Analysis für Statistiker und¨Okonomen 1. Semesterhälfte

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Analysis für Statistiker und Ökonomen
1. Semesterhälfte
Mathias Staudigl
1. April 2009
1
Ziel dieser Unterlagen
In diesen Unterlage werden nur die wichtigsten Fakten über Folgen und
(Potenz-)Reihen erwähnt. Übungen zu den einzelnen Punkten sind essentiell,
und werden in der Übung besprochen. Außerdem verweise ich auf die anderen
Unterlagen, zu finden auf meiner Homepage http://homepage.univie.ac.at/mathias.staudigl/.
Für mehr Details bitte siehe die empfohlene Literatur.
Im großen und ganzen sind Folgen und Reihen der Stoff für den Midterm. Soweit es sich ausgeht, wird auch noch Stetigkeit von Funktionen, Differenzieren
von reellwertigen Funktionen und die Regel von L’Hospital hinzukommen.
2
Folgen und Reihen
Ein reelle Zahlenfolge ist eine Funktion (an )∞
n=1 : N → R. Wichtige Eigenschaften so einer Funktion:
• beschränkt: |an | ≤ K für ein K > 0.
• monoton wachsend bzw. fallend an+1 − an
>
<
0.
Definition 1 Eine Folge (an ) heißt Nullfolge wenn es zu jeder vorgegebenen
Zahl ε > 0 einen Index N = N (ε) gibt so dass
|an | < ε
∀n ≥ N
gilt.
Man schreibt alternativ an → 0 für n → ∞, oder limn→∞ an = 0.
Einige Tatsachen:
1
• Ist (an ) eine Nullfolge und (cn ) eine beschränkte Folge, so gilt an cn → 0.
• Ist an Nullfolge und existiert eine Konstante K so dass |bn | ≤ Kan für
alle n, so folgt bn → 0.
• Aus an → 0 und bn → 0 so folgt an + bn → 0.
Die Beweise sind intuitiv klar, und dem Leser als Übung empfohlen.
Einige wichtige Nullfolgen:
•
1
.
n+K
•
1
√
p n.
Dies folgt aus dem Satz von Eudoxos.
Gib ε > 0, so ist auch εp > 0. Aus dem Satz von Eudoxos schließen
1
wir, dass n1 < εp für n hinreichend groß. Also √
p n < ε für n hinreichend
groß.
1
1
• q n , für q ∈ (−1, 1).1 Es ist |q|
> 1, also existiert ein h > 0 so daß |q|
=
1 + h. Wähle ein ε und wende die Bernoullische Ungleichung an:
n
1
1
= (1 + h)n > 1 + nh > nh >
|q|
ε
für n >
1
.
εh
Also |q|n < ε für n >
1
.
εh
• np q n für |q| < 1 und p ≥ 1.
Definition 2 Eine Folge (an ) heißt konvergent mit Limes a, wenn die Folge
(an − a) eine Nullfolge bildet, d.h.
(∀ε > 0)(∃N ∈ N)(∀n ≥ N ) : |an − a| < ε
Eine weniger formale Definition einer konvergenten Folge erhält man, wenn
man den Begriff einer Umgebung um einen Punkt einführt. In unserem Fall
ist eine (offene) Umgebung um einen Punkt a eine Menge
Uε (a) := {b : |a − b| < ε}
Man nennt ein derartiges Konstrukt eine ε-Umgebung von a, und ist nichts
anderes als das offene Intervall (a − ε, a + ε). Dem Leser sei empfohlen sich
diese Umgebung aufzuzeichnen und dann die Bedeutung des Limes zu überdenken. Geometrisch bedeutet Konvergenz nichts anderes als dass für beliebig klein gewählte ε-Umgebung um a unendlich viele Folgenglieder in der
Umgebung sein müssen, wenn nur n groß genug ist. Diese ”topologische“
1
Man schreibt auch |q| < 1.
2
Konvergenzeigenschaft ist sehr praktisch und auch gut zu wissen wenn man
abstraktere mathematische Gebilde als R betrachtet. (Erinnere dich an allgemeine Vektorräume der Linearen Algebra, und versuche eine ε-Umgebung
von einem Vektor ~a ∈ Rn anzugeben. Hierfür benötigen wir wieder den Begriff der Norm.)
Proposition 1 Jede konvergente Folge ist beschränkt, und ihr Limes ist eindeutig bestimmt.
Definition 3 Eine Folge die nicht konvergiert, heißt divergent. Eine Folge
heißt bestimmt divergent wenn ihr Limes ±∞ ist.
Lerne die Rechenregeln für Folgen aus dem Skript!
Um Konvergenzbeweise durchzuführen sind oftmals gewisse Ungleichung
von Nutze. Wir kennen schon die Dreiecksungleichung und die Bernoullische
Ungleichung. Eine weitere Ungleichung ist
√
Proposition 2 Sei G(x1 , . . . , xn ) := n x1 · · · xn das geometrische Mittel der
n
Zahlen (x1 , . . . , xn ), xi ≥ 0, und A(x1 , . . . , xn ) := x1 +...+x
das arithmetin
sche Mittel der Zahlen. Dann gilt die Ungleichung über das geometrische und
arithmetische Mittel (AGM-Ungleichung)
G(x1 , . . . , xn ) ≤ A(x1 , . . . , xn )
wobei Gleichheit nur dann zutrifft, wenn x1 = . . . = xn gilt.
Beweis: Wir beweisen die Ungleichung
n
1
x1 · · · xn <
(x1 + . . . + xn )
n
durch vollständige Induktion nach n.
• Induktionsanfang: n = 1 ist klar.
• Induktionvoraussetzung: Sei die Ungleichung von n Zahlen (x1 , . . . , xn )
richtig.
• Induktionsschritt: Seien x1 , . . . , xn+1 n + 1 positive Zahlen2 Sortiere
diese Daten in aufsteigender Reihenfolge, so dass xn+1 die größte Zahl
ist. Dann gilt
ξ :=
2
x1 + . . . + xn
nxn+1
<
= xn+1
n
n
Der Fall wo manche Zahlen gleich 0 sind ist trivial.
3
Also xn+1 − ξ > 0, oder auch η :=
(1 + η) =
xn+1 −ξ
(n+1)ξ
> 0. Beachte
xn+1 − ξ + (n + 1)ξ
nξ + xn+1
x1 + . . . + xn+1
=
=
(n + 1)ξ
(n + 1)ξ
(n + 1)ξ
Daraus folgt
n+1
x1 + . . . + xn+1
= (1 + η)n+1 |Bernoullische Ungleichung
(n + 1)ξ
≥ 1 + (n + 1)η
xn+1 − ξ
=1+
ξ
xn+1
=
ξ
Also
n+1
n
1
x1 + . . . + xn+1
n
≥ ξ xn+1 =
(x1 + . . . + xn ) xn+1 > x1 · · · xn xn+1
ξ
n
|
{z
}
>x1 ···xn
wobei die letzte Abschätzung aus der Induktionsvoraussetzung folgt.
Wir verwenden diese Ungleichung um ein paar Grenzwerte zu berechnen.
√
• limn→∞ n n = 1. Dazu schreiben wir das folgende
s√ √
√
n
n = n n n 1| ·{z
· · 1}
n−2 mal
1 √
(2 n + n − 1) AGM Ungleichung
n
2 √
= 1 + ( n − 1)
n
2
<1+ √
n
→1 n→∞
√
√
Also, sei ε > 0 gegeben, so ist auch 2 ε > 0 und es gilt | n n − 1| < ε
für n > ε.
<
4
√
• Im allgemeinen gild lim n np = 1 für p ≥ 1. Der Beweis beruht auf der
wichtigen Methode der Wurzelabschätzung
√
p
n
ap ≤ 1 + (a − 1)
n
wie man durch die AGM Ungleichung zeigen kann.
√
• lim np q n = 0, p ≥ 1, denn n np ≤ 1 wie wir oben gesehen haben, und
q n → 0 für n → ∞.
2.1
Konvergenzkriterien
Der folgende Satz ist intuitiv so klar, dass er gar nicht bewiesen werden soll.
Proposition 3 Eine beschränkte monotone Folge ist konvergent und ihr Limes ist gleich dem Supremum ihrer Wertemenge.
Es gilt also für solche Folgen
lim an = sup an
lim an = inf an
wobei ersteres für monoton steigende, letzteres für monoton fallende Folgen
gilt.
Lerne nun die Exponentialfunktion kennen!
Definition 4 Sei (an ) eine Folge. Unter einer Teilfolge verstehen wir eine Folge (an1 , an2 , . . .), wobei die anj Glieder der Folge selbst sind, und die
Ordnung n1 < n2 < . . . für die Indizes gilt.
Wir sehen gleich ein Beispiel zu einer Teilfolge.
Definition 5 Eine Zahl a heißt Häufungspunkt der Folge (an ), wenn jede
Umgebung von a unendlich viele Glieder der Folge enthalten.
Häufungspunkte sind natürliche Kandidaten für den Limes einer Folge. Eine
Folge kann aber mehrere Häufungspunkte haben. Dann ist die Folge divergent.
Beispiel 1 Die Folge ((−1)n ) hat 2 Häufungspunkte, −1, 1. Sie ist also divergent. Manipuliert man den Index nur ein bisschen, so sieht man, dass wir
zwei konstante Folgen extrahieren können, nämlich 1 und −1. Es gibt also 2
konvergente Teilfolgen.
5
Überaus wichtig für die Analysis ist der folgende Satz:
Proposition 4 (Satz von Bolzano-Weierstraßfür Folgen)
Sein (an ) eine beschränkte Folge. Dann existiert ein größter Häufungspunkt
a∗ und ein kleinster Häufungspunkt a∗ . Man nennt a∗ den Limes superior,
lim sup an = a∗ , und a∗ den Limes inferior lim inf an .
3
Unendliche Reihen
Definition 6
• (an ) eine reelle Zahlenfolge
P∞
•
n=1 an unendliche Reihe
• an das n-te Glied der Reihe
• sn := a1 + . . . + an die n − te Teilsumme
P∞
• rn := P
k=n+1 ak der n-te Rest
die Folge der Teilsummen (sn )
Die Reihe ∞
1 an heißt konvergent, wennP
konvergent ist. Die Zahl S := lim sn = limn ni=1 ai nennt man die Summe
der Reihe.
Ein Kriterium für die Konvergenz einer Reihe liefert die folgende
P
Proposition 5 Wenn ∞
1 an konvergiert, dann bilden sowohl die Teilsummen, als auch die Reste eine Nullfolge.
Man beachte, dass es nicht genügt zu zeigen das die
an gegen Null
PGlieder
1
streben. Das Gegenbeispiel der harmonischen Reihe
zeigt.
n
Proposition 6 Eine unendliche Reihe mit nichtnegativen Gliedern ist konvergent, wenn die Folge der Teilsummen beschränkt ist. Andernfalls ist sie
bestimmt divergent. In beiden Fällen gilt also
∞
X
an = sup an
1
Definition 7
P
an nennt man absolut konvergent, falls
P
|an | existiert.
Ist eine Reihe absolut konvergent, so ist sie auch konvergent.
6
3.1
Konvergenzkriterien
PropositionP
7 (Konvergenzkriterium von Leibniz)
Ist die Reihe
an alternierend und konvergiert die Folge der Absolutbeträge
der Glieder streng monoton gegen 0, dann ist die Reihe konvergent.
Proposition 8
• (Majorantenkriterium
P für Konvergenz)
P
Ist 0 ≤ an ≤ cn für fast alle n und
cn konvergent, so ist auch
an
konvergent.
• (Minorantenkriterium für Divergenz)P
P
Ist 0 ≤ dn ≤ an für fast alle n und
dn divergent, so ist auch
an
divergent.
Die nächstenPKriterien stellen einen Vergleich mit der bekannten geometri1
für |q| < 1 an.
schen Reihe
q n = 1−q
p
P
an
Proposition 9
• (∃q ∈ (0, 1)) : n |an | ≤ q < 1 für fast alle n ⇒
absolut konvergent.
P
an+1 • (∃q ∈ (0, 1)) : an ≤ q < 1 für fast alle n ⇒
an absolut konvergent.
Sowohl das Wurzelkriterium, als auch das Quotientenkriterium vergleichen
P
eine gegeben Reihe mit dem Verhalten der geometrischen Reihe p q n . Die
Logik des Wurzelkriterizums ist die folgenden. Nehme an es gilt n |an | < q.
Dann ist aber auch |an | < q n und auf der rechten Seite steht eine Nullfolge. Die Glieder der Reihe sind also streng monoton fallend und konvergieren
gegen 0. Also lässt sich das Leibniz-Kriterium anwenden, und wir erhalten
die gewünschte Aussage über die Konvergenz
der Reihe. Man beachte jep
n
doch, dass es nicht genügt zu zeigen, dass |an | < 1 ist für großes n. Die
harmonische Reihe ist ein Gegenbeispiel. Man muss sich selbst eine Zahl
q ∈ (0, 1) vorgeben, so dass das Wurzelkriterium für dieses q gilt. Äquivalent, aber etwas
p abstrakter, lässt sich das Wurzelkriterium so formulieren,
dass lim sup n |an | < 1 gilt.
Auch beim Quotientenkriterium machen wir nichts anderes als die gegebene
Reihe mit der geometrischen Reihe zu vergleichen. Sei |q| < 1 und das Quotientenkriterium erfüllt. Dann gilt |an+1 < q|an | für fast alle n. Iterierten wir
dies, so gilt |an | < Kq n für fast alle n. Auf
P der rechten Seite steht wieder
eine Nullfolge, also konvergiert die Reihe
|an | gemäßLeibniz.
Beide Kriterien sind nicht universal einsetzbar. Mit ihnen lässt sich P
etwa keine Aussage über das Verhalten der allgemeinen harmonischen Reihe (1/n)α
treffen. Man kann aber zeigen (etwa Cauchy’scher Verdichtungssatz) das die
7
Reihe für α ≤ 1 divergent ist, aber konvergent für α > 1.
Vielleicht auch noch nützlich zu wissen ist der folgende
P
P
Proposition 10 Sind
an und
bn zwei Reihen mit positiven Gliedern
an
und strebt die Folge ( bn ) gegen einen positiven Grenzwert, so haben die beiden
Folgen dasselbe Konvergenzverhalten.
4
Polynome und Potenzreihen
P
Definition 8 Eine Funktion P (x) := ni=0 ai (x − x0 )i heißt Polynom. Der
Grad eines Polynoms ist die höchste Ordnung des Exponenten, also hier n.
Ist ai = 0 so setzt man den Grad des Polynoms gleich -1.
Einen Punkt ξ mit der Eigenschaft P (ξ) = 0 nennt man Nullstelle des Polynoms.
P (x)
Ein Quotient von zwei Polynomen R(x) = Q(x)
nennt man rationale Funktion, definiert auf {x : Q(x) 6= 0}.
Polynome gehören zu den wichtigsten Funktionen des praktischen Lebens.
Sie sind überall stetig, und spielen eine wichtige Rolle in der Approximationstheorie (siehe Taylorreihen).P
Gegeben ein Polynom P (x) = ni=0 ai xi und einen Punkt ξ. Sei x = η + ξ.
Wir können nun das Polynom umschreiben als
P (x) =
n
X
(x + η)j bj
j=0
Man sagt, Entwickle das Polynom um den Mittelpunkt η.
Die Technik ist simpel. Dann folgt
P (x) =
n
X
i
ai x =
i=0
n
X
n
X
ai (η + ξ)i
i=0
( i )
X i
=
ai
ξ j η i−j
j
i=0
j=0
n
X X i =
ξj
ai
η i−j
j
j=0
i=0
X
=
(x − η)j bj
j
8
mit bj :=
Pn
i=0
ai
i
j
η i−j und ξ = (x − η). Daraus folgt
P (x) = b0 + (x − η)Q(x)
Frage: Was ist Q(x)?
Da b0 = P (η) gilt, ist obige Zerlegung besonders schön wenn P (η) = 0 gilt.
Dann folgt
P (x) = (x − η)Q(x)
P
n
Definition 9 Eine Funktion ∞
n=0 an (x − x0 ) heißt Potenzreihe. Nach obiger Entwicklung
lässt sich dies, ohne Beschränkung der Allgemeinheit, schreiP
n
ben als ∞
a
ξ
n=0 n .
Um zu sehen wann diese Potenzreihe wohl definiert ist, verwendet man im
allgemeinen das Wurzelkriterium. Es gilt
∞
X
an (x−x0 )n existiert ⇔ lim sup
n→∞
n=0
p
n
|an ||x − x0 |n = lim sup
Das heißt nur das Verhalten der Folge
genz der Folge.
p
n
|an |x−x0 | < 1
p
n
|an | entscheidet für die Konver-
Proposition 11 (Konvergenzsatz für Potenreihen) Jede Potenzreihe besitzt
einen Konvergenzradius r ∈ [0, ∞] mit der Eigenschaft, dass die Reihe für
|x| < r absolut konvergent, während für |x| > r divergent ist. Der Konvergenzradius hängt nur von |an | ab. Er berechnet sich nach der Formel von
Cauchy-Hadamard
r=
1
L
mit L := lim sup
p
n
|an |
n→∞
1
wobei hier 01 = ∞, ∞
= 0 festgelegt wird. Das Intervall K = {x : |x−x0 | < r}
nennt man das Konvergenzintervall der Potenzreihe.
Einfacher ist es oft das Quotientenkriterium zu verwenden, wenn an 6= 0.
Dann gilt
an .
r = lim n→∞ an+1 P
n
Definition 10 Sei ∞
Konvergenzintervall K defin=0 an (x − x0 ) auf demP
n
niert. Die Funktion f : K → R, x 7→ f (x) := ∞
n=0 an (x − x0 ) nennt man
die Summenfunktion der Potenzreihe.
9
Die Summenfunktion hat folgende schöne Eigenschaften:
• Sie ist auf K stetig.
• Sie ist auf ganz K beliebig oft differenzierbar.
Besonders letztere Eigenschaft wird für die Theorie der Taylor-Reihen von
Bedeutung sein.
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