Wie der Weizen uns vergiftet

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Teil 1:
Die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu verstehen
1 Eine Geschichte, die Bauchschmerzen verursacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2 Ernährung in der Altsteinzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3 Die Entstehung des Weizens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Teil 2:
Schadet Weizen Ihrer Gesundheit?
1 Warum der Darm so wichtig für unsere Gesundheit ist. . . . . . . . . . . . . . 47
2 Zöliakie: Wenn man Gluten nicht verträgt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3
4
5
Glutensensitivität oder Glutenüberempfindlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Reizdarm, der neue Sündenbock. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – wenn der Darm nicht
richtig funktioniert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6 Wie der Weizen unsere Gelenke schädigt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
7 Wie der Weizen uns altern lässt.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8 Wenn der Weizen verrückt macht.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
9 Weizen, der neue Albtraum der Dermatologen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Teil 3:
Wie man gesund bleibt oder wieder gesund wird
1 Ein Leben ohne Weizen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
2 Gewohnheiten verändern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
3 Wie man sich weizenfrei ernährt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Fazit: Dieses Buch ist nicht wissenschaftlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Anmerkungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Eine Geschichte,
die Bauchschmerzen
verursacht
KAPITEL 1
Dorians Geschichte beginnt im Sommer 1991. Damals beschlossen er
und seine Frau, in Griechenland auf der Insel Korfu Urlaub zu machen.
Korfu mit seiner dichten grünen Vegetation und seinen sonnigen Stränden, wo die Wassertemperatur im Sommer 25 Grad erreicht, wird auch
die smaragdgrüne Insel genannt: ein Traumziel, um sich zu erholen
und den Alltagsärger hinter sich zu lassen. Dorians Pläne waren ganz
einfach: Sonne, Meer, Spaziergänge und leckeres Essen. Dabei hatte er
die Rechnung ohne die Reisediarrhö gemacht. Diese auf Reisen sehr
häufige Infektionskrankheit, gemeinhin »Magen-Darm-Entzündung«
genannt, führt zu Durchfällen, Bauchkrämpfen, Übelkeit, Erbrechen,
was einem den Urlaub verderben kann. Erst als Dorian wieder zu Hause
war, gaben sich seine Verdauungsbeschwerden. Dennoch verschlechterte sich sein Gesundheitszustand von da an zusehends. In den folgenden 20 Jahren kamen nacheinander verschiedene Symptome hinzu:
zunächst chronische Müdigkeit, wiederholte Verdauungsbeschwerden
(Durchfälle), dann Magenverstimmungen und Sodbrennen, Übelkeit,
Hautausschläge, trockene Haut, Gelenkschmerzen, nächtliche Muskelkrämpfe, affektive Störungen und eine leichte Depression, Schlafstörungen und eine unheilbare Interstitielle Zystitis (Blasenentzündung
mit Schmerzen von Becken und Harnblase sowie häufigem Harndrang).
Aufgrund der zahlreichen Symptome suchte Dorian seinen Arzt auf,
doch dieser war völlig ratlos, hatten doch die ganzen Untersuchungen
nichts Auffälliges ergeben: Vielleicht war es Stress?
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Wie der Weizen uns vergiftet
Sein Arzt verwies ihn immerhin an Spezialisten: einen Gastroenterologen, einen Neurologen, einen Rheumatologen, einen Psychiater. Die
Ärzte hatten alle keine Antwort darauf und begnügten sich damit, die
Symptome mit Medikamenten versuchsweise zu verringern. Als Weihnachtsgeschenk bekam Dorian im Jahr 2006 eine Gallenkolik, gekrönt
von einer Entfernung der Gallenblase, von der er sich Heilung versprach.
Trotzdem waren die Verdauungsbeschwerden noch immer da, und Dorian
fühlte sich immer schwächer. Im Frühsommer 2008, das heißt 17 Jahre nach seinem ersten Urlaub in Griechenland, fiel ihm eine einfache
körperliche Anstrengung wie Bergaufgehen schwer. Dorian hatte Mühe,
sich fortzubewegen, und verließ das Haus kaum noch; er ging nicht
mehr zur Arbeit. Da er einen Großteil seiner Zeit im Internet verbrachte,
tummelte er sich auch in medizinischen Foren, wo er sich mit anderen
Erkrankten austauschte. Eines Tages schlug ihm jemand vor, er solle versuchen, bei seiner Ernährung das Gluten wegzulassen, ein Klebereiweiß
im Weizen, aber auch in anderen Getreidearten wie Roggen oder Dinkel.
Bei seinem Zustand hatte er nicht viel zu verlieren.
Das Resultat war unvorstellbar: Innerhalb einer knappen Woche waren alle Symptome stark zurückgegangen oder sogar verschwunden. Angesichts dieser radikalen Veränderung setzte Dorian seine Diät fort und
erlebte, wie sich sein Gesundheitszustand von Tag zu Tag verbesserte,
wobei noch keine Diagnose gestellt wurde. Das machte dann Dr. Kamran Rostami, Facharzt für Gastroenterologie, im Jahr 2012. Dorian litt
an einer Glutensensitivität. Glutensensitivität (oder Glutenüberempfindlichkeit) ist eine häufig vorkommende Erkrankung, die weder durch
eine Blut- noch durch eine Darmuntersuchung diagnostiziert werden
kann. Die Erkrankung unterscheidet sich zwar von der Zöliakie, von der
in diesem Buch ebenfalls die Rede sein wird, dennoch hatte sie einen
Teil des Lebens dieses Mannes, eines hervorragenden Biochemikers1,
ruiniert.
Mindestens sechs Prozent der Bevölkerung sollen davon betroffen
sein, manche Forscher gehen sogar von 35 Prozent aus.
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Eine Geschichte, die Bauchschmerzen verursacht
Wie kann Weizen so viel Unheil anrichten?
Wie lässt sich erklären, dass ein so verbreitetes und auch so harmloses Getreide wie der Weizen die Ursache für so viele Beschwerden
sein kann? Wir essen seit Jahrtausenden Weizen. Ist Weizen nicht die
Grundlage unserer Ernährung? Wenn man bedenkt, dass 94 Prozent der
Deutschen täglich Brot essen, dann stimmt das nachdenklich …
Ermutigen uns die Gesundheitsbehörden nicht dazu, anstelle von
zu fetten und zu süßen Nahrungsmitteln mehr Getreideprodukte zu
essen? In Deutschland werden die Ernährungsempfehlungen von der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) herausgegeben, in Österreich von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). In
der Schweiz ist das die Aufgabe der Schweizerischen Gesellschaft für
Ernährung (SGE bzw. SSN) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG
bzw. OFSP). All diese Fachleute vertreten ähnliche Auffassungen:
hh In Deutschland: fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag essen,
reichlich Flüssigkeit, Zucker und Salz in Maßen verwenden, Milch
und Milchprodukte täglich essen, Fisch ein- bis zweimal in der
Woche, wenig fettreiche Lebensmittel wie Fleisch, Wurstwaren sowie
Eier verzehren und vor allem reichlich Brot, Getreideflocken, Nudeln, Reis, am besten aus Vollkorn, sowie Kartoffeln. Verzehren soll
man die zuletzt genannten Lebensmittel mit möglichst fettarmen
Zutaten. Mindestens 30 Gramm Ballaststoffe sollen es täglich sein.
hh Die österreichischen sind den deutschen Empfehlungen sehr ähnlich,
sie formulieren den Verzehr von Getreideprodukten und Kartoffeln
nur etwas konkreter: vier Portionen pro Tag. Bevorzugen solle man
bei Brot, Nudeln und Reis Vollkornprodukte und bei Gerichten mit
Kartoffeln fettarme und schonende Zubereitungsmethoden.
hh Die Schweiz formuliert die Empfehlungen der stärkehaltigen Nah-
rungsmittel so: »drei Portionen am Tag«, vorzugsweise Vollkornprodukte. Das entspricht 300 Gramm Brot oder Nudeln pro Tag.
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Wie der Weizen uns vergiftet
Ein symbolträchtiges Lebensmittel
Getreide ist wahrscheinlich die erste Kulturpflanze in der Geschichte.
Es wurde rasch zu einer Hauptenergiequelle für den Menschen. Ackerbau unterliegt jedoch Witterungsschwankungen, und seit jeher gingen
Missernten mit Hungersnöten einher, die manchmal zu Kriegen führten. In der Hoffnung auf bessere Ernten haben Glaubensvorstellungen
und Riten bei der menschlichen Ernährung stets eine wichtige Rolle
gespielt. Man denke nur an Osiris in Ägypten oder Demeter, Göttin
des Ackerbaus und der Ernte in der griechischen Mythologie, von der
sich der Name des Biosiegels »Demeter« ableitet (dessen Normen etwas
strenger sind als die des »Deutschen Biosiegels«). Getreide galt schon
früh als Symbol des Lebens und der Erneuerung, noch stärker verkörpert
vom Brot, einem von Menschenhand geschaffenen Lebensmittel, bei
dem man ans Teilen, an die Fülle und die praktische Verwendbarkeit
denkt. Im Christentum ist das Brot ein starkes Symbol, das zusammen
mit Wein den Leib und das Blut Christi versinnbildlicht. Hostien sind
nichts anderes als ungesäuertes Brot aus Weizenmehl. Diese Symbolik
findet sich auch im Gebet »Vaterunser« wieder: »Unser tägliches Brot
gib uns heute.« Nach dem Sündenfall nimmt die Formulierung der Strafe
auch auf das Brot Bezug: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du
dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.« (1. Mose 3, 19)
Auch die Redensart »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot
verdienen« ist biblischen Ursprungs. Eine solche Symbolik des Getreides
und des Brots findet man weder in Asien, wo der Reisanbau vorherrscht,
noch in Amerika, wo traditionell Mais angebaut wird. Diese Geschichte
hat uns zahlreiche Redensarten als Erbe hinterlassen: »seine Brötchen
verdienen«, »weggehen wie warme Semmeln«, »das frisst kein Brot«,
»es ist sein täglich Brot«, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch das
Wort »Kompagnon«, das etymologisch auf spätlat. compāniōnem, Akk.
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Eine Geschichte, die Bauchschmerzen verursacht
von compānio, »Brot-, Speisegenosse, Kamerad«, zurückgeht, bezeichnet den, »der das Brot mit (einem) anderen gemeinsam hat«.
Das Brotsymbol findet sich auch im Judentum beim Passahfest:
Während der acht Festtage, in denen der Auszug der Israeliten aus
Ägypten und der Neubeginn des landwirtschaftlichen Jahreszyklus
gefeiert wird, essen gläubige Juden ungesäuertes Brot (Matzen) und
keinerlei Lebensmittel, die mit Hefe hergestellt sind. Dies soll an die
biblische Überlieferung erinnern, nach der die Israeliten so eilig aus
Ägypten ausziehen mussten, dass zum Säuern und Gärenlassen der Brote keine Zeit mehr blieb. Die zwölf ungesäuerten »Schaubrote«, die am
Sabbat als Opfergabe in den Tempel gebracht wurden, durften nur von
den Priestern gegessen werden. Heute wird für Sabbat ein geflochtenes
Brot, die Challa, gebacken. Dagegen gibt es im Islam, in den buddhistischen Traditionen und den chinesischen Religionen keine Brotsymbolik.
Mit der Begründung, dass Getreideprodukte eine Nahrungsquelle »aus
komplexen Kohlenhydraten« darstellen, »die sehr verdauungsfördernd
und fettarm sind und langfristig Energie liefern«, werden sie von den
Gesundheitsbehörden überall in Europa und Nordamerika zum gesunden Lebensmittel schlechthin erhoben. Über die vermeintlich gesunden
Eigenschaften von Getreide könnte man viel sagen. Es wäre interessant,
die Zusammenhänge zwischen dem Verzehr von Getreide und Übergewicht oder Diabetes näher zu betrachten (dazu sind zahlreiche Studien
erschienen, und es wurde bereits einiges geschrieben2, 3), aber das ist
nicht das Thema dieses Buches. Was uns heute interessiert, ist das Auftauchen »neuer« Beschwerden im Zusammenhang mit dem Verzehr von
Weizen; gerade die neueren, überraschenden medizinischen Erkenntnisse möchte ich mit Ihnen teilen. Um sie jedoch zu verstehen, müssen
wir zurückblicken. Der Platz, den Getreide heute in unserer Ernährung
einnimmt, beruht auf einer Esstradition (lesen Sie dazu den Kasten),
die sehr weit zurückreicht. Wobei alles relativ ist …
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