Nichtrelativistischer Grenzfall der Diracgleichung

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§4a Die Pauligleichung
Wenn der formelle DIRACoperator (siehe §3 Abschnitt 3) unter Berücksichtigung der elektromag~
netischen Potentiale V und A
~ ) + β m c2 + e V .
HD = c α
~ · (~
p − e A/c
(1)
in Matrixnotation geschrieben wird, dann ist es leichter, physikalische Inhalte herauszufinden. Der
HAMILTONoperator nimmt folgende Gestalt an
~
+m c2 + e V
0
0
~σ ·(c p~ − e A)
,
(1′ )
+
HD =
~
0
−m c2 + e V
~σ ·(c p~ − e A)
0
wobei die im vorherigen Abschnitt in Gl.(10a) und (10b) notierte Form benutzt worden ist, bei der
die drei α–Matrizen und β
I
0
0 σi
(2)
, β=
αi =
0 −I
σi 0
die Standardform haben. Für kleine Impulse p und schwache elektromagnetische Felder ist das
Verhältnis der nichtdiagonal Matrixelement der ersten Matrix klein, gegenüber der Differenz der
Diagonalelemente der zweiten Matrix c p/(2 m c2 ) = v/(2 c) ≪ 1 klein. Die Idee ist, mit den Mitteln
~
der Störunstheorie zweiter Ordnung den nichtrelativistischen Grenzfall zu untersuchen: ~σ·(c p~ − e A)
ist das Matrixelement, das vom Zustand χ+ mit der Energie +m c2 zum Zustand χ− mit −m c2 und
zurück führt. Die SCHRÖDINGERgleichung oder die PAULIgleichung, die den Spin mitberücksichtigt,
ist dann die Korrektur der Ruhenergie m c2 .
Mit der Form (1′ ) für HD erhält man zwei Gleichungen für χ+ und χ− , die zusammen den
DIRACwellenfunktion mit 2 + 2 Komponenten bilden. Es ist also
~ χ−
χ+
χ+
(E − m c2 − e V ) χ+ = ~σ ·(c p~ − e A)
E
= Hd
=⇒
(3)
2
~ χ+
χ−
χ−
(E + m c − e V ) χ− = ~σ ·(c p~ − e A)
und man findet für χ− aus der zweiten Gleichung
χ− =
1
~ χ+ ,
~σ ·(c p~ − e A)
E + m c2 − e V
(3′ )
so daß χ− in der ersten Gleichung von (3) ersetzt werden kann
~
(E − m c2 − e V ) χ+ = ~σ ·(c p~ − e A)
1
~ χ+
~σ ·(c p~ − e A)
E + m c2 − e V
(3′′ )
Das Ziel eine Gleichung für nur einen Zweierspinor χ+ zu konstruieren ist also erreicht. Auf der
linken Seite steht die kleine Energie E ′ = E −m c2 , während auf der rechten Seite im Energienenner
der großen Energiebeitrag E + mc2 = E ′ + 2 m c2 steht. Dagegen sind E ′ und e V vernachlässigbar,
weil sie klein verglichen mit 2 m c2 sind. Macht man diese Näherung, dann wird (3) zu
(E ′ − e V ) χ+ =
1 ~ 2 χ+
~σ ·(c p~ − e A)
2
2mc
8
(4)
und damit zur PAULIgleichung, wie nach einigen Zwischenrechnungen zu sehen ist. Es ist leicht zu
~ (~σ · A)
~ =A
~ 2 ist. Bleiben die gemischten Terme∗
sehen, daß (~σ · p~) (~σ · ~
p) = p~ 2 und (~σ · A)
~ (~σ · ~
~·~
~ × p~ ]
(~σ · A)
p) = A
p + i σ [A
~ = p~ · A
~ + i σ[~
~ ] = ~p · A
~ + h̄ ~σ rotA
~ − i ~σ [A
~ × p~ ]
(~σ · ~
p) (~σ · A)
p×A
(5a)
(5b)
wobei in der zweiten Gleichung (5b) berücksichtigt ist, daß mit p~ = (h̄/i) ∇ auch das Vektorpotential
~ differentiert werden muß. Eingesetzt mit rotA
~=H
~ ist (4)
A
2
e h̄
1
′
~
~
~σ · H χ+
(6)
p~ − e A/c −
E − e V χ+ =
2m
2mc
schließlich eine SCHRÖDINGERgleichung mit einem zusätzlichen Term, der gleich der Energie des
~ = h̄ ~σ im Magnetfeld H
~ ist. Dieser Zusatzterm ist schon von PAULI eingeführt
Elektronenspins S
2
worden und deshalb trägt diese Spinor gleichung seinen Namen.
Der Vorfaktor des Magnetfeldterms in (6) ist das BOHRsche Magneton
µB =
e h̄
2mc
(7)
und µB Hz m ist die Energie eines elektronischen Zustandes im Magnetfeld, z.B. in z–Richtung, multipliziert mit m, der magnetischen Quantenzahl −l ≤ m ≤ l. Diese Aufspaltung eines (2l+1)–fach
entarteten atomaren Multipletts ist die Ursache des ZEEMANeffekts, bei dem die Energiedifferenz
zwischen den einzelnen Niveaus µB H sein sollte. Meist beobachtet man aber einen anderen Wert
für die Aufspaltung. Nach (6) ist er 2 µB H, was bedeutet, daß der gyromagnetische Faktor g = 2.
~ = h̄ ~σ ist. Für ein orbitales Moment ist g = 1.
für einen elektronischen Spin S
2
~ × ~r] eines homogenen Magnet~ = 1 [H
Das läßt sich zeigen, indem man das Vektorpotential A
2
~ in (6) einsetzt, d.h.,
felds H
2
2
1
~ × ~r ] p~ + e [H
~ × ~r ]2 ,
~ 2 = p~ − e [H
p~ − e A/c
2m
2m
2mc
m c2
~ +A
~ · p~ = 2 A
~ · p~ ist. Der zweite Term hat mit [H
~ × ~r ] p~ = H
~ [ ~r × p~ ]
wobei man benutzt, daß p~ · A
dieselbe Strukur wie PAULIs Zusatzterm in (6) und ist gleich
−
e h̄ ~ ~
H · L/h̄ ,
2mc
während der dritte sogenannte diamagnetische Term für Atome viel kleiner ist. Im allgemeinen Fall
beeinflußt das Magnetfeld sowohl die Bahn, charakterisiert durch die Quantenzahlen l, m als auch
~ +S
~ und
den Spin mit s = 12 . Beide zusammen bilden ein Multiplett mit Gesamtdrehimpuls J~ = L
~ + 2 S)
~ H.
~ Der gyromagnetische
Quantenzahl j = l ± 1/2. Die Energie im Magnetfeld ist −µB (L
∗∗
~
Faktor gj oder besser der LANDÉfaktor dafür ist (d.h. es gilt −gj µB J~ · H)
gj = 1 +
∗
∗∗
j(j + 1) − l(l + 1) + s(s + 1) .
2 j(j + 1)
~ σ ·B)
~ = A·
~ B
~ +i~
~ B
~]
Es gilt (~
σ ·A)(~
σ [A×
Die Landésche Formel (8) gilt für alle möglichen Werte für j, l und s und nicht nur für j=l±s mit s=1/2.
9
(8)
~ und S,
~ um Zustände mit J~ zu bilden.
In der PAULIgleichung (6) noch die Kopplung zwischen L
Zusammenfassend kann man sagen, daß die PAULIgleichung (6)
′
E χ+ =
1
~ 2 + e V − µB ~σ · H
~
p~ − e A/c
2m
χ+
aus der DIRACgleichung folgt, indem man die kleine Komponente χ− , wie sie in (3’) definiert ist,
eliminiert, so daß eine Gleichung nur für χ+ übrigbleibt. Die Frage ist dann, wie transformieren sich
andere Operatoren, z.B. die in (14) des vorigen Abschnitt §3 definierte Geschwindigkeit ~v = c α
~,
die, wie an der Form der α–Matrizen (2) zu sehen ist, keine Matrixelemente allein zwischen den
χ+ –Zuständen hat.
Zunächst gilt mit (2) für den Wert der Geschwindigkeit an der Stelle ~r
h ~v i = c χ+ ~σ χ− + c χ− ~σ χ+ .
(9)
Mit Gl.(3′ ) ersetzt man die zweikomponentige Wellenfunktion χ− durch χ+ , indem man dieselbe
Näherung, die zur PAULIgleichung führte, für χ− benutzt
χ− ≈
1
~ χ+ .
~σ ·(c p~ − e A)
2 m c2
(3′ )
Damit ist die x–Komponente der Geschwindigkeit
1
~
~
p − e A/c)
+ ~σ ·(~
p − e A/c)
σx χ+
χ+ σx ~σ ·(~
2m
1
χ+ (px − e Ax /c) χ+ .
≈
m
h vx i ≈
(9′ )
Somit verwandelt sich der Operator der Geschwindigkeit c α
~ in
~v =
1
~
(~
p − e A/c)
m
(10)
wie zu erwarten. Die Umschreibung des HAMILTONoperator hatte ein interessanteren Ergebnis, daß
g = 2 ist, wie es für ein Elektron sein sollte. Genaugenommen ist g 6= 2, es ist g = 2 + 1, 161 · 10−3 .
Mit Hilfe der Quantenelektrodynamik lassen sich die Korrekturen berechnen, wobei α/(2 π) die
Korrektur in der niedrigste Ordnung der Feinstrukturkonstante α = e2 /(h̄ c) ist.
Die PAULIgleichung ist nicht so nützlich, weil die Spinbahn–Kopplung fehlt. Um sie zu finden,
muß man noch Terme in höheren Ordnung in v/c berücksichtigen. Zunächst eine heuristische
Herleitung der Spinbahnwechselwirkung.
10
§4b Spin–Bahn–Kopplung
Eine mehr oder weniger anschauliche Überlegung führt zu einer Formel für zentralsymmetrische
Potentiale für Atome. Wie in der Skizze umkreist eine Elektron e im Abstand r den Atomkern
~ ist dort gleich −∇V /e, aber für ein zentralsymmetrisches Potential
Z. Das elektrische Feld E
vereinfacht sich dies zu
~ = − ~r dV
(11)
E
r dr
H
L
E
v
r
z
e
S
~ des Elektrons e mit Geschwindigkeit v im elektrisches Feld E
~ orientiert sich im Magnetfeld H
~
Der Spin S
Bewegt sich ein Elektron mit der Geschwindigkeit v durch dieses elektrische Feld, so wirkt auf sein
~ der Größe
magnetisches Moment ein Magnetfeld H
~ = − 1 [ ~v × E
~]
H
(12)
c
und damit ist die Energie zwischen Spin und Bahn des Elektrons
e h̄ .
~
ESL = −µB ~σ · H
mit
µB =
(13)
2mc
In der Formel für das BOHRsche Magneton µB hat die Ladung des Elektrons e ein negatives Vorzeichen, so daß das Vorzeichen für die Energie ESL so ist, daß sie am niedrigsten für eine antiparallele
~ = (h̄/2) ~σ und Magnetfeld H
~ ist, wie in der Skizze gezeichnet.
Stellung von Spin S
Jetzt muß man nur noch alles einsetzen. Zuerst (11) in (12)
~ = − 1 dV [ ~r × p~ ] ,
(12′ )
H
c m r dr
~ = ~r × p zu bekommen. Dieses effektive
wobei ~v = p~/m ersetzt worden ist, um den Drehimpuls L
~ = h̄ σ
Magnetfeld in (13) eingesetzt, ergibt dann schließlich mit S
2
1 dV ~ ~
e
(S · L)
(14)
2
(m c) r dr
Allerdings ist der Vorfaktor zweimal so groß wie experimentell beobachtet. Die Korrektur 1/2
ist der sogenannte THOMASfaktor, den die DIRACgleichung im nichtrelativistischen Grenzfall auch
liefert . . .
ESL =
11
Nur ist das nicht so einfach! Mit einer technischen Trick, der von FOLDY und WOUTHUYSEN1
gefunden worden ist, läßt sich der HAMILTONoperator
~ ) + β m c2 + e V .
HD = c α
~ · (~
p − e A/c
diagonalisieren. Gemeint ist damit, daß Terme die α–Matrizen enthalten, die große und kleine Komponenten miteinander verknüpfen, durch unitäre Transformationen U eliminiert werden können
U † Hd U =
(15)
= β m c2 + e V +
1
1
1
β (~σ ·~π )2 −
[ (~σ ·~π ), [ (~σ ·~π ), e V ] −
β (~σ ·~π )4 + . . .
2
2m
8 (m c)
8 m3 c2
~ und ~σ sind die Paulimatrizen, während β und α
Die Abkürzung π ist ~π = p~ − e A/c
~ 4 × 4–
Matrizen wie in (2) am Beginn dieses Abschnitts sind. U kann nur sukzessive konstruiert werden
und hier sind alle Terme ∝ (v/c)4 diagonal. Die drei ersten Terme bilden den HAMILTONoperator
der PAULIgleichung, wie bereits nachgerechnet. Man muß β durch +1 ersetzen, für die Anti teilchen
oder die Lösungen mit negativer Energie wäre es −1.
Der letzte Term von (15) ist leicht zu interpretieren. Wenn man die Energie als Funktion des
Impulses entwickelt,
E =c
p
(m c)2 + p2 = m c2 +
p4
p2
−
+ ...
2m
8 m3 c2
dann bekommt man dieselben Koeffizienten wie in (15). Der Term selber ist nicht schwierig
auszurechnen
h̄ e ~ 2
~σ · H
(16)
(~σ ·~π )4 = ~π 2 −
c
weil es nur bis auf den Faktor 1/(2m) gleich der rechten Seite der Gl.(6) ist, die bis auf den
Potentialterm die PAULIgleichung ist.
Der vierte Term von (15) ist derjenige, der die Spinbahnkopplung liefert,
~ − 2 h̄ ~σ [ ~π × E
~]
[ (~σ ·~π ), [ (~σ ·~π ), V ] = h̄2 div E
(17)
was auch nicht schwierig nachzurechnen ist. Der zweite Term auf der rechten Seite sollte die Form
ESL der Gl.(14) annehmen
e
h̄
?
~ 1 dV
ESL =
(18)
~
σ
·
L
2 (m c)2 2
r dr
was auch der Fall ist, den THOMASfaktor 1/2 inbegriffen.
Alle Korrekturterme, die über die PAULIgleichung hinausgehen, sind ohne das Vektorpotential
Hkorr =
1
p4
h̄2 e
~ ·L
~ e dV −
∆V
+
S
,
8 m2 c2
2 (m c)2
r dr
8 m3 c2
(19)
~ = h̄~σ /2.
wobei der erste Term der DARWINterm ist und im zweiten, dem Spinbahnterm, ist S
1
L. L. Foldy und S. A. Wouthuysen, Phys. Rev, 78, 29 (1958), siehe A. Messiah, Mécanique quantique, Dunod 1964.
12
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