Prüfungsfrage Nr. 2 - poekl-net

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Prüfungsfrage Nr. 2:
LERNEN LERNEN: DURCH WELCHE STRATEGIEN LÄSST SICH DAS
LERNVERHALTEN VERBESSERN? GRUNDLAGEN UND PRAKTISCHE
ANWENDUNGSBEISPIELE
Gedächtnis ist eine unerläßliche Voraussetzung für fast alle intelligenten Leistungen, aber das
beste Gedächtnis nützt nichts, wenn man die gespeicherten Fakten nicht kombinieren und
Schlüsse daraus ziehen kann. Eine wichtige Aufgabe des Gehirns ist es, die für den Menschen
wichtigen Informationen von den unwichtigen zu trennen und zu speichern bzw. nicht mehr
gebrauchte Informationen möglichst schnell wieder zu vergessen.
Man unterscheidet zwei Gruppen von Lernsituationen:
Beim inzidentiellen Lernen erfolgen Lernen und Behalten spielerisch. So lernt das Kind als
Kleinkind bzw. als Säugling. Das Kind reagiert mit Interesse und Neugier auf seine Umwelt,
die Antworten der Umwelt auf sein Verhalten, also die positiven und negativen Folgen des
Verhaltens, steuern den Lernprozeß. Situationen, die von einem unangenehmen Gefühl
begleitet sind, werden vermieden, Situationen, die angenehme Gefühle auslösen, werden
aufgesucht. Je häufiger diese Situationen auftreten, umso fester prägt sich das Verhalten ein.
Wird ein Verhalten nicht mehr gebraucht, so wird es gelöscht.
Geplantes Lernen tritt auf, wenn das Kind sich Dinge einprägen muß, deren unmittelbarer
Zweck nicht unbedingt einsichtig ist, also meist erst in der Schule. Das Kind kann sich nun
nicht mehr darauf verlassen, daß es sich alles Wichtige von selbst merkt, sondern es muß
Lernen lernen. Geplantes Lernen erfolgt nicht absichtslos und nebenbei, sondern erfordert den
gezielten Einsatz von Lernstrategien nach einem festen Plan, der von Eltern, Schule oder vom
Kind selbst vorgegeben ist.
Gedächtnisstrategien werden nicht automatisch vom Lernenden eingesetzt, sondern es bildet
sich im Laufe der Entwicklung ein „Wissen um das eigene Gedächtnis“ heraus. Dieses wird
nach John H. Flavell als Metagedächtnis bezeichnet.
Unter „Metagedächtnis“ versteht man das völlig bewußte und explizite, vollständig
verbalisierte Nachdenken über Gedächtnisphänomene, die sich auf das Funktionieren des
eigenen Gedächtnisses beziehen, ergänzt durch unartikulierte „Intuitionen“ (d.h. der Lernende
macht sich Gedanken, wie schwierig ein Stoff ist, wie leicht im Vergleich dazu ein anderer
ist, daß er einen bestimmten Abschnitt ausreichend gelernt hat, usw.) Dieses Wissen um das
eigene Gedächtnis stammt aus eigenen Lernerfahrungen.
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Im einzelnen verfügt das Metagedächtnis nach Flavell über folgende Hauptstrategien:
1) Sensibilität:
Hier handelt es sich um ein „Gespür“ für Situationen und ihre Anforderungen an
Informationsspeicherung oder Informationsabruf.
2) Das Wissen um jene Variablen, die die Gedächtnisleistung beeinflussen. Dies sind:
a) Personenvariablen (z.B. Wissen um den Umfang des eigenen unmittelbaren
Gedächtnisses, Bevorzugung eher semantisch-verbaler Kodierungen beim
Einlernen oder eher visuell-räumlicher Speicherungen)
b) Aufgabenvariablen (d.i. das Wissen um die Schwierigkeit eines Stoffes)
c) Strategievariablen (d.i. bewußte Aktivitäten, die jemand setzt, um sich etwas
leichter merken zu können). Hier unterscheidet Flavell zwischen:
- den Speicherstrategien Rehearsal (= Memorieren), Organisation
(= semantisches Gruppieren oder Kategorisieren) und Elaboration
(= Hinzufügen einer Bedeutung; d.h. die zu lernenden Inhalte werden
z.B. in eine phantastische, visuell ausgeschmückte Geschichte
eingekleidet) und
- den Abrufstrategien aktives Selbsttesten (d.h. der Lernende überprüft
selbständig die Zugriffssicherheit zu eben gelerntem
Gedächtnismaterial
und fügt neue Wiederholungsschritte ein, wenn er merkt, daß bestimmte
Bereiche noch nicht zur Verfügung stehen), Aufbau einer Liste von
Stichwörtern (= Cues), die als Hinweisreize bestimmte Partien des
Stoffes zugänglich machen
Bereits in der Grundschule erwartet man, daß Kinder lernen lernen. Dabei wird jedoch
übersehen, daß das gar nicht möglich ist, weil sich die Voraussetzung dazu, nämlich ein
funktionierendes Metagedächtnis, erst zu Beginn des Jugendalters bildet. Das mnemonische
Selbst entwickelt sich erst in der Pubertät, nämlich dann, wenn sich das abstrakte Operieren,
das formallogische Denken nach Piaget, entwickelt. Jüngere Kinder können nur sehr schwer
ihre eigenen Kompetenzen einschätzen. Sie werden z.B. immer behaupten, sich ALLE
Objekte gemerkt zu haben, auch wenn es nachweislich nur 4 von 20 waren. Grundschulkinder
können Lernerfahrungen noch nicht auf neue Lernsituationen übertragen, um davon zu
profitieren. Das Einüben des Lernenlernens gelingt erst mit ca. 10 Jahren. In der Volksschule
braucht das Kind daher Strukturierungshilfen, die ihm von den Erwachsenen angeboten
werden. Eine gute Möglichkeit Lernen zu lernen bietet das Lernen am Vorbild (=
Modellernen nach Bandura)
Unser Gedächtnis umfaßt mindestens 3 verschiedene Speicher, von denen jeder ganz
bestimmte Eigenschaften und Aufgaben hat:
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Das erste Speichersystem ist das unmittelbare Gedächtnis, das die sogenannte
Gegenwartsdauer erfaßt.
Seine Spannweite beträgt beim Erwachsenen etwa 5 - 9 Einheiten, die man sich ohne
Mühe auf einmal bewußt machen kann.
Das unmittelbare Gedächtnis nimmt Informationen sehr schnell auf, vergißt sie aber
auch genauso schnell wieder.
Wichtige Strategien zur Entlastung des unmittelbaren Gedächtnisses sind daher
Aufschreiben und langsames Präsentieren von Inhalten. Wenn man sich also etwas
merken muß, wie z.B. die Namen von Personen, die einen vorgestellt werden, so ist es
zielführend, sich diese aufzuschreiben. Sieht man sich mit einer Fülle von
Informationen konfrontiert, wie z.B. beim Autofahren mit einem Schilderwald an
einer Baustelle, so ist es ratsam, möglichst langsam zu fahren, damit das unmittelbare
Gedächtnis die Informationen auch aufnehmen kann. Bei einem Vortrag empfiehlt es
sich daher, langsam zu sprechen, damit den Zuhörern das Aufnehmen komplizierter
Inhalte ermöglicht wird.
Die unmittelbare Gedächtnisspanne ist altersabhängig. Ist sie bei Kleinkindern noch
sehr klein, so haben 10Jährige eine um ca. 20% geringere unmittelbare
Gedächtnisspanne als 17Jährige, die ihrerseits die Erwachsenenspanne fast schon
erreicht haben. Erst ab ca. 9 Jahren kann man gezielt Strategien einsetzen, um die
unmittelbare Gedächtnisspanne zu erhöhen.
Eine gute Strategie dazu ist es, größere Einheiten zu bilden. Learning bei wholes ist
effizienter. Wenn man sich z.B. die Ziffernfolge 6 0 1 1 6 8 4 merken soll, so ist dies
leichter, wenn man sie zu 60 11 684 zusammenfaßt.
Das zweite Speichersystem unseres Gedächtnisses ist das Kurzzeitgedächtnis (KZG).
Es kann viel mehr an Menge speichern als das unmittelbare Gedächtnis und es kann
die Informationen auch über Minuten und Stunden speichern.
Allerdings nimmt es die Informationen erheblich langsamer auf als das unmittelbare
Gedächtnis.
Informationen, die im Kurzzeitgedächtnis gespeichert sind, können das unmittelbare
Gedächtnis bei seinen Aufgaben unterstützen. Eine ünübersichtliche Kreuzung mit
vielen Verkehrszeichen bewältigt man z.B. beim Autofahren weit leichter, wenn man
sie schon kennt. Es stehen einem nämlich dann schon Informationen zur Verfügung,
die einem helfen, die Informationsflut auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
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Eine wichtige Strategie, um etwas kurzfristig behalten zu können, ist das Memorieren,
d.h. das laute oder leise Wiederholen einer Information, die man sich merken möchte.
Dabei genügen in der Regel ca. 5 Wiederholungen, um die Information aus dem
unmittelbaren Gedächtnis in das KZG zu übertragen.
Im dritten Speichersystem, dem Langzeitgedächtnis (LZG) bleiben Informationen über
Wochen bis Jahrzehnte gespeichert.
Es hat einen sehr großen Umfang, die Einlerngeschwindigkeit ist jedoch extrem
langsam (ca. 3-5/100 der Aufnahmegeschwindigkeit in das unmittelbare Gedächtnis).
Menschen mit wenig Lernerfahrung verwechseln oft unmittelbares Gedächtnis bzw.
KZG mit dem LZG und übersehen dabei, daß Verstehen NICHT Behalten ist. Liest
man z.B. einen Text nur einmal durch, so merkt man sich davon, auch wenn man ihn
verstanden hat, lediglich 5-10%.
Eine wichtige Strategie, um Inhalte vom KZG ins LZG übertragen zu können, ist
daher das Aufschreiben dieser Inhalte. Daher ist es z.B. in der Schule unerläßlich, daß
Schüler den Stoff nicht nur anhören oder ansehen, sondern auch mitschreiben bzw.
sich Notizen machen.
Lernverhalten kann wesentlich verbessert werden, wenn man die Teilprozesse des Lernens
beachtet.
Vor dem Lernen bedarf es einer Vorbereitung des Lernprozesses.
Dabei muß das Lernmaterial in eine handliche Form gebracht werden, es muß
„verschlüsselt“ werden. Dies geschieht z.B., indem man es sich in bequeme Einheiten
gliedert, die man sich rasch merken kann, z.B. mit Hilfe von treffenden
Bezeichnungen, durch anschauliche Symbole oder durch Stichwörter.
Das unmittelbare Gedächtnis kann mit ca. 5-9 Einheiten gleichzeitig fertig werden,
wobei die Größe dieser Einheiten bis zu einem gewissen Grad egal ist. Deshalb sollte
man Einzelinformationen immer zu größeren Einheiten zusammenfassen. Die
Fähigkeit dazu ist schon sehr früh, nämlich im Grundschulalter, entwickelt. So erfand
z.B. ein Kind, das Schachspielen lernen wollte, eigene Namen für die Schachfiguren,
mit deren Hilfe es sich die Regeln merken konnte (Turm = Vorgeher, Dame =
Allesgeher,...)
Die zweite Phase des Lernprozesses ist die Phase der Aneignung, also das aktive Bemühen
des Lernenden, sich etwas einzuprägen.
Hier bestehen große Altersunterschiede. Jüngere Kinder können das noch nicht, weil
sie erst mühsam Erfahrungen dafür sammeln müssen. Eine wichtige Voraussetzung
dafür ist nämlich ein funktionierendes Metagedächtnis, mit dessen Hilfe man das
Lernen angemessen planen kann.
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Eine sehr bedeutende Einprägungsstrategie ist das Memorieren, also das laute oder
leise, gezielte Wiederholen dessen, was man sich einprägen möchte. Das fällt leichter,
wenn man weiß, was für ein Lerntyp man ist. Für den akustischer Lerntyp z.B. ist es
angezeigt, sich den zu merkenden Text auf Tonband zu sprechen und mehrmals
abzuhören, der visuelle Lerntyp sollte den Text mehrmals lesen, der motorischgraphische Lerntyp hingegen abschreiben.
Eine weitere wichtige Einprägungsstrategie ist das aktive Selbsttesten. Darunter
versteht man die selbständige Überprüfung, was man vom Lernstoff behalten hat.
Dabei entdeckt man Lücken und Unsicherheiten und kann Fehler korrigieren.
Eine gute Organisation des Lernstoffes, also übersichtliches Gliedern, strukturieren
und das Bilden von größeren Einheiten ermöglicht das leichtere Einprägen von viel
Lernstoff mit relativ geringem Aufwand.
Auch Gedächtnishilfen, wie z.B. Eselsbrücken (z.B. das Merkwort
TUDEINTRENTU in Klinischer Psychiatrie oder der Merkspruch: 333, bei Issos gabs
ne Keilerei) erleichtern das Einprägen.
Sehr hilfreich erweisen sich auch das Einsetzen von bildhaften Vorstellungen (=
Imaginieren) und das Herstellen von Beziehungen (= Elaboration). Wenn man sich
z.B. eine Wortreihe merken muß, so gelingt dies leichter, wenn man sich dazu eine
bildhafte Szene ausdenkt, in die man die zu merkenden Wörter einbaut.
Das Bilden von Stichwörtern (= cues) erleichtert nicht nur das Einprägen, sondern
auch das Abrufen. Eine komplizierte Wegbeschreibung kann man sich z.B. mit den
Stichwörtern „erste Ampel recht, zweite Ampel links, geradeaus“ leichter merken.
Da Einlernen und Abrufen zwei unterschiedliche Prozesse sind, genügt es nicht, einen Stoff
einzulernen, sondern man muß auch das Wiederabrufen einplanen und durch eigene
Strategien erarbeiten. Um über sein Wissen verfügen zu können, muß man den Wissensabruf
(= retrieval) genauso sorgfältig planen wie das Einlernen.
Strategien, die sowohl zum Einlernen als auch zum Abrufen dienen, sind: bildhafte
Vorstellungen einsetzen, Beziehungen herstellen und Stichworte bilden.
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Die wichtigste Abrufstrategie ist jedoch das Üben des Wiederabrufens. Das Gelernte
sollte dabei auf möglichst verschiedene Weisen abgerufen werden, damit es in
verschiedensten Situationen und bei verschiedenartigen Aufgabenstellungen
zugänglich ist. Sehr hilfreich dabei ist das Diskutieren über den Stoff mit anderen,
dabei der Stoff aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wird. Als
besonders schlecht erweist sich das Auswendiglernen eines Stoffes, weil hierbei der
Stoff immer wieder auf dieselbe Art und Weise eingelernt und abgerufen wird und
nicht auf neue Situationen und Fragestellungen angewendet werden kann.
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Eine sehr effiziente Abrufstrategie ist auch das Spiel mit dem eigenen Wissen. Das
bedeutet, daß man auch außerhalb der Schule oder Universität über das Gelernte
nachdenkt, es vervollkommnet, Lücken schließt und Widersprüche aufklärt. Dadurch
entsteht mit der Zeit ein zusammenhängendes Gebäude des eigenen Wissens. Durch
das häufige Benutzen entstehen quasi breite Straßen zu den gespeicherten Inhalten.
Entscheidende für Lernen und Wiederabruf ist auch Vertrauen in die eigene
Kompetenz. Angst im allgemeinen und Furcht vor Mißerfolg behindern den
Lernprozeß und auch das Wiederabrufen.
Deshalb sollten auch irrelevante Kognitionen, d.s. Störgedanken vermieden werden.
Heckhausen hat z.B. festgestellt, daß Studenten, die während einer Prüfung über ihre
Angst nachdenken, wesentlich schlechtere Ergebnisse erzielen, da ihnen dadurch nicht
alle gelernten Informationen zur Verfügung stehen. Gut geeignet, um Störgedanken
beim Lernen und Wiederabrufen unter Kontrolle zu bringen, ist das Autogene
Training.
Schon beim Lernen sollte die Genauigkeit, mit der später wiederabgerufen werden
soll, mit eingeplant werden. Muß man z.B. bei einer Prüfung über ein bestimmtes
Stoffgebiet nur in groben Zügen Bescheid wissen, so sollte man sich beim Lernen
nicht in Details verstricken und dadurch wertvolle Zeit vergeuden. Muß man den Stoff
jedoch in Details und in der richtigen Reihenfolge reproduzieren können, so wird man
mehr Lernanstrengung dafür einplanen müssen.
Man unterscheidet drei Lerngrade:
Das Wiedererkennen ist am leichtesten, da ein Teil der Information als
Reizgrundlage ja schon vorhanden ist.
Schwieriger ist das Antworten auf Assoziationen. Hierbei soll man sich mit
Hilfe eines auslösenden Reizes an das Gelernte erinnern.
Die Rekonstruktion eines Lernstoffes ist am schwierigsten, weil sie Erinnern
ohne Erinnerungshilfen fordert.
Verteilte Übung ist besser als komprimierte Übung, d.h. es ist effizienter, z.B. an 8
Tagen jeweils eine Stunde zu lernen als an einem Tag 8 Stunden. Gestattet die große
Stoffmenge und die geringe zur Verfügung stehende Lernzeit diese Vorgangsweise
allerdings nicht, so sollte man Themen, die in einzelnen Lerneinheiten gelernt werden,
abwechselnd bearbeiten.
Und last but not least ist es ganz wichtig, beim Lernen nicht auf Pausen zu vergessen
bzw. zu verzichten. Das Gehirn braucht diese, um die gelernten Informationen
integrieren zu können. Zu rasches Hintereinanderlernen von unterschiedlichen
Inhalten beeinträchtigt die für den Konsolidierungsprozeß notwendigen postmentalen
Erregungen.
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