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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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Wie man einen Stern auf die Waage legt –
stellare Zustandsgrößen bestimmen (Teil I)
Stefan Völker, Jena
In diesem Beitrag lernen Ihre Schüler, aus
beobachtbaren Größen die physikalischen
Eigenschaften (Zustandsgrößen) von Sternen zu ermitteln. Dabei liegt der Fokus auf
Hauptreihensternen1 (Teil I). Die systematische Ordnung der Ergebnisse in einem
Hertzsprung-Russell-Diagramm zeigt, dass
neben den Hauptreihensternen auch weitere Entwicklungsstadien der Sterne existieren, und vervollständigt so das Bild (Teil
II).
T
H
C
I
S
N
A
R
O
V
Masse, Radius, Temperatur
und Leuchtkraft
der Sterne bestimmen!
II/H
Der Beitrag im Überblick
Klasse: 12
Dauer:
ca. 6 Stunden
Ihr Plus:
üMaterialien mit authentischen
astronomischen Beobachtungsdaten
üSelbstständiges Arbeiten der Schüler
Inhalt:
Stellare Zustandsgrößen:
– Masse,
– Radius,
– Temperatur (Spektraltyp) und
– Leuchtkraft
1
Die Hauptreihe wird in der Astronomie durch die Sterne gebildet, die ihre Strahlungsenergie durch Wasserstoffbrennen im Kern freisetzen.
37 RAAbits Physik November 2014
3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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Fachliche und didaktisch-methodische Hinweise
Der gestirnte Nachthimmel fasziniert die Menschen seit Tausenden von Jahren wegen seiner Schönheit. Und er interessiert sie seit jeher als Forschungsobjekt. Während zu Beginn
nur Position, Bewegung und Helligkeit der Himmelsobjekte beobachtet werden konnten,
ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts zusätzlich auch die Entfernung von Sternen messbar.
In dieser Zeit legten R. Bunsen und G. Kirchhoff mit der Spektralanalyse den Grundstein
der modernen Astrophysik. Seitdem können die physikalischen Eigenschaften von Sternen erforscht werden. Die Kombination präziser astronomischer Beobachtungen mit physikalischen Theorien ermöglicht es uns heute, Sterne als komplexe Fusionsreaktoren zu
verstehen und ihre beobachtbaren Eigenschaften physikalisch zu beschreiben.
Stellare Zustandsgrößen sind: Masse, Radius, Temperatur bzw. Spektraltyp und Leuchtkraft. Diese Größen bestimmen Ihre Schüler selbstständig aus Beobachtungsdaten. Das
Material beschränkt sich auf Hauptreihensterne2. Am Ende der Unterrichtseinheit bieten
sich viele Möglichkeiten an, zur Sternentwicklung überzuleiten. Wie – das lesen Sie im
Folgebeitrag „Wie lange lebt ein Stern? – Mit dem Hertzsprung-Russell-Diagramm die
Sternentwicklung untersuchen“ (Ergänzungslieferung 40 (August 2015)).
T
H
C
Lehrplanbezug
a) Bayern, Klasse 12, Lehrplanalternative Astrophysik 12.4 Stern:
– Zustandsgrößen von Sternen (m, M, m–M (Entfernungsmodul), L, T, R, Masse)
I
S
N
– Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD)
– Sternentwicklung
b) Baden-Württemberg, 12, Wahlfach Astronomie 4. Fixsterne
A
R
O
– Bestimmung der physikalischen Eigenschaften von Fixsternen
– Mit einem Zustandsdiagramm arbeiten à HRD
II/H
– Zeitliche Entwicklung eines Sterns
V
Bezug zu den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz
Allg. physikalische
Kompetenz
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Die Schüler …
Anforderungsbereich
F 1, F 2, E 1, E 2,
K 1, K 2, K 6
… lernen am Beispiel der stellaren Zustandsgrößen, astronomische Phänomene richtig zu
beschreiben und anderen zu vermitteln,
I, II
F 1, F 2, F 3, E 4,
E 5, E 7, E 9, K 1,
K 3, K 5, K 7
… lernen die Bestimmung einer der Zustandsgrößen (Masse, Radius, Temperatur bzw. Spektraltyp oder Leuchtkraft) aus authentischen
Beobachtungsdaten (M 3–M 6),
I, II
F 1, F 3, F 4, E 4
… lernen die Anwendung mathematischer
Verfahren (Aufstellen und Lösen linearer
Gleichungssysteme; lineare Regression) im
astronomischen Kontext (M 3, M 4).
II, III
Für welche Kompetenzen und Anforderungsbereiche die Abkürzungen stehen, inden Sie
auf der beiliegenden CD-ROM 37.
2
Die Hauptreihe wird in der Astronomie durch die Sterne gebildet, die ihre Strahlungsenergie durch Wasserstoffbrennen im Kern freisetzen.
37 RAAbits Physik November 2014
3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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Materialübersicht
· V = Vorbereitungszeit
SV = Schülerversuch
Ab = Arbeitsblatt/Informationsblatt
· D = Durchführungszeit
Fo = Folie
LEK = Lernerfolgskontrolle
WH = Wiederholungsblatt
M1
WH
Astronomische Grundlagen – frischen Sie Ihr Wissen auf!
M2
Ab
Stammgruppe: Die Zustandsgrößen von Sternen bestimmen
M3
Ab / SV
Expertengruppe I: Die Masse eines Sterns
· V: 5 min
· D: 90 min
M4
M5
rTaschenrechner
rLineal
rHolzstab (l = 1 m, d = 1 cm)
rRingförmige Massestücke, z. B. vom Reifen-Walzen-Apparat
(2 x 50 g, 1 x 125 g, 1 x 250 g, 1 x 500 g)
r Eventuell: Knete + Stativstab mit Fuß
T
H
C
Ab
Expertengruppe II: Der Radius eines Sterns
· D: 90 min
rTaschenrechner
rLineal
Ab / SV
Expertengruppe III: Temperatur und Spektraltyp eines Sterns
· V: 10 min
rHg-Dampflampe
rNa-Dampflampe
rKartuschenbrenner
rKochsalz (NaCl)
r2 Projektionsschirme
rSpatel o. Ä.
I
S
N
A
R
O
· D: 90 min
II/H
V
M6
Ab / SV
Expertengruppe IV: Die Leuchtkraft eines Sterns
· V: 10 min
rCAS-Rechner mit Messwerterfassungsmodul und optischer
Sonde
rStativfuß, kurze Stativstange und Kreuzmuffe
rGlühlampe (6 V / 0,4 A) mit Spannungsquelle
rMessschieber
rSchuhkarton
· D: 90 min
Die Erläuterungen und Lösungen zu den Materialien finden Sie ab Seite 17.
Die Materialen M 2–M 6 sind Bestandteil eines Gruppenpuzzles.
Minimalplan
Verzichten Sie auf Durchführung des Gruppenpuzzles. Bestimmen Sie gemeinsam mit
Ihrer Klasse nur eine Zustandsgröße eines Sterns.
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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
M1
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Astronomische Grundlagen – frischen Sie Ihr Wissen auf!
Bohr’sches Atommodell
– Elektronen bewegen sich strahlungsfrei auf
Kreisbahnen um den Atomkern.
– Elektronen wechseln bei Absorption eines
Photons der passenden Energie ∆E auf eine
energiereichere Bahn.
– Elektronen wechseln bei Emission eines
Photons der passenden Energie ∆E auf eine
energieärmere Bahn.
–
∆E = EEnde − EAnfang
En /eV
0
––0,5
––0,9
n=5
n=4
––1,5
n=3
Hα
h⋅ c
=
λ
Hβ
Hγ
Hδ
n=2
––3,4
h = 6,626 • 10 –34 Js = Planck’sches
Wirkungsquantum,
Energieniveaus der
Bohr’schen Bahnen
c = 2,998 • 108 m/s = Lichtgeschwindigkeit und
T
H
C
––13,6
– Die Balmerserie des Wasserstoffatoms
enthält alle Übergänge zwischen der Bahn
mit n = 2 und Bahnen mit n > 2. Die Linien
werden mit griechischen Buchstaben
bezeichnet.
n=1
Bohr’sches Atommodell und Balmerserie
I
S
N
A
R
O
Ellipsenbahnen
– Große Halbachse a und kleine Halbachse b.
– Brennpunkte F1 und F2 und Mittelpunkt M.
V
– Apastron A und Periastron P des Sternsystems (Hauptscheitel der Ellipse) in
Bezug zu F1.
A
F2
M
F1
P
e·a
kleine Halbachse b
λ = Wellenlänge des Photons.
– Das Apastron ist der Punkt mit dem größten
und das Periastron der mit dem geringsten
Abstand zum Brennpunkt F1 auf der Ellipse.
– Die numerische Exzentrizität e der Ellipse
kann Werte zwischen 0 ≤ e < 1 annehmen,
wobei e = 0 eine Kreisbahn bedeutet.
große Halbachse a
Ellipse mit ihren Kenngrößen
Scheinbare und absolute Helligkeit
– Die scheinbare visuelle Helligkeit mV beschreibt die Helligkeit eines Sterns, wie sie von
der Erde aus wahrgenommen wird. Bereits im zweiten Jahrhundert v. Chr. teilte der
Grieche Hipparch die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne in Klassen gleicher Helligkeit
ein. Diese Einteilung ist im heutigen System der scheinbaren Helligkeit enthalten und
ist der Grund, dass der Wert mV umso kleiner ist, je heller ein Objekt ist. Die scheinbare Helligkeit hängt logarithmisch vom Fluss FV (der Energie pro Zeit und Fläche) des
Sterns ab:
mV = −2,5 ⋅ log (FV ) + c V .
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II/H
3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
M2
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Stammgruppe: Die Zustandsgrößen von Sternen bestimmen
Wie legt man einen Stern auf die Waage?
Wie misst man Größe und Temperatur eines Sterns ohne Maßband und Thermometer?
Merke
Ein Stern ist eine selbstleuchtende, heiße Gaskugel großer Masse,
in deren Innerem Kernfusionen stattinden. Sterne bestehen zu etwa
zwei Dritteln aus Wasserstoff und etwa einem Drittel aus Helium.
Schwerere Elemente machen nur einen sehr kleinen Bruchteil aus.
Physikalisch wird ein Stern durch Zustandsgrößen wie Masse,
Radius, Temperatur und Leuchtkraft beschrieben. Die Kenntnis dieser
Größen ist die Voraussetzung für das Verständnis der Eigenschaften eines Sterns sowie
für dessen Entstehung und Entwicklung.
In den nächsten Unterrichtsstunden erarbeiten Sie die Thematik der stellaren Zustandsgrößen im Rahmen eines Gruppenpuzzles mit den vier Expertengruppen:
T
H
C
1. Masse,
2. Radius,
3. Temperatur und Spektraltyp,
I
S
N
4. Leuchtkraft.
Der Ablauf des Puzzles ist in der Abbildung unten dargestellt.
Finden Sie sich zu Expertengruppen zusammen. Informieren Sie sich dort über Ihr Expertenthema und erstellen Sie ein Handout (max. eine Seite). Für die Arbeit in der Expertengruppe haben Sie 90 Minuten Zeit. In der anschließenden Unterrichtsstunde kehren
Sie in Ihre Stammgruppe zurück und informieren Ihre Gruppenmitglieder über Ihr Expertenthema. Teilen Sie sich die Zeit der Kurseinheit gut ein, sodass alle Experten zu Wort
kommen.
A
R
O
V
Stammgruppen
Expertengruppen
Stammgruppen
Abbildung M 2-1: Ablauf des Gruppenpuzzles
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II/H
3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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M3
Expertengruppe I: Die Masse eines Sterns
Es existieren Hauptreihensterne3 in einem Bereich von 0,08 m  bis hin zu etwa 100 m 
(1 m  ≈ 2,0 • 1030 kg = Masse der Sonne). Unterhalb von 0,08 m  reichen Temperatur
und Druck im Sterninneren nicht mehr aus, um eine stabile Wasserstofffusion zu zünden.
Oberhalb von 100 m  ist der Stern so leuchtstark, dass er alle weitere Masse hinfortblasen würde.
Die Masse von Sternen lässt sich aus deren gravitativen Wechselwirkungen ableiten, z. B.
der Anziehung zwischen zwei Sternen in einem Doppelsternsystem. In einem Doppelsternsystem bewegen sich zwei Sterne aufgrund ihrer gegenseitigen Anziehung um ihren
gemeinsamen Schwerpunkt. Diese Bewegung lässt sich durch die Kepler’schen Gesetze
beschreiben. Jeder Stern bewegt sich auf einer Ellipse um den Schwerpunkt Sp (vgl. Abb.
M 3-1).
y
t2
t1
t3
Stern B
rB
T
H
C
x
rA
Stern A
t3
t1
t2
I
S
N
Abbildung M 3-1: Bewegung der beiden Sterne (Stern A und Stern B) eines Doppelsternsystems um ihren
gemeinsamen Schwerpunkt Sp, gezeichnet für die drei Zeitpunkte t1, t 2 und t 3
II/H
A
R
O
Dabei haben beide Sterne die gleiche Umlaufzeit um den Schwerpunkt, den gleichen
Umlaufsinn und beide Ellipsen die gleiche Exzentrizität. Die großen Halbachsen der Bahnen sind jedoch verschieden. Für diese gilt das Verhältnis: aA / aB = mB / mA . Das Verhältnis der großen Halbachsen ist gleich dem reziproken Verhältnis der Massen. Dies ist eine
Folge des Schwerpunktsatzes mA ⋅ rA = mB ⋅ rB , der besagt, dass das Produkt aus Abstand
r zum Schwerpunkt und Masse m des Sterns für beide Sterne zu allen Zeiten gleich sein
muss.
V
Abbildung M 3-2 (nächste Seite) zeigt die Beobachtungsdaten und die daraus berechneten
Umlaufbahnen des Doppelsternsystems α-Centauri. Die massereichere Komponente des
Doppelsternsystems bezeichnet man mit A, die masseärmere mit B. Gemessen wurde die
Winkelverschiebung der beiden Komponenten relativ zum feststehenden Fixsternhimmel
in Bogensekunden.
α-Centauri ist der Stern mit der geringsten Entfernung zur Sonne. Die jährliche Parallaxe
des Doppelsternsystems beträgt p = 0, 742'' . Die Umlaufperiode ist T = 79,90 Jahre .
Aufgaben
1. Vergewissern Sie sich experimentell, dass der Schwerpunktsatz mA • rA = mB • rB gilt.
Ermitteln Sie hierfür zunächst den Schwerpunkt des Holzstabes. Markieren Sie diesen.
Befestigen Sie nun an einem Ende die Masse mB = 50 g. Am anderen Ende des Stabes
befestigen Sie nacheinander die Massen mA= 50 g, 125 g, 250 g und 500 g. Verschieben Sie jeweils die Masse mA so lange, bis der Schwerpunkt des Systems wieder mit
dem Schwerpunkt des Holzstabes übereinstimmt. Messen Sie die Abstände der beiden
Massen zum Schwerpunkt.
3
Die Hauptreihe wird in der Astronomie durch die Sterne gebildet, die ihre Strahlungsenergie durch Wasserstoffbrennen im Kern freisetzen.
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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
M3
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Die Masse eines Sterns – Fortsetzung
2. Das dritte Kepler’sche Gesetz
( aA + aB )
T
2
3
=
G ⋅ (mA + mB )
4 π2
und der Schwerpunktsatz (formuliert für die großen Halbachsen der Bahnen)
mA ⋅ aA = mB ⋅ aB
bilden ein Gleichungssystem für die zwei unbekannten Sternmassen mA und mB .
Lösen Sie dieses Gleichungssystem nach den beiden Unbekannten auf.
3. Ermitteln Sie aus Abbildung M 3-2 die scheinbaren großen Halbachsen der Umlaufbahnen α A und αB in Bogensekunden und berechnen Sie dann aus der Entfernung des
Sterns die wahre Größe der Halbachsen aA und aB in Metern.
4. Berechnen Sie die Massen der beiden Komponenten zunächst in kg und anschließend
in Einheiten der Sonnenmasse m  .
T
H
C
I
S
N
A
R
O
II/H
V
scheinbare Größe
einer 1-€-Münze in
2400 m Entfernung
Abbildung M 3-2: Beobachtungsdaten und Sternbahnen des Doppelsternsystems α-Centauri. Die Daten
stammen aus dem WDS-Katalog (Washington Double Star) und wurden zwischen 1752 und 2012 aufgenommen. PA und PB kennzeichnen die jeweiligen Periastren der Bahnen [WDS], [Schwab2007].
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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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M4
Expertengruppe II: Der Radius eines Sterns
Sterne sind Kugeln aus Gas, deren Dichte von innen nach außen abnimmt. Sie besitzen
keine feste Oberläche, und dementsprechend ist es schwierig, einen Radius festzulegen.
Als Oberläche eines Sterns wird üblicherweise dessen Photosphäre deiniert. Die Photosphäre ist eine nur wenige hundert Kilometer dicke Schicht der Sternatmosphäre, in
der die Materiedichte stark abfällt. Gleichzeitig nimmt die optische Tiefe von innen nach
außen stark ab. Das bedeutet, dass der Stern für seine eigene Strahlung durchlässig wird
bzw. man im visuellen Spektralbereich von außen nicht durch die Photosphäre hindurchsehen kann. Da die Dicke der Photosphäre viel kleiner als der durch sie deinierte Sternradius ist, erscheint uns z. B. die Photosphäre der Sonne als deren scharfer Rand.
Es existieren Hauptreihensterne mit Radien zwischen 0,3 R  und 15 R  (R  ≈ 6,96 • 108 m
= Radius der Sonne). Aufgrund der großen Entfernungen aller Sterne zur Erde gelingt
es nicht, diese direkt zu messen, d. h., der Winkeldurchmesser eines Sterns ist (bis auf
wenige Ausnahmen) geringer als das Aulösungsvermögen der Teleskope. Die Messungen
der Radien erfolgen deshalb auf indirekten Wegen. Die verlässlichsten Werte gewinnt man
für photometrische Doppelsterne.
Photometrische Doppelsterne umkreisen ihren gemeinsamen Schwerpunkt in einer Ebene,
welche auch die Erde enthält. Daraus folgt, dass einmal pro Umlauf der Stern A auf der
Sichtlinie Erde – Stern B und umgekehrt einmal Stern B auf der Sichtlinie Erde – Stern A
steht. Zu diesen beiden Zeiten verdeckt ein Stern den anderen, sodass auf der Erde weniger Strahlung detektiert wird als sonst (vgl. Abb. M 4-1).
I
S
N
Stern B
Stern A
Stern A
Stern B
Stern A
A
R
O
Helligkeit
m
mN
V
mH
tN
RA
RB
V
Stern B
Stern B
II/H
T
H
C
Stern A
m
2·(RA–RB)
2·(RA+RB)
tH
Zeit t
t1
t2
t3
t4 Zeit t
Abbildung M 4-1: links: Entstehung der Lichtkurve photometrischer Doppelsterne (der Pfeil markiert die Blickrichtung von der Erde zum Doppelstern); rechts: Bestimmung der Radien aus der Form der Minima
Abbildung M 4-1 zeigt rechts schematisch die Entstehung eines Minimums. Zum Zeitpunkt
t1 beginnt sich Stern B vor Stern A zu schieben und diesen zu verdecken. Die gemessene
Helligkeit nimmt ab, bis sich zum Zeitpunkt t2 Stern B vollständig vor Stern A geschoben
hat. Die Helligkeit bleibt minimal bis zum Zeitpunkt t 3. Nun beginnt Stern B wieder aus
der Sichtlinie Erde – Stern A herauszuwandern. Zum Zeitpunkt t4 wird von der Erde aus
wieder die Ausgangshelligkeit des Doppelsterns gemessen. Mithilfe der gemessenen Zeiten und der Bahngeschwindigkeiten v A und vB der beiden Sterne können die Radien RA
und RB mithilfe des Gleichungssystems
2 ⋅ (RA + RB ) = v ⋅ (t4 − t1)
2 ⋅ (RA − RB ) = v ⋅ (t3 − t2 )
bestimmt werden. Hier ist v die Abkürzung für v = v A + vB . Die Geschwindigkeiten werden
aus Radialgeschwindigkeitsmessungen in den Spektren der Sterne bestimmt. Bewegt sich
ein Stern radial zur Erde, d. h. von ihr weg bzw. auf uns zu, so verursacht diese Bewegung eine Verschiebung der Spektrallinien im Sternspektrum (optischer Dopplereffekt).
Die Größe der Verschiebung ist ein Maß für die Radialgeschwindigkeit des Sterns.
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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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M5
Temperatur und Spektraltyp eines Sterns – Daten
Balmer-Serie
Charakteristische
Linien O-Stern
Charakteristische
Linien K-Stern
Charakteristische
Linien M-Stern
Name
der Linie
λ /nm
Name
der Linie
λ /nm
Name
der Linie
λ /nm
Name
der Linie
λ /nm
Hα
656,3
He+ (1)
631,1
Ca (1)
612,2
TiO (1)
758,9
Hβ
486,1
He+ (2)
468,6
Ca (2)
558,8
TiO (2)
615,9
Hγ
434,0
He+ (3)
454,2
Ca (3)
527,0
TiO (3)
544,8
Hδ
410,1
He+ (4)
420,0
Ca (4)
422,7
TiO (4)
476,1
Hε
397,0
He+ (5)
392,4
Mg
518,4
TiO (5)
455,4
Hζ
388,8
Na
589,0
TiO (6)
446,3
Tabelle M 5-1: Übersicht der Spektrallinien
T
H
C
I
S
N
A
R
O
II/H
V
Abbildung M 5-4: oben: Spektrum des Sterns Merak; unten: Spektrum des Sterns HD 157881. Beide Spektren stammen aus der Spektren-Datenbank STELIB („stellar library“) des Astrophysikalischen Instituts von
Toulouse (Frankreich) [STELIB].
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3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
M6
15 von 24
Expertengruppe IV: Die Leuchtkraft eines Sterns
Die Leuchtkraft L eines Sterns ist ein Maß für dessen Leistung, d. h., sie gibt an, wie viel
Energie pro Sekunde der Stern in Form von Strahlung abgibt. Dabei muss der gesamte
Spektralbereich berücksichtigt werden und nicht etwa nur der sichtbare Bereich.
Es existieren Hauptreihensterne mit Leuchtkräften im Bereich von 0,01 L  bis ca. 1 Mio L 
(L  ≈ 3,85 • 1026 W = Leuchtkraft der Sonne). Die Leuchtkraft eines Sterns ist das Produkt
aus dem Fluss F (Energie pro Fläche und Zeit, z. B. pro m2 und s) im gesamten Spektralbereich und der Oberläche des Sterns
L = 4 πR2 ⋅ F .
Betrachtet man den Stern als schwarzen Körper, ist der Fluss über das Stefan-BoltzmannGesetz mit der effektiven Temperatur des Körpers (Sterns) verknüpft, sodass gilt:
4
.
L = 4 πR2 ⋅ σTeff
σ ist die Stefan-Boltzmann-Konstante und hat den Wert σ = 5,67 ⋅ 10−8 W/(m2 ⋅ K 4 ). Rechne-
risch ist die Leuchtkraft aus Sterntemperatur und Radius leicht bestimmbar. Während die
Temperatur eines Sterns durch astronomische Beobachtungen präzise ermittelt werden
kann, ist im Allgemeinen eine Radiusmessung bei Sternen nicht durchführbar.
T
H
C
I
S
N
Strahlungsquelle
A1
A1
A1
A
R
O
1·d
2·d
3·d
Abbildung M 6-1: Quadratisches Abstandsgesetz: Die Strahlungsenergie, die im Abstand d pro Zeitintervall durch die
Fläche A1 strahlt, verteilt sich im Abstand 2 • d auf die Fläche 4 • A1 und im Abstand 3 • d auf die Fläche 9 • A1. Im
Umkehrschluss strahlt durch die Fläche A1 im Abstand 3 • d
nur noch ein Neuntel der Energie wie durch die gleiche Fläche
im Abstand d. Die Energie pro Fläche und Zeit (z.B. J ∙m -2∙s -1)
nimmt mit dem Abstand quadratisch ab. Bemerkung: Dieses
Gesetz gilt exakt nur für punktförmige Lichtquellen.
Die Leuchtkraft eines Sterns kann von der Erde aus nicht direkt gemessen werden. Messbar ist auf der Erde nur der ankommende Fluss F(d) des Sterns. Wie Abbildung M 6-1
zeigt, ist dieser Fluss jedoch aufgrund des quadratischen Abstandsgesetzes
V
d 
F ( d) = F0 ⋅  0 
d
2
geringer als der vom Stern ausgesandte Fluss F0 ; d0 entspricht in diesem Fall dem Sternradius. Durch Umformen obiger Gleichung sieht man, dass das Produkt aus dem Quadrat
der Entfernung und dem zugehörigem Fluss konstant ist: d2 ⋅ F(d) = d02 ⋅ F0 = konstant. Damit
lässt sich die Leuchtkraft eines Sterns schreiben als:
L = 4 π ⋅ R2 ⋅ F0 = 4 π ⋅ d2 ⋅ F(d) .
Bei bekannter Entfernung d des Sterns kann dessen Leuchtkraft aus dem auf der Erde
gemessenen Fluss F(d) bestimmt werden. Ist zudem aus spektroskopischen Messungen
die effektive Temperatur Teff des Sterns bekannt, kann der Radius des Sterns berechnet
werden. Diese Art der Radiusbestimmung ist jedoch mit relativ großen Unsicherheiten
behaftet. Insbesondere deshalb, weil Teile der Strahlung durch Absorption und Streuung am interstellaren Medium auf dem Weg vom Stern zur Erde verloren gehen könnten und stets der Fluss im gesamten Wellenlängenbereich gemessen werden müsste. Da
kein Detektor für alle Wellenlängen empindlich ist, misst man nur den Fluss in einem
bestimmten Wellenlängenbereich (z. B. dem sichtbaren Spektralbereich) und korrigiert
diesen Wert im Anschluss rechnerisch (Bolometrische Korrektur), d. h., man extrapoliert
von der gemessen Helligkeit auf die bolometrische Helligkeit des Sterns, also die Helligkeit im gesamten Spektrum.
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II/H
3. Stellare Zustandsgrößen bestimmen
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Erläuterungen und Lösungen
M 2
Stammgruppe: Die Zustandsgrößen von Sternen bestimmen
Allgemeine Hinweise zum Gruppenpuzzle:
– Zum Gruppenpuzzle gehören die Materialien M 2–M 6.
– Teilen Sie Ihre Schüler in vier Stammgruppen ein. Jede Stammgruppe muss mindestens aus vier Schülern bestehen. Bei mehr als 16 Schülern entsendet eine Stammgruppe mehrere Mitglieder pro Expertengruppe.
– Stellen Sie den Expertengruppen neben dem jeweiligen Material (M 3–M 6) auch
Möglichkeiten zur weiterführenden Literaturrecherche zur Verfügung (Schul- und
Lehrbücher, Internetzugang etc.; vgl. auch Mediathek auf S. 3).
– Stellen Sie den Expertengruppen I, III, und IV die Materialien für die Experimente zur
Verfügung.
– Stellen Sie den Expertengruppen die Lösungen zur Verfügung, sodass diese die
Ergebnisse der Expertenarbeit selbstständig kontrollieren können.
– Vervielfältigen Sie die Handouts der Expertengruppen. Sehen Sie diese dabei auf
grobe fachliche Fehler hin durch. Beaufsichtigen Sie bereits die Entstehung der Handouts. Intervenieren Sie so früh wie möglich; aber nur, wenn es nötig ist.
T
H
C
Benötigte Materialien für die Schülerexperimente:
Zu M 3 Expertengruppe I: Die Masse eines Sterns (vgl. Abb. L 3-1)
I
S
N
r Holzstab l = 1 m , d = 1 cm
r Ringförmige Massestücke, z. B. vom Reifen-Walzen-Apparat
(2 x 50 g, 1 x 125 g, 1 x 250 g, 1 x 500 g)
r Eventuell: Knete + Stativstab mit Fuß
A
R
O
Zu M 5 Expertengruppe III: Temperatur und Spektraltyp (vgl. Abb. L 5-1 und M 5-3)
r Hg-Damplampe
r Na-Damplampe
V
r 2 Projektionsschirme
r Kochsalz (NaCl)
r Kartuschenbrenner
r Spatel o. Ä.
Zu M 6 Expertengruppe IV: Die Leuchtkraft eines Sterns (vgl. Abb. M 6-2)
r CAS-Rechner mit Messwerterfassungsmodul und optischer Sonde
r Stativfuß, kurze Stativstange und Kreuzmuffe
r Glühlampe (6 V / 0,4 A) mit Spannungsquelle
r Messschieber
r Karton, mit dem der Versuchsaufbau abgedeckt werden kann (z. B. Schuhkarton)
Falls Sie nicht über einen CAS-Rechner mit Zubehör verfügen, so können Sie diesen durch
eine Fotodiode und ein passendes Amperemeter ersetzen. Gemessen wird dann der Fotostrom in Abhängigkeit von der Entfernung. Falls Sie das Gruppenpuzzle nicht als solches
durchführen möchten, sind die Materialien auch getrennt voneinander als Arbeitsblätter
einsetzbar. Weiterhin können Sie die abgedruckte Theorie im klassischen Frontalunterricht
darstellen und die Experimente in diesen einbinden. Die Aufgaben mit den Beobachtungsdaten können Sie dann gemeinsam mit Ihren Schülern im Unterricht bearbeiten.
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