Phosphoproteine aus einer Mischung herausholen

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30.07.2009
Die Nadel im Heuhaufen immer gezielter suchen: Selektive Oberflächen „fischen“ Phosphoproteine
Die Proteomik ist eine noch junge Technologie, die sich mit der systematischen Erforschung der Eiweißstoffe in biologischen Systemen
beschäftigt. Sie analysiert Art und Menge der vorhandenen Proteine und in welchen „Teams“ sie zusammenwirken.
Österreichische Proteomik Plattform startet erfolgreich in Phase III
Die in Österreich tätigen Experten auf diesem Fachgebiet arbeiten seit 2003 in der Österreichischen Proteomik Plattform (APP) zusammen.
Die zweite Phase dieses Programms war so erfolgreich, dass nun eine dritte Periode anläuft. Insbesondere auf dem Gebiet der
Phosphoproteomik konnten die APP-Forscher wichtige Ergebnisse erzielen.
Die Phosphoproteomik untersucht Eiweißstoffe, die mit einer oder mehreren Phosphatgruppen versehen sind. Das Anhängen und Abhängen
von Phophatgruppen an Eiweißstoffe ist einer der wichtigsten Mechanismen zur Feinregulierung zellulärer Abläufe. Auf diese Weise wird die
Aktivität von Proteinen gesteuert. Auch werden Signalwege, die zu Wachstum, Reifung oder Tod einer Zelle führen, durch Phosphorilierung
an- oder ausgeschaltet. Zu verstehen, welche Proteine, wann, wo und wie phosphoriliert werden, ist daher einer der Schlüssel zur
Erforschung natürlicher Systeme. Auch bei der Entstehung vieler Krankheiten, vor allem von Krebs, spielen fehlgesteuerte Phosphoproteine
eine entscheidende Rolle.
Die Phosphorilierung ist eine sehr effiziente und gezielte Maßnahme. Sie setzt an jenen Proteinen an, die wichtige Schaltstellen einnehmen.
Für Analytiker ist dies ein Problem, denn die interessanten Phosophoproteine sind nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Sie unter den
immensen Mengen anderer Proteine aufzuspüren ist so schwierig, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden.
Gesuchte Eiweißstoffe bleiben in Pipettenspitzen hängen
Im Rahmen des APP-Programms haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Günther Bonn vom Institut für Analytische Chemie und Radiochemie
der Leopold Franzens Universität Innsbruck ein raffiniertes Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe die Suche leichter geht. Bonn und seine
Mitarbeiter sind Spezialisten für das Design von analytischen Oberflächen mit spezifischen Bindungseigenschaften. Diese Oberflächen sind
chemisch so gestaltet, dass nur ganz bestimmte Moleküle an ihnen anhaften. Leitet man ein komplexes Stoffgemisch an so einem
Trägermaterial vorbei, werden die gewünschten Stoffe herausgefischt.
Pipettenspitzen zum Anreichern von Phosphoproteinen
Ein solches Trägermaterial haben Bonns Mitarbeiter für
Phosphoproteine gestaltet. Sie haben Pipettenspitzen
innen mit einem Kunststoffpolymer ausgekleidet, das
nicht nur einen Kanal zum Aufziehen der Flüssigkeit
freilässt – das Polymer selbst ist auch von winzigen
Kanälen und Poren durchzogen. In diesem Polymer
sitzen Nanopartikel von Titan- und Zirkoniumdioxid.
Diese sind in der Lage, Phosphoproteine zu binden, und
zwar spezifischer als das mit bisherigen Materialien
möglich gewesen ist. Mit derartigen Pipettenspitzen kann
man also, vereinfacht gesagt, einen Tropfen Flüssigkeit
aufsaugen – die Phosphoproteine bleiben in der Spitze
kleben – und die Flüssigkeit wird ohne Phosphoproteine
wieder entlassen. Die Phosphoproteine können
anschließend mit einer anderen Lösung aus der
Pipettenspitze ausgespült und in weiteren Verfahren
quantitativ und qualitativ analysiert werden. „Diese Arbeit
ist ein methodischer Durchbruch“, urteilt Prof. Lukas
Huber, der die Proteomik-Plattform leitet, und der bereits
in seiner eigenen Forschung gute Erfahrungen mit den
von Bonns Gruppe kreierten Pipettenspitzen gemacht
hat. Die Arbeit wurde als Titelstory in der Fachzeitschrift
„proteomics“ veröffentlicht. (1)
Im Rahmen der APP Plattform wurden noch weitere Trennverfahren für Phosphopeptide entwickelt, beispielsweise von Karl Mechtlers
Arbeitsgruppe am Institute of Molecular Pathology (IMP) in Wien (2), die in der Fachzeitschrift „nature protocols“ veröffentlicht wurde, und von
Prof. Dr. Wolfgang Lindners Arbeitsgruppe am Institut für Analytische Chemie der Universität Wien (3).
Prof. Dr. Guilio Superti-Furga, Direktor des Research Center for Molecular Medicine CeMM in Wien, klärt im Rahmen der Proteomik
Plattform spezifische Protein-Netzwerke auf, indem er ein Protein als „Köder“ nutzt. Wissenschaftler seiner Arbeitsgruppe binden dieses an
eine Oberfläche und angeln damit sämtliche andere Proteine aus einer Probe heraus, die an den Köder binden. Auf diese Weise hat SupertiFurgas Team gemeinsam mit Karl Mechtler das Netzwerk des Proteins Bcr-Abl analysiert und im Journal PNAS veröffentlicht (4). Bcr-Abl ist
eine Kinase, also ein Protein, das Phosphatgruppen an andere Proteine anhängt. Sie entsteht durch eine Genveränderung und stellt eines
der eindrucksvollsten Beispiele für die Folgen fehlgeleiteter Phosphorilierung dar: Sie löst Chronischen Myeloide Leukämie aus.
Das Aufklären von Protein-Netzwerken ist wichtig, um die Wirkweise von Medikamenten wie beispielsweise Kinase-Hemmern besser zu
verstehen. Deren Zielmoleküle, beispielsweise Bcr-Abl, liegen ja im Körper nicht separat vor, sondern in großen Protein-Komplexen. Diese zu
kennen hilft, den Einfluss der Medikamente besser zu steuern.
Hintergrund APP
Die österreichische Proteomik Plattform APP ist ein Forschungsnetzwerk, das im Rahmen des österreichischen
Genomforschungsprogramms GEN-AU von der Bundesregierung gefördert wird. APP wurde im Jahr 2003 gestartet. Sie wird von Prof. Dr.
Lukas Huber, Medizinische Universität Innsbruck, geleitet und von CEMIT Center of Excellence in Medicine and IT in Innsbruck gemanagt.
CEMIT initiiert und managt Großforschungsprojekte an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, z.B. Kompetenzzentren oder
EU-Projekte oder –Programme.
www.bmwf.gv.at
www.gen-au.at/projekt.jsp?projektId=111&lang=de
www.cemit.at
Hintergrund GEN-AU
Das Genomforschungsprogramm GEN-AU (GENome Research in AUstria) wurde 2001 gestartet und ist das höchst dotierte
Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. Das Programmmanagement führt die FFG durch.
www.gen-au.at
www.ffg.at
Hintergrund Proteomik/Genomik
Das Proteom ist die Gesamtheit aller Proteine, die in einem biologischen System zu einem bestimmten Zeitpunkt anzutreffen sind. In einer
einzigen Zelle können mehr als 100 000 verschiedene Proteine in höchst unterschiedlichen Mengen vorhanden sein. Die Erforschung des
Proteoms – die Proteomik – gehört daher zu den größten wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Dabei gelingt immer nur eine momentane Bestandaufnahme, denn das Proteom verändert sich fortwährend – im Gegensatz zum Genom.
Das Genom, also die in der DNA festgelegte Erbinformation eines Organismus’, bleibt zeitlebens gleich, selbst wenn sich dieser von der
Raupe zum Schmetterling wandelt. Das Proteom hingegen gibt jeweils den aktuellen Zustand eines biologischen Systems wieder, und das
macht es so interessant.
Links zu diesem Thema:
Leopold-Franzens Universität Innsbruck
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