Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 $Id: ring.tex,v 1.15 2012/05/08 10:11:03 hk Exp $ $Id: korper.tex,v 1.16 2012/05/08 10:41:50 hk Exp $ §3 Ringe 3.3 Polynomringe Zum Abschluß des Kapitels über allgemeine Ringe wollen wir jetzt noch eine spezielle Sorte von Ringen einführen, die sogenannten Polynomringe. In voller Allgemeinheit ist der Polynombegriff ein klein wenig diffizil, und wir starten daher mit dem etwas einfachereren Begriff einer Polynomfunktion. Definition 3.8: Sei A ein kommutativer Ring. Eine Funktion p : A → A heißt Polynomfunktion wenn es ein n ∈ N und Ringelemente a0 , . . . , an ∈ A mit n p(x) = an x + an−1 x n−1 + · · · + a1 x + a0 = n X ai xi i=0 für alle x ∈ A gibt. Beachte das die Zahl n ∈ N hier nicht eindeutig durch die Funktion p festgelegt ist, da wir künstlich Terme 0 · xi hinzufügen können, zum Beispiel ist die obige Funktion ja auch gleich p(x) = 0 · xn+1 + an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 für alle x ∈ A. Es ist bei einer Polynomfunktion durchaus erlaubt das einige der Potenzen von x nicht auftauchen. Zum Beispiel ist p(x) = x6 + 3x2 − x + 1 eine Polynomfunktion über A = R, da wir diese Funktion auch künstlich als p(x) = 1 · x6 + 0 · x5 + 0 · x4 + 0 · x3 + 3 · x2 + (−1) · x + 1 schreiben können. Im Spezialfall A = R der reellen Zahlen haben Polynomfunktionen die bekannte Gestalt, einige typische Polynomfunktionen sind beispielsweise 7-1 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 4 3 y 2 2 1 2.5 1.5 2 –3 1.5 1 –2 0 –1 1 2 3 x 1 –1 0.5 0.5 –2 0 –1 1 2 –3 –2 0 –1 1 2 –0.5 x n=0 –2 3 x n=1 n=2 4 4 3 y 3 3 y 2 2 2 1 1 1 0 0 y –3 –2 –1 1 2 –3 3 –2 –1 1 x –3 –2 –1 0 1 2 2 3 x –1 –1 –2 –2 3 x –1 –2 –3 –3 –3 –4 –4 n=3 n=4 n=5 Wir wollen uns jetzt überlegen, dass Summen und Produkte von Polynomfunktionen wieder Polynomfunktionen sind. Lemma 3.9: Seien A ein kommutativer Ring und p, q : A → A zwei Polynomfunktionen. Dann sind auch die Funktionen p + q : A → A; x 7→ p(x) + q(x) und p · q : A → A; x 7→ p(x) · q(x) Polynomfunktionen. Beweis: Wähle n, m ∈ N und a0 , . . . , an ∈ A sowie b0 , . . . , bm ∈ A mit n m X X i p(x) = ai x und q(x) = bi x i i=0 i=0 für alle x ∈ A. Wir zeigen zunächst, dass auch p + q eine Polynomfunktion ist. Hierzu können wir durch eventuelles Auffüllen mit führenden Nullen annehmen, dass n = m ist. Für jedes x ∈ A haben wir dann n n n X X X (p + q)(x) = p(x) + q(x) = ai xi + bi x i = (ai + bi )xi , i=0 i=0 i=0 und somit ist p + q eine Polynomfunktion. Nun kommen wir zum Produkt p · q, und hier ist es nicht mehr nötig n = m anzunehmen. Für jedes x ∈ A gilt ! ! ! n m n m X X X X X (p · q)(x) = p(x)q(x) = ai xi · bj x j = ai xi · bj x j = ai bj xi+j i=0 j=0 i=0 7-2 j=0 0≤i≤n 0≤j≤m Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 wobei wir die Kommutativität von A und die Potenzrechenregeln verwendet haben um ai xi · bj xj = ai bj xi xj = ai bj xi+j zu rechnen. In dieser Doppelsumme fassen wir jetzt alle Summanden mit gleichen k = i + j zusammen und klammern xk = xi+j aus. Wenn i von 0 bis n und j von 0 bis m läuft, so nimmt k = i + j als Werte alle Zahlen von k = 0 bis k = n + m an. Damit wird unsere obige Formel für jedes x ∈ A zu # " k # " n+m n+m X X X X ai bk−i · xk , (p · q)(x) = ai bj · xk = k=0 k=0 i+j=k i=0 und somit ist auch p · q eine Polynomfunktion. Die innere Summe ist dabei streng genommen eigentlich als k X i=0 min{n,k} X ai bk−i = ai bk−i i=max{k−m,0} gemeint da ai ja nur für i ≤ n und bk−i nur für k − i ≤ m definiert ist. Wir verwenden im folgenden immer die Konvention das Koeffizienten mit eigentlich nicht definierten Indizes als Null zu interpretieren sind. Mit dem Lemma kann man sich jetzt auch leicht überlegen, dass die Polynomfunktionen selber einen kommutativen Ring bilden, aber dies werden wir hier nicht benötigen. Beachte das wir bisher konsequent von Polynomfunktionen und nicht von Polynomen sprechen, und tatsächlich gibt es zwischen diesen beiden Begriffen für allgemeine kommutative Ringe A auch einen kleinen Unterschied. Wir wir im nächsten Kapitel sehen werden, stimmen Polynome und Polynomfunktionen für gute“ Ringe dann doch übe” rein, aber eben nicht für jedes A. Um das Problem zu sehen, betrachten wir einmal den Restklassenring A = Z3 und auf diesem die durch p(x) = x3 gegebene Polynomfunktion. Die drei Elemente von Z3 sind die Restklassen von x = 0, x = 1 und x = 2, und deren dritte Potenzen ergeben sich als 03 = 0, 13 = 1 und 23 = 8 ≡ 2 mod 3, d.h. es ist x3 = x für jedes x ∈ Z3 . Die beiden Polynomfunktionen p(x) = x3 und q(x) = x sind im Ring A = Z3 also genau dasselbe. Die Zahlen a0 , a1 , . . . zur Beschreibung einer Polynomfunktion haben beim Ring A = Z3 somit etwas willkürliches. Das will man für Polynome nicht haben, als Polynom soll auch beim Ring A = Z3 das Polynom x3 etwas anderes als das Polynom x sein, obwohl beide bei Einsetzen der Elemente von A dieselben Werte liefern. Das hat zur Folge, dass man Polynome nicht als Funktionen definieren kann. Anstelle dessen definieren wir ein Polynom p über A als einen formalen Ausdruck“ ” n n−1 p = an x + an−1 x + · · · + aa x + a0 7-3 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 mit n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ A. Das x“ ist hier rein formal R bund steht nicht für ein Element ” von A. Das ist ähnlich wie beim bestimmten Integral a f (x) dx wo das x“ ja ebenfalls ” keine inhaltliche Bedeutung hat. Wären wir hier etwas konsequenter könnte man auch einfach p = (an , an−1 , . . . , a0 ) statt p = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 schreiben, aber dies gilt aus guten Grund als unnötig verwirrend. Die Ringelemente a0 , . . . , an nennt man die Koeffizienten des Polynoms p. Ist p 6= 0, so ist mindestens einer der Koeffizienten nicht Null, und nach Streichen überflüssiger führender Nullen können wir an 6= 0 annehmen. Man bezeichnet die Zahl n ∈ N dann als den Grad des Polynoms p. Das Polynom p = 0 erhält dann per Konvention den Grad −∞. Der Grad eines Polynoms p über A ist damit definiert als ( n, 0 6= p = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 mit a0 , . . . , an ∈ A, an 6= 0, grad p := −∞, p = 0. Die Summe und das Produkt von Polynomen über A definieren wir dann indem wir einfach die Formel abschreiben, die sich bei der Berechnung von Summe und Produkt von Polynomfunktionen ergeben hat. Lemma 3.10 (Der Polynomring über A) Sei (A, +, ·) ein kommutativer Ring und bezeichne ( n ) X A[x] := ai xi n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ A i=0 die Menge der Polynome über A. Definieren wir auf A[x] Addition und Multiplikation durch n n n X X X i i (ai + bi )xi , bi x := ai x + i=0 n X ! ai x i · i=0 i=0 m X bi x ! i := i=0 i=0 " i n+m X X i=0 # aj bi−j · xi , j=0 so wird (A[x], +, ·) ein kommutativer Ring. Besitzt dabei A ein Einselement 1, so besitzt auch A[x] ein Einselement, nämlich das Polynom p = 1 := 1 · x0 . Für alle Polynome p, q ∈ A[x] gilt grad(p + q) ≤ max{grad p, grad q}, grad(p · q) ≤ grad(p) + grad(q). Beweis: Als erstes müssen wir zeigen, dass (A[x], +) eine kommutative Gruppe ist. Die Assoziativität der Addition ist dabei einfach, sind p, q, r ∈ A[x], so können wir nach eventuellen Hinzufügen führender Nullen p= n X i=0 ai xi , q = n X bi xi und r = i=0 7-4 n X i=0 ci xi Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 mit n ∈ N, ai , bi , ci ∈ A für 0 ≤ i ≤ n schreiben. Dann wird (p + q) + r = n X i (ai + bi )x + n X i=0 i ci x = n X i=0 i ((ai + bi ) + ci )x = i=0 = n X (ai + (bi + ci ))xi i=0 n X n X ai xi + i=0 (bi + ci )xi = p + (q + r), i=0 und damit ist die Addition assoziativ. Das PPolynom p = 0 ist offenbar ein neutrales Element der Addition. Ist schließlich p = ni=0 ai xi ∈ A[x] mit n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ A, so ist n n X X i −p := (−ai )x mit p + (−p) = (ai − ai )xi = 0, i=0 i=0 d.h. −p ist das additive Inverse zu p. Genau wie das Assoziativgesetz kann man auch das Kommutativgesetz der Addition p + q = q + p für p, q ∈ A[x] nachweisen, d.h. (A[x], +) ist eine kommutative Gruppe. Als nächstes untersuche wir die Multiplikation von Polynomen, und hier ist der Nachweis des Assoziativ– und Kommutativgesetzes leider etwas Arbeit. Wir geben uns drei Polynome p= n X ai xi , q = m X i=0 bi xi und r = i=0 s X ci xi i=0 mit n, m, s ∈ A, a0 , . . . , an ∈ A, b0 , . . . , bm ∈ A und c0 , . . . , cs ∈ A vor. Die Formel p · q = q · p ist klar wenn wir das Produkt in der symmetrischen Form " # n+m X X ai bj · xk p·q = k=0 i+j=k schreiben, da ja die Multiplikation in A als kommutativ vorausgesetzt ist. Auch für das Assoziativgesetz verwenden wir diese symmetrische Form und schreiben # ! ! " n+m s X X X ai bj · xk · cl xl (p · q) · r = k=0 l=0 i+j=k = ! " n+m+s X X t=0 X k+l=t ai bj # · cl · xt = n+m+s X t=0 i+j=k " # X ai b j c l · x t . i+j+l=t In der anderen Klammerung wird p · (q · r) = (q · r) · p = n+m+s X t=0 # " X b j c l ai · x t = j+l+i=t n+m+s X t=0 " # X ai b j c l · x t , i+j+l=t und wir haben das Assoziativgesetz (p · q) · r = p · (q · r) der Multiplikation eingesehen. Es verbleibt nur noch der Nachweis der Distributivgesetze, und da die Multiplikation 7-5 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 kommutativ ist, reicht es p · (q + r) = p · q + p · r zu rechnen. Wir geben uns also wieder drei Polynome n m m X X X i i p= ai x , q = bi x und r = ci xi i=0 i=0 i=0 mit n, m ∈ A, a0 , . . . , an ∈ A, b0 , . . . , bm ∈ A und c0 , . . . , cm ∈ A vor und rechnen ! ! n+m " # n m X X X X p · (q + r) = ai xi · (bj + cj )xj = ai (bj + cj ) · xk i=0 = n+m X k=0 " j=0 # X i+j=k k (ai bj + ai cj ) ·x = k=0 n+m X k=0 i+j=k # " X k ai bj ·x + n+m X k=0 i+j=k # " X ai cj ·xk = p·q+p·r. i+j=k Damit ist (A[x], +, ·) tatsächlich ein kommutativer Ring. Hat A eine 1, so ist p = 1 offenbar eine Eins von A[x]. Wir müssen also nur noch die Aussage über den Grad von Summe und Produkt zeigen. Seien also wieder p= n X i ai x , q = i=0 m X bi x i i=0 mit n, m ∈ A, a0 , . . . , an ∈ A, b0 , . . . , bm ∈ A gegeben. Wir beginnen mit der Aussage über die Summe, also grad(p+q) ≤ max{grad p, grad q}. Ist p+q = 0, also grad(p+q) = −∞, so gilt dies trivialerweise. Nun sei p + q 6= 0. Dann ist auch p 6= 0 oder q 6= 0 und wir können durch eventuelles Auffüllen eines der beiden Polynome mit Nullen auch n = m mit an 6=P0 oder bn 6= 0 annehmen. Dann ist max{grad p, grad q} = n und n i wegen p + q = i=0 (ai + bi )x ist auch grad(p + q) ≤ n. Damit ist diese Aussage bewiesen. Es bleint nur noch die Produktformel grad(p · q) ≤ grad(p) + grad(q) zu zeigen. Ist p = 0 oder q = 0, so ist auch p · q = 0. Wegen grad(p) = −∞ oder grad(q) = −∞ ist grad(p) + grad(q) = −∞ = grad(p · q), und wir sind in diesem Fall fertig. Nun nehme p, q 6= 0 und dann können wir durch eventuelles Streichen führender Nullen auch anP6= 0 P und bm 6= 0 annehmen, d.h. n = grad(p) und m = grad(q). Wegen n+m p · q = k=0 ( i+j=k ai bj )xk ist grad(p · q) ≤ n + m = grad(p) + grad(q). Die Formel für den Grad eines Produkt ist ein wenig verwunderlich, für normale“ ” Polynome als reelle Funktionen sind wir hier an ein =“ und nicht an ≤“ gewöhnt. ” ” Für allgemeine Ringe A muss die Gleichheit tatsächlich nicht gelten. Nehmen wir beispielsweise einmal den Restklassenring A = Z4 und betrachten die beiden Polynome p = 2x2 + 1 und q = 2x2 + x + 1 grad(p) = grad(q) = 2. Das Produkt wird zu p · q = (2x2 + 1) · (2x2 + x + 1) = 4x4 + 2x3 + 4x2 + x + 1 = 2x3 + x + 1 7-6 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 da im Ring A = Z4 ja 4 = 0 gilt. Somit ist in diesem Beispiel grad(p · q) = 3 < grad(p) + grad(q). Wir können diese Situationen noch etwas näher analysieren und uns fragen wann der Grad eines Produkts von Polynomen denn gleich der Summe der Einzelgrade ist? Sind p = an xn + · · · und q = bm xm + · · · mit an , bm 6= 0, also n = grad(p) und m = grad(q), so haben wir pq = an bm xn+m + · · · also grad(pq) = n + m genau dann wenn an bm 6= 0 ist. Haben wir insbesondere einen Ring in dem das Produkt zweier von Null verschiedener Elemente immer von Null verschieden ist, so ist auch der Grad des Produkts zweier Polynome immer die Summe der Einzelgrade. Dies trifft beispielsweise auf den Ring A = R der reellen Zahlen zu. Abgesehen von diesem etwas ungewohnten Verhalten des Polynomgrads verläuft das Rechnen mit Polynomen dann wie üblich. Insbesondere gibt es weiterhin eine Division von Polynomen mit Rest. Angenommen wir haben zwei Polynome p, q ∈ A[x] über dem kommutativen Ring A mit Eins. Bei der Division mit Rest suchen wir zwei weitere Polynome, einen Quotienten f ∈ A[x] und einen Rest r ∈ A[x] mit p = f · q + r, grad(r) < grad(q). An den Divisor q müssen wir eine kleine Bedingung stellen damit dies definiert ist, der höchste Koeffizient von q muss in A invertierbar sein. Insbesondere darf also q nicht Null sein. Die Berechnung von f und r erfolgt dann wie aus der Schule gewohnt. Als ein Beispiel wollen wir einmal x3 + x2 + 2x + 5 : 3x2 + 1 über A = Z14 rechnen. Da 3 und 14 teilerfremd ist der höchste Koeffizient 3 von 3x2 + 1 in Z14 invertierbar, das inverse Element ist wegen 3 · 5 = 15 ≡ 1 mod 14 gleich inv(3) = 5. Nun führen wir die schriftliche Division durch, wobei die Divsion durch 3 als Multiplikation mit inv(3) = 5 ausgeführt wird: x3 + x2 + 2x + 5 : 3x2 + 1 = 5x + 5 −(x3 + 5x) 2 x + 11x + 5 − (x2 + 5) 11x wir haben also den Quotienten f (x) = 5x + 5 und den Rest r(x) = 11x. In der Tat ist (5x + 5) · (3x2 + 1) + 11x = x3 + x2 + 2x + 5. Wie bei ganzen Zahlen können wir dann auch einen Teilbarkeitsbegriff für Polynome einführen, und haben sogar ein Analogon zu den Primzahlen. Man nennt ein Polynom f ∈ A[x] irreduzibel, wenn man f nicht als ein Produkt f = p · q zweier Polynome p, q ∈ A[x] von echt kleineren Grad grad(p), grad(q) < grad(f ) schreiben kann. 7-7 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 §4 Dienstag 8.5 Körper Nach Gruppen und Ringen kommen wir jetzt zur letzten der algebraischen Grundstrukturen, den sogenannten Körpern. Ein Körper ist ein kommutativer Ring mit Eins in dem jedes von Null verschiedene Element invertierbar ist. Für die exakte Definition eines Körpers gibt es verschiedene, aber äquivalente Möglichkeiten, von denen wir die folgende wählen. Definition 4.1: Ein kommutativer Ring (K, +, ·) heißt Körper, wenn (K ∗ , ·) eine Gruppe ist. Wir wollen die Definition eines Körpers jetzt noch etwas expliziter umformulieren. Ein kommutativer Ring (A, +, ·) hat assoziative Multiplikation, d.h. (A, ·) ist eine Halbgruppe. Wann ist nun (A, +, ·) ein Körper? Definitionsgemäß muss (A∗ , ·) eine Gruppe sein. Zum einen muss die Multiplikation also überhaupt eine binäre Verknüpfung auf A∗ sein, d.h. für alle a, b ∈ A\{0} muss auch ab ∈ A\{0} sein. Als Kontraposition formuliert besagt dies ∀(a, b ∈ A) : a · b = 0 =⇒ a = 0 ∨ b = 0. Weiter muss (A∗ , ·) ein neutrales Element besitzen, es muss also ein Element 1 ∈ A∗ mit 1 · a = a für alle a ∈ A∗ geben. Da wir bereits in §3 gesehen haben, dass a · 0 = 0 · a = 0 für alle a ∈ A gilt, ist dann auch 1 · 0 = 0, d.h. es gilt 1 · a = a für überhaupt alle a ∈ A. Dass (A∗ , ·) ein neutrales Element der Multiplikation besitzt, besagt also genau das der Ring A eine Eins mit 1 6= 0 besitzt. Schließlich bedeutet die Existenz multiplikativer Inverser in A∗ das jedes von Null verschiedene Element von A invertierbar ist, dass also U (A) = A∗ gilt, wobei U (A) wieder die Einheitengruppe von A bezeichnet. Lemma 4.2 (Kennzeichung von Körpern) Das Tripel (K, +·) ist genau dann ein Körper wenn die folgenden drei Bedingungen gelten: (K1) (K, +, ·) ist ein kommutativer Ring. (K2) Es gibt ein multiplikatives neutrales Element, d.h. es existiert ein 1 ∈ K mit 1 6= 0 und 1 · x = x für alle x ∈ K. (K3) Für alle x ∈ K ∗ existiert ein multiplikatives Inverses. Beweis: Dies folgt fast vollständig aus unseren einleitenden Überlegungen. Wir müssen nur noch zeigen, dass aus den drei Bedingungen (K1), (K2) und (K3) auch x · y 6= 0 für alle x, y ∈ K mit x, y 6= 0 folgt. Seien also x, y ∈ K\{0} gegeben. Nach (K3) existiert ein multiplikatives Inverses y 0 ∈ K zu y, also y · y 0 = 1. Wäre jetzt x · y = 0, so hätten wir auch x = x · 1 = x · (y · y 0 ) = (x · y) · y 0 = 0 · y 0 = 0, 7-8 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 im Widerspruch zu x 6= 0, also ist x · y 6= 0. Wir kennen bereits einige Beispiele und Gegenbeispiele von Körpern, etwa 1. Die rationalen Zahlen (Q, +, ·) bilden einen Körper. 2. Die reellen Zahlen (R, +, ·) bilden einen Körper. 3. Ist p eine Primzahl, so bildet der Restklassenring Zp modulo p nach §3.Satz 6 einen Körper. 4. Dagegen bilden die ganzen Zahlen (Z, +, ·) keinen Körper, da etwa 2 kein multiplikatives Inverses besitzt. 5. Auch der Restklassenring Z4 modulo 4 bildet keinen Körper, denn hier ist sogar [2] [2] = [4] = [0], das Produkt von Null verschiedener Elemente kann also Null werden. In der letzten Sitzung haben wir mit der Besprechung der Körperaxiome begonnen. Unter anderem hatten wir gezeigt, dass in einem Körper das Produkt zweier von Null verschiedener stets wieder von Null verschieden ist. Da diese Tatsache so oft verwendet wird, wollen wir sie noch in einem eigenen Lemma festhalten. Lemma 4.3: In einem Körper (K, +, ·) gilt x · 0 = 0 für alle x ∈ K. Ferner folgt für x, y ∈ K aus x · y = 0 auch x = 0 oder y = 0. Beweis: Die erste Aussage gilt nach §3 in jedem Ring und die zweite ist nur die Kontraposition der im Beweis des letzten Lemmas bewiesenen Aussage ∀(x, y ∈ K) : x 6= 0 ∧ y 6= 0 =⇒ x · y 6= 0. In einem Körper gelten alle die normalen“ Rechenregeln für die Grundrechenarten. ” Die meisten der hiermit gemeinten Formeln wollen wir jetzt einmal durchgehen. Sei hierzu (K, +, ·) ein Körper. 1. Für a ∈ K, n ∈ N haben wir die Potenz an ∈ K als n-faches Produkt von a mit sich selbst. Für a 6= 0 können wir dabei sogar Potenzen an für alle n ∈ Z bilden. Da (K ∗ , ·) eine Gruppe ist, wissen wir all dies bereits aus unseren Überlegungen in §2. Streng genommen wird hiervon a = 0 nicht erfasst, aber dies ist ein trivialer Sonderfall. 2. Für alle x, y ∈ K und alle n ∈ N gilt (xy)n = xn y n . Diese Aussage folgt aus der Kommutativität der Multiplikation, durch Umsortieren der Faktoren erhalten wir nämlich (xy)n = xy · xy · . . . · xy = |x · .{z . . · x} · y · . . . · y = xn y n . | {z } | {z } n mal n mal 7-9 n mal Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 3. Für jedes x ∈ K gilt −x = (−1) · x. Die Eindeutigkeit des additiven Inversen gemäß §2.Lemma 4 ergibt das wir nur testen müssen ob x + (−1)x = 0 gilt. In der Tat liefert das Distributivgesetz x + (−1) · x = 1 · x + (−1) · x = (1 − 1) · x = 0 · x = 0. 4. Es ist (−1)2 = 1 denn die vorige Formel ergibt (−1)2 = (−1) · (−1) = −(−1) = 1. 5. Für jedes x ∈ K ist (−x)2 = x2 denn mit den schon eingesehenen Formeln folgt (−x)2 = ((−1) · x)2 = (−1)2 x2 = 1 · x2 = x2 . 6. In §3 hatten wir die Subtraktion in Ringen als x − y := x + (−y) für x, y ∈ K eingeführt. Entsprechend können wir für x, y ∈ K mit y 6= 0 auch den Bruch x := x · inv(y) y einführen. Dann ist insbesondere 1 x 1 = 1 · inv(y) = inv(y) =⇒ = x · . y y y Wir werden uns klarmachen das für diese Brüche die normalen Bruchrechenregeln gelten. 7. Brüche können erweitert werden, d.h. für alle x, y, z ∈ K mit y, z 6= 0 gilt x xz = xz · inv(yz) = xz · inv(z) · inv(y) = x · 1 · inv(y) = x · inv(y) = . yz y 8. Bei der Multiplikation von Brüchen werden Zähler und Nenner jeweils einzeln miteinander multipliziert, d.h. für alle x, y, u, v ∈ K mit u, v 6= 0 gilt x y xy · = x · inv(u) · y · inv(v) = xy · inv(v) · inv(u) = xy · inv(uv) = . u v uv 9. Kehrwerte von Brüchen entstehen durch Vertauschen von Zähler und Nenner, d.h. für alle x, y ∈ K\{0} ist x 1 y = inv = inv(x · inv(y)) = inv(inv(y)) · inv(x) = y · inv(x) = . x y x y 10. Brüche werden auch wie üblich durcheinander geteilt, d.h. für alle x, y, u, v ∈ K mit y, u, v 6= 0 gilt x x 1 x v xv u · y = · = . y = u u y uy v v 7-10 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 8.5 11. Als letztes gilt auch die normale Formel für die Addition von Brüchen, also alles auf Hauptnenner bringen und dann die Zähler addieren. Für x, yu, v ∈ K mit u, v 6= 0 ist nämlich x y xv uy xv + uy + = + = xv · inv(uv) + uy · inv(uv) = (xv + uy) · inv(uv) = . u v uv uv uv In Körpern kann man also mit den Grundrechenarten normal rechnen. Dieses normale ” Rechnen“ bezieht sich aber nur auf Gleichungen, nicht auf Verschiedenheitsaussagen. Zum Beispiel kann in einem Körper sehr wohl 1 + 1 = 0 gelten. Wir kennen auch schon ein Beispiel hierfür, wie eingangs bemerkt ist der Restklassenring Z2 ein Körper und wegen 1 + 1 = 2 ≡ 0 mod 2 gilt in diesem die Gleichung 1 + 1 = 0. Entsprechend ergeben sich mit anderen Restklassenringen weitere Beispiele für Körper mit unerwarteten Eigenschaften. Nicht jeder Restklassenring ist ein Körper, und wir wollen jetzt bestimmen welche genau die Körper unter den Restklassenringen sind. Satz 4.4: Sei n ∈ N∗ . Dann ist der Restklassenring (Zn , ⊕, ) genau dann ein Körper wenn n eine Primzahl ist. Beweis: ”⇐=” Dies wissen wir bereits nach §3.Satz 6. ”=⇒” Wir zeigen die Kontraposition, d.h. ist n keine Primzahl so ist Zn kein Körper. Sei also n keine Primzahl. Wir unterscheiden zwei Fälle. Fall 1. Sei n = 1. Dann ist Zn = {[0]}, also gilt 1 = 0 in Zn und Zn ist kein Körper. Fall 2. Nun sei n > 1. Da n keine Primzahl ist, können wir dann n = xy mit ganzen Zahlen x, y ∈ Z mit 1 < x, y < n schreiben. Damit ist aber [x], [y] 6= 0 in Zn aber [x] [y] = [xy] = [n] = 0 in Zn und nach Lemma 3 ist Zn kein Körper. 7-11