darüber strukturen

Werbung
PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND LANDESVERBAND BAYERN e.V. | www.paritaet-bayern.de
Mit dem Begriff „Inklusion“ wird ein Perspektivwechsel im Zusammenleben von Menschen mit
und ohne Beeinträchtigungen beschrieben, der über Integration hinaus geht. Im Fokus stand
bislang die individuelle Teilhabefähigkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen. Dabei ging es
in erster Linie um die Integration in bestehende Strukturen und den Ausgleich von Nachteilen. In
der Inklusionsdebatte tritt der Blick auf die Möglichkeiten zur Teilhabe neu hinzu: Wie müssen die
Strukturen in unserer Gesellschaft umgestaltet werden, damit sich Menschen mit Beeinträchtigungen
am Alltagsleben beteiligen können, ohne auf Hindernisse zu stoßen? Im Unterschied zu Integration
bedeutet Inklusion, die Teilhabefähigkeit der/des Einzelnen und die Teilhabemöglichkeiten der
Gesellschaft in Einklang zu bringen.
1. Inklusion braucht Menschen mit Beeinträchtigungen als Experten
Einrichtungen und Fachleute haben viel zur Verbesserung der Situation von Menschen
mit Beeinträchtigungen in der Gesellschaft beigetragen und versucht, deren Interessen zu
vertreten. Ohne dieses Engagement wäre unsere Gesellschaft heute eine andere. Für die
Umsetzung von Inklusion ist es jedoch unabdingbar, dass Menschen mit Beeinträchtigungen
selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Hierzu ist es wichtig, sie als Experten
in eigener Sache anzuerkennen und zu beteiligen. Dieses Expertentum sieht der Paritätische
in Bayern als Grundlage für eine inklusive Gesellschaft.
2. Inklusion braucht eine Gesellschaft, die sich ihrer Exklusion bewusst ist
Menschen mit Beeinträchtigungen werden oft in Spezialeinrichtungen betreut. Sie
werden deshalb im alltäglichen gesellschaftlichen Leben wenig wahrgenommen. Die
Gesellschaft ist sich oft nicht darüber bewusst, dass sie viele Menschen von der Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben ausschließt. Kompetenzen im Umgang miteinander werden so
erst gar nicht erlernt und erprobt. Teilweise erfolgt Exklusion aber auch bewusst, weil sich
dadurch die Gesellschaft und ihre Bürgerinnen und Bürger „entlasten“.
Der Paritätische fordert Schritte in eine Gesellschaft, die sich ihrer Exklusion und ihrer Motive
dafür bewusst wird, in ihrer Mitte Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen macht und
mit ihnen selbstverständlich zusammenlebt.
3. Inklusion braucht neue strukturelle Rahmenbedingungen in der Gesellschaft
DieTeilhabefähigkeiten des Individuums und dieTeilhabemöglichkeiten, die eine Gesellschaft
bietet, müssen einander entsprechen. Ein konstruktiver Dialog über Inklusion muss die
Teilhabemöglichkeiten der Gesellschaft, der Wirtschaft, der öffentlichen Infrastruktur – der
Schulen, Behörden, Verkehr, etc. – überprüfen und die Strukturen entsprechend anpassen.
Der Paritätische fordert eine breite Diskussion darüber, wie die strukturellen Rahmenbedingungen verbessert werden können, damit für Menschen mit Beeinträchtigungen die
Teilhabe in unserer Gesellschaft uneingeschränkt gewährleistet wird.
4. Inklusion muss eine Verpflichtung für den Sozialstaat sein
Ziel des Sozialstaats muss es sein, allen Menschen Teilhabe und aktive Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das Credo des „aktivierenden“ Sozialstaates
„Fördern und Fordern“ bildet auch den Hintergrund der Diskussion um Inklusion. Fördern
und Fordern sind dabei auch als Auftrag an die Gesellschaft zu verstehen.
Inklusion verpflichtet den Sozialstaat dazu, Menschenrechte zur Grundlage des
Zusammenlebens zu machen und nicht den Vollzug arbeitsmarktpolitischer oder
wirtschaftlicher Interessen.
Der Paritätische fordert, dass der Sozialstaat das Credo des „Förderns und Forderns“
auch gegen sich selbst gelten lässt und nicht nur seine Bürgerinnen und Bürger damit
konfrontiert.
Foto: Hollerhaus Ingolstadt
Zehn Forderungen zur Inklusion
5. Inklusion braucht zur Verwirklichung den Sozialraum
Inklusion braucht zur Verwirklichung vor Ort neben dem politischen Willen und strukturellen
Rahmenbedingungen auf Landes- und Bundesebene den Sozialraum. Hier werden die Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld erreicht. Inklusion betrifft dabei nicht nur soziale
Einrichtungen, sondern den Sozialraum in seiner Gesamtheit – die Bürgerinnen und Bürger,
den Supermarkt, den Friseur, die Arztpraxis, das Jugendzentrum, die Kirche, etc.
6. Inklusion braucht Partnerschaft
Zur Verwirklichung von Inklusion müssen alle – Menschen mit und ohne Beeinträchtigung,
Leistungsanbieter, Leistungsträger, Akteure der Sozialräume – aufeinander zu gehen und
gemeinsam an einem Strang ziehen. Partnerschaft setzt voraus, miteinander in den Dialog
zu treten und Verständnis für die Interessen der anderen zu entwickeln. Damit sich die
Gesellschaft nachhaltig in Richtung Inklusion verändert, braucht es eine Partnerschaft aller,
die die Veränderungen konstruktiv in Gang bringt. Diese partnerschaftlichen Strukturen
müssen aus- und aufgebaut werden. Der Paritätische stellt sein Know-How für die Begleitung
dieses Prozesses zur Verfügung.
7. Inklusion braucht selbstkritische Leistungsanbieter
Fachleute und soziale Einrichtungen können wichtiges Expertenwissen über eine inklusive
Gesellschaft beitragen. Hierzu bedarf es auch einer selbstkritischen Haltung gegenüber
dem eigenen Tun. Die Verdienste der Vergangenheit sollten nicht davon abhalten, für
die Zukunft über die Entwicklung neuer Leistungsformen nachzudenken. Voraussetzung
für die Entwicklung inklusiver Strukturen sind Leistungsanbieter, die bereit sind, sich den
Herausforderungen dieser neuen Aufgabe zu stellen.
8. Inklusion braucht konkrete Praxis und Modelle
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen spiegeln sich an ganz konkreten Beispielen:
Ambulantisierung z.B. scheitert oft an der Suche nach geeignetem Wohnraum oder an
den Widerständen, wenn der Wohnraum gefunden wurde. In Modellen zur inklusiven
Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen könnten Lösungen gefunden werden, wie sich
Rahmenbedingungen ändern lassen. Der Paritätische fordert Institutionen und Einrichtungen
auf, sich in (Modell-)Projekten gemeinsam mit Menschen mit Beeinträchtigungen auf den
Weg zu machen, das Leben in unserer Gesellschaft inklusiver zu gestalten.
9. Inklusion betrifft alle, nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung
In unserer Gesellschaft werden Menschen aufgrund von Eigenschaften ausgegrenzt, die nicht
als Beeinträchtigungen anzusehen sind. Menschen sind z.B. aufgrund von Armut, ethnischer
Zugehörigkeit oder sexueller Orientierung an gesellschaftlicher Teilhabe gehindert. Die
Teilhabemöglichkeiten dieser Personengruppen gehören auch in eine Diskussion über eine
inklusive Gesellschaft. Der Paritätische fordert eine Diskussion über Inklusion, die auch die
strukturelle Benachteiligung von Menschen berücksichtigt.
10. Inklusion braucht Augenhöhe und Selbstbestimmung
Menschen mit Beeinträchtigungen haben kein Interesse daran, dass andere besser als sie
selbst wissen, was sie möchten und welche Ziele sie verfolgen. Sie wollen nicht mehr Rechte
als andere, sie wollen die gleichen Rechte.
Der Paritätische fordert eine Auseinandersetzung zur Verwirklichung gleicher Rechte von
Menschen mit Beeinträchtigungen – auf Augenhöhe.
PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND LANDESVERBAND BAYERN e.V.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege
mit derzeit 770 Mitgliedsorganisationen der sozialen Arbeit in der Behindertenhilfe, der Kinder- und
Jugendhilfe, der Altenpflege, der Frauen- und Familienhilfe, Migration, Psychiatrie, Suchthilfe und in
Selbsthilfeorganisationen. Auf der Grundlage seiner Prinzipien Vielfalt, Offenheit und Toleranz setzt
sich der Paritätische in Bayern aktiv für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft ein. Er engagiert sich
sozial- und gesellschaftspolitisch, um Voraussetzungen für ein Leben in Selbstbestimmung und Teilhabe
für alle Menschen zu schaffen. Er ist parteipolitisch unabhängig und offen gegenüber Menschen aller
Religionen.
www.paritaet-bayern.de
E-Mail: [email protected]
Herunterladen