gedächtnis und lernen - poekl-net

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KAPITEL 12:
DIE VERÄNDERUNG VON VERHALTEN UND ERLEBEN
DURCH DIE ERFAHRUNG: GEDÄCHTNIS UND LERNEN
12.1 ENTWICKLUNG DER LERN- UND GEDÄCHTNISFORSCHUNG:
¾ Experimentelle Gedächtnisforschung geht zurück auf EBBINGHAUS (1885):
•
•
•
•
Gesetze der Aneignung und des Vergessens von verbalem Material
(sinnlose Silben, damit Ergebnisse nicht durch Vorwissen verfälscht werden);
Vergessenskurve;
Assoziation = Verknüpfung von zwei gelernten Gedächtnisinhalten
Kontinguitätstheorie (zu erlernende Elemente müssen in räumlicher oder
zeitlicher Nachbarschaft wahrgenommen werden, um assoziiert werden zu
können; Lernen selbst erfolgt durch Übung (Wiederholung); Emotionen
(positive oder negative Verhaltensfolgen) spielen keine Rolle
¾ EHRENFELS (1890) Gestaltpsychologie:
•
•
•
•
Neben den Elementeigenschaften gibt es sogenannte „Gestaltqualitäten“,
die an geordnetes Zusammensein der Elemente gebunden sind; bei Auflösung
der Konfiguration gehen die Struktureigenschaften verloren (z.B. Man erkennt
eine Melodie auch in einer anderen Tonart; aber: werden Töne durcheinander
gewürfelt, so erkennt man die Melodie nicht mehr)
Erlernen von bedeutungshaltigem Lernmaterial, z.B. KÖHLER „Lernen
durch Einsicht“ (Versuche mit Schimpansen)
Lern-, Denk- und Wahrnehmungsprozesse werden im
gestaltpsychologischen Ansatz NICHT getrennt
WERTHEIMER „Theorie des produktiven Denkens“
¾ Behaviorismus:
•
Ablehnung introspektiver Konzepte (Einsicht, Bewußtsein,...), rigorose
Beschränkung auf die Untersuchung beobachtbaren Verhaltens
(WATSON: Theorie der uneingeschränkten Erziehbarkeit des
Menschen)
•
GUTHRIE: Regeln für den Aufbau von Routineverhalten (z.B.
Schreibgewohnheiten, Arbeitstechniken,...); Abbau falsch eingelernter
Handlungssequenzen (z.B. Sprachstörungen); ABER: Motivation spielt bei
ihm keine Rolle -> Schwäche dieser Theorie!
13
•
THORNDIKE: Versuchs-Irrtumslernen (zufälliges Finden der richtigen
Lösung -> Erfolg wirkt bekräftigend auf die Reiz-Reaktionsverbindungen [=
habits; Verhaltensgewohnheiten]); Effektgesetz: Stimulus-ResponseVerbindungen, die zu einem befriedigenden Gesamtzustand führen, werden
verstärkt, Verbindungen, die einen unangenehmen Gesamtzustand zur Folge
haben, werden geschwächt. ABER: Einfluß der Übung auf das Lernen
vernachlässigt
•
SKINNER: Theorie des operanten Konditionierens (= instrumentelles
Lernen): Aktion des Individuums findet VOR den bekräftigenden
Verhaltensfolgen statt; Verstärkerpläne (= Verhältnis und zeitliche
Aufeinanderfolge von bekräftigten Versuchen) -> am effektivsten ist
intermittierende Verstärkung; Entwicklung des programmierten
Unterrichts
•
PAWLOW: Klassisches Konditionieren: konditionierter Reiz löst die
anschließende Reaktion des Individuums aus => MOWRER:
Signallernen
•
Generalisation:
Gelernte Reaktionen folgen nicht nur auf den ursprünglichen Reiz,
sondern auch auf ähnliche Reize (wichtig für Neulernen ->
Übertragung, Transfer!)
Diskrimination:
Erlernen unterschiedlicher Reize (z.B. wenn Kinder in der VS
lernen, p und d zu unterscheiden)
•
HULL: Reiz-Reaktions-Verstärkungstheorie: Lernen = Verbindung von
Reiz- und Reaktionssequenzen, die durch Bekräftigungen (= reinforcements)
bewirkt wird; Anstoß zur Entwicklung der mathematischen Lernmodelle
¾ mathematische Lernmodelle:
•
ESTES: Statistische Lerntheorie oder „Reizstichprobentheorie“
(Stimulus-sampling-theory): statt wie bisher Summenkurven werden
Wahrscheinlichkeiten von Reaktionen als abhängig Variable erhoben; diese
werden zu experimentellen Variablen in Beziehung gesetzt
[probabilistisches Modell];
14
•
BUSH & MOSTELLER: Stochastische Lerntheorie
Ö Mit diesen Modellen kann man einen praktisch wichtigen Lerntyp
beschreiben, nämlich das Wahrscheinlichkeitslernen:
Î Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsalternativen muß
getroffen werden;
Î welche gewählt wird, hängt ab von bestimmten Merkmalen der
Reizsituation, von Variationen des Lernzustandes des Individuums;
Î Lernvorgänge bewirken Verschiebung der Wahrscheinlichkeiten der
einzelnen Handlungsalternativen)
¾ Kognitive Wende:
•
TOLMAN: Kognitive Lerntheorie:
Î ermöglicht die Erklärung zweckgebundenen Verhaltens.
Î Bestimmte Reizkonstellation der Außenwelt ruft eine
„Zeichengestalterwartung“ (-> Existenz von mental maps!) hervor.
Diese bestimmt als Einstellung (= set) das weitere Verhalten
• FESTINGER: Theorie der kognitiven Dissonanz:
Milde Frustration führt manchmal nicht dazu, daß Person die Situation, in
der gelerntes Verhalten stattfinden soll, meidet, sondern im Gegenteil: die
Situation wird bevorzugt (z.B. Untersuchung von Festinger mit den
Studenten, die, um einer Diskussionsgruppe beitreten zu können, einen
Aufnahmsprüfung machen mußten; die Gruppe kam ihnen danach unheimlich
gescheit vor, obwohl sie ausschließlich Unfug brabbelte...)
¾ Theorien des sozialen Lernens (ROTTER, BANDURA, et al.):
•
allen gemeinsam: lernpsychologische Ergebnisse sollen für die
Verhaltenstherapie nutzbar gemacht werden
•
BANDURA: Imitationslernen = Lernen durch soziale Nachahmung (auch
MILLER & DOLLARD). Bereitschaft zur Nachahmung der Modellperson
hängt ab von:
-> Status der Modellperson
-> Reaktionen der Umwelt auf Verhalten der Modellperson
-> Alter, Geschlecht, etc. der Modellperson
(z.B. Banduras Versuche zur Nachahmung aggressiver Akte von
Modellpersonen durch Kinder)
15
12.2 THEORIEN DES SCHULISCHEN LERNENS:
¾ Lernmodell nach CRONBACH:
= erste globale, kognitive Verhaltenstheorie komplexer Lernvorgänge;
beschreibt die Determinanten des zu lernenden Verhaltens in ihrer
Beziehung zueinander:
1)
2)
3)
4)
Situation, die die Entscheidungsalternativen darbietet
Persönlichkeitsmerkmale
Verhaltensziele
Interpretationen (= intentional gesteuerte Informationsaufnahme- und Verarbeitsungsprozesse, die der Abwägung möglicher Folgen der einzelnen
Verhaltensalternativen dienen)
5) Handlung selbst
6) Verhaltenskonsequenzen, die die Interpretation bestätigen oder ihr
widersprechen
=> entscheidungstheoretisches Konzept
¾ CARROLL: untersuchte individuelle Voraussetzungen für das
Fremdsprachenlernen
Î 4 Faktoren erleichtern es:
* phonetisches Kodieren
* Sensitivität für Grammatik
* Merkfähigkeit
* induktives Lernen
¾ Howard GARDNER: „Theorie multipler Intelligenzen“:
•
Spezifische Kompetenzen in einem bestimmten Lernfeld führen dazu, daß man
sich intensiv damit beschäftigt -> Höchstleistungen aufgrund besonderer
qualitativ unterschiedlicher Intelligenzen
•
Er unterscheidet folgende Bereiche der multiplen Intelligenz:
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
sprachliche Intelligenz
musische Intelligenz
logisch-mathematische Intelligenz
räumliche Intelligenz
körperlich-kinästhetische Intelligenz
intrapersonale Intelligenz
interpersonale Intelligenz
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¾ BLOOM: Unterscheidung von kognitiven, affektiven und sensumotorischen
Lernprozessen
¾ GAGNÉ: Hierarchische Lerntheorie:
•
Stufen, die vom einfachsten, bis zum komplexesten Lerntyp reichen:
1) Signallernen (Klassisches Konditionieren)
2) Reiz-Reaktionslernen (Operantes Konditionieren)
3) Kettenbildung (Ausbau von Reiz-Reaktionsverbindungen, komplexen
Handlungen)
4) sprachliche Assoziationsbildung (Lernen von Sprachmustern)
5) multiple diskrimination
6) Begriffslernen
7) Regellernen
8) Problemlösen
• Dazu gibts Gagnés Unterrichtstheorie:
Î Jeder Lernprozeß muß nach diesem Schema konstruiert werden
(von einfachen zu komplexen Lernformen)
Î Lernschwierigkeiten kommen zustande durch Ausfälle auf einer
unteren Ebene
¾ AUSUBEL: Theorie der Bedeutung von Strukturierungshilfen („Advanced
organizers“):
•
für das Lernen von sinnvollem verbalen Material
•
Um effizient lernen zu können, muß sich der Lernende zuerst einen
Überblick verschaffen und die zu lernende Information sinnvoll
gliedern
•
Strukturierungen erleichtern nicht nur das Einlernen, sondern auch das
gezielte Wiederabrufen
•
Lernender schafft sich durch die Strukturierung einen Hypertext (steuert
die weitere Lernarbeit, erleichtert die Bildung von Querverbindungen zwischen
den zu lernenden Teilbereichen)
17
¾ SCANDURA: Strukturelle Lerntheorie -> „instructional design“:
•
Anleitung zur optimalen Gestaltung von Trainings-, Unterrichts- und
Selbstlernprogrammen
•
nicht nur die Ziele werden vorgegeben, sondern sämtliche Lehrmaterialien
und Arbeitsformen werden an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der
Lernenden angepaßt
UNTERSUCHUNG SCHULISCHEN LERNENS:
Ö Schwierigkeit bei der Untersuchung schulischen Lernens liegt vor allem in der
Variabilität des Lehrerunterrichts; exakte Analysen komplexer Lernvorgänge
wurden erst möglich durch den programmierten Unterricht (-> Standardisierung
des Lernangebotes für alle VPn) (KLAUER)
Ö Möglichkeit der direkten Auswertung und Speicherung der Reaktionen des
Lernenden führten zu Fortschritten der Forschung zum schulischen
Lernen im Computergestützten Unterricht (ATKINSON)
Ö Einsatz der EDV ermöglicht Auswertung großer Datenmengen aus der
Feldforschung und Austesten komplexer, mathematischer Modelle zu
optimalen Darstellung der Ergebnisse
Ö jüngere Entwicklung in der Lernforschung:
•
•
informationstheoretische und neurophysiologische Konzepte
beeinflussen Theoriebildung und Untersuchungsansätze
Lernprozesse in natürlichen Umwelten werden untersucht
12.3. DIE THEORIE DES METAGEDÄCHTNISSES VON JOHN H. FLAVELL
•
Gedächtnisstrategien werden nicht automatisch vom Lernenden eingesetzt,
sondern im Laufe der Entwicklung bildet sich ein „Wissen um das eigene
Gedächtnis“ heraus = Metagedächtnis
•
Metagedächtnis = völlig bewußtes und explizites, vollständig
verbalisiertes Nachdenken über Gedächtnisphänomene, die sich auf das
Funktionieren des eigenen Gedächtnisses beziehen, ergänzt durch
unartikulierte „Intuitionen“ (z.B. Lernender macht sich Gedanken, wie
schwierig ein Stoff ist, wie leicht im Vergleich dazu ein anderer, daß er einen
bestimmten Abschnitt ausreichend gelernt hat, usw.)
•
Dieses Wissen stammt aus eigenen Lernerfahrungen (Lernender bekommt
allmählich eine realistische Einschätzung dessen, was er sich zutrauen kann, wie
er vorgehen muß, um Lernstoff zu bewältigen)
18
•
Hauptstrategien des Metagedächtnisses:
1) Sensibilität: „Gespür“ für Situationen, ihre Anforderungen an
Informationsspeicherung und Informationsabruf
2) Wissen um jene Variablen, die die Gedächtnisleistung beeinflussen:
a) Personvariablen: z.B. Wissen um den Umfang des eigenen
unmittelbaren Gedächtnisses, Bevorzugung eher semantisch-verbaler
Kodierungen beim Einlernen oder eher visuell-räumlicher Speicherungen,
usw.
b) Aufgabenvariablen: = Wissen um die Schwierigkeit einer Aufgabe
c) Strategievariablen: = bewußte Aktivitäten, die jemand einsetzt, um sich
etwas leichter merken zu können. Hier unterscheidet er:
Î Speicherstrategien:
-
Rehearsal: Memorieren
-
Organisation: semantisches Gruppieren oder Kategorisieren
-
Elaboration: Hinzufügen einer Bedeutung; die zu lernenden
Inhalte werden z.B. in eine phantastische, visuell ausgeschmückte
Geschichte eingekleidet
Î Abrufstrategien:
-
aktives Selbsttesten: Lernender überprüft selbständig die
Zugriffssicherheit zu eben gelerntem Gedächtnismaterial; fügt neue
Wiederholungsschritte ein, wenn er feststellt, daß bestimmte
Bereiche noch nicht zur Verfügung stehen
-
Aufbauen einer Liste von Stichwörtern (= Cues), die als
Hinweisreize bestimmte Partien des Stoffes zugänglich machen
•
Bereits in Grundschule erwartet man, daß Kinder Lernen lernen -> das
geht nicht, weil die Voraussetzung dazu ein funktionierendes
Metagedächtnis ist, und das bildet sich erst zu Beginn des Jugendalters!
•
Mnemonisches Selbst (HAGEN) entwickelt sich erst in der Pubertät (wenn
sich das abstrakte Operieren, das formallogisches Denken nach PIAGET
entwickelt)
•
Jüngere Kinder können nur sehr schwer ihre eigenen Kompetenzen
einschätzen (z.B. Kind wir immer behaupten, es habe sich ALLE Objekte
gemerkt, auch wenn es nachweislich von 20 nur 4 waren)
19
•
Grundschulkinder können Lernerfahrungen noch nicht auf neue
Lernsituationen übertragen, um davon zu profitieren; Einüben des Lernenlernens geht erst ab ca. 10 Jahren; in der Volksschule braucht Kind
Strukturierungshilfen, die ihm von den Erwachsenen angeboten werden.
•
Gute Möglichkeit Lernen zu lernen = „Lernen am Vorbild“ (Modellernen
nach Bandura)
12.4 DIE BEDEUTUNG DES GEDÄCHTNISSES FÜR INTELLIGENTE LEISTUNGEN:
Gedächtnis ist eine unerläßliche Voraussetzung für fast alle intelligenten
Leistungen (vgl. Schachspiel), aber das beste Gedächtnis nützt nichts, wenn
man die Fakten nicht kombinieren und Schlüsse daraus ziehen kann.
Wichtig sind die Anrechnungen, die ein Kind aus seiner sozialen Umwelt erhält ->
Einfluß auf die Entwicklung des Gedächtnisses! Ohne KZG können wir keinen Satz zu
Ende sprechen, keine Telefonnummer zu Ende wählen, keine uns gestellten Fragen
beantworten, kein Auto lenken...
a) Lernen und Vergessen:
wichtige Aufgabe des Gehirns = die für den Menschen wichtigen Informationen
von den unwichtigen trennen und speichern, nicht mehr gebrauchte
Informationen möglichst schnell vergessen (z.B. arbeitet ein PC so)
b) 2 Gruppen von Lernsituationen:
¾ Lernsituation I (= incidentielles Lernen):
•
So lernt Kind als Säugling bzw. als Kleinkind -> Lernen und Behalten
erfolgt spielerisch.
•
Kind reagiert mit Neugier und Interesse auf seine Umwelt -> Antworten der
Umgebung auf sein Verhalten (positive und negative Folgen) steuern
den Lernprozeß
•
Situationen, die von unangenehmem Gefühl begleitet sind, werden
vermieden; Situationen, die angenehme Gefühle auslösen, werden aufgesucht
•
Je häufiger diese Situationen auftreten, umso fester prägt sich das
Verhalten ein
•
Wird ein Verhalten nicht mehr gebraucht, so wird es gelöscht
¾ Lernsituation II (= geplantes Lernen):
•
tritt auf, wenn Kind sich Dinge einprägen muß, deren unmittelbarer
Zweck nicht unbedingt einsichtig ist; also meist erst in der Schule
20
•
Kind kann sich nun nicht mehr darauf verlassen, daß es sich alles Wichtige
von selbst merkt, sondern muß Lernen lernen
•
geplantes Lernen erfolgt nicht absichtslos und nebenbei, sondern
erfordert gezielten Einsatz von Lernstrategien nach einem festen Plan
(von Eltern, Schule oder vom Kind selbst vorgegeben)
•
Hierher gehört (leider!) auch die Unfallverhütung -> Verkehrserziehung:
Regeln müssen eingeprägt werden, OHNE daß man die negativen Folgen
eines Verstoßes gegen sie selbst erlebt hat.
c) Die Bedeutung impliziter Theorien:
implizite Theorien = vorwissenschaftliche Theorien, nach denen Menschen
leben und handeln (z.B. Kinder mit Lernschwierigkeiten glauben oft, das
Gedächtnis wäre ein großer Sack, der nach einigen Schuljahren voll ist und in den
nichts mehr hineingeht, deshalb wäre es sinnlos noch etwas zu lernen...)
d) Wie das Gedächtnis funktioniert: Die 3 Speichersysteme
¾ 1. Speichersystem: Das unmittelbare Gedächtnis
•
= die sogenannte „Gegenwartsdauer“
•
Spannweite beim Erwachsenen = ca. 5 - 9 Einheiten
(durchschnittlich 7), die man sich ohne Mühe auf einmal bewußt machen
kann (vgl. Die magische Sieben von MILLER)
•
unmittelbare Gedächtnisspanne = altersabhängig, nimmt im Zuge der
Entwicklung zu (bei Kleinkindern sehr klein; 10Jährige haben eine um 20%
geringere unmittelbare Gedächtnisspanne als 17Jährige; mit 17 Jahren ist die
Erwachsenenspanne fast schon erreicht); ab ca. 9 Jahren kann man gezielt
Strategien einsetzen, um die unmittelbare Gedächtnisspanne zu erhöhen
•
Nimmt Informationen sehr rasch auf, vergißt sie aber auch genauso
schnell; Problem z.B. im Straßenverkehr, wenn man sich mit einem
Schilderwald konfrontiert sieht (Lösung: Langsamfahren, damit sich der
Informationsfluß an die menschliche Informationsaufnahmegeschwindigkeit
anpassen kann)
STRATEGIEN:
Î etwas, was man sich merken muß, aufschreiben (.z.B. Namen von
Personen, die einem vorgestellt werden)
Î langsames Sprechen (z.B. bei Vortrag) ermöglicht den Zuhörern das
Aufnehmen von komplizierten Inhalten
21
¾ zweites Speichersystem: Das Kurzzeitgedächtnis
•
kann Informationen über Minuten und Stunden speichern
•
kann viel mehr an Menge speichern als das unmittelbare Gedächtnis
•
nimmt Informationen erheblich langsamer auf als das unmittelbare
Gedächtnis
•
Info im KZG unterstützt das unmittelbare Gedächtnis bei seinen
Aufgaben (z.B. wenn man eine Kreuzung kennt, kann man mit Hilfe dieser
Wissensbasis die auf einen einstürmende Informationsflut auf ein erträgliches
Maß reduzieren; irrelevante Informationen werden einfach nicht mehr
beachtet)
STRATEGIEN:
Î um etwas kurzfristig behalten zu können, muß man es memorieren
(mehrmals laut oder leise wiederholen), ca. 5 Wiederholungen sind
ausreichend, um Information aus dem unmittelbaren Gedächtnis in das KZG
übertragen zu können
¾ drittes Speichersystem: Das Langzeitgedächtnis
•
Informationen werden über Wochen bis Jahrzehnte gespeichert
•
sehr großer Umfang
•
Einlerngeschwindigkeit ist extrem langsam (3-5/100 der
Aufnahmegeschwindigkeit in das unmittelbare Gedächtnis)
•
Kinder und Jugendliche müssen ihr mnemonisches Selbst erst
entwickeln, um in der Lage zu sein, Lernanstrengungen richtig zu planen
(d.h. welche Inhalte für welchen Zeitraum mit welchem Grad der
Zugriffsicherheit lernen)
e) Verstehen und Behalten
Menschen mit wenig Lernerfahrung verwechseln oft unmittelbares Gedächtnis und
KZG mit LZG
Î wenn man Text nur 1x durchliest, merkt man sich ca. 5-10%;
genauso ist es, wenn man sich Vortrag anhört (obwohl man jeden Moment des
Vortrags das Gefühl hat, alles zu verstehen [-> unmittelbares Gedächtnis!] und dem
Gedankengang des Vortragenden folgen zu können [-> KZG!]
Ö Fazit: Verstehen ist nicht Behalten!!!
22
Daher:
während einer Vorlesung muß man mitschreiben, zu Hause die
Mitschrift durchgehen und durch eigene Überlegungen und Lektüre
ergänzen, dann kann man den Stoff behalten!
Ö Deswegen müssen Schüler in der Schule auch etwas aufschreiben und nicht nur
zuhören!
f) Teilprozesse des Lernens:
1) Vorbereitung:
•
Lernmaterial muß in handliche Form gebracht werden -> es muß
„verschlüsselt“ werden, d.h. in bequeme Einheiten gliedern und sich diese
rasch merken (z.B. mit Hilfe von treffenden Bezeichnungen, durch anschauliche
Symbole, durch Stichwörter)
•
Unmittelbares Gedächtnis kann mit ca. 5-9 Einheiten gleichzeitig fertig werden ->
Größe dieser Einheiten ist bis zu einem gewissen Grad egal! Daher:
Einzelinformationen zu größeren Einheiten zusammenfassen!
•
Fähigkeit dazu ist schon sehr früh entwickelt, das können schon die
Grundschüler
BEISPIEL: Kind, das Schach spielen lernen wollte, erfand neue Namen für die
Figuren (z.B. Bauer = Ein-Vorgeher, Dame = Allesgeher, Turm =
Vorgeher, Läufer = Schräggeher)
2) Aneignung:
•
= aktive Bemühungen des Lernenden, sich etwas einzuprägen
•
große Altersunterschiede: Jüngere Kinder können das noch nicht, müssen erst
mühsam Erfahrungen dafür sammeln
•
Notwendig dafür = aktive Selbsterkenntnis, nur so kann sich ein
funktionsfähiges Metagedächtnis entwickeln, mit dessen Hilfe man das
Lernen angemessen planen kann.
Einprägungsstrategien:
a) Memorieren (Rehearsal)
•
lautes oder leises, gezieltes Wiederholen dessen, was man unbedingt behalten
möchte
•
Fällt leichter, wenn man weiß, was man für ein Lerntyp ist:
23
- akustischer Lerntyp: Text auf Tonband sprechen und abhören
- visueller Lerntyp: Text mehrmals lesen
- motorisch-graphischer Lerntyp: Text abschreiben
b) aktives Selbsttesten:
•
selbständige Überprüfung, was man vom Lernstoff behalten hat (wichtig auch
beim Wiederabrufen von Gelerntem!)
•
dabei entdeckt man Lücken und Unsicherheiten und kann Fehler korrigieren
c) Strukturierung und größere Einheiten bilden (Organisation):
Vor dem Einprägen den gesamten Lernstoff übersichtlich gliedern und
strukturieren
-> so kann man möglichst viel mit möglichst wenig Aufwand lernen!
d) Gedächtnishilfen finden und „Eselsbrücken“ einsetzen:
z.B. mit Hilfe eines Merkspruches, wie DU DEIN TRENTU [siehe Katschnig :-)]
(oder: 333 bei Issos gab‘s 'Ne Keilerei)
e) bildhafte Vorstellungen einsetzen (Imaginieren) und Beziehungen
herstellen (Elaboration):
•
•
sich den Lernstoff so bildhaft (anschaulich, farbig) wie möglich vorstellen
zwischen den einzelnen Inhalten Beziehungen herstellen
BEISPIEL: man soll sich eine Wortreihe merken (Filmprojektor, Staubsauger,
Blumenvase, Bilde, Decke) -> in eine bildhafte Szene einbauen (Ein
gemütliches Zimmer mit einem Tisch, auf dem ein Filmprojektor und
eine Blumenvase stehen, mit einem Bild, auf dem eine Person eine
Decke mit einem Staubsauger bearbeitet)
f) Stichworte (= cues) bilden:
erleichtert nicht nur das Einprägen, sondern auch das Wiederabrufen
BEISPIEL:
für komplizierte Wegbeschreibung zum Bahnhof merkt man sich „erste
Ampel links, zweite Ampel rechts, usw.)
3) Wiederabruf von Gelerntem (retrieval):
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Einlernen und Wiederabruf sind zwei unterschiedliche Prozesse
Î es genügt daher nicht, einen Stoff einzulernen, sondern man muß auch das
Wiederabrufen einplanen und durch eigene Strategien erarbeiten!
a) Planung des Wiederabrufens:
•
Um über sein Wissen verfügen zu können, muß man Abruf genauso
sorgfältig planen wie das Einlernen
•
Strategien zum Einlernen, die auch zum Abrufen dienen, sind:
-> bildhafte Vorstellungen einsetzen
-> Beziehungen herstellen
-> Stichworte
b) Üben des Wiederabrufens:
•
ist die wichtigste Strategie
•
Gelerntes soll auf möglichst verschiedene Weisen abgerufen werden,
damit es in verschiedensten Situationen und bei verschiedenartigen
Aufgabenstellungen zugänglich ist.
•
Sehr hilfreich = Diskutieren über den Stoff mit anderen -> Stoff wird
dabei aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet.
•
schlecht = Auswendiglernen -> Stoff wird immer auf dieselbe Weise
gelernt und abgerufen
BEISPIEL: Straßenverkehr: Man hat im Physikunterricht alles über Masse und
Beschleunigung brav auswendig gelernt, kann das aber nicht auf das
Bremsen seines Autos anwenden
c) Spiel mit dem eigenen Wissen:
•
d.h. daß man z.B. auch außerhalb der Schule über das Gelernte
nachdenkt, das Gelernte vervollkommnet, Lücken schließt und Widersprüche
aufklärt
•
dadurch entsteht mit der Zeit ein zusammenhängendes Gebäude des
eigenen Wissens
•
durch das häufige Benutzen entstehen gleichsam breite Straßen zu den
gespeicherten Inhalten
•
Schüler, die das können, haben sich die spielerische Form des Lernens trotz
der neuen, hohen Anforderungen der Schule bewahrt
25
d) Zuversicht und Selbstvertrauen beim Lernen und Wiederabrufen:
•
entscheidend für Lernen und Wiederabrufen = Vertrauen in die eigene
Kompetenz
•
Angst im allgemeinen und Furcht vor Mißerfolg behindern den
Lernprozeß und auch das Wiederabrufen
e) Vermeidung irrelevanter Kognitionen (= Störgedanken):
•
HECKHAUSEN: Studenten mit schlechtem Prüfungsergebnis denken
während der Prüfung weniger über das Lösen der gestellten Aufgaben
nach als über ihre Angst -> ihnen stehen dadurch nicht alle gelernten
Informationen zur Verfügung!
•
KUHL: Typentheorie:
Î Personen, die sich in Problemlösesituationen mit den notwendigen
Arbeitsschritten befassen = handlungsorientiert
Î Personen, die sich in Problemlösesitutationen mehr mit ihren (negativen)
Emotionen befassen = lageorientiert
* Daher:
Störgedanken beim Lernen und Wiederabrufen unter
Kontrolle bringen (gut geeignet dafür = Autogenes Training)
f) Planung der eigenen Lernanstrengung in Übereinstimmung mit der Art
des späteren Wiederabrufens:
•
Beim Lernen schon die Genauigkeit, mit der später wiederabgerufen
werden soll, mit einplanen -> Ersparnis von Zeit und Mühe (z.B. niemand
wird einen Fahrplan auswendig lernen, denn wichtiger ist es zu wissen, wie
man ihn benützt!)
•
Lerngrade:
Î Wiedererkennen
= am leichtesten -> Teil der Information ist als
Reizgrundlage ja vorhanden
Î Assoziationslernen = schwieriger -> Erinnern mit Hilfe eines
auslösenden Reizes (hier wird zumindest ein
Stichwort von der Umgebung geliefert)
Î Rekonstruktion
= am schwierigsten -> Erinnern ohne
Erinnerungshilfen;
26
2 Schwierigkeitsgrade:
-
muß man Stoff nur in groben Zügen können (Reihenfolge der
Einzelheiten ist egal), so ist das leichter
-
muß man Stoff in Details und richtiger Reihenfolge können, so
ist das schwieriger
g) Verteilte Übung ist besser als komprimierte Übung:
•
d.h. es ist effizienter, an 8 Tagen jeweils eine Stunde zu lernen (= „verteilte
Übung“) als an einem Tag 8 Stunden (= „komprimierte Übung“)
•
gestattet die große Stoffmenge das nicht -> Themen, die in einzelnen
Lerneinheiten gelernt werden, abwechselnd bearbeiten
h) Pause nicht vergessen:
Lernzeit sinnvoll durch Pausen strukturieren -> optimaler Lernerfolg!
7) Lernen mit Hypertext- und Hypermediasystemen:
•
Bessere Strukturierung des Stoffes bringt Vorteile für Zugriffssicherheit
und Anwendung des Wissens.
•
Hypertext wurde wegen der Einsatzmöglichkeiten des PC zu einem eigenen
Forschungsgebiet
•
Hypertext = übergeordnete Strukturen von Texten bzw.
Informationsbausteinen im Sinne von Gliederungen -> mit ihrer Hilfe kann
man Überblick und Zugriff zu umfangreichen Informationsmengen erhalten.
•
Einzelne Elemente (z.B. Texte, Graphiken) (= Knoten) werden durch
Verbindungen (= links) miteinander verknüpft -> über den Hypertext kann
man gewünschte Informationseinheit gezielt aufsuchen
•
Durch PC ist es möglich, umfangreiche Hypertext- und Hypermediasysteme
zusammenzustellen und bequem zu nutzen
•
Beim Lernen eines Buches muß man immer wieder mühselig bei Verweisen auf
andere Stellen das Entsprechende suchen (Lehrtexte in Buchform sind für lineare
27
Erarbeitung gedacht); bei Hypermediasystemen genügt ein Mausklick
(Computerprogramm fungiert als „Umblättermaschine“)
Ö Vorteil des Hypertextes: vernetztes Lernen wird möglich!
•
Lernende, denen man ein Hypertextsystem als Gliederungshilfe anbietet ->
bessere Lernerfolge!
BEISPIEL:
Hypermediasystem „Artifacts in action“ (= „sprechende
Funde“)
Î wurde zur Einführung in die Ausgrabungen von Pompeji entwickelt;
Î Maske am Anfang zeigt verschiedene Gattungen der ausgestellten
Werke in sechs Themenbereiche unterteilt (Haus, Ernährung, Arbeit,
Gesellschaft, Religion, Dekoration).
Î 1. Ebene der Informationshierarchie zeigt ausgewähltes Stück
mit kurzer Erklärung.
Î Darunter vielfältige Themenverzweigungen -> illustrieren
ausgehend vom gezeigten Objekt damit zusammenhängende
Aspekte des römischen Lebens, decken immer breitere
Fragestellungen ab.
Î Man kann ständig eine persönliche Auswahl vornehmen ->
man kann den Informationsgrad subjektiv steuern und variieren,
eine Anregung aufgreifen, ein spezielles Thema weiter in die Tiefe
verfolgen. z.B. Bronzekrug -> Kenntnis des römischen
Tischgeschirrs, Ablauf eines Banketts, Art der Ernährung,
Zubereitung verschiedener Speisen.
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