Läsion des - MedUni Wien

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Neurologische Symptome und Syndrome
3/4
Karl Zeiler, Christian Wöber
Univ.-Klinik für Neurologie Wien
Steh- und Gehversuche
Klinische Prüfung (1)
Romberg-Versuch: Patient steht mit offenen, dann mit geschlossenen
Augen, Füße parallel aneinandergestellt, Arme in Supinationshaltung horizontal vorgestreckt (keine Berührung der Hände);
ev. Provokation: vorsichtiges Stoßen des Patienten
Unterberger-Tretversuch: Grundhaltung wie beim Romberg-Versuch;
Patient tritt mit geschlossenen Augen an der Stelle (Füße vom
Boden abheben); eine reproduzierbare Drehtendenz von mehr
als 45° bei 50 Schritten gilt als pathologisch; Licht, Lärm und
Berührung können das Ergebnis verfälschen !
Freies Gehen
Steh- und Gehversuche
Klinische Prüfung (2)
Strichgang: Patient setzt mit offenen Augen einen Fuß vor den
anderen, geht auf einer (imaginären) Linie
Blindgang: Patient geht mit geschlossenen Augen auf ein vorher
definiertes Ziel (z.B. Finger des Untersuchers) zu
Fersengang: Patient versucht, auf den Fersen zu gehen, die Vorfüße sollen den Boden nicht berühren
Zehenballengang: Patient versucht, auf den Zehenballen zu gehen,
die Fersen sollen den Boden nicht berühren
Steh- und Gehversuche
Wernicke-Mann´sche Hemiplegiestellung
► Ursache: Läsion der zentralen motorischen Neurone (subakutes
bzw. chronisches Stadium)
► obere Extremität: Beugespastik; Arm adduziert und innenrotiert,
Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke in Beugestellung
► untere Extremität: Streckspastik; alle Gelenke in Streckstellung,
damit auch Tendenz zur Plantarflexion im Sprunggelenk; das
Bein „wird zu lang“ und muß um das gesunde Bein in einem
Bogen herumgeführt werden („Zirkumduktion“)
► NB: bei nur latenter bzw. gering ausgeprägter zentraler Hemiparese ev. nur reduziertes Mitpendeln des betroffenen Armes
und/oder angedeutetes Nachziehen des betroffenen Beines
Steh- und Gehversuche
Paraspastischer Gang
► Ursache: inkomplette Querschnitts-Läsion (subakutes bzw. chronisches Stadium)
► untere Extremitäten: spastische Parese beider Beine („Paraspastik“), beidseitige Zirkumduktion; die Füße schleifen oft
hörbar über den Boden
► „Scherengang“: bei ausgeprägter Paraspastik wird der jeweils
nach vorne gesetzte Fuß über die Mittellinie geführt und auf
der jeweiligen Gegenseite aufgesetzt (Überwiegen des Adduktorentonus)
Steh- und Gehversuche
Frontale Gangstörung
► Ursache: (i.a. ausgedehnte) Frontalhirn-Läsion(en)
► Gang breitbeinig, oft nach vorne geneigt, da die Tendenz besteht,
nach hinten zu fallen („Retropulsionstendenz“)
► in fortgeschrittenen Stadien können die Patienten nicht mehr stehen („Astasie“) oder gehen („Abasie“)
Steh- und Gehversuche
Standataxie, ataktischer Gang
► Ursache: Funktionsstörungen des zerebellären Systems, des
vestibulären Systems, Tiefensensibilitätsstörungen
► Stehen: ungerichtetes Schwanken, bei geringer Beeinträchtigung
nur mittels Romberg-Versuch, Unterberger-Tretversuch faßbar;
bei stärkerer Beeinträchtigung Schwanken auch beim Stehen
mit offenen Augen
► Gang unsicher, breitbeinig, schwankend, schleudernd, ev. torkelnd
(wie betrunken); die Füße werden stampfend und unkoordiniert
aufgesetzt
► spinale (Hinterstrang-)Ataxie: die Gangstörung nimmt bei geschlossenen Augen noch erheblich zu
► zerebelläre Ataxie: die Gangstörung nimmt bei geschlossenen
Augen nur geringfügig zu
Steh- und Gehversuche
Kleinhirnfunktionsstörungen,
peripher-vestibuläre Funktionsstörungen
► Romberg-Versuch: Zug- und Falltendenz zur Seite der Läsion
► ev. Abweichen der vorgestreckten Arme zur Seite der Läsion
► Unterberger-Tretversuch: Drehtendenz in Richtung der Läsion
► Strich-, Blindgang: Abweichen zur Seite der Läsion
Steh- und Gehversuche
Morbus Parkinson
► Patienten stehen nach vorne geneigt, Schultern hängen, Ellbogen-,
Hüft- und Kniegelenke in mäßiggradiger Beugestellung
► ev. „Starthemmung“: beim Versuch, den ersten Schritt zu machen,
bleibt der Patient am Boden „kleben“
► Gang: nach vorne geneigte Haltung, kaum oder kein Mitpendeln
der Arme
► kleinschrittig-zeppelnder Gang
► ev. bestehen Probleme, stehen zu bleiben bzw. umzudrehen
► spontan auftretende Zugtendenz nach vorne, nach hinten oder zur
Seite („Propulsion“, „Retropulsion“, „Lateropulsion“)
►Provokation (Stoßen): der Patient kann das Gleichgewicht kaum
aufrecht erhalten
► DD: kleinschrittiger Gang, vermindertes Mitpendeln der Arme: z.B.
auch bei Status lacunaris
Steh- und Gehversuche
Trendelenburg-Hinken
► Ursache: Parese des M. glutaeus medius (und minimus), z.B. im
Rahmen von Muskeldystrophien
► Belastung des (betroffenen) Standbeins: das Becken kann nicht
gerade gehalten werden und sinkt auf die Seite des (nicht betroffenen) Schwungbeins ab
► beidseitige Läsion: „Watschelgang“
► „Duchenne-Hinken“: beim Gehen wird der Oberkörper zur Seite des
Standbeins geneigt (Ausgleich des Absinkens des Beckens)
► Muskeldystrophie: deutlich verstärkte Lendenlordose („Hohlkreuz“)
Steh- und Gehversuche
Steppergang
► Ursache: periphere N. peronaeus-Parese
► Schwäche für Dorsalextension des Vorfußes und der Zehen,
im Extremfall „Fallfuß“
► verstärktes Anheben des Knies beim Gehen, um ein Hängenbleiben mit dem Fuß zu vermeiden
► zunächst werden die Zehen bzw. die Zehenballen aufgesetzt, erst
später die Ferse
Steh- und Gehversuche
Hackengang
► Ursache: periphere N. tibialis-Parese
► Schwäche für Plantarflexion des Vorfußes und der Zehen
► Abstoßen beim Gehen nicht entsprechend möglich
► die Fußsohle wird als ganze aufgesetzt, ev. zuerst die Ferse, dann
erst die Zehen
Sensibilitätsstörungen
Anatomische Grundlagen (1)
Sensible Bahnen:
afferente sensible Fasern → sensibler Anteil des gemischten peripheren
Nerven (meistens) bzw. des ausschließlich sensiblen peripheren Nerven
→ Hinterwurzeln → Rückenmark (Aufzweigung):
a. (ohne synaptische Umschaltung) → Hinterstrang (Fasciculi gracilis et
cuneatus) ipsilateral → sensible Hinterstrangkerne in der Medulla
oblongata (1. Neuron) → Kreuzung der Fasern in der Medulla oblongata → Kerne im kontralateralen Thalamus (2. Neuron) → Capsula interna → Gyrus postcentralis (3. Neuron)
b. Ende des 1. Neurons → Kreuzung der Fasern im Eintrittssegment oder
knapp kranial davon in der Commissura anterior → Tractus spinothalamicus kontralateral → Kerne im Thalamus (2. Neuron) → Capsula interna → Gyrus postcentralis (3. Neuron)
Sensibilitätsstörungen
Anatomische Grundlagen (2)
1 Hinterstränge
2 Tr. spinothalamicus
21
Sensibilitätsstörungen
Anatomische Grundlagen (3)
Hinterstränge: Leitung der Informationen betreffend Lagesinn,
Vibration, Diskrimination und Stereognosie (Tiefensensibilität), Berührung (teilweise)
Tractus spinothalamicus: Leitung der Informationen betreffend
Schmerz und Temperatur, Berührung (teilweise)
Reflexbogen für Eigen- und Fremdreflexe: über Reflexkollateralen werden mono- oder polysynaptisch Informationen
an die motor. Vorderhorn-Ganglienzellen weitergegeben
Tractus spinocerebellaris anterior et posterior: Weiterleitung von
Informationen an das Kleinhirn (ipsi- und kontralateral)
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (1)
Lagesinn
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; der Untersucher
berührt einzelne Finger bzw. Zehen des Patienten, der angibt,
um welchen Finger bzw. um welche Zehe es sich handelt
► jeder Finger muß als solcher identifiziert werden, auch die Zehen
I und V
► anschließend werden die Finger bzw. Zehen des Patienten passiv
bewegt, der Patient gibt die Richtung an
► pathologischer Befund spricht für eine Tiefensensibilitätsstörung
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (2)
Diskriminationsempfinden
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; der Untersucher
prüft (z.B. mit einem Zirkel), ob der Patient zwei simultan erfolgte
Berührungen in einem bestimmten Abstand als eine einzige oder
als zwei getrennte Berührungen empfindet („Zweipunkt-Diskrimination“)
► pathologischer Befund: spricht für eine Tiefensensibilitätsstörung
Stereognosie
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; der Untersucher gibt
dem Patienten eine Münze, die er durch Betasten erkennen soll
► Störung des Tastempfindens: „Astereognosie“
► pathologischer Befund: spricht für eine Tiefensensibilitätsstörung
(DD: taktile Agnosie !)
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (3)
Vibrationsempfinden
► Prüfung: eine Stimmgabel wird angeschlagen und an einer Körperstelle des Patienten aufgesetzt, an der sich unmittelbar unter
der Haut Knochen befindet (Clavicula, Olekranon, distaler Radius, distale Ulna, Fingergelenke, Tuberositas tibiae, Malleoli,
Großzehengrundgelenke); der Patient gibt an, ob und wie lange
er eine Vibration wahrnimmt
► Vergleich rechte / linke Körperseite, obere / untere Extremitäten,
proximale / distale Extremitätenabschnitte, Patient / Untersucher
► herabgesetztes Vibrationsempfinden: „Pallhypästhesie“, erloschenes Vibrationsempfinden: „Pallanästhesie“
► pathologischer Befund spricht für eine Tiefensensibilitätsstörung
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (4)
Berührungsempfinden
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; die Haut des Patienten wird mit dem Wattekopf eines Stieltupfers berührt; der Patient
gibt an, ob und an welcher Stelle er berührt wurde
► herabgesetztes Berührungsempfinden: „taktile Hypästhesie“, erloschenes Berührungsempfinden: „taktile Anästhesie“
► pathologischer Befund: spricht für eine Störung der Tiefensensibilität
und/oder der Oberflächensensibilität
Ziffernerkennen
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; der Untersucher
schreibt eine (große) Ziffer auf die Haut des Patienten, der die
Ziffer (rund [0 / 6 / 9] oder eckig [1, 4, 7]) erkennen soll
► geprüft wird das taktile Symbolverständnis („Graphästhesie“)
► pathologischer Befund: spricht für eine Störung der Tiefensensibilität
und/oder der Oberflächensensibilität
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (5)
Schmerzempfinden
► Prüfung: die Haut des Patienten wird mit einem spitzen Gegenstand
(z.B. die Spitze eines abgebrochenen Stieltupfers) berührt; alternativ: z.B. Zwicken in eine Hautfalte
► herabgesetztes Schmerzempfinden: „Hypalgesie“, erloschenes
Schmerzempfinden: „Analgesie“
► Teil der Prüfung, ob eine „dissoziierte Sensibilitätsstörung“ vorliegt
Temperaturempfinden
► Prüfung: der Patient hat die Augen geschlossen; die Haut des Patienten wird mit Eprouvetten berührt, die kaltes bzw. warmes
Wasser enthalten
► herabgesetztes Temperaturempfinden: „Thermhypästhesie“, erloschenes Temperaturempfinden: „Thermanästhesie“
► Teil der Prüfung, ob eine „dissoziierte Sensibilitätsstörung“ vorliegt
Sensibilitätsstörungen
Klinische Prüfung (6)
„Dissoziierte Sensibilitätsstörung“
► bestimmte sensible Qualitäten sind beeinträchtigt, andere nicht
► im klinischen Alltag versteht man unter diesem Begriff jedoch
immer eine isolierte Störung der Schmerz- und Temperaturempfindung
► Ursachen: isolierte Läsion im Bereich des Tr. spinothalamicus
oder der Commissura anterior im Rückenmark (DD: ganz
selten bei Läsionen peripherer Nerven, etwa i.R. einer Lepra)
Beeinträchtigung aller sensibler Qualitäten
► Wahrnehmung aller sensibler Qualitäten beeinträchtigt: „Hypästhesie“, Ausfall aller sensibler Empfindungen: „Anästhesie“
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (1)
Parästhesien: subjektiv unangenehme und störende Mißempfindungen, die spontan oder nach Provokation (z.B. Berührung) auftreten können: Kribbeln, Rieseln, Ameisenlaufen, brennendes
oder taubes, eingeschlafenes („bambstiges“) Gefühl
Dysästhesien: qualitative Veränderungen des Empfindens sensibler
Reize, die meistens als unangenehm empfunden werden;
z.B. Berührung wird als Kälte, Kälte als Schmerz empfunden
Allästhesie: ein taktiler Reiz wird an einer vom Reizort entfernten
Stelle wahrgenommen
Hyperästhesien: verstärkt wahrgenommene Empfindungen, z.B.
„taktile Hyperästhesie“ (gesteigerte Berührungsempfindung)
oder „Thermhyperästhesie“ (gesteigerte Temperaturempfindung)
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (2)
Allodynie: schmerzhafte Empfindung, ausgelöst durch einen üblicherweise nicht schmerzhaften (z.B. taktilen) Reiz
Hyperalgesie: abnorm heftige Schmerzempfindung, ausgelöst durch
einen üblicherweise schmerzhaften Reiz
Hyperpathie: ein üblicherweise schmerzhafter (bzw. auch nicht
schmerzhafter) Reiz in einem Areal mit erhöhter Schmerzschwelle verursacht einen sehr störend, oft brennend empfundenen Schmerz, der ev. erst mehrere sec. nach der Berührung einsetzt und über längere Zeit anhalten kann
Anaesthesia dolorosa: Schmerzempfindung in einem anästhetischen
Areal
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (3)
Neuropathischer Schmerz
► kontinuierlich oder intermittierend wahrgenommener Schmerz
► durch eine primäre Läsion bzw. Funktionsstörung im Bereich
des Nervensystems verursacht
► Beispiele:
– Neuralgie
– Kausalgie
– Neuromschmerz
– Phantom- und Stumpfschmerz
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (4)
Neuropathischer Schmerz
► Peripheres Nervensystem: ursächliche Läsionen im Bereich der
peripheren Nerven, der Plexus, der Nervenwurzeln, z.B.
(Poly-)Neuropathien, Engpaß-Syndrome, Wurzelläsionen,
Gesichtsneuralgien
► Zentralnervensystem: ursächliche Läsionen im Bereich des
Rückenmarks oder des Gehirns, meistens traumatischer oder
vaskulärer Natur
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (5)
Neuralgie
► Schmerzen im Verteilungsgebiet eines peripheren Nerven, eines
Plexus(-anteils) oder einer Nervenwurzel
► (wiederholt) plötzlich einschießender, lediglich Sekundenbruchteile oder Sekunden anhaltender, elektrisierender, bohrender,
brennender oder reißender Schmerz (kein Dauerschmerz !)
► der Schmerz ist häufig durch das Berühren bestimmter Stellen
im Versorgungsgebiet des Nerven („Trigger-Punkte“) bzw.
durch Bewegungen (z.B. Schlucken, Sprechen oder Kauen)
auslösbar
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (6)
„complex regional pain syndrome (CRPS) Typ II“ (Kausalgie)
► Manifestation im Gefolge einer peripheren Nervenläsion (oft im
Bereich des N. medianus oder des N. tibialis)
► nicht präzise lokalisierbarer, quälender, dumpfer oder brennender Basisschmerz, der zeitweise an Intensität zunimmt und
dann mit als sehr unangenehm empfundenen Dysästhesien
bzw. einer Hyperpathie einhergeht
► im Bereich der betroffenen Extremität bestehen häufig Durchblutungsstörungen und trophische Veränderungen (Hinweis
auf eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems)
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (7)
Neuromschmerz
► Manifestation nach peripheren Nervenverletzungen
► Schmerzen im Bereich der Läsionsstelle, die durch lokale Irritation (z.B. durch Druck) ausgelöst oder verstärkt werden
Stumpf- und Phantomschmerz
► nach einer Amputation wird über die Wahrnehmung berichtet,
das fehlende Glied sei weiter vorhanden
► die Haut über dem Stumpf bleibt oft gegen Berührung überempfindlich
► ev. quälende, teils neuralgische, teils kausalgiforme Schmerzen
im Stumpf bzw. im Phantomglied
Sensible Reizerscheinungen
und Schmerzen (8)
„zentrale Schmerzen“
► Manifestation nach Läsionen im Bereich des Rückenmarks oder
des Gehirns
► variable Intensität und Qualität, ev. unerträgliche, kaum traktable
Schmerzen
► häufige Ursache: zerebrale Ischämie, Bezeichnung dann auch
„post-stroke-pain“ (früher: „thalamischer Schmerz“)
Typische Verteilungsmuster
von Sensibilitätsstörungen (1)
Läsionen im Bereich des Gehirns
► kontralaterale Sensibilitätsstörungen, die meistens alle Qualitäten
betreffen
► Vibrationsempfindung meistens relativ gut erhalten
► „Thalamus-Syndrom“: durch Läsionen im Thalamus-Bereich verursacht; u.a. kontralaterale Sensibilitätsstörungen (insbes.
Tiefensensibilitätsstörungen); oft kaum traktable Schmerzen
in begrenzten Abschnitten oder in der gesamten kontralateralen Körperhälfte, die als nicht präzise lokalisierbar, kaum
erträglich, brennend oder stechend beschrieben werden;
Schmerzen ev. spontan, ev. durch Berührung ausgelöst
► „post-stroke-pain“: extrathalamische vaskuläre Läsionen können
ein ähnliches klinisches Bild verursachen
Typische Verteilungsmuster
von Sensibilitätsstörungen (2)
Läsionen im Bereich des Tractus spinothalamicus
► in Höhe der Läsion: segmentale dissoziierte Sensibilitätsstörung
ipsilateral
► kaudal der Läsion: dissoziierte Sensibilitätsstörung kontralateral
(Schmerz- und Temperaturreize werden als Berührung empfunden)
► Berührungsempfindung: kontralateral kaum oder nur gering beeinträchtigt
Läsionen im Bereich der Hinterstränge
► ipsilateral Störung der Tiefensensibilität, auch das Berührungsempfinden ist beeinträchtigt
► Funktionsbeeinträchtigung bei den Steh- und Gehversuchen
(„spinale Ataxie“)
Typische Verteilungsmuster
von Sensibilitätsstörungen (3)
Radikuläre Läsionen:
► segmentale Sensibilitätsstörung (Hypästhesie) im zugehörigen
Dermatom, i.a. sind alle Qualitäten betroffen
► häufig: sensible Reizerscheinungen (Parästhesien, Dysästhesein, Hyperpathie) und Schmerzen, die bei Dehnung der
Wurzel oder im Zusammenhang mit abrupten Bewegungen
(Husten, Niesen) erheblich zunehmen können
► ev. Abschwächung / Erlöschen korrespondierender Reflexe
Plexus-Läsionen:
► Sensibilitätsstörungen, i.a. alle Qualitäten betreffend
► vegetative Funktionsstörungen und trophische Störungen
► oft bestehen Schmerzen, die auf eine konventionelle Therapie
mit NSAR kaum ansprechen
Typische Verteilungsmuster
von Sensibilitätsstörungen (4)
Läsionen einzelner peripherer Nerven:
► die sensiblen Symptome sind streng auf das Verteilungsgebiet
(kutane Innervationszone) des peripheren Nerven beschränkt
► Hypästhesie bzw. Anästhesie, i.a. alle Qualitäten betreffend
► ev. sensible Reizerscheinungen (Parästhesien) und/oder Schmerzen im Versorgungsgebiet des Nerven
► Nerv ev. druckschmerzhaft
► Hoffmann-Tinel-Zeichen: Beklopfen des Nerven löst Parästhesien
und Schmerzen aus
► ev. ausgeprägte vegetative Funktionsstörungen und trophische
Störungen
► ev. Abschwächung / Erlöschen korrespondierender Reflexe
Anatomische und funktionelle Grundlagen
Sympathicus
► zentrale Sympathicus-Bahn: Hypothalamus → Mittelhirn → Formatio
reticularis pontis → Medulla oblongata → Rückenmark
► Umschaltung auf das 2. Neuron: in den Seitenhörnern der Segmente
C8 bis L3
► Präganglionäre Fasern (2. Neuron): Rückenmark → Vorderwurzeln
C8 bis L3 → Ggl. cervicale superius, Grenzstrang, unpaare
Ganglien im Bauchraum (Ggl. coeliacum, Ggl. mesentericum
superius, Ggl. mesenterium inferius)
► Umschaltung auf postganglionäre Fasern: im Ggl. cervicale superius,
im Ggl. stellatum und in den Ganglien im Bauchraum (s.o.)
Anatomische und funktionelle Grundlagen
Sympathicus
► M. dilatator pupillae, M. tarsalis, Tränen- und Speicheldrüsen:
Umschaltung auf die präganglionären Fasern im Centrum
ciliospinale (Segmente C8 bis D2); diese verlassen das
Rückenmark über die Vorderwurzeln C8 bis D2
► Schweißsekretion, Piloarrektion, Vasomotorik: präganglionäre
Fasern verlassen das Rückenmark über die Vorderwurzeln
D3 bis L2/L3
► Harnblase: präganglionäre Fasern verlassen das Rückenmark
über die Vorderwurzeln D11 bis L2/3
Anatomische und funktionelle Grundlagen
Parasympathicus
► Kerngebiete der präganglionären Fasern: liegen im Hirnstamm und
im Sakralmark (S2 bis S4)
► Präganglionäre Fasern aus dem Hirnstamm: ziehen mit den Nn. III,
VII, IX und X in die Peripherie (Versorgung von M. sphincter
pupillae, M. ciliaris, Tränen- und Speicheldrüsen, Lunge, Herz
und Organen im Bauchraum)
► Präganglionäre Fasern aus dem Sakralmark: ziehen über die Wurzeln S2 bis S4 in die Peripherie (u.a. Versorgung der Harnblase)
Funktionen des Sympathicus und des Parasympathicus
Sympathicus
Pupille
Mydriasis
M. ciliaris
Lidspalte
Erweiterung
TränensekretionHemmung
Speichelsekretion
Hemmung
Herzfrequenz
Zunahme
Herzschlagvolumen
Zunahme
Bronchien
Dilatation
Darmmotilität
Abnahme
M. detrusor vesicae
M. sphincter ves. int.
Kontraktion
Schweißsekretion
Förderung
Piloarrektion
Förderung
Vasomotorik
Konstriktion
Parasympathicus
Miosis
Nah-Akkomodation
Förderung
Förderung
Abnahme
Abnahme
Konstriktion
Förderung
Kontraktion
Erschlaffung
Dilatation
Pupillenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (1)
Parasympathische Versorgung: Kerngebiet im Mesenzephalon →
N. III → R. internus des N. III → Ganglion ciliare (Umschaltung) → postganglionäre Fasern → M. sphincter pupillae
und M. ciliaris
► M. sphincter pupillae: verengt die Pupille (Miosis)
► M. ciliaris: Nah-Akkomodation
Sympathische Versorgung: Kerngebiet im Hypothalamus → Centrum ciliospinale → Vorderwurzeln C8 bis D2 → Ganglion
cervicale superius (Umschaltung) → postganglionäre Fasern
→ mit der A. carotis interna und der A. ophthalmica in die
Orbita → M. dilatator pupillae, M. tarsalis, Tränendrüsen
► M. dilatator pupillae: erweitert die Pupille (Mydriasis)
► M. tarsalis: hebt das Oberlid, erweitert die Lidspalte
Pupillenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (2)
Lichtreaktion der Pupillen: Retina → pupillosensorische Fasern →
N. opticus → Chiasma opticum → Tractus opticus beidseits
→ Area praetectalis (Mittelhirn; Umschaltung auf das 2.
Neuron) → Westphal-Edinger-Kerne (Mittelhirn) → N. III
(parasympathischer Anteil)
Konvergenzreaktion der Bulbi und der Pupillen: 3 Phänomene, die
vom Mittelhirn aus gesteuert werden und über den N. III vermittelt werden:
► Innervation des M. rectus medialis bds.: Konvergenz der Bulbi
► Innervation des M. sphincter pupillae bds.: Miosis (das Bild
wird schärfer gesehen)
► Innervation des M. ciliaris bds.: Zunahme der Brechkraft der
Linsen
Pupillenfunktionsstörungen
Klinische Prüfung
Form
► rund: beim Gesunden
► entrundet: Augenaffektion (z.B. Iritis); Lues (Tabes dorsalis, Progressive Paralyse); Mittelhirnläsionen
Seitenvergleich
► isocor: beim Gesunden
► anisocor: Normvariante (30% der Gesunden); Mydriasis / Miosis
(einseitig)
Weite
► sehr weit, weit, eher weit, mittelweit, eher eng, eng, sehr eng
(Normvarianten, abhängig von Lebensalter, Lichteinfluß)
► extrem erweitert, deutlich erweitert, gering erweitert, gering verengt, deutlich verengt, extrem verengt (pathologische Konstellationen)
Pupillenfunktionsstörungen
Klinische Prüfung
Direkte Lichtreaktion
► prompt und ausgiebig: beim Gesunden
► Cave: Abschirmung des kontralateralen Auges !
Indirekte (konsensuelle) Lichtreaktion
► prompt und ausgiebig: beim Gesunden
► Cave: Abschirmung des kontralateralen Auges !
Konvergenzreaktion der Bulbi und der Pupillen
► Konvergenzbewegung der Bulbi und Verengung der Pupillen:
beim Gesunden
Pupillenfunktionsstörungen
Amaurotische Pupillenstarre
Ursache: Unterbrechung des afferenten Schenkels des Reflexbogens
(Retina, N. opticus vor dem Chiasma)
Beleuchten des amaurotischen Auges: homolateral wie auch kontralateral keine Lichtreaktion auslösbar
Beleuchten des nicht betroffenen Auges: homolateral wie auch kontralateral Lichtreaktion auslösbar
Weite der Pupille des amaurotischen Auges: bei Tageslicht besteht
Isokorie; Abdecken des nicht betroffenen Auges: Mydriasis am
betroffenen Auge
Konvergenzreaktion der Pupille des betroffenen Auges: nicht beeinträchtigt
Pupillenfunktionsstörungen
Absolute Pupillenstarre
Ursache: Unterbrechung des efferenten Schenkels des Reflexbogens
(N. III, parasympathischer Anteil)
Weite der Pupille der betroffenen Seite: Mydriasis (Anisokorie)
Beleuchten des Auges der betroffenen Seite: Lichtreaktion nur kontralateral
Beleuchten des Auges der nicht betroffenen Seite: Lichtreaktion nur
homolateral
Konvergenzreaktion der Pupille der betroffenen Seite: Ausfall
Applikation eines Miotikums auf der betroffenen Seite: prompte Reaktion
Cave: homolateral gleichzeitig Ausfall der Nah-Akkomodation !
Pupillenfunktionsstörungen
Reflektorische Pupillenstarre
Ursache: Unterbrechung des Reflexbogens zwischen der Area praetectalis und den Westphal-Edinger´schen Kernen
Weite und Form der Pupillen: (meistens) Miose beidseits, Pupillen entrundet, (oft) Anisokorie
Direkte und indirekte Lichtreaktion: beidseits kaum oder gar nicht auslösbar
Konvergenzreaktion: erhalten
Reaktion der Pupillen auf Atropin: kaum
Pupillenfunktionsstörungen
Pupillotonie
Betroffenes Auge: Beleuchten führt erst nach einer Latenz von mehreren Sekunden zu einer allmählichen, verzögerten, „tonischen“
Kontraktion der Pupille; Erweiterung der Pupille nach Beendigung des Lichteinfalls ebenfalls verzögert, „tonisch“ und stark
verlangsamt
Konvergenzreaktion, Nah-Akkomodation, Reaktion auf Mydriatika
und Miotika am betroffenen Auge: i.a. nicht beeinträchtigt
Beleuchtung des kontralateralen Auges: identische Reaktion am betroffenen Auge
Kontralaterales Auge: unauffällige Lichtreaktionen
Cave: Phänomen ein- oder beidseitig möglich
Pupillenfunktionsstörungen
Horner-Syndrom (1)
Klinisches Bild
► Miose (Parese des M. dilatator pupillae), direkte und indirekte Lichtreaktion auslösbar (ev. unausgiebig)
► Ptose (Parese des M. tarsalis)
► Enophthalmus (umstritten)
► fakultativ: Schweißsekretionsstörungen (Anhidrose) im Bereich der
der betroffenen Gesichtshälfte (Läsion der sympathischen sudomotorischen Fasern für das Gesicht)
Pupillenfunktionsstörungen
Horner-Syndrom (2)
Läsionen im Bereich der zentralen sympathischen Bahn (zwischen
Hypothalamus und Centrum ciliospinale)
► Horner-Syndrom mit Anhidrose im Gesicht (praktisch immer)
Läsionen der präganglionären Fasern im Bereich der Vorderwurzeln
C8 bis D2
► Horner-Syndrom ohne Anhidrose im Gesicht (die sudomotorischen
Fasern verlaufen primär über die Wurzeln D3 und D4)
Läsionen der Vorderwurzeln D3 oder D4 bzw. Grenzstrang-Läsionen
zwischen D4 und dem Ganglion stellatum
► Anhidrose im Gesicht, aber keine Ptose, keine Miose, kein Enophthalmus
Pupillenfunktionsstörungen
Horner-Syndrom (3)
Läsionen des Ganglion stellatum
► Horner-Syndrom mit Anhidrose im Gesicht
► zusätzlich Anhidrose des homolateralen Armes
Läsionen zwischen dem Ganglion stellatum und der Orbita
► Horner-Syndrom mit Anhidrose im Gesicht
NB Differenzierung zwischen zentralen und weit peripher gelegenen
Läsionen: Einträufeln von Kokain in den Konjunktivalsack
► zentrale Läsion, postganglionäre Fasern intakt: Mydriasis
► Läsion der postganglionären Fasern: keine Reaktion
Pupillenfunktionsstörungen
Ursachen (1)
Einseitige Mydriasis
► innere / gemischte N. III-Parese
► Pupillotonie
► Migräne-Attacke (selten)
► akuter Glaukomanfall („Reizmydriasis“)
► lokale Applikation von Parasympathikolytika (Atropin) oder Sympathikomimetika (Kokain) / ophthalmologische Untersuchung
Beidseitige Mydriasis
► beidseitige innere / gemischte N. III-Parese
► Bulbärhirnsyndrom
► lokale Applikation von Parasympathikolytika (Atropin) oder Sympathikomimetika (Kokain) / ophthalmologische Untersuchung
► systemische Zufuhr von Parasympathikolytika (Atropin) oder Sympathikomimetika (Kokain, Amphetamine)
► Morphin-Entzug
Pupillenfunktionsstörungen
Ursachen (2)
Einseitige Miosis
► Läsion der homolateralen Sympathicus-Bahn / Horner-Syndrom
► Pupillotonie (nach Beendigung des Lichteinfalls)
► Clusterkopfschmerz-Attacke
► lokale Applikation von Parasympathikomimetika (Pilocarpin)
► akute Iritis („Reizmiosis“)
► Raeder-Syndrom
Beidseitige Miosis
► lokale Applikation von Parasympathikomimetika (Pilocarpin)
► systemische Gabe von z.B. Pyridostigmin, Neostigmin
► Morphin-Intoxikation
► Intoxikation mit Acetylcholinesterase-Hemmern
► Mittelhirnsyndrom II-III
► reflektorische Pupillenstarre (selten)
Pupillenfunktionsstörungen
Ursachen (3)
Amaurotische Pupillenstarre
► alle Prozesse im Bereich der Retina und des N. opticus vor dem
Chiasma opticum
Absolute Pupillenstarre
► innere / gemischte N. III-Parese
Reflektorische Pupillenstarre
► Neuro-Lues („Argyll Robertson-Phänomen“)
► Diabetes mellitus
► chronischer Alkohol-Mißbrauch
Pupillotonie
► Ursache: ungeklärt
► „Adie-Syndrom“: Pupillotonie, Fehlen einzelner oder aller Eigenreflexe
Pupillenfunktionsstörungen
Ursachen (4)
Zentrales Horner-Syndrom
► Ischämie im Hinstamm-Bereich
► Blutung im Hirnstamm-Bereich
► entzündliche Prozesse im Hirnstamm-Bereich (Enzephalitis, M.S.)
► Tumoren im Hirnstammbereich
► Syringobulbie, Syringomyelie
Horner-Syndrom, präganglionäre Läsionen
► Halsrippe
► paravertebral gelegene Tumoren (Pancoast-Tumor, Metastasen)
► iatrogene Läsionen (z.B. Ganglion stellatum-Blockade)
Horner-Syndrom, postganglionäre Läsionen
► hochzervikal gelegene Tumoren
► Aneurysma im Bereich der infraklinoidealen Siphonschlinge
► entzündliche Prozesse im Bereich der Orbita
► raumfordernde Prozesse im Bereich der Orbita
Ptose
Anatomische Grundlagen
M. levator palpebrae (superioris): willkürlicher Lidheber; Versorgung
über den (äußeren) N. III
M. tarsalis: unwillkürlicher Lidheber; Versorgung über den Sympathicus
Voraussetzungen für eine ungestörte Lidhebung: intakte anatomische und physiologische Verhältnisse im Bereich von
► äußerem N. III
► Sympathicus
► motorischen Endplatten
► beteiligten Muskeln
Ptose
Klinische Symptomatik
Läsion des (äußeren) N. III
► Extremfall: komplette Ptose
► meistens liegen weitere Symptome einer äußeren / gemischten
N. III-Parese vor
► Läsionen im Kerngebiet des N. III: beidseitige Ptose
Läsion des Sympathicus
► Ptose nur gering ausgeprägt, niemals komplett
► meistens liegen weitere Symptome eines Horner-Syndroms vor
Myasthenia gravis
► Ausmaß der Ptose meistens ausgesprochen tageszeit- und belastungsabhängig
► fast immer liegen weitere Symptome einer Myasthenie vor
► charakteristisch: Ansprechen auf die Gabe von Edrophonium,
Neostigmin
Ptose
Ursachen
Einseitige Ptose
► äußere / gemischte N. III-Parese
► Läsion der homolateralen Sympathicus-Bahn
► Cluster-Kopfschmerz
► (Myasthenia gravis)
Beidseitige Ptose
► Myasthenia gravis
► Läsion im Kerngebiet des N. III
► beidseitige äußere / gemischte N. III-Parese
► mitochondriale Enzephalomyopathien
► Dystrophia myotonica
Blasenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (1)
Parasympathische Versorgung: spinales parasympathisches Blasenzentrum (Sakralmark, Segmente S2 bis S4, Seitenhörner) →
präganglionäre Fasern → Wurzeln S2 bis S4 → N. pelvicus →
Ganglien in der Blasenwand (Umschaltung) → postganglionäre
Fasern → M. detrusor vesicae und M. sphincter vesicae internus
► M. detrusor vesicae: Kontraktion
► M. sphincter vesicae internus: Erschlaffung
Sympathische Versorgung: spinales sympathisches Blasenzentrum
(lumbosakraler Übergang, Segmente D11/12 bis L 2/3, Seitenhörner) → präganglionäre Fasern → Vorderwurzeln D11 bis
L 2/3 → Grenzstrang → Ganglion mesentericum inferius (Umschaltung) → postganglionäre Fasern → N. hypogastricus →
M. sphincter vesicae internus
► M. sphincter vesicae internus: Kontraktion
Blasenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (2)
Motorische Versorgung: spinales motorisches Blasenzentrum (Sakralmark, Segmente S2 bis S4, Vorderhorn-Ganglienzellen,
Onuf´scher Kern) → Vorderwurzeln S2 bis S4 → Plexus
sacralis → N. pudendus → M. sphincter vesicae externus
und Beckenbodenmuskulatur
► M. sphincter vesicae externus: Kontraktion
► Beckenbodenmuskulatur: Kontraktion
Sensible Versorgung: Dehnungsrezeptoren in der Blasenwand →
N. pudendus und N. pelvicus → spinale Blasenzentren →
kortikale Zentren (Bewußtwerden des Füllungszustandes der
Blase)
Blasenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (3)
Pontines Blasenzentrum
► Lokalisation: Hirnstamm, Formatio reticularis
► suprapontine Afferenzen: vom frontalen Kortex, vom Gyrus cinguli,
vom Lobulus paracentralis, von den Stammganglien
► spinale Afferenzen
► Efferenzen: → Tractus reticulospinalis medialis und lateralis →
spinale Blasenzentren
► M-Region (median): Aktivierung bewirkt eine Kontraktion des M.
detrusor sowie eine Erschlaffung des M. sphincter internus und
externus → Miktion
► L-Region (lateral): Aktivierung bewirkt eine Hemmung der Miktion
Blasenfunktionsstörungen
Anatomische und physiologische Grundlagen (4)
Blasenentleerungs-Reflex: Dehnung der Blasenwand → Aktivierung
der Dehnungsrezeptoren → N. pudendus und N. pelvicus →
spinale Zentren
► → Aktivierung des Parasympathicus → Kontraktion des M. detrusor
vesicae und Erschlaffung des M. sphincter vesicae internus
► → Hemmung des Sympathicus → Aufhebung der Kontraktion des
M. sphincter vesicae internus
► → Aktivierung des pontinen Blasenzentrums (M) → Aktivierung des
parasympathischen, Hemmung des sympathischen und Hemmung des motorischen spinalen Zentrums
► → Hemmung des pontinen Blasenzentrums (L) → Aufhebung der
Hemmung der Miktion
► → Aktivierung kortikaler Zentren → bewußte Relaxation des M.
sphincter vesicae externus und der Beckenbodenmuskulatur,
ev. bewußte Aktivierung der Bauchpresse → Miktion
Blasenfunktionsstörungen
Detrusor-Hyperreflexie
Pathophysiologie: vorzeitige unphysiologische Detrusor-Kontraktionen
während der Füllungsphase der Blase durch Beeinträchtigung
der zentralen Hemmung des Detrusors
Klinisches Bild: Pollakisurie, imperativer Harndrang, Dranginkontinenz,
aber kein Restharn
Ursachen
► (meistens) suprapontine Läsionen im Bereich Frontalhirn, Gyrus
cinguli, Stammganglien; z.B. Ischämie, Blutung, Tumor, M.S.,
Trauma, Demenz, M. Parkinson, NDH
► (ev.) Läsionen im Hirnstamm oder im Myelon (oberhalb des Sakralmarks)
Blasenfunktionsstörungen
Detrusor-Sphincter-Dyssynergie
Pathophysiologie: unwillkürliche Detrusor-Kontraktionen bei fehlender
Relaxierung des M. sphincter vesicae externus
Klinisches Bild: Pollakisurie, imperativer Harndrang, Dranginkontinenz,
zusätzlich Restharn-Bildung
Ursachen
► (meistens) Läsionen zwischen dem pontinen Blasenzentrum und
dem Sakralmark (oberhalb des Segmentes S2), z.B. Trauma,
Tumor, M.S., zervikale Myelopathie, vaskuläre Malformation
► (ev.) suprapontine Läsionen; z.B. ischämischer Infarkt (Akutphase)
Blasenfunktionsstörungen
Detrusor-Areflexie
Pathophysiologie: Denervierung der Blase; trotz zunehmender Blasenfüllung erfolgt keine reflektorische Entleerung (Überlaufblase)
Klinisches Bild: reduzierter Harndrang, Unfähigkeit zur Einleitung der
Blasenentleerung, Überlaufinkontinenz (Restharn bis 2000 ml)
mit Pollakisurie
Ursachen
► (meistens) Läsionen des Sakralmarks, der Cauda equina, des Plexus lumbosacralis, der peripheren Nerven; z.B. Trauma, Tumor,
M.S., Vertebrostenose, Diskusprolaps, Operation, Strahlentherapie, Tethered-cord-Syndrom, Polyradikulitis, Tabes dorsalis,
Tumor im Becken, (autonome) Neuropathien
► (ev.) zerebrale Läsionen, bes. rechts frontal gelegene Herde
Blasenfunktionsstörungen
Sonderfall: komplette Querschnitts-Lähmung
► in den ersten 6-8 Wochen besteht eine Detrusor-Areflexie („Schockblase“); ohne adäquate Therapie Entwicklung einer Überlaufblase mit deutlich erhöhten Restharn-Mengen
► bei Läsionen oberhalb des sakralen Blasenzentrums kommt es nach
6-8 Wochen zu reflektorischen Detrusor-Kontraktionen (DetrusorHyperreflexie, meistens mit Detrusor-Sphincter-Dyssynergie);
fehlendes Blasenfüllungsgefühl, unfreiwilliger Harnabgang (Inkontinenz bei unvollständiger Entleerung der Blase – Restharn); ev.
ausreichende Blasenentleerung d. Beklopfen des Unterbauches
► bei Läsionen oberhalb von D6: ev. Entwicklung einer „autonomen
Dysreflexie“ (Überdehnung der Blasenwand führt zu überschießender Sympathicus-Aktivierung mit RR-Anstieg, Kopfschmerzen
und Schweißausbrüchen)
Blasenfunktionsstörungen
Streßinkontinenz
Pathophysiologie: Beeinträchtigung der Funktion des M. sphincter vesicae externus
Klinisches Bild: unwillkürlicher Harnabgang bei körperlicher Belastung
oder Betätigung der Bauchpresse (z.B. Husten)
Ursachen: Hysterektomie, Descensus, mehrere Geburten (häufigste
Form der Blasenentleerungsstörung bei Frauen); ev. auch bei
Detrusor-Hyperreflexie oder Detrusor-Sphincter-Dyssynergie
Blasenfunktionsstörungen
Dranginkontinenz
Definition: unfreiwilliger Harnabgang im Zusammenhang mit starkem
Harndrang
Motorische Form (hyperaktiver Detrusor, insuffiziente Hemmung):
imperativer Harndrang, Pollakisurie, Nykturie
Sensorische Form (hypersensitive Blase, verminderte Reizschwelle):
Harndrang bereits bei geringer Blasenfüllung
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