Die Zukunft der Lebensversicherung: Wohin geht die Reise?

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Die Zukunft der Lebensversicherung: Wohin geht die Reise?
Prof. Dr. Hato Schmeiser, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft
Juni 2015
Agenda
1. Einführung
2. Aktuelle Marktherausforderungen
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen
4. Fazit
2
Professor Dr. Hato Schmeiser
1. Einführung

Gemischte Kapitallebensversicherung ist ein Erfolgsmodell … und steht trotzdem wie kaum zuvor unter Druck

Fokus dieses Vortrags:
1. Herausforderungen
•
Niedrigzinsumfeld + Solvency II mit Implikationen auf die Asset Allokation des Lebensversicherers •
Niedrigzinsumfeld und Gefahr einer «Immobilienblase»
•
Kosten langfristiger Garantien vs. Zahlungsbereitschaft der Kunden
2. Überlegungen zu den strategischen Optionen •
Anpassungen auf Produktebene / des Geschäftsmodells / des Pricing
3
Professor Dr. Hato Schmeiser
Agenda
1. Einführung
2. Aktuelle Marktherausforderungen
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen
4. Fazit
Quelle: Assekurata / die Welt
4
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Niedrigzins
Stand: 23.06.2015: 0,85 %

Hohe Zinsgarantien im Altbestand 
Zinsgarantien können nicht risikofrei erwirtschaftet werden
5
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Niedrigzins und Solvency II


Problematische Wirkungsmechanismen: •
Niedriges Zinsniveau und hohe Volatilitäten erhöhen die Garantiekosten •
Zinsgarantie kann nicht risikofrei erwirtschaftet werden
•
Risikobehaftete Asset Allokation muss gemäss Solvency II mit Eigenkapital unterlegt werden •
Risikoadäquate Verzinsung des Eigenkapitals ist kaum möglich
•
Folge: Geschäftsmodell ist in Gefahr
Kritische Betrachtung des Solvency‐II‐Modellansatzes
•
2000: Beginn des Projekts / 2005: Erster Feldtest (QIS) / 2016: Einführung
•
Formen: Standardmodell / internes Solvenzmodell
6
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Solvency II

Entwicklungsschritte: 
Delegierte Rechtsakte vom 17.1.2015 zur Anwendung von Solvency II umfasst fast 800 Seiten 7
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Solvency II

Problemkreis: Unterstützung suboptimaler Anlageportfolios?

Die Solvency‐II‐Standardformel (Marktrisiko) erfasst die typischen Risiko‐ / Return‐
Eigenschaften der Anlageformen nicht adäquat
8
Quelle: Braun / Schmeiser
/ Schreiber (JRI 2015, forthcoming)
Professor Dr. Hato
Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Solvency II

Kritische Analyse des Solvency‐II‐Konzepts:
•
Konzeptionelle Problembereiche des Standardansatzes / Parametrisierung
•
EU‐Staatsanleihen: Generierung problematischer Gläubiger‐ / Schuldnerbezieh‐
ungen
•
Unterstützung gleichgerichteten Verhaltens (?)
•
Veröffentlichung von Solvenzkennziffern (3. Säule / Marktdisziplin) mit schwierigen Anreizwirkungen bzgl. interner Modelle
•
Treiber für Konsolidierung (?) – gerade im Bereich der Lebensversicherung
•
Verbesserte Perspektive des Managements auf die zentralen Risikotreiber (?) •
Fehlende Kosten‐ / Nutzenanalyse
9
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Asset Allokation


Fragestellung: Welchen Einfluss übt die Höhe der Zinsgarantie auf die Asset Allokation des Versicherers aus wenn …
•
eine Solvency‐II‐Restriktion (maximal 0,5 % Ruinwahrscheinlichkeit) einzuhalten ist und
•
das notwendige Eigenkapital (exakt) risikoadäquat verzinst werden muss? Ergebnis: Wenn (sicherer Zinssatz – Garantiezins)  0
•
Kein Spielraum für riskante aber auch chancenreiche Anlageformen
•
“Erzwungene” Anlagestruktur in praxi nur vordergründig sicher, da wenig
diversifiziert
•
Mindestverzinsungsgarantie und Partizipation faktisch wertlos / Investitionsmöglich‐
keit möglicherweise ungünstiger als Direktanlage
10
Quelle: Schmeiser
/ Wagner (JRI 2014)
Professor Dr. Hato
Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Asset Allokation

Nur graue Theorie?
Aktienquote (notierte und nicht‐notierte Aktien) deutscher Lebensversicherer 1. Quartal 2015: 1,35 %
Quelle: Bafin
11
Professor Dr. Hato Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Asset Allokation
Position (E0,)
des Versicherers
Endzahlung an den Kunden (LT)
und
Nutzen / Sicherheits‐
äquivalent (CE)
Grundsätzlich bieten niedrigere Garantiezinsen höheren Nutzen für den Kunden
Also: “Weniger ist mehr” … Aber: Wie kann man dies dem Kunden vermitteln?
12
Quelle: Schmeiser
/ Wagner (JRI 2014)
Professor Dr. Hato
Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Garantie & Kundenzahlungsbereitschaft

Investmentgarantie: «USP» der Lebensversicherer

Garantiekosten reagieren sehr sensibel auf Veränderungen des sicheren Zinssatzes

Technische Preise für Garantien sind hohem Modellrisiko ausgesetzt

Beispiel: Endfällige Verzinsungsgarantie (Black/Scholes‐Bewertung)
1
T = 20 Jahre; nominale Kapitalerhaltungsgarantie (g = 0%), risikoloser Zinssatz 3 % (p.a.), Volatilität des Investments 10 %
Wert der Garantie (upfront): 1,4 % des Barwerts der Prämieneinzahlungen
2
Wie Fall 1, aber risikoloser Zinssatz 1 % => Wert der Garantie: 8,6 %
3
Wie Fall 1, aber Volatilität 20 % => Wert der Garantie: 23,1 %
13
Quelle: Gatzert
/ Huber / Schmeiser, GP (2011)
Professor Dr. Hato
Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Garantie & Kundenzahlungsbereitschaft

«Kunde will Garantie» / Aber: Wie ist es um die Zahlungsbereitschaft bestellt?
14
Quelle: Gatzert
/ Huber / Schmeiser, GP (2011)
Professor Dr. Hato
Schmeiser
2. Aktuelle Herausforderungen: Garantie & Kundenzahlungsbereitschaft
Welche Kundengruppen besitzen eine ausreichende Zahlungsbereitschaft für Investmentgarantien?
15
Quelle: Gatzert / Huber / Schmeiser
Professor Dr. Hato Schmeiser
Geneva Papers on Risk and Insurance (2011)
2. Aktuelle Herausforderungen: Hypothekengeschäft (Fallbeispiel: CH)
16
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Agenda
1. Einführung
2. Aktuelle Marktherausforderungen
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen
4. Fazit
17
Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen Senkung Rechnungshöchstzins (2015, D)
Zurich reduziert Garantiezins auf 1 % (CH)
Allianz stellt neue Produkte mit temporären Zinsgarantien vor
Ergo entwickelt neue fondsgebundene Produkte mit
nominaler Kapitalerhaltungsgarantie
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 

Strategie «passiv»
•
Hoffen auf Zinserhöhungen
•
Nutzung bilanzpolitischer Massnahmen zur Pufferung realer Verluste (mit begrenzter Wirksamkeit)
•
Kürzungen von Garantieleistungen ex‐post (durch Aufsicht bzw. Ermächtigung der Aufsicht) im Falle eines «Japan‐Szenarios»
•
Senkungen der Garantiezinsen für Neuverträge
Strategie «aktiv»
•
(Vollständiges) Einstellen von Garantieprodukten (Problem: Verlust des «USP»)
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 

Strategie «aktiv» (Fortsetzung)
•
Verstärkte Marktsegmentierung auf Basis der Messung von Zahlungsbereitschaften für Produktfeatures (Basis: Conjoint‐Analyse)
•
Basis für Produktinnovationen (statt «Versuch und Irrtum»)
Basis dieser Strategie bilden die folgenden drei Thesen:
•
These 1: Wir wissen wenig über die Zahlungsbereitschaft von Kunden bzgl. bestimmter Produktfeatures (und insbesondere bzgl. gewünschter Garantietypen und ‐höhen) •
These 2: Kunde kauft regelmässig via Produktbündelung Produktfeatures ein, für die seine Zahlungsbereitschaft per se nicht ausreicht (siehe Garantiebeispiel) 20
Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen • These 3: In Bereichen, in denen die Zahlungsbereitschaft der Kunden zur Deckung der Kosten des Versicherers ausreicht, ist das branchenübliche kostenorientierte Pricing («Cost +») nicht geeignet, gewinnmaximale Preis‐/Absatz‐Kombinationen zu finden

Vorgehensweise: •
Verstärkte Kundensegmentierung auf soziodemographischer Basis bzgl. unterschiedlicher Produkte und deren Features (insb. Optionen und Garantien)
•
Verdeutlichung anhand einer aktuellen Studie Swiss Re / I.VW (Fokus: Risikolebens‐
versicherungen Deutschland) 21
Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 
Beispiel auf Basis von vier generischen Produkten
22
Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 
Durchschnittliche Zahlungsbereitschaften Produkte A, B, C und D
mean


Product A
Budget
B
C
D
17.6 €
21.3 €
24.8 €
34.8 €
Zahlungsbereitschaften für zusätzliche Produktfeatures Product A
Budget
Budget + CI
Budget + Personal
Budget + Well‐known
mean
17.6 €
24.4 €
18.8 €
22.6 €
HDI
0 – 89.2 €
0 – 111.0 €
0 – 92.0 €
0 – 104.2 €
WTP = 0
58.8 %
51.4 %
57.4 %
50.8 %
Testung der Preissensitivität (in Marktanteilen) auf dieser Basis möglich
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 
Durchschnittsbetrachtung
13%
41%
16%
Premium
Term Assured
Sales Channel
15%
Medical Underwriting
7%
8%
Brand
Critical Illness Option

Verteilung ist kundengruppenspezifisch
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 
Basis zur Bildung von Preis‐/Absatz‐Funktionen und Ableitung optimaler Preis‐/Mengen‐
kombinationen sowie optimaler Risikoklassifikation
Kostenorientiertes
“aktuarielles” Pricing
25
Quelle: Gatzert / Hoermann / Schmeiser
Professor Dr. Hato Schmeiser
North American Actuarial Journal (2012)
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen 
Ziel:
•
Messung von Zahlungsbereitschaften für Produktfeatures führt zu neuartigen Produkten für ausdifferenzierte Kundengruppen
•
Demnach wird nicht ein Produkt (gemischte Kapitallebensversicherung) oder eine grosse Produktpalette offeriert, sondern jeweils eine begrenzte kundenspezifische Auswahl (Konzept «Self‐Selection»)

Vorteil für Kunde: Kein Kauf von Produktfeatures, für die die Zahlungsbereitschaft nicht ausreichend ist

Vorteil für Unternehmen: Optimierung der Gewinne für Produktfeatures, die von der betrachteten Kundengruppe besonders geschätzt werden

Führt m. E. zu einer erheblichen Erhöhung der Anzahl von Produktformen und – zumin‐
dest für bestimmte Kundengruppen – einer Reduktion finanzwirtschaftlicher Garantien 26
Professor Dr. Hato Schmeiser
Agenda
1. Einführung
2. Aktuelle Marktherausforderungen
3. Zentrale Implikationen und strategische Optionen
4. Fazit
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. Fazit

Das aktuelle Niedrigzinsumfeld ist der Geld‐ und Schuldenpolitik verschiedener Staaten und dem wenig verantwortungsvollen Agieren des Bankensektors zu verdanken – zum Nachteil der Lebensversicherer

Die Versicherungsindustrie wird die Gegebenheiten langfristig meistern, aber das Produktangebot kommt dabei auf den Prüfstand: •
«USP» Risikogeschäft + Spargeschäft mit reduzierten Garantien («point‐to‐point»)
•
Kundengruppenspezifische Leistungsangebote (Produktvielfalt wird massiv zunehmen) •
Daher: Beratungsintensität nimmt zu
•
Transaktionskosten im Fokus (ETF‐basiertes «Underlying»)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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Professor Dr. Hato Schmeiser
Kontakt
Institut für Versicherungswirtschaft (I.VW‐HSG)
Universität St. Gallen
Tannenstrasse 19
9000 St. Gallen / Schweiz
www.ivw.unisg.ch
29
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