Sonderdruck aus Folge 2/2008 SCHWEINEZUCHT UND SCHWEINEMAST Dank CircoImpfungen zurück in die Erfolgsspur Überreicht durch: www.intervet.de SCHWEINEZUCHT UND SCHWEINEMAST im Landwirtschaftsverlag GmbH · 48084 Münster · Telefon: 0 25 01/8 01-1 81 · Telefax: 0 25 01/8 01-3 17 Internet: www.susonline.de · E-Mail: [email protected] Dank Circo-Impfungen zurück in die Erfolgsspur Beim Thema Circoviren liegt noch vieles im Dunkeln. Bis heute ist zum Beispiel unklar, bei welchen Erkrankungen die aggressiven Viren welche Rolle spielen. Impfungen scheinen vielversprechend zu sein. 1 Circo-Infektionszeitpunkte unterschiedlich virämische Tiere (%) In mehreren Praxisstudien konnte gezeigt werden, dass sich die Infektionszeitpunkte bei Circoviren sehr unterscheiden. Sie reichen von der 7. bis zur 21. Lebenswoche. Grafik: Orb 90 England München Frankreich Melle 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Lebenswochen W enn die Schweine im Aufzucht- und Maststall kümmern, ab- statt zunehmen und erkrankte Tiere verenden, sind nicht selten Circoviren am Krankheitsgeschehen beteiligt. Meist bestätigt das Untersuchungsergebnis aus dem Veterinärlabor den Anfangsverdacht des Tierarztes. Infektionszeitpunkt eingrenzen Leider gibt es bis heute keine optimale Bekämpfungsstrategie gegen Circoviren. Weltweit fischen Experten noch immer im Trüben. Zwar gibt es immer wieder neue Erkenntnisse rund um das Circovirus, ein wirklicher Durchbruch ist bislang aber noch nicht gelungen. Fest steht zum heutigen Zeitpunkt lediglich, dass alle Stress mindernden Maßnahmen einen positiven Einfluss haben. Dazu gehören eine gute Futter- und Wasserqualität ebenso wie die Optimierung des Buchtenmanagements und der Belegdichte. SUS 2/2008 Hilfreich bei der Suche nach gezielten Bekämpfungsstrategien sind zudem Kenntnisse über den Infektionszeitpunkt. Weiß man, wann die Tiere infiziert werden, kön- nen Gegenmaßnahmen gezielter eingeleitet werden. Gleichzeitig können Streitigkeiten zwischen Ferkelerzeuger und Mäster vermieden werden. Streit kommt immer wieder Infektionen zeitgenau erkennen Die Bestimmung des PCV 2-Infektionszeitpunktes wird durch einen neuen ELISA-Test wesentlich erleichtert. Der Test dient zum Nachweis von Antikörpern gegen das Porcine-Circovirus-Typ 2. Es wird bei der Untersuchung also nicht mehr das Virus selbst gesucht, sondern die Antikörper, die der Körper gegen das Virus bildet. Bei diesem Verfahren wird zwischen verschiedenen Antikörpern, die das Tier als Reaktion auf eine Infektion gebildet hat, unterschieden. Bei den so genannten IgM-Antikörpern handelt es sich um diejenige Antikörpergruppe, die sehr schnell nach einem Viruskontakt gebildet wird. Die Infektion ist also noch relativ frisch. Erst drei bis vier Wochen -2- nach der Infektion hat der Körper auch so genannte IgG-Antikörper gebildet. Das heißt, die Infektion liegt weiter zurück. In Übersicht 2 sind hierzu einige Beispiele aufgeführt. Für den einzelnen Betrieb ergibt sich nun die Möglichkeit, den Infektionszeitpunkt auf plus/minus zehn Tage bestimmen zu lassen. Insbesondere im Hinblick auf eine geplante Impfung lässt sich somit der beste Impfzeitpunkt für den einzelnen Bestand bestimmen. Bisher waren nur Testsysteme verfügbar, bei denen lediglich die Aussage „Antikörper gegen Circovirus vorhanden“, d. h. die Tiere haben sich mit dem Virus auseinandergesetzt, bzw. „Antikörper gegen Circovirus nicht vorhanden“, möglich war. Typisches Bild einer Circovirose: Einzeltiere magern deutlich ab. Fotos: Arden (2), Gaumann (2), Heil (2), Nienhoff (1), vet-Foto (1) auf, wenn es im Maststall einfach nicht rund läuft und die Ferkel kümmern. Oft wird der Ferkelerzeuger zur Verantwor- tung gezogen. „Deine Ferkel haben die Krankheit mitgebracht“, argumentiert manch betroffener Mäster und kündigt die Geschäftsbeziehung auf. Doch dem muss nicht so sein. Die Infektion kann auch erst im Mastbetrieb erfolgt sein, wie Studien belegen. Sie zeigen, dass der Infektionszeitpunkt bei Circoproblemen erheblich variiert. Während in einer früheren Studie in englischen Betrieben Infektionszeitpunkte in der siebten bis achten Lebenswoche beschrieben werden, hat man in neueren Untersuchungen Infektionen ab der zehnten Lebenswoche bzw. in einem Fall in der 21. Lebenswoche – als die Tiere also bereits mehrere Wochen im Maststall waren – nachgewiesen (siehe Übersicht 1). SUS hat zwei Betriebsleiter besucht, deren Schweine mit Circoproblemen zu kämpfen hatten. Durch entsprechende Diagnosemaßnahmen und gezielte Behandlungskonzepte konnten die schwerwiegendsten Probleme aus dem Weg geräumt werden. Mehr dazu lesen Sie in den Reportagen auf den folgenden Seiten. Marcus Arden In den Mastbetrieben traten vereinzelt Hautveränderungen (PDNS) auf. „Impfung bringt mir AbsatzSicherheit“ Weil er seinen Ferkelabsatz nicht aufs Spiel setzen will, impft Sauenhalter Jürgen Albers seine Ferkel mit einem Circo-Impfstoff. W 2 Neuer ELISA-Test grenzt Infektionszeitraum ein IgM IgG Negativ Negativ Schwach positiv Negativ Phase der PCV 2-Infektion Keine PCV 2-Infektion Akute Infektion in den ersten 7 bis 14 Tagen nach Infektion Schwach Akute Infektion innerhalb der ersten Stark positiv positiv 14 bis 21 Tage nach Infektion Schwach Stark Subakute Infektion 4 bis 8 Wochen positiv positiv nach Infektion Chronische oder alte Infektion, mehr Negativ Positiv als 8 bis 10 Wochen nach Infektion Wann die Circovirus-Infektion erfolgt ist, lässt sich durch das Verhältnis von IgM- und IgG-Antikörpern herausfinden. enn ich in solchen Zeiten wie jetzt, wenn der Ferkelmarkt massiv unter Druck steht, keine gesunden Ferkel liefere, bleibe ich auf meinen Tieren sitzen. Ich muss daher alles dafür tun, dass die Ferkel möglichst problemlos die Mast durchlaufen“, beschreibt Sauenhalter Jürgen Albers aus Bahrenborstel im Landkreis Diepholz seine Erfahrungen der letzten Monate. Bei Stall-Rein-Raus keine Probleme Albers produziert mit 420 Sauen gut 10 000 Ferkel jährlich. Der Bestand wurde im Jahr 2005 mit Jungsauen aus -3- Dänemark neu aufgebaut. Die Ferkel zieht der 37-jährige Landwirt im eigenen Aufzuchtstall bis etwa 30 kg auf und verkauft die meisten Tiere dann über einen Viehhändler an einen festen Mäster. Den Rest vermarktet der gleiche Viehhändler in andere Mastbetriebe. Alle Ferkel sind sowohl gegen Mykoplasmen als auch gegen PRRS geimpft. Die Ferkelvermarktung lief immer dann reibungslos, wenn Albers‘ Tiere in Betriebe gingen, die ihre Ställe im ReinRaus-Verfahren betreiben und kein Kontakt zu Ferkeln anderer Herkünfte bestand. Es gab jedoch immer wieder massive Probleme nach der Auslieferung, wenn auf dem Mastbe- trieb noch Tiere anderer Herkunft untergebracht waren. In den so belieferten Mastbetrieben traten folgende Erscheinungen in unterschiedlicher Ausprägung auf: Lungenprobleme, Magengeschwüre, erhöhte Verluste, Auseinanderwachsen und vereinzelt Hautveränderungen (PDNS). „Wir haben daraufhin sowohl im Ferkelaufzucht- als auch im Maststall Blutproben gezogen und diese auf Circoviren untersuchen lassen. Das Ergebnis war eindeutig. Wir konnten eine akute CircoVirusinfektion Ende der 13. Lebenswoche nachweisen“, erinnert sich die bestandsbetreuende Tierärztin Nadine Henke. Anhand der Laborergebnisse, die mithilfe eines speziellen ELISA-Tests ermittelt wurden, konnte die junge Tierärztin außerdem absolut sicher belegen, dass die Infektion erst im Mastbetrieb erfolgte. Ferkel waren negativ Bei den Ferkeln gab es ausschließlich positive Befunde bei den Absetzferkeln. Diese waren auf Antikörper, die aus der Muttermilch stammen, zurückzuführen. „Alle weiteren Proben, die auf eine akute Infektion in der Ferkelaufzucht gedeutet hätten, waren negativ. Wir konnten also zeigen, dass die Ferkel sauber ausgeliefert werden und die Infektion erst in der Vormast stattfindet“, erklärt Tierärztin Nadine Henke die Zusammenhänge. Auch wenn im Ferkelerzeugerbetrieb keine Infektion nachzuweisen und der Bestand klinisch unauffällig war, entschloss man sich dennoch, die Ferkel des Sauenhalters mit einem Circo-Impfstoff zu behandeln. Man wollte die Geschäftsbeziehung nicht aufs Spiel setzen. Für die Impfung erhielt der Betrieb eine Ausnahmegenehmigung. Im Oktober 2007 wurden zunächst alle 1 700 Ferkel im Aufzuchtstall parallel geimpft. „Wir wollten bei allen Tieren möglichst schnell einen Impfschutz aufbauen“, berichtet Jürgen Albers von der nicht gerade preiswerten Behandlungsmaßnahme. Der Erfolg scheint den Impfeinsatz und das finanzielle Risiko aber zu rechtfertigen. Die Mastverluste in den Tiergruppen, die im Aufzuchtstall erst kurz vor dem Verkauf geimpft wurden – also relativ wenig Zeit für den Immunitätsaufbau hatten –, sind in kurzer Zeit auf 3 % gesunken. In den Mastgruppen, die im Flatdeckstall relativ jung geimpft wurden, gingen die Verluste mitt-lerweile auf unter 1 % zurück. „Das Verhältnis zu meinem Mäster hat sich durch diese Maßnahme wieder deutlich entspannt. Die Tiere bereiten wesentlich weniger Probleme und die Freude an der Stallarbeit ist zurückgekehrt. Zudem brauche ich jetzt nicht ständig Angst zu haben, dass mir mein Mäster abspringt“, Einige Schweine blieben im Wachstum zurück, andere hatten mit Lungenproblemen zu kämpfen. Sauenhalter Jürgen Albers impft gegen Circo. berichtet Jürgen Albers zufrieden. Die eingeleiteten Maßnahmen zeigen auch im Betrieb des Ferkelerzeugers Wirkung. Die Tiere erreichen heute schneller das Endgewicht, so dass mehr Zeit für die Stallreinigung und Desinfektion bleibt. In der Vergangenheit hatte der junge Landwirt noch am selben Tag neue Tiere einstallen müssen. Hierzu Tierärztin Henke: „Die Optimierung der Haltungsbedingungen wirkte sich im Betrieb absolut positiv aus. Die beste Impfmaßnahme bringt nichts, wenn die Begleitumstände im Betrieb nicht passen. Die Stressbelastung für die Sauen und Ferkel muss soweit wie möglich reduziert werden. Dazu gehören auch saubere Abteile, die nach der Reinigung mehrere Tage leerstehen.“ Wer zahlt die Impfkosten? Ungeklärt ist bislang noch, wie die Kosten der Circo-Impfmaßnahme auf Dauer -4- Tierärztin Nadine Henke betreut den Betrieb Albers. verteilt werden. Bislang bezahlt Sauenhalter Jürgen Albers den Impfstoff, und er trägt auch die Kosten für die zusätzliche Arbeit. „Bei der derzeitigen Marktlage bleibt mir nicht viel anderes übrig. Die Circo-Impfung sehe ich als reine Vermarktungsimpfung an, um meinen Ferkelabsatz zu sichern. Auf Dauer ist das aber nur mit einer Kostenübernahme durch die Mäster finanzierbar“, erklärt Albers seine Sichtweise zu der Thematik. Abzuwarten bleibt nun noch, ob unter dem Schutz der Circo-Impfung andere Behandlungsmaßnahmen oder Impfungen eingestellt werden können. Wenn ja, dürfte das für etwas Entspannung im Portemannaie des Ferkelerzeugers sorgen. „Sollte die Circo-Impfung weiterhin positiv einschlagen, bin ich davon überzeugt, mein derzeitiges Leistungsniveau von 25 abgesetzten Ferkeln noch zu toppen“, definiert der Jungunternehmer seine ehrgeizigen Ziele. M. Arden SUS 2/2008 Sauen- und Ferkelimpfung laufen parallel Was zunächst als PIA-Problem gedeutet wurde, entpuppte sich als Circo-bedingter Durchfall. S chweinemäster Heinrich Müller (Name geändert) aus dem Landkreis Vechta war verzweifelt. In seinem Maststall kippten die Schweine um wie die Fliegen. Über 8 % Verluste hatte der Mäster im Frühjahr 2006 zu beklagen. Probleme bereitete dem Landwirt und seinem Tierarzt das uneinheitliche Krankheitsbild. Manche Schweine wurden plötzlich blass, bei anderen Tieren war der Kot dunkel und alle Buchten wirkten schmierig. Bei der Untersuchung der verendeten Tiere fand man neben Magengeschwüren immer wieder Veränderungen im hinteren Dünndarm. In Kotuntersuchungen wurden wiederholt Erreger der PIA nachgewiesen. Weil vor allem der schmierige Kot vermehrt auftrat, entschied man sich für eine PIA-Impfung. Doch diese Maßnahme lief ins Leere, die Probleme in der Mast hielten unvermindert an. Da Impfzeitpunkt und Art der Durchführung als Fehlerquellen für die fehlende Wirkung der PIA-Impfung ausgeschlossen werden konnten, suchte der bestandsbetreuende Tierarzt Dr. Horst Gaumann aus Lohne weiter nach den Ursachen. Mithilfe der Histochemie – also der Suche nach Erregern in tieferem Gewebe – konnte schließlich gezeigt werden, dass in der Tiefe der Schleimhaut zwar keine PIA-Erreger, aber hochgradig Circo-Viren sitzen. Ausgeprägtes Magengeschwür von einem sezierten Mastschwein. Sauenimpfung brachte Verbesserungen Als erste Gegenmaßnahme wurden die Sauen beim Ferkelerzeuger im Juni 2006 mit einem Circo-Impfstoff behandelt. Andere Impfmöglichkeiten standen zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung. Das brachte zunächst guten Erfolg. Im Ferkelerzeugerbetrieb konnten die schon vorher nicht besonders auffälligen Verluste von 2 % nochmals halbiert werden. Auch der Arzneimitteleinsatz im Flatdeck sank um mehr als die Hälfte. In der Mast blieben die Ferkel in den ersten vier Wochen nach Anlieferung ohne Medikamente symptomfrei. Jedoch musste man nach und nach feststellen, dass sich die Circo-Problematik im Mastbetrieb immer weiter nach hinten verschob. Die Verluste traten jetzt in einem Gewichtsabschnitt von 80 kg Körpergewicht auf. Nachgewiesen wurden Magengeschwüre, schmieriger Kot, weiß werdende Tiere, zum Teil begleitet von einer Lungensymptomatik. Impfprogramm ergänzt Die Sauenimpfung bringt auch Erfolg, wenn die Circoprobleme im Aufzuchtbereich – also recht früh – auftreten. Durch eine Ausnahmegenehmigung war es im Spätsommer 2007 dann möglich, auch die Ferkel beim Absetzen zu impfen. „Diese zusätzliche Maßnahme war der Durchbruch. Jetzt endlich kam Ruhe in den Maststall und die Verluste gingen schlagartig auf unter 3 % zurück“, zeigt sich Mäster Müller jetzt zufrieden. Nachdem die Mastschweine Geschwollene Lymphknoten sind ein typisches Bild einer Circovirus-Infektion. Sie lassen sich auch bei lebenden Tieren sehr gut ertasten. nun weniger Probleme bereiten, haben sich der Schweinemäster und sein Ferkelerzeuger darauf geeinigt, den finanziellen Mehraufwand zu teilen. Der Schweinemäster übernimmt den größeren Teil der Kosten für die Ferkelimpfung, sein Ferkelerzeuger erledigt die Arbeit. „Die Kostenteilung ist unserer Ansicht nach fair, weil beide Betriebe eine positive Wirkung der Maßnahme verbuchen können“, erklärt Heinrich Müller. Um die Produktion weiter abzusichern, werden im Betrieb des Sauenhalters neben den Ferkeln auch die Muttertiere weiter mit dem Sauenimpfstoff behandelt. „Durch die parallele Impfung konnten wir das Fruchtbarkeitsgeschehen in der Sauenherde verbessern. Und so lange das so bleibt, werden wir die Mutterschutzimpfung fortführen“, so der Ratschlag von Dr. Horst Gaumann. Sicherlich ist das keine billige Lösung. Immerhin belasten Sauen- und Ferkelimpfung das Mastferkel zusammengenommen mit deutlich mehr als 2 Q. Entscheidend ist jetzt aber, die Produktionsleistungen in beiden Betrieben auf einem hohen Niveau zu halten. Denn in wirtschaftlich schlechten Zeiten auch noch einen Leistungseinbruch zu riskieren, wäre grob fahrlässig. „Die Erfahrungen zeigen, dass wir zukünftig laufend Impfkonzepte für jeden einzelnen Betrieb aufstellen und weiterentwickeln müssen, um stabile Masttiere zu möglichst günstigen Kosten produzieren zu können“, so der niedersächsische Tierarzt. M. Arden Dieser Sonderdruck wird mit besonderer Genehmigung des Landwirtschaftverlages GmbH, Hülsebrockstraße 2-8, 48165 Münster, herausgegeben.