apotheke adhoc, 03.11.2016 INTERVIEW JENS GRAEFE (AEP) Privatgroßhandel: Viele Fans, zwei Probleme Wer ehrlich ist, verliert: AEP-Chef Jens Graefe erklärt, warum der private Pharmagroßhandel in der Sandwich-Position ist.Foto: Elke Hinkelbein Berlin - Nach dem Verkauf von Ebert+Jacobi an die Noweda werden die Karten im Großhandel neu gemischt. AEP-Chef Jens Graefe sieht den Privatgroßhandel in der Defensive – nicht obwohl, sondern gerade weil er eigentlich der bessere Partner der Apotheken ist. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, warum sich der Markt jetzt alles andere als beruhigen wird und warum Abzocke zum System gehört. ADHOC: Wie bewerten Sie die Übernahme von Ebert+Jacobi durch die Noweda? GRAEFE: Man muss Herrn Hollmann sicher gratulieren. Die Noweda hat jetzt eine starke Stellung in ganz Deutschland, für sie ergibt die Übernahme zu 100 Prozent Sinn. Das Netz ist jetzt komplett, ich denke nicht, dass es kaum Sinn macht, dieses jetzt noch zu erweitern. Spannend wird, wie er das neue Geschäft, und hier insbesondere Vedono, und die Niederlassungen integriert. ADHOC: Inwiefern? GRAEFE: Der Stammsitz von Ebert+Jacobi in Würzburg steht außer Frage, darum ging es bei dem Deal. Fragezeichen stehen meiner Meinung nach hinter den Standorten in Heidenheim und Moosbach. Spannend wird es auch in Spangenberg, da hier vor allem Kunden einkaufen, die sich bewusst für einen Privatgroßhändler entschieden haben. Und ganz spannend wird, was jetzt mit Vedono geschieht: Das Unternehmen liefert deutschlandweit über Trans-o-flex und hat transparente Preise und einfache Rechnungen. Unser Angebot wurde ja nicht zuletzt durch Herrn Hollmann als marktschädigend bezeichnet. Apotheker, die so kaufen, schädigen aus seiner Sicht den Markt, die Transparenz wecke Begehrlichkeiten in Berlin. Ich bin sehr gespannt, ob und wann Herr Hollmann Vedono schließt. ADHOC: Was sind die Folgen für den Großhandelsmarkt? GRAEFE:Zunächst nicht viel. Es gibt genügend andere Spieler, die den Wettbewerb am Laufen halten. Dass der Wettbewerb akut eingeschränkt ist, ist nun wirklich absurd. Eher, dass das Oligopol wieder besser funktioniert als im letzten Jahr. Das Kartellamt war ja kaum zufällig unterwegs, das Problem des Wettbewerbs würde ich eher beim Phagro lokalisieren als in der Gesetzgebung. Es wird aber wohl keine Marktberuhigung geben, da es für die Noweda jetzt darum geht, die Kunden von Ebert+Jacobi zu halten. Das wird über Konditionen geschehen, aber auch über Genossenschaftsanteile. Am Ende sind die Kunden im klassischen Großhandelsspiel gefangen, bei schlechteren Konditionen. ADHOC: Wie sind die Reaktionen der Apotheken? GRAEFE: Wir haben bereits eine große Verunsicherung bei den Kunden von Ebert+Jacobi reflektiert bekommen. Aber insgesamt stehen für die meisten Apotheker derzeit andere Themen oben auf der Agenda – Stichwort EuGH-Urteil. Diese schreiende Ungerechtigkeit ist derzeit die größte Sorge. Ich hoffe, dass der Geist ganz schnell in die Flasche zurück kommt, über ein RxVersandverbot oder die konsequente Anwendung der Rahmenverträge. Auch die Preisverordnung könnte entsprechend intelligent angepasst werden. Ich glaube, dass das Team von Herrn Puth-Weißenfels im Bundeswirtschaftsministerium hier einen wichtigen Job macht. ADHOC: Zurück zum Großhandel: Haben die Privaten ein Problem? GRAEFE: Die Privatgroßhändler haben viele Fans, sie werden – wie wir übrigens auch – von vielen Apothekern als echte Alternative gesehen. Das hat vor allem mit Transparenz zu tun: Wo Andere hohe Konditionen versprechen, aber nicht geben, stehen die Familienbetriebe für Fairness und Kundennähe. Aber man muss auch wirtschaftlich erfolgreich sein! ADHOC: Und das schließt sich aus? GRAEFE: Der private Pharmagroßhandel hat zwei Probleme: sein Konzept als Vollserviceprovider mit vielen Touren und entsprechenden Kosten und gleichzeitig vergleichsweise hohe reale Konditionen wegen der Transparenz in den Abrechnungen. Die Familienbetriebe im Großhandel sind aus meiner Sicht zu klein, um in der Logik des Marktes bestehen zu können. ADHOC: Was ist die Logik des Marktes? GRAEFE: Es gibt, wie in allen Märkten, eine Spreizung zwischen Service- und Kostenführer, dazwischen gibt es langfristig keinen Platz. Man kennt das aus anderen Branchen: Lufthansa vs. Ryanair, Steigenberger vs. Motel One und so weiter. Im Großhandel wollen die meisten Steigenberger sein – weil der Service von Touren & Co. aber kostet, sind hohe Konditionen kaum möglich, diese werden deshalb hintenrum dann wieder einkassiert. Intransparenz der Rechnungen ist die Voraussetzung für dieses System. Selbst Herr Hollmann hat ja Anfang des Jahres gesagt, dass Apotheken große Zahlen sehen wollen. Wer ehrlich sein will, muss die versprochenen Konditionen real geben. Wer dann noch klein ist und trotzdem die Kosten hat, ist so in der Sandwichposition. Mit dieser Philosophie hat dann der regionale private Großhandel also ein Problem. ADHOC: Was ist das Problem bei den Kosten? GRAEFE: Es macht einen Riesenunterschied, ob die zweite und dritte Tour am Tag durch den Schwarzwald ausgelastet ist oder nicht. Wenn ich 2 Prozent Marktanteil habe und vier Niederlassungen, dann ist das etwas anderes als 18 Niederlassungen und 30 Prozent! Das ist kein spezifisches Problem der Privatgroßhändler, auch viele Vertriebszentren der Konzerne sind nicht ausgelastet. Die können das aber intern oder international ausgleichen – bis hin zum Verzicht auf bestimmte Vertriebsregionen, den wir ja schon erleben. Es wird ja mitnichten überall in Deutschland dreimal am Tag geliefert. Ich befürchte, dass Ebert+Jacobi nicht der letzte Privatgroßhändler sein wird, der seine Selbstständigkeit aufgeben muss. Nicht umsonst stehen in den Bilanzen rote Zahlen. Patrick Hollstein, 03.11.2016 14:37 Uhr