Nachhaltigkeit neu erzählen: von der Phrase zur Geschichte Eine journalistische Erkundung mit Dr. Torsten Schäfer 1 A. Er hat keine kleine Aufgabe... ...denn unser Zeitalter endet, wenn Stratigraph Zalasiewicz fündig wird. 2 A. Mensch = größte geologische Kraft • Jan Zalasiewicz, University of Leicester, Arbeitsgruppenleiter bei der Kommission für Stratigraphie (ICS) = Schichtenkunde • Aufgabe: In den Erdschichten zu beweisen, dass der Mensch die maßgebliche umweltverändernde Kraft ist • ICS entscheidet über Anthropozän, „Zeitalter des Menschen“ (P. Crutzen 2002) Ende des Holozän, Indizien: • Mensch hat 75 % der Erdoberfläche umgestaltet • Wir bewegen mehr Sedimente als Wind, Regen, Flüsse • Klimawandel Versauerung der Ozeane Meeresboden • Artensterben, Artenerzeugung, künstliche Artenverbreitung 3 A. Von der Schichtenkunde zum grünen medialen Wandel •„Epochaler“ Arbeitsauftrag zeigt Ausmaß der Umweltzerstörung, Größe des Problems, Zusammenfassung vieler Studien, Warnungen • Ressourcen, andere Wirtschaftsweise das Zukunftsthema • Überschrift: Nachhaltigkeit. Enorm viel Output in Wissenschaft; Zivilgesellschaft, Wirtschaft (NH als Marketingtool) • Medialer Wandel: Viele Artikel (Studien Dortmund/Lüneburg), viele Formen: Serien, Rubriken, Magazine, Sendungen, Blogs • 3 Gründe, zu berichten: Relevanz, Werbekunden, Wirkungsabsicht 4 A. Grüner Medienwandel 5 A. Grüner Medienwandel: lustvoll Cover DIE ZEIT 13/2013 6 A. Grüner Medienwandel: jung Cover natur 6/2012 7 A. Nachhaltigkeit: begriffliche Gefahren • NH = werbeträchtig, Lifestyle Greenwashing • Begriff abgedroschen= unklar für Leser und Journalisten • Prof. Dr. Béatrice Dernbach, Hochschule Bremen: NH „zu komplex, zu langfristig, ohne spektakuläre Erkenntnisse. Kurzum: nicht wirklich sexy.“ Stars? Prominenz? • Ebenso unklar: ökologische Zusammenhänge = viele Klima/ Energie/Umwelt-Studien Grundproblem des WJ, der NHThemen oft bearbeitet • Test: Was heißt Nachhaltigkeit für Sie? Gib es ein Synonym? A. Ein Test auf dem GEO.de-Blog Fazit: Komplexes, unklares Feld Aber: Enorme Relevanz und journalistische Chancen Wie besser vermitteln? 9 B. Von den Fakten zur Geschichte • Expertenurteil: Von den Fakten zur Geschichte = 1. Weg, Andrew Revkin (NYT): „the story of the century“ • Forschung: Storytelling und NH? Univ. Lüneburg, HS DA • Redaktion Kampf der Unverständlichkeit (Wissenschaft, Behörden), konkrete, bildliche Sprache = 2. Weg • Aber: PR in der Formenvielfalt weiter (Neu: Klima-Comic) B. Journalistisches Storytelling: Grenzen • story for the story vs. story for information • Prof. Dr. Karl Renner, Univ. Mainz: Das Erzählen von Geschichten ist nicht identisch mit journalistischem Informieren.(...) Naives Storytelling wird den Anforderungen des Journalismus nicht gerecht. • Story aus 2. Hand: Heribert Prantl, SZ, René Pfister, Spiegel • Problematisch: Sportjournalismus Übermaß von Anekdoten • Wie Fakten und Geschichte verbinden? Rahmen klären: Wie haben sich Lesen und Schreiben verändert? B. Der Erzählrahmen: veränderte Schreib- und Lesekulturen • Wie werden Geschichten heute gelesen? Schluss zuerst lesen, vorausblättern, überfliegen = eiliger, suchender, zerstreuter • Studien Stiftung Lesen: Ergebnis- statt erlebnisorientiertes Lesen • Wie hat sich die Sprache verändert (Kollegenbefragung)? Trends: • Personalisierung, Emotionalisierung, Individualisierung • direkter, schneller, subjektiver, auch flapsiger • Kürzere Texte, mehr Rubriken, nachrichtenorientierter 12 B. Storytelling: Grundlagen • Es geht um Gefühle, Beziehung, Erfahrung. • „Nicht Fakten und Daten, sondern Gefühle, Geschichten und v. a. andere Menschen bewegen“ (M. Spitzer, Hirnforscher) • 3 Elemente: Mensch, Ort, Handlung: Was da, was finden? • Chronologie: Anfang, Mitte, Ende: Wie ist mein Ablauf? • Storypunkte: Konflikte, Wendungen, Fallhöhen, Kontraste B. Checkliste für Storytelling • Held 1: nötig, durchläuft Wandlung casten, schon da? • Held 2: echt, unecht Haupt- und Nebenfiguren festlegen • Handlung 1: Zuschnitt: Thema Fokus Story; aufsagen • Handlung 2: Aussage finden, was hat bei Recherche bewegt? • Ort: einer, mehrere? Wie wichtig, nötig? Inszenieren? B. Storytelling: komplexe Stoffe • Geschichte hinter der Nachricht/Sachthema suchen • Übung: Person im Umkreis Welche Gefühle? Wie rankommen? Rechercheplan • Alternative Protagonisten: Tiere, Pflanzen, Gegenstand • Komplexe Themen nicht in Überschrift trojanische Strategie: Erst Geschichte/Beispiel, dann Oberthema • Neue Formen: Komplexe Stoffe in kreative Gefäße gießen B. Neue Rahmen: Produktgeschichte Hamburger Abendblatt, Serie ab 4/2013, Woher kommt unser Essen? Weltweite Recherchen zu verschiedenen Produkten B. Rahmen: Selbstversuch (fremd/eigen) Cathrin Kalweit: Von der Kunst, ohne Plastik zu leben, SZ, 2012 B. Rahmen: Patchwork-Erzählungen GEO International: 38 Naturgeschichten, 30 Länder, 2010 B. Rahmen: Heldengeschichte (Form) Sven Becker: 33 Jahre für den Protest, Spiegel Online, 2010 C. Ein Hilfsmittel: die Erzählleiter • Abstraktion Halbabstraktes Konkretes • SpOn: ...Bier gekauft und in der Scheune seines alten Bauernhauses Feuer gemacht. Es riecht nach Qualm, der Wind pfeift durch das offene Tor. • Bsp. Landwirtschaft Subvention Milch/Kuh • Bsp. Klimawandel Hochwasser überschwemmter Keller C. Online erzählen – durch Formenvielfalt Flash-Gallerie mit Porträts der Akteure Castor-Karte Castor-Lexikon Chronologie-Porträts Video-Grafik D. Ein Fazit als Chancenanalyse • Storytelling lernen/testen die Technik, um Stoffe zu vermitteln, für die Personalisierung/Emotionalisierung fehlen • Erzählchancen: kurzen Formen, Online/multimedial • NH neuer Kosmos, erst „anerzählt“. Neue Themen: Ernährung, Frau, Migration, Gerechtigkeit, neue Wirtschaften, Partizipation • Mut haben! Trotz der Krise • Neugründungen BRD/USA; Geburt eines neuen Erzählmediums: Apps (Al Gore, GEO) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23