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Geschichtsunterricht
Sabrina Oswald über das omnipräsente
Buzzword Storytelling und seine Bedeutung.
Interview von Sebastian Loudon | Foto von Karl Michalski
Bestseller An allen Ecken und Enden der Kommunikations­
wirtschaft poppt derzeit das Wort Storytelling auf. Was steckt
eigentlich dahinter?
Sabrina Oswald Es gibt zwei Realitäten, die dafür verantwort­
lich sind, dass Storytelling so ein Buzzword wurde: Einerseits
ist heute die Frage der Einzigartigkeit eines Unternehmens
oder eines Produktes entscheidend. Jede Marke braucht ein
Alleinstellungsmerkmal. Auf der anderen Seite gibt es seit
dem Jahr 2008 eine neue ökonomische Realität: Budgets wur­
den gekürzt, die Marketingabteilungen oft personell reduziert.
Gleichzeitig hat aber die Anzahl der Kommunikationskanäle
weiter zugenommen. Viele von denen sind außerdem inter­
aktiv, brauchen also noch mehr Aufmerksamkeit. Also: Weni­
ger Leute müssen eine Vielzahl an aufwändigeren Kanälen
­bespielen – da stellen sich eben viele die Frage: Wie schaffe
ich das überhaupt?
Was hat das mit Storytelling zu tun?
Oswald Ganz einfach: In dieser verschärften Situation ist es
von entscheidender Bedeutung, dass die Marke auf allen
­Kanälen eine ganz stringente Geschichte erzählt. Das hat
nichts mit der Positionierung zu tun, denn eine Positio­
nierung ist etwas Statisches. Stattdessen muss man eine
­Geschichte auf einer Zeitachse erzählen, immer wieder span­
nend halten und gleichzeitig sich selbst treu
bleiben. Stellen Sie sich eine Wäscheleine
vor – am Anfang steht die Positionierung,
ist seit 2009 geschäftsführende Gesellschafterin der
am Ende die Vision des Unternehmens.
Accedo Group. Zuvor war sie bei verschiedenen
Alles, was man erzählt, kommt auf diese
Werbe- und PR-Agenturen tätig. Die PR-Agentur
Wäscheleine, und was nicht draufpasst,
­Accedo mit Büros in Ungarn, Tschechien, Slowenien,
wird kon­sequent weggelassen.
Sabrina Oswald
der Slowakei und Polen hat sich in den vergangenen
Jahren mit einem eigenen Beraterteam auf
­Story­telling spezialisiert – der Claim der Agentur
lautet „Innovative Story Management“. Oswald
ist ­Speakerin auf Konferenzen zum Thema
Story­telling und betreibt dazu auch einen Blog
(www.brienchen.wordpress.com).
Storytelling ist also eine Maßnahme für
mehr Effizienz?
Oswald Ganz genau. Aber das ist eine gute
Nachricht!
Was braucht eine gute Story?
Oswald Wie immer schon in der Menschheits­
geschichte: die richtige Mischung aus Fakten
und Emotion. Die große Kunst in der Kom­
munikation heute ist es, alle Mitarbeiter und Agenturen dazu
zu bringen, in Summe diese eine Geschichte zu erzählen. So,
dass sich der Konsument, wo immer er mit der Marke in
­Berührung kommt, irgendwie in der Geschichte wiederfindet.
Und was am meisten hilft: bildhafte Geschichten, denn nichts
stimuliert die Emotionen so sehr wie Bilder. Zwei Dinge muss
das Marketing heute planen, die Dramaturgie – also welche
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Episoden will ich erzählen – und die
Inszenierung – in welchen Kanälen
erzähle ich sie – und da hat jedes
Medium seine Berechtigung. Wenn
man diesen Plan klar vor Augen hat,
kann man sehr effektiv und effizient
kommunizieren. Denn wenn man
die Geschichte in den Mittelpunkt
rückt, kommt man vielleicht plötz­
lich drauf, dass man sich manche
Maßnahmen komplett sparen kann
und andere dafür verstärken sollte.
Was sind gute Beispiele aus Ihrer
Sicht?
Oswald Red Bull ist sicher die Königs­
klasse. Egal welcher Touchpoint – es
fügt sich ein in das Gesamtbild der
Bestseller 11|12 2012
„Storytelling ist die
integrierte Kommunikation
des dritten Jahrtausends.“
Sabrina Oswald
Marke. Ein anderes Beispiel ist die
Marke Sonnentor. Auch hier zahlen
alle Wahrnehmungen der Marke auf
die Geschichte ein – vom Unterneh­
mer Johannes Gutmann und seiner
Lebensgeschichte über die Produkt­
philosophie, die Verpackung, die
­Geschäfte und so weiter. Gutes
­Storytelling bietet immer auch eine
Projektionsfläche.
Das erinnert doch sehr an die Predigten
für integrierte Kommunikation?
Oswald In Wahrheit ist Storytelling
auch nichts anderes: die integrierte
Kommunikation des dritten Jahr­
tausends. Es ist jedenfalls ein Meta­
thema der Kommunikation und ein
Bestseller 11|12 2012
effizienter Ansatz für die Führung
einer Marke. Und es erinnert sehr
an die Entstehung eines Films. Bei
zwei Projekten haben wir jetzt auch
­Regisseure und Drehbuchautoren
dabei. Das war gar nicht einfach
dem Kunden zu erklären, aber es
hat sich gezeigt, wie bereichernd es
ist, jemanden hinzuzuziehen, der
sich mit Dramaturgie und Inszenie­
rung perfekt auskennt.
Erzählen Sie mehr davon …
Oswald Ein Projekt ist in der Nah­
rungsmittelbranche beheimatet.
Konkret geht es darum, wie man
Qualitätsmerkmale wie „gesund“
und „natürlich“ über einen längeren
Zeitraum so kommunizieren kann,
dass es nicht fad wird. Der Kunde
weiß, wo er hin will, und jetzt will
er definieren, wie er am besten dort
hinkommt. Im Workshop waren
­Regisseur und Drehbuchautor dabei
und haben mitgeholfen, die Zeit­
achse so zu planen, dass Emotionen
aufgebaut werden, die Spannung der
Geschichte nicht verloren geht und
so weiter. Markenarbeit hat eben
sehr viel mit Dramaturgie zu tun,
und große Marketer haben das
­Talent, gute Geschichten erzählen
zu können, mit ganz wenigen
­Worten ein ganz klares Bild im Kopf
zu ­erzeugen.
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