0.1 E: Die reellen Zahlen als Dezimalzahlen

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0.1
E: Die reellen Zahlen als Dezimalzahlen
Wir betrachten zunächst einmal nur Zahlen im Intervall [0, 1]. Wir betrachten unendlich lange
Zeichenketten der Form
0.a1 a2 a3 . . .
mit ai ∈ {0, . . . , 9} für alle i.
Definition: Eine abbrechende Dezimalzahl ist ein Bruch der Form
0.a1 . . . ak 00 . . . =: 0.a1 . . . ak
Eine (rein)periodische Dezimalzahl ist von der Form
0.a1 a2 . . . ak = 0.a1 . . . ak a1 . . . ak . . .
eine eventuell periodische der Form:
0.b1 . . . bl a1 . . . ak
Die Menge aller Dezimalzahlen bezeichnen wir mit D, die abbrechenden Dezimalzahlen bezeichnen wir mit Da . Die Addition auf Da ist die übliche, ziffernweise, Addition mit Übertrag.
Das Ergebnis hat also von der Form a0 .a1 a2 a3 . . . , mit a0 ∈ {0, 1} . Zwei Zeichenketten a0 .a1 a2 . . .
und b0 .b1 b2 . . . sind gleich (als Zeichenketten), wenn ai = bi für alle i.
Satz: Die Addition ist assoziativ, kommutativ und hat 0 = 0.0̄ als Neutralelement
Bemerkung: Auf der Menge der Dezimalzahlen gibt es eine Ordnung, die sogenannte lexikographische Ordnung.
a0 .a1 a2 . . . <lex b0 .b1 b2 . . .
gilt genau dann, wenn es eine k gibt, mit ai = bi für alle 0 ≤ i ≤ k und ak+1 < bk+1 . Also
derjenige, der an der ersten Stelle, an der sich die Zeichenketten unterscheiden, eine kleinere
Ziffer hat, ist kleiner.
Beispiel: Rein formal gilt also:
0.9̄ <lex 1.0̄
Wir betrachten nun die Menge aller abbrechenden Dezimalzahlen Da . Diese werden am Ende
durch Nullen aufgefüllt um unendliche Zeichenketten zu erhalten. Es sind also alle Teilmengen
von Da lexikographisch nach oben beschränkt. Insbesondere ist die Menge
S = {0.9, 0.99, 0.999, . . .}
nach oben beschränkt.
Frage: Besitzt die Menge S ein Supremum bzgl. der lexikographischen Ordnung?
Antwort: Ja: sup S = 0.9̄
Grund: Alle Elemente von S sind von der Form 0. 9| .{z
. . 9} 0 . . . . An der k + 1−ersten Stelle unterk
scheiden sich dieses Element von S und 0.9̄ zum ersten Mal und es ist 0 < 9. Daher ist auch 0.9̄
eine obere Schranke von S. Es ist auch die kleinste obere Schranke: Ist s <lex 0.9̄, so muß sich s
an einer Stelle k von 0.9̄ unterscheiden, also
s = 0. 9| .{z
. . 9} ak . . .
k −1
Da aber alle Ziffern ak kleiner sind als 9 sind, ist die abbrechende Dezimalzahl 0. 9| .{z
. . 9} 0 . . . ∈ S
lexikographisch größer als s.
Wenn wir also so rechnen wollen, wie gewohnt, muß es ein Element 0+ geben, mit
k
0.9̄ + 0+ = 1
Dann ist aber
10−k + 0.9̄ = 1. 0| .{z
. . 0} 9̄ >lex 1
k
Subtraktion von 0.9̄ auf beiden Seiten liefert
10−k > 0+
für alle k ≥ 1.
D.h. unser Objekt enthält Positive Infinitesimale, d.h. Objekte, die kleiner als jede andere Zahl
aber selbst nicht 0 sind. also ist diese Objekt nicht archimedisch geordnet.
Um ein solches zu erhalten werden wir nun die Zahl 0.9̄ und 1 (und analog elagerte Fälle)
miteinander identifizieren.
Eine beliebige nichtnegative reelle Zahl als Dezimalzahl erhalten wir durch:
natürliche Zahl+Dezimalzahl zwischen 0 und 1
Definition: Eine normierte nichtnegative Dezimalzahl ist ein Ausdruck der Form
a0 + 0.a1 a2 . . .
mit a0 ∈ N und a1 , a2 , . . . ∈ {0, 1, . . . , 9}. Wir ersetzen eine Dezimalzahl, die in einer unendlichen Folge von Neunen endet, also der Form a0 .a1 ....an 9̄ mit an < 9
durch die Dezimalzahl a0 .a1 a2 . . . an−1 ( an + 1)0̄.
Satz: Diese nicht negativen Dezimalzahlen (mit der obigen Identifikation) erfüllen das Supremumsaxiom.
Grund: Sei S eine nicht leere Teilmenge von Dezimalzahlen, welche nach oben beschränkt
ist. Wir sammeln alle Vorkommastellen a0 ∈ N. Diese sind, da S beschränkt ist ebenfalls beschränkt. Eine nach oben beschränkte Menge von natürlichen Zahlen hat aber ein größtes Element. Dieses nennen wir b0 . Sei S0 die Menge der Dezimalzahlen in S, die mit b0 anfängt. Jede
Zahl in S\S0 (also in S und nicht in S0 ) ist daher kleiner als jede Zahl in S0 .
Als nächstes betrachten wir die Menge aller Dezimalzahlen mit derselben höchsten Dezimalstelle b1 und nennen diese S1 . D.h. alle Dezimalzahlen in S1 beginnen mit b0 .b1 . Wiederum ist
jede Zahl in S kleiner als jede Zahl in S1 . Setzt man dies fort, so erhält man eine Sequenz von
Mengen
S ⊃ S0 ⊃ S1 ⊃ S2 ⊃ . . . ⊃ S n ⊃ . . .
Man beachte, daß alle diese Mengen nicht leer sind und daß alle Zahlen in S\Sn kleiner als
alle Zahlen in Sn sind. Der ganze Prozess beschreibt also nun die Dezimalentwicklung einer
eindeutig bestimmten Zahl
b = b0 .b1 b2 . . . bn bn+1 . . .
(Gäbe es zwei verschiedene Zahlen b und b0 , so müßten sie sich an einer Stelle unterscheiden
bn0 6= bn . Dann wäre aber eine von beiden kleiner, also im n − ten Schritt aussortiert worden).
Wir zeigen nun, daß dieses b das Supremum von S ist. Zunächst einmal ist b eine obere Schranke
für S: Sei a = a0 .a1 a2 . . . ∈ S. Ist a0 < b0 , so ist a < b. Ansonsten ist a0 = b0 und wir vergleichen
die ersten beiden Nachkommastellen. Entweder ist a1 < b1 (und damit a < b) oder a1 = b1 und
wir untersuchen die zweiten Nachkommastellen usw. Insgesamt ist also a < b oder a = b, also
ist b eine obere Schranke für S.
Um zu zeigen, daß b die kleinste obere Schranke von S ist, wählen wir ein t < b. Dann unterscheidet sich t an irgendeiner Stelle n von b, also
t = b0 .b1 . . . bn−1 tn tn+1 . . .
und tn < bn . Aber dann liegt t nicht in Sn und Sn enthält Zahlen größer als t.
Bemerkung: Führen wir nun noch die Addition und Multiplikationen
0.1.1
Der Wert von Dezimalzahlen
Wir betrachten die Dezimalzahl a = 0.a1 a2 . . . . Natürlich haben wir immer die folgende Interpretation vor Augen:
∞
a=
∑ ak · 10−k
k =1
Nun ist dies eine unendliche Summe. Wie kann dadurch ein endlicher Wert definiert werden?
Dazu betrachten wir allgemeiner die folgenden Ausdrücke:
∞
∑ ak x k
k =1
So etwas nennt man auch eine Potenzreihe. Offensichtlich kann man nicht erwarten, daß die
für beliebige Werte von x ein endliches Ergebnis liefert. Wählen wir z.B. ak = 1 und x = 1, so
erhalten wir ∑∞
k=1 1. Unendlich oft die 1 aufaddiert liefert aber sicherlich keine endliche Zahl.
Erst recht natürlich nicht für x > 1. Wir müssen also für ak , x ≥ 0 fordern:
∞
∑ ak x k < ∞
k =1
0.1.2
Probleme mit Dezimalzahlen
Geben Sie einmal folgendes in Ihren Taschenrechner ein:
√
2 · 10−100 − 10−100
Jeder moderne Taschenrechner wird Ihnen mit ”0” antworten. Schauen wir uns mal die Konsequenzen an:
√
√
2 · 10−100 − 10−100 = ( 2 − 1) · 10−100 = 0
Division von 10−100 auf beiden Seiten liefert:
√
√
2 − 1 = 0, also 2 = 1
√
√
was natürlich völliger Unfug ist. Was ist nun aber 2 ? Die beste Antwort darauf ist wohl: 2
, also die positive Zahl, die quadriert 2 ergibt. Oder noch deutlicher: die positive Nullstelle des
Polynoms x2 − 2.
√
Die Antwort 2 = 1.41421356 ist falsch, denn 1.414213562 = 1.999999993287874 6= 2
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