MARKETING Spiez hat die Kräfte im Ortsmarketing gebündelt Die Berner Oberländer Gemeinde Spiez geht im Bereich Ortsmarketing einen interessanten Weg. Seit Anfang 2010 sind alle Aktivitäten in der Standortpromotion in einer Aktiengesellschaft zusammengelegt – die politische Gemeinde ist Hauptaktionär. Gemeindepräsident Franz Arnold ist von der neuen Lösung überzeugt. Wie andernorts waren in der amThunersee gelegenen Berner Gemeinde Spiez bis vor einigen Jahren verschiedene Organisationen im Bereich Standortpromotion tätig: drei Tourismusvereine, vier Ortsvereine, drei Burgergemeinden und mehrere andere Organisationen. Und es gab ein grosses freiwilliges Engagement vorab in den über 100 Vereinen. «Alle wollten bezüglich Vermarktung nur das Beste», stellt Gemeindepräsident Franz Arnold fest. Aber die Aktivitäten waren nicht immer optimal aufeinander abgestimmt, und Synergien blieben ungenutzt. 2003 stellte man sich in Spiez die Frage, wie die Bestrebungen im Marketing kanalisiert werden könnten. Im Parlament gab es einen politischen Vorstoss, die Tourismusbüros zusammenzulegen. Aufgrund der Vorschläge eines externen Beraters wurde danach der Verein Spiezaktiv gegründet. Mit dabei waren das Gewerbe, der Tourismus, die Parteien und die Vereine. Das Sekretariat wurde von der Gemeindeverwaltung wahrgenommen. Gestützt auf die Erfahrungen der ersten zwei Jahre beschloss der Gemeinderat die Schaffung einer 60%-Stelle, die direkt in der Gemeindeverwaltung integriert war. Damit konnte dem Begehren nach mehr Professionalität im Bereiche Standortmarketing entsprochen werden. Knappe Finanzen, überhöhte Erwartungen von allen Seiten und ein zu kurzer Atem für die Umsetzung von Projekten nennt Arnold als Gründe für das Scheitern dieses Organisationsmodells. Es zeigte sich, dass die engagierten Personen und Organisationen wertvolle Arbeit leisteten, die Koordination aber oft fehlte. Reformprojekt Ortsmarketing lanciert Vor diesem Hintergrund wurde 2008 das Projekt Reform Ortsmarketing lanciert. Als externer Begleiter wurde der Marketingberater Daniel Fischer engagiert; er hatte zuvor ein Grundsatzpapier mit dem Titel «Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing» verfasst. Fi30 Der Betrieb des Info-Centers Spiez und Faulensee ist eine der Kernaufgaben der Spiez Marketing AG. Bild: zvg scher stellte fest, die verstärkte Konkurrenz unter den Standorten erfordere ein professionelles Marketing. Er schlug vor, die Kräfte in den Bereichen Wohnortsmarketing, Tourismusmarketing, Wirtschaftsförderung und Citymanagement unter einem Dach mit einer gemeinsamen Strategie zu bündeln. Der Gemeinderat hat dem Modell einer Gesamtorganisation Ortsmarketing zugestimmt und die verschiedenen Akteure – Spiezer Agenda 21, Spiezaktiv, Tourismusvereine Spiez und Faulensee sowie Gewerbeverband – mit ins Boot geholt. Für die Umsetzung wurde der externe Berater beigezogen und der damals bei der Gemeinde für das Ortsmarketing Verantwortliche als Projektleiter eingesetzt. Die beteiligten Organisationen stimmten Anfang 2009 dem neuen Modell im Grundsatz zu, und die Öffentlichkeit, die politischen Parteien, die Vereine und Organisationen wurden über das Projekt informiert. Die Spiez Marketing AG wird gegründet Gemeinderat und Grosser Gemeinderat stimmten im Mai 2009 der Gründung der Spiez Marketing AG zu und bewilligten für die Zeichnung des Aktienkapitals einen Verpflichtungskredit von 70 000 Franken. Gleichzeitig wurde der AG für die Jahre 2010 bis 2013 ein jährlicher Beitrag von 285 000 Franken zugesprochen. In den Jahren 2011 und 2013 erhöht sich dieser um 35 000 Franken für das Spiezer Bucht- und Seenachtsfest. Gleichzeitig strich der Grosse Gemeinderat alle bisherigen Beiträge an die verschiedenen Organisationen und Veranstaltungen. Mit den Organisationen und spezifischen Vereinen sollte gestützt auf Leistungsvereinbarungen zusammengearbeitet werden. Im Herbst 2009 wurde die Spiez Marketing AG gegründet. Hauptaktionärin ist die Einwohnergemeinde Spiez; weiter beteiligt sind der Verein Spiez Tourismus und der Gewerbeverband Spiez. 70 Prozent des Aktienkapitals hält die Gemeinde, 20 Prozent der Verein Spiez Tourismus und 10 Prozent der Gewerbeverband Spiez. Im siebenköpfigen Verwaltungsrat sitzen drei Vertreter der Gemeinde und je zwei vom Gewerbe und vom Tourismus. Der Gemeindepräsident ist von Amtes wegen VerwaltungsSchweizer Gemeinde 7/8/11 MARKETING ratspräsident. Die Politik trage die Verantwortung, und es sei entscheidend, dass die strategischen Ziele des Gemeinderates sowie die Ziele und Massnahmen der Spiez Marketing AG übereinstimmten. «Die AG muss operativ autonom wirken und entscheiden können, aber es braucht eine enge Bindung an die Politik.» Für Arnold ist dies, zusammen mit der richtigen Zusammensetzung des Verwaltungsrates, einer der Erfolgsfaktoren. Für den Gemeinderat ist es zwingend, dass er im Verwaltungsrat vertreten ist, auch wenn die Doppelrolle Verwaltungsratspräsident/Gemeindepräsident zu Interessenskonflikten führen kann. Die Vertretung des Gemeinderates garantiere die gegenseitige Information, und bei grösseren Projekten und strategischen Entscheiden könne die Politik frühzeitig Stellung nehmen, stellt Arnold fest. Aufgrund des gezeichneten Aktienkapitals ist sichergestellt, dass die Gemeinde an der Generalversammlung immer die Stimmenmehrheit besitzt. Dachstrategie gibt die Richtung vor Mit der Gründung der AG entstand ein Kompetenzzentrum für alle Aktivitäten der Standortvermarktung. Die Mittel der Gemeinde werden über die neue Firma eingesetzt, und es wurde eine schlanke Organisation als Public Private Partnership für alle beteiligten Partner geschaffen. Das neue Unternehmen soll alle ortsmarketingrelevanten Kräfte bündeln, die Ressourcen effizienter und zielgerichteter einsetzen und die Leistungsvereinbarungen transparent ausgestalten. Gleichzeitig sollen alle möglichen Synergien genutzt werden, um eine aktive Standortpromotion in den Bereichen Wohnen, Wirtschaft und Tourismus sicherzustellen. Die «Dachstrategie» gibt die gemeinsame langfristige Entwicklungsrichtung vor. Die Kernaufgaben der Spiez Marketing AG sind die Standortpromotion, das Führen der Marke Spiez, Eventmanagement und Eventkoordination, Entwicklung und Führung wichtiger Standortprojekte für Spiez, der Betrieb des Info-Centers Spiez und Faulensee (Gästebetreuung) sowie die regionale Vernetzung von Spiez. Freiwilligenarbeit bleibt wichtig «Man kann und soll nicht alles professionalisieren – ohne Freiwillige wird es nie gehen», betont Arnold mit Blick auf die Zusammenarbeit mit unzähligen freiwilligen Helfern, die bei verschiedenen Veranstaltungen engagiert sind. Schweizer Gemeinde 7/8/11 «Die Spiez Marketing AG ist auf die Mithilfe Freiwilliger angewiesen», macht auch Geschäftsführer Stefan Seger klar. Die Spiez Marketing AG will die vorhandenen Ressourcen in die Arbeit einbeziehen: «Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Organisationen und weiteren Akteuren», betont Seger. Er und sein Team haben in den letzten Monaten ein Konzept für die Unterstützung der Freiwilligenarbeit entwickelt. Die Spiez Marketing AG soll zukünftig eine Freiwilligenbörse betreiben und so als Drehscheibe für die Freiwilligen funktionieren. Der Gemeinderat hat diesem Projekt zugestimmt und einen Kredit gesprochen. «Die Integration der Freiwilligenarbeit in die Spiez Marketing AG macht Sinn, denn vor allem der Bereich Events hat sehr viel mit Freiwilligen und mit Freiwilligenarbeit zu tun», betont Arnold. Die Gemeinde unterstützt den Aufbau der Freiwilligenplattform mit einem Kredit von 68 000 Franken für die nächsten drei Jahre. Beach Soccer League als Highlight Die Spiez Marketing AG ist in den drei strategischen Geschäftsfeldern Wirtschaft, Wohnen und Tourismus sowie in den vier Bereichen Standortpromotion, Events, Projekte und Dienstleistungen tätig. In der Geschäftsstelle arbeiten heute sechs Personen mit zusammen 490 Stellenprozenten. Ausser der Geschäftsstelle beim Bahnhof Spiez gibt es ein Büro in Faulensee, wo von Frühling bis Herbst Gästebetreuung und ein Bootsverleih betrieben wird. Das Unternehmen ist seit Anfang 2010 im InfoCenter Spiez beim Bahnhof tätig. «Oberstes Ziel ist es», so Seger, «die Position von Spiez mit der schönsten Bucht Europas am Thunersee zu stär- Gemeinde Spiez Die Berner Oberländer Gemeinde Spiez, zu der auch die vier Dörfer Einigen, Faulensee, Hondrich und Spiezwiler gehören, zählt knapp 13 000 Einwohner. Sie ist kein typischer Tourismusort: Der Tourismus ist aber mit rund 95 000 Logiernächten und dank der vorwiegend mit dem Schiff anreisenden Tagestouristen ein wichtiger Erwerbszweig. Die Spiezer Bucht als «schönste Bucht Europas» ist im Zusammenspiel mit dem Spiezer Schloss mit Schlosspark und Schlosskirche sowie dem dahinter liegenden Rebberg die Hauptattraktion von Spiez und ein wichtiges Naherholungsgebiet. ken.» Aufgabe sei es, den Standort Spiez integral zu vermarkten und dessen Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsraum zu steigern. «Ein Hauptziel ist die nachhaltige Verankerung der Marke Spiez bei den Zielgruppen.» Im Zentrum stehen deshalb die verschiedenen Aktivitäten im Bereich Kommunikation, ein wichtiges Element ist der neue und ausgebaute Auftritt im Internet. Speziell stolz ist Seger, dass die Spiez Marketing AG die Beach Soccer League für ein Wochenende im August in die Spiezer Bucht holen konnte. Neben neuen werden aber auch traditionelle Veranstaltungen, wie das von einem Verein alle zwei Jahre durchgeführte Bucht- und Seenachtsfest, betreut. Pilotphase läuft Ende 2013 aus Bis Ende 2013 läuft die Spiez Marketing AG als «Pilotprojekt». Danach müssen die Behörden und das Volk über die Weiterführung und vor allem über den Beitrag der Gemeinde entscheiden. Das Budget beträgt aktuell rund 700 000 Franken – knapp die Hälfte davon steuert die Gemeinde bei. Ein Drittel kommt mehrheitlich aus der Kurtaxe. Hinzu kommen weitere Erträge aus diversen Dienstleistungen. Arnold ist überzeugt davon, dass die Spiez Marketing AG so erfolgreich ist, dass sie nach der Pilotphase weitergeführt und definitiv installiert wird. In diesem Sinne hofft er, das Volk werde einem wiederkehrenden Beitrag zustimmen. Seger und Arnold sind zufrieden mit den ersten eineinhalb Jahren. «Vom Anfang 2010 erstellten Massnahmenplan konnte vieles umgesetzt werden, sodass auch die Bevölkerung gesehen hat, dass etwas geht», sagt Seger. Es sei viel Knochenarbeit nötig, Konzepte allein genügten nicht. Sehr wichtig für den Erfolg sei die Kommunikation; man müsse der Bevölkerung den Schritt vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing erklären und aufzeigen, was man wolle und was man gemacht habe. Gemeindepräsident Arnolds Zwischenbilanz ist positiv: «Ich bin überzeugt vom Organisationsmodell der Spiez Marketing AG – die Politik ist eingebunden, aber die operative Ebene hat die nötige Autonomie und Handlungsfreiheit.» Die Spiez Marketing AG sei wichtig, weil damit eine zentrale Anlaufstelle und eine Koordinationsstelle für die Freiwilligenarbeit geschaffen worden sei. «Die Spiez Marketing AG ist ein überzeugendes und zukunftsträchtiges Modell», stellt Arnold fest, «das sicher auch für andere Gemeinden Vorbild sein kann.» Steff Schneider 31