Quantentheorie - BFH

Werbung
Quantenmechanik
1
0. Quantenmechanik – warum ?
Die Quantenmechanik ist eng verbunden mit dem « Teilchen-Welle-Dualismus ».
In der klassischen Physik unterscheidet man zwischen Wellen (die Energie gleichmässig verteilt
transportieren) und Teilchen (die eine definierte Energiemenge transportieren). Z.B. ging man davon
aus, dass ein Detektor für Licht dessen Energie ganz kontinuierlich empfangen sollte, während ein
Detektor für Teilchenstrahlung deren Energie in Portionen empfangen sollte, wie sie durch die Teilchen
angeliefert werden.
Experimente zu Beginn des 20. Jahrhundert zeigten, dass diese Vorstellung nicht stimmen konnte.
Elektromagnetische (wie auch andere) Strahlung kann Energie nur in Portionen („Quanten“)
transportieren. Licht kann man sich aus Teilchen (Photonen) zusammengesetzt vorstellen. Auch
andere wichtige Eigenschaften wie der Impuls und der Drehimpuls treten in Quantenform auf.
Ebenso wichtig: man findet Welleneigenschaften bei den Teilchen. In der klassischen Physik ist das
Unterscheidungsmerkmal einer Welle der Interferenzeffekt (zwei Wellen mit geeignetem
Phasenunterschied können sich auslöschen), während zwei Teilchen sich nie gegenseitig auslöschen.
Es sei daran erinnert, dass Interferenzeffekte beobachtbar werden, wenn sich die experimentellen
Distanzen der Wellenlänge nähern. Beobachtet man Effekte bei sehr kleinen Distanzen, von der
Grössenordnung der Atome, treten ebenfalls Interferenzeffekte bei den Teilchen auf!
Als Konsequenz muss die klassische Unterscheidung zwischen Wellen und Teilchen aufgegeben
werden. Physikalische Phänomene zeigen beide Charakteristiken gleichzeitig.
Man kann sich das bildlich vorstellen anhand des Begriffs eines
„Wellenpakets“: ein Wellenzug (mit definierter Frequenz und
Wellenlänge) endlicher Ausdehnung (von dem man also Position
und Energiegehalt bestimmen kann – wir kommen später auf die
Frage zurück, wie genau diese Bestimmung möglich ist).
In diesem Sinn beschreibt die Quantentheorie alle Objekte unserer
Welt als „Wellenpakete“, die gleichzeitig Interferenzeigenschaften haben und quantisierte Energie,
Impuls Drehimpuls, Masse aufweisen.
0.1 Wellen mit Teilcheneigenschaften
Die typischen Wellen der klassischen Physik sind die elektromagnetischen Wellen, deren
Interferenzeigenschaften detailliert untersucht worden sind (Beugung am Spalt, Interferenz an dünnen
Schichten usw.)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergaben 3 verschiedene Experimente, dass man den
elektromagnetischen Wellen auch Teilcheneigenschaften zuschreiben muss:
0.1.1 Strahlung des Schwarzen Körpers in Abhängigkeit von der Wellenlänge
Heisse Körper emittieren Wärmestrahlung (elektromagnetische Strahlung). Das ideale Modell bildet
der „Schwarze Körper“, der experimentell durch einen Hohlraum mit kleiner Öffnung realisiert wird. Die
Untersuchung seiner Ausstrahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge führt zu einem theoretischen
Problem: nach der klassischen Elektrodynamik müsste die Intensität der Ausstrahlung mit sinkender
Wellenlänge unendlich zunehmen („UV-Katastrophe“).
Experimentell findet man eine maximale Intensität
bei einer bestimmten Wellenlänge λmax (die von der
Temperatur abhängt). Für kleinere Wellenlängen
nimmt die Intensität wieder ab und tendiert gegen
null wenn λ sehr klein wird.
Max Planck fand zunächst eine Formel, die
die experimentellen Werte korrekt interpolieren konnte.
Er fand dann heraus, dass sich diese Formel ergibt,
wenn man annimmt, dass die Wärmestrahlung nicht
kontinuierlich abgegeben wird, sondern in Paketen
(„Quanten“) der Grösse
E = hf = £ω
– 34
Js Planck-Konstante
(h = £ ⋅ 2 π = 6.6256 ⋅10
f = ausgestrahlte Frequenz, ω = 2 π f )
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
0.1.2
2
Photoelektrischer Effekt
Setzt man eine Metallfolie, in einem evakuierten Glaskolben, Licht aus, so kann die Lichtenergie
Elektronen aus ihrer Metallbindung herausschlagen. Durch Anlegen einer geeigneten Spannung
lassen sich die Elektronen, die das Metall verlassen, auf eine Detektionselektrode hin beschleunigen
(Photozelle).
Legt man dagegen eine umgekehrte Spannung an, so werden die Elektronen gebremst und können
das Metall nicht verlassen.
Experimentell stellt man fest:
• Die Grösse der bremsenden Gegenspannung hängt
überhaupt nicht von der Menge des eingestrahlten Lichts
ab.
• kein Elektron wird freigesetzt, wenn die Frequenz
des eingestrahlten Lichts unter einem Schwellenwert bleibt.
• die Elektronen verlassen das Metall unmittelbar (nach ca.
–9
10 s) nach Einschalten des Lichts.
All diese Resultate lassen sich in völlig natürlicher Weise
erklären, wenn man annimmt, dass die Metallelektronen
in einem Teilchenstoss mit Photonen reagieren.
Das Kriterium, dass die Elektronen das Metall verlassen können, ist dann nicht die Gesamtenergie der
Strahlung (die sich auf verschiedenen Photonen verteilt), sondern die Energie eines Quants. Nimmt
man an, dass die Energie eines Quants (nach Planck) h f beträgt, so ergeben sich die
experimentellen Resultate von selbst.
Die gleiche Art von Überlegung zeigt im übrigen auch, warum Röntgenstrahlen für unseren Körper
gefährlich sind, nicht aber sichtbares Licht, auch wenn es viel intensiver ist: es kommt nicht auf die
gesamte eingestrahlte Intensität (Energie) an, sondern auf die Quantenenergie, denn die Quanten sind
für die beobachteten Wechselwirkungen verantwortlich.
0.1.3 Compton-Effekt
Als Compton-Effekt bezeichnet man die Streuung von Licht an Teilchen, z.B. Elektronen.
Das gestreute Licht ändert nicht nur seine Richtung, sondern auch seine Frequenz und Wellenlänge.
Die Resultate sind völlig kompatibel mit der Annahme elastischer Stösse zwischen Lichtteilchen
(Photonen) und den Elektronen, wobei Energie- und Impulsänderung der Photonen sich ganz natürlich
aus den üblichen Erhaltungssätzen ergeben.
0.2 Teilchen mit Welleneigenschaften
Wenn Licht durch einen Doppelspalt oder eine
Reihe von Spalten oder ein Gitter fällt, erzeugt
die Interferenz ein Streifenmuster. Beim Durchgang
durch eine kreisförmige Öffnung sind die Streifen
kreisförmig.
Die Atome eines Kristalls bilden ein periodisches Gitter
kleiner Dimension. Wird solch ein Kristall mit einem Elektronenstrahl bestrahlt, so entsteht eine Beugungsfigur,
die völlig analog zur Beugung von Licht ist
(Experiment von Davisson und Germer).
Teilchen können also wie Wellen interferieren!
Heute sind Beugung von Elektronen und Neutronen
an Doppelspalten und Interferometrie mit solchen
Teilchen durchgeführt worden. Die Resultate
entsprechen genau denen, die man von Licht
her gewohnt ist.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
3
I. Wellen-Teilchen-Dualismus
I.1. De Broglie-Wellen
Louis de Broglie, ein französischer Physiker, stellte als erster die Hypothese auf, dass alle
mikroskopischen Objekte, ob elektromagnetische Wellen oder materielle Teilchen, sich gleichzeitig wie
Teilchen (Korpuskel) und wie Wellen verhalten. Die typischen Teilchen-Eigenschaften Impuls p und
Energie E und die typischen Welleneigenschaften Frequenz f (bzw. Kreisfreuqenz ω) und
Wellenlänge λ (bzw. Wellenzahl k = 2π/λ) lassen sich ineinander umrechnen. Sie sind verknüpft über
die Plancksche Konstante h (oder h = h/2π )
E = £ ω = (h f)
h = 6.625 10
-34
p = £ k
(= h / λ )
Js, £ = 1.054 10 -34 Js
Beispiel: Welche Frequenz und welche Wellenlänge entsprechen einem Elektronenstrahl,
der in einem Elektronenmikroskop mit 5 kV beschleunigt worden ist?
E = e U = 1.6 10 -19 5 103 VAs = 0.8 10 -15 J f = E / h = 1.2 1018 Hz
v = 4.2 107 m/s (aus E = ½ m v2 , relativistische Korrektur vernachlässigt, m = 0.91 10-30 kg)
-23
-11
p = m v = 3.8 10 Ns λ = 1.74 10 m
Dies ist 4 Grössenordnungen kleiner als für sichtbares Licht und erlaubt Abbildungen, bei
-10
denen im Prinzip das Auflösungsvermögen bis unter 10 m, also bis in die atomaren
Dimensionen reicht.
Als Beweis für die Wellennatur gelten Beugungsexperimente, wo nicht nur bei Elektronen, sondern
auch bei Protonen, Neutronen, Atomen und Molekülen Interferenzeffekte auftreten. Andererseits sind
Energiequantelung und das Verhalten bei Stoss-Wechselwirkungen eindeutige Kennzeichen für
Korpuskel (Teilchen).
2
Der Zusammenhang zwischen Energie und Impuls ist nicht linear (E = p /2m oder,
2 4
2 2
relativistisch: E = √ mo c + p c ), dasselbe gilt daher auch für den Zusammenhang
zwischen Frequenz und Wellenzahl: die de Broglie-Wellen zeigen also Dispersion.
Teilchengeschwindigkeit = Gruppengeschwindigkeit der de Broglie-Welle.
(Achtung: v ≠ λ f für Teilchen mit Masse!)
I.2. Unschärferelation
In der klassischen Mechanik gilt die Bahn eines Teilchens als vollständig berechenbar, wenn
Anfangsort und Anfangsimpuls sowie die wirkenden Kräfte bekannt sind. Wegen der Wellennatur
mikroskopischer Teilchen ist es aber prinzipiell nicht möglich, gleichzeitig Ort und Impuls genau zu
bestimmen. Der Impuls entspricht ja der Wellenlänge, und es ist sinnlos, von der Wellenlänge in
einem Punkt zu reden.
Ein ideal monochromatischer Wellenzug würde sich ins Unendliche ausdehnen. Um eine Welle zu
lokalisieren, muss man den Wellenzug begrenzen. Beim Ein- und Ausschwingen entstehen aber
zwangsläufig zusätzliche Frequenzen bzw. Wellenlängen. Nach der Fourier-Theorie lässt sich ein
begrenztes "Wellenpaket" durch Überlagerung vieler Frequenzen herstellen. Je genauer die
Lokalisierung, desto mehr Frequenzen werden benötigt. Umgekehrt gilt: je schärfer das
Frequenzspektrum definiert ist, desto breiter wird das Wellenpaket.
Die Unschärferelation gilt also generell für alle Wellen und wird in der Quantenmechanik wegen der
Wellennatur der Teilchen auch auf die Teilchen übertragen.
W. Heisenberg schloss aus derartigen Überlegungen auf die prinzipielle Unschärfe, mit der
komplementäre Grössen (Ort / Impuls oder Zeit / Energie) bestimmt werden können:
∆x ∆px £ / 2
∆y ∆py £ / 2
Unschärferelationen
∆z ∆pz £ / 2
∆t ∆E £ / 2
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
4
Dabei bedeuten ∆x und ∆px die experimentelle Unsicherheit bei gleichzeitiger Bestimmung dieser
beiden Grössen. Je genauer die eine bestimmt wird, desto ungenauer bleibt die andere, sodass das
Produkt nie geringer als £ / 2 werden kann.
In praktischen Fällen äussert sich die Unschärferelation typischerweise dadurch, dass zur Messung
einer Grösse (z.B. des Orts) ein Eingriff in das beobachtete System geschieht, der die komplementäre
Grösse (z.B. den Impuls) in willkürlicher Weise verändert, sodass darüber keine präzisen Aussagen
mehr gemacht werden können. Es ist aber wichtig festzuhalten, dass die Unschärferelation prinzipiell
nicht auf die Messmethode zurückzuführen ist, sondern direkt aus der Welle-Teilchen-Natur der
mikroskopischen Objekte folgt.
I.3. Mikroskopische und makroskopische Welt
Warum gilt die Quantenmechanik nur für mikroskopische, nicht aber für makroskopische Objekte?
Antwort: Sie gilt universell, aber für makroskopische Objekte sind die Quanteneffekte so gering, dass
sie unmöglich zu messen sind.
Zwei Beispiele sollen das zeigen:
Berechnen wir die de Broglie-Wellenlänge für ein Teilchen der Masse 1 Gramm, das sich mit einer
-34
-31
Geschwindigkeit von 1 m/s bewegt: λ = h / mv = 6.625 10 / 0.001 /1 = 6.6 10 m.
Eine derart winzige Wellenlänge ist praktisch bedeutungslos. Für schwerere oder schnellere Objekte
gilt das erst recht.
-12
Berechnen wir die Unschärfe in der Geschwindigkeit eines Staubkorns von 10
kg und einem
-6
Durchmesser von 10 m unter der Annahme, dass der Durchmesser auf 1% genau messbar ist: ∆x =
-8
-26
-14
10 m ∆px ≈ £ / ∆x = 10 Ns ∆v = ∆px / m = 10 m/s.
Die Geschwindigkeits-Unschärfe ist also sogar schon für dieses Staubkorn völlig vernachlässigbar. Für
schwerere Objekte gilt das erst recht.
Analysieren Sie im Gegensatz dazu die Geschwindigkeitsunschärfe eines Elektrons in einem
Wasserstoffatom! Sie werden feststellen, dass dort die Unschärfe grösser ist als die Geschwindigkeit
selbst!
II. Interferenz und Wahrscheinlichkeit.
In diesem Abschnitt werden wesentliche Begriffe der Quantenmechanik näher unter die Lupe
genommen. Als Vorlage dienen dabei die "Feynman-Vorlesungen über Physik", Bd 3.
II.1 Interferenz
Betrachten wir einen Doppelspalt. Von links kommen Teilchen (z.B. Gewehrkugeln) geflogen. Die
meisten von ihnen werden ziemlich geradeaus durch den Spalt fliegen. Wir erlauben aber auch, dass
sie beim Durchtritt durch den Spalt an den Wänden gestreut werden. Ist nur ein Spalt offen, so wird
eine Reihe von Detektoren rechts vom Spalt die Verteilung nach Abb. 1a registrieren. Für den anderen
Spalt gilt dasselbe (gestrichelt). Öffnet man beide Spalte, so ergibt sich die Überlagerung der zwei
Verteilungen, gemäss Abb. 1b.
Ganz anders sieht es aus, wenn man statt der Kugeln Licht durch die Spalte schickt. Aus der
Interferenz der Wellen entsteht ein Beugungsmuster, bei dem Maxima und Minima abwechseln
(Abb.2).
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
5
Wie sieht es nun aus, wenn man das Experiment statt mit Gewehrkugeln mit Elektronen ausführt (die
Spaltbreite muss entsprechend verkleinert werden; Feynman hat sich das als Gedankenexperiment
überlegt, das gewissermassen eine vereinfachte Version der Bragg-Streuung darstellt)?
Merkwürdigerweise würde man dann ebenfalls ein Beugungsmuster finden!
Wie ist das zu verstehen? Wir würden doch vermuten, dass das einzelne Elektron entweder durch den
oberen Spalt gehen muss oder durch den unteren. Dann wäre die Zahl der detektierten Elektronen
einfach die Summe aus der Zahl derer, die durch das obere Loch gekommen sind (Verteilung für ein
Einzelloch) und derer, die durch das untere Loch gekommen sind, wir müssten also zwangsläufig eine
Verteilung gemäss Abb. 1 erhalten. (Beachten Sie, dass in Abb.2 die Intensität in der Mitte sogar
grösser ist als die Summe der Maxima für das Einzelloch!) Die Tatsache, dass ein Beugungsmuster
beobachtet wird, bedeutet also, dass man nicht sagen kann, dass das Elektron durch ein bestimmtes
Loch gekommen ist! Seine Bahn ist in dieser Hinsicht völlig unbestimmt!
Man könnte nun auf die Idee kommen, in der Nähe eines Spalts einen Detektor zu positionieren, um
festzustellen, ob das Elektron bei diesem Spalt durchkommt oder nicht. (Feynman schlägt in seinem
Gedankenexperiment eine kleine Lichtquelle vor. Das Licht würde vom durchgehenden Elektron
gestreut). Das Resultat ist verblüffend:
Wenn das Experiment so aufgebaut wird, dass man feststellen kann, wo das Elektron durchgelaufen
ist, wird kein Beugungsmuster mehr detektiert, sondern eine Verteilung nach Abb. 1! Dabei ist es nicht
einmal wesentlich, ob die Detektion beim Durchgang durch den Spalt gelungen ist oder nicht.
Wesentlich ist lediglich, ob es im Prinzip möglich wäre, die Bahn des Elektrons zu bestimmen.
(Beachten Sie übrigens, dass beim Streuen des Lichts der Impuls des Elektrons verändert wird: die
genauere Ortsbestimmung erzeugt automatisch eine grössere Unsicherheit beim Impuls).
Was ist übrigens der Unterschied zwischen Gewehrkugeln und Elektronen, dass man im einen Fall
keine Interferenz findet, im anderen aber doch? Es besteht kein prinzipieller Unterschied: die de
Broglie-Wellenlänge der Kugeln ist lediglich viel kleiner und das Beugungsmuster wird extrem eng.
Jeder denkbare Detektor sieht viele Beugungsmaxima gleichzeitig, und die Struktur des Musters ist
nicht mehr zu erkennen (Abb. 3).
II.2. Wellenfunktion und Wahrscheinlichkeiten
Die im oben beschriebenen Experiment beobachteten Muster lassen sich durch
Wahrscheinlichkeiten P ausdrücken. Sei P1 die Wahrscheinlichkeit, dass ein Objekt durch
Spalt 1 geht, P2 entsprechend für Spalt 2. Das Muster von Abb. 1 ergibt sich dann einfach :
P = P1 + P2
Für das Beugungsmuster wissen wir aus der Wellentheorie, wie es zu konstruieren ist: nicht
die Intensitäten der Einzelwellen sind zu addieren, sondern die Wellenfunktionen selbst. Die
resultierende Intensität ergibt sich als Betragsquadrat der addierten Wellenfunktionen.
So müssen wir also auch für die Elektronen verfahren: Sei Ψ1 die Wellenfunktion für den
Durchtritt durch Spalt 1, Ψ2 die Wellenfunktion für den Durchtritt durch Spalt 2. Die
Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Durchtritt durch Spalt i ist dann Pi = |Ψi |2 . Bei
Durchtritt durch beide Spalte ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung gegeben durch
P = |Ψ1 + Ψ2 |2
Wahrscheinlichkeitsfunktionen werden auch gern als Übergangsfunktionen
vom Zustand A zum Zustand B in der Form < B | A > geschrieben (immer
von rechts nach links zu lesen, wie bei der Matrix-Multiplikation):
Ψ A --> B = <B | A >
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
6
Ebenso definiert man die Wellenfunktion
Ψ (r , t)
=
Wellenfunktion für ein Teilchen am Ort r zur Zeit t (r = Orts-Vektor)
Das Betragsquadrat dieser Wellenfunktion ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zur Zeit t
am Ort r vorzufinden.
|Ψ (r , t) |2 = Wahrscheinlichkeit für Aufenthalt am Ort r zur Zeit t .
[Der Ausdruck "am Ort r " meint genauer: in einer Umgebung dV = dx dy dz um den Ort r .]
Wie berechnet sich nun die Wahrscheinlichkeit, vom Zustand A in den Zustand B zu gelangen, wenn
es dafür mehrere Wege gibt, z.B. mehrere Zwischenstationen Ci ?
Wellenfunktion für den Übergang von A nach B über Ci :
Ψ A -->Ci --> B = <B | Ci > <Ci | A >
Es ist zu unterscheiden:
a) wenn prinzipiell festgestellt werden kann, welcher Weg genommen wird:
2
P A --> B = ∑ i |<B | Ci > <Ci | A >|
b) wenn der Weg prinzipiell nicht festgestellt werden kann:
2
also mit Interferenz!
P A --> B = | (∑ i <B | Ci > <Ci | A >) |
Wenn nicht festgestellt wird, welcher Weg genommen wird, sind erst die Wellenfunktionen zu addieren
und erst dann das Betragsquadrat zu bilden.
Das entspricht genau dem Vorgehen in der Wellenlehre, das mit der Bildung von Interferenzen
zusammenhängt.
III. Schrödingergleichung
Die Schrödingergleichung ist die Grundgleichung der (nichtrelativistischen) Quantenmechanik. Ähnlich
wie die Newtonschen Gleichungen der klassischen Physik handelt es sich um eine axiomatische
Gleichung, die zwar plausibel gemacht, aber nicht bewiesen werden kann. Anhand der
Schrödingergleichung ist es möglich, das Verhalten mikroskopischer Systeme korrekt (d.h. in
Übereinstimmung mit dem experimentellen Befund) zu beschreiben.
III.1 Form der Schrödingergleichung
Die Schrödingergleichung ist ihrer Natur nach eine Wellengleichung.
Schrödingergleichung:
£2
Ψ
- ---- ∆ Ψ + U (r,t) Ψ = j £ ----2m
t
(∆ =
2
2
2
-----2 + -----2 + -----2 )
x
y
z
U ist das Potential, in dem sich das Teilchen bewegt. Für "stationäre Zustände", deren
Energiewerte sich zeitlich nicht verändern, lässt sich die Gleichung vereinfachen, indem der
Zeitanteil separiert wird.
Stationäre Schrödingergleichung:
2m
∆ Ψ( r ) + ----2 (E - U) Ψ ( r ) = 0
£
-jωt
(Ψ (r , t) ergibt sich dann durch Multiplizieren von Ψ ( r ) mit einer Zeitfunktion e
).
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
7
Begründung der Schrödingergleichung:
Betrachten wir den einfachsten Fall einer Wellenfunktion, diejenige einer ebenen harmonischen Welle:
Ψ = e
- j (ω t - k x)
=
e
- j / £ (E t - p x )
2
2
2
2
Damit wird:
Ψ / t = - (j / £) E Ψ
∆ Ψ = Ψ / x = - (1 / £ ) p Ψ
2
2
Auflösen nach E und p und Einsetzen in die Energiegleichung E = p / 2m + U
ergibt dann die Schrödingergleichung.
Beachten Sie, dass die Schrödingergleichung nicht exakt hergeleitet werden kann. Es ist
eine axiomatische Gleichung wie die Newtonschen Axiome!
III.2 Einfache Beispiele
a) Betrachten wir als Beispiel ein freies Teilchen. Da keine Kraft wirkt, kann das Potential
U = 0 gesetzt werden.
Es lässt sich dann leicht nachweisen, dass die Funktion A exp j (k x) eine Lösung der stationären
Schrödingergleichung ist, wobei die Bedingung gelten muss:
2
2
E = (£ k) / (2 m) = p / 2 m .
Dies ist die gleiche Energie-Impuls-Beziehung wie für klassische Teilchen. Beliebige Energiewerte sind
erlaubt. Die de Broglie-Welle entspricht in diesem Fall einer ebenen laufenden Welle.
b) Setzt man für U ein Potential ein, das nach beiden
Seiten unendlich hoch wird (z.B. Kastenpotential oder
Potential eines harmonischen Oszillators), so entsprechen die Lösungen der stationären Schrödingergleichung stehenden Wellen.
Dafür sind nur ganz bestimmte diskrete Energiewerte
erlaubt (vgl. die Frequenzen stehender Wellen).
Im Fall des harmonischen Oszillators ist interessanterweise die tiefstmögliche Energie nicht = 0. Das würde
nämlich der Unschärferelation widersprechen, da am
Boden des Potentialtopfs Ort (x = 0) und Impuls
(v = 0 p=0) genau festliegen.
Auch wenn man für U eine elektrische Coulombkraft
zwischen Ladungen ansetzt, erhält man diskrete
Energiewerte. Dies sind die Energiestufen der Atome.
c) Setzt man eine Potentialbarriere endlicher Höhe an,
so ergibt die Schrödingergleichung eine Lösung, die
hinter und innerhalb der Barriere nicht = 0 ist, auch
wenn die Teilchenenergie E < Barrierenhöhe ist. Es
gibt also eine endliche Wahrscheinlichkeit, das Teilchen hinter der Barriere anzutreffen, auch wenn seine
Energie nach der klassischen Physik nicht zur Überwindung der Barriere genügen würde. Dieser Effekt
wird als "Tunneleffekt" bezeichnet.
Er entspricht der aus der Optik bekannten “evanescent
wave“, also dem „Überschwappen“ der Welle in das
verbotene Gebiet, wo die Welle als gedämpfte Schwingung exponentiell abfällt. Liegt die verbotene Zone zwischen zwei Zonen mit erlaubter Wellenausbreitung, so
kann die Welle über die verbotene Zone „tunneln“,
vorausgesetzt, sie ist nicht zu gross.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
8
Schlussfolgerungen, Atom- und Kernphysik:
In einem Potentialtopf (gleich welcher Form, harmonischer Oszillator, Coulombpotential oder andere)
sind nur Wellenfunktionen zu ganz bestimmten ("diskreten") Energiewerten erlaubt.
Diese Energien entsprechen stehenden Wellen, sodass die hin- und herlaufende Welle (Oszillator)
oder um den Kern laufende Welle (Atom) gerade in den verfügbaren Raum passt. Wäre das nicht der
Fall, so wäre das Wellenbild bei jedem Durchlauf anders und die Welle würde sich im Mittel über
Interferenz auslöschen.
Besonders interessant ist, dass das niedrigste Energieniveau des harmonischen Oszillators nicht bei
Null liegt, sondern höher. Das wird dadurch erklärt, dass Energie null am Ort null bedeuten würde,
dass Energie (und damit Wellenlänge, also auch Wellenzahl oder Impuls) genau bekannt wäre und
gleichzeitig der Ort, was der Unschärferelation widerspricht.
Weiter unten wird gezeigt, dass auch der Drehimpuls (inklusive des Eigendrehimpulses, des Spins)
nur ganz bestimmte Werte annehmen kann.
Da Elektronen aufgrund des Pauli-Prinzips (siehe unten) nie die gleichen Quantenzustände auf engem
Raum einnehmen können, verteilen sie sich auf die verfügbaren Energie- und Drehimpulszustände.
Das erklärt den Aufbau der Atome.
Wären die Elektronen Bose-Teilchen, würden sie alle im Grundzustand clustern.
Ähnliches findet man auch in der Kernphysik, denn die Atomkerne sind aus Protonen und Neutronen
aufgebaut, die beide den Spin ½ tragen, als Fermionen sind. Auch sie gehorchen dem Pauliprinzip und
füllen nach und nach Energie-"Schalen" im Kern. Kerne, wo für Protonen und/oder Neutronen gerade
solche Energieniveaus gefüllt sind, zeigen eine besonders hohe Stabilität ("magische Zahlen").
Sonst folgen die Kerne dem "Tröpfchenmodell":
Die Anziehungskraft zwischen den Kernbausteinen ("Nukleonen"), die starke Kernkraft, ist zwar sehr
stark, aber von kurzer Reichweite. Daher ist ein Nukleon energetisch umso besser positioniert, je mehr
Nachbarn es hat, Nukleonen im Innern des Kerns sind energetisch günstiger als Nukleonen am Rand.
Das erklärt, warum kleine Kerne durch Fusion Energie freisetzen: dies ermöglicht ihnen, mehr
Nukleonen ins Innere zu befördern.
Für sehr grosse Kerne dagegen sind die meisten Nukleonen schon innen, durch Fusion ist nichts mehr
zu gewinnen. Die Bindungsenergie pro Nukleon ist in etwa auf dem Maximum. Dagegen wächst die
elektrische Abstossung der Protonen mit jedem weiteren Proton, denn die elektrische Kraft ist nicht
kurzreichweitig und jedes Proton wird von allen anderen abgestossen. Als Konsequenz setzen grosse
Kerne Energie frei, wenn sie gespalten werden oder
Teile abstossen (Alphastrahlung; ein
Alphateilchen besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen).
Genauso wie z.B. elektromagnetische Wellen werden auch quantenmechanische Wellenfunktionen
nicht schlagartig null beim Übergang zu einem verbotenen Gebiet, sondern dringen dort, exponentiell
mit der Entfernung abgeschwächt, ein ("evanescent wave"). Wenn das verbotene Gebiet dünn genug
ist, kann sich die Welle auf der Gegenseite weiter fortsetzen. Das ist der Tunneleffekt, der für
verschiedene praktische Anwendungen genutzt wird.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik
9
IV. Unterscheidbare und ununterscheidbare Teilchen,
Bose- und Fermi-Statistik
IV.1 Identische Teilchen und Bose-Einstein-Kondensation
Die oben dargelegten Wahrscheinlichkeitsregeln ergeben besonders merkwürdige
Resultate, wenn man Experimente mit identischen Teilchen macht. Betrachten wir das
folgende Streu-Experiment (im Schwerpunktsystem): Ein Alpha-Teilchen werde an einem
Sauerstoffkern O gestreut, wir detektieren die unter einem Winkel θ gestreuten Teilchen
beim Detektor D1.
Offenbar sind die beiden in der Abbildung dargestellten Streuvorgänge möglich. Im einen
Fall wird am Detektor ein Alpha-Teilchen registriert, im anderen Fall ein Sauerstoffkern. Sei
Ψ (θ) die Wahrscheinlichkeitsfunktion, ein Alphateilchen unter dem Winkel θ zu finden.
Wegen der Impulserhaltung muss das gleich der Wahrscheinlichkeitsfunktion sein, einen
Sauerstoffkern unter π - θ zu finden. Die Wahrscheinlichkeit, irgendein Teilchen im Detektor
1 zu finden, wird
P = |Ψ(θ) |2 + |Ψ( π - θ ) |2
Auch wenn wir uns nicht dafür interessieren, welche Teilchensorte beim Detektor ankommt,
so lassen sich Alphateilchen und Sauerstoffkern doch prinzipiell unterscheiden, daher sind
die Wahrscheinlichkeiten Pi zu addieren.
Dieser Formalismus ist gültig für Streuung von Alphateilchen an irgend welchen anderen
Teilchen, aber nicht für Streuung von Alphateilchen an sich selbst! In diesem Fall ist nämlich
prinzipiell nicht unterscheidbar, ob der Detektor das streuende oder das gestreute Teilchen
registriert. Es sind also nicht die Wahrscheinlichkeiten Pi zu addieren, sondern die
Wellenfunktionen sind vor dem Quadrieren zu addieren - es gibt Interferenz:
P = |Ψ(θ) + Ψ( π - θ ) |2
Das ist etwas ganz anderes. Betrachten wir als Beispiel den Winkel θ = π/2 .
Dann ist θ = π -θ und auch Ψ(θ) = Ψ( π - θ ) . Wir erhalten:
2
für unterscheidbare Teilchen P = 2 |Ψ(π/2) |
für ununterscheidbare Teilchen: P = 4 |Ψ(π/2) |2 .
Man kann sagen: Die Nicht-Unterscheidbarkeit führt dazu, dass die Wahrscheinlichkeit, ein AlphaTeilchen in einem bestimmten (Winkel-)Zustand aufzufinden, verdoppelt ist, wenn sich noch ein
zweites Alpha-Teilchen in der Nähe befindet. Bei Feynman (Kap. 4.2 und 4.3) können Sie das genaue
Argument nachlesen, dass die Wahrscheinlichkeit, n Alpha-Teilchen im gleichen Zustand vorzufinden,
um den Faktor n! vergrössert ist.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 10
Dies gilt nicht nur für Alpha-Teilchen, sondern generell für alle Teilchen mit ganzzahligem
Spin (oder Spin 0).
Diese Teilchen gehorchen der sogenannten "Bose-Statistik". Die Bose-Statistik ist gültig
für Teilchen mit dem Spin 0 oder mit ganzzahligem Spin (Bose-Teilchen, Bosonen).
Ihr wesentliches Merkmal:
Die Wahrscheinlichkeit für das Auffinden von Teilchen in einem bestimmten Zustand
ist erhöht, wenn schon identische Teilchen in diesem Zustand vorhanden sind.
Für Teilchen mit Spin ist das Argument natürlich komplizierter, da wir zwischen verschiedenen SpinOrientierungen
unterscheiden
können
und
die
verschiedenen
Möglichkeiten
im
Wahrscheinlichkeitsformalismus korrekt berücksichtigen müssen.
Bei tiefen Temperaturen sammeln sich tatsächlich zahlreiche Teilchen im gleichen Quantenzustand an
und verhalten sich dann nicht mehr individuell, sondern als Kollektiv. Dies wird als
Bose – Einstein-Kondensation bezeichnet. Verknüpft damit sind auch die Phänomene der
Supraflüssigkeit
Sie tritt bei sehr tiefen Temperaturen bei Helium
widerstandslos, kriecht Wände hoch usw.
4
He auf. Das Helium fliesst dann praktisch
Supraleitung
Dieses Phänomen wird weiter unten behandelt.
IV.2 Identische Teilchen und Pauli-Prinzip
Für Teilchen mit halbzahligem Spin (Elektronen, Protonen, Neutronen) gilt eine andere
Interferenzregel. Wir hatten oben geschlossen: wenn θ = π -θ, dann auch Ψ(θ) = Ψ( π - θ )
Das war aber vorschnell. Das einzige, was wir wirklich sagen können, ist dass die
Wahrscheinlichkeit |Ψ(θ) |2 gleich der Wahrscheinlichkeit |Ψ( π - θ ) |2 sein muss. Aus
der Gleichheit der Beträge folgt aber nicht unbedingt die Gleichheit der Wellenfunktionen.
Diese könnten vielmehr mit irgendeinem Phasenfaktor exp j φ multipliziert sein, das würde
den Betrag nicht ändern. Tatsächlich ist dieser Phasenfaktor für Teilchen mit halbzahligem
Spin nicht =1 (also φ = 0), sondern = - 1 (also φ = π).
Werden solche Teilchen gegeneinander ausgetauscht, so sind also die interferierenden
Wellenfunktionen mit entgegegengesetztem Vorzeichen zu addieren! Wir erhalten dann (bei
gleicher Spinorientierung des streuenden und des gestreuten Teilchens):
P = |Ψ(θ) - Ψ( π - θ ) |2
und im Spezialfall des Winkels θ = π/2 :
P = 0.
Teilchen mit halbzahligem Spin gehorchen der Fermi-Statistik (Fermi-Teilchen,
Fermionen).
Die Wahrscheinlichkeit, zwei solche Teilchen im gleichen Zustand nahe beieinander
zu finden ist null (Pauli-Prinzip).
Wellenfunktionen mit solchen Eigenschaften nennt man antisymmetrisch.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 11
V. Spins
Zahlreiche mikroskopische Teilchen (z.B. Elektron, Proton, Neutron, Photon) besitzen einen EigenDrehimpuls, Spin genannt. Eine drehende elektrische Ladung erzeugt ein magnetisches Moment, d.h.
sie verhält sich wie ein kleiner Stabmagnet, der mit äusseren Magnetfeldern wechselwirken kann.
(Dass auch das Neutron ein magnetisches Moment besitzt, beweist, dass es Ladungen enthält, die
sich insgesamt zu Null kompensieren).
1922 zeigten Stern und Gerlach, dass sich ein Strahl aus Wasserstoffatomen im Grundzustand im
inhomogenen Magnetfeld in zwei Teilstrahlen aufspaltet. Offenbar enthält der Strahl zwei Anteile, die
verschieden mit dem äusseren Magnetfeld wechselwirken. Da bekannt war, dass im Grundzustand
des Wasserstoffatoms der Bahndrehimpuls der Elektronen null ist, wurde aus diesem Experiment
gefolgert, dass die Elektronen einen Eigendrehimpuls, eben den Spin, besitzen müssen, der sich
parallel oder antiparallel zum Magnetfeld einstellen kann und dadurch die verschiedene
Wechselwirkung bewirkt.
Der Spin wird durch die Spin-Quantenzahl s beschrieben.
Ein Teilchen mit Spin s hat den Eigen-Drehimpuls Leigen = £ √ s(s+1)
V.1. Spins im Magnetfeld
Die Projektion des Spins auf die Richtung eines Magnetfelds kann nicht beliebige Werte
annehmen. Sie ist quantisiert. Alle möglichen Projektionswerte treten ausschliesslich in
Stufen von + £ auf.
D.h. ein Elektron (s = ½) hat Spinprojektionen auf eine
gegebene Richtung von + ½ , - ½ , in Einheiten von £.
(Genauso für Protonen und Neutronen, die auch
Spin-½ -Teilchen sind).
Ein Boson mit s = 1 hat Projektionen auf eine gegebene
Richtung von +1, 0, -1 .
Nehmen wir an, ein Elektronenstrahl durchlaufe (in x-Richtung) eine Art Stern-Gerlach-Apparatur mit
dem Magnetfeld in z-Richtung. Er spaltet dann auf in einen Teilstrahl parallel zum Magnetfeld (SpinProjektion + ½ ) und einen Teilstrahl antiparallel zum Magnetfeld (Projektion s = - ½ ). Was passiert,
wenn man dahinter eine zweite Apparatur stellt, deren Magnetfeld in y-Richtung orientiert ist? Jeder
der beiden Teilstrahlen spaltet wieder auf in zwei Teilstrahlen, je zur Hälfte mit Projektionen auf die +y
und die -y -Richtung..
Auch hier kann man also nur gewisse Wahrscheinlichkeiten angeben, ein Elektron entweder im einen
oder im anderen Spinzustand vorzufinden.
(Wie Drehungen des Bezugssystems zu behandeln sind, ist sehr schön bei Feynman im Kap. 6
dargelegt. Dort wird auch begründet, warum ein Teilchen mit genau zwei möglichen Einstellungen
bezüglich einer Achse die Spin-Quantenzahl ½ haben muss. Dort wird auch erläutert, warum die
o
Wellenfunktion eines solchen Teilchens bei einer Drehung um 360 nicht in sich selbst übergeht,
sondern ihr Vorzeichen ändert!)
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 12
V.2. Zeeman-Effekt und Feinstruktur
Der Spin erzeugt ein magnetisches Moment (= bewirkt, dass das Teilchen sich wie ein kleiner Magnet
verhält), daher ist die Energie eines Teilchens verschieden, je nachdem, ob der Spin parallel oder
antiparallel zum Magnetfeld steht. In Abwesenheit eines Magnetfelds dagegen ist die Energie von der
Spineinstellung unabhängig. Dasselbe gilt auch für den Bahndrehimpuls, der ebenfalls ein
magnetisches Moment erzeugt.
Werden die Energieniveaus eines Atoms in Anwesenheit eines
Magnetfelds vermessen, so stellt man also fest, dass die Niveaus
in Unterniveaus aufspalten. Bei nur zwei möglichen
Spineinstellungen findet man 2 Unterniveaus.
Bei höheren Drehimpulsen (die sich aus Spin und Bahndrehimpuls
zusammensetzen) gibt es mehrere Unterniveaus, je nach den
möglichen m-Quantenzahlen (bei Gesamtdrehimpuls j gehen die
m-Quantenzahlen von + j bis – j in Schritten von 1, immer in Einheiten von £ zu denken).
Diese Aufspaltung der Energieniveaus im Magnetfeld wird als
Zeeman-Effekt bezeichnet.
Die Aufspaltung von Spektrallinien im Spektrum der Sonne
erlaubt es, die Stärke der an der Sonnenoberfläche wirksamen
Magnetfelder zu bestimmen.
Durch Wechselwirkung der Elektronendrehimpulse mit dem
Kernspin ergeben sich Aufspaltungen der Energieniveaus,
die als Feinstruktur bezeichnet werden.
V.3. NMR
Wird ein sehr starkes Magnetfeld angelegt, richten sich (vergleichsweise viele) Spins entsprechend
aus. Sie drehen dabei mit einer charakteristischen Frequenz um die Achse des Felds, wie ein
präzedierender Kreisel. Die Frequenz heisst Larmor-Frequenz.
Sie lässt sich messen, indem man den Spin mit einer von aussen eingestrahlten Hochfrequenz anregt.
Trifft man genau die Larmorfrequenz (Resonanzfall), so wird der Spin immer im richtigen Moment
durch die Hochfrequenz "gestüpft" und klappt schliesslich in die falsche Richtung um. Nach einer
charakteristischen Relaxationszeit kehrt er in die richtige Ausrichtung zum Magnetfeld zurück.
Interessanterweise sind Larmorfrequenz und Relaxation leicht verändert, je nach der Umgebung, in
der sich der Kern befindet.
Durch Messen der Verschiebung ("chemical shift") der Frequenz oder der Relaxationszeit lässt sich die
Umgebung des betrachteten Kerns sondieren.
Damit lassen sich z.B. biochemische Vorgänge im Körper nicht-invasiv verfolgen.
Scannt man diese Parameter über kleine Volumenabschnitte des Körpers (Voxel), so lässt sich durch
Auftragen von Farben oder Dunkeltönen das Gewebe darstellen und ein Bild des Körperinneren
erzeugen: MRI = Magnetic Resonance Imaging.
V.4. Magnetismus
Nach dem Pauli-Prinzip gibt es eine starke Tendenz von nahe beieinander liegenden Elektronen, ihre
Spins entgegengesetzt auszurichten. Die magnetischen Momente heben sich dabei gegenseitig auf.
In einem ferromagnetischen Kristall sind die Leitungselektronen praktisch frei beweglich. Sie haben
aber immer noch Wechselwirkungen mit den gebundenen Elektronen. Aufgrund dieser Kopplung und
des Pauli-Prinzips versuchen sie, ihre Spins möglichst entgegegengesetzt zu den Spins der
(ungepaarten) gebundenen Elektronen auszurichten. Da die Leitungselektronen gleichzeitig mit
mehreren anderen Atomrümpfen wechselwirken, erzwingen sie (vereinfacht ausgedrückt) die gleiche
Ausrichtung der Elektronen in verschiedenen Atomen. Es ergibt sich ein starkes magnetisches NettoMoment für ganze Regionen des Metalls.
V.5. Supraleitung
Zunächst wurden supraleitende Eigenschaften bei reinen Metallen bei sehr tiefen Temperaturen
festgestellt. Inzwischen kennt man keramische Materialien, die Supraleitung
schon bei der
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 13
Temperatur des flüssigen Stickstoffs und höher zeigen (Hochtemperatur-Supraleiter). Leider sind sie
nicht leicht zu verarbeiten.
Man unterscheidet ausserdem:
Supraleiter 1. Ordnung verlieren ihre supraleitenden Eigenschaften bei Anlegen hoher Magnetfelder,
Supraleiter 2. Ordnung behalten sie zumindest in bestimmten Regionen.
(Diese Regionen wandern hin und her, was die Eigenschaften des Supraleiters verschlechtert.
Durch gezielten Einbau von Atomen lassen sie sich aber fixieren (Pinning)).
Supraleiter 2. Ordnung werden zum Bau sehr starker Magnete verwendet.
Theoretische Erklärung:
Unter den Bedingungen der Supraleitung koppeln die Elektronen im Metall paarweise sehr stark. Die
sich bewegenden Objekte sind dann im wesentlichen Elektronenpaare, deren Spin zu 0 kompensiert
ist ("Cooper-Paare"). Da es sich dann um Bosonen handelt, können viele solcher Paare im gleichen
Quantenzustand auftreten, was die Leitungseigenschaften radikal ändert: die Stromleitung findet
praktisch widerstandsfrei statt, magnetische Felder werden aus dem Leiter herausgedrängt
("Meissner-Ochsenfeld-Effekt"). Der Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung ist noch nicht
völlig geklärt.
V.6. Josephson-Kontakte, SQUID
Josephson-Kontakte sind Tunnelstrecken zwischen supraleitenden Abschnitten.
Die von beiden Seiten her tunnelnden Ströme interferieren und erzeugen Spannungen.
Legt man darüber ein Magnetfeld an, so werden die Interferenzströme verändert, das erlaubt extrem
präzise Magnetfeldmessungen:
SQUID = supraconducting quantum interference device.
Squids werden z.B. verwendet, um Hirnströme in vivo zu vermessen, ohne dass man Elektroden am
Kopf anbringen muss.
V.7. Quanten-Hall-Effekt
Hall-Effekt = Auftreten einer Spannung in Querrichtung in einem stromdurchflossenen (Halb-)Leiter
unter Einfluss eines Magnetfelds.
Untersucht man geschichtete Strukturen (meistens Sandwich-Halbleiterstrukturen) bei sehr tiefen
Temperaturen, so findet man ein merkwürdiges Quantenverhalten (von Klitzing):
Die Hall-Spannung ändert sich in Abhängigkeit von Stromstärke oder Magnetfeld sprunghaft in Stufen
(quantisiert). Die Sprunghöhe ist unabhängig vom verwendeten Material und nur von Naturkonstanten
abhängig. Sie erlaubt eine direkte und genaue Normierung der elektrischen Widerstandseinheit, des
Ohm.
(Man geht davon aus, dass an den Sprungstellen bestimmte Energiebereiche der Elektronen
vollständig gefüllt sind).
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 14
VI. Quantencomputer und Kryptografie
VI.1. Quantum Computing
Um vom Zustand A zum Zustand B zu gelangen, kann ein Quantenobjekt viele Wege gleichzeitig
nehmen. Man interpretiert das so: Das Teilchen befindet sich in allen möglichen Zwischenzuständen
gleichzeitig. Erst durch eine Messung wird ein bestimmter Zustand festgelegt.
(Das war der Ausgangspunkt für Schrödingers berühmtes Katzenparadox: Eine Katze in einer
Schachtel ist gleichzeitig tot und lebendig, bis man die Schachtel aufmacht und feststellt, welcher von
beiden Zuständen zutrifft).
Die Grundidee des Quantencomputers ist nun, Operationen auf allen Zuständen gleichzeitig
durchzuführen und damit eine hohe Zahl von Paralleloperationen gleichzeitig auszuführen. Am Schluss
werden bestimmte Zielzustände durch ein Resonanzverfahren eingestellt.
Das ist aber bisher nur eine Idee, die Realisation steht noch aus. Zwischenschritte, die immer wieder in
der Presse gemeldet werden, beziehen sich v.a. darauf, Quantenzustände erst einmal herzustellen
und zu isolieren.
Es wird angenommen, ein Quantencomputer sei in der Lage, einen auf grossen Primzahlen
basierenden Code zu knacken. Das wäre dann das Ende der heute vorherrschenden Codiertechnik insofern ist es vielleicht nicht so schlecht, dass der Quantencomputer noch auf sich warten lässt.
VI.2. Verschränkte Teilchen, das EPR-(Gedanken)experiment
Unter bestimmten Bedingungen erzwingen die Erhaltungssätze der Physik eine Art Kopplung zwischen
zwei Teilchen. Wenn z.B. aus einem Atom mit Gesamtspin null zwei Elektronen herausgeschossen
werden, müssen deren Spins entgegengesetzt gerichtet sein, damit der Gesamtspin null erhalten
bleibt. Dasselbe gilt für die Polarisation von Photonen. Solche Teilchen heissen "verschränkt".
Einstein und seine Mitarbeiter Podolski und Rosen nutzten diese Tatsache, um ein
Gedankenexperiment zu entwerfen, das die Quantentheorie in Frage stellen sollte (Einstein konnte
sich nie mit den Unbestimmtheiten in dieser Theorie anfreunden). Diese Konstruktion wird nach den
Initialen der Autoren das EPR-Experiment genannt.
Man erzeugt zwei verschränkte Teilchen und lässt sie in entgegengesetzte Richtungen wegfliegen.
Niemand weiss, welche Polarisation (Spinrichtung) das einzelne Teilchen hat. Misst man aber dann die
Polarisation von Teilchen 1, so liegt damit die (entgegengesetzte) Polarisation von Teilchen 2 fest.
man kann also sagen, dass sich Teilchen 2 im Moment der Messung von Teilchen 1 für seine
Polarisation entscheidet (immer richtig!), obwohl die beiden Teilchen in diesem Moment zu weit
auseinander sind, um mit einander (mit einer Geschwindigkeit < c) zu kommunizieren.
Man kann natürlich annehmen, dass die Polarisationen der beiden Teilchen von Anfang an festliegen
und man sie einfach noch nicht weiss (man nennt das die Hypothese der verborgenen Parameter).
Die sogenannten "Bell'schen Ungleichungen" erlauben es, diese Hypothese direkt zu testen, indem
man die Polarisation bezüglich verschiedener Achsen misst.
Das Gedankenexperiment ist heute mehrfach als reales Experiment durchgeführt worden, auch mit
der Erweiterung nach Bell. Resultat: Einstein hat Unrecht, die Natur verhält sich exakt gemäss der
Quantentheorie. Es gibt auch keine verborgenen Parameter: Die Polarisation der verschränkten
Teilchen ist tatsächlich völlig unbestimmt und wird erst im Moment der Messung festgelegt, dann aber
im Einklang mit der Drehimpulserhaltung, also so dass Teilchen 2 immer entgegengesetzt polarisiert
ist wie Teilchen 1.
(Es gibt auch Versuchsaufbauten, bei denen eine Verschränkung erzeugt wird, bei der beide Teilchen
die selbe Eigenschaft haben und nicht die entgegengesetzte, die Resultate sind völlig analog).
VI.3. Kryptografie
Die Grundidee der verschränkten Teilchen ist benutzt worden, um ein auf der Quantentheorie
basierendes Codierverfahren zu entwickeln (Details im Anhang).
Erste Erfolge sind hier bereits erzielt und über nicht zu lange Strecken hat man quantencodierte
Signale austauschen können. Die Hauptschwierigkeit besteht im Herstellen genügend sauber
definierter Polarisationszustände.
Die Quantentheorie garantiert, dass niemand beim Datenaustausch unbemerkt mithören kann.
(siehe Anhang).
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 15
Anhang
Quantenmechanik in der Kryptografie
Prinzipien:
•
Unbestimmtheit der Quantenzustände
erst durch die Messung wird ein bestimmter Zustand festgelegt
•
Orientierung entlang einer Achse:
wenn Orientierung zu einer Achse vorliegt, ist sie zu einer anderen statistisch unbestimmt
•
No cloning: ohne die Unbestimmtheit zu verletzen, kann ein Zustand nicht ohne weiteres
kopiert werden
•
Verschränkung: gekoppelte Zustände bleiben gekoppelt, auch wenn die Unbestimmtheit
aufgelöst wird
•
Verborgene Variable:
Annahme, dass Zustände in Wirklichkeit bestimmt sind, man aber bis zur Messung nicht
weiss, wie. Diese Annahme wird durch die Bell'schen Ungleichungen ausgedrückt.
•
Bell'sche Ungleichungen:
Analyse der Orientierung bez. zueinander senkrechter Achsen. Die Ungültigkeit der
Ungleichungen beweist, dass sich die quantenmechanischen Phänomene nicht durch
"verborgene Variable" erklären lassen.
Verfahren:
1) BB84 (Bennett & Brassard 1984)
Orientierung + von Photonen (Polarisierung) wird benutzt
Die Orientierung wird willkürlich abwechselnd bez. zweier verschiedener Achsensysteme festgelegt /
gemessen.
A wählt für jedes Photon ein Achsensystem und registriert die zugehörige Orientierung
B wählt für jedes ankommende Photon ein Achsensystem und registriert die Orientierung
A und B geben über eine authentifizierte Leitung einander bekannt, in welchen Fällen sie die gleiche
"Basis" (das gleiche Achsensystem) gewählt haben.
Ein Lauscher kann das zwar mithören, weiss aber nicht, welche Orientierungen zu diesen Achsen
gehört haben.
Wo der Lauscher eine andere Orientierung als B gewählt hatte, störte er den Quantenzustand des Bits
für die Weiterleitung. Zur Kontrolle tauschen A und B noch eine gewisse Anzahl von erhaltenen
Werten aus. Wenn die Fehlerrate dort zu hoch ist, ist ein Lauschangriff zu befürchten und das
Verfahren muss wiederholt werden.
Die erhaltenen + Werte können als 1 / 0 -Bits für die Kodierung der dann folgenden Übertragung
verwendet werden.
2) Verschränkung (Ekert 1991)
Man benutzt verschränkte Photonen.
Das Verfahren läuft ähnlich wie BB84. Die Verschränkung erlaubt aber einen speziellen
quantenmechanischen Prüfmechanismus.
Nach Kommunikation über die verwendeten Basen können A und B
a) bei gleicher verwendeter Basis die Bits zur Codierung brauchen
b) für die Werte bei ungleicher verwendeter Basis die Bell'schen Ungleichungen überprüfen.
Sind sie erfüllt, so waren die Photonen nicht verschränkt, ein Lauscher hatte sich eingeschaltet.
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 16
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 17
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 18
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 19
STEM: Scanning Tunneling Microscope
NMR
Nuclear Magnetic
Resonance
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 20
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Quantenmechanik 21
Stefan Stankowski
BFH / HES BE HTI
Herunterladen