Magnesium simuliert Magnete - Max-Planck

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FOKUS
WELT DER QUANTEN
F OTO : F ELIX B RANDL
N
ach den ersten Spielen der Fußball-Europameisterschaft hätte
mancher mit einen Turniersieg der
Niederlande oder Portugals gerechnet
– die kurz darauf aber glanzlos aus
dem Turnier flogen. Genauso wenig
wie selbst Franz Beckenbauer und
Günter Netzer das Zusammenspiel
von 22 Fußballern vorhersagen können, sind Physiker in der Lage, das
quantenphysikalische Verhalten von
Atomen in größeren Gruppen zu prognostizieren. Doch sie haben einen
Vorteil: Sie können die Vorgänge in
der Quantenwelt simulieren.
So möchten Wissenschaftler Phänomene wie Magnetismus, quantenkritische Übergänge oder die Hochtemperatur-Supraleitung nachahmen.
Gewöhnliche Computer stoßen hierbei
jedoch schnell an fundamentale Grenzen. Derzeit liegt ihre Kapazitätsgrenze
ungefähr bei 30 Quantenteilchen, und
selbst die besten Computer der Zukunft werden wahrscheinlich höchstens mit 40 Teilchen fertig. Als leis-
tungsfähigere Alternative entwickeln
Physiker daher Quantensimulatoren.
Einer von ihnen ist Tobias Schätz,
der am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching eine selbstständige Nachwuchsgruppe leitet. Er und
seine Mitarbeiter haben kürzlich die
einfache Version eines Quantensimulators gebaut, mit dem sie unter anderem magnetische Phänomene oder die
Hochtemperatur-Supraleitung untersuchen können. Sie bedienen sich dabei eines Quantensystems, das sie sehr
genau kennen und kontrollieren können. Mit diesem Simulator wollen sie
zunächst Quantenmagnete nachahmen, deren Eigenschaften sie noch
nicht vollkommen verstehen.
In einem ersten Experiment haben
die Forscher mit dem Instrument einen zweiatomigen Quantenmagneten
imitiert, dessen Verhalten sie schon
mit gewöhnlichen Computern vorhergesagt hatten. Da der Quantensimulator diese Vorhersagen bestätigte, war damit bewiesen, dass er sich
Sorgfältig präparieren muss Tobias Schätz die Ionenfalle (unten), damit die vier
dreieckigen Elektroden in ihrem Inneren die Magnesiumionen fangen (links).
Magnesium
Atome sind unberechenbar – zumindest wenn sie in größeren Gruppen auftreten. Schon das
die quantenmechanischen Effekte die Rechnung extrem verkomplizieren. Daher entwickeln Physiker
wie TOBIAS SCHÄTZ, der am MAX-PLANCK-INSTITUT
FÜR
QUANTENOPTIK
eine selbstständige
Nachwuchsgruppe leitet, Quantensimulatoren. Sie sollen Physikern helfen, bestimmte Formen des
Magnetismus oder die Hochtemperatur-Supraleitung besser zu verstehen.
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F OTO : MPI
FÜR
Zusammenspiel von 30 Atomen kann ein gewöhnlicher Computer nicht korrekt beschreiben, weil
Q UANTENOPTIK
simuliert Magnete
für solche Untersuchungen grundsätzlich eignet. Künftig wollen die
Wissenschaftler das neue Gerät so
erweitern, dass sie mit ihm mehr als
zwei Teilchen untersuchen können.
Ein Quantensimulator teilt wesentliche Eigenschaften mit dem System,
das er imitiert – und bietet sich daher
für die Untersuchung solcher Systeme an. „Außerdem können wir damit
gezielt testen, wie sich ein System
verhält, wenn wir nur eine seiner Eigenschaften ändern und alle anderen
beibehalten“, sagt Tobias Schätz.
SUCHE NACH LEITERN
OHNE WIDERSTAND
„Die Möglichkeit, mit einem Quantensimulator einzelne Eigenschaften gezielt zu steuern, könnte in Zukunft
etwa helfen, das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung zu verstehen
und so gezielt Materialien herzustellen, die Strom sogar bei Temperaturen
von über 40 Grad Celsius ohne Widerstand leiten.“ Die Temperatur, bei der
ein Hochtemperatur-Supraleiter seinen Widerstand aufgibt, heißt Sprungtemperatur und hängt unter anderem
vom Abstand zwischen den Atomen
in einem Festkörper ab – der seinerseits von dessen chemischen Zusammensetzung abhängt. Die chemische Zusammensetzung beeinflusst
jedoch auch viele andere Eigenschaften, die sich auf die Supraleitung
auswirken. „Wenn man also die Zusammensetzung von HochtemperaturSupraleitern ändert, weiß man nicht,
ob der unterschiedliche Atomabstand
oder eine andere Veränderung in den
Eigenschaften die Sprungtemperatur
verschiebt – oder ob sich nicht gerade
ein positiver und negativer Effekt gegenseitig aufheben“, sagt Schätz.
Bis Physiker mit Quantensimulatoren tatsächlich die HochtemperaturSupraleitung erforschen können, wird
noch einige Zeit vergehen. Zunächst
haben die Garchinger Physiker simuliert, wie sich die magnetische Ord-
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FOKUS
WELT DER QUANTEN
sie. Allerdings liegt die Energie des
Laserlichts genau zwischen den beiden elektronischen Niveaus der Magnesium-Ionen. Das führt zu einem
Phänomen, das sich in ähnlicher
Form auch an einem pendelnden
Telefonhörer beobachten lässt: Wackelt man langsam mit dem Kabel,
pendelt der Hörer im Gleichtakt; bewegt man die Hand dagegen zu
schnell, schwingt der Hörer entgegen der Handbewegung.
Ordentlich aufgereiht stehen die Teilchen bereit zum Rechenappell.
Radiofrequenz-Elektroden
(radialer Einschluss)
Laser
Bitte ein Quantenbit: Zwei Energieniveaus eines Ions (blau) stehen für Spin up und
Spin down (links). Dafür, dass die Quantenbits beim
Rechnen nicht entwischen, sorgen die vier Elektroden;
ein Laser hilft, das Ergebnis der Simulation zu lesen.
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Paul trap
Q UANTENOPTIK
Harmlose Falle: Solange sie nicht mit einem Deckel verschlossen ist, kann sie nicht zuschnappen.
nehmen sie einen ferromagnetischen
Zustand an. Das heißt nun aber, dass
beide Kompassnadeln verschränkt in
die gleiche Richtung zeigen – also
beide gleichzeitig nach Norden wie
nach Süden. Diese von Einstein als
spukhaft beschriebene Verschränkung haben die Forscher damit eindeutig nachgewiesen.
„Jetzt wollen wir unseren Simulator langsam ausbauen“, sagt Tobias
Schätz: „Schon mit einem Simulator
für einen Quantenmagneten aus drei
Atomen in dreieckiger Anordnung
lässt sich interessante Physik machen.“ Indem sie ihren Simulator geschickt einstellen, können er und
seine Mitarbeiter nämlich den antiferromagnetischen Zustand simulie-
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VON
T OBIAS S CHÄTZ / F OTO : MPI
FÜR
Q UANTENOPTIK
FÜR
S CHÄTZ / F OTO : MPI
Nach demselben Prinzip schiebt
der Laser der Garchinger Physiker
Magnesiumionen, deren Elektronen
auf dem höheren elektronischen Niveau sitzen, in die Richtung, in die
er selbst läuft. Magnesiumionen,
deren Elektronen weniger Energie
besitzen, zieht der Laserstrahl dagegen genau in entgegengesetzte
Richtung. Entscheidend ist nun,
dass es weniger Energie kostet,
wenn beide Ionen in die gleiche
Richtung wandern, wenn sie sich
also beide im selben elektronischen
Zustand befinden. Entsprechendes
beobachten die Garchinger Physiker: Die Wahrscheinlichkeit, mit der
ihr Laser beide Ionen in dieselbe
Richtung schiebt, steigt mit der Intensität des Lasers, also mit der
Stärke der Kopplung.
Damit gibt der Simulator genau
wieder, was in einem zweiatomigen
Quantenmagneten passiert: Je stärker die magnetische Kopplung zwischen beiden Atomen ist, desto eher
V ORLAGEN
segmentierte GleichspannungsElektroden (axialer Einschluss)
NACH
b)
G RAFIKEN : C HRISTOPH S CHNEIDER
a)
VON T OBIAS
Tobias Schätz und seine Mitarbeiter
haben nun simuliert, wie der Quantenmagnet vom paramagnetischen
in den ferromagnetischen Zustand
wechselt. Im paramagnetischen Zustand wissen die beiden Elementarmagnete nichts voneinander und
richten sich nach einem äußeren
Magnetfeld aus. Nun haben die Garchinger Physiker simuliert, dass die
Wechselwirkung zwischen beiden
Elementarmagneten allmählich zunimmt. Damit steigt langsam auch
die Wahrscheinlichkeit, dass sich die
beiden Stabmagneten ferromagnetisch ausrichten, also die Nordpole
beider gleichzeitig nach unten und
oben zeigen.
NÄCHSTE ZIEL:
FRUSTRIERTE SPINS
V ORLAGE
SIMULIERTE MAGNETISCHE
ORIENTIERUNG
DAS
NACH EINER
Wie sich die Atome in einem Quantenmagneten verhalten, haben die
Physiker bereits mit einem Computer
simuliert. „Deshalb konnten wir prüfen, ob unser Simulator funktioniert“,
sagt Tobias Schätz. Und das tut er: Die
Physiker haben zwei Magnesiumionen
zwischen mehreren Elektroden gefangen, die die elektrisch geladenen Teilchen mit elektrischen Kräften festhalten. Zwei energetische Niveaus des
Magnesiums, zwischen denen Elektronen hin und her hüpfen, simulieren die
beiden magnetischen Orientierungen.
Das äußere Magnetfeld wird von
Radiowellen imitiert. Sie befördern ein
Elektron von einem zum anderen
Niveau. Die Radiowellen strahlen die
Physiker gerade halb so lange ein, wie
es nötig wäre, um eine Kompassnadel
von Nord auf Süd zu drehen. Damit
erreichen sie einen Überlagerungszustand, in dem jede Kompassnadel
gleichzeitig in beide Richtungen weist
– was in der klassischen Physik nicht
nachvollziehbar ist.
Die Kopplung zwischen den beiden Atomen, die deren ferromagnetische Anordnung zum energetisch
günstigsten Zustand bewirkt, simulieren die Wissenschaftler mit einem
Laser. Dessen elektromagnetisches
Feld greift die Atome und verschiebt
passnadeln gleichzeitig nach oben
und unten und legen sich erst im
Moment einer Messung auf eine
Richtung fest. Dann reicht es aber,
wenn ein Physiker eines der Atome
durch eine Messung zwingt, seine
Orientierung festzulegen. Dann richtet sich das magnetische Moment des
anderen Atoms im selben Moment
genauso aus. Das ist einem weiteren
mysteriösen Phänomen, der Verschränkung, zu verdanken.
G RAFIK : C HRISTOPH S CHNEIDER
nung in einem zweiatomigen Quantenmagneten ändert, wenn die beiden
Atome nicht mehr unabhängig voneinander sind, sondern miteinander
in Verbindung treten.
In einem magnetischen Material
wie Eisen verhalten sich einzelne
Elektronen wie kleine Kompassnadeln
oder Stabmagnete mit Nord- und
Südpol. In einem Permanentmagneten wie einem Hufeisenmagneten sind
diese winzigen Stabmagnete alle
gleich ausgerichtet – Physiker sprechen von einem ferromagnetischen
Zustand – und können mit ihrer geballten Kraft auch ein Stück Eisen
magnetisieren und anziehen.
In einem Quantenmagneten ist die
Situation so uneindeutig wie oft in
der Quantenphysik. In ihm richten
sich die Kompassnadeln, also die
Elementarmagnete, erst aus, sobald
jemand ihre Orientierung bestimmen
möchte. Vorher zeigt die Kompassnadel in zwei Richtungen gleichzeitig nach oben wie unten. Schon in
einem Quantenmagneten aus zwei
Atomen, wie ihn Tobias Schätz und
seine Mitarbeiter untersucht haben,
wird die Situation noch komplizierter
– zumal, wenn die beiden Magnete
miteinander wechselwirken, also
miteinander in Verbindung treten.
Dann richten beide Elementarmagnete ihre Nordpole am liebsten in die
gleiche Richtung aus, weil dies am
wenigsten Energie kostet.
Nur: Welche Richtung ist gemeint,
wenn jeder einzelne Elementarmagnet gleichzeitig zwei Orientierungen
besitzt? Das bleibt unentschieden,
solange niemand den Magneten untersucht. Bis dahin zeigen die Kom-
F
ren: Dabei orientieren sich die
Elementarmagnete genau entgegengesetzt – Nord- und Südpole wechseln sich ab. Wie richten sich dabei
aber die Elementarmagnete in einem
dreieckigen Quantenmagneten aus?
„Man spricht dann von einer Spinfrustration“, erklärt Schätz. Das ist
so, als würde zu einem Zweikampf
auf dem Fußballfeld ein dritter Spieler hinzueilen, der aber bei den Kontrahenten angekommen vergisst, zu
welcher Mannschaft er gehört.
„Solche Spinfrustrationen spielen
möglicherweise bei der Hochtemperatur-Supraleitung eine Rolle.“ Wenn
Physiker diesen Zusammenhang besser verstehen, erkennen sie vielleicht
auch, warum manche Stoffe Strom
schon bei relativ hohen Temperaturen verlustfrei leiten. Dann wiederum könnten sie Materialien entwickeln, die dies sogar schon bei
Raumtemperatur können. Für die
Wissenschaftler, die das schaffen,
wäre das sicher ein ähnlicher Triumph wie für Fußballer eine gewonnene Europa- oder Weltmeisterschaft.
PETER HERGERSBERG
Wählerische Kraft: Ein intensiver Laserstrahl, dargestellt als Welle, verschiebt die Ionen
in der Falle (oben). In welche Richtung der Laser die Teilchen drückt, hängt dabei vom
elektronischen Zustand ab, in dem sich die Ionen befinden (Pfeil nach oben oder Pfeil
nach unten). Das soll auch in einem zweidimensionalen Ionenkristall möglich werden.
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