Jagd 6 Vorarlberger Jagd „Ganzjährige Schonzeit für Jägerohren“ Eine Aktion der Vorarlberger Jägerschaft Teil 2 Die Sicht des Facharztes für HNO Dem Ohr des Jägers Gehör verschaffen Unser Ohr ist unser wichtigs­ tes Kommunikationsorgan. Es übernimmt eine Warnfunkti­ on, hilft bei der Orientierung und dem Gleichgewicht, ist für den Spracherwerb und den Spracherhalt erforderlich und ist ein wichtiges Instru­ ment der Emotion und des sozialen Lebens. Woraus besteht unser Ohr? [email protected] www.summesberger.at Eine Erfahrung, die der Jäger häufig macht: In die Stille der Natur, die kaum von einem Atemgeräusch unterbrochen ist, kracht der Gewehrschuss, ehe wieder Stille einkehrt. Aber nun ist diese Stille begleitet von einem leisen hohen Pfeifen im Ohr oder einem eigenartigen Druckgefühl. Beides verschwindet meist nach wenigen Sekunden oder Minuten wieder. Was spielt sich da im Ohr ab? Kann oder muss das Ohr geschützt werden? Der Mensch ist ein soziales Wesen und existentiell von der Interaktion mit seinen Mitmenschen und seiner Umwelt abhängig. Die Sinne – Riechen, Schmecken, Tas­ ten, Sehen, Hören und das Gleichgewicht – ermöglichen es dem Menschen, seine Um­ gebung wahrzunehmen, sie zu erleben, zu erkennen, zu beurteilen und zu gestalten. Zu unserem äußeren Ohr ge­ hören die Ohrmuschel und der Gehörgang, welcher etwa 2,5 cm lang ist und bis zum Trom­ melfell reicht. Im Anschluss an das Trommelfell befindet sich das Mittelohr, die so genann­ te Paukenhöhle mit den drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Das Mittelohr steht über einen Ka­ nal, der Ohrtrompete (auch als Eustach’sche Röhre oder Tuba auditiva bezeichnet), mit dem Rachen und der Nasenhöh­ le in Verbindung. Über diese Röhre erfolgt der stete Druck­ ausgleich zwischen Mittelohr und Nasenrachen (manchmal als Knacksen im Ohr zu hö­ ren, insbesondere bei raschen Druckänderungen, wie Seil­ bahnfahrten, Fliegen etc.). Der innerste Teil unseres Ohres ist das Innenohr, welches aus der Gehörschnecke und dem Gleichgewichtsorgan besteht. Wie funktioniert unser Gehör? Das Hören selbst ist ein kom­ plexer Vorgang, der es ermög­ licht, hohe und tiefe Töne von­ einander zu unterscheiden, Stimmen zu erkennen, Spra­ che zu verstehen und festzu­ stellen aus welcher Richtung der Schall kommt. Wir sind in der Lage, Töne über 10 Ok­ taven und Lautstärken ab 0 dB(L) zu hören. Wenn von einer Schallquelle eine Schallwelle ausgesendet wird, so trifft diese zunächst auf unsere Ohrmuscheln oder den äußeren Teil des Gehör­ gangs. Von dort wird der Schall durch den äußeren Ge­ hörgang bis zum Trommelfell geleitet, das durch den Auf­ prall der Welle in Bewegung gesetzt wird. Es beginnt zu schwingen. Hier tritt nun die Schallenergie vom äußeren Ohr ins Mittelohr über, in­ dem die mit dem Trommelfell verbundene Gehörknöchel­ chenkette mit diesem beginnt mitzuschwingen. Das innerste Knöchelchen, der Steigbügel, steht mit dem Innenohr über ein kleines ovales Fenster in direkter Verbindung. Durch die kolbenartige Bewegung des Steigbügels wird in der Jagd November / Dezember 2012 Gesunde Sinneszellen. Zerstörte Sinneszellen. Flüssigkeit der Gehörschnecke eine Wanderwelle (vergleich­ bar mit einem Tsunami) aus­ gelöst, welche der Schnecken­ windung entlang in Richtung Spitze läuft. Je nach Tonhöhe wandert die Welle eine ganz bestimmte Wegstrecke, bevor sie die Sin­ neszellen reizt. Die entschei­ denden Sinneszellen in der Ge­ hörschnecke befinden sich im so genannten Cortischen Or­ gan und werden als Haarzellen bezeichnet. Von dort ziehen tausende von Nervenfasern Richtung Gehirn, wo wir den aufgenommenen Schallreiz dann auch registrieren. Das räumliche Hören Durch die besondere Fälte­ lung der Ohrmuscheln sowie durch die unterschiedliche Entfernung unserer beiden Ohren zur Schallquelle kön­ nen wir diese orten. Dies ist nicht nur angenehm bei Ge­ sprächen, damit wir wissen, von welcher Seite wir ange­ sprochen werden, sondern diese Fähigkeit dient auch als wichtige Warnfunktion (z.B. herannahendes Auto im Stra­ ßenverkehr). Im unten ste­ henden Beispiel kommt der Motorenlärm am rechten Ohr früher an als am linken, außerdem wird er rechts lau­ ter wahrgenommen. Durch diese Informationen weiß un­ ser Gehirn, dass sich das Auto rechts hinter uns befindet. Die bereits erwähnte Fälte­ lung unserer Ohrmuscheln, die so individuell wie ein Fin­ gerabdruck sind, ermöglicht uns sogar eine Schallquellen­ ortung mit nur einem funkti­ onsfähigen Ohr. Das Gehör des Jägers Gerade die Jagd erfordert ein hohes Maß an Aufmerksam­ keit und Konzentration und den vollen Einsatz unserer Sinne. So wichtig das Gehör bei der Jagd ist, so sehr ist es auch dem Risiko einer dauer­ haften Schädigung ausgesetzt. Während sich die Lautstärke eines normalen Gesprächs bei etwa 65 Dezibel (dB) abspielt, finden sich bei einem Gewehr­ schuss mit großem Kaliber Lautstärken bis über 150 dB. Die Lautstärke ist dabei Aus­ druck des Schalldruckes. Al­ lerdings entspricht eine Erhö­ hung des Schalldruckes um 10 dB etwa einer Verdoppelung der Lautstärke – d.h. eine Er­ höhung von 100 auf 110 dB ist nicht etwa nur eine gering­ gradige Lautstärkenerhöhung um 10%, sondern tatsächlich handelt es sich um eine Ver­ doppelung der Lautstärke. Nun kann sich jeder vorstel­ len, dass, wenn die schädi­ gende Wirkung für Sinnes­ zellen des Innenohres bei 85 dB beginnt, eine Beschallung mit bis zu 150 dB verheerende Folgen hat. Und während eine kurze Belastung mit 85 dB meist noch keine anhaltenden Schäden hervorruft, sondern erst bei längerer Einwirkzeit, so kann schon ein einzelnes Ereignis durch einen Schuss mit einer Lautstärke von z.B. 130 dB (abhängig vom Kali­ ber) eine Schädigung des Ge­ hörs hervorrufen, welche für den Rest des Lebens bestehen bleibt. Die Schäden betreffen die Haarzellen der Gehörschne­ cke, und zwar jene die für die hohen Töne zuständig sind. Symptome einer Hörschädigung Es sind insbesondere zwei Phä­ nomene, die in diesem Zusam­ menhang weit verbreitet sind: 1)Tinnitus: Ein Wort, das viele kennen und ein Lei­ den, von dem etwa 5-10% der Bevölkerung betroffen sind. Es handelt sich dabei um einen Ton (meist ein Pfeifen) oder ein Geräusch, den/das der Betroffene hört, obwohl vielleicht rundherum vollkommene Stille herrscht. Viele glau­ ben an ein schicksalhaftes Leiden, dem man ausge­ liefert ist, wenn man Pech hat. Tatsache ist aber, dass in den meisten Fällen eine Hörschädigung vorliegt und diese in weiterer Fol­ ge zum Tinnitus führt. Klassischerweise liegt die Hörstörung dabei im Hochfrequenzbereich, d.h. wenn man die hohen Töne schlechter hört. Das ist also genau jener Bereich, der bei großer Lärmbelastung, wie sie besonders beim Schießen vorliegt, geschädigt wird. 2)„Ich höre noch alles, aber oft verstehe ich die Freun­ de nicht, besonders wenn mehrere gleichzeitig re­ den oder jemand undeut­ lich spricht.“ Auch dies ist ein typisches Beispiel 7 dafür, dass nur bestimmte Tonhöhen nicht oder zu­ mindest schlechter gehört werden. Hierbei hört man viele Anteile des Gesag­ ten sehr gut und hat lo­ gischerweise das Gefühl insgesamt gut zu hören. Da aber manche, vielleicht entscheidende Teile des Gesprächs tatsächlich we­ niger gut gehört werden, sinkt die Verständlichkeit und damit kommt es zu dem eingangs erwähnten Gefühl, sehr gut hören aber manchmal nicht alles verstehen zu können. Gut hören und bis ins hohe Alter auf der Jagd – ist das möglich? Unsere Ohren sind mechanis­ tisch gesprochen Verschleißtei­ le. Es gibt fast keine Situation, in der wir uns in absoluter Stille befinden. So wundert es nicht, dass mit zunehmendem Alter das Hörvermögen abnimmt. Die einzig wirklich wirksame Methode, das Gehör so lange wie möglich gut funktionsfä­ hig zu erhalten, ist ein adäqua­ ter Lärmschutz. Insbesondere Lärmarten mit wechselnden Lautstärken und hohen Pe­ gelspitzen (z.B. Schiesssport) aber auch der kontinuierliche, vermeintlich moderate Lärm ab 85 dB schädigen das Ge­ hör. Im privaten Rahmen soll­ te man daher vernünftig mit Stereoanlagen und ähnlichen Geräten umgehen. Für besondere Anforderungen gibt es die verschiedensten Arten von Gehörschutz: Passiver Gehörschutz: Er reduziert einfach die Laut­ stärke die am Innenohr an­ kommt. Die einfachste Möglichkeit ist, den Gehörgang mit ei­ nem Schaumstoffstöpsel oder Wachswatte zu verschließen. Die Lärmdämmung ist dadurch aber sehr gering und für die Jagd unterdimensioniert. Ein Jagd 8 Vorarlberger Jagd Audiogramm (Hörkurve): links Schwerhörigkeit, rechts Normalhörigkeit Kapselgehörschutz ist schon wesentlich effektiver, da auch der Knochen um das Ohr, über den der Schall zum Innenohr geleitet wird, abgedichtet wird. Vorteil: einfach und billig Nachteil: oft nicht ausreichend, leise Geräusche werden gar nicht mehr wahrgenommen, Gespräche schlecht zu führen. Aktiver Gehörschutz: Lärm wird unterdrückt, leise Geräusche werden verstärkt. Gerade auf der Jagd muss Blätterrascheln oder ein kna­ ckender Ast gehört werden. Aber auch eine leise Unterhal­ tung mit den Kollegen sollte möglich sein. Solche leisen Geräusche werden mit einem aktiven Gehörschutz wie bei einem Hörgerät verstärkt. Gleichzeitig ist er aber in der Lage laute Geräuschpegel um bis zu etwa 35 dB zu senken. Vorteil: geeignet für die Jagd durch Anpassung an Umge­ bungslautstärke Nachteil: höhere Kosten, Bat­ terien erforderlich. gaben in unserem Leben. Während in früheren Jah­ ren bestimmte Maßnahmen weder technisch möglich wa­ ren, noch notwendig erschie­ nen, da sie nicht in ursächli­ chem Zusammenhang gesehen wurden, wie Lärmschutz und Erhalt der Gehörfunktion, ha­ ben wir heute Möglichkeiten, einen entsprechenden Gehör­ schutz den Anforderungen ei­ ner Jagd anzupassen. Fazit Ich appelliere an die Jäger­ schaft, gemeinsam eine Kultur zu entwickeln, in welcher nicht nur der Respekt zur freien Na­ Unsere Gesundheit zu schützen zählt zu den wichtigsten Auf­ tur, sondern auch zur eigenen Gesundheit hochgehalten wird. Die Auffassung, ein Jäger erlei­ de halt irgendwann einmal eine Schwerhörigkeit, ist veraltet. Diese muss verhindert werden. Auch eine bereits bestehende Schwerhörigkeit kann und soll versorgt werden, auch Restge­ hör muss geschützt werden. Soziales Leben mit Gesprächen in der Jagdhütte kann auch nur durch entsprechende Hörfunk­ tionen stattfinden. Eingehende Untersuchungen Ihres Gehörs führen HNO-Ärz­ te durch. Den Gehörschutz kann man bei Akustikern kaufen.