Warum Wissensvermittlung oft versandet

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BERATUNGSBRIEF 09/15 – SEITE 13
Wissen professionell vermitteln:
Warum Wissensvermittlung oft versandet
Menschen Wissen und Können vermitteln – vor dieser schwierigen Aufgabe stehen nicht nur Trainer und Lehrer. Auch Führungskräfte und Ausbilder müssen im Betriebsalltag oft Know-how weitergeben. Mit der ANKERStrategie gelingt ihnen das ganz leicht.
Von Sabine Prohaska
„Wann merkt sich der das endlich?“ Das denken Führungskräfte und Ausbilder zuweilen, wenn sie einem Mitarbeiter
oder Kollegen einen Sachverhalt schon mehrfach erklärt
haben. Und nicht selten haben sie sogar das Gefühl: „Der ist
etwas schwer von Begriff.“ Doch Vorsicht! Wenn ein Mitarbeiter oder Kollege sich etwas nicht merkt, sind selten eine
mangelnde Intelligenz oder ein fehlendes Interesse die Ursache hierfür. Meist liegt es an der Wissensvermittlung, wenn
Botschaften nicht wie gewünscht ankommen.
Wollen Sie es sich künftig ersparen, Dinge mehrfach zu
erklären? Wenn ja, dann merken Sie sich das Wort „Anker“.
Jeder seiner fünf Buchstaben steht für eine wichtige Regel, die
es beim Vermitteln von Wissen zu beachten gilt. Sie lauten:
gesagt, entsteht vor Ihrem geistigen Auge beispielsweise
folgendes Bild: Sie sitzen mit Kollegen in einem Raum. Vor
jedem liegt ein Blatt Papier. Alle schreiben wie wild. Nur Ihr
Papier ist leer. Dabei ist die Prüfung bald vorbei. Angstschweiß
rinnt über Ihre Stirn und Ihre Hände sind feucht.
Warum erfolgt diese Reaktion? Das menschliche Gehirn
assoziiert Wörter mit Gegenständen und Tätigkeiten. Die
Worte „Baum“ und „hüpfen“ rufen zum Beispiel konkrete
Bilder in unserem Kopf hervor. Das Wort „nicht“ hingegen
lässt kein Bild entstehen. Also wird es von unserem Gehirn
auch nicht unmittelbar verarbeitet. Häufig fällt es sogar unter
den Tisch. Dann tun oder denken wir genau das Gegenteil
von dem Gesagten.
 Anfang und Ende der „Unterweisung“ mit den wichtigsten
Noch ein Beispiel: Ein Ausbilder will die Einführung in ein
Informationen bestücken. Denn: Was zu Beginn und am
Schluss gesagt wird, bleibt am ehesten im Gedächtnis
haften.
 „Nein“ und „nicht“ vermeiden. Denn: Diese Begriffe ignoriert unser Gehirn.
 Kurz fassen. Denn: Das Kurzzeitgedächtnis, die Pforte zum
Langzeitgedächtnis der Menschen, hat eine begrenzte
Kapazität.
 Emotionen hervorrufen und Bilder verwenden. Denn: Gefühle regen das Gehirn an.
 Relationen zum Wissen des Vis-à-vis herstellen. Denn: Infos, die ein Mensch in Beziehung zu bereits vorhandenem
Wissen setzen kann, verankern sich leichter.
EDV-Programm locker gestalten. Also sagt er scherzhaft:
„Kein Panik! Sie brauchen hierfür ja keine Programmiersprache lernen“. Dann steht in der Pause mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit ein Auszubildender vor dem Ausbilder
steht und sagt: „Ich hätte da mal eine Frage wegen der
Programmiersprache.“ Denn sein Gehirn hat das Wort
„keine“ ignoriert. Im Gedächtnis blieb nur die Information
„Programmiersprache lernen“.
Regel 1: Wichtige Infos an den Anfang und
das Ende stellen
Sie wollen bei einer Person etwas bewirken? Dann sollten
Sie Nicht-Botschaften vermeiden. Überlegen Sie stattdessen,
welche positiven Bilder und „Drehbücher“ Sie in den Köpfen
Ihrer Zuhörer aktivieren möchten. Und lassen Sie das Unerwünschte einfach weg.
Regel 3: Sich kurz fassen
Die Informationen, die wir zuerst oder zuletzt hören, merken
wir uns am ehesten. Diese Erkenntnis der Lernpsychologie nennt
sich „Primacy-Recency-Effekt“. Wegen ihm achten zum Beispiel
Marketingexperten beim Verfassen von Werbetexten besonders
auf deren Anfang und Ende. Nutzen auch Sie diesen Effekt. Stellen Sie zum Beispiel bei Gesprächen mit Mitarbeitern die wichtigsten Botschaften konsequent an den Anfang und Schluss.
Leiten Sie das Gespräch zum Beispiel mit einer Übersicht ein:
„Ich möchte mit Ihnen darüber reden, wie Sie ….“ Und schließen
Sie mit einem Fazit, das die Kernbotschaften zusammenfasst:
„Besonders wichtig ist, erstens: .... Zweitens: ....Drittens: ....“
Diesen Effekt können Sie auch zum Beeinflussen von Entscheidungen nutzen. Untersuchungen zeigen: Die am Anfang
und Schluss genannten Argumente haben auf Entscheidungen den größten Einfluss. Überlegen Sie sich also genau, in
welcher Reihenfolge Sie Ihre Argumente vortragen.
Wenn Sie einer Person Infos geben, dann werden diese
zunächst im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Und erst von
dort gelangen sie ins Langzeitgedächtnis. Jedoch nur unter
folgender Bedingung: Das Kurzzeitgedächtnis wird zwischenzeitlich nicht überlastet. Denn seine Speicherkapazität ist
begrenzt. Prasseln zu viele Infos zugleich auf es ein, werden
die älteren Infos sozusagen gelöscht, um den neueren Platz
zu machen.
Als Faustregel können Sie sich merken: Das Kurzzeitgedächtnis kann nur sieben Informationen speichern. Dann ist
seine Kapazität erschöpft. Das können sieben Namen, Zahlen
oder Bedeutungszusammenhänge sein. Packen Sie also nicht
alles Wissenswerte in eine „Lerneinheit“. Beschränken Sie
sich auf die wichtigsten Punkte. Was weniger wichtig ist, können Sie Ihren Mitarbeitern oder Kollegen später mitteilen.
Regel 2: Die Worte „Nein“ und „Nicht“ vermeiden
Regel 4: Emotionen ecken und Bilder nutzen
Stellen Sie sich einmal vor, ein Ausbilder rät Ihnen: „Denken
Sie nicht an die Klausur.“ Was geschieht? Kaum hat er dies
Gefühle beeinflussen das Lernen. Untersuchungen zeigen:
Vor allem positive Gefühle regen das Fortsetzung auf Seite 14
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Gehirn zum Lernen an. Und wie wohl
sich eine Person beim Lernen fühlt, hängt vor allem von der
Lernatmosphäre ab.
Für eine positive Lernumgebung sind vor allem zwei Punkte
entscheidend.
1. das Zugehörigkeitsgefühl. Menschen lernen besser und
leichter mit anderen. Besonders wichtig ist diese Erkenntnis, wenn es um Verhaltensänderungen geht. Denn hierfür
genügt nicht die Lektüre von Büchern. Auch ein Ausprobieren und Sammeln von Erfahrung ist wichtig – zum Beispiel
in Rollenspielen.
Damit Menschen in solchen Spielen über ihren Schatten
springen, müssen sie jedoch das Gefühl haben: Ich werde
akzeptiert. Niemand lacht gehässig über mich, wenn ich etwas
falsch mache. Niemand denkt: Was für ein Versager. Dieses
Gefühl „Ich gehöre dazu und bin akzeptiert“ müssen Sie – und
die anderen Gruppenteilnehmer – den Lernenden vermitteln.
2. das Gefühl von Wachstum. Also das Gefühl „Ich kann es,
...“, „Ich schaffe es, wenn ...“ Eine Voraussetzung hierfür
sind Aufgaben, welche die Lernenden fordern, aber nicht
überfordern. Denn jede gelöste (Teil-)Aufgabe ist ein Erfolgserlebnis. Und Erfolgserlebnisse lösen in uns Glückshormone aus. Und diese motivieren uns wiederum, den
nächsten Schritt zu wagen.
Wenn Sie die Aufgaben entsprechend gestalten, können
Sie bei Ihren Mitarbeitern oder Kollegen eine Kettenreaktion
auslösen. Es entsteht sozusagen ein Motivationskreislauf aus
„Lernen, Erfolg haben, Glück empfinden und wieder lernen“,
der im Idealfall süchtig macht.
Und noch ein Tipp: Verpacken Sie die Lerninhalte in Bilder
und Geschichten statt abstrakte Begriffe und Formulierungen zu verwenden. Denn erst Beispiele, Anekdoten
und Bilder lassen die Infos im Kopf des Gegenübers
lebendig werden und lösen in ihm Gefühle aus. Deshalb
verankern sie sich besser.
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Regel 5: Relationen herstellen
Für das Vermitteln von Wissen gilt wie für den Gartenbau: Ein guter „Gärtner“ ist, wer aus dem Vorhandenen
das Bestmögliche schafft. Um die schönsten Blumen oder
dicksten Kartoffeln zu züchten, muss ein Gärtner wissen:
Wie ist der Boden beschaffen? Entsprechendes gilt für
Wissensvermittler. Bringen Sie also vorab in Erfahrung:
Was weiß mein Gegenüber bereits? Und: Welche Themen
interessieren ihn? Dann können Sie auf das vorhandene
Know-how aufbauen, und Sie vermeiden ein Über- und
Unterfordern. Sie können zudem Verbindungen herstellen
zu den Themen, die die Lernenden interessieren – zum Beispiel Mode, Autos, Fußball. Sie können zum Beispiel sagen:
„Ein Arbeitsteam funktioniert wie eine Fußballmannschaft.
Wenn nur ein Spieler rennt und zehn gelangweilt herumstehen, gewinnt man kein Spiel.“ So verpackt verankern sich
Botschaften leichter.
Lernprozesse lassen sich mit einer Busroute mit mehreren Stationen vergleichen. Sie sind als Führungskraft oder
Ausbilder der Busfahrer. Also sollten Sie wissen, an welcher
Haltestelle die Lerner stehen. Dann können Sie diese dort
abholen und mit dem Bus zum Ziel bringen. Denn Menschen
haben nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern
auch verschiedene Interessen, Kenntnisse und Erfahrungen.
Also müssen sie an verschiedenen Haltestellen abgeholt
werden.
Zur Autorin: Sabine
Prohaska
ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen seminar consult prohaska, Wien. Sie ist
unter anderem Autorin der Bücher „Erfolgreich
im Training - Praxishandbuch“ und „Coaching
in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden
für unterschiedliche Coaching-Anlässe“. Auf der Webseite ihres
Unternehmens können Interessierte ein kostenloses E-Book
zum Thema ANKER-Strategie anfordern (Internet: www.seminarconsult.at).
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