I. Empirische Grundlagen der mikroskopischen Maxwell

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HB
Theoretische Physik II fur Lehramtsstudenten
HB
SS 99
C.C. Noack
I. Empirische Grundlagen der mikroskopischen
Maxwell-Gleichungen
c Cornelius C. Noack 1996,1998,1999
[ Vers. 3.1/ ccn 2. Mai 1999 ]
Zu diesem Skript:
Im Rahmen einer Theorie der Elektrodynamik ist es, systematisch gesehen, naheliegend, als
Ausgangspunkt der Theorie mit den Maxwell-Gleichungen anzufangen. Das ist auch insofern
sinnvoll, als die Maxwell-Gleichungen schon im Grundkurs \Experimentalphysik" ausfuhrlich
behandelt werden | wenn auch meist einfach nur als formelhafte Zusammenfassung experimenteller Fakten.
Dennoch soll gerade in diesem Kurs auf eine `Begrundung' der Maxwell-Gleichungen nicht
verzichtet werden, und zwar aus einem didaktischen wie aus einem theoretischen Grund:
1. in didaktischer Hinsicht erscheint es ungeschickt, \mit der Tur ins Haus zu fallen".
Nicht nur sind die Maxwell-Gleichungen historisch in der Tat aus einer Fulle von Einzelerkenntnissen heraus `gewachsen' | angefangen mit der Entdeckung elektrischer
Ladungen selbst, sondern es sollte auch nie auer Acht bleiben, da selbst eine so
formale Theorie wie die (elektrodynamische) Feldtheorie ihre eigentliche Begrundung,
ja: Existenzberechtigung aus den Phanomenen erhalt, die sie beschreiben will | die
Theorie lebt vom Experiment!
2. theoretisch gesehen ist es lohnend, nachzuvollziehen, wie sich diese Gleichungen aus
nur wenigen (allerdings grundlegenden) Erfahrungstatsachen ergeben. Versucht man
namlich, ein solches System von Gleichungen zu falsizieren, so ist es naturlich einfacher, die Allgemeingultigkeit dieser Erfahrungstatsachen selber zu uberprufen als eine
Vielzahl von Einzelkonsequenzen aus einem Gleichungssystem 1.
Ein besonders deutliches Beispiel dieses Zusammenhangs ist die Frage der Existenz von magnetischen
Monopolen | vgl. die Funote auf S. 14 .
1
ii
Vorbemerkung
Nomenklatorisch wird unterschieden zwischen den \mikroskopischen" Maxwell-Gleichungen
(manchmal auch \Vakuum-Maxwell-Gleichungen" genannt):
rot B~
~
"0 0 @@tE = 0 ~
div E~ = "
0
~
rot E~ + @@tB = ~0
div B~ = 0
und den \makroskopischen" Maxwell-Gleichungen (manchmal auch \Maxwell-Gleichungen
in Materie" genannt):
rot H~
@ D~ = ~
0
@t
div D~ = ~
rot E~ + @@tB = ~0
div B~ = 0 :
Die Namen \Vakuum-Gleichungen" bzw. \Maxwell-Gleichungen in Materie" sind insofern
ganz irrefuhrend (und sollten vermieden werden!), als die \mikroskopischen" Gleichungen
durchaus auch bei Vorhandensein von Ladungen und Stromen gultig sind | also auch bei
Vorhandensein von Materie, denn Ladungen (und damit auch Strome) sind nach heutiger
Kenntnis immer an Materie gebunden.
Eine bessere Nomenklatur ist \fundamentale" bzw. \phanomenologische" Maxwell-Gleichungen, denn die \makroskopischen" Gleichungen { in denen die Felder D~ und H~ ja durch
phanomenologische sogenannte `Materialkonstanten' wie Suszepibilitat und Permeabilitat gekennzeichnet sind { lassen sich, wie wir in einem weiteren Skript 2 . aus den mikroskopischen
Maxwell-Gleichungen herleiten.
Wir werden in diesem Skript ausschlielich mit den mikroskopischen Maxwell-Gleichungen zu tun haben.
2
\II. Die makroskopischen Maxwell-Gleichungen"
iii
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
A Die elektrische Ladung
B Punktladungen | die \-Funktion"
B 1 Die Dirac-sche -Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B 2 Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C Elektrostatik
C 1 Das Coulomb-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C 2 Die Dierentialgleichungen der Elektrostatik . . . . .
C 2.1 Das elektrische Potential (\Skalarpotential")
C 2.2 Die Quellen des elektrischen Feldes . . . . . .
D Magnetostatik
D1
D2
D3
D4
.
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Elektrische Strome als Ursache des Magnetismus . . .
Das Ampere-sche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Gesetz von Biot und Savart . . . . . . . . . . . .
Die Dierentialgleichungen der Magnetostatik . . . . .
D 4.1 Das magnetische Potential (\Vektorpotential")
D 4.2 Die Wirbel des magnetischen Feldes . . . . . .
E Zusammenfassung der statischen Gleichungen
F Die Maxwell-Gleichungen
G Die Lorentzkraft
iv
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iii
1
4
5
6
8
. 8
. 10
. 11
. 12
.
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14
14
18
18
19
20
21
23
25
28
A Die elektrische Ladung
Die Grundlage aller elektrischen { und, wie wir sehen werden, auch magnetischen { Erscheinungen ist die Existenz von elektrischen Ladungen. Die elektrische Ladung ist durch die
folgenden Eigenschaften charakterisiert:
Sie ist eine Eigenschaft von Materie | es gibt keine Ladungen, die nicht in irgendeiner Weise an (Elementar-)Teilchen gebunden sind 3.
Sie ist eine \extensive" skalare Groe. Dabei bedeutet
extensiv: es handelt sich um eine additive Groe : die Gesamtladung zweier Subsys4
teme mit den Ladungen q1 und q2 ist q = q1 + q2 ,
skalar: die Ladung ist nicht abhangig von dem Koordinatensystem, in dem sie gemessen wird. Anders gesagt: die Ladung eines Systems, das sich (in einem gegebenen
Koordinatensystem) mit der Geschwindigkeit ~v bewegt, ist die gleiche wie die, die
man mit, wenn das System ruht. Die Ladung ist aber auch sonst unabhangig von
der Umgebung: z.B. ist die Ladung im Vakuum die gleiche wie die im Schwerefeld.
Sie kommt in zwei Vorzeichenvarianten vor. Das bedeutet: es gibt elektrisch neutra-
le Systeme, die aus geladenen Subsystemen bestehen (einfaches Beispiel: das elektrisch
geladene Wasserstoatom besteht aus einem \positiv" geladenen Kern (dem Proton)
und einem \negativ" geladenen Elektron).
Die konkrete Wahl des Vorzeichens (das Elektron hat \negative " Ladung) ist eine historisch bedingte, rein willkurliche Festlegung | auch wenn sie in der Physik universell
gebrauchlich ist.
Sie ist eine universelle Erhaltungsgroe. Das bedeutet: elektrische Ladung kann
nicht einfach `entstehen' oder `verschwinden' | sie kann lediglich von einem Ort zu
einem andern transportiert werden. Mathematisch ausgedruckt heit das 5
d Z d = Z ~ d~ ;
dt V
S
3
Eine wichtige Erkenntnis der Elementarteilchenphysik ist es, da es neben Teilchen mit Masse (z.B.
Elektron, Proton, Neutron) auch masselose Teilchen gibt (z.B. Photon, Neutrino, Gluon). Und bemerkenswerterweise konnen nur massive Teilchen geladen sein | masselose Teilchen sind immer elektrisch neutral.
Die Frage, warum das so ist, ist bis heute vollig ungeklart.
Das Phanomen (elektrische Ladung kommt nur an massive Teilchen gebunden vor) ist umso verwunderlicher, als heute in der sogenannten \starken Wechselwirkung" ein zur Ladung (und damit zur gesamten
Elektrodynamik!) sehr analoges Phanomen auftritt, namlich eine (willkurlich so getaufte) \Farbladung" {
mit einer zugehorigen Theorie namens \Chromodynamik" {, deren Trager, die \gluonen", masselos sind!
Es gibt also noch viel Unverstandenes in der Physik : : :
4
Allgemein bezeichnet man in der Physik Groen mit dieser Additivitatseigenschaft, die also `Mengen'
charakterisieren, als \extensive Groen". Im Gegensatz dazu stehen \intensive Groen"; fur sie gilt: haben
zwei Subsystemen die Mewerte x1 = x2 der Groe \X", so ist der Mewert von X fur das Gesamtsystem
x = x1 = x2 . Ein wichtiges Beispiel einer intensiven Groe ist die Temperatur.
5 Wir benutzen in diesem Skript wie ublich als Notation f
ur das Dierential einer Volumenintegration

das Symbol d , fur das Dierential eines Oberachenintegrals d~ (der Vektor d~ weist in Richtung der
Flachennormale; bei einer geschlossenen Oberache nach auen.
Manchmal wird das Volumenintegral auch mit d3~r geschrieben (besonders dann, wenn das Volumenintegral
als Dreifach-Integral berechnet werden soll.
hierbei ist 6
V
S
d
d~
~
ein vorgegebenes Volumen,
dessen Oberache;
das Dierential der Volumenintegration,
das Dierential der Oberachenintegration,
die elektrische Ladungsdichte im Innern von V;
die elektrische Stromdichte auf der Oberache vonV;
und wie ublich ist das Oberachendierential positiv nach auen deniert.
In Worten heit das nichts anderes als: die Ladung im Inneren eines festen Volumens
kann nur dadurch abnehmen, da die entsprechende Menge aus dem Volumen nach
auen abiet.
Nimmt man fur V das Volumen des Universums, so folgt wegen ~ = 0 auf der Oberache (wohin konnte auf der Oberache des Universums irgendetwas ieen?), da die
Gesamtladung des Universums zeitlich konstant ist.
Lat man umgekehrt das betrachtete Volumen gegen Null gehen, so ergibt sich (mit
Hilfe des Gau-schen Satzes):
@ + div ~ = 0
@t
;
(1)
die \Kontinuitatsgleichung", die also nichts anderes als der mathematische Ausdruck
fur die Erhaltung der Ladung 7 ist.
Sie ist quantisiert. Das bedeutet: jede Messung der elektrischen Ladung hat als
Ergebnis ein ganzzahliges Vielfaches einer kleinsten Ladungsmenge, der sogenannten
\Elementarladung", die gleich (dem Negativen) der Ladung des Elektrons ist 8 .
Da die Elementarladung also eine physikalisch vorgegebene Konstante ist, liegt es nahe,
sie zur Basiszahl eines Einheitensystems zu machen. In der Tat ist im SI-System die
Eine genaue Denition des Begris \Stromdichte" ndet sich im Abschn. D 1 .
Die Kontinuitatsgleichung ist innitesimal formuliert, in ihr kommen daher nicht Ladung und Strom
selbst, sondern Ladungs- und Stromdichte vor. Man spricht daher oft von der Kontinuitatsgleichung als der
Gleichung, die die \Stromerhaltung" (statt \Ladungserhaltung") ausdruckt. Beides besagt physikalisch das
gleiche.
In der Hydrodynamik steht die Kontinuitatsgleichung entsprechend fur die Erhaltung der Flussigkeitsmenge.
8 Diese an sich erstaunliche Tatsache ist { obwohl schon fr
uher vermutet { empirisch zum ersten Mal im
beruhmten Millikan-Versuch (1909) zweifelsfrei nachgewiesen worden, lange vor der Entwicklung der Quantenphysik. Es ist aber logisch gesehen klar, da, wenn die Ladung denn an Masse geknupft ist, aus der
Quantisierung der elektrischen Ladung sofort auch die Quantisierung der Masse folgt | also der Begri des
Elementarteilchens.
In der schon erwahnten Theorie der starken Wechselwirkungen { der Quantenchromodynamik { treten
Teilchen (die \quarks") auf, die nur ein Drittel der Elementarladung tragen. Nach der ersten Formulierung der
quark-Theorie im Jahr 1964 haben Experimentalphysiker lange und grundlich nach drittelzahligen Ladungen
in der Natur gesucht; es wurden aber keine gefunden.
Inzwischen glaubt man zu verstehen, da (und warum) quarks { obwohl sie als die elementaren Bausteine
der Materie anzusehen sind { nicht als freie Teilchen vorkommen konnen, sondern immer nur in gebundenen
Zustanden, die insgesamt ganzzahlige Ladung aufweisen. quarks konnen also nicht als Elementarteilchen im
`klassischen' Sinne gelten.
6
7
Einheit der Ladung als
1 Coulomb := 1 Ampere-Sekunde =: (6:241460 1018qe
deniert, das Coulomb also durch die Elementarladung (und nicht umgekehrt).
In logiger Hinsicht ware es naturlich systematischer gewesen, als `Einheit der Ladung'
gleich die Ladung des Elektrons selbst zu wahlen; das hatte aber zur Folge gehabt, da
makroskopische Ladungsmengen unhandlich groe Mezahlen bekommen hatten.
MERKE: Dimensionsbehaftete `Naturkonstanten' sind, was ihren Zahlenwert angeht,
vom benutzten Masystem abhangig, ihre Mazahlen haben also allenfalls in Relation zu anderen Mazahlen im gleichen Masystem eine physikalische Bedeutung!
Echte Naturkonstanten { die Skalen (=Groenordungen) setzen { sind immer dimensionslos.
B Punktladungen | die \-Funktion"
Nach heutiger Kenntnis sind Elektronen, die elementaren Trager (negativer) elektrischer
Ladung, Teilchen ohne innere Struktur, also auch ohne raumliche Ausdehnung; sie haben
kein `Volumen'. Die Frage, wie die elektrische Ladung auf einem Elektron `verteilt' sein
konnte, stellt sich also nicht: damit verbundene anschaulich-materielle Vorstellungen haben
in der Quantentheorie keinen Platz. A hnliches gilt auch fur die quarks und ihre Ladungen:
auch sie sind als punktformig anzusehen 9 . Ladungen sind also physikalisch immer etwas
diskretes.
Eine solche Vorstellung von in mathematischen Punkten konzentrierten physikalischen
Objekten ist nicht neu. Bereits Newton hat seine Theorie der Gravitation mit Hilfe von
\Massenpunkten" oder \Punktmassen" formuliert, auch wenn schon damals klar war, da
die Sonne und die Planeten ausgedehnte Objekte sind, die Newton-schen Massenpunkte also
allenfalls eine praktisch brauchbare Naherung sein konnten 10.
Im Rahmen einer Feldtheorie reicht jedoch die Newton-sche Vorstellung von Kraften
zwischen (Massen)punkten nicht mehr aus; man braucht Feldgroen, d.h. Groen, die als
kontinuierliche Funktionen von Raum und Zeit beschrieben werden konnen. Eine solche
Funktion ist die Ladungsdichte (t;~r ), die man so denieren kann:
(t;~r )
Z
V
ist eine zu jeder Zeit t und an jedem Ort ~r denierte dierenzierbare
Funktion mit der Eigenschaft
(t;~r ) d
ist die (zur Zeit t) im Volumen V eingeschlossene Ladung.
Man sieht an dieser Denition sofort, da man Schwierigkeiten bei der Beschreibung
einer Punktladung durch eine entprechende Ladungsdichte bekommt. Denn ist z.B. am Ort
~r = 0 eine Punktladung q vorhanden, so mute die zugeordnete Ladungsdichte (~r ) die
mathematischen Eigenschaften
(1)
(2)
(~r ) = 0 8 ~r 6= ~0 ;
Z
V
(~r ) d = q fur jedes Volumen V , das den Ursprung einschliet
besitzen. Da aber nach den Satzen der Integralrechnung das Integral einer Funktion, die
nur an einem isolierten Punkt 11 ungleich Null ist, stets verschwindet, kann es keine solche
Funktion geben.
P.A.M. Dirac hat sich in genialer Weise uber diesen Satz hinweggesetzt und ein mathematisches Instrument erfunden, das sich in der gesamten Theoretischen Physik als ungeheuer
Dieses Konzept ist naturlich immer eine Idealisierung, die experimentell wegen des endlichen Auflosungsvermogens jeder Messung nicht verizierbar ist. Rein experimentell kann man nur sagen: Elektronen
und quarks haben eine Ausdehung, die jedenfalls kleiner als etwa 10 17 cm ist.
Ein im mathematischen Sinne streng als punktformiges Teilchen beschriebenes Elektron macht naturlich
gewisse mathematische Schwierigkeiten. Man hat deshalb lange (schon im vorigen Jahrhundert!) versucht, eine
Theorie der Elektrodynamik aufzubauen, in der das Elektron eine nichtverschwindende Ausdehnung besitzt
(sogen. \klassischer Elektronenradius"). Aber all diese Theorien haben sich entweder als im Widerspruch zum
Experiment oder aber in sich inkonsistent erwiesen.
Es ist deshalb richtig zu sagen: aus heutiger Sicht sind die Trager der elektrischen Ladung punktformig.
10
Warum diese Naherung so gut funktioniert, werden wir anhand der \Multipolentwicklung" besser verstehen lernen.
11
Mathematiker sagen: \auf einer Menge vom Ma 0" .
9
brauchbar erwiesen hat. Er hat namlich erkannt, da die Funktion mit den geforderten Eigenschaften (wenn es sie denn gabe) die schlichte Verallgemeinerung des Kronecker-Symbols
ik von diskreten Indizes auf `kontinuierliche Indizes' ist, und da man deshalb mit einem
solchen Objekt praktisch genauso gut musse rechnen konnen, gleich ob man eine stringente
mathematische Denition angeben kann oder nicht 12.
B 1 Die Dirac-sche -Funktion
Wir wollen hier in knappster Form die wichtigsten Eigenschaften der -Funktion zusammenstellen:
Denition 1 :
(1)
(2)
(x x0 ) = 0 8 x 6= x0 ;
Z
x0 +a
x0 a
f (x) (x x0 ) dx = f (x0)
fur a > 0 und jede im Intervall
[x0 a; x0 + a] integrierbare (und bei x0
stetige) Funktion f (x):
Man vergleiche dies mit der Denition des Kronecker-Symbols, um die Analogie zu verstehen:
Denition 2 :
(1)
(2)
ik = 0 8 i 6= k ;
fk ik = fi ,
X
falls i in der Indexmenge der k enthalten ist,
uber die summiert wird :
k
Die wichtigste `Rechenregel' ergibt sich aus dem Denitionszusammenhang: die Einfuhrung der -Funktion ist ein Trick, um diskrete Verteilungsfunktionen (wie die einer Punktladung) formal wie eine stetige Verteilung schreiben zu konnen. Daraus folgt, da die Funktion eigentlich immer nur als Argument in einem Integral einen Sinn hat. Anders
ausgedruckt: Endergebnisse von Rechnungen, in deren Verlauf -Funktionen vorkommen,
haben erst einen (experimentell brauchbaren) Sinn, wenn alle Integrale, die -Funktionen
enthalten, tatsachlich ausgefuhrt sind. Was damit gemeint ist, wird unten am Beispiel des
Fourier-Integrals noch deutlicher werden.
Weitere praktisch wichtige `Rechenregeln' ergeben sich unmittelbar aus elementaren Regeln der Integralrechnung:
a)
Z
+
a
a
(x) dx = 1 fur a > 0
Das ist sozusagen ein Korollar der Denition von (x) . Man beachteR aber immer,
da das Argument x im Innern des Integrationsintervalls liegen mu | 0+a (x) dx ist
nicht deniert!
Viele Jahre spater hat der Mathematiker L. Schwartz eine mathematische Theorie entwickelt, in der die
Dirac-sche \-Funktion" ihren legitimen Platz hat: die Theorie der Distributionen. Fur fast alle Anwendungen
in der Theoretischen Physik braucht man aber die Theorie der Distributionen nicht zu kennen; es langt die
Kenntnis der Dirac-schen `Rechenregeln'.
12
b) (x) ist eine gerade Funktion:
( x) = (x)
c) (x) ist nicht linear! Es gilt vielmehr
(cx) = j1cj (x)
d)
f (x) (x x0 ) = f (x0) (x x0 )
(Mittelwertsatz der Integralrechnung)
Im dreidimensionalen Fall deniert man ganz analog:
Denition 3 :
(1)
(2)
8 ~r 6= ~r ;
(~r ~r 0) = 0
Z
V
0
f (~r ) (~r ~r 0) d~r = f (~r 0)
, wenn ~r 0 im Innern des Volumens V liegt.
B 2 Fourier-Transformation
Die Bedeutung der Dirac-schen -Funktion kann man besonders gut bei ihrer Anwendung in
der Fourier-Transformation sehen. Die Fourier-Transformation kann (im Dreidimensionalen)
geschrieben werden in der Form 13
Z +1
1
dk f~(k) eikx
f (x) = p
2 1
Z +1
1
~
f (k) = p
dx f (x) e ikx :
2 1
Setzt man den zweiten Ausdruck in den ersten ein, so erhalt man
Z +1
Z +1
1
1
dk p
dx0 f (x0) e ikx0 eikx
f (x) = p
2 1
2 1
Z +1
Z +1
= 21
dx0 f (x0 ) eik(x x0) ;
dk
1
1
Vertauschung der beiden Integrationen 14 ergibt
f (x) =
Z
dx0 21
1
1
Z
+
1
dk eik(x
x0 )
f (x0) :
1
13
Die symmetrische Aufteilung des `Normierungsfaktors' 21 auf die beiden Integrale ist willkurlich, aber in
der Theoretischen Physik allgemein ublich.
Wir lassen in dem heuristischen Zusammenhang, in dem wir uns hier mit der Fourier-Transformation
befassen, jede Diskussion der Voraussetzungen dieses Entwicklungssatzes weg; s. hierzu die mathematische
Literatur.
14 Auch hier lassen wir alle mathematische Strenge beiseite (es ist ja nicht von vorneherein klar, unter
welchen Voraussetzungen diese Vertauschung erlaubt ist!).
An dieser Form liest man nun eine nutzliche `Darstellung' der -Funktion ab, namlich
(x
Z
x0 ) = 1
+
2
1
1
eik(x
x0 ) dk
:
Man kann diese Formel als `kontinuierlichen limes' der (leicht zu beweisenden) diskreten
Formel
Z +
1
n;n0 = 2
ei(n n0 )x dk
ansehen, womit noch einmal die Analogie zwischen dem { diskreten { Kronecker-Symbol und
der { kontinuierlichen { -Funktion deutlich wird.
Die Verallgemeinerung des obigen Ausdruck fur den dreidimensionalen Fall lautet entsprechend
Z
1
3
(~r ) = (2)3 d3~k ei~k (~r ~r 0) :
Es gibt noch viele andere solche `Darstellungen' der -Funktion, die oft beim Umformen
von Integralen recht nutzlich sein konnen. Ein besonders anschauliches Beispiel ist
1 e
p
(x) =lim
!0 2 2
x2
2 2
;
das ist einfach eine normierte Gau-Funktion mit verschwindender Streuung!
Mit Hilfe der -Funktion konnen wir nun schlielich auch die Ladungsdichte (~r ) einer
Ansammlung von Punktladungen systematisch und bequem beschreiben: wenn sich an den
Orten ~r i (i = 1; : : :; N ) jeweils die Punktladungen qi benden, so ist die Ladungsdichte (~r )
im ganzen Raum einfach durch
(~r ) =
X
i
qi 3 (~r ~r i)
gegeben. Die gesamte im Volumen V enthaltene Ladung ergibt sich dann zu
q=
Z
V
(~r ) d =
X
i
qi
Z
V
3 (~r ~r i ) d3~r =
X
i2 V
qi ;
wie das sein soll.
In der Elektrostatik betrachten wir nur den statischen Fall, d.h. wir gehen davon aus, da
die Ladungsverteilung im Raum, die wir gerade untersuchen, sich zeitlich nicht andert, kurz
gesagt: da (t; (~r )) als Funktion der Zeit t konstant ist: @
@t = 0 ist.
In der Elektrostatik gilt also { gewissermaen als Denition dieses Begris { immer
_ = 0
:
(2)
C Elektrostatik
C 1 Das Coulomb-Gesetz
Wir wollen zunachst das Coulomb-Gesetz auf wenige, grundlegende Prinzipien zuruckfuhren15 . Dazu betrachten wir Punktladungen q1 , q2 und q3 , die sich an den Orten ~r 1 , ~r 2
bzw. ~r 3 benden, und fragen nach den Eigenschaften der Krafte, die sie aufeinander ausuben.
Wir fordern, da diese Krafte den folgenden Forderungen genugen sollen:
(1) Die Krafte hangen von keinen `externen' Groen ab. Wir betrachten also das
System der Ladungen als abgeschlossen und verlangen daruber hinaus, da es durch die
gegebenen Parameter (also die Ladungen und die Orte, an denen diese sich benden)
vollstandig beschrieben werden kann 16.
(2) Krafte sind Vektoren. Das ist das \2. Newton-sche Axiom". Die Diskussion der
physikalischen Bedeutung dieser Forderung wird hier als bekannt vorausgesetzt.
(3) Die Kraft zwischen jeweils 2 Ladungen ist unabhangig von den ubrigen
Ladungen (`Zweikorper-Krafte'). Konkret heit das, da die Kraft F~ , die die Ladung
q1 auf die Ladung q2 ausubt, weder von q3 noch von ~r 3 abhangt, sondern nur von q1 ;~r 1
und q2 ;~r 2 :
F~ 1!2 = F~ (q1;~r 1; q2;~r 2)
oder kurz
F~ 1!2 = F~ (1; 2) :
Auch diese Forderung ist ausschlielich durch ihre Einfachheit begrundet 17 .
(4) Ladungen skalar und additiv. (wurde schon in Abschn.A ausfuhrlich behandelt).
(5) Krafte addieren sich linear (Superpositionsprinzip). In Formeln heit das :
F~ (1;2)!3 = F~ (1; 3) + F~ (2; 3) :
(6) Die Krafte sind reziprok (\3. Newton-sches Axiom"):
F~ 2!1 = F~ 1!2 ;
also
F~ (2; 1) = F~ (1; 2) :
Die folgenden U berlegungen kann man naturlich ganz analog schon beim Gravitationsgesetz anstellen; ja,
einige der Prinzipien sind nichts anderes als die von Newton selbst aufgestellten `Axiome'.
16 Diese Forderungen sind erkenntnistheoretisch keinesfalls trivial! Z.B. gibt es keinen logisch zwingenden
Grund zur Annahme, da die Krafte nicht von der Geschichte des Systems abhangen konnten, oder von der
Groe des Weltalls, oder, oder : : :
Noch viel naheliegender ware die Hypothese, die Krafte konnten von den Geschwindigkeiten abhangen, mit
denen sich die Ladungen bewegen.
Die Annahme der Abgeschlossenheit des Systems und der Vollstandigkeit der Parameter Ort und Ladung
ist also nur durch ihre Einfachheit zu begrunden. Eine moglichst einfache Theorie zu nden ist eines der
tragenden Motive aller Theoretischen Physik!
17
Tatsachlich ist heute in der Physik kein Beispiel bekannt, in dem die Einfuhrung echter Dreikorperkrafte
{ die man oft genug versucht hat { zu einer besseren (d.h. entweder einfacheren oder die Experimente besser
beschreibenden) Theorie gefuhrt hatte.
15
Aus den Forderungen (1) bis 6) folgen nun eine Reihe erheblicher Einschrankungen fur
die mogliche funktionale Abhangigkeit der Kraft F~ von ihren Parametern.
Die erste (und vielleicht wichtigste!) Konsequenz aus der Forderung nach Abgeschlossenheit (1) ist die, da die Krafte nicht vom gewahlten Koordinatensystem abhangig sein durfen
| eine Konsequenz, die im Grunde schon von Galilei stammt und dann von Newton sehr
bewut formuliert wurde, obwohl sie damals erkenntnistheoretisch geradezu `anstoig' war.
Da man seit Newton also den Koordinatenursprung frei verschieben `darf', konnen die
Krafte nur von der Dierenz der Koordinatenvektoren abhangen 18 :
F~ (1; 2) = F~ (q1 ; q2;~r ) mit ~r := ~r 2 ~r 1 :
Es gibt in dem System also nur einen Vektor, von dem F~ abhangen kann. Mit der Forderung
(2) folgt dann
F~ (1; 2) = F (q1 ; q2; r) r^ mit r := j~r j; r^ := ~rr ;
wobei F (q1 ; q2; r) eine skalare Funktion ihrer 3 (skalaren) Argumente ist.
Aus der Additivitat der Ladung (4) und dem Superpositionsprinzip (5) folgt nun weiter,
dass F (q1 ; q2 ; r) eine lineare Funktion der beiden Ladungen q1 und q2 ist. Denn wenn sich
am Ort ~r 1 zwei Ladungen q11 und q12 benden, so folgt
F (q11; q2; r) + F (q12; q2; r) = F (q11 + q12; q2; r) ;
F (q1 ; q2; r) ist also linear in q1 . Aus (6) folgt aber
F (q2 ; q1; r) = F (q1 ; q2; r)
(man beachte ~r 12 = ~r 21 ! ), so da F (q1 ; q2; r) auch in q2 linear ist.
F mu als Funktion von q1 also die Form F = cq1 +d haben. Weil aber die Kraft naturlich
bei verschwindender Ladung selbst verschwinden mu (sonst ware die Abgeschlossenheit (1)
nicht gegeben!), mu d = 0, F also homogen sein. Es folgt schlielich insgesamt
F = q1 q2 f (r)
oder
F~ 1!2 = F~ (q1;~r 1; q2 ;~r 2 ) = q1 q2 f (r) ~rr ;
es bleibt nur noch eine skalare Funktion f einer skalaren Variablen r zu bestimmen, deren
Form sich aus den obigen Postulaten (1) bis (6) allerdings noch nicht ergibt.
Das gleiche Argument gilt aber auch fur den zeitlichen Koordinatenursprung; die Kraft zwischen den
Ladungen q1 und q2 kann also allenfalls von der Zeitdierenz (t2 t1 ) abhangen, also der Dierenz zwischen
der Zeit t1 , zu der die Ladung q1 ihre Kraft auf q2 ausubt, und der Zeit t2 , zu der die Ladung q2 diese Kraft
spurt.
Newton hat wie selbstverstandlich angenommen, da diese `Kraftubertragung' instantan geschieht, die
beschriebene Zeitdierenz also immer Null ist. Mit dieser zusatzlichen Annahme sind alle Krafte zu statischen,
d.h. zeitunabhangigen Kraften geworden.
Erst mit der Relativitatstheorie Einsteins ist klargeworden, da diese Annahme Newtons inkonsistent ist
und fallengelassen werden mu, und zwar sowohl in der Eletrodynamik wie in der Gravitationstheorie | mit
der Folge, da die gesamten Vorstellungen Newtons zu Zeit, Raum und Kraften unhaltbar wurden.
Wir werden diese Zusammenhange im Verlauf des Kurses noch im Detail zu untersuchen haben. Hier sei
vorerst nur festgehalten, da das Coulomb-Gesetz auf wesentliche Weise von dieser Annahme einer instantanen
Kraftwirkung abhangt; wir werden also auch das Coulomb-Gesetz spater zu revidieren haben.
18
Wir greifen daher an diesem Punkt unmittelbar auf das Experiment zuruck, in dem man
f (r) ja direkt ausmessen kann. Aus solchen Experimenten ergibt sich dann 19 das vollstandige
Coulomb-Gesetz:
F~ (1; 2) = (Masystemkonstante) q1 q2 r12 r^
:
(3)
Man beachte, da dieser Ausdruck das entgegengesetzte Vorzeichen hat als das Gravitationsgesetz; es ist Ausdruck der empirischen Erfahrung, da \gleichnamige" Ladungen sich
abstoen.)
Da, wie oben schon bemerkt, die Festlegung der Einheit der elektrischen Ladung willkurlich ist, gilt das gleiche von der Verknupfung der Einheit der Ladung mit der Einheit der
Kraft: man erhalt eine Masystemkonstante, der keinerlei echte physikalische Bedeutung
zukommt. In SI-Einheiten hat diese Konstante den Wert
1 ;
4"0
Theoretiker benutzen oft { zwecks Ersparung von Schreibarbeit! { ein Masystem, in dem
derartige Masystemkonstanten ohne echte physikalische Bedeutung den numerischen Wert 1
haben.
Um der Klarheit willen bleiben wir in diesem Kurs systematisch bei SI-Einheiten.
C 2 Die Dierentialgleichungen der Elektrostatik
Im Grunde enthalt das Coulomb-Gesetz alle physikalischen Aussagen der Elektrostatik. Jedoch geht dieses Gesetz, wie ja aus seiner `Herleitung' im letzten Abschnitt ganz deutlich
wurde, von einem mechanischen Standpunkt aus, der (instantane!) Krafte zwischen Punktladungen zu seinem Gegenstand macht 20 .
Begriich im Gegensatz dazu { wenn auch physikalisch zunachst aquivalent { steht der
Gedanke einer elektrischen Feldtheorie, in der die Ladungen an dem Zeit- und Raumpunkt, an
dem sie sich benden, eine Kraft `spuren', deren Ursache ein `Zustand' des Raumes an diesem
Zeit- und Raumpunkt ist, eben das elektrische Feld. In bewuter Unsymmetrie schreibt man
das Kraftgesetz in der Form 21
F~ (~r ; q ) = q E~ (~r ) ;
(4)
d.h. in Worten: die Kraft, die auf eine Ladung q wirkt, die sich zur Zeit t am Ort ~r bendet,
ist gegeben durch das elektrische Feld E~ (t;~r ) an eben diesem Raum- und Zeitpunkt.
Die Konsistenz mit den Ergebnissen des vorigen Abschnitts erfordert dann, zu sagen, da
die Quellen (also: Ursachen) dieses elektrischen Feldes die elektrischen Ladungen sind, und
19
Es ist bemerkenswert, da im Fall des Gravitationsgesetzes Newton das entsprechende Ergebnis nicht
mittels einer unmittelbaren Kraftmessung (die ihm ja nicht moglich war) erzielt hat, sondern mit einer weiteren theoretischen U berlegung, namlich der \Ruckwarts-Analyse" der Planetenbahnen (d.h. der Kepler-schen
Gesetze).
20
In der Sprache der Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften wird das meist der \Fernwirkungsstandpunkt" genannt.
21
bzw. { fur eine kontiniuierliche Ladungsverteilung {
dF~ (~r ; q)d = (~r ) d E~ (~r ) :
zwar eben gerade so, da eine Ladung q am Ort ~r 0 (dem \Quellpunkt") ein Feld am Ort ~r
(dem \Aufpunkt") erzeugt, das durch
q
~r ~r 0
1
E~ (~r ) = 4"
r ~r 0 j2 j~r ~r 0 j
0 j~
(5)
gegeben ist 22 .
Mit den Ergebnissen von Abschn. B kann man dies nun oenbar in einer dem Feldbegri
angemessenen (namlich kontinuierlichen) Sprache so schreiben:
1
E~ (~r ) = 4"
Z
0
0
(~r 0 ) j~r~r ~r~r0 j3 d 0 :
(6)
C 2.1 Das elektrische Potential (\Skalarpotential")
Schon aus der Mechanik wissen wir, da ein Feld der Form (5) bzw. (6) rotationsfrei ist:
rot E~ = ~0
;
(7)
es lat sich also immer in der Form 23
E~ (~r ) = grad (~r )
oder
(~r ) =
Z
E~ (~r 0) d~r 0 + const.
schreiben.
. U bung: Nachrechnen!
Im Coulomb-Fall hat man
Z
r 0)
1
3 0 (~
d
~
r
(~r ) =
4"0
j~r ~r 0 j
:
(8)
und damit
E~ = grad ~r :
. U bung: Nachrechnen!
Wir haben wieder { im Rahmen der hier zu behandelnden Elektrostatik { alle Zeitabhangigkeiten weggelassen. Siehe hierzu jedoch noch einmal die Funote auf S.9!
23 Das Minuszeichen ist Konvention; es hat zu tun mit der Konvention, da Elektronen negative Ladung
tragen.
22
C 2.2 Die Quellen des elektrischen Feldes
Um zu sehen, da hinter der invers-quadratischen Abstandsabhangigkeit der Coulomb-Kraft
mehr steckt als nur eine Art Zufalligkeit der Naturgesetze, berechnen wir auch die Divergenz
des elektrischen Feldes. Der Einfachheit halber betrachten wir zunachst eine Punktladung q
im Ursprung. Das elektrische Feld ist dann
1 q ~r
E~ = 4"
3
0 r
und damit 24
k
3
X
1
~
div E = 4" q dk xr3
0
k=1
"
3
X
1
= 4" r3 3 + xk 0
k=1
1
3
2
1 2x
r5 k
#
= 0 fur r 6= 0 ;
wahrend das Ergebnis dieser Rechnung fur r = 0 undeniert ist. Den notigen Grenzubergang
fur r ! 0 macht man hier am besten anhand der Denition der Divergenz selbst [als Volumen
nehmen wir eine Kugel K um den Ursprung; S ist dann deren Oberache]:
Z
1
~
= lim
div E
E~ d~
r=0
K !0
K
S
Z
1
~r d~ = 1 lim q 1 4r2
q
1
= 4" rlim
2
K Sr
4"0 r!0 K r2
0 !0 r
1 lim 4 q = 1 q lim 1 ;
= 4"
K " 0 r !0 K
0 r !0
so da also
lim
r!0
Z
K
div E~ d = "1 q rlim
!0
0
Z
K
1 d = 1 q
K
"
0
bleibt.
Vergleicht man das mit der Ladungsdichte der betrachteten Punktladung:
(~r ) = q 3(~r ) ;
so erhalt man schlielich
div E~ (~r ) = (~r ) = "(~r )
0
;
(9)
das \Gau-sche Gesetz der Elektrostatik".
Es zeigt sich also, da in einem sehr wortlichen Sinne die Ladungen die Quellen des
elektrischen Feldes sind: die Divergenz (das Ma fur die `Quellstarke') am Ort ~r hangt
@ ) der partiellen Ableitung (zur Systematik
Wir schreiben dk als Kurzschrift fur die ubliche Schreibweise ( @k
dieser Notation vgl. C.C. Noack: Tensoranalysis ; Skriptum Univ. Bremen 1994 .
24
von der Ladungsdichte in ~r ab und von sonst garnichts | das quadratische Anwachsen der
Oberache, durch die das Feld im Abstand r von der Quelle `durchstromt', wird gerade durch
die invers-quadratische Abstandsabhangigkeit der Coulomb-Kraft genau kompensiert.
Keine andere Abhangigkeit vom Abstand als die invers-quadratische hat diese (im GauGesetz zum Ausdruck kommende) Eigenschaft!
Schlielich lat sich zeigen da die beiden aus dem Coulomb-Gesetz deduzierten Dierentialgleichungen
div E~ = "0
rot E~ = ~0
;
(7)
die auch als Grundgleichungen der Elektrostatik bezeichnet werden, als Losung einfach
1 Z (~r 0 ) (~r ~r 0 ) d3~r 0
E~ (~r ) = 4"
j~r ~r 0 j3
0
haben.
Die Grundgleichungen der Elektrostatik sind also in ihrem physikalischen Gehalt aquivalent zum Coulomb-Gesetz.
D Magnetostatik
D 1 Elektrische Strome als Ursache des Magnetismus
Entsprechend dem Vorgehen im vorigen Abschnitt mochte man nun auch die magnetischen
Phanomene theoretisch systematisieren. Dabei konnte man zunachst auf den Gedanken
kommen, analog zu den Kraften zwischen elektrischen Ladungen nun die Krafte zwischen
Permanentmagneten zu analysieren. Das fuhrt jedoch deshalb nicht recht weiter, weil der
Permanentmagnetismus nicht eine fundamentale Eigenschaft aller Materie ist wie die Ladung, sondern in Wahrheit ein recht kompliziertes Phanomen der Festkorperphysik, dessen
grundliches Verstandnis uberdies wesentliche Aspekte der Quantentheorie erfordert 25.
Ein einfacherer Zugang liegt in der Erkenntnis, da magnetische Krafte Krafte zwischen
elektrischen Stromen sind, Krafte also zwischen bewegten Ladungen (\Lorentz-Kraft").
Was aber ist ein elektrischer \Strom"? Bei einer Punktladung ist das ziemlich einfach zu
denieren: in Analogie zum mechanischen Impuls 26 mv wird man darunter das Produkt von
Ladung und der Geschwindigkeit verstehen, mit der die Ladung sich bewegt, also
elektrischer Strom := q ~v (~r ) :
Entsprechend dem Kontinuumsansatz der Feldtheorie brauchen wir aber wieder eine Dichte, die \Stromdichte ~ ", die sich dann vollig analog aus der Ladungsdichte ergibt:
~ (~r ) := (~r ) ~v (~r ) :
Fur eine Menge von bewegten Punktladungen qk hatten wir dann
(~r ) =
und daraus
~ (~r ) =
X
k
X
k
qk 3 (~r ~r k )
qk ~v (~r k ) 3(~r ~r k ) =
X
k
qk ~v (~r ) 3(~r ~r k ) :
. U bung: Man uberzeuge sich im einzelnen von der Konsistenz dieser Denitionen mit
denen im Abschn. B!
Im Rahmen der Magnetostatik lassen wir wieder alle Zeitabhangigkeiten weg, d.h. wir
beschaftigen uns hier nur mit stationaren Stromen. Das soll heien: zwar bewegen sich
Auch eine theoretische Abstraktion wie die von \magnetischen Monopolen", d.h. von Objekten, die analog
zu elektrischen Punktladungen in zwei Varianten (etwa \N " und \S ") auftreten wurden, hilft nicht weiter,
weil eine solche Vorstellung in grundlegendem Widerspruch zu allen experimentellen Befunden steht.
In jungster Zeit sind allerdings im Zusammenhang des Versuchs, eine einheitliche (Quanten-)Theorie aller
Naturkrafte zu schaen, auch immer wieder uber die Maxwell-Theorie hinausgehende Theorien der Elektrodynamik vorgeschlagen worden, die das Auftreten von magnetischen Monopolen erlauben wurden, und in
der Folge wird auch immer wieder experimentell nach solchen Monopolen gesucht. Weder Theorien noch
Experimente haben jedoch bisher nennenswerte Erfolge gezeitigt.
(Eine knappe, aber sehr lesbare Darstellung der einfachsten \Monopol-Theorien" { und ihrer wundersamen
Konsequenzen! { ndet sich in Jackson: Classical Elektrodynamics, New York 1975).
26
Newton hat ja bekanntlich den Impuls sehr pragnant \Groe der Bewegung" genannt, ein Begri, der
ausdruckt, da der Impuls einen `extensiven' Aspekt (die Masse) und einen `intensiven' Aspekt (die Geschwindigkeit) hat.
Ganz entsprechend beschreibt der elektrische Strom die \Groe der elektrischen Bewegung".
25
die Ladungen, aber deren Geschwindigkeiten (und damit die Strome) sind als nicht explizit
zeitabhangig vorausgesetzt: an einem gegebenen Ort bleibt der Strom zeitlich immer gleich27 .
In der reinen Magnetostatik haben wir es auerdem nur mit Stromen zu tun; eine statische
Ladungs dichte bleibt ganz auer Betracht { sie ist daher a fortiori zeitlich konstant. Aus der
Kontinuitatsgleichung Gl. 1 (die { als Satz von der Ladungserhaltung { immer gilt!) folgt
dann
div ~ = 0
:
(8)
Man kann diese Gleichung { analog zu Gl. 2 fur die Elektrostatik { als Denition des Begris
\Magnetostatik" ansehen.
Die oben denierte Stromdichte ~ (~r ) hat, wie man leicht abliest, die Dimension `Ladung
pro Zeit und Stromquerschnitt', also etwa A=cm2 . Ein Integral dieser Stromdichte uber
den Querschnitt eines Leiters mute also die gewohnliche \elektrotechnische" Stromstarke J
ergeben. Das kann man auch fur eine einzelne Punktladung q leicht nachvollziehen, wenn man
sich deren Stromdichte ~ (~r ) uber ein innitesimales Volumenelement (um die Punktladung)
integriert denkt:
~ (~r ) d =Vlim
!0
Z
s = dq d~s =: dJ~ = J d~s ;
~ (~r ) d = q d~
dt dt
V
(9)
hier ist J := djdsJ~ j = dq
dt in der Tat einfach die \Stromstarke", namlich die in der Zeiteinheit
durch einen Querschnitt ieende Ladung.
. U bung: Man mache sich diesen Zusammenhang zwischen Stromdichte und Stromstarke
auch direkt aus deren Denitionen { ohne Bezug auf eine Punktladung { klar.
Mit dieser Konstruktion von dJ~ haben wir ein \innitesimales Stromelement" erhalten, das
gewissermaen als Analogon zu einer Punktladung dienen kann, wenn wir nun die Krafte
zwischen Stromen weiter analysieren wollen 28 .
Auch in diesem Zusammenhang ist wieder ein Verweis auf die Funote auf S.9 am Platze!
Dabei mu man allerdings immer im Auge behalten, da das \innitesimale Stromelement" anders als
die Punktladung ein mathematisches Konstrukt ist. Denn aus der Ladungserhaltung (vgl. Abschn. A) folgt
ja, da die Stromstarke J langs eines gesamten stromdurchossenen Leiters uberall konstant ist | einem
innitesimalen Stromelement kommt deshalb keine unmittelbare physikalische Bedeutung zu, sondern es sind
immer nur Linienintegrale uber geschlossene Leiterschleifen physikalisch relevant!
27
28
Wir betrachten also jetzt zwei stromdurchossene Leiter:
:
R~
dJ~ dJ
~2
1
R~ := ~r 2 ~r 1
und wollen analog zu unserem Vorgehen im Fall des Coulomb-Gesetzes (Abschn. C 1) ein
dierentielles Kraftgesetz herleiten.
Unsere Grundpostulate sind sinngema die gleichen wie dort:
(1) Abgeschlossenheit und Vollstandigkeit der Parameter 29 ;
(2) Krafte sind Vektoren;
(3) Die Kraft zwischen jeweils 2 Stromelementen ist unabhangig von den u brigen Stromelementen 30;
(4) Stromstarken sind skalar, Stromdichten also Vektoren. Beide sind additiv;
(5) Krafte genugen dem Superpositionsprinzip;
(6) 3. Newton-sches Axiom.
Die Analyse der mathematischen Folgen dieser Postulate ist hier deutlich komplizierter,
weil drei Vektoren, dJ~ 1 , dJ~ 2 und R~ im Spiel sind 31 , von denen die Kraft { die nach (2)
selbst ein Vektor ist { abhangen kann.
Berucksichtigen wir gleich die Linearitat in dJ~ 1 und dJ~ 2 [ die sich ganz analog wie im
Coulomb-Fall aus (4) und (5) ergibt ], so erhalten wir die folgende Liste von Moglichkeiten,
wie man die gegebenen Vektoren zu einem Vektor zusammensetzen kann (Jeder der Vektoren
in dieser Liste ist dann jeweils noch mit einer { wie im Coulomb-Fall durch (1) bis (6) noch
nicht festgelegten { skalaren Funktion von R zu multiplizieren):
29
Bei genauerer Analyse erweist sich dieses Postulat hier als in sich problematisch. Die in unserem stationaren Ansatz implizit enthaltene Annahme einer instantanen Wechselwirkung auch zwischen Stromen ist
nicht konsistent mit deren (zeitlichem) \ieen".
Diese begriichen Schwierigkeiten manifestieren sich allerdings erst beim Versuch, eine solche \FernWechselwirkung" relativistisch korrekt zu formulieren. Diese Schwierigkeiten (die hier nur angedeutet werden
konnen) sind einer der Grunde, warum man in einer relativistisch korrekten Theorie geradezu gezwungen ist,
zum Feldstandpunkt uberzugehen!
30
Auch hier sieht man, da diese Annahme weit weniger einleuchtend erscheint als im Fall von Kraften
zwischen punktformigen Objekten!
31 Aus den gleichen Gr
unden wie im Coulomb-Fall kann die Kraft nur von der Dierenz R~ := ~r 2 ~r 1
abhangen.
(dJ~ 1 dJ~ 2 ) R~
(R~ dJ~ 2 ) dJ~ 1
(R~ dJ~ 1 ) dJ~ 2
R~ (dJ~ 1 dJ~ 2)
dJ~ 1 (R~ dJ~ 2)
dJ~ 2 (R~ dJ~ 1)
:
. U bung: Einfache Kreuzprodukte { z.B. die Kombinatiion dJ~ dJ~ { konnen nicht
1
vorkommen. Warum nicht?
2
Die drei letzten Ausdrucke (doppelte Kreuzprodukte) konnen wir auer Acht lassen: sie
lassen sich alle als Linarkombinationen der ersten drei schreiben.
. U bung: Nachrechnen!
Wir machen also fur die (innitesimale) Kraft dF~ , die von dem Stromelement dJ~ 1 auf
das Stromelement dJ~ 2 ausgeubt wird, den Ansatz 32 :
h
dF~ = k f1 (R2) (dJ~ 1 dJ~ 2) R~ + f2(R2) (R~ dJ~ 2) dJ~ 1 + f3(R2) (R~ dJ~ 1) dJ~ 2
i
;
wobei f1 ; f2; f3 noch festzulegende skalare Funktionen von R2 sind.
Wie bestimmen sich diese Funktionen? Zunachst ist zu beachten, da (wie schon oben
bemerkt) nicht dF~ selbst, sondern nur das Integral uber diese innitesimale Kraft { und
zwar uber beide geschlossenen Stromkreise { physikalisch relevant ist.
Nun ist aber
f2 (R ) R~ = grad 2(R2) mit 2 := 12
2
Z
f2(R2) d(R2) ;
also
f2 (R2) R~ dJ~ 2 = grad (R2) dJ~ 2
;
daraus aber folgt
Z
Z
J1 J2
f2 (R ) R~ dJ~ 2 dJ~ 1 =
2
Z
Z
J1 J2
grad 2 dJ~ 2 dJ~ 1 = 0 ;
R
weil das J2 ein geschlossenes Linienintegral eines Gradienten ist; entsprechendes gilt analog
auch fur f3 . Der zweite und der dritte Term in F~ tragen also makroskopisch nichts bei |
sie konnen beliebig gewahlt werden!
32
k ist eine nur der spateren Bequemlichkeit wegen schon hier herausgezogene Gesamtkonstante.
D 2 Das Ampere-sche Gesetz
Am einfachsten ist es naturlich, f2 = f3 = 0 zu setzen. Man erhalt dann
dF~ = k f1 (R2) dJ~ 1 dJ~ 2 R~ ;
experimentell ndet man auch hier (ganz analog zum Coulomb-Fall) f1 = 1=R3, oder
dJ~ 1 dJ~ 2 R~
J1 J2 (d~s d~s ) R~ ;
~
=
k
dF = k 1
2
2
R
R
R2
R
gewissermaen eine vektorielle Form des Coulomb-Gesetzes. Dies ist das \Ampere-sche
Gesetz".
Das Vorzeichen der Konstanten k ist positiv: dF~ ist die Kraft auf dJ~ 2, und parallele
Strome ziehen sich an (man beachte R~ := ~r 2 ~r 1 ).
Im ubrigen ist k eine willkurliche (vom Masystem abhangige) Konstante 33 .
D 3 Das Gesetz von Biot und Savart
Das Ampere-sche Gesetz ist nicht wie das Coulomb-Gesetz in der Elektrostatik zum Aufbau
einer Feldtheorie geeignet. Denn anders als dort, wo die Trennung in `Quelle' und davon
erzeugtes `Feld' einfach durch die multiplikative
Schreibweise F~ = q E~ geleistet wird, konnen
wir hier das Skalarprodukt dJ~ 1 dJ~ 2 nicht ohne weiteres in zwei unabhangige Faktoren
separieren.
Wir konnen ahnliches aber erreichen, wenn wir die Freiheit in der Wahl der Funktionen
f2 und f3 (die wir oben ja nur der Einfachheit halber zu Null gesetzt haben) geschickter
ausnutzen. Wir setzen jetzt { bewut unsymmetrisch {
f2 = f1 ; f3 = 0
und erhalten so
0 1 hdJ~ dJ~ R~ R~ dJ~ dJ~ i
1
2
1
2
4 R3
= 40 R13 dJ~ 2 R~ dJ~ 1
~ ~
= +dJ~ 2 40 dJ 1R3 R ;
dF~ =
in dieser Form heit das Kraftgesetz \Biot-Savart-sches Gesetz".
33
34
In SI-Einheiten wird durch die Setzung
0
N
4 := k =: 10 A2
das Ampere (A) als Einheit der Stromstarke deniert [ 1 N : 1 Newton ] .
34 Wie aus der ganzen Konstruktion hervorgeht, unterscheiden sich die Gesetze von Amp
ere und BiotSavart makroskopisch nicht ; das bedeutet, da man sie auch experimentell nicht unterscheiden kann: sie sind
aquivalente Formulierungen desselben Sachverhalts.
Mikroskopisch dagegen besteht sehr wohl ein wichtiger Unterschied. Er lat sich besonders deutlich daran
ablesen, da wir durch die unsymetrische Behandlung von dJ~ 1 und dJ~ 2 unter der Hand das 3. Newton-sche
7
D 4 Die Dierentialgleichungen der Magnetostatik
Der Einfuhrung des Begri (statisches) \Magnetfeld" steht nun nichts mehr im Wege | man
schreibt fur die Kraft am Ort ~r 2
dF~ (~r 2) = dJ~ 2 B~ (~r 2)
mit
B~ (~r 2 ) := 40 dJ~ 1 j(~r~r 2 ~r~r 1j)3
2
1
als dem \magnetischen Feld", das am Ort ~r 2 von dem Stromelement dJ~ 1 erzeugt wird.
Um den U bergang zu einer Feldformulierung zu vervollstandigen, mussen wir nun nur
noch das Konstrukt der `innitesimalen Stromelemente' durch die Stromdichte ersetzen, die
in einer Feldtheorie ihren legitimen Platz hat. Wir benutzen dazu den schon oben in Gl. 9
benutzten Zusammenhang:
dJ~ =
Z
V
~ (~r ) d ;
damit erhalt man { in deutlicher Analogie zur Elektrostatik (Gl. 6)
Z
0
B~ (~r ) = 40 ~ (~r 0 ) j~r~r ~r~r 0 j3 d 0 :
V
:
(10)
und 35
dF~ (~r ) = ~ (~r ) d B~ (~r ) :
(11)
Man beachte hier besonders den Transformationscharakter des Magnetfeldes: als Kreuzprodukt zweier Vektoren ist das Magnetfeld kein Vektor, sondern vielmehr ein antisymmetrischer Tensor 2. Stufe! 36
Axiom eingbut haben! Es gilt fur das Biot-Savart-sche Kraftgesetz nicht mehr
dF~ 1!2 + dF~ 2!1 = 0 :
Da aber die Summe aller Krafte in einem abgeschlossenen System verschwinden mu (sonst ware auch
sein Gesamtimpuls keine Erhaltungsgroe mehr!), mu man folgern, da ein System aus zwei innitesimalen
Stromelementen kein abgeschlossenes System dargestellt.
Dieser Sachverhalt macht noch einmal die Tatsache deutlich, die schon oben betont wurde: die \innitesimalen Stromelemente" sind ein mathematisches Konstrukt, denen keine unmittelbare physikalische Bedeutung
zukommt.
35
bzw. { fur eine (bewegte) Punktladung {
F~ (~r ; q) = q ~v B~ (~r ) :
Da ein solcher antisymmetrischer Tensor im dreidimensionalen Raum wie ein Vektor gerade auch nur
soviele Komponenten hat wie der Raum Dimensionen, so da eine Verwechslung mit einem Vektor uberhaupt
vorkommen kann, mag man als `zufallig' ansehen; es ist jedenfalls eine spezielle Eigenschaft des R 3 .
Genaueres zu diesem Thema ndet sich in C.C. Noack: Tensoranalysis ; Skriptum Univ. Bremen 1994, oder
auch (sehr anschaulich!) in den Feynman Lectures, Bd. I .
36
D 4.1 Das magnetische Potential (\Vektorpotential")
Analog zum Vorgehen in Abschn. C 2.1, in dem wir die Wirbelfreiheit des (statischen) elektrischen Feldes als Konsequenz des Coulomb-Gesetzes festgestellt haben, konnen wir nun
aus der Form Gl. 10 ableiten, da aus dem Biot-Savart-schen Gesetz die Quellen freiheit des
magnetischen Felds folgt. Wir tun dies, indem wir den Ausdruck in Gl. 10 explizit in der
Form
B~ (~r ) =: rot A~ (~r )
(12)
schreiben. Wir benutzen dazu die bereits im Coulomb-Fall benutzte Identitat
0
1
1
grad
d
= xm x m ;
R
m
m
j~r ~r 0 j
j~r ~r 0 j
3
mit ihr konnen wir Gl. 10 explizit (in Komponenten) schreiben als
Bi (~r ) = 40
3
X
k;m=1
"ikm
Z
V
k (~r 0 ) dm
oder
1
0
j~r ~r 0 j d
Z
~B (~r ) = 0 ~ (~r 0 ) grad 1 d 0 :
4 V
R
Da aber ~ (~r 0 ) nicht von ~r abhangt, ist einfach
1 ~ (~r 0 ) = + rot ~ (~r 0 )
=
+
grad
R
R
R
~ (~r 0 ) grad 1
;
wir konnen also schreiben
B~ (~r ) = rot A~ (~r )
mit
A~ (~r ) := 40
Z
V
~ (~r 0 ) d3~r 0
j~r ~r 0 j
:
(13)
A~ ist ein polares Vektorfeld; es tragt den { naheliegenden { Namen \Vektorpotential".
Das (statische) 37 Magnetfeld B~ hat also keine Quellen :
div B~ = ~0
;
(14)
oder:
Es gibt keine magnetischen Pole.
Anders als beim elektrischen Feld (das nur im statischen Fall wirbelfrei ist), gilt die Quellenfreiheit des
Magnetfelds allgemein, vgl. Abschn. F.
37
D 4.2 Die Wirbel des magnetischen Feldes
Die schon hier deutlichen Parallelen zur Elektrostatik legen nahe, nun auch rot B~ zu berechnen. Es ist zunachst
rot B~ = rot rot A~ = grad div A~ A~ ;
fur div A~ ndet man
Z X
Z X
3
3
1
0 )
(
~
r
k
0
0
0
~
div
A
=
d
=
d
k (~r ) dk 1 d 0
k
4
R
R
V k=1
V k=1
=
=
Z
3
X
V k=1
k (~r 0 ) dk 0
3 X
Z
V k=1
1 d 0
[ beachte R~ = ~r ~r 0 ! ]
R
0
dk 0 k (R~r )
1 0 0
0
R dk k (~r ) d :
Der zweite Term im letzten Ausdruck verschwindet, weil div ~ = dk k = 0 in der Magnetostatik; der erste Term lat sich mit dem Gau-schen Satz umformen:
Z X
Z
3
~ (~r 0 ) d 0
k (~r 0 )
0
0
d =
d
V k=1
k
R
R
S
und verschwindet ebenfalls, weil ~ auf der Oberache (des gesamten Raums) verschwinden
mu. Wir haben also
div A~ = 0 :
Auch das Vektorpotential hat also keine Quellen.
Mit 38
1 = 4 3 (R~ )
erhalten wir so
R
Z
Z
1
0
0
~
A = 4 ~ R d = +0 ~ 3 (~r ~r 0 )d 0 = 0 ~ (~r ) ;
V
V
und damit schlielich fur die Rotation des Magnetfelds:
rot B~ = 0 ~ (~r )
:
(15)
Auch hier lat sich zeigen, da die beiden aus dem Biot-Savart-Gesetz deduzierten Dierentialgleichungen
rot B~ = 0 ~ (~r )
div B~ = 0
38
Vgl. die zu Gl. 9 fuhrende Rechnung in Abschn. C 2.2.
;
(13)
die als Grundgleichungen der Magnetostatik bezeichnet werden, als Losung einfach
Z
0
B~ (~r ) = 40 ~ (~r 0 ) j(~r~r ~r~r 0 j)3 d 0
haben.
Die Grundgleichungen der Magnetostatik sind also in ihrem physikalischen Gehalt aquivalent zum Biot-Savart-Gesetz.
E Zusammenfassung der statischen Gleichungen
Die Ergebnisse der vorigen Abschnitte sollen hier noch einmal tabellarisch zusammengefat
werden, vor allem, um die Analogien und Symmetrien zwischen dem elektrischen und dem
magnetischen Fall herauszuarbeiten:
Elektrostatik
Magnetostatik
Die unter diesen Begrien beschriebenen physikalischen Phanomenen sind charakterisiert
durch
@ = 0
@t
div ~ = 0 :
Daraus folgt die Kontinuitatsgleichung
@ + div ~ = 0
@t
(die aber auch allgemein { fur zeitabhangige Ladungs- und Stromdichten { ihre Gultigkeit
behalt).
Die Felder werden deniert uber die Kraftwirkung, die sie auf
Ladungen
Strome
ausuben: die Kraft auf eine Punktladung, die
Coulomb-Kraft,
Lorentz-Kraft,
F~ (~r ) = q E~ (~r )
F~ (~r ) = q ~v B~ (~r ) ;
ist
oder (in kontinuierlicher Schreibweise)
dF~ (~r ) = (~r ) d E~ (~r )
dF~ (~r ) = ~ (~r ) d B~ (~r ) ;
dabei ist das Feld gegeben durch
1
E~ (~r ) = 4"
0
Z
0
(~r 0 ) j(~r~r ~r~r 0 j)3 d 0
Z
0
B~ (~r ) = 40 ~ (~r 0 ) j(~r~r ~r~r 0 j)3 d 0
Es gilt die { homogene { Dierentialgleichung
rot E~ = ~0
div B~ = 0
Aufgrund dieser Dierentialgleichung kann man das Feld als Ableitung eines Potentials
schreiben in der Form
E~ (~r ) = grad (~r )
B~ (~r ) = rot A~ (~r ) :
Das Potential ist ein
skalares Feld
,
Vektorfeld
,
das gegeben ist durch
Z
(~r 0 ) d 0
1
(~r ) =
4"0 j~r ~r 0 j
Z
~ (~r 0 ) d 0 :
~A (~r ) = 0
4 j~r ~r 0 j
Das daraus abgeleitete Feld E~ bzw. B~ ist daher ein
Vektorfeld
Tensorfeld
.
Das Potential genugt der Dierentialgleichung
(~r ) = (~r )
"0
A~ (~r ) = 0 ~ (~r ) ;
das Feld E~ bzw. B~ der { inhomogenen { Dierentialgleichung
div E~ = "(~r )
0
rot B~ = 0 ~ (~r )
.
F Die Maxwell-Gleichungen
Wir betrachten nun die volle Dynamik der elektrischen und magnetischen Erscheinungen,
d.h. zeitabhangige Felder.
Zunachst bemerken wir, da fur den Fall einer zeitabhangigen Ladungsdichte auch
div ~ 6= 0
ist, denn die Ladungserhaltung erfordert ja die Gultigkeit der Kontinuitatsgleichung
@ + div ~ = 0
@t
auch fur zeitabhangige Felder.
Daraus folgt aber sofort, da die bisher aufgestellten Dierentialgleichungen der Statik
abgeandert werden mussen ; denn aus
rot B~ = 0 ~
wurde folgen
0 div rot B~ = 0 div ~ = 0 @
@t ;
im Widerspruch zur Voraussetzung einer zeitabhangigen Ladungsdichte.
Wir setzen deshalb in Abanderung der statischen Gleichung an:
~
X ;
rot B~ = 0 ~ + @@t
mit einem noch zu bestimmenden Feld X~ { dabei stellt die Einfuhrung der Zeitableitung von
X~ (und nicht von X~ selber) 39 sicher, da die Magnetostatik unverandert bleibt. Es folgt
~
0 = div rot B~ = 0 div ~ + div @ X = @
@t
@t
0 + div X~
:
(14)
Wie steht es mit der anderen inhomogenen Gleichung, dem Gau-Gesetz,
div E~ = " ;
0
das den Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld E~ und seinen Quellen beschreibt?
Es gibt zwei Grunde, zu versuchen, diese Gleichung unabgeandert zu lassen. Der erste
ist allgemein das Prinzip der Einfachheit der Theorie, das wir schon fruher als durchaus
produktiv erkannt haben. Noch wichtiger aber ist der zweite Grund: im Abschn. C 2.2
haben wir gesehen, wie das Gau-Gesetz die Ladungen in einem sehr wortlichen Sinne als die
Quellen des elektrischen Feldes identiziert. Dieses Prinzip erscheint zu fundamental, um es
ohne Not aufzugeben.
Diese Argumentation gilt in gleicher Weise fur die Gleichung
div B~ = 0 ;
39
Das ist im ubrigen mathematisch keine Einschrankung der Allgemeinheit.
die die Nichtexistenz von magnetischen Monopolen zum Ausdruck bringt. Wir wollen daher
an beiden auch fur den zeitabhangigen Fall festhalten.
Mit dem Gau-Gesetz konnen wir in Gl. 14 die Ladungsdichte durch das elektrische Feld
ersetzen:
@ X~
0 = div rot B~ = div @t
"0 0 E~
:
Diese Bedingung lat sich am einfachsten erfullen, wenn man mit Maxwell setzt
X~ := "0 0 E~ ;
die statische Gleichung rot B~ = 0 ~ also ersetzt durch
~
rot B~ = 0 ~ + "0 0 @@tE
oder (die Felder auf die linke, die `Quellterme' als Inhomogenitaten auf die rechte Seite) :
rot B~
~
"0 0 @@tE = 0 ~
;
(15)
Es bleibt noch die letzte Gleichung zu diskutieren: rot E~ = 0. Die Analogie zu oben
(mehr noch aber die ohnehin schon auallige Symmetrie des Systems dieser Gleichungen!)
legt es nahe, in Abanderung der statischen Gleichung anzusetzen
~
rot E~ = @@tY ;
wobei wir vermuten, da Y~ proportional zu B~ sein konnte.
In der Tat folgt zunachst aus div rot 0, da
@
~
@t div Y = 0
sein mu; da aber wir bereits div B~ = 0 haben, ist die Gleichung
~
rot E~ = @@tB
oder (wieder systematischer geschrieben) :
~
@t
rot E~ + @ B = ~0
;
(16)
mit allen bisherigen U berlegungen vertraglich, wobei das Vorzeichen von @@tB~ in (16) durch
unsere Symmetrieuberlegungen nicht festgelegt wird, sondern hier als empirisches Faktum zu
gelten hat 40.
Im Verlauf des Kurses (bei der relativistischen Behandlung) wird sich herausstellen, da die schon an
dieser Stelle bemerkenswerte Symmetrie der Maxwell-Gleichungen noch sehr viel weiter geht und tiefer liegt,
als dies hier erkennbar wird.
Durch diese weitergehende Symmetrie ist auch das Vorzeichen in Gl. 16 eindeutig festgelegt.
40
Wir erhalten so schlielich das folgende System von gekopppelten partiellen Dierentialgleichungen:
~ (~r ; t)
rot B~ (~r ; t) "0 0 @ E @t
= 0 ~ (~r ; t)
div E~ (~r ; t) = (~r ; t)
~
(~r ; t) = ~0
rot E~ (~r ; t) + @ B @t
div B~ (~r ; t) = 0
"0
Das sind die \Maxwellgleichungen".
Man kann die Gleichungen (asthetisierend) noch etwas umschreiben, indem man die Masystemkonstanten in den inhomogenen Gleichungen etwas eleganter verteilt:
~
rot B
0
~
"0 @@tE = ~
~
rot E~ + @@tB = ~0
div B~ = 0
div "0 E~ = Zusatzlich kann man dann noch (wenn man will) in den inhomogenen Gleichungen neue
Buchstaben einfuhren 41:
D~ := "0 E~
~
H~ := B :
0
so da man Gleichungen ohne jede Konstanten 42 erhalt:
rot H~
@ D~ = ~
@t
div D~ = ~
rot E~ + @@tB = ~0
div B~ = 0
Das bedeutet nicht, da D~ und H~ neue physikalische Felder waren! Es handelt sich hier vielmehr um
eine pure Notationsvereinbarung.
In der makroskopischen Maxwell-Theorie allerdings werden D~ und H~ in der Tat zu neuen (gemittelten)
physikalischen Feldern. Siehe hierzu das Skript \II. Die `phanomenologischen' Maxwell-Gleichungen".
42
Noch einfacher ist es naturlich, von vorneherein ein Masystem zu benutzen, in dem "0 = 0 = 1 ist : : :
41
G Die Lorentzkraft
Die Maxwellgleichungen sind gekoppelte partielle Dierentialgleichungen 2. Ordnung; durch
sie sind elektrisches und magnetisches Feld bestimmt, wenn die Ladungsdichte (~r ; t) und
die Stromdichte ~ (~r ; t) gegeben sind.
Umgekehrt uben aber die Felder auch Krafte auf die Ladungen aus ; das haben wir schon
bei Einfuhrung der Felder ausfuhrlich diskutiert.
Fur die Kraft auf eine Punktladung q (\Coulomb-Kraft") hatten wir (Gl. 4)
F~ (~r ) = q E~ (~r ) :
Ist eine kontinuierliche Ladungsverteilung (~r ; t) gegeben, so ist oenbar die entsprechende
Kraftdichte gegeben durch
dF~ (~r ; t) = (~r ; t) E~ (~r ; t) :
d
Ganz entsprechend hat man fur die Kraftdichte, mit der ein Magnetfeld auf eine Stromdichte wirkt (\Lorentz-Kraft", Gl. 11)
dF~ (~r ; t) = ~ (~r ; t) B~ (~r ; t) :
d
Fur eine Punktladung q , die sich mit der Geschwindigkeit ~v bewegt, ist ~ = q ~v , und
entsprechend hat man
F~ (~r ; t) = q ~v B~ (~r ; t) :
Insgesamt ist also die Kraft auf bewegte Ladungen gegeben durch
dF~ (~r ; t) = (~r ; t) E~ (~r ; t) + ~ (~r ; t) B~ (~r ; t)
d
(17)
bzw.
h
F~ (~r ; t) = q E~ (~r ; t) + ~v B~ (~r ; t)
i
;
(18)
Wenn nicht explizit zwischen elektrischer und magnetischer Kraft unterschieden werden muss,
wird auch die Gesamtkraft der elektromagnetischen Felder (Gl. 17 bzw. Gl. 18) oft kurz \die
Lorentzkraft" genannt.
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