32 |||||||||||||||||||||||||||||||| SÄCHSISCHE ZEITUNG LEBEN & STIL S O N N AB E N D / S O N N TA G 8 . / 9 . N O VE M B E R 2 0 14 Manöver des letzten Augenblicks Der Selbsttest Unser Autor träumt davon, mit dem Segelboot seine Rente zu durchkreuzen. Doch der Schein, den er dafür braucht, ist schwerer zu bekommen als gedacht. Von Peter Ufer E s gibt Dinge, ohne die ich bestens leben kann. Die dritte Nachkommastelle von Pi beispielsweise oder die exakte Abseitserklärung gehören für mich ins Lexikon des unnützen Wissens. Doch plötzlich sollte ich lernen, worum es sich bei einer „Besteckversetzung“ handelt. Selbige muss in der Prüfung für den Sportboot-Führerschein See auch noch berechnet werden. Horror für einen Menschen, der gelegentlich noch heute von seiner Abi-Matheprüfung albträumt. Doch irgendwann hatte ich im Familienkreis leichtfertig geäußert, dass ich im Rentenalter mit Frau und Ruhe gern mit einem Segelboot über die Meere schippern würde. Und prompt bekam ich zum 50. Geburtstag einen Kurs geschenkt, der mich diesem Ziel näherbringen sollte. Die clevere Verwandtschaft rechnete offensichtlich damit, dass die Ausbildung zum Segler bei mir länger dauern würde. Gleichzeitig recherchierte sie sparsam ein Seminar, das für Studenten vorgesehen war. Der intellektuelle Nachwuchs zahlt sowohl für die Theorie als auch die Praxis für den „Sportbootführerschein Binnengewässer und See“ nur 295 Euro. Der Autor am Steuerrad eines geborgten und ziemlich gebrauchten Motorschiffes auf der Elbe. Mit dem Bootsführerschein kann der Segelfan jetzt schon mal Kähne über Flüsse, Seen und in der Zwölfmeilenzone der Meere steuern. Der nächste Schritt ist der Führerschein für die Hochsee. Foto: R. Michael D |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| as amtliche Dokument ist die Grundlage aller Wassersportaktivitäten sämtlicher Sportboote mit einer Motorisierung von über fünf PS und gilt im Küstenbereich der Meere. Nur mit ihm kann man den Schein für die Binnengewässer erwerben. Und er ist die Voraussetzung für den begehrten SegelSchein für die Hochsee. Voraussetzung für die Prüfung sind ein Alter von mindestens 16 Jahren sowie ein vom Arzt attestierter körperlicher und geistiger Zustand, der als fit und zurechnungsfähig eingeordnet werden kann. Angemeldet wurde ich von den lieben Verwandten beim Club Nautique, der seinen Stammsitz in Auerbach hat, aber ebenso in Dresden und Chemnitz sowie in Thüringen Kurse anbietet. Ich schlenderte also an einem Dienstagabend im April in einen der Hörsäle der Technischen Universität Dresden, um mich belehren zu lassen. Doch im ersten Augenblick wollte ich sofort wieder umdrehen, denn in dem Raum saßen nur Menschen um die 20, die ihre Tablets vor sich gelegt hatten, um dem Dozenten zu folgen. Ich packte dann doch Stift und Zettel aus, denn irgendwie wollte ich plötzlich meiner Familie beweisen, dass ich noch weit entfernt bin vom Altersheim und genauso lässig lernen kann wie diese digital orientierten Jungspunde. Ich setzte mich, und da kam auch schon Ausbilder Olaf Schädlich, der zur Vorstellung kurz seine biografischen Daten in die Runde sprach. Der Mann war Vollmatrose, hatte Nautik studiert, steuerte zu DDR-Zeiten Containerschiffe der Handelsmarine von Kontinent zu Kontinent. Als sein Bruder 1984 in den Westen flüchtete, flog Olaf Schädlich vom Schiff. Doch weil der Seemann auf die Seeluft nicht verzichten wollte, stieg er auf Kosten & Kurse p Kosten: Der Kurs für 295 Euro wurde im Club Nautique absolviert. Der Preis ist ein Angebot für Studenten. Bei anderen Yacht-Schulen beginnen die Kurspreise bei 350 Euro und können sich auf bis zu 900 Euro addieren. Dazu kommen noch Prüfungsgebühren von 67,78 Euro plus Spesen für die Anreise der Prüfer. p Kurse: Für die Ausbildung für den Sportbootführerschein gibt ein riesiges Angebot im Internet. Am besten, Interessenten suchen sich nach ihrem Wohnort, den eigenen Bedürfnissen und dem Zeitbudget ihr Programm selbst. Unter dem Stichwort Sportboot-, Boots- oder Yachtschulen finden sich genug Anbieter in Sachsen. kleinere Boote um und segelt seitdem mit jedem Wind. 1990 gründete er seinen Boots-Club, bildet seitdem Segler aus und bietet Törns an. Über den Begriff „Besteckversetzung“ lächelte der Skipper wie ein Mathelehrer, der dem Schüler die lächerlichen Geheimnisse einer Differentialgleichung beibringen will und genau weiß, dass der gegenüber nie die Variablen finden wird. Nicht jeder Kapitän muss ein guter Pädagoge sein, dachte ich mir. Kurz vor dem Ende des Gedankens bekam ich den Befehl, mich auf einer Seekarte durch die Deutsche Bucht zu navigieren. Doch ich besaß weder ein Winkeldreieck noch einen Zirkel und erst recht nicht das Wissen, um irgendeinen Kurs festlegen zu können. Eine Studentin wagte es, den Sinn der analogen Arbeit infrage zu stellen, denn längst hätten doch Satelliten die Steuerung übernommen. Ausbilder Schädlich nickte und bemerkte, dass Navigation nicht nur Pflichtprüfungsstoff sei, sondern zugleich dem Überleben diene, denn es komme immer wieder vor, dass die ganze digitale Ausrüstung einfach ausfällt. Das leuchtete mir ein. Dafür war ich alt genug. Ich lernte also Kurse festzulegen, Tonnen in den Karten zu finden und „Missweisungen“ zu berücksichtigen. Schon wieder so ein Begriff, den ich verstehen musste. „Die Missweisung ist die Abweichung der Magnetnadel von GeografischNord, weil die magnetischen Pole der Erde nicht mit deren geografischen Polen zusammenfallen“, erklärte Ausbilder Schädlich. Ich verstand es erst, als ich zu Hause selber auf einer Karte rummalte. Allein mit den Seminaren hätte ich die Prüfung nie bestanden. Wie ein Streber vor der Reifeprüfung saß ich an meinem Schreibtisch Die Lügen-Falle E s traf mich wie der Schlag, als mich meine Tochter erstmals unverhohlen anschwindelte. Sie behauptete kurz vor dem Schlafengehen, die Zähne schon geputzt zu haben, obwohl ich besseren Wissens war. Ich konnte es ihr förmlich von den Augen ablesen. Zuerst war ich verdutzt, dann kurz beleidigt. Wo war der Respekt? Habe ich meine Tochter schlecht erzogen? Ich ließ sie zunächst in dem Glauben, mich erfolgreich angeschwindelt zu haben und analysierte das Geschehene. Die harmloseste Variante kindlichen Lügens ist das Großtun. Eigene Leistungen werden massiv überzeichnet. Trifft dies regelmäßig auf Ihr Kind zu, sollten Sie sich fragen, ob das Selbstwertgefühl Ihres Kindes zu gering ausgeprägt ist. Vielleicht fühlt es sich nicht genügend beachtet und möchte stärker von Ihnen wahrgenom- ||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Wenn Ihr Kind schwindelt, lässt sich das sichtbar machen – mit einem einfachen Trick. ||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Mimik.Macht.Meinung. ||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Von Robert Körner men werden? Schwerwiegender ist die Lüge, um eine Strafe abzuwenden. Das Kind schwindelt aus Angst vor Liebesentzug oder Sanktionen, weil es sich unerträglich schuldig fühlt. In beiden Fällen sollten Sie den Kontakt suchen. Erklären Sie Ihrem Kind die Bedeutung der Wahrheit und dass ihm durch konsequentes Lügen niemand mehr Glauben schenken wird. Reflektieren Sie auch ihr eigenes Verhalten. Reagieren Sie mit Liebesentzug? Wenn Sie Ihr Kind das nächste Mal ertappen, geben Sie zu verstehen, dass Sie in der Lage sind, jede noch so kleine Flunkerei zu erkennen. Sie sind sozusagen ein menschlicher Lügendetektor. Im zweiten Schritt erklären Sie, dass und büffelte. Zwischendurch verfluchte ich das Geburtstagsgeschenk, weil ich die Peilung verlor und mir nicht sofort der Unterschied zwischen einem „Koppelort“ und der „Besteckversetzung“ klar war. Als ich jedoch feststellte, dass man zwar auf einer Karte einen Kurs festlegen kann, aber im Wasser meistens nicht am errechneten Ziel ankommt, sondern durch Wind und Strömung verschoben wird, verstand ich die Versetzung. W äre das alles gewesen, hätte ich keine Anfälle gelegentlicher Verzweiflung bekommen. Aber es gibt nichts Unlogischeres als Schallsignale. Doch auch die waren zu lernen, genau wie Tafel- und Schifffahrtszeichen, die Regeln in Verkehrstrennungsgebieten, die Lichterführung der Schiffe sowie die Vorfahrtsregeln inklusive des Manövers des letzten Augenblicks. 450 Fragen mit jeweils vier Antworten sowie die Navigationsaufgaben musste ich irgendwie begreifen. Jeden Abend nahm ich mir vorm Schlafen den Computer, um die Prüfungsfragen im Netz zu beantworten. Denn zum Glück finden sich dort, wie beim Pkw-Führerschein, genug Angebote zum Üben. Ich nutzte SBF-Lernen.de. Teilweise merkte ich den Erfindern der Prüfung an, dass sie diese vor allem entwickelten, um irgendwann einmal bei „Wer-wird-Millionär“ die letzte Frage stellen zu dürfen. Zu den lässigen Teilen der Prüfung gehörte die Praxis. Drei der Studenten und ich trafen sich Anfang Juni mit Ausbilder Schädlich am Pieschener Hafen in Dresden, und wir fuhren die Elbe entlang. Zu lernen war das Ab- und Anlegen, das Manöver Mann-über-Bord und Kurshalten. Als wir übers Wasser glitten, regnete es ununterbrochen. Der Ex- Marine-Kapitän zog ohne Ansehen der Person durch. Ich tropfte wie nach einem ausführlichen Duschbad und lernte, mit dem Motorboot im Strom zu stehen, was ganz offensichtlich im Regen genauso funktioniert wie bei Sonnenschein. Nach dem Wasserausflug standen wir noch auf dem Steg, um die Seemannsknoten zu üben: Achtknoten, Belegen einer Klampe, Kreuzknoten, Palstek, Rundtörn mit zwei halben Schlägen, Schotstek, Slipstek, Stopperstek, Webeleinstek. Bei der Praxisprüfung werden die alle verlangt. Einen Tag vor dem Theorie-Test rechnete ich nochmals alle Navigationsaufgaben durch, in der Nacht nahm ich mir im Internet erneut alle Fragen vor und glaubte mich gut vorbereitet. Ein wenig Trost gab mir die Aussicht, dass die theoretische und die praktische Prüfung unabhängig voneinander absolviert und gewertet werden. Der Tag der Prüfung verursachte mir dennoch leichte Magenbeschwerden. In den Räumen des Pirnaer Ruderverein 1872 e. V. trafen sich die Studenten und ich sowie Prüflinge aus anderen Städten, die Seminare bei Ausbilder Schädlich absolviert hatten. Die Prüfungskommission nahm sich ausgesprochen ernst. Jegliches Spicken oder der Versuch eines Gesprächs mit dem Nachbarn wurde mit der Androhung des Nichtbestehens unterbunden. 30 Fragen und eine Navigations-Kartenaufgabe waren zu beantworten, anschließend kam die praktische Prüfung mit dem Motorboot auf dem Wasser. Ja, ich habe bestanden. Aber ich gestehe, dass ich nicht damit gerechnet hatte, so verdammt viel dafür tun zu müssen. Jetzt freue ich mich auf die Aussicht, irgendwann mit dem Segelboot meine Rente zu durchkreuzen. Teledoktor ersetzt den Hausarzt man das an einem bestimmten Signal erkennen könne – zum Beispiel, dass die Nase des Kindes wackelt. Zukünftig wird Ihr Nachwuchs versuchen, die Nase zu verdecken oder das Gesicht abwenden, wenn es gelogen hat, um Ihren prüfenden Blicken auszuweichen. Diese Methode funktioniert im Alter zwischen vier und elf Jahren ausgezeichnet. Im Umgang mit schwindelnden Kindern hat sich vor allem bewährt, ein gutes Vorbild zu sein. Ihr Nachwuchs ist ein wahrer Meister darin, Sie zu kopieren. Umso wichtiger ist es, Werte vorzuleben. Oft hörte ich meine Eltern sagen: „Starke Persönlichkeiten zeichnet aus, dass sie zu ihren Fehlern stehen.“ Die Wirkung war nachhaltig. Bleiben Sie auch nachsichtig, wenn es sich um Notlügen der Kinder handelt, um die Gefühlswelt anderer nicht zu verletzen. Denn mitunter fängt das eigene Lügen schon mit dem „Guten Morgen“ an. Robert Körner ist Kommunikationscoach in Pirna. Er schult, mimische Signale zu entschlüsseln und Persönlichkeitstypen zu identifizieren. web www.camupskoerner.de Moderne Technik soll Medizinern und Patienten Wege und Zeit ersparen. Das Projekt ist Vorbild für ganz Deutschland. Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute – doch ehe Patienten in die Hände eines Spezialisten gelangen, vergeht oft viel zu viel Zeit. Aus diesem Grund haben sich in Sachsen kleine Kliniken mit sogenannten Schlaganfallzentren vernetzt. Per Ferndiagnose können Experten dann Tipps für eine optimale Behandlung geben. Das SOS-Net ist eines von rund 200 Telemedizin-Projekten in Deutschland. Allerdings soll es nur der Anfang sein: Zurzeit errichten das Carus Consilium Sachsen (CCS) und die Deutsche Telekom eine Plattform, die die Telemedizin für viele Fachbereiche möglich macht. Damit soll die Versorgung von rund 1,6 Millionen Menschen in ganz Ostsachsen – von Meißen bis Görlitz – verbessert werden. Es ist das größte Telemedizin-Projekt in Deutschland und Vorbild für ähnliche Vorhaben in ganz Europa. EU und Freistaat fördern es mit 9,8 Millionen Euro, hinzu kommen Eigenmittel der Beteiligten. Das CCS ist eine Tochter des Dresdner Uniklinikums. Weil bei den Ferndiagnosen riesige Datenmengen versandt werden, knüpft die Telekom ein neues Netz geschützter Datenleitungen. Außerdem wird ein zentrales Rechenzentrum in Frankfurt/M. installiert. Wie die Initiatoren mitteilten, soll die Plattform ab Juli 2015 voll im Einsatz sein. Bis dahin wird die neue Technik an drei Pilotprojekten erprobt. „Tele-Stroke“ richtet sich an Schlaganfallpatienten: Speziell ausgebildete Neurologen und Therapeuten in Dresden, Arnsdorf und Zittau überwachen ihre Patienten aus der Ferne und können bei Bedarf Behandlungen durch den Hausarzt veranlassen. Patienten mit Herzschwäche werden vom Dresdner Herzzentrum mithilfe eines Tablet-PCs betreut. Pathologen verschiedener Kliniken können über die Plattform Bilder von Gewebeschnitten für einen zweiten Befund austauschen. (SZ/sk)