Magnetohydrodynamik Ivan Kostyuk 11. Juni 2015 Zusammenfassung Dies ist eine Zusammenfassung meines Vortrages zum Thema Magnetohydrodynamik, welchen ich am 22.05.2015 im Rahmen des Seminares “Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie” an der Universität Heidelberg gehalten habe. Magnetohydrodynamik beschreibt das Verhalten von Fluiden die aus geladenen Teilchen bestehen z.B. Plasmen. Da ein Großteil der baryonischen Materie im Universum im Plasmazustand vorliegt, spielt die MHD eine enorme Rolle in der Astrophysik. Aber auch auf der Erde ist MHD oft vom Interesse z.B. bei der Entwicklung von Fusionsreaktoren. 1 1.1 Geladene Teilchen in elektromagnetischen Feldern Ladung im homogenen Magnetfeld Wir betrachten anfangs eine Ladung q mit der Masse m die sich in einem homogenen Magnetfeld B mit der Geschwindigkeit ~v bewegt. Auf eine solche Ladung wirkt die Lorenzkraft: q ~ F~ = (~v × B) (1) c Die Lorenzkraft führt dann dazu, dass die Ladung sich auf einer Kreisbahn mit der Geschwindigkeit ~v⊥ senkrecht zu dem magnetischen Feld bewegt. Die Frequenz einer solchen Kreisbewegung ist ω= qB mc (2) ρ= v⊥ |ω| (3) und hat den Radius: Betrachtet man das zeitliche Mittel der Bewegung, so sieht man, dass die orthogonale Geschwindigkeitskomponente nicht zur Durchschnittsbewegung beiträgt und die Ladung sich mit vk parallel zu dem magnetischen Feld bewegt. Somit bewegt sich eine Ladung im homogenen B-Feld entlang einer spiralförmigen Trajektorie. 1 1.2 ~ × B-Drift ~ E Wir betrachten nun einen Fall in dem sich eine Ladung q in einem elektromagnetischen Feld befindet. Ein elektromagneitsches Feld hat zwei Lorenzinvarianten, d.h. Größen, die sich bei einer Lorenztransformation nicht ändern. Diese sind Fµν F µν F̃µν F µν ∼ B2 − E2 ~ ·B ~ ∼ E (4) (5) Diese Größen ergeben sich aus dem Produkt vom elektromagnetischen Feldstärketensor mit sich selber, bzw. mit dem dualen Feldstärketensor. Dies bedeutet das bei einer Transformation eines elektrischen Feldes in ein magnetisches oder umgekeht sich diese Größen nicht ändern dürfen. Nun betrachten wir ein Feld indem die beiden Felder orthogonal zueinander stehen, d.h. ~ ·B ~ =0 E (6) in diesem Feld muss man lediglich bedenken, dass das Vorzeichen in der ersten Lorentzinvarianten erhalten bleiben muss. Daraus folgt, dass man mit Lorentz~ = 0 wenn transformation in ein Bezugssystem wechseln kann in welchem B ~ ~ ~ ~ ~ |B| < |E| oder E = 0 wenn |E| < |B|. Nun betrachten wir den Fall mit dem stärkeren Magnetfeld, bei dem im Ruhesystem die Felder orthogonal zueinander stehen: Wir wechseln in ein Bezugssystem, ~ B ~ welches sich mit einer Geschwindigkeit ~vD = c E× B 2 senkrecht zu beiden Feldern bewegt. Es gilt dann die Bewegungsgleichung: ! ~0 d~ p0 ~vD × B 0 ~ =q E + (7) dt0 c Da sich die zur Geschwindigkeit parallelen Komponenten der Felder bei der Transformation nicht ändern bleiben Bk = 0 und Ek = 0. Die orthogonalen Komponenten ändern sich widerum zu: ~0 E ⊥ ~+ = γ(E 0 ~⊥ B = ~v ~ =0 × B) c 1~ B γ (8) (9) Dies bedeutet, dass ein Teilchen in einen solchen Bezugssystem sich auf einer ~ × B-Drift ~ stabilen Bahn befindet. Die Geschwindigkeit vD wird E gennant. Diese Eigenschaft findet Anwendung bei z.B. Teilchenbeschleunigern um Teilchen mit bestimmter Geschwindigkeit zu selektieren. Interessant ist hier, dass die Driftrichtung unabhängig von der Ladung ist. 1.3 Ladung im inhomogenen Magnetfeld Wir betrachten nun ein Magnetfeld, welches sich senkrecht zu vk des Teilchens ändert. Dies bedeutet, dass das Teilchen bei seiner zirkulären Bewegung mal im stärkeren und mal im schwächeren Feld befindet. Somit ändert sich im Laufe einer Kreisbewegung der Radius des Kreises. Dies widerum führt dazu, dass das 2 Teilchen senkrecht zum Gradienten und zu den Feldlinien wegdriftet. Jedoch ist hier die Driftrichtung abhängig von der Ladung des Teilchens, somit driften negative und positive Ladungen in entgegengesetzte Richtungen. Die Driftgeschwindigkeit ist in erster Näherung: vdrift = 1.4 2 v⊥ ∇B 2ω B (10) Magnetische Flasche Nun betrachten wir ein Magnetfeld, welches sich entlang von vk ändert. Die zirkuläre Bewegung der Ladung erzeugt ein magnetisches Moment, welches senkrecht auf der Kreisbewegung steht und entgegen der Bewegungsrichtung zeigt. mv 2 Das Wert des magnetischen Momentes beträgt µ = 2B⊥ . Da nun die Änderung des magnetischen Feldes parallel zum magnetischen Moment ist, erfährt die Ladung bei ihrer Bewegung eine Kraft. F~ = µ ~ ∇B 6= 0 (11) Wenn die Ladung sich auf ein stärkeres Magnetfeld zubewegt erfährt es eine Kraft entgegen deren Bewegungrichtung. Dies führt dazu, dass das Teilchen immer weiter abgebremst und dann reflektiert wird. Wenn man ein System hat, welches an zwei Seiten stärker wird kann man auf diese Weise eine Ladung “fangen”, da diese auf beiden Seiten reflektiert wird. 2 2.1 Magnetohydrodynamik magnetische Reynoldzahl Die magnetische Reynoldzahl ist analog zur hydrodynamischen Reynoldzahl konstruiert. Sie beschreibt das Verhältnis von Advektion und Diffusion in einem Fluss von geladenen Teilchen. Sie ist folgendermaßen definiert: RM = 4πvL ηc (12) Wobei v die charakteristische Geschwindigkeit und L die charakteristische Länge des Systems sind. η ist die Diffusionskonstante und beschreibt wie stark die Ladungen im System auseinander streuen. Für die Magnetohydrodynamik wird der Fall betrachtet RM → ∞. Dies bedeutet, dass die Diffusion vernachlässigt und wir ein vollständig advektives System betrachten. Diese Annahme können wir in z.B. der Astronomie machen, da wir dort sehr große Längenskalen betrachten. 2.2 Grundgleichungen der MHD Die idealisierte Magnetohydrodynamik kann durch einige wenige Grundgleichungen beschrieben werden. Diese setzen sich zusammen aus einer Kombination von Gleichungen der Elektrodynamik, sowie den Gleichungen der Kontinuumsmechanik. Aus diesen wenigen Gleichungen kann man viele Eigenschaften der MHD herleiten und Phänomene erklären. Jedoch sollte man immer bedenken, dass die idealisierte MHD auf vielen Annahmen und Näherungen basiert, die nicht immer erfüllt sind. 3 2.2.1 Maxwellgleichungen Da man in der MHD Systeme betrachten die aus geladenen Teilchen bestehen gelten hier die Maxwellgleichungen, die die Wechselwirkungen zwischen den elektromagnetischen Feldern und den Ladungen beschreiben. In der MHD wird dann gezeigt, dass dabei die elektrischen Felder im unrelativistischen Fall vernachlässigt werden können. Die Maxwellgleichungen lauten: 2.2.2 ~ ∇×B = ~ ∇×E = ~ ∇·E ~ ∇·B = ~ 4π ~ 1 ∂ E j+ c c ∂t ~ 1 ∂B − c ∂t 4πρ = 0 (13) (14) (15) (16) Kontinuitätsgleichung Die Kontinuitätsgleichung spielt eine wichtige Rolle in der Kontinuitätsmachanik. Sie folgt direckt aus der Massenerhaltung unter Verwendung des Gauss’schen Satzes. Z Z ∂ρ ~ dV = − ρ~v dA (17) V ∂t ∂V Z Z ∂ρ ~ ⇔ dV = − ∇ρ~v dA (18) V ∂t V ∂ρ ~ ∀V ⇒ = ∇ρ~v dA (19) ∂t 2.2.3 Eulergleichung Für nichtviskose Fluide ist die Bewegungsgleichung die Eulergleichung: ρ d~v = −∇p + f~ dt (20) f~ sind dann alle Kräfte die noch zusätzlich auf das System wirken. In unseren Fall ist es die Gravitationskraft und die Lorenzkraft, wobei die Kraftkomponente aus dem elektrischen Feld vernachlässigt werden kann. Man muss jedoch hier bedenken das die totale Ableitung der Geschwindigkeit zwei Komponenten hat: ∂~v d~v = + ~v ∇~v (21) dt ∂t Die erste Komponente wird die lokale und die zweite die konvektive Ableitung genannt. Daraus folgt dann, dass die Bewegungsgleichung für ein MHD System folgendermaßen aussieht: ρ ~ ~j × B ∂~v ~ − ∇p + ρ~g + ρ(~v ∇)~v = + qE ∂t c 4 (22) 2.2.4 Zustandsgleichung Die Zustandsgleichung beschreibt den thermodynamischen Zustand des MHD Systems. Wie bereits erwähnt, wird in einem MHD System angenommen, dass die Diffussion des Systems sehr gering ist. Daraus folgt, dass bei einem Ladungsfluss entlang der Feldlinien nur sehr geringer Energieaustausch stattfindet und damit keine Änderung der Entropie stattfindet. Entlang der Feldlinien bewegen sich die Ladungen relativ schnell, so dass man hier einen adiabatischen Prozess annehmen kann. Somit bleibt die Entropie auch bei der Bewegung parallel zu den Feldlinien erhalten. Insgesammt folgt daraus: d dt 2.2.5 dS dt p ργ ργ d p CV p dt ργ d p ⇒ dt ργ CV ln = 0 (23) = 0 (24) = 0 (25) = 0 (26) Ohmsches Gesetz Analog zum bekannten ohmschen Gesetz für einen Schaltkreis U = RI erhält man für eine Ladungsströmung bei Betrachtung einer infinitisimalen Potentialdifferenz im Bezugssystem des Plasmas die Gleichung: ~ 0 = η~j E (27) Wobei η die Diffussionskonstate ist. Wenn man nun mit Hilfe von Lorentztransformation ins Laborsystem wechselt so gilt: ~ ~0 = E ~ + ~v × B = η~j E c (28) Nun kann man von dieser Gleichung die Rotation bilden und anschließend das ~ = − 1 ∂ B~ einsetzen auf diese Weise erhält man: Induktionsgesetz ∇ × E c ∂t ~ ∂B ~ − c∇ × (η~j) = ∇ × (~v × B) ∂t (29) In der MHD werden aber Systeme betrachtet bei denen die Diffussion besonders klein ist damit wird angenommen η → 0, so dass dann gilt: ~ ∂B ~ = ∇ × (~v × B) ∂t 2.3 (30) Flux Freezing Eins der wichtigsten Resultate der MHD ist die Tatsache, dass der magnetische Fluss in einem MHD-System erhalten bleibt. Der magnetische Fluss ist folgendermaßen definiert: Z ~ r, t)dA ~ Φ(t) = B(~ (31) S(t) 5 Entlang der Feldlinien werden die Ladungen in einem Plasma von den magnetischen Feldlinien festgehalten. Umgekehrt stabilisiert das Plasma die Feldlinien. Wenn das magnetische Feld stärker ist als der Plasmafluss wird die Form des Flusses vom magnetischen Feld bestimmt. Ist der Plasmafluss stärker so werden die Feldlinien durch den Plasmafluss verbogen. Aus der Erhaltung des magnetischen Flusses folgt, dass der Fluss nicht zwischendurch unterbrochen sein kann. Somit muss die Topologie der Feldlien erhalten bleiben, dies führt wiederrum dazu, dass durch Streckung der Feldlinien eine große Menge Energie im magnetischen Feld gespeichert werden kann. 2.4 Verstärkung des Feldes durch Dehnung Es wurde gezeigt, dass in einem MHD System, sowohl der Fluss (Flux Freezing) als auch die Masse (Kontinuitätsgleichung) erhalten bleiben müssen. Wenn man nun ein Feldlinie der Länge l auf die Länge l0 dehnt so muss gelten: B∆A = B 0 ∆A0 (32) ρ∆Al 0 (33) 0 0 = ρ ∆A l Nun muss man die Gleichungen nur noch nach B 0 lösen und erhält: 0 0 l ρ B0 = B ρ l (34) Daraus folgt, dass bei einer Dehnung der Feldlinien bei konstanter Dichte bzw. bei der Erhöhung des Druckes bei konstanter Länge das magnetische Feld stärker wird und somit mehr Energie speichert. 3 Anwendungen Die MHD hat vor allem in der Astrophysik sehr viele Anwendungen. Im folgenden werden einige Beispiele aus der Natur eläutert, die mit Hilfe der MHD erklärt werden können. 3.1 Neutronensterne Ein Beispiel für die Verstärkung des magnetischen Feldes, sind Neutronensterne. Neutronensterne entstehen beim Kollaps eines Sternes auf einen sehr kleinen Radius von nur wenigen Kilometern. Wenn ein kollabierender Stern ursprünglich Feldlinien hatte, die entlang der Oberfläche des Sterns verliefen, so werden diese proportional zum Radius kleiner beim Kollaps. Die Dichte des Stern nimmt aber propotional zu r3 zu. Somit steigt das magnetische Feld bei einem Kollaps mit r2 , was erklärt warum Neutronensterne ein sehr starkes magnetisches Feld haben von ca. 1011 − 1012 Gauss. 3.2 Sonnenwinde Mit der MHD lässt sich ebenfalls beschreiben warum keine Sonnenwinde auf die Erde treffen. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Sonnenwinde als parallele Feldlinien auf die Erde zukommen. Um die Erde herum sind wiederum die 6 magnetischen Feldlinien der Erde. Da nach dem Prinzip des konstanten magnetischen Flusses die Topologie der Feldlinien erhalten werden muss, können diese nicht auseinandergerissen werden, so dass die Sonnenwinde um die Erde herum gehen müssen. 3.3 Sonnenflecken Auf der Sonne selbst lassen sich leicht dunkle Flecken erkennen, die als Sonnenflecken bezeichnet werden. Diese kommen daher, dass bei der Rotation der Sonne der Äquator schneller rotiert als die Pole. Dies führt dazu, dass magnetische Feldlinien die von einem Pol zum anderen verlaufen “aufgewickelt” werden. Dadurch staut sich Energie in den Feldlinien und es bilden sich Schleifen aus Feldlinien bei denen das Plasma aus der Sonnenoberfläche austritt und wieder hineingeht. Da der Fluss des Plasmas weniger dicht und kühler ist als der Rest der Sonne, sind diese Austrittsstellen dunkler als der Rest der Sonnenoberfläche. Literatur [1] Jackson, John D. “Classical Electrodynamics”, New York. (1975). [2] Kulsrud, Russel M. “Plasma physics for astrophysics” Vol. 77. Princeton: Princeton University Press, 2005 [3] G. Wolschin, “Hydrodynamik” Skript [4] Gurnett, Donald A., and Amitava Bhattacharjee. “Introduction to plasma physics: with space and laboratory applications” Cambridge university press, 2005. 7