5.4 Optische Aktivität

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5.4 Optische Aktivität
Optisch e Akt i vi t ät
Enantiomere stimmen in fast allen ihren
physikalischen und chemischen Eigenschaften
überein und lassen sich nicht mit physikalischen Verfahren wie etwa Destillation
trennen. Wichtigstes Unterscheidungsmerk­mal ist die Art und Weise, wie sie mit linear
polarisiertem Licht wechselwirken.
Linear polarisiertes Licht. Licht kann man als
eine elektromagnetische Welle, die trans­versal,
also rechtwinkelig, zur Ausbreitungsrichtung
schwingt, verstehen. Dabei kann es in allen
möglichen Ebenen im 90 °-Winkel zur Ausbreitungsrichtung schwingen. Licht einer Schwingungsebene bezeichnet man als polarisiertes
Licht.
Durch ein lineares Polarisationsfilter können
alle Schwingungsrichtungen bis auf eine
geschwächt bzw. ganz absorbiert werden,
wodurch man linear polarisiertes Licht erhält.
Dieses Licht schwingt also hauptsächlich in
einer Ebene, die durch das Polarisationsfilter
bestimmt wird [B1].
Licht, dessen Schwingungen vorzugsweise
in einer Ebene stattfinden, nennt man linear
polarisiertes Licht.
Lichtquelle
elektromagnetische
Wellen, die in alle
Richtungen oszillieren
Polarisationsfilter
B2 Ein Polarimeter zur Analyse optisch aktiver
Substanzen
Erfassung der optischen Aktivität. Mit
einem Polarimeter [B2] kann man die optische
Aktivität einer Verbindung untersuchen. Als
Lichtquelle dient eine Natriumdampflampe,
die ausschließlich Licht einer bestimmten
Wellenlänge erzeugt, welches durch ein Filter,
den Polarisator, tritt. Das so erzeugte monochromatische, linear polarisierte Licht wird
durch ein zweites, ebenfalls drehbares Filter,
den Analysator, betrachtet. Haben die beiden
Filter die gleiche Orientierung, so kann das
polarisierte Licht vollständig austreten und
beobachtet werden.
Dreht man den Analysator hingegen so, dass
der Analysator senkrecht zum Polarisator
steht, wird der Durchtritt des linear polarisierten Lichts verhindert [B3].
elektromagnetische
Wellen, die nur in eine
Richtung oszillieren
Schwingungsebene
Bringt man nun eine Lösung einer optisch
aktiven Verbindung in den Strahlengang
zwischen Polarisator und Analysator, die im
90 °-Winkel zueinander stehen (Referenz- bzw.
Nullpunkt), so wird am Analysator eine Auf­hellung zu beobachten sein. Die Schwingungsrichtung des polarisierten Lichts stimmt nach
dem Durchtritt durch die optisch aktive Lösung
nicht mehr mit der Schwingungsrichtung des
polarisierten Lichts vor der Testlösung überein.
Sie ist um einen bestimmten Winkel gedreht
worden.
Diesen entsprechenden Drehwinkel a
er­mittelt man durch erneutes Drehen des
Analysators bis zur völligen Löschung des
Lichts.
Optisch aktive Substanzen wechselwirken
in besonderer Art und Weise mit linear
polari­siertem Licht: Sie drehen dessen Schwingungsebene.
Ein Messgerät, mit dem man feststellen kann,
ob eine Verbindung optisch aktiv ist, nennt
man Polarimeter.
Chiralität ist die geometrische Voraussetzung
(im Molekülbau) für optische Aktivität.
Milchsäuren. Das Sauerwerden von Milch
ist auf bestimmte Mikroorganismen (verschiedene Lactobazillen und Streptokokken)
zurückzuführen, die den in der Milch ent­
haltenen Milchzucker Lactose zur sogenannten
Gärungsmilchsäure umsetzen. Bei dieser
Milchsäure handelt es sich um ein Gemisch
der beiden enantiomeren Molekülformen. Im
menschlichen Körper wird nur (+)-Milchsäure
gebildet. Die beiden Milchsäureenantiomere
stimmen in vielen Eigenschaften überein: sie
schmelzen z. B. beide bei 53 °C, doch unter-
Polarisator Analysator
HO
Ausbreitungsrichtung der
Lichtwelle
B1 Wirkungsweise eines Polarisationsfilters: Durchlass von Licht mit Vorzugsrichtung
92 Kohlenhydrate und Stereoisomerie
H
COOH
CH3
(+)-Milchsäure
rechtsdrehend
B3 Durchgang von linear polarisiertem Licht
durch Polarisator und Analysator bei verschiedenen
Analysatororientierungen
H
HOOC
OH
CH3
(–)-Milchsäure
linksdrehend
B4 Keil-Strich-Formeln der rechts- und links­
drehenden Milchsäure
Ausbreitungsrichtung der Lichtwelle
Nullpunkt
a
Lichtquelle
Polarisator
linear
polarisiertes Licht
Probenröhrchen
mit einer chiralen
Verbindung
linear
Analysator
polarisiertes Licht
Betrachter
B5 Schematische Darstellung und Funktionsweise eines Polarimeters mit
optisch aktiver Substanz in der Messzelle
scheiden sie sich in einer wichtigen Eigenschaft: Beim Gang des linear polarisierten
Lichts durch Lösungen der beiden reinen
Milchsäureenantiomere wird dessen Schwingungsrichtung um einen bestimmten Winkel
gedreht. Bei der (+)-Milchsäure muss der
Analysator nach rechts, im Uhrzeigersinn,
bei der (−)-Milchsäure nach links, im Gegenuhrzeigersinn, gedreht werden, wobei die
Blickrichtung der Richtung des Lichtstrahls
entgegengesetzt ist. Beide Milchsäureenantiomere sind somit optisch aktiv.
Die Zeichen (+) und (−) geben die Änderung
der Schwingungsrichtung des linear polarisierten Lichts an, (+) steht für rechts herum, also
im Uhrzeigersinn, (−) steht für links herum,
also entgegen dem Uhrzeigersinn.
A1 Die Probe einer optisch aktiven Lösung liefert bei der Messung in einem Polarimeter
einen Drehwinkel von a = + 35 °. Überlegen
Sie, wie sich feststellen lässt, dass dieser
Drehwinkel richtig bezeichnet worden ist
und nicht a = − 145 ° der richtige ist.
A2 „Mit rechtsdrehender Milchsäure“, so steht
es werbewirksam auf vielen Joghurt­
produkten [B5]. Ernährungsbewusste Zeitgenossen greifen dann besonders gerne
zu diesen Produkten. Erklären Sie, welche
Informationen dieser Aufdruck chemisch
gesehen gibt. Recherchieren Sie, ob der
Kauf solcher Produkte sinnvoll ist.
B6 Joghurt mit rechts­drehender Milchsäure
Kohlenhydrate und Stereoisomerie 93
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