Datum: 28.10.2013 Der Bund 3001 Bern 031/ 385 11 11 www.derbund.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 49'725 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 845.4 Abo-Nr.: 845004 Seite: 26 Fläche: 36'565 mm² Das Ohr des Herzens Literatur für Jugendliche wie Erwachsene, die oft vergessene historische Kapitel aufschlägt und eine treue Leserschaft gewonnen hat: Die Berner Autorin Katharina Zimmermann feiert ihren 80. Geburtstag. nen zuwandte und mit Preisen ausgeIm Lauf ihres Lebens scheint die grosse, zeichnet wurde. Das feine Gehör, das schlanke Frau immer fragiler geworden dieser Frau, die frühzeitig in Klängen zu sein. Zweifellos zählt Katharina Zim- eingebettet war, so selbstverständlich mermann zum Geschlecht der Zarten. auf den Lebensweg mitgegeben worden Aber man weiss es: In solchen Menschen ist, zeigt sich bei ihr auf eigene Weise. wohnt oft jene unerwartete Kraft, die Denn überblickt man ihr Werk, so nimmt aus der Begeisterung rührt. Schicksals- man das unablässige Hinhören auf Töne, Beatrice Eichmann-Leuteneeeer (1963) von einer «krankhaften, vom Wahn gezeichneten Verwirrung der Begriffe und Gefühle» dieser Täufer. Zim- mermann jedoch stellt sie als einsame Erneuerer morscher Strukturen hin. Auch in «Blaue Mauer» (1995) greift sie ein heikles Thema auf, indem sie anhand des Jurakonflikts die Problematik der schläge mögen zwar eintreffen und Harmonien und Disharmonien wahr, die Minderheiten aufzeigt und kritisch die schmerzen, aber siehe da - eine Frau wie aus dem Leben der anderen rühren - bis dominante Rolle Berns beleuchtet. Katharina Zimmermann, die Krankheit hin zum Buch «Und singe dir ein Lied» Emigriert und exiliert und Abschied erfahren hat, kehrt wieder (2005), das dem verstorbenen Gatten ins Leben zurück: zu Kindern und En- nachsinnt. Nicht modische Selbstver- Ihren Wunsch, den Verfemten - und hier keln, zu den Büchern, zum Schreiben, wirklichung bestimmt dieses Schreiben, besonders den Ausländern bzw. Auswanzur Musik. Woher sie die Energie nimmt, sondern die Einsicht, dass jedes Men- derern - Gestalt zu geben, hat Katharina lässt sich nur erahnen, denn grosse Töne schenleben kostbar ist. So schiebt sich Zimmermann auch in ihren weiteren Bü- schlägt diese Frau nicht an. Vielmehr oft eine Existenz ans Licht, die lange neigt sie der kammermusikalischen Inti- unter dem Schutt der Geschichte gelemität zu, entwirft ihre Geschichten mit gen hat, weil sie innerhalb der lange Dezenz und arbeitet mit einer unambi- männlich bestimmten Geschichtsschreitiö se n Sprache. Töne aus dem Leben der anderen Katharina Zimmermann stammt aus der bekannten Berner Musikerfamilie Indermühle. Früh hat sich ihr in diesem Milieu ein Schatz eröffnet, aus dem sie immer wieder schöpfte. Nach dem Lehre- rinnenseminar bildete sie sich in der Musikakademie Detmold aus. Musik spielte auch eine tragende Rolle innerhalb der Familie, die sie zusammen mit dem Theologen Christoph Zimmermann (1932-2003) gründete. Gleichzeitig aber setzte sich das Paar noch für ein Anliegen ganz anderer Art ein: Von 1964 bis 1979 leistete es im Auf- chern umgesetzt und dabei immer den zeithistorischen Hintergrund im Auge be- halten. Zugleich zieht sich das dynamische Motiv des Ausbruchs und Aufbruchs durch die Texte. «Kein Zurück für Sophie bung kein Interesse weckte. Benedikt von Nursia, Begründer des W.» (2000) wendet sich einer unglückliabendländischen Mönchtums, spricht in chen Emigrantin zu, die 1911 das Berner seiner «Regula» vom «Ohr des Herzens», Oberland Richtung USA verlassen hat, jener Haltung, die wir gern mit Empa- aber zeitlebens ihre Sehnsucht nicht stilthie, mit Einfühlung, umschreiben. Wie len kann, denn diese weist voraus in eine sehr treffen diese Eigenschaften auf Ka- ganz andere Heimat. Mit «Freudenkind» tharina Zimmermann zu. Sie hat in (2003) greift die Autorin eine lang verihrem Roman «Die Furgge» (1989) das schwiegene Liebesgeschichte auf, die Schicksal der Täufer im Emmental nach- sich während des Zweiten Weltkriegs gezeichnet: die weithin vergessene Ge- zwischen einer Berner Lehrerin und schichte einer religiösen Verfolgung einem internierten polnischen Offizier (1690-1717). Noch Peter Dürrenmatt im Trub abgespielt hat. Auch im Roman sprach in seiner «Schweizer Geschichte» «Die Carmen vom Weissenstein» (2008) scheint die zartbittere Liebe zwischen einer Zigeunerin und dem einheimischen Sepp auf - verknüpft mit dem Ereignis der letzten Pockenepidemie, die 1907 in trag der Basler Mission Entwicklungsarbeit in Indonesien. Neben den eigenen vier Kindern betreute Katharina Zim- den Arbeiterquartieren Derendingens ge- wütet hat. Ein Familien- und Zeitpanorama mit Tiefenschärfe gelingt Zimmermann mit ihrem jüngsten Werk «Der mermann fünf indonesische, erteilte Kurse für Analphabeten und wirkte als Amisbühl» (2012), in dem sie ein verlorenes Paradies hoch über dem Dorf Beaten- Redaktorin der Frauenstunde von Radio Kalimantan. Seit der Rückkehr nach Bern, 1980, widmete sie sich immer mehr dem Schreiben. Aus vorsichtigen Anfängen wuchs im Lauf dreier Jahrzehnte ein be- Eine kammermusikalische Intimität des achtliches Werk heran, das sich sowohl Schreibens: Zimmermann Foto: zvg Kindern wie zusehends den Erwachse- Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen berg beschwört. Wer glaubt, diese Autorin siedle sich mit ihren Themen innerhalb der Schweiz an, nehme «Frau Zu» (1992) in die Hand, lasse sich lesend nach Hongkong versetzen und höre den Geschichten verfolgter ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 51655987 Ausschnitt Seite: 1/2 Datum: 28.10.2013 Der Bund 3001 Bern 031/ 385 11 11 www.derbund.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 49'725 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 845.4 Abo-Nr.: 845004 Seite: 26 Fläche: 36'565 mm² Chinesen zu: Hier entsteht ein Stadtporträt, das in keinem Reisebuch zu finden ist. Wie lebt ein Arbeiter im Moloch Hongkong, wie bewältigt eine Grossfamilie auf engstem Raum den Alltag, wie elend sind die Arbeitsbedingungen in einer Seiden- färberei? Wo andere wegsehen, öffnet Zimmermann das Herz für Geschichten, die von Heimweh, Unrecht und Fremdsein erzählen. Jahrzehnte ihres Lebens hat sie eingesetzt, um solchen Schicksalen Raum und Stimme zu geben. Die Leserschaft dankt ihr dafür an ihrem Festtag. Seit den Achtzigerjahren sind alle Bücher Katharina Zimmermanns bei Zytglogge-Verlag erschienen. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 51655987 Ausschnitt Seite: 2/2