2.5.6 Dokumentation der erhobenen Daten

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Dunkle Schokolade und arterieller Blutdruck bei Patienten
mit hohem kardiovaskulären Risiko
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
Dr. med.
an der Medizinischen Fakultät
der Universität Leipzig
eingereicht von:
Daniela Kobler, geboren am 22.12.1982 in Leipzig
angefertigt an:
Herzzentrum der Universität Leipzig
Betreuer:
Dr. med. Steffen Desch
Prof. Dr. med. Holger Thiele
Prof. Dr. med. Gerhard Schuler
Beschluss über die Verleihung des Doktorgrades vom: 21.06.2011
1
Bibliographische Beschreibung:
Kobler, Daniela
Dunkle Schokolade und arterieller Blutdruck bei Patienten mit hohem
kardiovaskulären Risiko
Universität Leipzig, Dissertation
48 S., 32 Lit., 7 Abb., 5 Tab., 1 Anlage
REFERAT:
Hintergrund und Ziel der Arbeit
Flavanolreiche dunkle Schokolade hat möglicherweise eine blutdrucksenkende
Wirkung. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der Fragestellung, ob bei
der postulierten antihypertensiven Wirkung flavanolreicher dunkler Schokolade eine
Dosisabhängigkeit besteht. Hierfür wurden 2 Dosen flavanolreicher dunkler
Schokolade miteinander verglichen.
Methoden
Es wurden 102 Patienten mit vorbestehendem hochnormalen Blutdruck oder
Hypertonie Grad 1 sowie kardiovaskulären Endorganschäden und/ oder einem
Diabetes mellitus im Verhältnis 1:1 in 2 Gruppen randomisiert. Die Teilnehmer
erhielten über einen Zeitraum von 3 Monaten entweder 6 g/Tag oder 25 g/Tag
flavanolreiche dunkle Schokolade. Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung
des mittleren Blutdrucks über 24 Stunden zwischen den beiden Behandlungsgruppen
definiert.
2
Ergebnisse
In beiden Studienarmen zeigte sich ein signifikanter Abfall des arteriellen
Mitteldrucks zwischen Ausgangswerten und Follow-up nach 3 Monaten (6 g/Tag: 2.3
mmHg, 95% Konfidenzintervall -4.1 bis -0.4; 25 g/Tag: -1.9 mmHg, 95%
Konfidenzintervall -3.6 bis -0.2). Zwischen den beiden Behandlungsarmen konnte
jedoch kein signifikanter Unterschied gezeigt werden. In der Gruppe mit der höheren
Dosierung (25 g/Tag) war ein leichter Anstieg des Körpergewichts zu verzeichnen
(0.8 kg, 95% Konfidenzintervall 0.06 bis 1.6).
Schlussfolgerung
Die Einnahme flavanolreicher dunkler Schokolade ist möglicherweise mit einem
blutdrucksenkenden Effekt assoziiert. Als Limitation muss auf die fehlende
Kontrollgruppe hingewiesen werden, so dass auch andere Faktoren zu dem
beobachteten Blutdruckabfall geführt haben könnten.
3
1
EINLEITUNG ....................................................................................................... 6
2
METHODEN ...................................................................................................... 15
2.1
Überblick über das Studiendesign .............................................................. 15
2.2
Einschlusskriterien ..................................................................................... 15
2.3
Ausschlusskriterien .................................................................................... 16
2.4
Screening und Randomisation ................................................................... 16
2.5
Praktische Aspekte des Studienablaufs ..................................................... 18
2.5.1
Prüfschokolade, Ernährungsempfehlungen ........................................ 18
2.5.2
Blutdruckmessungen ........................................................................... 19
2.5.3
Messungen des Körpergewichts ......................................................... 22
2.5.4
Verblindung ......................................................................................... 22
2.5.5
Blutproben ........................................................................................... 22
2.5.6
Dokumentation der erhobenen Daten ................................................. 23
2.6
3
Statistik....................................................................................................... 23
2.6.1
Endpunkte ........................................................................................... 23
2.6.2
Fallzahlplanung ................................................................................... 23
2.6.3
Analyse der Daten............................................................................... 24
ERGEBNISSE ................................................................................................... 25
3.1
Patienten .................................................................................................... 25
3.2
Blutdruckveränderungen ............................................................................ 29
3.3
Verträglichkeit, Sicherheit und Serummarker ............................................. 33
4
DISKUSSION .................................................................................................... 34
5
ZUSAMMENFASSUNG DER ARBEIT .............................................................. 37
4
6
LITERATUR ...................................................................................................... 39
7
ANHANG ........................................................................................................... 43
7.1
Votum der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität
Leipzig................................................................................................................... 43
8
DANKSAGUNG ................................................................................................. 45
9
ERKLÄRUNG ÜBER DIE EIGENSTÄNDIGE ABFASSUNG DER ARBEIT ...... 46
10
WISSENSCHAFTLICHER WERDEGANG .................................................... 47
5
1
EINLEITUNG
Bereits für die Azteken im 14. Jahrhundert galt die Kakaopflanze (lat. Theobroma,
„Speise der Götter“) als heilig (Abb. 1). Damals wurde diese Pflanze als Opfergabe,
Zahlungsmittel und zur Zubereitung eines Gewürztrankes verwendet, der im
Gegensatz zur heutigen Vorstellung eines Kakaogetränkes keinesfalls süß war. Er
bestand im Wesentlichen aus Wasser, Kakao, Vanille, Mais, Cayennepfeffer und
Salz.
Abb. 1
Kakaopflanze
Mit der Eroberung Mexikos 1519-21 durch Spanien verbreitete sich die Pflanze
zunehmend in Europa.
Erste
Vermutungen
über
einen
möglichen
blutdrucksenkenden
Effekt
von
Kakaoprodukten kamen bei Beobachtungen des Naturvolks der Kuna-Indianer auf.
Die Mehrheit der Kuna-Indianer lebt auch heute noch weitgehend isoliert in
Reservaten auf Inseln vor der Küste Panamas (San-Blas-Inseln, Abb. 2).
6
Abb. 2
Lebensraum der Kuna-Indianer
7
Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie bei auf diesen Inseln lebenden KunaIndianern ist sehr niedrig; ebenso findet sich mit zunehmendem Lebensalter
kein Anstieg des arteriellen Blutdrucks.1 Interessanterweise lässt sich dies bei KunaIndianern, die nach Panama-City emigrieren, nicht mehr nachweisen. Es ist daher
wahrscheinlich, dass die niedrige Prävalenz der arteriellen Hypertonie auf
Umweltfaktoren zurückzuführen ist. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass InselKuna-Indianer
täglich
große
Mengen
an
naturbelassenen,
flavanolreichen
Kakaogetränken konsumieren, wohingegen emigrierte Indianer überwiegend auf
industriell
hergestellte
Kakaoprodukte
zurückgreifen.1
Bei
der
chemischen
Aufbereitung von naturbelassenem Kakao wird jedoch eine Vielzahl biologisch
aktiver Inhaltsstoffe zerstört. Insbesondere die in naturbelassenem Kakao in hoher
Konzentration vorhandene Substanzklasse der Flavanole kommt als möglicher
Mediator einer antihypertensiven Wirkung in Frage (s. unten). Hauptvertreter der
Flavanole sind die Monomere Epicatechin und Catechin sowie deren Polymere (sog.
Procyanidine).2,3 Chemisch gesehen gehören diese Stoffe zu den Flavonoiden, einer
Untergruppe der Polyphenole (Tab. 1).
Tab. 1
Einteilung der Flavonoide (nach4)
Flavonoid
Beispiele
Vorkommen u.a. in
Flavone
Luteolin, Apigenin
Sellerie, Petersilie
Flavonole
Quercetin, Kaempferol, Myricetin Zwiebeln
Flavanole
Catechin, Epicatechin,
Kakao, grüner Tee, Rotwein,
Gallocatechin,
Äpfel
Epigallocatechin,
Epigallocatechingallat
Flavanone
Hesperetin, Naringenin,
Grapefruit, Orange
Eriodictyol,
Isoflavone
Genistein, Daidzein
Sojabohnen
Anthocyanine
Cyanidin, Delphinidin, Malvidin,
Heidelbeeren, blaue Trauben,
Pelargonidin, Peonidin
Kirschen
Als möglicher Mechanismus einer potenziellen antihypertensiven Wirkung von
kakaohaltigen Produkten wird eine vermehrte Bioverfügbarkeit des starken
Vasodilatators Stickstoff-Monoxid (nitric oxide, NO) postuliert. So kommt es nach
8
Einnahme
von
flavanolreichen
Kakaoprodukten
zu
einer
NO-abhängigen
Vasodilation.5,6 Durch die Infusion of L-NG-Monomethyl-Arginin, einem Inhibitor der
NO-Synthese, lassen sich diese Effekte aufheben.6 In einer randomisierten
kontrollierten Studie führte die Einnahme flavanolreicher Schokolade zu einem
Blutdruckabfall sowie zu einem parallelen Anstieg der Serumspiegel des NOFolgeproduktes S-Nitrosoglutathion.7
Es ist wahrscheinlich, dass diese Effekte auf den NO-Stoffwechsel durch Flavanole
(insbesondere Epicatechin) vermittelt werden. Ex vivo führen Flavanole zu einer
endothelabhängigen Vasodilatation isolierter Aortenringe. 8 Die Stimulation von
Endothelzellen mit Polyphenolen führt in vitro zu einer Hochregulation der
Transkription der NO-Synthase und damit zu einer vermehrten NO-Aktivität.9 Bei
gesunden Probanden führten sowohl die Einnahme flavanolreichen Kakaos als auch
von Epicatechin als Reinsubstanz zu vergleichbaren Anstiegen der flussabhängigen
Vasodilatation.8 Möglicherweise sind jedoch auch andere Mechanismen wie die
Hemmung der Angiotensin-Converting-Enzym-Aktivität an der biologischen Aktivität
von Flavanolen beteiligt.10
Weitere Hinweise auf einen antihypertensiven Effekt von Kakaoprodukten ergeben
sich aus epidemiologischen Studien. In einer holländischen Kohorte von 470
Männern („Zuphten elderly study“) konnte ein inverser Zusammenhang zwischen der
Höhe des Blutdrucks und der konsumierten Menge von Kakaoprodukten gezeigt
werden.11 Der mittlere systolische und diastolische Blutdruck war bei Personen in der
Tertile mit der höchsten Kakaoaufnahme um 3.7 mmHg und 2.1 mmHg niedriger als
in der Tertile mit der niedrigsten Kakaoaufnahme. Daneben stand die Kakao-Zufuhr
in einem umgekehrten Verhältnis zur kardiovaskulären- und Gesamtmortalität.11
Auch in einer jüngst publizierten großen epidemiologischen Studie mit 19357
Teilnehmern und einer mittleren Nachbeobachtungsdauer von ca. 8 Jahren zeigte
sich, dass das relative Risiko, einen Schlaganfall oder Myokardinfarkt zu erleiden, in
der Quartile mit dem höchsten Schokoladenkonsum signifikant niedriger war als in
den Quartilen mit niedrigem Konsum.12 Diese Risikoreduktion konnte zum Teil mit
niedrigeren Blutdruckwerten erklärt werden.
Basierend auf diesen Beobachtungen wurden in den vergangenen Jahren mehrere
randomisierte Studien zum Effekt flavanolreicher Kakaoprodukte (überwiegend
dunkle Schokolade) auf den arteriellen Blutdruck durchgeführt. Die Ergebnisse dieser
Studien wurden jüngst in einer Metanalyse zusammengefasst. 13 Insgesamt wurden
9
10 randomisierte Studien mit 297 Probanden ausgewertet (Tab. 2). Im Vergleich zu
den Kontrollgruppen war in den Interventionsgruppen der systolische Blutdruck im
Mittel um 4.5 mmHg und der diastolische Blutdruck um 2.5 mmHg niedriger (Tab. 2).
10
Randomisierte, kontrollierte Studien zum Effekt von Kakaoprodukten auf den arteriellen Blutdruck (nach 13)
Tab. 2
Studie
Taubert 200314
Murphy 200315
Engler 200416
Grassi 200517
Fraga 200518
Grassi 200519
Taubert 20077
Grassi 200820
Crews 200821
Muniyappa
200822
Intervention
Dunkle
Flavanolreiche
Dunkle
Dunkle
Schokolade Flavanolreiche
Dunkle
Dunkle
Schokolade Dunkle Schokolade Dunkle
Schokolade Flavanolreiches
Schokolade
Tabletten
vs. Schokolade
(flavanolreich)
vs. Milchschokolade Schokolade
(flavanolreich)
vs. (flavanolreich)
vs. (flavanolreich)
und Kakaogetränk
(flavanolreich) vs. flavanolarme
(flavanolreich) vs. weiße
Schokolade vs. flavanolarme (flavanolreich) vs. weiße
Schokolade weiße Schokolade flavanolreiches
vs.
weiße
Tabletten
weiße
(flavanolfrei)
Schokolade
weiße Schokolade (flavanolfrei)
(flavanolfrei)
Kakaogetränk
vs. flavanolarmes
Schokolade
Schokolade
(flavanolfrei)
Placebo
Kakaogetränk
(flavanolfrei)
(flavanolfrei)
Flavanolaufnahme Catechin 27mg/d 234 mg Kakao46 mg
168 mg
168 mg
168 mg
Catechin
Catechin
754 mg
902 mg
in
Epicatechin 81 Flavanole und
Epicatechin/Tag
Flavanole/Tag
Flavanole/Tag
Flavanole/Tag
1.7 mg/Tag
36 mg/Tag
Procyanidine/Tag
Flavanole/Tag
Interventionsgruppe mg/Tag
Procyanidine
213 mg
22 mg
39 mg Catechin 22 mg Catechin
Epicatechin
Epicatechin
(Catechin- und
Catechin 62
(Catechin und
Procyanidine/Tag Catechin
und Epicatechin 66 mg
5.1 mg/Tag
111 mg/Tag
Epicatechin-Werte nicht mg/Tag
Epicatechin
66 mg
126 mg
Epicatechin
angegeben)
Epicatechin
Werte
nicht
Epicatechin
Procyanidine
174 mg/Tag
angegeben)
Procyanidine
676 mg/Tag
Flavanolaufnahme
in Kontrollgruppe
Design
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Randomisiert,
Parallelgruppen,
2 Wochen
Gesunde,
normotensive
Probanden
Randomisiert,
crossover, 15 Tage
Randomisiert,
crossover, 14
Tage
Gesunde,
normotensive,
junge männliche
Probanden
Randomisiert,
Randomisiert,
crossover, 15
Parallelgruppen, 18
Tage
Wochen
Patienten
mit Patienten
mit
Hypertension
Prähypertonie
oder
(Grad 1)
Hypertonie (Grad 1)
Randomisiert,
crossover, 15 Tage
22
(21 ausgewertet)
15
20
44
19
101
(90 ausgewertet)
29
(20 ausgewertet)
1
0
28
(27
ausgewertet)
1
0
0
0
11
9
28/0
18-20
(Spannweite)
10/10
43.7+7.8
(MW+SA)
20/24
11/8
Dunkle Schokolade: 44.8+8.0 (MW+SA)
63.4+4.7 (MW+SA)
Weiße
Schokolade:
63.7+4.8 (MW+SA)
Population
Probandenzahl
Randomisiert,
Randomisiert,
crossover, 14
Parallelgruppen,
Tage
28 Tage
Patienten
mit Gesunde,
isolierter
normotensive
systolischer
Probanden
Hypertension
(Grad 1)
13
32
(28 ausgewertet)
Von
der 0
Auswertung
ausgeschlossene
Probandenzahl
Männer/ Frauen (n) 7/6
Alter (Jahre)
58.8 (MW)
55-64
(Spannweite)
4
17/15
11/11
Aktive Gruppe: 21-55
40+9 (MW+SA)
(Spannweite)
Plazebo:47+4
(MW+SA)
Gesunde,
normotensive
Probanden
7/8
33.9+7.6 (MW+SA)
-
Randomisiert,
Randomisiert,
Parallelgruppen, 6
crossover, 2
Wochen
Wochen
Patienten
mit Gesunde,
ältere Patienten
mit
Hypertonie (Grad 1) Probanden
Hypertonie
und
gestörter
(Grad 1)
Glukosetoleranz
41/60
8/12
Interv.Gruppe: 68.8+8.6 51+1.5
(MW+SA)
(MW+SF)
Plazebo:
68.7+8.0
(MW+SA)
Fortsetzung auf nächster Seite
11
Fortsetzung Tab. 2
Studie
Taubert 200314
Murphy 200315
Engler 200416
Grassi 200517
Fraga 200518
Taubert 20077
123+3/72+2
Grassi
200519
136+6/88+4
Ausgangsblutdruck in
der Interventionsgruppe,
syst./diast. (mmHg+SA)
Ausgangsblutdruck in
der
Kontrollgruppe,
syst./diast. (mmHg+SA)
Antihyp.Medikation
Details
der
Blutdruckmessung
153+ 4/ 85+5
118+13/78+12
121+5/68+3
109+8/72+5
154+4/84+4
116+9/76+8
112+8/66+2
keine
PraxisBlutdruckmessung
(automat.
oszill.
Gerät),
sitzende
Position
Keine
PraxisBlutdruckmessung
(automat.
oszill.
Gerät),
keine
Angaben
zur
Körperposition
Keine
PraxisBlutdruckmessung
(automat.
oszill.
Gerät),
sitzende
Position
Crews 200821
Muniyappa 200822
148+7/86+4
Grassi
200820
135+4/87+4
127+14/74+8
141+3/91+3
110+8/72+5
123+3/71+2
136+6/88+4
148+8/87+4
134+4/87+4
129+14/75+8
140+2/87+2
Keine
PraxisBlutdruckmessung,
Sphygmomanometer,
sitzende Position
Keine
Keine
PraxisABPM
Blutdruckmessung
(automat.
oszill.
Gerät),
keine
Angaben
zur
Körperposition
Keine
Praxis-Blutdruckmessung
(automat. oszill. Gerät),
sitzende Position
Keine
PraxisBlutdruckmessung,
Sphygmomanometer,
sitzende Position
Keine
Keine
PraxisABPM
Blutdruckmessung
(automat.
oszill.
Gerät),
sitzende
Position
Abkürzungen: MW=Mittelwert; SA=Standardabweichung; SF=Standardfehler; ABPM=ambulatory blood pressure monitoring.
12
In der Mehrzahl der Studien wurde die Wirkung hoher Dosen dunkler Schokolade
von bis zu 105 g/Tag über verhältnismäßig kurze Zeiträume (maximal 15 Tage in 7
von 10 Studien) an gesunden Probanden und an Patienten mit Prähypertonus bzw.
Hypertonie
Grad
1 untersucht. Aufgrund
des hohen Energie-,
Fett- und
Zuckergehaltes ist eine dauerhafte Einnahme von hohen Dosen dunkler Schokolade
kritisch zu betrachten. Die in der Kurzzeitbehandlung beobachteten positiven
Auswirkungen auf den Blutdruck könnten so durch die mit einer vermehrten
Energiezufuhr
assoziierten
negativen
Folgen
wie
Gewichtszunahme
oder
metabolische Veränderungen aufgehoben werden. Unter Berücksichtigung der
möglichen negativen Effekte höherer Dosierungen von dunkler Schokolade rückt
besonders eine Studie dieser Metanalyse in den Fokus.7 In dieser Studie nahmen die
Probanden täglich über einen längeren Zeitraum von 18 Wochen eine niedrige Dosis
dunkler Schokolade zu sich (6 g/Tag). Dies entspricht einer zusätzlichen
Kalorienaufnahme von lediglich 30 kcal/Tag. Es zeigte sich eine Absenkung des
systolischen Blutdruckes von 2.9 mmHg und des diastolischen Blutdruckes von 1.9
mmHg verglichen mit der Kontrollgruppe, die flavanolfreie weiße Schokolade zu sich
nahm. Die Blutdrucksenkung war im Vergleich zu Studien mit höherer Dosierung
allerdings tendenziell geringer ausgeprägt. Es zeigten sich keine negativen Effekte
auf den Metabolismus wie beispielsweise eine Gewichtszunahme. Neben der
offenen Frage einer potenziellen Dosisabhängigkeit existierten bisher nur minimale
Daten zum Effekt von Kakaoprodukten bei Patienten mit kardiovaskulären
Endorganschäden. Gerade dieses Hochrisiko-Kollektiv würde aber möglicherweise
von einem blutdrucksenkenden Effekt am meisten profitieren. Diese Patientengruppe
ist daher im Hinblick auf die postulierte protektive Wirkung von Kakaoprodukten von
besonderem Interesse.
Ziel dieser Arbeit war die Beantwortung der Fragestellung, ob bei der postulierten
antihypertensiven
Wirkung
flavanolreicher
dunkler
Schokolade
eine
Dosisabhängigkeit besteht, d.h. ob ein möglicher blutdrucksenkender Effekt durch
eine Dosiserhöhung gesteigert werden kann. Hierfür wurden 2 Dosen flavanolreicher
dunkler Schokolade (6 g/Tag und 25 g/Tag) über einen Zeitraum von 3 Monaten
miteinander verglichen. Zusätzlich sollten eventuelle Unterschiede in Bezug auf
unerwünschte Wirkungen zwischen beiden Dosierungen erfasst werden. Ferner
wurden
angesichts
weitgehend
fehlender
Daten
bei
Hochrisikokollektiven
13
ausschließlich
Patienten
mit
bereits
bestehenden
kardiovaskulären
Endorganschäden und/oder Diabetes mellitus in die Studie eingeschlossen.
14
2
2.1
METHODEN
Überblick über das Studiendesign
Patienten mit hochnormalem Blutdruck oder Grad-1-Hypertonie und bereits
bestehenden
Endorganschäden
und/oder
Diabetes
mellitus
wurden
in
2
Behandlungsgruppen randomisiert: Einnahme von (a) 6 g/Tag oder (b) 25 g/Tag
flavanolreicher dunkler Schokolade über einen Zeitraum von 3 Monaten. Als primärer
Endpunkt wurde die Veränderung des mittleren Blutdruckes (mean arterial pressure,
MAP) über 24 Stunden zwischen beiden Behandlungsgruppen definiert.
2.2
Einschlusskriterien
Folgende Einschlusskriterien wurden definiert:
 Blutdruck systolisch 125-146 und/oder diastolisch 80-89 mmHg (ambulante
Langzeitblutdruckmessung, im Folgenden als ABPM bezeichnet ambulatory
blood pressure monitoring). Diese Blutdruckgrenzen lehnen sich an die
Kategorien hochnormal und Hypertonie Grad 1 nach den aktuellen
Empfehlungen der European Society of Cardiology/European Society of
Hypertension an.23 Da es sich hierbei um Empfehlungen zur PraxisBlutdruckmessung handelt und ABPM-Messwerte in der Regel systematisch
etwas niedriger liegen, wurden Anpassungen gemäß aktueller Empfehlungen
der Deutschen Hochdruckliga an Analogwerte vorgenommen.24
 Hohes kardiovaskuläres Risiko (definiert als das Vorhandensein einer oder
mehrerer der folgenden Erkrankungen: angiographisch gesicherte koronare
Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Stenose(n) der A.
carotis communis oder interna 50%, Diabetes mellitus Typ 1 oder 2). Vom
Vorliegen eines Diabetes mellitus wurde hierbei ausgegangen, wenn dies aus
Vordaten wie z.B. Arztberichten oder der Einnahme antidabetischer
Medikation hervorging. Bei bislang nicht bekanntem Diabetes mellitus wurden
die Diagnosekriterien der Deutschen Diabetes Gesellschaft herangezogen.
 Alter 18 Jahre
 Vorliegen der Einverständniserklärung
15
2.3
Ausschlusskriterien
 Regelmäßiger Konsum von Schokolade oder Kakaoprodukten
 Blutdruck systolisch 147 und/oder diastolisch 90 mmHg (ABPM-Mittelwerte)
 Veränderung einer bestehenden antihypertensiven Medikation in den 6
Wochen vor geplanter Randomisation
 Teilnahme an einer anderen Studie
 Schwangerschaft
 Unzureichend behandelter Diabetes mellitus (HbA1c >9%) oder akute
diabetische Stoffwechselentgleisung
 Rauchen innerhalb der vorangehenden 5 Jahre
 Schwere
Begleiterkrankungen,
insbesondere
jegliche
Art
von
während
der
Karzinomerkrankungen
Eine
evtl.
vorbestehende
antihypertensive
Medikation
wurde
Studiendauer unverändert beibehalten. Es wurde a priori festgelegt, dass bei
Dokumentation von Blutdruckwerten von systolisch 147 und/oder diastolisch 90
mmHg (ABPM-Mittelwerte) die Studie aus Sicherheitsaspekten für den jeweiligen
Patienten beendet und eine Intensivierung der medikamentösen Therapie eingeleitet
wird.
2.4
Screening und Randomisation
Das Screening in Bezug auf eine prinzipielle Eignung der Patienten erfolgte über das
elektronische Patientenverwaltungssystem des Herzzentrums der Universität Leipzig.
Bei potentieller Eignung erfolgte eine (in der Regel telefonische) Kontaktaufnahme.
Die weiteren Schritte sind in Abb. 3 dargestellt.
16
Abb. 3
Flussdiagramm
17
Nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien, Aufklärung und Vorliegen der
Einverständniserklärung erfolgte eine Randomisation in 2 Therapiegruppen im
Verhältnis 1:1.
Gruppe 1
Flavanolreiche dunkle Schokolade 6 g/Tag (Ritter Sport, Halbbitter, Alfred Ritter
GmbH & Co. KG, 71108 Waldenbuch, Deutschland) über 3 Monate.
Gruppe 2
Flavanolreiche dunkle Schokolade 25 g/Tag (Ritter Sport, Halbbitter, Alfred Ritter
GmbH & Co. KG, 71108 Waldenbuch, Deutschland) über 3 Monate.
Die
Zuteilung
zu
den
Therapiegruppen
erfolgte
über
eine
durch
einen
Zufallsgenerator erzeugte Liste mittels permutierter Blockrandomisation.
2.5
Praktische Aspekte des Studienablaufs
2.5.1 Prüfschokolade, Ernährungsempfehlungen
Die Prüfschokolade wurde bereits in mehreren Vorstudien verwendet. 7,14,17,19
Energie- und Nährwertangaben der Prüfprodukte inkl. Gehalt an Flavanolen finden
sich bei Taubert et al.7 Die Dosis von 6 g/Tag entspricht der Dosierung in der Studie
von Taubert et al, in der bei hypertensiven Patienten eine Senkung des Blutdrucks
(systolisch – 2.9 mmHg, diastolisch – 1.9 mmHg) nach einer Therapiedauer von 18
Wochen erzielt werden konnte (Kontrollgruppe: weiße Schokolade). 7 Die Dosierung
von 25 g/Tag in Gruppe 2 wurde aufgrund folgender Überlegungen gewählt:
1. mutmaßlich ausgeprägterer antihypertensiver Effekt gegenüber 6 g/Tag
2. noch moderate vermehrte Zufuhr von Energieträgern gegenüber 6 g/Tag i.S.
einer Limitierung potentieller unerwünschter Wirkungen
3. mutmaßlich nicht zu erwartende Compliance-Probleme gegenüber höheren
Dosierungen
18
Die Verpackung der Prüfschokolade erfolgte in nummerierten, verschlossenen und
undurchsichtigen Kartonagen mit identischem Aussehen, so dass die jeweilige
Dosierung für die beteiligten Prüfer nicht zu erkennen war. Alle Patienten erhielten
vor
Beginn
der
Studie
im
Rahmen
eines
kurzen
Gesprächs folgende
Ernährungsempfehlungen:

Vermeiden
flavanolreicher
Nahrungsmittel.
Hierzu
wurde
eine
Liste
entsprechender Lebensmittel ausgehändigt (Umsetzung dieser Maßnahme
bereits 1 Woche vor Beginn der Einnahme der ersten Dosis)

Ansonsten keine Veränderung der normalen Ernährungsgewohnheiten

Einnahme der Schokolade 2 Stunden nach der Abendmahlzeit in Anlehnung
an Taubert et al.7
2.5.2 Blutdruckmessungen
Die Messungen des arteriellen Blutdrucks erfolgten mittels des automatischen
oszillometrischen Langzeit-Blutdruckmessgerätes Spacelabs 90217 (Spacelabs
Healthcare GmbH, Feucht, Deutschland). Es handelt sich hierbei um ein weit
verbreitetes, validiertes und von einer unabhängigen Expertengruppe empfohlenes
Messgerät.25 Die Messungen erfolgten in Abständen von 30 Minuten über einen
Zeitraum von 24 Stunden. Folgende Definitionen wurden festgelegt:
 Tagesintervall: zwischen 7:00 und 22:00 Uhr
 Nachtintervall: zwischen 22:00 und 7:00 Uhr
Folgende Qualitätskriterien wurden a priori definiert:
 Vergleich der Ergebnisse der initialen Messungen jedes Patienten mit denen
eines Sphygmomanometers, um sicherzustellen, dass die Messwerte nicht um
mehr als 5 mmHg voneinander abweichen
 Wahl der Dicke der Mess-Manschette nach den Empfehlungen des Herstellers
der Oberarmdicke entsprechend
 Mind. 75% der erhobenen Messungen aussagekräftig
19
 Keine fehlenden Messwerte >2 konsekutive Stunden
 Bei Nichterfüllen der Qualitätskriterien war eine Wiederholung der Messung
innerhalb von 3 Tagen gefordert. Sofern auch die erneute Messung nicht den
Qualitätsanforderungen entsprach, wurde der Patient nicht in die Analyse
aufgenommen. Alle Messungen erfolgten ferner nach den Empfehlungen der
American Heart Association.26
Das o.g. oszillometrische Langzeit-Blutdruckmessgerät misst den arteriellen
Mitteldruck direkt zum Zeitpunkt der maximalen Amplitude der Oszillationen (Abb. 4
und 5). Systolischer und diastolischer Blutdruck werden nach einem internen
Hersteller-Algorithmus in Relation zur maximalen Amplitude der Oszillationen
definiert. Der systolische Blutdruck wird hierbei im ansteigenden Teil der
Oszillationskurve bei 50% der maximalen Amplitude festgelegt, der diastolische
Blutdruck im abfallenden Teil der Kurve bei 75% der maximalen Amplitude.
20
Abb. 4
Prinzip des verwendeten ABPM-Messgerätes27
Abkürzungen: ABPM=ambulatory blood pressure monitoring; MAP=mean arterial
pressure.
21
2.5.3 Messungen des Körpergewichts
Messungen des Körpergewichts erfolgten nach Kalibrierung mit einer medizinischen
Waage (Tanita HD-317). Alle Messungen wurden morgens am nüchternen Patient in
Unterwäsche und nach Entleeren der Blase durchgeführt.
2.5.4 Verblindung
Um eine möglichst objektive Erhebung der Daten zu gewährleisten, wurden folgende
Maßnahmen getroffen:

Die an der Studie beteiligten Prüfer wurden explizit nicht von der
Therapiegruppe
in
Kenntnis
gesetzt.
Eine
Offenlegung
der
Randomisationsdaten erfolgte erst nach Beendigung der Studie. Eine
Verblindung
der
teilnehmenden
Patienten
in
Bezug
auf
die
Gruppenzugehörigkeit war jedoch aufgrund der offensichtlichen Unterschiede
in der quantitativen Menge der eingenommenen Schokolade nicht möglich.
Alle teilnehmenden Patienten wurden jedoch zum Stillschweigen angehalten
und darüber informiert, dass eine Offenlegung der Gruppenzugehörigkeit vor
Beendigung der Studie gegenüber den Prüfern zu einem Studienausschluss
führt.

Die Verwaltung der Randomisationsliste erfolgte über einen Arzt, der nicht in
den sonstigen Ablauf der Studie eingebunden war.

Die Analyse der Messdaten erfolgte verblindet.
2.5.5 Blutproben
Die venösen Blutproben wurden nach Entnahme zentrifugiert und das Serum bis zur
Auswertung bei -80° C gelagert.
22
2.5.6 Dokumentation der erhobenen Daten
Alle klinischen Daten und Untersuchungsergebnisse wurden auf standardisierten
Erhebungsbögen
dokumentiert
und
zusammen
mit
den
Patienteneinverständniserklärungen in Studienordnern archiviert.
2.6
Statistik
2.6.1 Endpunkte
Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung des MAP (ABPM) nach 3 Monaten
zwischen den beiden Behandlungsarmen definiert. Als sekundäre Endpunkte wurden
analysiert:

Veränderung des systolischen und diastolischen arteriellen Blutdrucks
(ABPM-Mittelwerte) zwischen den Gruppen

Veränderungen von MAP, systolischem und diastolischem Blutdruck innerhalb
der beiden Gruppen (Baseline vs. Follow-up)

Analysen der zirkadianen Blutdruckmuster

Analysen der Ergebnisse nach Quartilen der Ausgangswerte zu Beginn der
Studie

Veränderungen des Body Mass Index (BMI) zwischen den Gruppen

Veränderungen von HbA1c, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, hsCRP
zwischen den Gruppen
2.6.2 Fallzahlplanung
Die Fallzahlplanung für den primären Endpunkt erfolgte unter der Annahme eines
Unterschiedes des MAP von 3 mmHg zwischen den Gruppen zum Follow-upZeitpunkt nach 3 Monaten. Basierend auf gepoolten Daten publizierter Studien zum
Effekt von dunkler Schokolade auf den Blutdruck wurde eine Standardabweichung
von 5 mmHg zugrunde gelegt. Unter Verwendung eines zweiseitigen T-Test für
23
unabhängige Stichproben, einer Power von 80% und einem zweiseitigen
Signifikanzniveau von 0.05 ergab sich eine Fallzahl von 43 Patienten pro
Therapiegruppe, um die Nullhypothese abzulehnen. Es wurde ferner aufgrund
klinischer Erfahrungen geschätzt, dass ca. 10% der Patienten aus verschiedenen
Gründen nicht in die Auswertung eingehen (Überschreiten des oberen BlutdruckLimits, nicht verwertbare Messungen, „lost to follow-up“ etc.). Es wurde daher eine
Randomisation von 51 Patienten pro Therapiegruppe definiert.
2.6.3 Analyse der Daten
Die Analyse der erhobenen Daten wurde nach dem „Intention-to-treat-Prinzip“
vollzogen. Kategorielle Daten werden als Patientenzahl (n) und prozentualer Anteil
angegeben; kontinuierliche Daten als Mittelwerte mit Standardabweichung, ggf.
zusätzlich 95%-Konfidenzintervalle (sofern sinnvoll). Die Basischarakteristika wurden
für kategorielle Variablen mit dem 2-Test verglichen; für kontinuierliche Daten wurde
bei
Normalverteilung
der
t-Test
für
unabhängige
Stichproben,
bei
nicht
normalverteilten Daten der Wilcoxon-Rangsummen-Test verwendet. Zur Ermittlung
der Unterschiede der postinterventionellen Blutdruckmesswerte zwischen den
Behandlungsgruppen wurde der t-Test für unabhängige Stichproben verwendet
(ferner wurden univariate Kovarianzanalysen durchgeführt, um eine Adjustierung
potentieller Imbalancen der Basischarakteristika vorzunehmen). Für den Vergleich
innerhalb der Behandlungsgruppen wurden die Unterschiede zwischen den
Ausgangsmessungen und den Messungen nach Intervention berechnet und mittels
eines t-Tests für eine Stichprobe verglichen. Die statistische Signifikanz wurde bei
einem zweiseitigen p von 0.05 festgelegt. Die statistische Analyse der erhobenen
Daten erfolgte unter Zuhilfenahme der Software SPSS 17.0 (SPSS, Chicago, USA).
24
3
3.1
ERGEBNISSE
Patienten
Zwischen Februar 2008 und Januar 2009 erfolgte bei 163 Patienten, die nach
klinischen Kriterien potentiell für einen Einschluss geeignet waren, ein Screening
mittels ABPM (Abb. 5). Die letzte Follow-up-Untersuchung wurde im April 2009
durchgeführt. Insgesamt wurden 102 Patienten in die 2 Behandlungsgruppen
randomisiert. Die Mehrzahl der Patienten (73%) wurde aufgrund isoliert systolisch
erhöhter Blutdruckwerte eingeschlossen (gemäß den definierten Einschlusskriterien).
Lediglich 7% der eingeschlossenen Patienten wurden aufgrund isoliert diastolisch
erhöhter Werte zwischen 80-89 mmHg randomisiert.
Die
wichtigsten
Charakteristika
des
Patientenkollektivs
sind
in
Tab.
3
zusammengefasst. Abgesehen von einer etwas höheren Anzahl männlicher
Probanden in Gruppe 2 (25 g/Tag) gab es zwischen den Behandlungsarmen keine
signifikanten
Unterschiede
in
den
Basischarakteristika.
Die
medikamentöse
antihypertensive Therapie war zwischen beiden Behandlungsgruppen ebenfalls nicht
signifikant unterschiedlich (Tab. 3). Nahezu alle Patienten (99%) nahmen mindestens
ein, 93% zwei oder mehr antihypertensive Medikamente ein.
Die Studie wurde von 91 Patienten beendet. Ursachen für Behandlungsabbrüche
bzw. eine Nicht-Berücksichtigung in der Abschluss-Analyse sind in Abb. 5 aufgeführt.
Die Begleitmedikation der Probanden wurde zu keinem Zeitpunkt der dreimonatigen
Behandlung geändert.
25
Abb. 5
Flussdiagramm zum Studienprocedere
Abkürzungen: ABPM=ambulatory blood pressure monitoring.
26
Tab. 3
Patientencharakteristika
Variable
Schokolade
Schokolade
6 g/Tag (n=48) 25 g/Tag (n=43)
p
Alter (Jahre)
66.8  7.7
65.2  7.8
0.32
Männlich; n (%)
31 (65)
40 (93)
0.01
Z.n. Myokardinfarkt; n (%)
8 (17)
13 (30)
0.12
Z.n. Koronarrevaskularisation; n (%)
34 (71)
32 (74)
0.70
Diabetes mellitus; n (%)
22 (46)
13 (30)
0.12
5 (10)
2 (5)
0.30
Diätetisch + orale Antidiabetika
7 (15)
6 (14)
0.93
Insulinabhängig
10 (21)
5 (11)
0.23
Body Mass Index (kg/m²)*
27.4  3.8
28.7  4.1
0.10
Nüchtern-Glukose (mmol/L)
7.0  2.8
6.8  2.8
0.71
hsCRP (nmol/L)
24.1  18.6
20.0  13.8
0.30
LDL-Cholesterin (mmol/L)
2.69  0.83
2.56  0.60
0.41
HDL-Cholesterin (mmol/L)
1.24  0.34
1.14  0.23
0.09
Triglyzeride (mmol/L)
2.50  1.48
1.92  0.94
0.09
Ausschließlich diätetisch
behandelt
Fortsetzung auf nächster Seite
27
Fortsetzung Tab. 3
Variable
Schokolade
Schokolade
6 g/Tag (n=48) 25 g/Tag (n=43)
p
Antihypertensive Medikation; n (%)
Betablocker
39 (81)
40 (93)
0.10
ACE-Hemmer oder Sartan
41 (85)
36 (84)
0.82
Diuretikum
19 (40)
17 (40)
0.99
Calciumantagonist
16 (33)
16 (37)
0.69
Sonstige
8 (17)
10 (23)
0.43
2.7  1.1
2.8  1.0
0.65
0
1 (2)
0 (0)
0.34
1
3 (6)
2 (5)
0.73
2
18 (38)
19 (44)
0.51
3
19 (40)
12 (28)
0.24
4
7 (15)
10 (23)
0.28
Acetylsalicylsäure; n (%)
38 (79)
35 (81)
0.79
Statin; n (%)
33 (69)
30 (70)
0.91
Zahl der antihypertensiven Substanzen;
n (%)
Kontinuierliche Daten werden mittels Mittelwert und Standardabweichung dargestellt
Abkürzungen: ACE=angiotensin converting enzyme; hsCRP=high-sensitivity Creactive protein; LDL=low density lipoprotein; HDL=high density lipoprotein.
* Berechnung: Gewicht in Kilogramm/(Größe in Meter)2
28
3.2
Blutdruckveränderungen
Zu Studienbeginn wurde bei 63% der Patienten ein hochnormaler Blutdruck sowie
bei 37% eine Hypertonie Grad 1 diagnostiziert. Die Blutdruck-Messwerte zu
Behandlungsbeginn und nach 3 Monaten finden sich in Tab. 4.
Tab. 4
Ergebnisse ABPM vor und nach Intervention
Variable
Ausgangswert
3 Monate
95% Konfidenzintervall
95% Konfidenzintervall für
für den Vergleich
den Vergleich zwischen den
innerhalb der Gruppen;
Gruppen; p-Wert
p-Wert
24-h MAP (mmHg)
(-2.9;2.14); 0.77
6 g/Tag
93.4  6.6
91.1  8.5
(-4.1;-0.4); 0.01
25 g/Tag
94.7  6.8
92.8  7.5
(-3.6;-0.2); 0.03
6 g/Tag
130.6  8.5
127.2  11.1
(-5.9;-0.9); 0.009
25 g/Tag
130.6  10.1
127.8  11.6
(-5.2;-0.4); 0.02
6 g/Tag
72.6  7.4
70.8  7.6
(-3.2;-0.4); 0.01
25 g/Tag
75.1  5.9
74.2  6.5
(-2.4;0.5); 0.20
6 g/Tag
96.4  7.0
94.1  8.7
(-4.3;-0.4); 0.02
25 g/Tag
99.2  7.7
96.5  7.6
(-4.6;-0.8); 0.006
24-h syst. BP (mmHg)
(-4.0;2.9); 0.74
24-h diast. BP (mmHg)
(-2.9;1.2); 0.39
Tages-MAP (mmHg)
(-2.3;3.1); 0.77
Tages-syst. BP (mmHg)
(-3.4;4.0); 0.86
6 g/Tag
134.3  8.5
131.1  11.1
(-6.0;-0.6); 0.01
25 g/Tag
135.7  10.7
132.2  11.4
(-6.1;-1.0); 0.007
Tages-diast. BP (mmHg)
(-2.7;1.8); 0.69
6 g/Tag
75.8  8.0
73.9  8.2
(-3.4;-0.3); 0.02
25 g/Tag
79.3  6.5
77.9  6.8
(-3.0;0.2); 0.09
Nacht-MAP (mmHg)
(-4.3;2.1); 0.48
6 g/Tag
88.2  8.1
85.9  9.3
(-4.5;-0.1); 0.03
25 g/Tag
87.7  7.2
86.5  9.5
(-3.6;1.2); 0.31
Nacht-syst. BP (mmHg)
(-10.8;3.2); 0.28
6 g/Tag
124.4  11.1
118.8  20.4
(-11.7;-0.4); 0.06
25 g/Tag
122.5  11.2
120.6  13.8
(-5.1;1.4); 0.25
Nacht-diast. BP (mmHg)
(-3.9;1.2); 0.30
6 g/Tag
67.6  8.1
65.8  8.1
(-3.5;0); 0.04
25 g/Tag
68.5  6.4
68.1  7.9
(-2.3;1.4); 0.63
Daten werden mittels Mittelwert und Standardabweichung dargestellt
Abkürzungen: ABPM=ambulatory blood pressure monitoring; MAP=mean arterial
pressure; BP=blood pressure.
29
In beiden Studienarmen zeigte sich ein signifikanter Abfall von systolischem
Blutdruck und Mitteldruck zwischen Ausgangswerten und Follow-up nach 3 Monaten
(Abb. 6 und 7). Ebenso kam es zu einer Absenkung des diastolischen 24hBlutdrucks, eine statistische Signifikanz konnte hier aber nur für die 6g/Tag-Gruppe
gezeigt werden. In beiden Gruppen kam es ferner zu signifikanten Absenkungen der
Blutdruckwerte im Tagesintervall. Im Nachtintervall kam es hingegen nur zu einem
marginal signifikanten Blutdruckabfall in der 6g/Tag-Gruppe, in der 25g/Tag-Gruppe
konnte keine signifikante Veränderung festgestellt werden (Tab. 4).
30
Abb. 6
Blutdruckveränderungen nach 3 Monaten: 6 g/Tag
Abkürzungen: MAP=mean arterial pressure.
Abb. 7
Blutdruckveränderungen nach 3 Monaten: 25 g/Tag
Abkürzungen: MAP=mean arterial pressure.
31
Die Blutdruckveränderungen nach 3 Monaten gruppiert nach Quartilen der 24h-MAPAusgangswerte zu Beginn der Studie sind in Tab. 5 dargestellt. Bei Patienten mit
mittleren und höheren Ausgangswerten des 24h-MAP (Quartile 3 und 4) konnte im
Gegensatz zu den Patienten mit niedrigeren Ausgangswerten (Quartile 1 und 2) eine
signifikante Blutdrucksenkung erzielt werden.
Tab. 5
Blutdruckveränderungen nach Quartilen der 24h-MAP-Ausgangswerte
für die gesamte Studienpopulation
Variable
Blutdruckunterschiede
vor vs. nach
Intervention
95% Konfidenzintervall
der
Blutdruckunterschiede;
p- Wert
24-h MAP (mmHg)
Quartile 1
(-2.0;2.0); 0.96
0  4.5
Quartile 2
(-2.0;2.0); 0.96
-1.7  5.2
Quartile 3
(-4.6;-0.2); 0.03
-2.4  5.0
Quartile 4
(-7.7;-0.7); 0.02
-4.2  8.0
24-h syst. BP (mmHg)
Quartile 1
(-3.8;1.4); 0.34
-1.2  5.9
Quartile 2
(-5.1;1.1); 0.18
-2.0  7.2
Quartile 3
(-6.5;-0.6);
0.02
-3.6  6.9
Quartile 4
(-10.6;-0.6); 0.03
-5.6  11.6
24-h diast. BP (mmHg)
Quartile 1
(-1.5;2.0); 0.74
0.3  3.9
Quartile 2
(-3.1;0.7); 0.21
-1.2  4.4
Quartile 3
(-3.2;0.2); 0.08
-1.5  4.0
Quartile 4
(-5.8;-0.3); 0.02
-3.1  6.3
Daten werden mittels Mittelwert und Standardabweichung dargestellt
Abkürzungen: MAP=mean arterial pressure; BP=blood pressure.
Die einzelnen Quartilen beziehen sich auf den 24h-MAP vor Intervention.
Quartile 1: <89 mmHg (n=22); Quartile 2: 89 to <94 mmHg (n=23); Quartile 3: 94 to
<99 mmHg (n=23); Quartile 4: 99 mmHg (n=23);
32
Für keinen der erhobenen Blutdruckparameter (24h-MAP, 24h-systolische bzw.
diastolische Werte sowie zirkadiane Messwerte) konnte beim Vergleich zwischen den
Gruppen signifikante Unterschiede gezeigt werden (Tab. 4). Auch nach Adjustierung
potentieller Imbalancen der Basischarakteristika durch univariate Kovarianzanalysen
fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden
Dosierungen.
3.3
Verträglichkeit, Sicherheit und Serummarker
Beide Dosierungen der verwendeten dunklen Schokolade wurden generell gut
toleriert. Über Obstipation klagten 1 Patient in der 6g/Tag-Gruppe sowie 3 Probanden
in der 25g/Tag-Gruppe. In einem Fall (in der 25g/Tag-Gruppe) führte diese
Problematik zum vorzeitigen Abbruch der Studie.
Alle zugewiesenen Schokoladenportionen wurden regelrecht eingenommen
(evaluiert anhand von Patientenbefragungen, Patiententagebüchern sowie Rückgabe
der leeren Schokoladenschachteln). Kein Patient berichtete über Veränderungen der
normalen Essgewohnheiten.
Das Körpergewicht blieb in der 6g/Tag-Gruppe unverändert, während in der 25g/TagGruppe ein leichter Anstieg zu verzeichnen war (0.8 kg, 95% CI 0.06 bis 1.6,
p=0.03). Weder innerhalb noch zwischen den Gruppen zeigten sich signifikante
Veränderungen des Glukosestoffwechsels (gemessen anhand von NüchternGlukose-Werten), des LDL- und HDL-Cholesterins, der Triglyzeride oder des highsensitivity CRP.
33
4
DISKUSSION
Die vorliegende Arbeit ist die erste Studie, die den postulierten antihypertensiven
Effekt verschiedener Dosierungen flavanolreicher dunkler Schokolade untersucht.
Zudem wurden ausschließlich Patienten mit bereits bestehenden kardiovaskulären
Endorganschäden und/oder Diabetes mellitus eingeschlossen. Für diese
Patientengruppe sind bisher nur minimale Daten über einen potentiellen
blutdrucksenkenden Effekt von dunkler Schokolade publiziert.
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie sind:
1. Es konnte ein signifikanter Abfall des 24h-MAP über einen Zeitraum von 3
Monaten sowohl in der 6g/Tag-Gruppe als auch in der 25g/Tag-Gruppe
beobachtet werden (sekundärer Endpunkt).
2. Zwischen den Gruppen konnten keine signifikanten Unterschiede in der
Veränderung des Blutdruckes festgestellt werden (primärer Endpunkt).
3. In der 25g/Tag-Gruppe kam es zu einem leichten Anstieg des Körpergewichts.
Die Blutdruckveränderungen des vorliegenden Kollektivs von Patienten mit
manifesten kardiovaskulären Endorganschäden und/oder Diabetes mellitus sind
vergleichbar mit denen von Probanden mit Prä-Hypertonus oder Hypertonie Grad 1
in einer Studie von Taubert et al., in welcher analog zum Niedrig-Dosis-Arm der
vorliegenden Studie ebenfalls 6 g/Tag der gleichen dunklen Schokolade
eingenommen wurden.7
Mögliche Mechanismen der Blutdrucksenkung sind bereits in der Einleitung erwähnt
worden. Eine vermehrte NO-Bioaktivität, möglicherweise hervorgerufen über eine
vermehrte Transkription der NO-Synthase, scheint eine wichtige Rolle zu spielen.57,28
Andere Mechanismen, wie beispielsweise die Hemmung der Angiotensin-
Converting-Enzym-Aktivität durch Flavanole könnten ebenfalls an einer
Blutdrucksenkung mitbeteiligt sein.10
Ein prinzipielles Problem bei der Durchführung klinischer Studien mit flavanolreicher
dunkler Schokolade ist das Fehlen einer adäquaten Kontrollsubstanz. Es existiert
bislang keine kommerziell erhältliche Schokolade, die in Aussehen und Geschmack
mit flavanolreicher dunkler Schokolade vergleichbar wäre, aber keine Flavanole
enthält. In mehreren vorangegangenen Studien wurde weiße Schokolade als
34
Kontrollsubstanz verwendet, die keine blutdrucksenkenden oder andere
vaskuloprotektiven Effekte aufweist.13 Im Rahmen der Studien-Aufklärung (informed
consent) müssen Probanden/Patienten aber über den fehlenden blutdrucksenkenden
Effekt von weißer Schokolade informiert werden, so dass es sich nicht im
eigentlichen Sinne um ein Placebo handelt. Es könnte sogar postuliert werden, dass
die Kenntnis der Nicht-Wirksamkeit zu einem gegenteiligen oder negativen „PlaceboEffekt“ führt. Aufgrund dieser Überlegungen wurde daher a priori entschieden, auf
einen Kontrollarm mit weißer Schokolade zu verzichten. Als Alternative zur
plabebokontrollierten, kontrollierten Studie wurde ein sog. PROBE-Design gewählt
(Prospective Randomized Open-Label Blinded Endpoints). Hintergrund ist, dass
Veränderungen des mittleren ABPM-Blutdrucks, die im Rahmen einer Studie mit
PROBE-Design und im Rahmen einer placebokontrollierten, doppelblinden Studie
gemessen werden, statistisch weitgehend äquivalent sind.29 Ferner konnte wiederholt
gezeigt werden, dass ABPM bei Studien mit einer Therapiedauer bis zu 12 Wochen
nicht mit einem nennenswerten Placeboeffekt assoziiert ist.30 Nichtsdestotrotz ist die
plabebokontrollierte, doppelblinde Studie als Goldstandard anzusehen und das
PROBE-Design eine nur suboptimale Alternative.
Abgesehen von einem tatsächlichen blutducksenkenden Effekt durch die
Prüfschokolade kann auch das Phänomen der „Regression zur Mitte“ für den
Blutdruckabfall zumindest mitverantwortlich gewesen sein. „Regression zur Mitte“
beschreibt einen Effekt, dass Patienten, die im Rahmen einer ersten Messung (in
unserem Fall Messung vor Intervention) höhere Blutdruckwerte als das Mittel einer
Population aufweisen, bei einer zweiten Blutdruckmessung (in unserem Fall
Messung nach Intervention) in der Regel niedrigere Blutdruckwerte aufweisen als bei
der Initialmessung. Der Einfluss dieses Phänomens auf die Ergebnisse kann mit
letzter Sicherheit nur über eine adäquate Kontrollgruppe ausgeschlossen werden.
Die Tatsache, dass die Blutdruckreduktionen überwiegend bei Patienten mit den
höchsten Initial-Blutdruckwerten beobachtet wurden, spricht für die Möglichkeit des
Phänomens „Regression zur Mitte“.
Aufgrund der Zunahme des Körpergewichts nach 3 Monaten in der 25g/Tag-Gruppe
ist bei der dauerhaften Einnahme moderater und höherer Dosen von dunkler
Schokolade Vorsicht geboten. Eine Zunahme des Körpergewichts ist mit einem
Anstieg des Blutdrucks assoziiert, was wiederum dem potenziellen antihypertensiven
Effekt dunkler Schokolade entgegen wirkt.31,32 Die Tatsache, dass in anderen
35
Studien mit höheren Dosen dunkler Schokolade kein Anstieg des Körpergewichts
festgestellt werden konnte, ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass in diesen
Studien die Einnahme lediglich über sehr kurze Zeiträume erfolgte. 13
Alle
Patienten
erhielten
flavanolreicher
vor
Studienbeginn
Nahrungsmittel.
Eine
eine
Liste
detaillierte
zur
vermeidender
Erfassung
der
Ernährungsgewohnheiten erfolgte allerdings nicht, so dass Imbalancen zwischen den
Gruppen in Bezug auf die Aufnahme flavanolreicher Nahrungsmittel zusätzlich zur
Prüfschokolade einen möglichen Störfaktor darstellen. Allerdings erscheint dies
aufgrund des randomisierten Studiendesigns bei relativ hoher Patientenzahl
unwahrscheinlich.
Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass die Einnahme flavanolreicher dunkler
Schokolade möglicherweise mit einem blutdrucksenkenden Effekt assoziiert ist.
Allerdings kann aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe nicht ausgeschlossen
werden, dass auch andere Faktoren zu dem beobachteten Blutdruckabfall geführt
haben könnten. Die Ergebnisse sollten daher zurückhaltend interpretiert werden.
Niedrige Dosierungen von dunkler Schokolade könnten prinzipiell sehr einfach in die
täglichen Essgewohnheiten integriert werden und sind daher ein vielversprechender
Ansatz zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Eine klare Empfehlung zum
Einsatz von dunkler Schokolade in der antihypertensiven Therapie kann derzeit aber
vor allem aufgrund der genannten methodischen Probleme nicht ausgesprochen
werden. Wichtig für zukünftige Studien ist vor allem die Rezeptur einer
Kontrollschokolade,
die
den
Anforderungen
an
ein
Placebo
genügt.
36
5
ZUSAMMENFASSUNG DER ARBEIT
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med.
Dunkle Schokolade und arterieller Blutdruck bei Patienten mit hohem
kardiovaskulären Risiko
eingereicht von Daniela Kobler
angefertigt an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
betreut von
Dr. med. Steffen Desch
Prof. Dr. med. Holger Thiele
Prof. Dr. med. Gerhard Schuler
Juni 2010
Flavanolreiche dunkle Schokolade hat möglicherweise eine blutdrucksenkende
Wirkung. Als möglicher Mechanismus wird eine vermehrte Bioverfügbarkeit des
starken Vasodilatators Stickstoff-Monoxid postuliert.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der Fragestellung, ob bei der
postulierten antihypertensiven Wirkung flavanolreicher dunkler Schokolade eine
Dosisabhängigkeit besteht. Hierfür wurden 2 Dosen flavanolreicher dunkler
Schokolade miteinander verglichen.
Es wurden 102 Patienten mit vorbestehendem hochnormalen Blutdruck oder
Hypertonie Grad 1 sowie kardiovaskulären Endorganschäden und/ oder einem
Diabetes mellitus im Verhältnis 1:1 in 2 Gruppen randomisiert. Die Teilnehmer
erhielten über einen Zeitraum von 3 Monaten entweder 6 g/Tag oder 25 g/Tag
flavanolreiche dunkle Schokolade. Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung
des mittleren Blutdrucks über 24 Stunden zwischen den beiden Behandlungsgruppen
definiert.
37
In beiden Studienarmen zeigte sich ein signifikanter Abfall des arteriellen Mitteldrucks
zwischen Ausgangswerten und Follow-up nach 3 Monaten (6 g/Tag: 2.3 mmHg, 95%
Konfidenzintervall -4.1 bis -0.4; 25 g/Tag: -1.9 mmHg, 95% Konfidenzintervall -3.6 bis
-0.2). Zwischen den beiden Behandlungsarmen konnte jedoch kein signifikanter
Unterschied gezeigt werden. In der Gruppe mit der höheren Dosierung (25 g/Tag)
war ein leichter Anstieg des Körpergewichts zu verzeichnen (0.8 kg, 95%
Konfidenzintervall 0.06 bis 1.6).
Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass die Einnahme flavanolreicher dunkler
Schokolade ist möglicherweise mit einem blutdrucksenkenden Effekt assoziiert ist.
Als Limitation muss auf die fehlende Kontrollgruppe hingewiesen werden, so dass
auch andere Faktoren zu dem beobachteten Blutdruckabfall geführt haben könnten.
Die Ergebnisse sollten daher zurückhaltend interpretiert werden.
38
6
LITERATUR
1. McCullough ML, Chevaux K, Jackson L, Preston M, Martinez G, Schmitz HH,
Coletti C, Campos H, Hollenberg NK. Hypertension, the Kuna, and the epidemiology
of flavanols. J Cardiovasc Pharmacol. 2006;47:S103-9; discussion 119-21.
2. Arts IC, Hollman PC, Kromhout D. Chocolate as a source of tea flavonoids. Lancet
1999;354:488.
3. Gu L, Kelm MA, Hammerstone JF, Beecher G, Holden J, Haytowitz D, Gebhardt S,
Prior RL. Concentrations of proanthocyanidins in common foods and estimations of
normal consumption. J Nutr 2004;134:613-7.
4. Manach C, Scalbert A, Morand C, Remesy C, Jimenez L. Polyphenols: food
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G, Heagerty AM, Kjeldsen SE, Laurent S, Narkiewicz K, Ruilope L, Rynkiewicz A,
Schmieder RE, Boudier HA, Zanchetti A, Vahanian A, Camm J, De Caterina R, Dean
V, Dickstein K, Filippatos G, Funck-Brentano C, Hellemans I, Kristensen SD,
McGregor K, Sechtem U, Silber S, Tendera M, Widimsky P, Zamorano JL, Erdine S,
Kiowski W, Agabiti-Rosei E, Ambrosioni E, Lindholm LH, Viigimaa M, Adamopoulos
S, Bertomeu V, Clement D, Farsang C, Gaita D, Lip G, Mallion JM, Manolis AJ,
Nilsson PM, O'Brien E, Ponikowski P, Redon J, Ruschitzka F, Tamargo J, van
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42
7
7.1
ANHANG
Votum der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität
Leipzig
43
44
8
DANKSAGUNG
Ich danke den Mitarbeitern des Herzzentrums Leipzig für Ihre freundliche
Zusammenarbeit.
Ein herzliches Dankeschön auch an Johanna Schmidt, die durch ihre Unterstützung
einen wesentlichen Beitrag für das Zustandekommen der Arbeit geleistet hat.
Der größte Dank gebührt Dr. med. Steffen Desch, der mich in jeder Hinsicht
unterstützte und auf den ich mich zu jedem Zeitpunkt ganz sicher verlassen konnte.
45
9
ERKLÄRUNG ÜBER DIE EIGENSTÄNDIGE ABFASSUNG DER ARBEIT
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne unzulässige
Hilfe oder Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Ich
versichere, dass Dritte von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte
Leistungen für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der
vorgelegten Dissertation stehen, und dass die vorgelegte Arbeit weder im Inland
noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde
zum Zweck einer Promotion oder eines anderen Prüfungsverfahrens vorgelegt
wurde. Alles aus anderen Quellen und von anderen Personen übernommene
Material, das in der Arbeit verwendet wurde oder auf das direkt Bezug genommen
wird, wurde als solches kenntlich gemacht. Insbesondere wurden alle Personen
genannt, die direkt an der Entstehung der vorliegenden Arbeit beteiligt waren.
.................................
....................................
Datum
Unterschrift
46
10 WISSENSCHAFTLICHER WERDEGANG
Persönliche Daten Daniela Kobler, geboren am 22.12.1982 in Leipzig
2001
Abitur an der Neuen Nikolaischule in Leipzig
2001
Beginn des Studiums der Humanmedizin an der
Universität zu Leipzig
2003
Ärztliche Vorprüfung
2007
Zweiter Abschnittes der Ärztlichen Prüfung
Januar 2008-
Arbeit an der Dissertation zur Erlangung des akademischen
Juni 2010
Grades Dr. med.
Thema: „Dunkle Schokolade und arterieller Blutdruck bei
Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko“
Mai 2008-
Tätigkeit als Assistenzärztin im Bereich Anästhesiologie
Mai 2010
am Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik und Poliklinik
für Anästhesiologie und Intensivmedizin
seit Mai 2010
Tätigkeit als Assistenzärztin im Bereich neurochirurgische
Intensivmedizin am Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik und
Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
47
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
Publikationen
Desch S, Schmidt J, Kobler D, Sonnabend M, Eitel I, Sareban M, Rahimi K, Schuler
G, Thiele H. Effect of cocoa products on blood pressure: systematic review and
meta-analysis. Am J Hypertens. 2010;23:97-103.
Desch S, Kobler D, Schmidt J, Sonnabend M, Adams V, Sareban M, Eitel I, Bluher
M, Schuler G, Thiele H. Low vs. higher-dose dark chocolate and blood pressure in
cardiovascular high-risk patients. Am J Hypertens. 2010;23:694-700.
Kongress-Abstract
Desch S, Kobler D, Schmidt J, Sonnabend M, Adams V, Sareban M, Eitel I, Bluher
M, Schuler G, Thiele H. Antihypertensive effects of low versus medium dose dark
chocolate in cardiovascular high-risk patients. Clin Res Cardiol 2010;99,Suppl 1
Leipzig, den 1. Juni 2010
48
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