste, ist sie zumindest ein Schritt in
Richtung auf eine stärkere demokratische Kontrolle.
Für mich als Mitglied des Ausschusses für die Freiheiten
und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten ist es unfassbar, dass dem
Europäischen Parlament der Zugang zu Dokumenten im
Bereich Justiz und Inneres, wo die Vorschriften
unmittelbar die Rechte und Freiheiten der Bürger
betreffen, offen verweigert wird.
Der Rat „Justiz und Inneres“ hat auf seiner Tagung vom
14. und 15. Oktober den Rahmenbeschluss über die
Drogenbekämpfung behandelt, und das letzte im
Verzeichnis verfügbare Dokument datiert vom Monat
Juni. In der Zwischenzeit machten verschiedene
22/10/2002
Dokumente die Runde, ohne dass das Europäische
Parlament davon in Kenntnis gesetzt wurde.
Was ist der Grund dafür, den Bürgern vorzuenthalten,
welchen
Kompromiss
der
dänische
Vorsitz
vorgeschlagen hat? Vielleicht die Befürchtung, man
könne erfahren, dass die Minister, hinter den
verschlossenen Türen des Rates, den Auftrag ihrer
Regierung, ihres Parlaments und ihrer Bürger nicht
respektieren und auf europäischer Ebene tun, wozu sie
auf einzelstaatlicher Ebene nicht den Mut haben?
Nicht einmal die dänische Ministerin, Frau Lene
Espersen, hatte heute den Mut, dem Ausschuss für die
Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten den Inhalt dieses Kompromisses
dazulegen. Um ein letztes Beispiel anzuführen: Von der
Tagung der Innen- und Justizminister am 14. und 15.
Oktober wurden ganze 20 der 39 behandelten
Dokumente nicht im Verzeichnis veröffentlicht.
Wir meinen, dass endlich Schluss gemacht werden muss
mit einer derartigen Behandlung des Europäischen
Parlaments und der Bürger, die es gewählt haben und die
weiterhin auf skandalöse Art vom Rat gedemütigt
werden.
2-242
Titford (EDD). – (EN) Herr Präsident, Sicherheit und
Verteidigung sind Sache des Europäischen Rates, trotz
aller Versuche, daran etwas zu ändern. Dieses Parlament
ist für diesen Bereich weder in legislativer noch in
haushaltspolitischer Hinsicht zuständig. Des Weiteren ist
zu bedenken, dass das Parlament gemäß der Verträge die
Aufgabe hat, die Kommission zu kontrollieren. Die
Zuständigkeit des Parlaments erstreckt sich nicht auf die
Kontrolle oder Überprüfung der Aktivitäten des Rates.
Die Kontrolle der Ratsmitglieder obliegt den einzelnen
nationalen Parlamenten. Ihnen gegenüber sind die
einzelnen Minister rechenschaftspflichtig. Nur diese
Parlamente können Minister zur Verantwortung ziehen.
Ausgehend davon stellt es eine gewisse Anmaßung dar,
dass die Abgeordneten dieses Parlaments Informationen
verlangen, die öffentlich nicht zugänglich sind. Ich
würde sagen, dass sie das nichts angeht. Das Parlament
sollte diese Informationen nicht verlangen, und der Rat
sollte sie nicht bereitstellen.
Doch damit ist es nicht getan. Die Informationen sollen
nicht allen Abgeordneten, sondern nur einer Gruppe von
ausgewählten und privilegierten Abgeordneten zur
Verfügung gestellt werden. Ferner sollen diese Personen
zur Geheimhaltung verpflichtet und Verletzungen der
Geheimhaltungspflicht disziplinarisch geahndet werden.
Eine bessere Methode, Vertretern der Öffentlichkeit
einen Maulkorb zu verordnen, ist kaum denkbar.
Wenn die Hauptaufgabe des Parlaments darin besteht,
die Kommission zu kontrollieren, dann sollte es genau
das tun. Das ist doch der Kern. Uns steht ohnehin schon
viel zu wenig Zeit für Aussprachen über diese
Angelegenheiten zur Verfügung, so dass diese Kontrolle
85
minimal ausfällt. Es wäre weit sinnvoller, wenn sich das
Haus auf seine gesetzlichen Pflichten konzentrieren
würde, anstatt seine Nase in Angelegenheiten zu
stecken, die es nichts angehen.
Daher wäre es besser, wenn das Parlament in seinem
Bemühen um mehr Informationen seine Energien darauf
konzentrieren würde, die Kommission zu mehr
Transparenz und Offenheit zu zwingen.
2-243
Hautala (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, ich hoffe,
Sie gestatten mir eine Bemerkung zur Geschäftsordnung.
Mir ist im Verlaufe der Aussprache aufgefallen, dass wir
laut morgiger Abstimmungsliste auch über einen
Vorschlag des Präsidiums zu den Sicherheitsvorschriften
abstimmen werden, die eine Voraussetzung für die
Annahme der Interinstitutionellen Vereinbarung bilden.
Ich
möchte
wissen,
wieso
diese
Sicherheitsbestimmungen auf unserer Tagesordnung
nicht erwähnt werden. Sollte das Haus diese
Sicherheitsvorschriften,
über
die
morgen
im
Zusammenhang
mit
der
Interinstitutionellen
Vereinbarung und den Änderungsanträgen zur
Geschäftsordnung abgestimmt werden soll, nicht
diskutieren? Ich halte dieses Vorgehen dem Parlament
gegenüber für höchst beleidigend.
2-244
Der Präsident. – Frau Hautala, ich danke Ihnen für Ihre
Bemerkung, die Sie gleichwohl morgen vor Beginn der
Abstimmung erneut vorbringen sollten. Ich halte es für
richtig, dass Sie diese Bemerkung noch einmal
wiederholen, weil Sie dann eine Antwort von denjenigen
erhalten werden, die die Abstimmungsverfahren
vorbereitet haben.
2-245
Brok (PPE-DE), Berichterstatter. - Herr Präsident!
Diese Sicherheitsvorkehrungen wurden vorgelegt und im
zuständigen Ausschuss erörtert. Dieses Abkommen kann
auch unabhängig davon angenommen oder abgelehnt
werden. Da jedoch die Sicherheitsvorkehrungen noch
nicht angenommen worden sind, kann es noch nicht in
Kraft treten. Deswegen kann die Institutionelle
Vereinbarung morgen auf jeden Fall angenommen
werden.
Gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zu den
Kollegen: Hier geht es allein um die Außen-,
Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die alle nicht
Teile der Gesetzgebung sind. Herr Kollege Bonde:
Deswegen werden auch keine Papiere, die mit
Gesetzgebung zu tun haben, in diesem Ausschuss
behandelt. Herr Kollege Turco hat diesbezüglich mit
Justiz und Innenpolitik zu tun. Ich habe ausdrücklich
gesagt, dass in dem Abkommen empfohlen wird, für
diesen
Bereich
ein
gesondertes
Abkommen
auszuhandeln, das nach meiner Auffassung sehr viel
weitergehender
die
Rechte
des
Parlaments
berücksichtigen sollte. Wenn dies nicht gelingt, hat Frau
Hautala Recht, dass dann entsprechend den gegebenen
Möglichkeiten die Klagemöglichkeit besteht.
86
22/10/2002
Im Übrigen möchte ich doch Folgendes an Frau Hautala
und andere zum Ausdruck bringen: Nur wenn wir die
Papiere kennen, können wir auch sagen, ob es
gerechtfertigte Einstufungen gibt. Wenn wir sehen, dass
Papiere, die eigentlich für das gesamte Parlament
einsehbar sein sollten, nicht zugänglich gemacht werden,
können wir sagen, dass diese Einstufungen nicht in
Ordnung sind, und auf diese Art und Weise eine andere
Praxis im Bereich des Rates zustande bringen. Wenn wir
aber von den Dokumenten keine Kenntnis haben,
können wir keine Kritik in dem Zusammenhang üben.
Im Übrigen müssen wir sagen: Auch für den Rat und die
Kommission ist es ein Neuanfang, an solche Dokumente
heranzukommen. Ohne eine solche Einigung werden wir
Schwierigkeiten haben, überhaupt eine europäische
Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben. Deswegen
gibt es hier ein gemeinsames Interesse aller
Institutionen, einen Einstieg zu finden.
2-246
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Kollegen aus anderen Fraktionen, die sich darum bemüht
haben.
Kompromiss heißt - und das ist eine kleine Chance, an
einem Prozess teilzuhaben, wenn Sie da oben auf der
Galerie sitzen oder sonst irgendwie zufälligerweise
gerade den Ausführungen zuhören sollten -, dass es ein
Hin und Her gibt. Ich höre, dass Änderungsanträge, die
im letzten Augenblick noch von der Vorsitzenden des
Haushaltskontrollausschusses eingereicht worden sind,
die aber diesem großen Kompromissgedanken
zuwiderlaufen, jetzt gleich widerrufen werden sollen.
Wenn sie fragen, wie ein Berichterstatter das nicht
wissen kann, so hat das mit einer anderen Realität des
Hauses zu tun, nämlich der Tatsache, dass solche
Vereinbarungen im letzten Augenblick oft außerhalb des
Plenums getroffen werden und oft nicht ganz
durchschaubar sind. Aber wir werden gleich hören, ob
wir es geschafft haben.
Etwas anderes aber - und da schaue ich in die Runde,
weil ich den Kollegen Bourlanges suche, mit dem ich
hauptsächlich verhandelt habe - ist etwas, was ich tun
kann.
(Zuruf von Herrn Bourlanges)
2-247
Änderung der Geschäftsordnung:
Entlastungsverfahren
2-248
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0308/2002) von Herrn Hans-Peter Martin
im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
über die Änderungen der Bestimmungen der
Geschäftsordnung
betreffend
Entlastungsverfahren
(2001/2060(REG)).
2-249
Martin, Hans-Peter (PSE), Berichterstatter. - Herr
Präsident! Es ist Usus, Dank auszusprechen, erlauben
Sie mir, das aber gleich mit Verwunderung zu
verbinden, wenn es um den jetzt anstehenden Bericht
geht. In der Sache ist die Vorgabe recht klar. Es ging
darum, speziell nach den Erfahrungen aus dem Jahre
1999, einen anderen, einen klareren Weg zu finden, wie
die Entlastung der Kommission, und eben nicht nur der
Kommission, in Zukunft erfolgen soll. Es ging darum,
dass es dort, wo es nur um Hinhalten geht, möglichst
wenig Spielraum gibt, dass ganz klar vorgegebene
Entscheidungsvorschläge auch zu entsprechenden
Ergebnissen führen, dass nicht etwas in einem Raum der
Ungewissheit bleibt.
Wenn man mit dem Europäischen Parlament zu tun hat,
dann lernt man, dass es hier vor allen Dingen um
Kompromisse geht, und die haben wir sehr intensiv
angestrebt. Ich möchte da nicht nur den Mitarbeitern des
Hauses danken, die sehr engagiert immer wieder neue
Formulierungen und Vorschläge vorgetragen haben, und
auch nicht nur meinen eigenen Mitarbeitern, die an
diesem mittlerweile fast ein Jahr dauernden Prozess - da
geht es dann nicht so schnell wie bei Elmar Brok beteiligt waren, sondern auch den Kolleginnen und
Vielleicht hört das auch Kollege Bourlanges. Etwas
anderes ist, dass ich hier anbieten möchte und das auch
sagen möchte, dass ich die getrennte Abstimmung, die
wir zunächst in einem Punkt beantragt haben, der
wiederum dem Kollegen Bourlanges vertretend für die
EVP-Fraktion sehr am Herzen liegt, hiermit zurückziehe,
dass wir also keine getrennte Abstimmung in ihrem
Herzensanliegen haben, selbstverständlich in der
Hoffnung, dass wir genau das Ergebnis erzielen, das wir
brauchen, nämlich eine breite Zustimmung zu diesem
Bericht. Denn ohne 314 Stimmen werden wir keinen
haltbaren
Kompromiss
erzielen,
und
ohne
Anstrengungen kommen wir nicht voran. Es geht mir ja
nicht nur darum, für die Kommission klare Regelungen
zu schaffen, sondern – und darauf würde ich in Artikel
93a ganz gerne noch einmal hinweisen wollen – auch
darum, herauszuarbeiten, dass dieses Parlament endlich
auch etwas mehr Muskeln gegenüber dem Rat zeigt,
dort, wo er als Exekutive tätig ist, und dass wir uns
darum kümmern. Das, glaube ich, ist der zweite Pfeiler
dieses Berichts, wenn man das überhaupt so nennen
kann. In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass wir jetzt
einerseits von Kompromissen hören, die außerhalb des
Plenums getroffen wurden, andererseits – Kollege
Bourlanges ist ja auch auf der Rednerliste – von ihm
hoffentlich hören, dass er damit einverstanden ist, und
dass wir so die ganze Sache zu einem guten Ende
bringen.
2-250
Mulder (ELDR), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Haushaltskontrolle. –
(NL) Herr Präsident! Zunächst mein Glückwunsch an
Herrn Martin. Ich muss sagen, dass wir ein gutes Team
abgegeben haben. Trotz dieses überaus komplizierten
und schwer zu verstehenden Themas freue ich mich,
22/10/2002
dass jetzt ein Bericht vorliegt, dem wir grosso modo
zustimmen können.
Die Entlastung der Kommission und auch anderer
Organe ist seit dem Sturz der Kommission Santer zu
einem besonderen Ereignis im politischen Leben
Europas geworden. Im Vergleich zu den Jahren davor
bildet sie jetzt im Grunde den Höhepunkt des politischen
Jahres. Dem Vertrag zufolge scheint es fast, als handele
es sich um ein reines Verwaltungsverfahren, die
Kommission und jedes Mitglied des Parlaments wissen
es jedoch besser. Gegenwärtig ist es ein politisches
Ereignis. Wenn am Ende des Jahres keine Entlastung
erteilt wird, dann wird damit ein klares politisches
Signal an die Kommission ausgesendet, und dann
erscheint mir in diesem Parlament eine Debatte über das
politische und sonstige Funktionieren der Kommission
wirklich unvermeidlich.
Welche Regeln sollten im Allgemeinen für einen
Entlastungsbeschluss gelten? Das Verfahren darf nicht
zu kompliziert sein. Jedes Mitglied sollte es verstehen
können. Zweitens: Im Falle einer Abstimmung muss
auch jedes Mitglied die Folgen dieser Stimmabgabe
überschauen können. Drittens: Im Jahr N+2, also zwei
Jahre nach der Ausführung des Haushaltsplans, muss
eine
eindeutige
politische
Beurteilung
zum
Funktionieren der Kommission vorliegen. Meines
Erachtens erfüllt die Empfehlung des Ausschusses für
konstitutionelle Fragen diese Kriterien. Ich begrüße die
Ergebnisse und werde dafür stimmen. Zudem bin ich der
Meinung, dass der vorgeschlagene Zeitplan, nämlich die
Erteilung oder der Aufschub der Entlastung im April und
dann der endgültige Beschluss im Oktober, richtig ist.
2-251
Schreyer, Kommission. – Herr Präsident, sehr geehrte
Abgeordnete! Obwohl das Europäische Parlament über
seine Geschäftsordnung debattiert, möchte ich doch die
Gelegenheit wahrnehmen, das Wort zu ergreifen. Das
Entlastungsverfahren ist natürlich ein sehr, sehr
wichtiges Verfahren für die Kommission, und es ist im
Vertrag selbst verankert. Es ist jetzt auch in der
Haushaltsordnung noch einmal klarer verankert: Es gibt
zwei bestehende Rechtsgrundlagen, die natürlich mit
ausschlaggebend sind. Ich muss deshalb die Frage
aufwerfen, ob alle eingereichten Änderungsanträge im
Einklang mit diesen Rechtsgrundlagen stehen.
Das Parlament hat mit dem Rat und dem Rechnungshof
während der letzten beiden Jahre über die Neufassung
der Haushaltsordnung verhandelt und sehr intensiv daran
gearbeitet. Am Ende ist man zu einem guten und klaren
Ergebnis gekommen. In Artikel 146 Absatz 1 heißt es:
„Auf Empfehlung des Rates, der mit qualifizierter
Mehrheit beschließt, erteilt das Europäische Parlament
vor dem 30. April des Jahres n+2 der Kommission
Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans des
Haushaltsjahres n. Kann die in Absatz 1 vorgesehene
Frist nicht eingehalten werden, so teilt das Europäische
Parlament oder der Rat der Kommission die Gründe für
den Aufschub des Entlastungsbeschlusses mit. Vertagt
das Europäische Parlament die Erteilung des
87
Entlastungsbeschlusses, so trifft die Kommission so
schnell wie möglich Vorkehrungen, um die
Hinderungsgründe auszuräumen.“ So weit das Zitat aus
Artikel 146.
Die Absicht der Legislativbehörde für diese
Formulierung war meines Erachtens klar. Wenn der
Entlastungsbeschluss ausnahmsweise vertagt wird, so
soll sehr schnell eine Antwort von Seiten der
Kommission gegeben werden, um die Hinderungsgründe
auszuräumen. Nun wird in den Vorschlägen hier
Oktober vorgeschlagen, also sechs Monate später. Das
ist natürlich nicht unbedingt eine schnelle Reaktion im
Sinne des Artikel 146. Es sind auch drei andere
Probleme mit diesem Vertagungsverfahren verbunden.
Erstens: Die Kommission muss darauf achten, dass das
Parlament die Gründe für den Aufschub des
Entlastungsbeschlusses realistisch und im möglichen
Rahmen hält. Zweitens: Wenn Aktionen vorgesehen
sind, sind sechs Monate wiederum relativ kurz. Wenn
Antworten und Verpflichtungen vorgesehen sind, dann
kann oder sollte die Kommission das auch schneller
vorlegen. Drittens: Wenn diese Bedingungen in der
Geschäftsordnung selbst als eine normale Möglichkeit
vorgesehen sind, ist natürlich das Risiko gegeben, dass
der Aufschub als regelmäßiger Vorgang erachtet wird.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Parlament
natürlich auch jetzt schon Instrumente in der Hand hat,
um die Kommission zu weiteren Aktivitäten und
Aktionen zu veranlassen. Das ist ja in den letzten Jahren
auch geschehen. Mit dem Beschluss über das
Entlastungsverfahren waren ganz klare Forderungen
verbunden, worüber die Kommission einen follow upBericht erstellt – und zwar nicht fakultativ, sondern, weil
sie dazu verpflichtet ist – und klarlegen muss, welche
Maßnahmen sie entsprechend dem Resolutionsbeschluss
vorgelegt hat.
Gestern Abend wurden nun noch Änderungsanträge zu
der Frage der Oktober-Option – so möchte ich es einmal
nennen – eingereicht, die nun weitere Fragen aufwerfen.
Die Kommission würde es deshalb begrüßen, wenn
hierzu noch einmal eine Klärung stattfinden könnte.
2-252
Bourlanges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, die
Entlastung ist etwas besonders Wichtiges. Dabei handelt
es sich um eine der maßgeblichen Befugnisse des
Europäischen Parlaments, wie wir in der größten Krise,
die es jemals zwischen dem Parlament und der
Kommission gab und die anlässlich einer Abstimmung
über die Entlastung entstanden war, feststellen konnten.
Meiner Meinung nach bestand das Ziel dieses
Parlaments in den letzten fünfzehn Jahren darin, darauf
zu achten, dass die über die Entlastung ausgeübte
Kontrolle zu einer politischen Kontrolle im besten Sinne
des Wortes wird, d. h. zu einer Kontrolle, die Ausdruck
des Willens der Steuerzahler ist, sich zu vergewissern,
dass die öffentlichen Gelder ordnungsgemäß verwendet
werden, und die keine bloße technische Formalität
darstellt.
88
Zweitens waren wir der Auffassung, dass nicht nur die
Kommission, sondern im weiteren Sinne sämtliche
Einrichtungen mit eigenem Haushalt der im Rahmen der
Entlastungserteilung durch das Parlament ausgeübten
Kontrolle unterliegen sollten.
Drittens waren wir der Überzeugung, wenn der Vertrag
uns das Recht zur Erteilung der Entlastung verleiht, dann
müssten wir auch über das Recht verfügen, sie zu
verweigern. So hat sich unter dem Einfluss des
Ausschusses für Haushaltskontrolle und dessen
Vorsitzender, Frau Theato, der ich hier meine
Hochachtung aussprechen möchte, mit der Zeit eine
wirkliche Machtbefugnis des Parlaments herausgebildet,
das somit über die Entlastung tatsächlich das Anliegen
der Steuerzahler zum Ausdruck bringt.
Doch davon abgesehen wirft diese Erweiterung der
Entlastung bestimmte Probleme auf. Das erste besteht in
der Gefahr, dass das Entlastungsverfahren sich endlos
hinzieht, ohne dass es zu einem greifbaren Ergebnis
kommt. Der Ihnen von Hans-Peter Martin vorgelegte
Bericht sieht für sämtliche Aspekte relativ kurze und
vernünftige Fristen vor. Diesbezüglich möchte ich der
Kommission sagen: „Frau Kommissarin, Sie können
nicht auf der einen Seite fordern, dass die Entlastung
innerhalb kurzer Zeit erteilt wird, und uns gleichzeitig
sagen, dass Sie Ihrerseits einige Zeit brauchen, um die
erforderlichen Beschlüsse zu fassen, um sich an die
Verfahrensweise des Parlaments anzupassen. Es gibt nur
die Wahl: entweder brauchen Sie noch zusätzliche Zeit,
dann erteilen wir Ihnen die Entlastung später, oder aber
Sie wollen ein rasche Entlastung, dann müssen Sie sich
selbst beeilen“.
Das zweite Problem, das sich uns stellte, ist technischer
Art und betrifft die Übereinstimmung zwischen den drei
Abstimmungen, d. h. der Abstimmung über die
Entlastung, der über den Rechnungsabschluss und der
über die Entschließung. Dies sind drei unterschiedliche
Abstimmungen für eine einzige Entscheidung, was zu
Nichtübereinstimmungen zwischen diesen führen kann.
Der Ihnen vorliegende Bericht, der in der PPE-Fraktion
starke Unterstützung findet, regelt das Problem, indem
das Entlastungsverfahrens mit der Billigung des
Rechnungsabschlusses verbunden wird und der
Präsident die Möglichkeit erhält, zu verhindern, dass
eine Entschließung zur Abstimmung gestellt wird,
welche in einzelnen Bestimmungen der Abstimmung
über die Entlastung widerspräche.
Das dritte und schwierigste Problem, das mehrmals
auftrat, betraf die Mehrheit. Da wir die Möglichkeit
hatten, die Entlastung zu erteilen, aufzuschieben oder
abzulehnen, gab es zwei Gefahren: die Erste bestand
darin, dass keine der drei Optionen eine Mehrheit findet
und sich zunächst der Ausschuss und dann das
Parlaments mehrheitlich für keine der drei Optionen
ausspricht. Dann würden wir uns in einer Sackgasse
befinden. Die zweite Gefahr wäre die Stimmengleichheit
entweder im Ausschuss oder im Parlament, während wir
22/10/2002
nach dem Vertrag gezwungen sind, eine Entscheidung
zu treffen.
Der vorliegende Bericht löst dieses Problem zwar nicht
in völlig zufrieden stellender Weise, doch meiner
Meinung nach auf die bestmögliche Weise. Er schlägt
nämlich vor, das Verfahren in zwei Phasen zu
unterteilen. In der ersten Phase würden wir auf
Vorschlag des CONT über Erteilung oder Aufschub
abstimmen; wird die Entlastung verschoben, würden wir
in einer zweiten Phase über Ablehnung oder Erteilung
der Entlastung abstimmen. Die Ablehnung einer Option
würde dann die Annahme der gegenteiligen Option
bedeuten. So können wir die Gefahr, in eine Sackgasse
zu geraten, vermeiden, die im CONT ständig über uns
schwebte. Es handelt sich um ein sehr patentes
Verfahren, und wir unterstützen den Kompromiss, auf
den sich die größten Fraktionen geeinigt haben, sehr
nachhaltig. In diesem Zusammenhang möchte ich
insbesondere
dem
Berichterstatter
für
seine
Ausführungen zum Rückzug seines Antrags auf
getrennte Abstimmung danken. Ein Kompromiss ist ein
zusammenhängendes Ganzes, wir werden uns daran
halten, und wir danken Ihnen dafür, dass Sie sich auch
daran halten. Herr Berichterstatter, ich wünsche Ihnen
viel Glück.
2-253
Morgan (PSE). – (EN) Herr Präsident, da Entlastung
und Haushaltskontrolle für uns im Haushaltsausschuss
zwar unser täglich Brot sind, uns heute Abend jedoch
sehr viel mehr Leute zuhören, will ich versuchen, ihnen
zu erklären, worum es sich dabei handelt, denn diese
Begriffe dürften wohl kaum zum alltäglichen Wortschatz
des Normalbürgers zählen.
Eine der Hauptaufgaben des Europäischen Parlaments
besteht darin, die Arbeitsweise der Kommission zu
beurteilen. Wir sind da, um zu gewährleisten, dass die
Kommission ihre Arbeit ordnungsgemäß ausführt. Auf
die Feststellung, die Kommission sei nicht gewählt,
können wir erwidern, dass wir die Kommission
kontrollieren und zur Verantwortung ziehen. Eine
unserer formellen Aufgaben besteht darin, Entlastung in
Bezug auf die Ausführung des Haushalts zu erteilen. Wir
müssen in der Lage sein, den Menschen, die uns wählen,
zu erklären, wie ihr Geld ausgegeben wird.
Der
Haushaltskontrollausschuss
trägt
die
Hauptverantwortung für die Ausführung dieser Aufgabe
im Namen des Europäischen Parlaments: Wir überprüfen
Haushaltslinien, untersuchen potenzielle Skandale,
stellen fest, wie Geld verschwendet wird, und versuchen
herauszufinden, wieso die Prozesse so komplex und
schwerfällig sind.
Es war das Entlastungsverfahren, das letztlich auch den
Rücktritt der Kommission im Jahre 1999 erzwungen hat.
Das hat den Stein ins Rollen gebracht.
Es besteht jedoch die Gefahr – und es wäre naiv, dies zu
ignorieren –, dass der gesamte Prozess für böswilligere
und politischere Ziele missbraucht werden könnte. Es ist
22/10/2002
für den Haushaltsausschuss schon fast zur Routine
geworden, die Entlastung aufzuschieben und mehr
Informationen anzufordern. Das bedeutet, dass es jetzt
drei Möglichkeiten gibt. In der Vergangenheit hatten wir
zwei Möglichkeiten: Wir konnten die Entlastung
entweder gewähren oder verweigern. Jetzt haben wir,
wie Herr Bourlanges erläuterte, die Möglichkeit, die
Entlastung zu gewähren, zu verweigern oder
aufzuschieben. Es ist wesentlich einfacher mit nur zwei
Möglichkeiten, und genau darum geht es heute.
Die Kommissarin hat völlig Recht, wenn sie sagt, dass
die Kommission vielleicht schneller reagieren könnte.
Meiner Ansicht nach muss die Antwort nicht unbedingt
bis zur Oktobersitzung vorliegen. Das ist der späteste
Zeitpunkt, an dem das Parlament seine Entscheidung
trifft. Es muss nicht der Oktober sein, aber die Sache
muss bis Oktober erledigt sein. Das ist eine etwas andere
Auslegung. Klar ist, dass wir alle die Sache schon vor
der Sommerpause abschließen wollen. Wir müssen der
Kommission diese zusätzliche Atempause gewähren,
denn wenn wir sie kritisieren und ihr die Entlastung
verweigern, dann braucht sie Zeit, um zu versuchen, die
Hinderungsgründe aus dem Weg zu räumen. Außerdem
verhindert die neue Regelung, dass sich der Prozess
endlos hinzieht, wie es in der Vergangenheit geschehen
ist. Das war beim Entlastungsverfahren für 1996 passiert
– es nahm kein Ende. Wir setzen Ihnen einen Termin;
wir sagen dem Parlament, dass es sich bis zu diesem
Termin so oder so entscheiden muss. Deshalb ist dieses
System wesentlich besser. Die Situation ist eindeutiger,
und der Prozess kann nicht für politische Zwecke
missbraucht werden.
2-254
Virrankoski (ELDR). – (FI) Herr Präsident, das
Entlastungsverfahren ist eines der wichtigsten Rechte
und eine der wichtigsten Pflichten des Europäischen
Parlaments.
Das
Parlament
hat
dabei
die
Haushaltsführung zu prüfen und zu beurteilen, ob die
Kommission ihre Arbeit ordnungsgemäß erledigt hat.
Entsprechend kann das Parlament die Entlastung nicht
ohne rechtfertigenden Grund gewähren. Wenn die
Entlastung erteilt wird, dann bedeutet das, dass die
Kommission nach den Informationen, die dem
Parlament vorgelegt wurden bzw. die es sich beschafft
hat, korrekt gearbeitet hat. Für den Fall, dass später noch
Unklarheiten auftauchen, kann man jederzeit noch
einmal darauf zurückkommen, auch wenn die Entlastung
bereits erteilt wurde.
In dem Bericht wird vorgeschlagen, eine Frist für die
Behandlung der Entlastung einzuführen. Das ist eine
gute Idee. Wenn die Entlastung von einem Jahr in das
nächste vertagt wird - wie es bei uns in den letzten
Jahren der Fall war -, dann zeugt das nicht von einer
sachgerechten oder verantwortlichen Aufgabenerfüllung.
Ein Problem ist die Verweigerung der Entlastung. Wenn
die Entlastung nicht erteilt und ein entsprechender
Beschluss gefasst wird, dann kann der Grund dafür
entweder in einem Amtsvergehen oder in politischem
Misstrauen liegen. Liegt ein Amtsvergehen vor, dann
89
muss Klage gegen den oder die betroffenen Beamten
erhoben werden. Wird kein Vergehen festgestellt, dann
sind die Konten zu schließen. Wenn der Grund für die
Verweigerung der Entlastung politischer Natur ist, dann
muss die Kommission meines Erachtens zum Rücktritt
aufgefordert werden.
Das Verfahren, so wie es jetzt angelegt ist und wonach
der
Verweigerung
der
Entlastung
eine
Vertrauensabstimmung zu folgen hat, ist gut, aber
unklar. Wenn der Kommission oder einem ihrer
Mitglieder das Vertrauen ausgesprochen, die Entlastung
jedoch verweigert wird, dann führt das zu einem
Widerspruch im System. Dieser Widerspruch kann
dadurch entstehen, dass die Entlastung mit einer
einfachen Mehrheit verweigert werden kann, es in der
Vertrauensabstimmung jedoch einer qualifizierten
Mehrheit bedarf. Aus diesem Grunde sollte das
Entstehen einer solch widersprüchlichen Konstellation
auf keinen Fall zugelassen werden.
2-255
Theato (PPE-DE). – Herr Präsident! Herr Martin hat in
diesen Bericht sehr viel Zeit und Mühe investiert, und
ich spreche ihm dafür meine volle Anerkennung aus.
Auch hatten wir gute Gespräche miteinander, Herr
Berichterstatter. Die Entlastung ist die wichtigste
Befugnis des Parlaments als Kontrollorgan, wenn es um
die Beurteilung der Haushaltsführung durch die
Exekutive, d. h. allen voran die Kommission, geht. Es
handelt sich dabei um einen politischen Akt und nicht
nur um den Rechnungsabschluss, so wichtig dieser auch
ist.
Aufgrund der Berichte des Rechnungshofs und weiterer
Informationen, im Übrigen auch der Kommission selbst,
prüfen wir, ob die gesetzten Ziele ordnungsmäßig und
wirtschaftlich mit dem zur Verfügung gestellten Geld
erreicht wurden. Schwachstellen zeigen wir auf, damit
sie behoben und auch im künftigen Haushaltsplan
vermieden werden. Für die drei Möglichkeiten der
Entlastung - Gewährung, Verschiebung, Verweigerung wie sie der Berichterstatter klar herausgearbeitet hat,
Fristen zu setzen, halte ich für richtig, damit nicht zwei
Entlastungen parallel laufen, wie dies früher oft
geschehen ist, sondern ein Verfahren abgeschlossen ist,
bevor das nächste beginnt, und die zwei Stufen
funktionieren können. Ich glaube, Frau Schreyer, dass
der Zeitrahmen - wenn man auch die Zeit der
Sommerpause mit einschließt - doch ausreichend ist, um
fristgerecht zu konstruktiven Lösungen zu kommen.
Nicht akzeptieren kann ich jedoch, lieber Herr
Berichterstatter, dass die Entlastung als gewährt gelten
soll, wenn das Plenum im April den Vorschlag des
federführenden
Haushaltskontrollausschusses
auf
Verschiebung ablehnt. Diese Ablehnung kann aus
gegensätzlichen Motiven zustande kommen und drückt
nicht den eindeutigen Willen des Parlaments aus. Das
sagt im Übrigen auch das Gutachten des Rechtsdienstes.
Die Gewährung der Entlastung wäre die falsche Antwort
auf die gestellte Frage, und es wäre für die zu
Entlastenden eine Entlastung zweiter Klasse, denn sie
90
würde en passant passieren. Deshalb hätte ich mir
gewünscht, dass der Vorschlag dann in seinen drei
Teilen
an
den
Haushaltskontrollausschuss
zurückverwiesen wird. Sollten die in Absatz 3 im neuen
Artikel 5a aufgeführten Widersprüche zwischen
Abstimmungsergebnis und Entschließung auftreten, so
sollte dem Haushaltskontrollausschuss die Aufgabe
zugewiesen werden, diese zu beseitigen und die
Entschließung dem Plenum wieder vorzulegen.
Aber, wie es auch schon erwähnt wurde, die
Änderungsanträge meiner Fraktion sind zurückgezogen
worden. Ich muss jedoch aus eigener Erfahrung heraus
sagen - dass ich manches in diesem Bericht zwar
akzeptieren kann - ich habe es schon gesagt -, mich
jedoch nicht in der Lage fühle, dem Bericht
zuzustimmen, wenn die Frage der Verschiebung und
damit der Gewährung der Entlastung nicht anders
geregelt wird.
2-256
Casaca (PSE). – (PT) Herr Präsident, wir hatten bereits
Gelegenheit, von vielen unserer Kollegen zu hören, wie
wichtig eine Entlastung im Zusammenhang mit dem
Haushaltsverfahren und den Befugnissen dieses
Parlaments ist, sodass ich davon Abstand nehme, jetzt
noch einmal dasselbe zu sagen, möchte aber doch
anmerken, dass große Macht nur im Verein mit
ernsthafter Überlegung und starker Mäßigung eingesetzt
werden darf. Eben dieses Anliegen führt uns hierher und
hat unseren Berichterstatter dazu gebracht, einen Weg zu
finden, einen Zeitrahmen für unsere Prüfung der
Finanzverwaltung durch die Kommission vorzugeben.
Unter diesem Gesichtspunkt würde ich das als legitimes
Anliegen ansehen, und die gewählte Formulierung ist
vollkommen annehmbar.
Gleichwohl dürfen wir bei dieser Debatte nicht außer
Acht lassen, dass hinter dem Entlastungsverfahren Ziele
stehen, die ganz klar in Artikel 276 genannt sind, und
vor allem nicht, dass das Europäische Parlament die
Abschlüsse und die Vermögensübersicht prüft, in denen
die Aktiva und Passiva der Gemeinschaft dargestellt
sind. Dabei müssen wir bedenken, dass die
Rechnungsführungs- und Kassenmittelsysteme der
europäischen Institutionen, auf deren Grundlage dieser
Abschluss und die Übersicht angefertigt werden, absolut
beispielhaft sein und exakt, vollkommen und eindeutig
den
höchsten
internationalen
Qualitätsnormen
entsprechen müssen. Dies ist eine Feststellung, die wir
meiner Ansicht nach unbedingt für das unmittelbar vor
uns liegende Haushaltsjahr beachten müssen.
Eine zweite Bemerkung, die hervorzuheben ist, steht in
engem Zusammenhang mit der Art und Weise, wie die
Entlastung in früheren Jahren erteilt worden ist,
insbesondere die für 1999, und betrifft die
Externalisierung. Übrigens ist ja Herr Bourlanges der
Verfasser vieler unserer Bezugnahmen. Ich möchte bei
dieser Gelegenheit auch auf die Bedeutung dieses
Aspekts hinweisen.
2-257
22/10/2002
Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Auf dem Gipfel von
Laeken haben die Staats- und Regierungschefs mehr
Transparenz,
mehr
Einfachheit
und
mehr
Verständlichkeit für das Europäische Regelsystem
gefordert. Der Konvent hat versucht, diesem Auftrag
Rechnung zu tragen, und unter anderem eine
Arbeitsgruppe zum Thema Vereinfachung der Verfahren
eingesetzt. Dass diese Arbeitsgruppe und vor allem ihr
Ergebnis dringend notwendig ist, zeigt der heutige
Bericht von Herrn Martin wieder einmal mehr als
deutlich.
Ich habe seinerzeit als eines der Mitglieder des
Ausschusses für Haushaltskontrolle das Dilemma
mitgemacht, in das die Geschäftsordnungsregeln –
vielleicht
sollte
man
sagen,
die
Geschäftsunordnungsregeln – uns damals im Jahr 1999
alle gestürzt haben. Die Vorgehensweise einiger
Kommissare war damals inakzeptabel, die Entlastung
durfte eigentlich nicht gegeben werden, aber die
Kommission insgesamt wollten und durften wir
vernünftigerweise auch nicht in die Wüste schicken. Die
Geschichte hat das seinerzeitige Problem gelöst.
Wahrscheinlich war es auch nur die ehrenvolle Position
unseres jetzigen Kollegen Jacques Santer. Aber wir
haben offenbar nicht sehr viel daraus gelernt. Das jetzt
vorgeschlagene System ist um nichts weniger
kompliziert als sein Vorgänger. Das jetzige System ist
genauso undurchschaubar wie sein Vorgänger, und wenn
das eines Beweises bedurft hätte, dann haben ihn die
Ereignisse um das Bemühen, einen Kompromiss zu
diesem Vorschlag zu finden, erbracht.
„Mir wird von alledem so dumm, als ginge ein
Mühlstein mir im Kopf herum“, lässt der Dichterfürst
Goethe seinen Faust sagen. Ich meine, unseren Bürgern
in Europa sollten wir solche Kopfschmerzen nicht
zumuten – jedenfalls nicht auf Dauer. So können wir uns
nur vornehmen, hier und heute, morgen und übermorgen
einen Kompromiss zu finden und im Konvent zur
Zukunft Europas ein Modell zu erarbeiten, nach dem die
Abgeordneten und die Bürger verstehen, was die
politischen Implikationen von Entlastungsbeschlüssen
bedeuten und bedeuten sollen.
(Beifall)
2-258
Martin, Hans-Peter (PSE), Berichterstatter. - Herr
Präsident! Ja, schön ist es, Allegorien vom Blatt zu
lesen, und dann zu sagen, der Bericht sei zu kompliziert,
und auch noch darauf zu verweisen, Kollege Rack, dass
man das an den Änderungsanträgen gesehen hätte. Die
Tücke liegt - und das wissen Sie als ein hervorragender
Vertreter der Jurisprudenz - natürlich im Detail. Es war
ja genau diese Entscheidungssituation, vor der wir
standen. Gehen wir mehr in Richtung Klarheit oder dem,
was man vielleicht intellektuelle Zweifelsfreiheit nennen
könnte. Und so absurd es vielleicht klingen mag, war ich
ganz auf der Seite der Kollegin Theato, und habe gesagt,
es soll wirklich ganz eindeutig und klar herausgearbeitet
sein, und man soll die dritte Variante offen lassen. Nur
genau das, Kollege Rack, hätte bedeutet, dass die
22/10/2002
Änderungen noch viel, viel umfangreicher, viel, viel
komplexer und schwerer verständlich wären. Aber man
kann ja damit leben, wenn ein eigener Landsmann das so
darstellt, wenn man dann aus den Niederlanden das hört,
was wir gehört haben, sowie andere Stellungnahmen.
Wenn ich noch auf zwei Punkte eingehen darf, vor allem
auf die von der Kollegin Theato und von der
Kommissarin Schreyer: Beide beziehen sich auf
Rechtsgrundlagen und Rechtsdienste, die da Zweifel
erheben. Natürlich mussten wir uns auch da absichern,
um überhaupt kompromissfähig zu sein und den
Kompromiss erzielen zu können, der dann letztendlich
mit Kollege Bourlanges und Kollege Duff von den
Liberalen ausgehandelt worden ist.
Jetzt haben wir Rechtsmeinung gegen Rechtsmeinung.
Wir werden damit leben müssen. Ich denke jedoch, dass
insgesamt das, was erarbeitet worden ist, dem Gedanken
des Hauses entspricht, und ich respektiere
selbstverständlich Ihre Haltung, Kollegin Theato. Ich
hoffe nur, es gibt nicht zu viele, die so denken wie Sie,
weil sonst heißt es wieder: Zurück an den Start! Das mag
dann vielleicht diejenigen freuen, die im Konvent alles
erledigen wollen. Aber viel einfacher bekommen wir es
nicht zusammen. Die politische Erklärung - das ist
unsere Aufgabe als Abgeordnete - müssen wir liefern.
Für politische Erklärungen ist eine Geschäftsordnung
nicht geeignet. In diesem Sinn noch einmal besten Dank
für Ihre Zusammenarbeit und Unterstützung.
2-259
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-260
Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und
Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006
2-261
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0310/2002) von Herrn Stephen Hughes im
Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale
Angelegenheiten über die Mitteilung der Kommission:
Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und
Gesellschaft: eine neue Gemeinschaftsstrategie für
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006
(KOM(2002) 118 - C5-0261/2002 - 2002/2124(COS)).
2-262
Hughes (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident,
obwohl ich in meinem Bericht die Mitteilung der
Kommission begrüße, muss ich an einer Reihe von
wichtigen Aspekten konstruktive Kritik üben.
Der Bericht hat drei horizontale Fragen in den
Vordergrund gestellt, die für den Erfolg der Strategie
von wesentlicher Bedeutung sind. Das betrifft erstens
den fehlenden Aktionsplan. Die Strategie leidet unter
einer inakzeptablen Unausgewogenheit und einem
Mangel
an
strategischer
Kontinuität.
Die
Anfangsanalyse ist zwar im Wesentlichen zutreffend,
aber die Vorschläge für Aktionen sind oft wenig mehr
91
als eine Beschreibung des jeweiligen Problems. Werden
Aktionen vorgeschlagen, so sind die Vorschläge oftmals
vage, und für die Umsetzung der Strategie werden
praktisch keine Ressourcen und Termine angegeben. So
enthält die Mitteilung zwar eine gute Analyse der durch
die zunehmende Feminisierung der Gesellschaft
verursachten Veränderungen und der Auswirkungen der
Alterung
der
Bevölkerung,
Vorschläge
für
entsprechende Maßnahmen werden jedoch nicht
vorgelegt.
Der Bericht fordert daher einen detaillierten Aktionsplan
mit
verbindlichen
Terminangaben
für
jeden
Hauptvorschlag, die Zustimmung zu diesem Plan durch
den Ausschuss des Parlaments für Beschäftigung und
soziale Angelegenheiten bis zum Europäischen Rat im
Frühjahr 2003 sowie eine jährliche Überprüfung im
Rahmen des Fortschrittanzeigers der Sozialagenda, wie
vom Rat vorgeschlagen. Das Parlament und die
beratenden
Ausschüsse
sollten
in
diesen
Überprüfungsprozess einbezogen werden.
Das ist ein ernstes Problem, und ich weiß, dass die
Kommissarin aufmerksam zuhört. Ich fordere sie auf,
uns heute Abend klar zu sagen, dass wir mit einer
positiven Reaktion auf unsere Forderungen rechnen
können. Andernfalls habe ich den Auftrag, den Bericht
an den Ausschuss zurückzuverweisen, wo er zu einer
Ablehnung der Strategie der Kommission umformuliert
werden wird.
Das zweite wichtige horizontale Problem sind die
mangelnden Ressourcen. 1992 waren im Bereich der
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz bei der
Europäischen Kommission etwa 130 Beamte beschäftigt.
Heute sind es noch gerade 24 Mitarbeiter. Mag sein,
dass wir bezüglich der genauen Zahlen nicht ganz einer
Meinung sind, aber die Kommissarin wird doch sicher
zustimmen, dass die Zahl der Mitarbeiter in diesem
Bereich drastisch gesunken ist.
Dies ist keine Basis für eine dynamische und proaktive
Verwaltung, wie sie zur Umsetzung der Strategie
erforderlich wäre, da diese in der Lage sein muss, auf ein
sich wandelndes politisches Umfeld zu reagieren und
zugleich
die
Durchführung
bestehender
Rechtsvorschriften und politischer Maßnahmen zu
überwachen und zu überprüfen. Dieser Trend muss
umgekehrt werden, und für diesen Politikbereich
innerhalb der Kommission müssen wieder ausreichende
Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Als drittes wichtiges Problem verweist der Bericht auf
die mangelnde Ausgewogenheit zwischen legislativen
und nichtlegislativen Instrumenten. Ich warne davor, die
Entwicklung von nichtlegislativen Instrumenten als
Alternative zur Beibehaltung und Verbesserung
gemeinschaftlicher
Rechtsvorschriften
über
die
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu
betrachten. Es werden bestimmte Fälle angeführt, in
denen Lücken und Mängel des bestehenden
gemeinschaftlichen Besitzstands in Angriff genommen
werden müssen und bei denen außerdem umfassende
92
Ansätze im Bereich der Rechtsetzung statt Ad-hocFlickwerk sowohl in Bezug auf bestehende als auch mit
Blick auf neu auftretende Risiken von außerordentlicher
Bedeutung sind.
Die Zeit reicht natürlich nicht, um auf alle Einzelheiten
des Berichts einzugehen, deshalb werde ich mich auf
einige wenige konzentrieren. Im Bericht wird angesichts
der stark erhöhten Gesundheits- und Sicherheitsrisiken
bei KMU bedauert, dass die Kommission noch immer
kein mehrjähriges KMU-Programm gestartet hat, das
sich auf die vorbereitenden Maßnahmen stützt, wie sie
von der Agentur in Bilbao auf Anregung des
Europäischen Parlaments zwei Jahre lang durchgeführt
wurden. Ein solches Programm war von der
Kommission in der in Nizza angenommenen
europäischen Sozialpolitischen Agenda unterstützt
worden. Dies würde die Prüfung, Analyse und
Verbreitung erfolgreicher Maßnahmen in diesem
kritischen Sektor erleichtern. Ich hoffe sehr, dass die
Kommission jetzt positive Signale setzen wird.
Zweitens, was neu auftretende Risiken betrifft, so hoffe
ich, dass die Kommission die Notwendigkeit neuer,
unlängst vom Parlament geforderter Gesetze in
Bereichen wie Mobbing am Arbeitsplatz prüfen wird.
Auch was die arbeitsbedingte Überbeanspruchung
betrifft, so hoffe ich, dass die Kommission die Richtlinie
über die Arbeit an Bildschirmgeräten, in der die
Computermaus noch nicht einmal erwähnt wird, sowie
die Richtlinie über die manuelle Handhabung von Lasten
einer erneuten Prüfung unterzieht. Ich hoffe, sie wird
noch weiter gehen und unsere Forderung nach einer
umfassenden Richtlinie über die ergonomische
Gestaltung von Arbeitsplätzen aufgreifen.
Der Bericht führt zudem eine Reihe von Richtlinien auf,
die der Revision bedürfen. Zur Inangriffnahme dieser
Aufgabe bedarf es sowohl des Engagements der
Kommission als auch entsprechender Ressourcen.
Ausgehend von der hilfreichen Stellungnahme, die wir
vom Ausschuss für die Rechte der Frau und
Chancengleichheit erhielten, spricht sich der Bericht für
die Einbindung einer Geschlechterdimension in die
Strategie aus und führt eine Reihe konkreter Aufgaben in
diesem Zusammenhang auf. Der Bericht begrüßt zudem
das Benchmarking, vertritt jedoch die Ansicht, dass ein
erfolgreiches Benchmarking-Konzept nicht nur mehr
vergleichbare und zuverlässige Daten erfordert, sondern
auch ein harmonisiertes System der Definition von und
Aufzeichnung
und
Berichterstattung
über
Berufskrankheiten.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass der
Bericht ferner den Vorschlag zur Kodifizierung und
Vereinfachung der in diesem Bereich bestehenden
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften begrüßt, solange
dies keinen Vorwand zur Deregulierung um der
Deregulierung willen darstellt. Das möchte ich der
Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales
keinesfalls unterstellen, es gibt jedoch Kräfte in der
Kommission, die eine solche Tendenz aufweisen. Ich
habe im Ausschuss sogar gemeinsam mit Herrn Bushill-
22/10/2002
Matthews einen Änderungsantrag vorgeschlagen, dem
zufolge die Revision von Rechtsvorschriften dazu
genutzt werden sollte, diese zu vereinfachen oder sogar
außer Kraft zu setzen, falls sie inzwischen überflüssig
sind. Keiner von uns kann an der Aufrechterhaltung
überflüssiger Regelungen oder daran interessiert sein,
diese kompliziert zu gestalten. Rechtsvorschriften sollten
einfach zu verstehen und umzusetzen sein.
Ich hoffe, die Kommissarin kann uns die Zusicherung
geben, die wir für diesen Aktionsplan brauchen.
2-263
Diamantopoulou, Kommission. – (EN) Herr Präsident,
ich möchte Herrn Hughes und vor allem dem Ausschuss
für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für die
enge Zusammenarbeit danken. Die Mitteilung
„Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und
Gesellschaft: eine neue Gemeinschaftsstrategie für
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006“
stellt eine Strategie für Gesundheit und Sicherheit am
Arbeitsplatz für den genannten Zeitraum dar.
Es handelt sich um eine neue Strategie, die einige neue
Schlüsselelemente umfasst. Diese Elemente betreffen die
Qualität der Arbeit sowie die Notwendigkeit, eine
Vielzahl unterschiedlicher politischer Instrumente wie
Rechtsvorschriften, den sozialen Dialog, fortschrittliche
Methoden und bewährte Praktiken, die soziale
Verantwortung der Unternehmen und wirtschaftliche
Anreize miteinander zu kombinieren. Letztlich besteht
ein enger Zusammenhang zwischen Gesundheit und
Sicherheit
am
Arbeitsplatz
sowie
der
Wettbewerbsfähigkeit, und die Vernachlässigung
sozialpolitischer Maßnahmen hat immer auch ihren
Preis.
Ich werde im Folgenden auf die wichtigsten Punkte der
Mitteilung eingehen. Erstens, und darüber sollten wir
uns im Klaren sein, handelt es sich hier nicht nur um
einen Vorschlag der Kommission, sondern auch um eine
Gemeinschaftsstrategie. Es ist daher erforderlich,
sämtliche europäischen Partner zu integrieren,
einschließlich der europäischen, nationalen und
regionalen Behörden auf politischer Ebene. Auf
operationeller Ebene sind die Sozialpartner gefordert,
und
auf
der
Dienstleistungsebene
sämtliche
Gesundheitseinrichtungen, Präventionsdienste sowie
Versicherungen.
Ein interessanter Aspekt in dieser Mitteilung ist die
Frage danach, wie wir eine Präventionskultur entwickeln
können. Es gibt natürlich eine Reihe von Prioritäten, was
den Ausbau unserer Fähigkeiten in Bezug auf die
Risikobewertung und die Notwendigkeit besserer
Rechtsvorschriften angeht. Der Forderung nach einer
Vereinfachung und Kodifizierung, die eine der
Verpflichtungen der Strategie der Kommission
darstellen, stimme ich vollkommen zu. Zur Umsetzung
der Strategien ist eine Zusammenarbeit zwischen der
Kommission und den einzelstaatlichen Behörden sowie
eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene
erforderlich. Ich habe versucht, in wenigen Worten die
22/10/2002
Hauptpunkte der Mitteilung darzulegen, weil ich meine,
dass es die Debatte beleben wird, wenn ich auf die
konkreten Bemerkungen von Herrn Hughes eingehe.
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale
Angelegenheiten legte einige konkrete Vorschläge vor,
von denen die Kommission viele bearbeitet und
berücksichtigt hat. Einige der Vorschläge könnte man
vielleicht noch etwas gründlicher prüfen. Wir könnten
vielleicht die Zeitpläne und die Beschreibung der
durchzuführenden Aktivitäten etwas konkretisieren. Dies
könnte im Rahmen einer Beratung mit dem
Beschäftigungsausschuss erfolgen, wobei wir gezielt die
Aktivitäten und Vorschläge der Strategie und
insbesondere die von Herrn Hughes erwähnten fünf
Punkte diskutieren könnten.
Erstens geht es um das im Bericht angesprochene
Problem der KMU. Sie wissen um die Probleme, die wir
mit dem Programm SAFE haben. Dank Parlament
verfügen wir jetzt im Rahmen der Agentur von Bilbao
über einen Haushalt speziell für KMU, so dass wir die
Einzelheiten in Bezug auf die Umsetzung dieses Projekts
sowie den Zeitplan diskutieren können.
Hinsichtlich der Rechtsvorschriften über Stress wird eine
Analyse durchgeführt. Wir haben die erste Stufe der
Konsultation eingeleitet. Auch hier können wir etwas
konkreter vorgehen. Das Gleiche gilt für den Vorschlag
für eine Richtlinie über die ergonomische Gestaltung
von Arbeitsplätzen und Fragen im Zusammenhang mit
der Richtlinie über die manuelle Handhabung von
Lasten. Eine entsprechende Analyse wird derzeit
erarbeitet. Was die Zeitpläne für die Studien angeht, so
können wir konkretere Aussagen treffen, und wir können
auch konkrete Zusagen zum Wann und Wie der ersten
Stufe der Konsultation machen.
Es folgt das Thema Frauen. In diesem Punkt sind wir
uns vollkommen einig. Die Verankerung der
Chancengleichheit zieht sich als allgemeiner Grundsatz
durch alle in unserem Strategiepapier vorgesehenen
Maßnahmen. Was das Benchmarking betrifft, so stimme
ich Ihnen zu. Wir könnten tatsächlich bessere Wege zur
Durchsetzung des Verfahrens finden. Im Bericht heißt es
dazu konkret, dass die Mitgliedstaaten zur Anwendung
des Benchmarking in diesem Bereich angespornt werden
sollten, aber vielleicht ließe sich im Rahmen
gemeinsamer Diskussionen herausfinden, wie wir in
diesem Punkt konkreter vorgehen könnten. Vielleicht
könnten
wir
diese
Angelegenheit
mit
den
Mitgliedstaaten diskutieren und sie bitten, konkrete Ziele
zu setzen. Wir könnten dann im Rahmen eines Berichts
feststellen, wie diese Ziele umgesetzt werden. Das geht
nicht in Form von Verpflichtungen – wir können die
Mitgliedstaaten in dieser Sache zu nichts verpflichten –
aber wir können diesen Punkt besser präsentieren und
damit vielleicht auf Fortschritte im Bereich des
Benchmarking hinarbeiten.
Abschließend ein Wort zur Vereinfachung und
Kodifizierung. Wir arbeiten derzeit an einer
Gesamtevaluierung der Gesetzgebung im Bereich
93
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Das ist eine
der wichtigsten Verpflichtungen im Rahmen dieser
Strategie. Es handelt sich um keine einfache Aufgabe,
doch unser übergeordnetes Ziel besteht darin, die
Vorschriften zu vereinfachen, ihre Einheitlichkeit zu
gewährleisten und sie schließlich zu kodifizieren. So
haben wir uns u. a. zur Kodifizierung der Richtlinie über
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verpflichtet.
2-264
Evans, Jillian (Verts/ALE), Verfasserin der
Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die
Rechte der Frauen und Chancengleichheit. – (EN) Herr
Präsident, im Namen des Ausschusses für die Rechte der
Frauen und Chancengleichheit begrüße ich diese
Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.
Ich möchte vor allem Herrn Hughes zu seinem Bericht
beglückwünschen. Wie er bereits sagte, haben unsere
Ausschüsse in dieser Angelegenheit sehr gut
zusammengearbeitet. Besonders zufrieden war ich mit
der Zusammenarbeit mit dem Berichterstatter, die dazu
beigetragen hat, dass die Hinweise des Ausschusses für
die Rechte der Frauen umfassend berücksichtigt wurden.
Das ist deshalb wichtig, weil Männer zwar häufiger
Opfer schwerer Unfälle sind, Frauen jedoch längerfristig
an arbeitsbedingten Krankheiten leiden. Auch erhalten
Frauen eine schlechtere Bildung und Berufsbildung als
ihre männlichen Kollegen. Deshalb brauchen wir eine
nach Geschlechtern aufgegliederte Statistik über
Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, die sowohl die
Vollzeitbeschäftigung als auch die Teilzeitarbeit und
vorübergehende
Beschäftigung
umfasst.
Die
Kommissarin
teilt
die
Ansicht,
dass
die
Chancengleichheit in der gesamten Strategie verankert
sein muss, damit Probleme wie die Doppelbelastung
durch Erwerbstätigkeit und persönliche Pflichten oder
Mobbing am Arbeitsplatz ordnungsgemäß aufgegriffen
werden können. Werden Geschlechterfragen bei der
Risikobewertung und Arbeitsplatzgestaltung nicht
berücksichtigt, werden wir die Frauen auch weiterhin
daran hindern, bestimmte Berufe zu ergreifen und sich in
bestimmten Sektoren zu etablieren.
Die geltenden Vorschriften im Bereich Gesundheit und
Sicherheit am Arbeitsplatz sind zu evaluieren, damit wir
Problembereiche
ermitteln
und
künftige
Rechtsvorschriften wirksamer gestalten können. So
müssen Hausangestellte und Heimarbeiter, von denen
viele Frauen sind, ebenso geschützt werden wie Frauen
in der Landwirtschaft und mitarbeitende Ehepartner in
kleinen Familienbetrieben.
Ich unterstütze voll und ganz die Ausführungen des
Berichterstatters
hinsichtlich des Mangels an
Ressourcen,
der
die Kommission an
einer
ordnungsgemäßen Durchführung der Politik zur
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz hindert, und
vor allem hinsichtlich der Notwendigkeit eines
ausführlichen und bilanzierten Aktionsplans und eines
sehr strengen Zeitplans zur Verbesserung der
Gesetzgebung in diesem sehr wichtigen Bereich. Ich
befürworte den Bericht.
94
2-265
Pérez Álvarez (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich möchte mit
einem Glückwunsch an die Kommission und auch an
den Berichterstatter beginnen, nicht nur zur Qualität
ihrer Arbeit, sondern auch zu ihrer Haltung gegenüber
den eingereichten Änderungsanträgen.
Wenn der soziale Dialog ein wirksames Instrument zur
Bekämpfung des Übels der Arbeitsunfälle darstellen
soll, so hat der politische Dialog innerhalb der
interfraktionellen Gruppen zur Verbesserung eines von
Anfang an ausgezeichneten Berichts geführt.
Ich habe irgendwann gehört, dass die Realität
unbeugsam ist und man über Zahlen nicht spekulieren
kann. Jedoch können wir uns eine Meinung über die
Umstände bilden, unter denen sich die Fakten
vollziehen, und über die Umstände, die diese
widerspiegeln. Und die Wahrheit ist, dass 1999 im
Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz in der
Europäischen Union, ohne Panik machen zu wollen,
5 500 Unfälle mit tödlichem Ausgang, 4,8 Millionen
Unfälle mit mehr als 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit, 500
Millionen verlorene Arbeitstage aufgrund von Unfällen
oder gesundheitlichen Problemen und Zahlungen von
Entschädigungen zu verzeichnen waren und, was noch
gravierender ist, fast 350 000 Menschen ihre
Beschäftigung oder den Arbeitsplatz wechseln mussten –
etwa 300 000 mit einem Behinderungsgrad – und 15 000
niemals wieder eine neue Arbeit aufnehmen werden.
Zudem hat es in einigen Mitgliedstaaten der Union einen
gewissen beunruhigenden Anstieg der Unfallzahlen
gegeben, und angesichts der Erweiterung besteht eine
sehr große Sorge über die Situation der
Kandidatenländer für den – nicht mehr zukünftigen
sondern unmittelbar bevorstehenden – Beitritt, da hier
Unfallshäufigkeitszahlen auftreten, die über dem
Durchschnitt der Gemeinschaft liegen, was allerdings
aus
verschiedenen
Blickwinkeln,
auch
unter
Berücksichtigung der Bedeutung der Hochrisikosektoren
in diesen Ländern, zu erklären ist.
22/10/2002
Gedanke,
dass
eine
gesunde
und
sichere
Arbeitsumgebung und -organisation Faktoren sind, die
die Leistung der Wirtschaft im Allgemeinen und die der
Unternehmen im Besonderen und vor allem die Kultur
der Gefahrenprävention beeinflussen.
Angesichts der Gefahr, die der Arbeit naturgemäß
innewohnt, ist unermüdliches, beharrliches Handeln
notwendig. Es müssen alle Mittel genutzt werden, die
der so genannte soziale Besitzstand bietet, von der
Rahmenrichtlinie bis zu den von der Charta der
Grundrechte proklamierten Regeln. Der Schutz wird
daher die gemeinsame Aktion der gesamten Gesellschaft
erforderlich machen, wie hier bereits gesagt wurde: der
Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der öffentlichen
Verwaltungen, der Bürgerinnen und Bürger. Ein
wirklich gemeinsames Handeln.
Aber ohne Aufklärung, ohne Ausbildung der
Arbeitnehmer und der Verantwortungsträger für die
Gesundheit, ohne horizontale Präventionspolitiken – wie
die Kommissarin bemerkte – und ohne ausreichende
Informationen werden die Beschlüsse normativen Inhalts
wenig Wert besitzen. Zu begrüßen wäre die
Vereinfachung, wenn sie denn kommt und möglich ist,
aber ohne Sensibilisierung reicht sie nicht aus.
Angesichts dieses Risikos wage ich zu behaupten, dass
die Aktion allein nicht ausreicht, sondern dass man
hartnäckig sein muss.
Bis zum Überdruss muss man auf eine Präventionskultur
hinarbeiten. Es muss nötigenfalls neue Standards geben,
mehr materielle und Humanressourcen, spezifische
Aktionen in Sektoren und Unternehmen mit
überdurchschnittlicher
Unfallhäufigkeit,
die
verschiedenen Pläne und der Austausch bewährter
Praktiken müssen überwacht und neue Risiken
vermieden werden.
Die Gesundheit, die Sicherheit und die Würde der
europäischen Bürgerinnen und Bürger stehen auf dem
Spiel.
2-266
Frau Kommissarin, sicher stehen wir vor dem
schwächsten Glied der Erweiterung. Die Charta der
Grundrechte der Europäischen Union verkündet in ihrem
Artikel 31 Absatz 1, dass jede Arbeitnehmerin und jeder
Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und
würdige Arbeitsbedingungen hat. Der Gipfel von
Lissabon fixierte als eines seiner Ziele – das vom Rat
von Barcelona bekräftigt wurde – die Schaffung von
mehr und besseren Arbeitsplätzen – wobei der Begriff
„besser“ nicht nur auf den Kampf gegen die
Unsicherheit anzuwenden ist, sondern auch auf weniger
gefährliche Beschäftigungen und Arbeitplätze.
Deshalb halte ich den dreifachen Aspekt der Strategie
für treffend; das globale Konzept von den
Berufsbefähigungen bis zur Arbeitszeit, von der
demographischen Tendenz, von der allgemeinen
Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit bis zu der der
erwerbstätigen Bevölkerung, das Konzept oder der
Thorning-Schmidt (PSE). - (DA) Herr Präsident, wie
sich den Ausführungen der Kommission heute Abend
entnehmen lässt, gibt es selten Differenzen mit der
Kommission über die Richtung, die es einzuschlagen
gilt, wenn es um die Arbeitsumwelt geht. Wir machen
uns alle Sorgen darüber, dass zu viele Menschen bei
ihrer Arbeit dauerhafte Schäden erleiden. Noch
gravierender ist vielleicht die Tatsache, dass in vielen
Bereichen innerhalb der EU keine wirkliche
Verbesserung der Arbeitsumwelt stattgefunden hat. Vor
diesem Hintergrund, Frau Kommissarin, hatten wir
gehofft, die Kommission würde sich in ihrer Strategie
für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz etwas
ehrgeiziger zeigen, zumindest was die Umsetzung
angeht. Ich hatte gehofft, dass uns heute mehr als nur
Zeitpläne für die einzelnen Aktivitäten vorgeschlagen
wird.
22/10/2002
Wie die Berichterstatter betont haben, stellt sich die
Situation im Bereich der Arbeitsumwelt zurzeit so dar,
dass die der Kommission zur Verfügung stehenden
Mittel seit 1992 stark beschnitten worden sind. Ich bin
mir im Klaren darüber, dass man die Berechnungen auf
mehrere Arten anstellen kann, aber es ist eine Tatsache,
dass das Geld nicht reicht. Es sind Streichungen zu
einem Zeitpunkt vorgenommen worden, da die
Arbeitsumweltprobleme immer komplizierter und
umfassender geworden sind und wir in Wirklichkeit
sogar mit neuen Problemen konfrontiert werden. Wir
müssen verschiedene Instrumente einsetzen, wir müssen
uns um Vorbeugung bemühen und den einzelstaatlichen
Behörden helfen. Die zu lösenden Aufgaben sind
vielfältig und sehr kompliziert; die Herausforderungen,
die wir mittels Richtlinien bewältigen wollen, lassen sich
nicht in einem Redebeitrag von drei Minuten darstellen.
Wir
sind
uns
der
Gefahr
bewusst,
dass
Arbeitsumweltprobleme insbesondere Frauen betreffen
können, worauf uns auch Frau Evans hingewiesen hat.
Wir wissen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen
unsere besondere Aufmerksamkeit verlangen. Eine
Richtlinie
über
die
gesamte
Muskelund
Knochenproblematik ist dringend erforderlich. Auch zur
Bekämpfung von Stress und Mobbing sind gemeinsame
Aktivitäten erforderlich, und wir wissen auch, dass wir
zur allgemeinen Anerkennung von Berufskrankheiten
sicherlich eine Mindestrichtlinie brauchen.
Angesichts all dieser von uns als notwendig erachteten
Initiativen sind wir am meisten darüber enttäuscht, dass
die Kommission diese Strategie nicht durch einen
Aktionsplan ergänzen will. Wenn die Kommission sagt,
dass sie sich an der Erstellung von Terminplänen
beteiligen möchte, müssen wir ihr erwidern, dass wir
mehr Verbindlichkeit wünschen, und wir müssen
vorschlagen, dass ein echter Aktionsplan erarbeitet wird.
Wenn die Kommission zustimmt, dass wir Terminpläne
brauchen und dass diese verbindlicher sein müssen, wird
sie uns hoffentlich am Ende dieser Debatte – in deren
Verlauf vermutlich noch andere einen Aktionsplan
fordern werden – erklären, warum sie diese Strategie
nicht durch die Ausarbeitung eines echten Aktionsplans
konsequent zu Ende führt. Natürlich wissen wir, dass
dieser für das Europäische Parlament, die Kommission
und nicht zuletzt die Mitgliedstaaten in stärkerem Maße
verbindlich wäre. Ich hoffe, wir können Fortschritte
erzielen. Wir brauchen einen Aktionsplan im Bereich
Arbeitsumwelt.
2-267
Lynne (ELDR). – (EN) Herr Präsident, obwohl ich
einige der in Herrn Hughes‘ Bericht enthaltenen Punkte
begrüße, und zwar insbesondere im Hinblick auf die
Vereinfachung
der
existierenden
Gemeinschaftsvorschriften
und
eine
bessere
Überwachung, bin ich sehr unglücklich darüber, dass
meine Änderungsanträge über eine umfassende
Abschätzung der Auswirkungen vom Ausschuss
abgelehnt wurden. Meine Fraktion kam überein, dass ich
die Änderungsanträge in der Plenarsitzung erneut
vorlegen sollte, aber leider war keine andere Fraktion
bereit, sich diesem Vorhaben anzuschließen.
95
Rechtsvorschriften sollten nur dann vorgeschlagen
werden, wenn wir nachweisen können, dass sie
erforderlich sind. Bewährte Praktiken oder ihr Austausch
reichen dafür nicht aus. Wir müssen zunächst dafür
sorgen, dass die in diesem Bereich bereits existierenden
Gesetze in der gesamten Europäischen Union umgesetzt
werden.
Zweitens müssen wir für jeden Mitgliedstaat eine
Abschätzung der Auswirkungen durchführen, in deren
Rahmen wir die Wirkung der vorgeschlagenen Regelung
auf die Industrie, die Privatwirtschaft und die
Arbeitskräfte untersuchen. Leider wirken die von der
Kommission vorgelegten Folgenabschätzungen auf mich
vielfach wie erläuternde Feststellungen und nicht wie
umfassende Abschätzungen der Auswirkungen. Gerade
im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
sind wir zum Nachweis der Notwendigkeit
entsprechender
Vorschriften
auf
aktuelle
wissenschaftliche und medizinische Daten angewiesen.
Nehmen Sie zum Beispiel die Vibrations-Richtlinie. Ich
habe von der Kommission eine Vielzahl von
Dokumenten erhalten. Im Bericht über ISO-Normen,
dem einzigen wirklich aktuellen Dokument, wurde sogar
festgestellt, dass keine quantitative Verbindung
zwischen
Ganzkörper-Vibrationen
und
Lumbalschmerzen besteht. Dennoch haben wir eine
entsprechende Regelung erarbeitet. Ich befürworte
Europa, aber wir erarbeiten immer mehr Gesetze, ohne
deren Notwendigkeit nachzuweisen. Damit bringen wir
Europa in Verruf.
Obwohl wir möglicherweise einige der in Herrn Hughes‘
Bericht und von der Kommission vorgeschlagenen
Regelungen brauchen, wird sich die Fraktion der
Liberalen und Demokratischen Partei Europas in der
morgigen Abstimmung der Stimme enthalten, wenn uns
keine ordnungsgemäße umfassende und unabhängige
Folgenabschätzung zugesichert werden kann.
2-268
Schmid, Herman (GUE/NGL).  (SV) Herr Präsident!
Ich empfinde große Sympathie für den Inhalt des
Berichts Hughes, der außerordentlich klar abgefasst ist.
Herr Hughes ist sehr beunruhigt darüber, dass so wenig
geschieht und legt eine lange Liste von Vorschlägen
legislativer und nichtlegislativer Art zur Verbesserung
der Situation vor. Ich bin mir sicher, dass er dafür die
Unterstützung der gesamten GUE/NGL-Fraktion
erhalten wird.
Gleichzeitig berührt er auch die Frage der Umsetzung
und die Schwierigkeiten, alles in der Realität zum
Funktionieren zu bringen. Meiner Ansicht nach sollte in
diesem Zusammenhang eine deutlichere Sprache
gesprochen werden, denn es geht hier schließlich um
einen Konflikt. Wir reden zwar von Dialog und
Zusammenarbeit, aber in Wirklichkeit besteht hier ein
Konflikt. Die Unternehmen sind im Wettbewerb mit
anderen nämlich gezwungen, ihre Kosten und
Gewinnspannen genau zu beobachten, so dass irgendwo
96
angesetzt werden muss. Gesundheit und Sicherheit
kosten Geld. Wir können kein angemessenes Maß an
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz erreichen,
wenn die Gewerkschaften nicht stark genug sind,
ausreichend Druck auf die Unternehmen auszuüben. So
sehen die Konfliktverhältnisse aus, die Teil unseres
Systems sind. Wenn wir Gesundheit und Sicherheit am
Arbeitsplatz verbessern wollen, sollten wir das wissen.
Legislative und nichtlegislative Methoden funktionieren
in dem Maße, wie es starke Arbeitnehmerorganisationen
gibt, die die von uns geschaffenen Rechtsakte,
Empfehlungen und Leitlinien nutzen können. So sieht
die Wirklichkeit aus!
22/10/2002
die Krankheitsbilder und Probleme in Bezug auf das
Wohlbefinden schon seit langem bekannt sind, wurde für
diese Vorschläge bislang noch keine Frist gesetzt. Also
nochmals, ich kann dem zustimmen, wie Herr Hughes
die Probleme darlegt und hoffe, dass er eventuell den
Mut aufbringt, seinen Bericht zurückzuziehen, wenn sich
die Kommission nicht verpflichtet, die Probleme rund
um den Personalabbau, die meiner Ansicht nach noch
immer
mangelnde
Ausgewogenheit
zwischen
legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen und
insbesondere das Fehlen eines Aktionsplans mit
zugehörigem zeitlichen Rahmen zu lösen.
2-270
Vielleicht sollten wir diskutieren, ob wir die
Arbeitnehmerseite, z. B. die Rechte der Gewerkschaften,
stärken müssen. Eventuell müssen auch die
Möglichkeiten für juristischen Beistand im Fall von
Konflikten verbessert werden, beispielsweise durch die
Unterstützung durch Experten. Im 19. Jahrhundert, als es
noch keine starken Gewerkschaften gab, wurden die
Arbeiter durch Fabrikinspektoren unterstützt. Solche
Arbeits- und Fabrikinspektoren, wie es sie im England
des 19. Jahrhunderts gab, würden wir vermutlich heute
in Osteuropa benötigen. Vielleicht sollten wir den
Beitrittsländern auch deutlicher sagen, dass das
Streikrecht zum Besitzstand, zum acquis, gehört, den sie
einführen müssen.
2-269
Bouwman (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, lieber Herr Hughes! Meines Erachtens ist
es ausgezeichnet, wenn vernünftige Berichte vorgelegt
werden. Insbesondere den Bericht von Herrn Hughes
halte ich für exzellent. Ich habe ihn einmal sagen hören,
er fände die Analyse in der Kommissionsmitteilung
fundiert, die Ausgestaltung aber ließe zu wünschen
übrig.
Ich meine, das in den heutigen EU-Berichten gelesen zu
haben. Meiner Ansicht nach ist die Analyse zufrieden
stellend, aber mit Sicherheit nicht fundiert, und zwar
ganz einfach aus dem Grund nicht, weil es in Europa
weitaus bessere Verfahrensweisen gibt, als in diesem
Dokument beschrieben. Mir geht es vornehmlich um das
Element Wohlbefinden bei der Arbeit. Die
Gesetzgebung zur Gesundheit und Sicherheit am
Arbeitsplatz ist nämlich Hard Law. Dort geht es um
Erschütterungen, Lärm usw. Beispielsweise in den
Niederlanden wurde eingehend untersucht, wie
Wohlbefinden am Arbeitsplatz auszulegen ist. Dies
umfasst Aspekte, die mit Organisationen zu tun haben,
Aspekte, die sich später auch in Form von Repetitive
Strain Injury, Stress oder zahlreichen weiteren Formen
des Unwohlseins auswirken können.
Einige
dieser
Elemente
sind
in
dem
Kommissionsdokument in Verbindung mit Investitionen
in Qualität aufgeführt. Nach den von den Belgiern
nachträglich entwickelten Indikatoren hört es aber auf.
Ich bedauere, dass dieser Bereich nicht weiter
ausgestaltet wird, denn die Vorschläge sind im Grunde
eine Art Sammelsurium verschiedener Punkte. Obgleich
Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident,
die Vorlage der Kommission über Gesundheit und
Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein gutes Dokument. Es
unterstreicht die Bedeutung der Gesundheit und der
Sicherheit am Arbeitsplatz, die Notwendigkeit der
Stärkung der Präventionskultur und der besseren
Umsetzung der geltenden Gesetze. Diesen Zielen
stimme ich im Wesentlichen zu. Das Dokument stellt die
Probleme wie folgt dar: Es herrschen nach wie vor
einige Unklarheiten in Bezug auf die Präventionskultur
der EU-Richtlinien, die in der Praxis noch nicht effektiv
umgesetzt wird. Dem stimme ich zu. Das Dokument
stellt fest, dass viele Bürger den Rechtsrahmen der
Gemeinschaft für viel zu komplex und unklar halten,
und schlägt deshalb eine Vereinfachung und Straffung
vor. Dem stimme ich auch zu.
Ich hatte gehofft, dass das Parlament es für richtig
gehalten hätte, diesen Vorschlägen der Kommission
zuzustimmen, doch der Berichterstatter hat die
entgegengesetzte Richtung eingeschlagen. Angesichts
eines
Personalabbaus
auf
etwa
40 %
des
Personalbestands von 1992 unterstellt er der
Kommission, sie räume der Gesundheit und der
Sicherheit am Arbeitsplatz eine geringere Priorität ein.
Das ist Unsinn. Für einige Leute führen natürlich immer
alle Straßen zur üblichen sozialistischen Lösung, die da
heißt: mehr Geld, mehr Leute und mehr Regulierung.
Ich stelle fest, der Berichterstatter hat gnädigst den von
uns vorgelegten gemeinsamen Änderungsantrag
erwähnt, der den Höhepunkt der Ausschussarbeit bildete.
Vielleicht könnte er den Höhepunkt dieses Berichts
bilden. Falls jemand unter den Kollegen hofft, dass dies
der Beginn einer großartigen neuen Partnerschaft ist,
dann wird er sich wohl noch ein wenig gedulden
müssen. Wir hoffen zusammen auf bessere Zeiten.
Unterdessen wünscht sich der Berichterstatter eine
Ausdehnung der Rahmenrichtlinie, Vorschläge für neue
Gesetze zum Mobbing am Arbeitsplatz und eine neue
Richtlinie über die ergonomische Gestaltung von
Arbeitsplätzen, die Stärkung der Richtlinie über die
Arbeit an Bildschirmgeräten und eine Änderung der
Richtlinie über die manuelle Handhabung von Lasten.
Und das allein auf der ersten Seite seiner Empfehlungen.
Wir brauchen nicht noch mehr Richtlinien. Ich behaupte,
seine Schlussfolgerungen sind falsch, weil seine Analyse
22/10/2002
falsch ist. Die Delegation der britischen Konservativen
wird gegen den Bericht stimmen, und wir werden nicht
die Einzigen sein.
Ich möchte hinzufügen, dass Irland gerade dem EUBeitritt der Kandidatenländer zugestimmt hat. Wenn die
Kandidatenländer Herrn Hughes‘ Bericht lesen, werden
sie es sich möglicherweise anders überlegen.
2-271
VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident
2-272
Jensen (ELDR). – (DA) Herr Präsident, ich möchte der
Kommission für einen guten Bericht danken. Herrn
Hughes möchte ich dafür danken, dass er darauf
hingewiesen hat, wie wichtig die Umsetzung der
Rechtsvorschriften ist. Dänische Arbeitgeber behaupten
oft, dass sie – anders als in vielen anderen Ländern – die
Vorschriften zur Arbeitsumwelt einhalten müssen. Ich
kann das, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, ohne ihnen
mit reinem Gewissen das Gegenteil beweisen zu können.
In Zukunft möchte ich solche Behauptungen
dementieren können. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns
stärker um die praktische Umsetzung der die
Arbeitsumwelt
betreffenden
Rechtsvorschriften
bemühen, damit wirklich überall in der EU gute und
sichere Arbeitsbedingungen herrschen.
Davon abgesehen, müssen wir auch sorgfältig überlegen,
mit welchen Instrumenten wir die Arbeitsumwelt am
besten sicherer gestalten können. Der Erlass von
Rechtsvorschriften ist nicht immer der beste Weg.
Zuweilen lassen sich Verbesserungen eher durch
Erfahrungsaustausch, Schulung und Förderung des
sozialen Dialogs erzielen. Ein gutes Beispiel dafür ist die
Bekämpfung von Stress und Mobbing. Solche Probleme
lassen sich nur durch bessere Zusammenarbeit an der
jeweiligen Arbeitsstätte lösen. Deshalb bin ich auch der
Ansicht, dass sich die Sozialpartner mit der Bekämpfung
von Stress und Mobbing befassen sollten.
97
Der Bericht betont die Notwendigkeit der Erarbeitung
eines Aktionsplans, in dem finanzielle Verpflichtungen,
klare Fristen für jeden Vorschlag und Kontrollverfahren
für seine Umsetzung vorgesehen sind. Er hebt auch sehr
nachdrücklich – und darüber bin ich besonders erfreut –
die
Notwendigkeit
der
Einbeziehung
der
geschlechtsspezifischen Dimension
in
die
zu
ergreifenden Maßnahmen hervor. Die Frauen sind
mehrheitlich auf den am schlechtesten bezahlten und auf
den unsichersten Arbeitplätzen zu finden, sie leiden
stärker unter Mobbing und sexueller Belästigung.
Zudem muss die Sicherheit und der Gesundheitsschutz
für Schwangere, Stillende und Frauen mit Kleinkindern
deutlich verbessert werden.
Auch ich möchte Stephen Hughes zu seinem Bericht
beglückwünschen, den ich voll und ganz unterstütze.
2-274
Stauner (PPE-DE). - Herr Präsident, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
technische und gesundheitliche Arbeitsschutz der
Arbeitnehmer ist neben der Freizügigkeitsregelung ein
unumstrittenes Tätigkeitsfeld der Europäischen Union
mit eindeutiger Rechtsgrundlage. Der Erlass von
Mindestvorschriften in diesem Bereich ist notwendig,
um im europäischen Binnenmarkt Wettbewerbsvorteile
zu vermeiden, die sozusagen auf dem Rücken der
arbeitenden Bevölkerung erzielt werden können. In
diesem Sinne ist es auch zu begrüßen, wenn die
Kommission sich Gedanken für die Zukunft macht und
Schwerpunkte setzt.
Die Schwerpunkte sollten – das kommt im vorliegenden
Bericht auch gut zum Ausdruck – vor allem im Bereich
Frauen und behinderte Menschen liegen. Eher reserviert
stehe ich aber Bestrebungen gegenüber, die in weiter
Auslegung der Rechtsvorschriften alle möglichen
Aspekte des Arbeitslebens einer europäischen Regelung
zuführen wollen. Auch in diesem Bereich muss es noch
Spielraum
für
nationale
Besonderheiten
und
Eigenständigkeit geben.
2-273
Ainardi (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, Frau
Kommissarin! Die Europäische Union hat zwar zur
Verbesserung
der
Rechtsvorschriften
zum
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz beigetragen, doch
muss auch festgestellt werden, dass sich die Lage in
bestimmten Mitgliedstaaten und in bestimmten Sektoren
verschlechtert. Der Bericht
unseres Kollegen
Stephen Hughes hebt zu Recht drei wichtige Aspekte
hervor:
mangelnde
Ressourcen,
Fehlen eines
Aktionsplans sowie mangelnde Ausgewogenheit
zwischen
legislativen
und
nichtlegislativen
Instrumenten. Der Bericht fordert daher eine
Vereinfachung
der
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften, eine bessere Umsetzung in den
Mitgliedstaaten,
die
Berücksichtigung
der
Geschlechterperspektive, eine stärkere Verantwortung
der Unternehmen, die Anwendung von neuen
Instrumenten sowie konkret auf die Beitrittsländer
zugeschnittene Maßnahmen.
Wir stehen in der Tat vor großen Veränderungen des
Arbeitslebens in Europa. Den Arbeitnehmer im
klassischen Sinne gibt es immer weniger. So genannte
atypische Arbeitsverhältnisse nehmen zu, und ich kann
mich auch des Verdachts nicht erwehren, dass wir in
Ermangelung von Lösungen der wirklichen Probleme
zunehmend
Papiere
und
Absichtserklärungen
produzieren, die den Arbeitnehmern an ihrem konkreten
Arbeitsplatz herzlich wenig bringen. Tatsache scheint
mir zu sein, dass – sei es aufgrund der viel zitierten
Globalisierung oder aufgrund einer allgemeinen
gesellschaftspolitischen Entwicklung – der Schutz der
Arbeitnehmer abnimmt, der Stellenwert der Arbeit als
Produktionsfaktor
schwächer
wird
und
das
Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers auch oder gerade
durch die europäische Integration ins Hintertreffen gerät.
Deshalb muss der Beibehaltung des Status quo beim
konkreten
Arbeitnehmerschutz
verstärkt
Aufmerksamkeit gewidmet werden.
98
Das Schutzniveau, das wir als europäisches Gemeingut
erlangt haben, muss erhalten und auch in den
Beitrittsländern verwirklicht werden, und zwar nicht nur
auf dem Papier, sondern in der Realität. Wir alle wissen,
dass Papier geduldig ist, auch und gerade in Europa.
Aber der Arbeitnehmerschutz, den wir erreicht haben, ist
der Kern der sozialen Dimension dieses sich weiter
integrierenden Europas. Darin sehen die Arbeitnehmer
eine positive Entwicklung, viel mehr, meine ich, als in
Beschäftigungs- und sonstigen Strategiepapieren.
2-275
Cauquil (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, der
Berichterstatter stellt selbst fest, dass trotz aller
vollmundigen Erklärungen zu der dringenden
Notwendigkeit, den Schutz der Arbeitnehmer zu
verbessern, die dazu eingesetzten Mittel nicht nur nicht
erhöht, sondern im Gegenteil verringert werden.
Doch selbst wenn die Kommission die Mittel verstärken
würde, was könnte sie ausrichten gegen das Profitstreben
der Großunternehmen, das sich äußert in Stellenabbau
und damit in einer verstärkten Belastung derjenigen, die
noch Arbeit haben, in Einsparungen bei der Sicherheit,
in
einer
generellen
Ausweitung
der
Arbeitsplatzunsicherheit,
der
Subunternehmerverhältnisse und der Leiharbeit, welche
schlecht bezahlte Arbeitnehmer dazu zwingt, Aufgaben
zu übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind?
Allein in einem Land wie Frankreich sterben jährlich
nahezu 800 Menschen durch Arbeitsunfälle und mehrere
Tausend tragen lebenslängliche Behinderungen davon.
Faktisch alle diese Unfälle könnten verhindert werden,
wenn ausreichende Mittel dafür zur Verfügung gestellt
werden würden, was bedeuten würde, die Dividende der
Herren Aktionäre zu beschneiden.
So lange die Unternehmer nicht gezwungen sind, die
Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer zu achten,
anstatt den Profit in den Vordergrund zu stellen, bleiben
die besten Entschließungen nur leere Worthülsen.
2-276
Purvis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, natürlich sind
wir alle, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Aktionäre, an
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz interessiert.
Wozu aber brauchen wir Gesundheit und Sicherheit,
wenn wir keine Arbeit haben? Das ist das Problem und
die große Herausforderung. Der Kampf um vertretbare
Bedingungen des Gesundheitsschutzes und der
Sicherheit am Arbeitsplatz hat eine lange lobenswerte
Tradition, die bis zur industriellen Revolution
zurückreicht. Dieser Kampf trug zum Verbot der
schweren körperlichen Arbeit von Kindern in
Bergwerken und Fabriken bei und schützt bis zum
heutigen Tag Arbeitnehmer vor vermeidbaren Unfällen
und Krankheiten. Und der Kampf geht weiter.
Noch immer passieren in der Landwirtschaft und in der
Industrie zu viele Unfälle. Erst letzten Monat starb auf
der uns benachbarten Farm in Schottland ein junger
Familienvater, der in die Kartoffelerntemaschine geraten
war, an den Folgen des Unfalls. Wir müssen auch
22/10/2002
weiterhin alles tun, um derartige Tragödien zu
vermeiden. Unsere Arbeitskultur muss eine Kultur der
Sicherheit sein, doch das Leben und die Arbeit bergen
immer ein gewisses Risiko. Eine risikofreie Arbeitswelt
mit funktionierender Wirtschaft, in der Männer und
Frauen täglich zur Arbeit gehen und so ihre Familien
ernähren und unsere Wirtschaft unterstützen, ist eine
unerreichbare Utopie.
Außer Zweifel steht, dass übertriebene Einschränkungen
und Bürokratie absolut tödlich sind für den
Unternehmergeist, den unsere Wähler tagtäglich
entwickeln, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und
den gewohnten Wohlstand zu schaffen. Die Kommission
hat mit ihrer Forderung nach wirksamer Umsetzung der
bereits existierenden Gesetze und der Propagierung von
Arbeitsund
Gesundheitsschutzmaßnahmen
als
Maßnahmen, von denen sowohl das Geschäft als auch
die Arbeitnehmer profitieren, eine Lösung gefunden, an
der kaum etwas auszusetzen ist. Der Bericht von Herrn
Hughes geht viel zu weit. Mit seiner Litanei übertrieben
guter Absichten und seiner Forderung nach noch mehr
Rechtsvorschriften setzt er die Zukunft europäischer
Unternehmen, unseren Wohlstand und unsere
Arbeitsplätze aufs Spiel.
2-277
Diamantopoulou, Kommission. – (EN) Herr Präsident,
obwohl es unterschiedliche Ansichten zu diese
Mitteilung gibt, dürfte es uns meiner Ansicht nach
gelingen, eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird.
Wie ich bereits sagte, stellt diese Strategie des
Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz
einen Aktionsplan für die Europäische Gemeinschaft als
Ganzes dar. Deshalb müssen wir die Unterschiede
zwischen den Mitgliedstaaten, ihre unterschiedlichen
Gesetze und Definitionen, den Vertrag, die
Rechtsgrundlage und den begrenzten Personaletat der
Kommission berücksichtigen.
Es wurde beispielsweise auf den Personalabbau
verwiesen. Wir haben aber die Agentur in Bilbao. Die
Dienststellen der Kommission und die Agentur in Bilbao
haben unterschiedliche Aufgaben, aber die Agentur in
Bilbao unterstützt uns in Form von Informationen,
Kampagnen,
Analysen
und
Studien.
Die
Zusammenarbeit ist also sehr eng. Wie dem auch sei, ich
kann keine zusätzlichen Stellen versprechen. Sie alle
wissen, was für ein schwieriges Thema das ist.
Was wir in dieser Strategie vorgeschlagen haben ist
realistisch, und die Kommission kann die Vorschläge
mit den vorhandenen Mitteln umsetzen.
Lassen Sie mich ein paar konkrete Anmerkungen
machen. Es wird immer angenommen, dass ein
politisches Problem in jedem Falle gesetzlich zu regeln
ist. Wir sind nicht automatisch für oder gegen eine
gesetzliche Regelung, wir sagen lediglich, dass in vielen
Fällen genau geprüft werden muss, ob eine solche
Regelung erforderlich ist.
22/10/2002
Frau Lynne bezweifelte, dass dieses Verfahren immer
richtig ist und dass die vorliegenden Daten und
Erkenntnisse ausreichen, um die Notwendigkeit von
Rechtsvorschriften nachzuweisen.
Was das spezielle Thema der Vibration betrifft, so liegen
dazu zahlreiche Studien vor. Wir haben aus allen
Mitgliedstaaten Angaben erhalten, aus denen klar
hervorgeht, dass es ein echtes Problem gibt. Wir werden
die Angaben analysieren und dann Vorschläge für
Folgemaßnahmen vorlegen.
Es geht jedoch nicht nur um die Gesetzgebung. In der
Mitteilung der Kommission wird auf eine Vielzahl von
unterschiedlichen
Problemen
eingegangen.
Angesprochen wurde beispielsweise die Qualität. Wir
arbeiten inzwischen gemeinsam mit Eurostat an der
Harmonisierung zumindest der Definitionen in den
verschiedenen Mitgliedstaaten. So werden Unfälle
zurzeit noch unterschiedlich definiert, was bisweilen
Verwirrung stiftet. Deshalb streben wir eine
Harmonisierung der bestehenden Definitionen an.
Danach müssen wir uns den konkreten Indikatoren
zuwenden. Sie sind sehr spezifisch und sollten nach
einem bestimmten Zeitplan vorgelegt werden.
Auch das Benchmarking wurde angesprochen. Dazu
habe ich mich bereits geäußert. Die Partnerschaft stellte
einen der Grundsteine des gesamten Konzeptes dar. Die
Strategie sieht vor, dass jeder der beteiligten Partner
einen eigenen Aktionsplan vorlegt. Uns liegen bereits
Pläne von den Sozialpartnern vor. Jeder Mitgliedstaat
und jeder Partner muss sein eigenes konkretes
Programm einreichen.
Wir haben diese Belange bereits mit den
Bewerberländern diskutiert, und es wurden auch in
Bezug auf diese Länder konkrete Aufgaben und
Pflichten formuliert.
Abschließend möchte ich feststellen, dass wir bereit
sind, künftig in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für
Beschäftigung
und
soziale
Angelegenheiten
Möglichkeiten für konkretere Aufgabenstellungen zu
prüfen.
2-278
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-279
Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
für Selbständige
2-280
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5–0326/2002) von Herrn Manuel Pérez
Álvarez im Namen des Ausschusses für Beschäftigung
und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für
eine Empfehlung des Rates zur Anwendung der
Rechtsvorschriften
über
Sicherheit
und
99
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf Selbständige
(KOM(2002) 166 – C5-0235/2002 – 2002/0079(CNS)).
2-281
Pérez Álvarez (PPE-DE), Berichterstatter. – (ES) Herr
Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren!
In Punkt 4 der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit
und Sicherheit 2002-2006, über die wir gerade beraten
haben, wird die Ausdehnung des Anwendungsbereichs
der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG – ausgeschlossene
Arbeitnehmer – gefordert, und unter anderem wird die
Tätigkeit der Selbstständigen genannt.
Die Empfehlung, die ich vorlege und die wir im
Europäischen Parlament diskutieren, fordert die
Ausdehnung des Schutzes, den die unselbstständigen
Arbeitnehmer im Bereich der Sicherheit und Gesundheit
am Arbeitsplatz genießen, auch auf die Selbstständigen
oder Freischaffenden.
Wir gehen davon aus, dass Personen, die ihre berufliche
Tätigkeit ohne ein Arbeitsverhältnis mit einem
Arbeitgeber
oder
Unternehmen
ausüben,
im
Allgemeinen nicht durch die Gemeinschaftsrichtlinien
betreffend die Gesundheit und Sicherheit am
Arbeitsplatz geschützt sind.
In der Tat streifen nur drei Richtlinien diesen
Personenkreis – konkret die Richtlinie 92/57/EWG des
Rates über die auf zeitlich begrenzte oder
ortsveränderliche
Baustellen
anzuwendenden
Mindestvorschriften für die Sicherheit und den
Gesundheitsschutz – und berücksichtigen die
Selbstständigen, die hier ihre Arbeit verrichten, in dem
Maße, in dem sie aufgrund dieser Tätigkeit eine
potenzielle Gefahrenquelle für die ebenfalls auf der
Baustelle tätigen unselbstständigen Arbeitnehmer
darstellen können. Das heißt, Risiken, die der
Selbstständige verursacht, gegen die er aber nicht
geschützt ist.
Die Richtlinie 92/29/EWG des Rates über
Mindestvorschriften für die Sicherheit und den
Gesundheitsschutz zum Zweck einer besseren
medizinischen Versorgung auf Schiffen fällt nicht
spezifisch unter die Richtlinie der 89/391/EWG, und was
ich über die Richtlinie 92/57/EWG gesagt habe, gilt
auch für diese.
Die jüngste Richtlinie, die Richtlinie 2001/45/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni
2001 zur Änderung der Richtlinie 89/655/EWG des
Rates über Mindestvorschriften für Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln
durch Arbeitnehmer bei der Arbeit, nimmt in einer ihrer
Erwägungen auf die Selbstständigen Bezug und erinnert
daran, dass diese beim persönlichen Gebrauch von
Arbeitsmitteln die Sicherheit und Gesundheit der
Arbeitnehmer gefährden können, als würde der
Selbstständige an sich als Risikofaktor betrachtet, aber
nicht als schutzwürdig gegen diese Gefahren, als wäre er
nicht wirklich als Arbeiter anzusehen.
100
Eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten sieht keinen
Rechtsschutz für die Gesundheit und Sicherheit der
Selbstständigen vor und gibt so den Weg frei für eine
große Vielfalt und Heterogenität des Schutzniveaus.
Maßnahmen und Beschlüsse, die verhindern sollen, dass
die Gefahr zu einem Unfall wird, entstehen traditionell
in Verbindung mit dem Arbeitnehmerkonzept, vielleicht
weil der selbstständige Arbeiter für seine eigene
Sicherheit und Gesundheit Sorge tragen müsste, was ein
unzureichendes und ungerechtfertigtes Argument ist.
Daher scheint eine Aktion auf Gemeinschaftsebene
notwendig zu sein, um ein Minimum an Schutz für die
Selbstständigen gegen Berufsrisiken zu gewährleisten,
denn neben dem einzelnen Selbstständigen in der
Werkstatt mit einem oder mehreren Selbstständigen
führt die Entwicklung der Beschäftigungsstruktur, wo
die Unternehmen Aufträge an Kleinunternehmen oder
Selbstständige vergeben, zu neuen Sicherheitsproblemen
bei der Arbeit: der Sicherheit des Selbstständigen und
der Seite an Seite mit ihnen tätigen Arbeitnehmer oder
anderen
Selbstständigen.
Alle
Arbeiter
sind
schutzwürdig.
Die selbstständigen Arbeiter dürften den gleichen
Gefahren wie die abhängigen Arbeitnehmer ausgesetzt
sein, aber ihre unzulängliche Schulung und Information
können zudem Ursache von Unfällen oder Verletzungen
für sie und für andere angestellte Arbeitnehmer sein.
Meine Damen und Herren! Wir stehen hier vor einem
umfassenden
Problem,
dem
Problem
der
Arbeitsorganisation angesichts der Möglichkeit der
Verleihung von Arbeitnehmern durch Zeitarbeitsfirmen,
der Teilung des Produktionsprozesses und seiner
Vergabe an Auftragnehmer, Nachunternehmer und
Selbstständige und allgemein des Outsourcing und der
Dezentralisierung der Produktion.
Meiner Meinung nach, und ich glaube, dies ist die
Auffassung aller, darf der Schutz der Gesundheit der
Arbeiter am Arbeitsplatz nicht vom Rechtsstatus der
gefährdeten Person abhängen, sei sie selbstständig,
abhängig oder Lohnempfänger. Die Charta der
Grundrechte macht hier keinen Unterschied. Jede
Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht
auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen,
heißt es in der Charta. Wo das Gesetz nicht
unterscheidet, dürfen wir es auch nicht tun.
Das Verfahren für die Anwendung ist eine Empfehlung,
die den Prozess erleichtern soll, dessen Zielsetzung klar
ist, die Anwendung und damit die zwingende
Unterordnung des Selbstständigen oder Freiberuflers
unter die gleichen Vorschriften, die auch auf den
unselbstständigen Arbeitnehmer zutreffen.
Natürlich erlangt die Präventionskultur hier einen neuen
Sinn und eine neue Bedeutung. In vielen Fällen muss der
Selbstständige selbst als Hauptbegünstigter in
Schutzmaßnahmen investieren, in anderen muss er für
seine eigene Information und Schulung Sorge tragen.
22/10/2002
Ohne auf solche Fragen wie die Verantwortlichkeiten
bei bestimmten Arten von Unfällen einzugehen, glaube
ich, dass der ständige und hartnäckige Kampf gegen
Unfälle nun einen neuen Faktor in der kollektiven
Landschaft kennt: dieser ist durch eine Präventionskultur
gekennzeichnet, in der die Arbeitnehmer selbst und die
Behörden die Hauptrolle spielen.
2-282
Diamantopoulou, Kommission. – (EL) Herr Präsident!
Ich möchte dem Berichterstatter Herrn Pérez Álvarez
und den Abgeordneten für den Bericht und ihre
Unterstützung meinen Dank aussprechen.
Es handelt sich in der Tat um einen bedeutenden
Vorschlag, der darauf gerichtet ist, den Schutz der
Gesundheit aller Beschäftigten in ihrer Arbeitsumwelt zu
gewährleisten, denn es kann, wie Herr Álvarez dargelegt
hat und ich daher nicht wiederholen muss, nicht
angehen, dass Beschäftigte entsprechend ihrem
rechtlichen Status unterschiedlich behandelt werden. Das
Ziel der Initiative besteht darin, Selbständigen wie
Arbeitnehmern dasselbe Schutzniveau zu gewähren. Die
Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen, in dreierlei
Hinsicht tätig zu werden.
Erstens müssen die Selbständigen in die Gesetzgebung
über den Gesundheitsschutz und die Sicherheit in der
Arbeitsumwelt einbezogen werden, selbstverständlich
nur dort, wo das im Rahmen des nationalen
Rechtssystems möglich ist.
Zweitens sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, die
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang
der Selbständigen zu den Bereichen Information,
Schulung und technische Unterstützung bei der
Gefahrenvorsorge sicherzustellen. Drittens schließlich
werden sie aufgefordert, für den Zugang zu geeigneten
Systemen ärztlicher Überwachung zu sorgen.
Nach unserem Verständnis betreffen die meisten Ihrer
Änderungsanträge Beschäftigungsverhältnisse, in denen
Selbständige und Angestellte zusammenarbeiten, und in
der Tat müssen diese Fälle in der Empfehlung klarer
formuliert werden. Daher akzeptiert die Kommission die
Änderungsanträge 1, 3, 5, 6, 8, 10, 11 und wird sich
bemühen, den Rat zu ihrer Annahme zu bewegen. Die
Kommission
stimmt
jedoch
nicht
den
Änderungsanträgen 2, 4, 7, 9, 12, 13, 14 und 15 zu, da
sie entweder schon in anderen Änderungsanträgen
enthalten sind oder bestimmte verbindliche juristische
Mechanismen fordern, die aber die Effizienz der
Empfehlung zu Beginn ihrer vierjährigen Pilotphase
beeinträchtigen würden.
Nach Ansicht der Kommission ist der Vorschlag ein
bedeutender Schritt in Richtung auf eine Gesetzgebung,
die allen Europäern, unabhängig von ihren
Beschäftigungsverhältnissen, nutzt und damit dem
eigentlichen Ziel, der Verringerung der Arbeitsunfälle
und -krankheiten, dient.
2-283
22/10/2002
Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte Herrn
Pérez Álvarez für seinen scharfsinnigen und wohl
durchdachten Bericht danken.
Die Anwendung der Rechtsvorschriften über Sicherheit
und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf Selbständige
stellt ein wichtiges Thema dar, nicht zuletzt aufgrund der
wachsenden Zahl Selbständiger, Unterauftragnehmer
und Personen mit einem Unterstellungs- oder atypischen
Arbeitsverhältnis. Falsche Formen der Unabhängigkeit
und der Selbständigkeit können dazu führen, dass
eigentlich fest angestellte Arbeitskräfte nicht den
üblichen Schutz genießen. Damit müssen wir uns
auseinandersetzen.
101
Klempner und Schreiner, die Reparaturarbeiten
ausführen. Sie sind ja in erster Linie selbständig.
Richtig ist auch, dass, selbst wenn wir die Zahl der
Inspektoren verzehnfachen würden, sie nicht in der Lage
wären, diese ganze Armee von Selbständigen bei der
Arbeit zu kontrollieren. Sie müssen in der Lage sein,
eigenverantwortlich zu handeln. Sie brauchen
entsprechende Informationen, Unterstützung und
Schulung, damit sie verstehen, welche Risiken sie
eingehen, wenn sie nicht die vorgeschriebenen
Verfahren einhalten. Die Empfehlung stellt in dieser
Hinsicht einen sehr nützlichen Beitrag dar.
2-284
Das hat die Kommission erkannt, und wie Herr Pérez
Álvarez sagte, versuchen wir seit Jahren gemeinsam,
eine Lösung für dieses Problem zu finden. Die
Ausdehnung
des
aus
der
Arbeitszeitregelung
resultierenden Schutzes auf Berufskraftfahrer im
Rahmen der Ende des letzten Jahres vereinbarten
Richtlinie erstreckt sich auch auf selbständige
Kraftfahrer, allerdings nur deshalb, weil neben der
Rechtsgrundlage zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
auch die Rechtsgrundlage zur Betriebssicherheit zur
Anwendung kommt.
Wie Herr Pérez Álvarez heute Abend feststellte, wurde
dieses Thema auch im Rahmen der Richtlinie über
zeitlich begrenzte und ortsveränderliche Baustellen
angesprochen, allerdings in recht begrenzter Form. Wir
brauchen also einen umfassenderen Ansatz, und dazu
leistet diese Empfehlung möglicherweise einen
nützlichen Beitrag.
Doch es gibt andere Möglichkeiten, wie die von Herrn
Pérez Álvarez in Änderungsantrag 4 vorgeschlagene
Ausweitung der Mindestvorschriften für Sicherheit und
Gesundheitsschutz auf Selbständige. Ich weiß, dass sich
die Kommission damit schwer tut. Die Kommissarin
wird sagen, dass dies die Rechtsgrundlage in Artikel 137
nicht zulässt. Doch wenn die Empfehlung keine positive
Auswirkung hat, dann müssen wir alle gemeinsam die
uns zur Verfügung stehenden Rechtsgrundlagen prüfen
und gegebenenfalls den von Herrn Pérez Álvarez in den
Änderungsanträgen 7 und 22 vorgeschlagenen Weg
einschlagen.
Stellen Sie sich andernfalls die Probleme vor, die
beispielsweise
im
Zusammenhang
mit
der
vorgeschlagenen und von uns derzeit geprüften
Richtlinie über den Schutz der Arbeitskräfte vor den
Gefahren der Asbestexposition am Arbeitsplatz auf uns
zukommen werden. Unsere Arbeitsplätze, Wohnungen,
Schulen und Krankenhäuser sind mit riesigen Mengen
von Asbest verseucht. An ihrer Sanierung werden
zahlreiche Arbeitskräfte mit einem Arbeitsvertrag
beteiligt sein, die, sofern sie für eine Abriss- oder
Transportfirma arbeiten, den entsprechenden Schutz
genießen.
Bouwman (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, verehrter Herr Pérez Álvarez! Vielen
Dank für diesen ausgewogenen Bericht. In erster Linie
möchte ich auf ein Element in diesem Bericht eingehen,
in dem auf das bislang doch wieder relativ bedächtige
Vorgehen der Kommission hingewiesen wird. Es geht
um die Arbeitsverhältnisse. Bekanntlich ändern sie sich
blitzschnell, und wenn ich blitzschnell sage, dann meine
ich auch blitzschnell. Wie von verschiedenen Rednern
bereits ausgeführt, umfassen sie atypische Arbeitsmuster
unterschiedlicher Art: Leiharbeiter, Selbständige,
Selbständige ohne Personal, Scheinselbständige usw.
Das heißt, ein Großteil davon arbeitet auch an diesem
Arbeitsplatz. Das ist nicht nur für die Sicherheit, die
Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeiter, sondern
auch für die mittelbar Beteiligten von Bedeutung. Mit
anderen Worten, es sind Veränderungen erforderlich,
insbesondere dann, wenn man das derzeitige Recht in
den einzelnen Ländern betrachtet und dann feststellt,
dass einige Länder die Selbständigen in gewissem Maße
in ihre Rechtsvorschriften über Sicherheit und
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz einbeziehen und
andere Länder überhaupt nicht.
Die Kommission hat sich für eine Empfehlung
entschieden. Ich hätte ein stärkeres Instrument mit
sofortiger Wirkung bevorzugt. Der Grund dafür ist
einfach: Wir können durchaus damit leben, dass nach
vier Jahren eine Art Bewertung stattfindet und dann
eventuell bessere Maßnahmen getroffen werden, aber –
und darauf werde ich in Verbindung mit dem vorigen
Thema noch zurückkommen – wo wird die
Durchsetzung dieser Rechtsvorschrift kontrolliert? Am
Arbeitsplatz und, wenn man Glück hat, von den
Arbeitsaufsichtsbehörden. Diese Kontrolle ist allerdings
oft unzulänglich. Den stärksten Einfluss üben
Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften am Arbeitsplatz,
Betriebsräte oder andere Beratungsorganisationen aus.
Sie leisten diese Arbeit und haben ohne
Rechtsvorschriften nichts in der Hand. Über die
Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
wird hier völlig hinweggesehen. Das ist von
entscheidender Bedeutung, und deshalb ist zu gegebener
Zeit auch in diesem Bereich eine stärkere
Rechtsvorschrift vonnöten.
2-285
Aber auch ein ganzes Heer von Selbständigen sind dem
Asbest ausgesetzt, und zwar vor allem Elektriker,
Skinner (PSE). – (EN) Herr Präsident, am
überraschendsten war wohl, dass das Dokument im
102
22/10/2002
Ausschuss nur mit 36 zu einer Stimme beschlossen
wurde. Bei einem Vorschlag wie diesem hätte ich im
Ausschuss automatisch Einstimmigkeit erwartet.
Aufschlussreich ist auch, dass es sich nur um eine
Empfehlung handelt. Wie die Kommissarin von der
Richtlinie über Stürze aus großer Höhe weiß, war ganz
klar, dass wir schlagkräftige politische Argumente
brauchten, um die Absicherung auf die Selbständigen
auszudehnen. Nicht nur im Baugewerbe kommt es
täglich zu Unfällen. Auch die Dolmetscher in den
Kabinen um uns herum, die vielfach selbständig sind
und unter sehr angespannten Bedingungen arbeiten,
zählen zu eben den Personen, auf die wir den Schutz der
Gemeinschaft ausdehnen wollen. Sie wissen sehr gut,
dass sich die europäischen Institutionen hüten werden,
derartige Gesetze, die sich auf viele ihrer Mitarbeiter
erstrecken würden, einzuführen. Das heißt, dass wir
diesen Weg also nicht einschlagen werden.
dass sich die Kommission näher mit einigen
Änderungsanträgen befasst, mit denen versucht wird, die
Empfehlungen verbindlicher zu gestalten. Ich weiß, dass
wir uns in diesem Punkt nicht auf den Vertrag stützen
können. Wenn wir uns alle einig darüber sind, dass es
problematisch ist, wenn die Selbstständigen nicht in die
Rechtsvorschriften zur Arbeitsumwelt einbezogen
werden können, wäre es dann nicht an der Zeit zu
versuchen, die Verträge zu ändern? Vielleicht sollte man
die Kommission auffordern, dem gegenwärtig tagenden
Konvent einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen.
Es besteht kein Zweifel, dass wir mit der Empfehlung
für eine gemeinschaftsweite Regelung über die
Sicherheit und den Gesundheitsschutz für Selbständige
einen gewaltigen Schritt nach vorn getan haben. Wir
sollten aufhören, uns auf nationale Statistiken zu stützen,
denen zufolge nur Vollzeitbeschäftigte Unfälle erleiden.
Das ist einfach lächerlich. Als Christ könnte man die
Tatsache, dass so viele Arbeitskräfte nicht den Schutz
genießen, den sie verdienen, nur weil sie selbständig
sind, als Sünde bezeichnen. Herr Pérez Álvarez setzt
sich seit langem hier in diesem Parlament für die
Sicherheit und den Gesundheitsschutz ein. Deshalb freue
ich mich sehr, dass er diesen Bericht übernommen hat,
weil wir auf die Unterstützung von allen Seiten des
Hauses angewiesen sind.
2-289
Jede von der Kommission und diesem Haus
beschlossene
Regelung
über
Sicherheit
und
Gesundheitsschutz sowie zur Beschäftigungspolitik
muss sich stets auch auf die Selbständigen erstrecken.
Jeder Bürger Europas muss denselben Anspruch auf
Schutz haben.
2-286
Thorning-Schmidt (PSE). – (DA) Herr Präsident, eine
vom Institut in Bilbao durchgeführte Untersuchung weist
nach,
dass
Selbstständige
öfter
Opfer
von
Arbeitsunfällen werden als Arbeitnehmer, und das gilt
auch für Unfälle mit tödlichem Ausgang. Wir wissen
auch, dass sehr viele Unfälle von Selbstständigen gar
nicht gemeldet werden. Eine in Großbritannien
durchgeführte Untersuchung zeigt z. B., dass nur 5 %
der Unfälle mit Selbstständigen gemeldet werden, im
Verhältnis zu 50 % bei Unfällen mit Arbeitnehmern.
Selbstständige sind auch deshalb stärker durch
Arbeitsunfälle gefährdet, weil sie weniger Ressourcen
haben
und
nicht
an
die
Arbeitsund
Gesundheitsschutzvorschriften gebunden sind.
Deshalb gebührt der Kommission Dank dafür, dass sie
dieses Problem aufgegriffen hat. Natürlich kann es so
nicht weitergehen. Die Selbstständigen dürfen nicht von
den EU-Vorschriften über die Arbeitsumwelt
ausgenommen bleiben. Wir hätten uns aber gewünscht,
2-287
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-288
Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0325/2002) von Herrn Michiel van Hulten
im Namen des Ausschusses für Haushaltskontrolle über
den Vorschlag für eine Verordnung der Kommission mit
Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG,
Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die
Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der
Europäischen Gemeinschaften (SEK(2002) 0835 – C50399/2002 – 2002/0901(CNS)).
2-290
Schreyer, Kommission. – Herr Präsident, sehr geehrter
Herr Berichterstatter, sehr geehrte Abgeordnete! Zuerst
möchte ich mich beim Parlament nochmals für die
intensive und effiziente Zusammenarbeit bei der
Neufassung der Haushaltsordnung für das europäische
Budget bedanken. Nur dadurch, dass alle Institutionen so
engagiert zusammengearbeitet hatten, war es möglich,
dass die neue Haushaltsordnung am 25. Juni 2002
einstimmig vom Rat angenommen werden konnte. Die
neue Haushaltsordnung ist ja ein fundamentaler
Bestandteil der Kommissionsreform, und ich bin stolz
darauf, dass wir diesen Kraftakt im Jahr 2002 geschafft
haben. Mein ganz besonderer Dank – und das möchte
ich hier noch einmal betonen – gilt den Herren van
Hulten und Dell'Alba. Letzterer ist jetzt nicht da, aber
ich möchte es an dieser Stelle noch einmal erwähnen.
Ein Grundanliegen bei der Neufassung der
Haushaltsordnung war, die Haushaltsordnung dadurch
zu vereinfachen, dass die sehr detaillierten Vorschriften
in die Durchführungsbestimmungen aufgenommen
werden. Diese Durchführungsbestimmungen sollen noch
vor Jahresablauf beschlossen werden, damit sie
gleichzeitig mit der neuen Haushaltsordnung zum
1.1.2003 in Kraft treten können. Herr van Hulten hat
zusammen mit dem Haushaltskontrollausschuss sehr
gründliche Arbeit geleistet, und ich danke Ihnen dafür
ganz herzlich.
Zu den einzelnen Änderungsanträgen möchte ich im
Namen der Kommission folgendes sagen: Erstens:
Mehrere Änderungsanträge in dem Bericht zielen darauf
22/10/2002
ab, die an die Haushaltsbehörde zu übermittelnden
Berichte und Informationen alle in einen Anhang zur
Zusammenfassung der jährlichen Tätigkeitsberichte der
mittelbewirtschaftenden Stellen, der authorising officers,
aufzunehmen. Die Kommission befürwortet eine solche
Straffung der Verfahren.
Bezüglich der Zusammenfassung der jährlichen
Tätigkeitsberichte der Anweisungsbefugten wird in dem
Bericht vorgeschlagen, dass die Verpflichtung, der
Entlastungsbehörde eine solche Zusammenfassung
vorzulegen, nicht nur für die Kommission, sondern auch
für die übrigen Organe gelten soll. Ich teile die dahinter
stehende Absicht. Der Wortlaut der Haushaltsordnung
gestattet es uns aber nicht, anderen Organen eine solche
Verpflichtung aufzuerlegen. Wir sind der Auffassung,
dass die anderen Organe einer solchen Verpflichtung
zustimmen müssten.
Zweitens: Zu den Finanzakteuren, die in der
Haushaltsordnung genannt werden, werden in dem
Bericht Änderungen mit zwei Zielen vorgeschlagen: a)
Die Haushaltsbehörde soll unterrichtet werden, wenn die
Anweisungsbevollmächtigten – auf A1-Ebene – und der
Rechnungsführer wechseln. b) Die Stellen des
Rechnungsführers und des internen Prüfers sollen extern
ausgeschrieben werden. Wir können dem folgen, dass
die Haushaltsbehörde über neue Ernennungen
unterrichtet wird. Allerdings können wir dem Vorschlag
des Berichts nicht folgen. Die direkte externe
Publikation würde zudem dem Statut widersprechen.
Das Statut sieht ja ausdrücklich vor, dass Stellen
zunächst innerhalb der Organe auszuschreiben sind,
bevor sie extern ausgeschrieben werden können. Das
heißt, die direkte externe Ausschreibung wäre nicht mit
dem Statut vereinbar.
Drittens: Zu den Änderungsanträgen, die das
Fachgremium für finanzielle Unregelmäßigkeiten
betreffen, können wir dem Vorschlag zustimmen, dass
dem Gremium ein unabhängiger Sachverständiger
angehören soll. Allerdings würde die obligatorische
Ermittlung
von
Unregelmäßigkeiten
auch
in
unbedeutenden Fällen unseres Erachtens zu weit gehen.
Viertens: Zu der Richtlinie über Zahlungsverzug nehme
ich den erneuten Hinweis des Parlaments zur Kenntnis,
dass die Frist für die Umsetzung abgelaufen ist und die
Organe nunmehr die Bestimmungen über Verzugszinsen
und Zahlungsfristen einhalten müssen oder zumindest
sollten.
Fünftens:
Ich
kann
außerdem
mehreren
Änderungsanträgen zum Rechnungswesen zustimmen.
Insbesondere stimmt die Kommission der Klarstellung
bezüglich
der
Einführung
eines
integrierten
Datenverarbeitungssystems zu. Dies steht ja voll und
ganz in Einklang mit den bisherigen Vorschlägen der
Kommission. Zu der Forderung, dass ein Verzeichnis
aller Personen mit Zugangsberechtigung zum
elektronischen Rechnungsführungssystem erstellt und
ein Prüfpfad eingerichtet werden soll, aus dem Art und
Urheber
aller
am
System
vorgenommenen
103
Veränderungen klar hervorgehen, kann ich Sie
unterrichten, dass es beides in der Kommission bereits
gibt. Die Aufnahme dieser Bestimmung in die
Durchführungsbestimmungen wird von unserer Seite
begrüßt, wobei ich im Moment keine Auskunft darüber
geben kann, ob diese Bedingungen auch schon von den
Rechnungsführungssystemen der anderen Institutionen
außer der Kommission erfüllt werden.
Sechstens: Im Änderungsantrag 17 fordern Sie, dass die
Haushaltsbehörde über alle Forderungsverzichte über
100 000 Euro unterrichtet wird. Auch dieses wird die
Kommission aufnehmen.
Lassen Sie mich abschließend noch eine Klarstellung in
Bezug auf den letzten Änderungsantrag in dem Bericht
machen. Hier heißt es: „Der Rechnungsabschluss des
Haushaltsjahrs 2002 wird gemäß der Haushaltsordnung
von 1977 aufgestellt und vorgelegt, mit Ausnahme der
Verpflichtung, diese dem Finanzkontrolleur zu
unterbreiten.“ Ich weise hier darauf hin, dass in der
neuen Haushaltsordnung klargestellt wurde, dass es für
den Rechnungsabschluss eine Übergangsfrist bis zum
Haushaltsjahr
2005
geben
wird,
dass
der
Rechnungsabschluss also bis 2005 nach dem Verfahren,
wie es in der gültigen Haushaltsordnung festgelegt ist,
erfolgt. Angesichts der Tatsache, dass der einzige
Mitgliedstaat, der bisher weitgehend auf das accrual
accounting – dieses stärker angloamerikanisch geprägte
Rechnungswesen – übergegangen ist, nämlich
Großbritannien, eine Einführungszeit von mehr als
sieben Jahren benötigt hat, ist der Zeitplan für die
Kommission weiterhin äußerst ehrgeizig.
Ich
wiederhole
mein
Angebot
an
den
Haushaltskontrollausschuss, Sie über die Vorschläge, die
die Kommission hier gemacht hat, so schnell wie
möglich zu unterrichten.
2-291
van Hulten (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr
Präsident, falls diese Aussprache für diesen Zeitpunkt
anberaumt wurde, weil die Konferenz der Präsidenten
möglicherweise an dieser Thematik interessiert ist, dann
war das wohl die richtige Entscheidung. Das ist kein
besonders aufregendes Diskussionsthema, aber es ist,
wie wir alle wissen, sehr wichtig, sonst wären wir nicht
hier. Ich muss sagen, ich finde es äußerst bedauerlich,
dass zwei von den drei Ausschussmitgliedern, die im
Ausschuss gegen den Bericht gestimmt und damit eine
Aussprache in der Plenarsitzung ausgelöst haben, heute
nicht anwesend sind, um ihre Einwände gegen den
Bericht zu erläutern.
Ich möchte den Ausschussmitgliedern danken, die mich
bei der Erarbeitung dieses Berichts unterstützt und für
die fast einstimmige Befürwortung im Ausschuss
gesorgt haben. Ich möchte mich auch bei der
Kommission für die ausgezeichnete Zusammenarbeit
bedanken, auf die wir auch bei diesem Bericht zählen
konnten. Viele der im Bericht des Ausschusses
enthaltenen Änderungsanträge sind technischer Natur.
Auf sie will ich nicht eingehen. Ich werde lediglich
104
einige inhaltliche Probleme ansprechen, auf die die
Kommissarin eingegangen ist.
Der Bericht erwähnt eine Reihe von Punkten, bei denen
unseres Erachtens die Durchführungsbestimmungen
verschärft werden könnten. Der erste Punkt betrifft
Schwachstellen hinsichtlich der Ernennung und der
Ausübung der Funktionen leitender Akteure des
Bereiches Finanzen. Mit diesem Punkt beschäftigen wir
uns schon seit einigen Monaten. Es gab mehrere Fälle, in
denen Generaldirektoren versetzt oder suspendiert
wurden, und es gab den Fall der Rechnungsführerin Frau
Andreasson. Der Ausschuss prüft den sachlichen Gehalt
der einzelnen Fälle. Es stellen sich jedoch auch
Formfragen in Bezug auf die Art und Weise, in der
Ernennungen, Versetzungen und Suspendierungen
innerhalb der Kommission gehandhabt werden. Wir
wünschen uns, dass gewisse Schutzklauseln in die
Haushaltsordnung eingebaut werden. Damit meinen wir
nicht Schutzklauseln, die sämtlichen potenziellen
Fehlern
und
Problemen
vorbeugen,
sondern
Schutzklauseln, die mehr Transparenz bewirken, die
dafür sorgen, dass ein Prozess sichtbar wird, und die uns
vor Überraschungen und vollendeten Tatsachen
bewahren.
Das betrifft die Ernennung leitender Mitarbeiter, auf die
Sie, Frau Schreyer, eingegangen sind. Ich werde darum
bitten, dass der Haushaltsbehörde ein Bericht vorgelegt
wird und dass die Ernennung des Rechnungsführers und
des internen Prüfers auf der Grundlage einer
Stellenanzeige im Amtsblatt erfolgt. Dabei sollte es sich
um externe Kandidaten handeln, mit denen
erforderlichenfalls ein befristeter
Arbeitsvertrag
abgeschlossen wird. Mir ist klar, dass wir die
Haushaltsordnung nicht ändern können, aber wir müssen
diese Sache im Beamtenstatut aufgreifen, denn sie ist
wichtig.
Zweitens betrifft dies die Frage des Fachgremiums für
finanzielle Unregelmäßigkeiten, das eine Lücke im
derzeitigen System schließen und neue Fachkompetenz
einbringen soll. Was wir vermeiden wollen ist ein
System, in dem die Kontrolle durch Mitarbeiter aus den
eigenen Reihen erfolgt. Es ist daher wichtig, dass ein
unabhängiges externes Element ins Spiel gebracht wird,
und ich freue mich, dass Sie diesen Vorschlag
akzeptieren.
Drittens geht es um die Verbesserung der Qualität und
Integrität
des
EDV-gestützten
Rechnungsführungssystems, also einen Punkt, den Sie
ebenfalls erwähnt haben. Wir wollen ein integriertes
Datenverarbeitungssystem, dessen Zugang Personen
vorbehalten ist, die in einem beim jeweiligen Organ
geführten Verzeichnis aufgeführt sind. Mir ist klar, dass
die Kommission bereits entsprechend verfährt. Wichtig
ist nun, dass die anderen Institutionen ihrem Beispiel
folgen.
Schließlich streben wir die Einrichtung eines leicht
verständlichen Prüfpfads an, um eine angemessene
Kontrolle der Ausgaben zu gewährleisten.
22/10/2002
Ich möchte abschließend den Punkt Zahlungsverzug
erwähnen sowie die Notwendigkeit, Zahlungen im
Geschäftsverkehr in Einklang mit der entsprechenden
Richtlinie zu bringen. Ich bin sicher, dass Herr Casaca,
der sich damit intensiv auseinander gesetzt hat, uns dazu
weitere Erläuterungen geben kann. In der Plenarsitzung
wurden zusätzlich zu den vom Ausschuss vorgelegten
Änderungsanträgen drei weitere Änderungsanträge
eingebracht. Einer von der Fraktion der Europäischen
Volkspartei (Christdemokraten) und europäischen
Demokraten und zwei von der Konföderalen Fraktion
der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne
Linke, von denen ich keinen unterstütze. Die PPE-DEFraktion legt erneut den im Ausschuss bereits
abgelehnten Änderungsantrag vor, mit dem sie die
Schaffung der Funktion eines völlig unabhängigen
Rechnungsführers vorschlägt, der der Kommission in
keiner Weise rechenschaftspflichtig ist. Diesen
Änderungsantrag kann ich nicht befürworten, da er der
Haushaltsordnung selbst widerspricht, auf die sich diese
Durchführungsbestimmungen beziehen. Ich halte es
zudem für wenig sinnvoll, innerhalb der Institution eine
isolierte Insel zu schaffen. Dies widerspricht dem
Grundsatz der Rechenschaftspflicht und Kontrolle. Wie
wir alle wissen, ist die Ausstattung mit großartigen
Entscheidungsbefugnissen nicht notwendigerweise mit
einer besseren Entscheidungsfindung verbunden.
Was die Änderungsanträge der Fraktion der Vereinigten
Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke betrifft, so
kann ich dem Geiste nach Änderungsantrag 34
zustimmen, in dem für den Rechnungsführer Zugang zu
sämtlichen Informationen gefordert wird. In der Praxis
hätte dies jedoch, angesichts der Tatsache, dass 600 000
Zahlungen über eine einzige Person laufen würden,
einen riesigen Verwaltungsaufwand zur Folge. Auch
wenn dies nicht Ziel des Änderungsantrags wäre, würde
er jedoch unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen.
Der zweite Änderungsantrag betrifft den Vorschlag zu
den Kriterien, die im Falle eines Verzichts auf
festgestellte Forderungen zu berücksichtigen wären. Es
gibt zwei Kriterien: Das eine Kriterium betrifft den
Wettbewerb und das andere den wirtschaftlichen und
sozialen Schaden im Falle der Einforderung
festgestellter Forderungen. Die GUE/NGL-Fraktion will
den Anweisungsbefugten diese Möglichkeit nehmen.
Der von uns vorgelegte und von Ihnen eben akzeptierte
Änderungsantrag sieht die Meldepflicht an das
Parlament vor und sichert uns damit ausreichend ab.
Abschließend möchte ich feststellen, dass die
Änderungsanträge den Vorschlag meines Erachtens
verbessern, und ich fordere die Kommission auf, sie
ausnahmslos in den endgültigen Text zu übernehmen.
2-292
Stauner (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Was wäre eine Verordnung wie die
Haushaltsordnung
der
EU
ohne
Durchführungsbestimmungen? Offenbar nichts wert
oder nicht durchführbar, nicht praktikabel, denn
22/10/2002
nachdem wir uns hinhaltend mit einer Neufassung der
Haushaltsordnung im Ausschuss und im Plenum befasst
haben, folgt nun die Verordnung über die
Durchführungsbestimmungen auf dem Fuße. Warum
betone ich das so? Weil ich denke, wir liefern hier
wieder ein Beispiel, dass eine Rechtsvorschrift offenbar
nicht genügt, sondern diese wiederum der Präzisierung
bedarf. Das trägt weder zur Rechtsklarheit noch zur
Vereinfachung oder zur Überschaubarkeit des
europäischen Rechts bei.
Aber
vielleicht
trägt
diese
umfangreiche
rechtschöpferische Tätigkeit ja zur Rechtswahrheit bei.
Damit meine ich, dass geltende Vorschriften auch
angewendet werden. In diesem Zusammenhang bitte ich
die zuständige Kommissarin, sich rechtstreu zu verhalten
und sich nicht den Präsidenten dieser Kommission zum
Vorbild zu nehmen, der geltendes Recht wie den
Stabilitätspakt einfach mal eben als dumm bezeichnet
und dann nicht anwendet.
Die
Haushaltsordnung
und
ihre
Durchführungsbestimmungen eignen sich für solche
Spielchen überhaupt nicht, denn von ihr hängt in
erheblichem Maße der Grad des Vertrauens ab, den die
Bürgerinnen und Bürger draußen diesem Europa
entgegen bringen. Dieses Vertrauen ist beschädigt durch
leichtfertiges und überhebliches Handeln bzw.
Unterlassen der Kommission, die es offenbar u. a. auch
versäumt
hat, dafür zu sorgen, dass
ihr
Buchführungssystem
verlässlich
und
manipulationssicher ist - dieses Unterlassen muss sie
sich seit ihrem Amtsantritt zurechnen lassen, trotz
mehrfacher Ermahnungen auch des Europäischen
Rechnungshofs.
Auch und gerade deshalb ist eine klare und unabhängige
Stellung des so genannten Rechnungsführers so wichtig.
Denn nachdem die Kommission leider den
unabhängigen Finanzkontrolleur in rücksichtsloser
Weise abgeschafft hat, wird dem Rechnungsführer noch
größere Bedeutung zuwachsen. Er muss die Möglichkeit
haben, weisungsungebunden zusätzliche Informationen
zu erlangen, Zahlungen auszusetzen und seine Kritik an
maßgeblicher Stelle anzubringen, ohne dass er bzw. sie
des Amtes enthoben und mit einem Disziplinarverfahren
oder ähnlichem überzogen wird.
Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Änderungsantrag
Nr. 33 meiner Fraktion, aber auch zu den weiteren zwei
Änderungsanträgen von Freddy Blak, die ebenfalls der
Rechtsklarheit und Transparenz dienen. Gerade das
Haushaltsrecht darf keine großen Ermessensspielräume
eröffnen. Dass Sie, sehr geehrter Herr Berichterstatter,
den Änderungsantrag 33 nicht unterstützen, wundert
mich nicht. Die Argumente, die Sie hier vortragen, sind
die gleichen wie im Ausschuss, aber durch ständige
Wiederholung werden sie auch nicht wirksamer.
Jeder Verdacht von Willkür und parteiischen
Entscheidungen muss hier vermieden werden. Nur so
kann die Kommission den Eindruck entkräften, dass
beim Umgang mit europäischen Geldern ein weniger
105
strenger Maßstab angelegt wird als beim Umgang mit
nationalen Geldern. Im übrigen bedauere ich sehr, dass
sich das Parlament für diese Regelung ohne Not in
Zeitdruck hat bringen lassen. Ich weiß nicht, warum wir
nicht einmal die Stellungnahme des Europäischen
Rechnungshofs hierzu abgewartet haben. Aber vielleicht
kann der Berichterstatter in seiner Weisheit mir dazu
eine Antwort geben.
2-293
Santos (PSE). – (PT) Herr Präsident! Gestatten Sie mir,
dass ich eine politische Einordnung dieser Debatte
vornehme: Letztendlich befinden wir uns ja im
Europäischen Parlament, das das Organ der höchsten
politischen Vertretung sein und im engsten Kontakt mit
den Bürgern stehen soll.
Die Verwendung der Finanzmittel, die der Europäischen
Union zur Verfügung stehen, ist wahrscheinlich die
komplizierteste, zugleich aber auch die attraktivste
Aufgabe, die den Gemeinschaftsorganen obliegt. Die
Struktur der Haushaltsbehörde, wie sie in den Verträgen
definiert ist, und die noch immer unzureichende Rolle
auf der Ebene der Haushaltspolitik, die dem Parlament
zugewiesen wurde, verlangen und rechtfertigen eine
besondere Umsicht bei der Kontrolle und Überwachung
der Haushaltsausführung. Die Wahrheit ist, dass die
Kontrolle der Haushaltsausführung nur effektiv und
nutzbringend ist, wenn sie auf Grundsätzen der
Transparenz und Klarheit basiert und von sowohl
anspruchsvollen als auch einfachen Vorschriften gestützt
wird. Das ist eindeutig das Ziel der neuen
Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der
Europäischen Gemeinschaften, der am 1. Januar 2003 in
Kraft treten wird, und insbesondere der von der
Kommission
vorgeschlagenen
neuen
Durchführungsbestimmungen.
Die Formulierung, die Herr van Hulten für diese
Bestimmungen gefunden hat, ohne das Wesentliche des
Kommissionsvorschlags in Frage zu stellen, bereichert
den Prozess der Kontrolle und Überwachung in
außerordentlichem Maße, indem er ihn verständlicher
und einfacher macht, d. h. die Möglichkeiten zur
Feststellung der Ausgabeneffizienz der Gemeinschaft
beträchtlich erhöht. Der gegenwärtige Haushaltsrahmen
ist anerkanntermaßen unzureichend und keine
erschöpfende Antwort auf die politischen Prioritäten der
Union. Aus diesem Grund und weil eine Revision der
Finanziellen Vorausschau fehlt, die den Umfang der der
Europäischen Union zur Verfügung stehenden Mittel
erhöhen könnte, ist es nun zwingend erforderlich, dass
das
Europäische
Parlament
von all
seinen
Zuständigkeiten und Vorrechten umfassend Gebrauch
macht. Das Europäische Parlament wird jedoch diese
Vorrechte und Zuständigkeiten nur dann in vollem
Umfang nutzen, wenn es politisch in einen
administrativen Rahmen eingreifen kann, der hinlänglich
dynamisch und stabilisierend, vor allem aber
verständlich und wirksam ist. Die Grundsätze von
Einheit und Universalität, die in den Bestimmungen der
neuen Verordnung – wenn auch embryonenhaft –
verankert sind und vom Berichterstatter unterstützt
106
werden, sowie der Status, der den internen Prüfern auf
Initiative des Berichterstatters jeder Institution zuerkannt
wird, sind meines Erachtens überaus wichtige und
bedeutsame Fortschritte.
Deshalb verdient der Bericht von Herrn van Hulten, den
ich persönlich begrüße und beglückwünsche, die
Unterstützung des Europäischen Parlaments.
2-294
Virrankoski (ELDR). – (FI) Herr Präsident, Herr van
Hulten hat bei der Reform der Haushaltsordnung eine
ausgezeichnete Arbeit geleistet und der hier vorliegende
Bericht ist ebenfalls ein hervorragender Beleg dafür.
Dafür möchte ich ihm meinen herzlichen Dank
aussprechen. Die Reform der Haushaltsordnung wurde
durch den Bericht der externen Expertengruppe, der so
genannten Fünf Weisen, im Jahre 1999 eingeleitet. In
dem Bericht wurde die Notwendigkeit herausgestellt,
sowohl die Haushaltsführung zu vereinfachen als auch
die persönliche Verantwortung zu stärken. Parlament
und Rat haben die neue Haushaltsordnung im Frühjahr
dieses Jahres verabschiedet, so dass sie mit Beginn des
neuen Jahres in Kraft treten kann. Die Reform steht
teilweise im Zusammenhang mit der Reform der
Verwaltung der Kommission.
Die
jetzt
zur
Erörterung
vorliegenden
Durchführungsbestimmungen nehmen Bezug auf diese
neue Haushaltsordnung. Mit der Reform wird das alte
System der Ex-ante-Kontrollen abgeschafft und die
Verantwortung für die Haushaltsführung vollständig auf
die Anweisungsbefugten übertragen. Mit dieser Reform
wird sowohl deren Macht als auch deren Verantwortung
gestärkt. Da die Anweisungsbefugten die wichtigsten
Exekutivbeamten sind, müssen sie die vollständige
Verantwortung für ihre Tätigkeit übertragen bekommen,
um sich nicht hinter dem Rücken irgendeines Anderen
verstecken zu können. In dem Maße, wie hoffentlich die
Verantwortung konkretisiert wird, wird es uns auch
gelingen, die Effizienz zu steigern. Beispielsweise sind
die Zahlungsverzögerungen im Bereich der Kommission
zurzeit viel zu groß und in keinesfalls mit der Effizienz
in der freien Wirtschaft vergleichbar.
Das System, über das wir hier zu beschließen haben,
darf nicht durch neue Änderungsanträge verwässert
werden. Aus diesem Grunde dürfen beispielsweise die
Änderungsanträge 33 und 34 nicht angenommen
werden, da durch sie die Exekutivgewalt erneut auf zwei
Personen
verteilt
werden
würde,
den
Anweisungsbefugten und den Rechnungsführer. Das
System muss eindeutig und transparent sein.
2-295
Sjöstedt (GUE/NGL).  (SV) Herr Präsident! Liebe
Kollegen! Die von uns hier diskutierte Haushaltsordnung
wird aller Wahrscheinlichkeit nach viele Jahre lang
gültig bleiben. Entscheidend ist nun, dass die
Durchführungsbestimmungen so eindeutig wie möglich
formuliert werden, damit die neue Haushaltsordnung
nicht nur eine effiziente Handhabung, sondern auch eine
im Vergleich zu früher bessere Kontrolle ermöglicht.
22/10/2002
Wenn Kontrolle und Durchführung an die einzelnen
Generaldirektionen übergehen, bedarf es einer
effizienten
Überwachung.
Darum
muss
der
Rechnungsführer eine starke und unabhängige Stellung
erhalten. Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht,
der in diese Richtung zielt. Der Rechnungsführer muss
mit ausreichenden Möglichkeiten ausgestattet sein,
zusätzliche Informationen anzufordern und zu erhalten,
in Zweifelsfällen Auszahlungen zu stoppen und direkt an
höchster Stelle Bericht zu erstatten.
Vor diesem Hintergrund wollen wir auch unser
Bedauern darüber ausdrücken, dass das Europäische
Parlament nicht die Möglichkeit genutzt oder die Chance
ergriffen hat, in diesem Jahr eventuelle Unklarheiten auf
diesem Gebiet auszuräumen. Das hätte geschehen
können, wenn Frau Andreasen vor den Ausschuss für
Haushaltskontrolle geladen worden wäre. Tatsache ist,
dass wir noch immer keine eindeutigen Antworten
bezüglich der Bewilligung der Rechnungsführung der
Kommission für 2001 erhalten haben.
Meine Fraktion hat auch einen Änderungsantrag
eingebracht, der die Möglichkeiten der Kommission zur
Abschreibung
und
Wertberichtigung
von
Verbindlichkeiten begrenzt. Es muss eindeutige
Voraussetzungen
für
das
Abschreiben
von
Verbindlichkeiten geben, damit es nicht noch zu
weiteren Fällen wie dem Fall Flechard kommt, bei denen
derjenige, der einen ernsthaften Fehler begangen hat,
nicht gezwungen ist, voll und ganz dafür einzustehen.
Das ist die Erklärung für unseren zweiten
Änderungsantrag.
Abschließend möchte ich dem Berichterstatter für die
ausgezeichnete Arbeit danken.
2-296
Theato (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen, sehr verehrte Frau Schreyer! Nimmt man
die Kommission in ihren Erklärungen beim Wort, dann
treten wir mit der neuen Haushaltsordnung in eine neue
Zeit des Finanzmanagements ein, in der wir die
Probleme der Vergangenheit lösen können. Aber das
wird sich erst noch zeigen müssen.
Feststellen können wir zur Zeit leider, dass die neue Zeit
mit einer Schwächung der Rechte des Europäischen
Parlaments beginnt. Die Durchführungsbestimmungen
zur neuen Haushaltsordnung wären nach den bisherigen
Regeln im Einvernehmen mit dem Parlament zu
beschließen gewesen. Jetzt ist die Kommission rechtlich
nicht mehr verpflichtet, das Parlament auch nur
anzuhören. Natürlich begrüßen wir, Frau Schreyer, dass
Sie
das
trotzdem
tut,
zumal
diese
Durchführungsbestimmungen nicht nur für die
Kommission gelten, sondern künftig in allen
Institutionen der Union anwendbar sein sollen.
Lassen Sie mich einige Punkte aufgreifen, bei denen wir
noch einmal ein Nachdenken, wenn nicht sogar
Nachbessern der Kommission erbitten sollten. Stichwort
Rechnungsführer: Entsprechend dem jetzigen Vorschlag
22/10/2002
müssen die Institutionen ihre Rechnungsführer aus der
Beamtenschaft auswählen. Kandidaturen von außerhalb
werden nicht möglich sein. Deshalb verbauen wir uns
eigentlich die Möglichkeit, auswärtige Kandidaten auch
nur in Betracht zu ziehen. Frau Schreyer, Sie haben
gesagt, das Statut steht dagegen.
Zur funktionellen Unabhängigkeit der Rechnungsführer.
Sie ist die Grundvoraussetzung für die Zuverlässigkeit
und Glaubwürdigkeit der Zahlen, die wir den Bürgern
als den Beitragzahlern der Europäischen Union
vorzulegen haben. Hierzu schweigt der Text. Warum
geben Sie dem Rechnungsführer kein Klagerecht gegen
Einmischungsversuche, wie sie es beim internen Prüfer
vorgesehen haben?
Weitere Punkte machen mir Sorgen, zum Beispiel das so
genannte
Fachgremium
für
finanzielle
Unregelmäßigkeiten. Das soll hoffentlich keine
Konkurrenz zu OLAF oder gar dessen Verhinderung
werden?
Zu den Interessenkonflikten. Die Definition in der
Haushaltsordnung ist umfassend und angemessen. Bei
den Durchführungsbestimmungen scheint es, dass dies
schlicht unterlaufen werden kann.
Schließlich die Vorschriften zum Forderungsverzicht in
Artikel 84. Hier werden Türen zum Verzicht auf die
Einziehung von Forderungen geöffnet. Für diese
Entscheidungen wird dann der europäische Steuerzahler
mit zusätzlichen Beiträgen gerade stehen müssen.
Dem Berichterstatter, Herrn van Hulten, sei Dank dafür,
wie zügig er unter diesem enormen Zeitdruck gearbeitet
hat.
2-297
Bösch (PSE). – Herr Präsident! Wir haben hier viele
gute Vorschläge, die uns der Berichterstatter zu den
Ausführungsbestimmungen
der
Haushaltsordnung
vorlegt. Ich möchte aber vorausschicken, dass man den
Eindruck vermeiden sollte, dass die letzte Kommission
an einer schlechten Haushaltsordnung und deren
Durchführungsbestimmungen gescheitert wäre.
Ich glaube, Frau Kommissarin, das wäre eine falsche
Einschätzung und würde wieder ins Desaster führen. Es
ging vielmehr um eine Frage der Kultur. Wenn Sie auf
der einen Seite sagen, dass die Änderung der
Haushaltsordnung und der entsprechenden Vorschriften
eine der ambitioniertesten Aufgaben im Zusammenhang
mit der Reform der Kommission sei, dann muss ich
sagen, hängen Sie die Dinge schon sehr tief! Sie sagen,
dass wir externe Kandidaten für den Rechnungsführer
deshalb nicht haben können, weil es da ein Statut gäbe.
Ich bitte Sie! Wenn die Kommission nicht einmal in der
Lage ist, ein Statut zu ändern, wie will Sie dann
überhaupt diese Union verwalten? Das ist ja wohl das
Erste, dass man als Exekutive mal die Vorschriften für
den eigenen Beamtenstab ändern kann! Das ist so nicht
akzeptabel, Frau Kommissarin! Dann haben Sie
107
vielleicht das Pferd von der falschen Seite her
aufgezäumt.
Es geht meines Erachtens um eine Änderung der Kultur.
Das war möglich innerhalb der alten Vorschriften. Das
wird auch innerhalb der neuen Vorschriften möglich
sein. Wenn ich z. B. Dossiers studiere, wie im
Zusammenhang mit dem ganzen Eurostat-Fall, wo Sie
zuschauen, wo Sie Firmen, die Sie aufgrund Ihrer
eigenen Erkenntnisse nachweislich getäuscht und
betrogen haben, weiterhin auf Kosten der europäischen
Steuerzahler beschäftigen, dann weiß ich nicht, Frau
Kommissarin, ob diese erneuerte Kultur mit der großen
Überschrift zero tolerance, von der wir 1999
ausgegangen sind, tatsächlich schon Eingang gefunden
hat!
2-298
Casaca (PSE). – (PT) Herr Präsident, ich möchte diesen
Moment nutzen, um den Berichterstatter zu seiner bisher
geleisteten ausgezeichneten Arbeit zu beglückwünschen,
die uns ein äußerst positives Erbe hinterlässt, die ihn
jedoch auch für die Zukunft verpflichtet und von ihm
verlangt, bei der Umsetzung dieser Verordnung und
insbesondere
bei
allem,
was
das
Rechnungsführungssystem betrifft, das zur Anwendung
kommen wird, so effektiv zu sein, wie er es bei der
Haushaltsordnung gewesen ist.
Frau Kommissarin Schreyer möchte ich sagen, dass ich
all ihre Ausführungen aufmerksam verfolgt habe,
insbesondere ihre Darlegungen zu einem der Punkte, die
ich für wesentlich halte, und zwar dem Problem der
Zahlungsrichtlinie,
das
ja
in
diese
Durchführungsverordnung aufgenommen wurde. Ich
halte diesen Punkt für äußerst positiv und möchte daher
der Kommission gratulieren, doch ganz ohne Zweifel
liegt die große Herausforderung darin, wie diese
Verordnung sowohl im Rechnungsführungssystem als
auch beim Kassenmittelsystem dann umgesetzt wird.
Wir werden hier sein, um das Vorgehen der Kommission
bei dieser Herausforderung zu beurteilen.
2-299
Schreyer, Kommission. - Herr Präsident! Ich möchte auf
einige der angeführten Punkte noch einmal eingehen. Ich
darf zunächst einmal richtig stellen: Der Rechnungshof
hat
vielfach
Kritik
an
verschiedenen
Buchführungsregeln und am System geäußert, aber er
hat in der Vergangenheit immer bestätigt, dass der
Rechnungsabschluss die Einnahmen und Ausgaben
wahrheitsgetreu wiedergibt.
Zweitens, zu der Frage der Rolle des Rechnungsführers:
Ich danke auch für die Klarstellungen, die hier erfolgt
sind. Der Rechnungsführer führt die Order der
Anweisungsberechtigten durch, und er hat die
Verantwortung, dass das Buchführungssystem richtig ist.
Er ist aber nicht der Finanzkontrolleur! Es ist im
Gegenteil
wichtig,
dass
die
Aufgaben
der
Mittelbewirtschaftung und der Buchführung getrennt
sind, dass der Buchführer nicht im Management der
Mittel der Fonds engagiert ist. Das ist nicht seine
Aufgabe und sollte es auch nicht sein, sondern er hat die
108
Buchführung korrekt zu machen. Gerade diese Trennung
der Aufgaben ist wichtig.
22/10/2002
(Die Sitzung wird um 23.45 Uhr geschlossen.)4
2-223
Was die Frage der externen Ausschreibung angeht,
regelt das Statut – und das wird, wie sie wissen, vom Rat
festgesetzt –, wie die Ausschreibungsfolgen sind. Das
verhindert nicht, dass eine externe Ausschreibung
stattfindet. Es geht hier um die Schritte. Aber ich muss
hier noch einmal darauf hinweisen, dass die
Haushaltsordnung
vorschreibt,
dass
der
Rechnungsführer ein Beamter oder eine Beamtin der
Kommission ist. Warum ist das so? Weil natürlich diese
Person Konten für die europäischen Organe eröffnet.
Das heißt, es ist eine Vertrauensstellung. Insofern muss
man sich natürlich auch fragen, ob die Verschweigung
von wichtigen Tatsachen bei einer Bewerbung diese
Vertrauensstellung begründen könnte.
Zu den Fragen der Regelung über die Buchführung: Es
war dafür plädiert worden, klare Regelungen zu haben.
Wir hatten in der Vergangenheit natürlich sehr klare und
sehr einfache Regelungen, so wie das ganze öffentliche
Buchführungssystem in der Vergangenheit auf einer - so
nennen wir das in Deutschland - kameralistischen
Buchführung beruhte, wo klar die Cash-Ausgaben und
die Kassenbuchführung - die tatsächlichen Ausgaben,
die tatsächlichen Einnahmen - verglichen werden mit
dem, was im Haushaltsplan steht. Das ist natürlich auch
die Weise, wie die Kommission und wie andere
öffentliche
Ausgaben
bewirtschaftende
Stellen
gegenüber
dem
Haushaltsgesetzgeber
rechenschaftspflichtig sind. Sie wollen von uns wissen,
wie viel von einer Haushaltszeile, die sie beschlossen
haben, dafür ausgegeben worden ist. Dieses
Rechnungslegungssystem wird natürlich auch in Zukunft
eine Rolle spielen. Aber für die Managementaufgaben
reichen diese Informationen heute nicht mehr aus. Da
brauchen wir mehr Informationen in dem AccountingSystem.
Deshalb hat die Kommission vorgeschlagen - und es ist
vom Gesetzgeber so beschlossen worden -, dass wir
mehr diesen angloamerikanischen Weg gehen zu einem
periodengerechten Buchführungssystem, worin gerade
für die Managementaufgaben mehr Regeln und
Informationen enthalten sind. Wir werden aber über
diese Fragen noch bei anderer Gelegenheit sprechen
können. Ich darf noch einmal wiederholen, dass ich sehr
gerne im Haushaltskontrollausschuss über diese Fragen
sprechen würde, darf mich aber jetzt zu später Stunde
erst noch einmal bei Herrn van Hulten für den Bericht
bedanken und darf ihn dazu beglückwünschen.
2-300
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Anlage - Standpunkt der Kommission
2-224
Bericht Rosemarie Müller (A5-0330/2002) über den
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Festlegung von
Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung,
Überwachung und Pharmakovigilanz von Humanund Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer
Europäischen Agentur für die Beurteilung von
Arzneimitteln (KOM(2001) 404 - C5-0591/2001 2001/0252(COD))
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge
annehmen: 11, 12, 16, 28, 30, 32, 33, 36, 37, 40, 41, 49
(teilweise), 61, 69, 72, 75, 77, 78, 84, 90, 91 (teilweise),
93 (teilweise), 95, 98, 99, 101 (teilweise), 102, 103, 104,
105 (teilweise), 106, 107, 108 (teilweise), 110
(teilweise), 111, 112, 114, 115, 116, 117, 120, 123, 124,
125, 127, 128 (teilweise), 130, 131 (teilweise), 135, 142,
143, 146 und 150.
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge vom
Grundsatz her annehmen: 1, 4, 9, 13, 14, 15, 18, 19, 20,
22, 23, 24, 25 (2. Teil), 31, 34, 35, 38, 43, 44, 47, 50, 52,
53, 54, 55, 59, 60, 62, 63, 64, 66, 68, 73, 74, 76, 80, 82,
86, 87, 88, 89, 96, 100, 109, 113, 118, 121, 126, 129,
134, 140, 141, 141, 149, 153, 155, 156, 163, 165, 166,
169 und 170.
Nicht annehmen kann die Kommission folgende
Änderungsanträge: 2, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 17, 21, 25 (1.
Teil), 26, 27, 29, 39, 42, 45, 46, 48, 51, 56, 57, 58, 65,
67, 70, 71, 79, 81, 83, 85, 92, 94, 97, 119, 122, 132, 133,
136, 137, 138, 139, 144, 145, 147, 148, 151, 152, 154,
157, 158, 159, 160, 161, 161, 162, 164, 167, 168, 171,
172, 173, 174, 175, 176, 177, 178.
Bericht Françoise Grossetête (A5-0340/2002) über
den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Änderung der
Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes
für
Humanarzneimittel
(KOM(2001) 404 - C5-0592/2001 - 2001/0253(COD))
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge
annehmen: 2, 13, 24, 25, 33, 35, 42, 43, 44, 46
(teilweise), 47, 48 (teilweise), 50, 53 (teilweise), 57, 58,
60 (teilweise), 61, 63 (teilweise), 66, 68, 69 (teilweise),
70, 71 (teilweise), 82, 84, 85, 88, 89, 90, 93, 97, 99
(teilweise), 104 (2. Teil), 106, 108, 109, 110, 120 (1.
Teil), 121, 125, 130, 132 (teilweise), 151, 157, 166, 185,
186 (1. und 2. Teil).
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge vom
Grundsatz her annehmen: 3, 5, 11, 12, 14, 15, 18, 20, 21,
22, 23, 27, 30, 31, 32, 36, 37, 51 (teilweise), 52, 55, 80,
4
Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll.
22/10/2002
109
83, 86, 92 (2. Teil), 94, 95, 98, 114, 116 (1. Teil), 122,
140, 156, 158, 159, 167, 197, 199.
Nicht annehmen kann die Kommission folgende
Änderungsanträge: 1, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 12, 16, 17, 19, 26,
28, 29, 34, 38, 39, 40, 41, 45, 49, 54, 56, 59, 62, 64, 65,
67, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 81, 87, 91, 92 (1. Teil),
96, 100, 101, 102, 103, 104 (1. Teil), 105, 107, 111, 112,
113, 115, 116 (2. Teil), 117, 118, 119, 120 (2. Teil), 123,
124, 126, 127, 128, 129, 131, 133, 134, 135, 136, 137,
138, 139, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149,
150, 152, 153, 154, 155, 168, 172, 173, 174, 175, 176,
177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 186 (3. Teil),
187, 188, 189, 190, 191, 192, 196, 198, 201, 202.
Bericht Françoise Grossetête (A5-0334/2002) über
den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Änderung der
Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes
für
Tierarzneimittel
(KOM(2001) 404 – C5-0593/2001 – 2001/0254(COD))
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge
annehmen: 1, 9 (teilweise), 11 (teilweise), 12, 18
(teilweise), 19, 20, 21, 22, 24, 28, 29, 31, 32, 34, 35, 41
(teilweise), 46, 49, 50, 55 (teilweise) und 65 (teilweise).
Die Kommission kann folgende Änderungsanträge vom
Grundsatz her annehmen: 4, 5, 8, 14, 36, 42, 43, 48, 52,
53, 54, 57, 58 und 68.
Nicht annehmen kann die Kommission folgende
Änderungsanträge 2, 3, 6, 7, 10, 13, 15, 16, 17, 23, 25,
26, 27, 30, 33, 37, 38, 40, 44, 45, 47, 51, 56, 59, 60, 61,
62, 63, 64, 66, 67, 69, 70, 71 und 72.
2-225
Anhang - Feierliche Sitzung
2-226
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
(Die feierliche Sitzung wird um 12.02 Uhr eröffnet.)
2-227
Der Präsident. – Es ist mir im Namen der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments und in
meinem eigenen Namen eine große Freude, Sie, Herr
Präsident, heute in unserem Haus willkommen zu
heißen. Für mich als irischen Europäer ist die Freude in
einer Woche, in der das Volk den Staats- und
Regierungschefs der 15 Mitgliedstaaten der Union zu
verstehen gegeben hat, dass die Zeit für die Erweiterung
gekommen ist, besonders groß.
(Beifall)
Sie werden morgen nach Ungarn zurückkehren, um den
Nationalfeiertag Ihres Landes feierlich zu begehen und
des mutigen Ungarnaufstandes im Jahre 1956 sowie der
Ausrufung der Republik im Jahre 1989 zu gedenken.
Wir sehen hier in diesem Haus ein ganz besonderes
Symbol dieses Ereignisses vor uns – die ungarische
Flagge, die 1956 gehisst wurde.
(Beifall)
Die Märtyrer von 1956 sind in gewisser Weise für
Europa und die Werte gestorben, die wir heute mit der
bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union
verwirklichen werden. Diese Menschen sind also nicht
umsonst gestorben, und Ihre Anwesenheit, Herr
Präsident, ist ein Symbol dafür, was sie für Europa
bewirkt haben. Die Werte, für die sie gestorben sind,
sind die Werte, die uns heute europaweit einen.
Herr Präsident, für mich steht außer Zweifel, dass Ihr
Land 2004 zu den neuen Mitgliedstaaten gehören wird.
Dieses Parlament hat als erste der europäischen
Institutionen einen klaren Zeitplan für die Erweiterung
aufgestellt. Wir wollen, dass Ihr Land der Europäischen
Union beitritt, wir wollen, dass Ihre vom ungarischen
Volk direkt gewählten Abgeordneten mit Beginn der im
Sommer 2004 anlaufenden Sitzungsperiode in unser
Parlament einziehen.
(Beifall)
Wir stehen jetzt vor der Vollendung eines Prozesses, der
mit den Ereignissen von 1989, bei denen Ungarn ein
weiteres Mal eine entscheidende Rolle spielte, seinen
Anfang nahm. Ungarn war das erste Land, dass sich
bereit erklärte, für Bürger der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik, die in der Deutschen
Botschaft in Budapest auf ihre Ausreise in die
Bundesrepublik warteten, den Eisernen Vorhang zu
öffnen. Ich habe zu Hause in Irland ein Stück
Grenzdraht, das in jenem August an der österreichischungarischen Grenze aus der Grenzbefestigung
geschnitten wurde und das mir sehr teuer ist. Für mich
symbolisiert es die Nacht, die sich über Europa gesenkt
hatte. Die Erweiterung symbolisiert für mich den vor uns
liegenden Tag.
Herr Präsident, wir möchten, dass Sie sich hier zu Hause
fühlen. Ich möchte, dass Sie als Präsident Ihrer Republik
verstehen, dass Ihre heutige Anwesenheit hier am
Vorabend Ihres Nationalfeiertags bedeutet, dass Sie in
Europa angekommen sind. Zum ersten Mal in der
Geschichte unseres Kontinents schafft der freie Wille
freier und souveräner Völker eine machtvolle neue
Gemeinschaft, die sich auf gemeinsame Werte gründet
und die nicht mit Schwertern und Gewehren erkämpft
wurde. Sie haben als junger Mann in Straßburg studiert.
Es ist mir eine große Freude, einem Mann, der hier am
Studentenpult gesessen hat, im Namen des Europäischen
Parlaments zu bitten, an das Rednerpult zu treten und
zum größten direkt gewählten transnationalen Parlament
der Welt zu sprechen und teilzuhaben am Prozess eines
sich neu formierenden europäischen Kontinents.
(Beifall)
2-228
110
Ansprache von Herrn Ferenc Mádl, Präsident der
Republik Ungarn
2-229
Ferenc MADL, Präsident der Republik Ungarn. – (EN)
Herr Präsident, zunächst möchte ich dem Europäischen
Parlament aufrichtig dafür danken, dass es der
ungarischen Revolution von 1956 gedenkt. Das ist das
erste Mal, dass ich in diesem Saal auf Ungarisch zu
Ihnen spreche, das hoffentlich bald zu den Amtssprachen
der Europäischen Union zählen wird.
(Beifall)
Mit Ihrer Erlaubnis werde ich bereits im Vorgriff darauf
meine Ansprache auf Ungarisch fortsetzen. Sie werden
jedoch Gelegenheit haben, sie in hoffentlich guter
Übersetzung auf Englisch zu hören5.
Tief bewegt und überwältigt rufe ich mir gemeinsam mit
Ihnen die ungarische Revolution von 1956, ihre Märtyrer
und Helden ins Gedächtnis zurück. Der 23. Oktober des
Jahres 1956 war ein historischer Moment in Europa.
Man könnte sogar sagen, dass die Ereignisse des Jahres
1956 in Ungarn die europäische Geschichte geprägt
haben.
Sowohl in Budapest wie auch im ganzen Land erhoben
sich die Menschen und kämpften für Freiheit und
Demokratie, damit das Land wieder Teil Europas
werden konnte. Die Revolution gestaltete sich zu einem
Kampf für die Freiheit, Unabhängigkeit und
Souveränität Ungarns. Es war eine Revolution des
Volkes, das für seine Freiheit kämpfte. Tausende und
Abertausende von Menschen gingen auf die Barrikaden.
Die Menschen waren fest entschlossen, und sie haben
gesiegt.
Wir wurden in jenen Tagen Zeugen hervorragender
Beispiele von persönlichem Mut, von Heldentum und
Opferbereitschaft. An einem einzigen blutigen
Vormittag starben fast 100 Menschen vor dem
Parlamentsgebäude in Budapest. Der Aufstand brachte
das politische Regime zu Fall, und innerhalb weniger
Tage hatten die Kräfte der ungarischen Gesellschaft ihre
eigenen Verwaltungseinheiten in Form von Arbeiterund Nationalräten gebildet.
Die Führer der Revolution waren sich bewusst, dass wir
Ungarn nicht in der Lage waren, unsere Unabhängigkeit
und unsere neue Staatsmacht selbst zu verteidigen. Am
4. November 1956 begannen ausländische Truppen mit
der nur wenige Tage dauernden Niederschlagung des
Freiheitskampfes, wenngleich der Widerstand noch eine
Zeitlang anhielt. Es folgte eine Zeit der blutigen
Vergeltung, während der Hunderte von Menschen
hingerichtet und Tausende eingesperrt wurden.
Der 23. Oktober 1956 war vielleicht der europäischste
Augenblick unserer jüngsten europäischen und
5
Der Redner spricht auf Ungarisch weiter. Es folgt die englische
Dolmetschfassung.
22/10/2002
ungarischen Geschichte. Der europäische und ungarische
Geist der Freiheit bewies, dass er niemals kapitulieren
wird, dass er sich niemals der Übermacht des
Totalitarismus ergeben wird.
(Beifall)
Große europäische Denker wie Albert Camus, François
Mauriac und Boris Pasternak, um nur einige zu nennen,
erkannten die besondere Bedeutung jener Ereignisse.
Albert Camus schrieb im November 1956: „Das wahre
Europa ist vereinigt im Namen von Wahrheit und
Freiheit im Kampf gegen die Tyrannei. Heute sterben
Tausende von ungarischen Freiheitskämpfern für dieses
Europa.“ Für François Mauriac stellten sich die
Errungenschaften der Revolution wie folgt dar: „Wenn
die stärkere Seite systematisch unmenschlich ist, dann
wird vielleicht der Verlauf der Geschichte doch durch
den Willen des Schwächeren bestimmt.“
Zu diesem Zeitpunkt war es sowohl Camus als auch
Mauriac klar, dass der Zusammenbruch der Revolution
möglicherweise unausweichlich war, dass rohe Gewalt
für eine gewisse Zeit triumphieren würde. Am
24. Juni 1958, dem schwärzesten Tag der Repressalien
und des Terrors, als Imre Nagy, der Premierminister der
Revolution, hingerichtet wurde, schickte Boris Pasternak
eine auf Französisch geschriebene Postkarte nach
Budapest. Ungeachtet der sowjetischen und ungarischen
Zensur bzw. des persönlichen Risikos, das er einging,
schrieb er an Gyula Illyés, seinen ungarischen Freund
und Verfasser des dramatischen Gedichts „Ein Satz über
die Tyrannei“: „Wem kann ich sagen, wie sehr ich über
die menschlichen Grausamkeiten geschockt und traurig
bin, zumal wir glaubten, dass sie ein Teil der
Vergangenheit sind…“
In den Worten dieser Zeitzeugen waren die Stimmen der
Wahrheit und der Freiheit in diesem europäischen
Moment denen der Tyrannei und der systematischen
Grausamkeit unterlegen. Es zeigte sich der Verlauf der
Geschichte, wie Mauriac feststellte. Dies sowie der
moralische Mut und der edle Geist, den Pasternak im
Angesicht der Tyrannei demonstrierte, sind die wahren
geistigen Werte Europas.
Aus zahlreichen persönlichen Geschichten wissen wir,
dass der ungarische Volksaufstand von 1956 im Leben
vieler
führender
europäischer
Politiker
einen
Wendepunkt darstellte. Er beeinflusste sie bei der Wahl
ihrer politischen Laufbahn. Damit wurde der totalitären
Diktatur endgültig die Maske vom Gesicht gerissen.
Diejenigen, die noch immer Illusionen hatten, erkannten
die wahre Bedeutung dieser Diktatur.
Während der Zeit der Vergeltung, die auf 1956 folgte,
flohen Hunderttausende Ungarn in den Westen. Eine
Vielzahl von begabten und ehrlichen Ungarn zeigten der
Welt, zu welchen Leistungen sie unter den Bedingungen
der Gleichberechtigung, des fairen Wettbewerbs und der
Solidarität sowohl in Europa als auch in Amerika in der
Lage sind. Sie haben wesentlichen Anteil an der
22/10/2002
111
Erkenntnis des Westens, das man Osteuropa nicht
seinem Schicksal überlassen darf.
osteuropäischen Länder werden in die Europäische
Union aufgenommen.
Im Gedenken an die Opfer von 1956 möchte ich Ihnen
von der Tribüne dieses großartigen europäischen Forums
aus für die Hilfe danken, die Sie 200 000 Ungarn
erwiesen haben. Wir sollten uns aber auch all jener
Westeuropäer erinnern, die bei der ungarischen
Revolution ihr Leben riskiert haben: Journalisten, ganz
normale Menschen und ein Mann, der sein Leben für die
Revolution gab. Ich meine den edlen und bedeutenden
dänischen Diplomaten Bang-Jensen.
Wir können jetzt erstmals mit großer Gewissheit sagen,
dass Ungarn in absehbarer Zeit Mitglied der EU werden
wird. Laut diesjährigem Bericht der Europäischen
Kommission über die Fortschritte Ungarns im Rahmen
der Beitrittsvorbereitungen und laut Strategiepapier zur
Evaluierung der Beitrittskandidaten zählt Ungarn zu
jenen Ländern, die die Beitrittsverhandlungen bis
Jahresende abschließen und der Europäischen Union
2004 beitreten werden. Das positive Ergebnis des
Volksentscheids in Irland beseitigte ein weiteres
Hindernis auf dem Weg zur Erweiterung. Ich möchte
mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den irischen
Bürgern für ihre verantwortungsvolle Entscheidung
bedanken.
Bitte verzeihen Sie mir, dass ich so lange bei einem
historischen Ereignis, dem ungarischen Volksaufstand
von 1956, verweilt habe. Das habe ich deshalb getan,
weil der Geist dieses Aufstandes 1989/1990 in Mittelund Osteuropa triumphierte. Wir wissen, dass dies ein
Sieg für ganz Europa war, der dem Fall der Berliner
Mauer den Weg ebnete, wie Herr Cox sagte. Die
Aufgabe ist noch immer dieselbe: Wir müssen diesem
Geist treu bleiben. Das ist nicht einfach. Das ist eine
enorme Aufgabe, die wir in Form kleiner, schwieriger
Alltagsaufgaben in Angriff nehmen müssen.
Lassen Sie mich nochmals Camus zitieren. In seinem
Essay „Das Blut der Ungarn“ schrieb er, dass es schwer
ist, sich eines solchen Opfers würdig zu erweisen.
Dennoch müsse man es versuchen. „Lasst uns unseren
Streit vergessen, unsere Fehler neu betrachten, unsere
Anstrengungen verstärken und Solidarität finden in
einem Europa, das vereinigt ist.“
Der Elan der Märtyrer und der Helden von 1956, die
Erinnerung der Menschen, haben diesen Glauben und
diese Stärke aufrechterhalten.
Die große Aufgabe für uns besteht nun darin, der
Europäischen Union beizutreten. Sie verkörpert all das,
was die friedliche Revolution von 1989 für uns
bedeutete und noch immer bedeutet: die geistige,
rechtliche und politische Umgestaltung, den Umbau der
Wirtschaft, den seit 12 oder 13 Jahren andauernden
Aufholprozess. Der Weg ist schwierig, das Tempo
rasant. Es gibt viel Freude und Erfolg, viele Opfer und
Errungenschaften. Aber wir hatten keine Wahl. Wir
mussten unseren Herzen und Interessen folgen und so
schnell wie möglich zur Europäischen Union
aufschließen.
Die Osterweiterung der Europäischen Union stellt für
uns Ungarn eine historische Chance dar. Doch auch für
Sie ist der Prozess von historischer Bedeutung. Es ist
nicht ganz unwichtig, wo die Grenzen der Europäischen
Union verlaufen. Wir sind überzeugt davon, dass ein
vereintes Europa ohne uns nur ein politischer Torso
wäre. Europa war immer dann geschwächt, wenn sich
das Zentrum Richtung Westen weg vom übrigen Europa
verlagerte.
Wir haben das Diktat der Geschichte und den Willen der
Europäischen Union klar verstanden: Die mittel- und
Für uns reicht die Bedeutung des EU-Beitritts weit über
die Bedeutung der politischen, ökonomischen,
finanziellen und administrativen Integration hinaus. Wir
wollen Mitglied einer Gemeinschaft werden, die
gemeinsamen europäischen Werten verpflichtet ist,
Werten, an denen sich unsere Zivilisation seit Tausenden
von Jahren orientiert. Doch wir müssen sie uns Tag für
Tag neu erkämpfen. Wir stehen in der Schuld der Bürger
unserer Länder; wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie
auf
gleichberechtigter
Grundlage
Bürger
der
Europäischen Union werden.
Die gleichberechtigte Würde aller Menschen muss im
Mittelpunkt der europäischen Werte stehen. Ein
gemeinsames Europa trägt die gleiche Verantwortung
für alle seine Bürger – auch für uns Ungarn.
Die Unterstützung für den Beitritt Ungarns zur
Europäischen Union ist in unserem Land sehr hoch.
Umfragen und Erhebungen rechnen mit einem JaStimmenanteil von 70 bis 80 %. Die Bürger Ungarns
sehen Europa in einem sehr positiven Licht und wollen,
dass Ungarn ein gleichberechtigtes Mitglied der
europäischen Völkergemeinschaft wird.
Die Einigung Europas ist nicht nur ein politischer
Slogan. Unserer Ansicht nach muss sich die Einheit auch
in den Bedingungen des Beitritts widerspiegeln. Der
Beitritt zur Europäischen Union ist für uns sehr wichtig,
aber ebenso wichtig ist, dass er unter fairen
Bedingungen erfolgt. Konkreter ausgedrückt, kann eine
Politik nur dann bestehen, wenn sie beispielsweise in
den Bereichen Agrarpolitik, Direktzahlungen und
Ressourcenverteilung nicht zwischen neuen und alten
Mitgliedern unterscheidet. Wir müssen Bedingungen
schaffen, die die Bürger Ungarns die Vorteile der EUMitgliedschaft vom ersten Moment an spüren lassen und
sie zum Aufholen anspornen.
(Beifall)
Darf ich im Zusammenhang mit der Gleichberechtigung
auf ein Problem eingehen, dessen Sie sich ganz sicher
bewusst sind. In dieser Sache haben wir sogar die
Unterstützung des Europäischen Parlaments. Ungarn hat
112
aufgrund seiner Bevölkerungszahl nach dem Beitritt
Anspruch auf 22 und nicht 20 Sitze im Europäischen
Parlament, obwohl der Vertrag von Nizza 20 Sitze
vorsieht. Eine Sitzzahl von unter 22 käme einer
Verletzung des Grundsatzes des Verhältniswahlsystems
gleich.
(Beifall)
Gleichberechtigung für alle Bürger in Europa bedeutet
auch, dass es bei der Mitgliedschaft keine
Diskriminierung geben darf. Auch arme und am Rande
der Gesellschaft lebende Bürger sind Teil der EU.
Europa darf nicht einen einzigen Bürger ausgrenzen.
Jeder muss unabhängig von seiner sozialen oder
kulturellen Herkunft integriert werden. Ungarn möchte
einen Beitrag zum Europa der Solidarität leisten. Auch
wir Ungarn haben in diesem Bereich noch sehr viel zu
tun.
Vor allem müssen wir die sozialen Bedingungen der
benachteiligten Bevölkerungsgruppe der Roma in
Ungarn verbessern und ihre soziale Integration fördern.
Dies ist eine Aufgabe von historischer Größenordnung.
Im Verlaufe der letzten Jahre haben aufeinander
folgende ungarische Regierungen wichtige Schritte zur
Verbesserung der institutionellen, finanziellen und
sozialen Bedingungen der Roma eingeleitet. Doch wir
wissen, dass noch sehr viel mehr zu tun ist. Wir
brauchen ein komplexes Paket von Instrumenten,
einschließlich staatlicher Maßnahmen sowie einer
breiten Palette kontinuierlicher sozialer Maßnahmen.
Dies ist natürlich ein europäisches und nicht nur ein
ungarisches Problem. Wir wollen uns nicht unserer
Verantwortung entziehen, aber wir rechnen auch auf die
Erfahrungen und die Unterstützung anderer europäischer
Länder. So könnten die in einigen Ländern gesammelten
guten Erfahrungen anderen europäischen Ländern, die
mit ähnlichen Problemen kämpfen, als Vorbild dienen.
Von der Erweiterung werden nicht nur die neuen,
sondern auch die derzeitigen Mitgliedstaaten und deren
Bürger profitieren. Die von der friedlichen und
demokratischen Wiedervereinigung Europas ausgehende
symbolische Kraft ist für alle von unschätzbarem Wert.
Die Erweiterung wird zu einer Vergrößerung der
kulturellen Vielfalt in Europa beitragen. Die
Vergrößerung der Märkte wird den jetzigen
Mitgliedstaaten erhebliche wirtschaftliche Vorteile
bringen. Die europäische Teilung und Ungewissheit
wird abgelöst werden von Stabilität und Sicherheit. Es
werden sich Möglichkeiten für die friedliche Beilegung
von Streitigkeiten bieten. Dies wird auch maßgeblich
zum harmonischen Zusammenleben der verschiedenen
ethnischen Gemeinschaften beitragen. Die Union wird
damit über ein enormes ökonomisches, politisches und
soziales Potenzial im Kampf gegen die negativen
Auswirkungen der Globalisierung verfügen.
Den ungarischen Teilnehmern des Konvents über die
Zukunft Europas stellt sich mehr und mehr die Frage,
welcher Art von Europäischer Union Ungarn beitritt.
22/10/2002
Ungarn ist bereit, den Weg der Integration mit dem Ziel
eines geeinten Europa zu beschreiten. Unser Land wird
sich erforderlichenfalls nach gründlicher Prüfung bereit
erklären, der gemeinsamen Ausübung weiterer
Befugnisse zuzustimmen. Als Anwalt finde ich es nur
natürlich, dass die Europäische Union in der
internationalen
Arena
über
eine
eigene
Rechtspersönlichkeit verfügt.
Was die Sicherheit betrifft, so hat uns der
11. September 2001 klar und schmerzhaft an unsere
Aufgabe der Schaffung eines starken und geeinten
Europa erinnert, das in der Lage ist, als Teil des
transatlantischen Bündnisses rasch und wirksam zu
reagieren.
Wichtig für uns ist, dass die Bürger nach Vollendung der
institutionellen Reformen die Institutionen der
Europäischen Union akzeptieren und sie damit
legitimieren und so maßgeblich zur Umsetzung der
demokratischen Werte beitragen.
Unserer Ansicht nach ist der Schutz der
Minderheitenrechte in einem geeinten Europa von
großer Bedeutung. Wir sind an der Pflege und Festigung
der Beziehungen mit den in den Nachbarländern
lebenden
Ungarn
interessiert.
Die
für
die
Kandidatenländer aufgestellten Kopenhagener Kriterien
sehen auch die Achtung der Rechte von Minderheiten
vor. Unserer Ansicht nach enthält die Charta der
Grundrechte keine Definition der kollektiven Rechte von
Minderheiten. Es ist notwendig, dass die kollektiven
Rechte von Minderheiten durch geeignete Instrumente
garantiert werden.
Ungarn
unterstreicht
im
Verlaufe
des
Integrationsprozesses die Bedeutung der Erhaltung der
nationalen Identität und Kultur. Wir meinen, dass wir
dazu innerhalb der Europäischen Union besser in der
Lage sind als außerhalb, wo wir mit den positiven und
negativen Wirkungen der Globalisierung allein fertig
werden müssten.
Das Europa des 21. Jahrhunderts muss eine
Gemeinschaft sein, die auf den Grundfesten der
Erhaltung und Stärkung der historischen, sprachlichen
und kulturellen Identität und Vielfalt ruht und in der sich
nationale Kulturen gegenseitig befruchten.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass die
Einigung
des
europäischen
Kontinents
im
20. Jahrhundert ihren kulturellen Ursprung in den
Vorstellungen früherer Jahrhunderte hat. Europa ist in
erster Linie eine Kulturgemeinschaft, die ihre Wurzeln
in der Vergangenheit hat, und ohne die Kohäsionskräfte
zwischen den nationalen Kulturen kann Europa nicht
existieren. Davon sind wir zutiefst überzeugt.
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und
spenden lebhaften Beifall.)
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22/10/2002
Der Präsident. – Herr Präsident, vielen Dank für Ihre
Ausführungen, mit denen Sie uns daran erinnert haben,
dass der von Ihnen so eloquent beschworene Geist von
1956 in den Werten des Europas der Gegenwart
weiterlebt.
(Beifall)
(Die feierliche Sitzung wird um 12.34 Uhr geschlossen.)
113
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22/10/2002
INHALT
SITZUNG AM DIENSTAG, 22. OKTOBER
2002 .........................................................5
Medikamente ...........................................5
SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNG GEMÄSS ARTIKEL
120 .......................................................... 25
Veterinärbedingungen für die
Verbringung von bestimmten
Heimtieren ............................................. 26
Abstimmungen ..................................... 29
Begrüßung ............................................ 32
Abstimmungen (Fortsetzung).............. 32
Erklärungen zur Abstimmung ......................... 32
Haushaltsverfahren 2003: erste Lesung
............................................................... 38
Fragestunde (Kommission) ................. 65
Zugang des Parlaments zu sensiblen
Informationen im Bereich der GASP:
Interinstitutionelle Vereinbarung Änderung der Geschäftsordnung ....... 81
Änderung der Geschäftsordnung:
Entlastungsverfahren ........................... 86
Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit
und Sicherheit am Arbeitsplatz 20022006 ....................................................... 91
Sicherheit und Gesundheitsschutz am
Arbeitsplatz für Selbständige .............. 99
Durchführungsbestimmungen zur
Haushaltsordnung .............................. 102
Anlage - Standpunkt der Kommission
............................................................. 108
Anhang - Feierliche Sitzung .............. 109
Ansprache von Herrn Ferenc Mádl,
Präsident der Republik Ungarn ......... 110
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