Wie hilft eine Reha-Maßnahme Kindern mit Neurodermitis?

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Wie hilft eine Reha-Maßnahme Kindern mit
Neurodermitis?
29.01.2014 - Autor: Sabine Jossé, MeinAllergiePortal, www.meinallergie-portal.com, Kategorie: News
Neurodermitis ist eine Krankheit, die den Alltag von betroffenen
Kindern und ihren Familien stark beeinträchtigen kann. Der
Juckreiz und die entzündlichen Hautveränderungen sind gerade für
Kinder schwer zu ertragen. Oft leidet dann die ganze Familie mit.
Das wichtigste Ziel bei der Behandlung von Neurodermitis ist es, Kindern und Eltern einen
möglichst beschwerdefreien Alltag zu ermöglichen. Unter bestimmten Umständen ist eine
Reha-Maßnahme in einer spezialisierten Klinik ein guter Weg, dieses Ziel zu erreichen.
MeinAllergiePortal sprach mit Dr. Wolfgang Franck, Oberarzt an den Fachkliniken Wangen.
Wann ist bei Kindern mit Neurodermitis ein Aufenthalt in einer Rehaklinik sinnvoll?
Welche Maßnahmen die evtl. ambulant nicht möglich sind, werden dort ergriffen?
Sinnvoll ist eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme bei Neurodermitis, wenn die
vielfältigen gesundheitlichen und psychosozialen Beeinträchtigungen, die die Erkrankung für
Kinder und Jugendliche mit sich bringen kann, ambulant nicht mehr bewältigt werden
können. Hierzu zählt eine mangelnde Besserung des Hautzustandes unter ambulanter
Therapie, ein quälender Juckreiz, der durch bisherige Maßnahmen nicht beherrschbar ist,
sowie eine deutliche Verminderung der Lebensqualität z.B. durch eine Störung des
nächtlichen Schlafes.
In einer Rehabilitationsmaßnahme besteht die Möglichkeit, sich interdisziplinär, d.h. in
Zusammenarbeit verschiedenster Fachdisziplinen, intensiv um den Patienten und seine
Familie zu kümmern. Neben Ärzten und Krankenschwestern sind hier ggf.
auch Oecotrophologen, d.h. Ernährungsberater, sowie Neurodermitis-Trainer,
Entspannungs-Trainer und Psychologen involviert. Dadurch, dass wir die Patienten und
Familien hier vor Ort begleiten, kann sehr viel intensiver mit dem Patienten gearbeitet, die
Haut beobachtet und können Veränderungen der Therapie sozusagen "hautnah" verfolgt
werden.
Auch ist es sehr viel einfacher möglich, eine erweiterte Diagnostik - u.a. Allergiediagnostik
sowie auch gezielte Eliminationsdiät, d.h. Weglassen bestimmter Nahrungsmittel mit
nachfolgend strukturierter Nahrungsmittelprovokation - durchzuführen. Dies ist in einem
ambulanten Rahmen meist nur sehr eingeschränkt bzw. gar nicht möglich.
Zum Teil sehen wir Patienten, die über die Jahre eine komplexe - nicht immer sinnvolle - Diät
entwickelt haben. Dies kann unter Umständen die Gefahr einer Fehlernährung bedeuten,
wenn entscheidende Nahrungsmittel im Speiseplan fehlen.
Großes Thema ist immer wieder auch der quälende Juckreiz. Eine über längere Zeit deutlich
entzündete Haut führt nicht selten zu einem chronischen Juckreiz, der neben einer
verminderten Lebensqualität auch Probleme im sozialen Zusammenleben nach sich ziehen
kann. Auch erleben wir nicht selten eine Ausgrenzung wegen auffälliger Ekzeme.
Wie lange dauert eine Reha Maßnahme bei Neurodermitis und was passiert konkret?
Eine Rehabilitations-Maßnahme bei Neurodermitis dauert im Kindesalter minimal 4 Wochen,
im Jugendbereich oft 6 Wochen, gegebenenfalls auch länger.
Wir betreuen jüngere Kinder mit einer Begleitperson (Mutter oder Vater) in unserem Bereich
der sogenannten "Kind-Mutter-Rehabilitation". Jugendliche wohnen in einer Gruppe
Altersgleicher, ein Aufnahme- und Entlassgespräch erfolgt nach Möglichkeit mit den Eltern
zusammen.
Zu Beginn der Maßnahme steht meist eine Überprüfung der bisherigen Therapie sowie
gegebenefalls eine erweiterte medizinische Diagnostik. Bei Bedarf fällt die Entscheidung zur
Einführung einer sogenannten Eliminationsdiät, wobei aus dem Speiseplan bestimmte
Nahrungsmittel weggelassen werden. Parallel dazu erfolgt eine Optimierung der ExternaTherapie, d.h. der Therapie mit Cremes und Salben.
Vom ersten Tag an geht es darum, Patienten bzw. Eltern einen besseren Umgang mit einer
oft chronischen Erkrankung zu vermitteln. Neben dem Erlernen einer stadiengerechten
Therapie der Haut sowie passender Körperpflege, geht es um einen angemessenen Umgang
mit dem Juckreiz. Ziel ist es, das Selbstmanagement so zu stärken, dass der Umgang mit der
Erkrankung zu Hause sich auch nachhaltig verbessert.
Bei jüngeren Patienten ist es elementar, sowohl die Patienten als auch ihr soziales Umfeld in
die Behandlung einzubinden. Gegen Ende der Maßnahme rückt der Blick mehr und mehr in
Richtung Zukunft. Geklärt wird, in wie weit Dinge heimatnah fortgeführt werden müssen,
wenn ja in welcher Intensität und welche Hilfestellungen gegebenenfalls notwendig sind.
Was sind die wichtigsten Dinge, die Kinder mit Neurodermitis und ihre Eltern in der Reha
lernen?
Als Wichtigstes würde ich nennen, dass Patienten bzw. Eltern auf der einen Seite lernen,
Neurodermitis als Erkrankung zu akzeptieren, auf der anderen Seite aber auch die
Überzeugung bekommen, dass Neurodermitis mit einer entsprechenden Therapie in den
allermeisten Fällen sehr gut beherrschbar ist und Einschränkungen in der Lebensqualität sich
sehr gut minimieren lassen.
Klar ist jedoch auch, dass dafür ein gewisses Engagement vorhanden sein muss.
Eine Rehabilitationsmaßnahme soll Patienten bzw. deren Familien befähigen, in der Zeit
danach die Erkrankungen mit ambulanten Maßnahmen zu stabilisieren.
In manchen Fällen bei schwerer Neurodermitis macht eine regelmäßige Wiederholung einer
Rehabilitationsmaßnahme Sinn, insbesondere auch dann, wenn Kinder bzw. Jugendliche im
Prozess des Älterwerdens mehr Eigenverantwortung im Krankheitsmanagement
übernehmen können.
Bei manchen Kindern mit Neurodermitis ist auch eine Nahrungsmittelallergie vorhanden...
Nahrungsmittel-Allergien werden oft vermutet, wirklich betroffen sind ca. nur 1/3 aller
Neurodermitis-Patienten im Kindesalter. Die am häufigsten betroffenen Allergene sind
Kuhmilch, Hühnerei, Soja, Weizenmehl, Nüsse, Erdnuss und Fisch. Es gilt diejenigen
Patienten zu identifizieren, die von einer Nahrungsmittelkarenz profitieren, auf der anderen
Seite jedoch auch Patienten vor nicht sinnvollen oder gegebenenfalls auch gefährlichen
Diäten zu schützen.
Auch die Psyche scheint bei Neurodermitis eine Rolle zu spielen. In welcher Form wird
dieser Aspekt in die Neurodermitis-Reha integriert?
Emotionen und Psyche können als Schubfaktoren eine Rolle spielen. Unser Leben ist nicht
frei von Emotionen. Auf der einen Seite kann so Stress das Hautbild verschlechtern, auf der
anderen Seite reagiert bei einer schlechten Haut oft sekundär auch die Psyche mit.
Es gilt Patienten bzw. Familien so zu stabilisieren, dass sie Krisensituationen adäquat
verarbeiten können. In den Schulungen lernen Patienten bzw. Familien auch dieses.
Insbesondere das Thema Jucken und Kratzen spielt eine große Rolle, Betroffene lernen
sogenannte "Kratz-Alternativen" kennen. Auch Entspannungstechniken können hier eine
wertvolle Hilfe sein.
Weiter unterstützen wir die Arbeit an einem positiven Selbstbild und gesunden
Selbstbewusstsein.
Wie müssen die Eltern vorgehen, wenn Sie sich für eine Reha Maßnahme für ihre Kinder
mit Neurodermitis interessieren?
Grundsätzlich kann eine Rehabilitation über die Rentenversicherung oder über die
Krankenkasse beantragt werden. Die Beantragung übernehmen Eltern zusammen mit ihrem
Arzt. Kinder und Jugendliche erhalten in der Regel eine Rehabilitations-Leistung über ihre
versicherten Eltern. Ein Teil der Antragsformulare muss von den Eltern ausgefüllt werden,
ein Teil von dem Arzt.
Antragsformulare bekommt man von der Rentenversicherung oder im Internet über den
Suchbegriff "Anträge Kinderreha" - dann entsprechende Formulare wählen.
Alternativ kann die Rehabilitation auch über die Krankenkasse durchgeführt werden, hier
sind entsprechende Formulare bei der Krankenkasse erhältlich.
Herr Dr. Franck, herzlichen Dank für das Interview!
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