Bachelorarbeit „Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? Erklärungsversuche für den derzeitigen Zulauf zur rechtspopulistischen Partei AfD.“ URN: urn: nbn:de:gbv:519-thesis 2016 – 0445 - 8 Im Zuge des Schreibens meiner Bachelorarbeit hat sich mein Thema noch spezifiziert. ursprüngliches Thema: „Befinden wir uns in einer fremdenfeindlichen Gesellschaft? Erklärungsversuche für den derzeitigen Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien.“ neues Thema: „Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? Erklärungsversuche für den derzeitigen Zulauf zur rechtspopulistischen Partei AfD.“ abgegeben von: Romy Bußler Bachelor Soziale Arbeit Hochschule Neubrandenburg Erstprüferin: Frau Prof. Dr. Julia Franz Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. Johannes Boettner Abgabedatum: 19.07.2016 Vorwort Seit 2015, mit der medialen Aufmerksamkeit der geflüchteten Menschen einhergehend, erlebe ich eine Spaltung der Menschen bezüglich ihrer Einstellung der Geflüchteten und der deutschen Politik gegenüber. Zum einen konnte ich ein großes soziales Engagement wahrnehmen, zum anderen aber auch Skepsis bis hin zur Fremdenfeindlichkeit, die meist unterschwellig spürbar war, wohl auch darum, weil sich niemand als rechtsextrem sehen und angesehen werden möchte. Seit Ende 2015 wurde diese Skepsis meines Erachtens nach jedoch offenkundiger. Menschen, von denen ich es aufgrund ihres sozio-ökonomischen Habitus nicht erwartet hätte, bekannten sich zur AfD (Alternative für Deutschland) – einer Partei, die in der Öffentlichkeit sehr in die rechte Ecke gestellt wird. Und daraus erwuchs auch meine Idee für diese Arbeit. Rückblickend würde ich sagen, dass ich für mich selbst eine Positionierung herausfinden wollte. Ich wollte wissen, wer die AfD ist, ob sie zu Recht als „rechts“ betitelt wird und ob auch Menschen, die sich zu ihr bekennen und unter anderem auch Menschen, die ich kenne, als „rechts“ bezeichnet werden müssen. Somit verhalf mir die Arbeit zu einer Antwort auf meine Fragen und zu einer Positionierung. Ich bedanke mich auch bei meiner Interviewpartnerin, die mich einerseits zu diesem Thema anregte und mir anderseits auch für ein Interview zur Verfügung stand, welches ich aufgrund der Sensibilität des Themas nicht für selbstverständlich halte. Inhalt Einleitung ...................................................................................................................................... 1 1 Rechtsdruck in Deutschland....................................................................................................... 2 2 Die Alternative für Deutschland (AfD)...................................................................................... 4 2.1 politische Ausrichtung der AfD .......................................................................................... 6 3 politisches Einstellungsbild........................................................................................................ 8 3.1 Interview ............................................................................................................................. 8 3.2 Filmanalyse ....................................................................................................................... 11 3.3 Fazit des Einstellungsbildes .............................................................................................. 15 4 Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? ......................................................... 18 4.1 Begriffsklärung ................................................................................................................. 18 4.2 Ursachen für Rechtsextremismus...................................................................................... 20 4.2.1 Rechtsextremismus nach der Theorie der Autoritären Persönlichkeit ........................20 4.2.2 Rechtsextremismus als Folge von Frustration - Verschiebung auf Sündenböcke ......21 4.2.3 Rechtsextremismus als Folge eines Deprivations-/Mangelgefühls (RD)....................22 4.2.4 Rechtsextremismus als Folge sozialer Ungleichheit - „Desintegrationsthese“...........23 4.2.5 Fazit der Theorien .......................................................................................................24 4.3 Rechtsextremismus in der Film- und Interviewanalyse .................................................... 24 4.3.1 Das „Wir“ und das „Andere“ bzw. das „Fremde“ ......................................................24 4.3.2 Demokratieentleerung .................................................................................................27 4.3.3 Fazit: Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? ..................................28 5 Möglichkeiten der Sozialen Arbeit .......................................................................................... 32 6 Zusammenfassung.................................................................................................................... 35 7 Literatur.................................................................................................................................... 37 8 Internetquellen ......................................................................................................................... 39 Anhang ........................................................................................................................................ 40 Transkript des Interviews........................................................................................................ 40 Eidesstattliche Erklärung ........................................................................................................ 44 Einleitung Ausgehend von meiner Wahrnehmung, einerseits des großen Engagements und andererseits des wachsenden Populismus der AfD, werde ich mich in meiner Arbeit mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Ich werde die AfD ausgehend von ihrer Gründung bis heute sowie ihr politisches Programm vorstellen. Ich werde anhand eines Filmbeitrages und eines Interviews Einstellungen und Gründe, wie man sie in der deutschen Bevölkerung wiederfindet, für einen Zulauf zur oder auch nur für ein Sympathisieren mit der AfD herausarbeiten. Diese werde ich in Beziehung zu theoretischen Grundlagen des Rechtsextremismus und der Vorurteilsforschung setzten sowie sie mit möglichst aktuellen Zahlen untermauern, um letztendlich eine Antwort darauf zu finden, ob diese Einstellungen und Bewegründe rechtsextremistischer Natur sind und damit auch die Frage zu klären, ob wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft befinden. Darüber hinaus werde ich mir Klarheit über die Vielfalt der Begriffsdefinitionen, sei es Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Rassismus, schaffen und mich auf einen Begriff festlegen. Schlussendlich werde ich mich auf die Soziale Arbeit beziehen und worin ihre Verantwortlichkeit sowie ihre Interventionsmöglichkeiten liegen. Ebenfalls sei gesagt, dass ich mich in allen meinen Ausführungen ausschließlich auf Deutschland beziehe und rechtspopulistische Entwicklungen beispielsweise in anderen europäischen Ländern außer Acht lasse. 1 1 Rechtsdruck in Deutschland „Die Flüchtlingskrise wird zur Krise der deutschen Gesellschaft. Sie legt frei, was am Boden der deutschen Seele immer noch schlummert.“ 1 Die Pegida-Bewegung, die Pro-Bewegungen und jetzt die AfD. Es hat den Anschein, als würden rechtspopulistische Organisationen und Parteien in den letzten Jahren zunehmen, sich etablieren und in einem Großteil der Bevölkerung Anhänger und Befürworter finden. Nicht zuletzt die Flüchtlingskrise seit 2015 scheint für den Anklang dieser Bewegungen in der deutschen Bevölkerung beigetragen zu haben. Doch die Pro-Deutschland-Bewegung beispielsweise gibt es schon seit 2005, Pegida seit 2014, die AfD seit 2013. In der Zeit gab es noch keine mediale Aufmerksamkeit den Geflüchteten gegenüber. Insofern kann nicht allein die Flüchtlingskrise als Ursache rechtspopulistischer Strömungen angesehen werden. Dennoch werden sie häufig als Grund angeführt. Oder sollte man sagen, Flüchtlinge scheinen sich gut als „Sündenbock“ für eine allgemeine politische Unzufriedenheit eignen. Doch im Gegensatz zu den anderen Bewegungen scheint besonders die AfD spätestens seit 2015 in aller Aufmerksamkeit und hat als neue Partei beachtliche Wählerstimmen zu verzeichnen, ersichtlich in den diesjährigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg (15,1%), Rheinland-Pfalz (12,6%), Sachsen-Anhalt (24,3%) 2 und in Hessen (11,9%) 3. Somit scheint die Partei für viele Bürger Deutschlands tatsächlich die einzige Wahlalternative zu sein. Es lässt jedoch auch vermuten, dass fremdenfeindliche Vorurteile und Einstellungen in Deutschland noch immer verbreitet sind und durch die AfD an Legitimität gewinnen. Ein Wandel in der politischen Einstellung in Deutschland erkannten schon W. Heitmeyer (Studie von 2002 bis 2011) und A. Zick (weiterführende Studie bis 2014) in ihren Erhebungen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. So stellt Heitmeyer fest, dass Ausgrenzungs- und Abwertungsprozesse durch eine zunehmende Kapitalisierung des Sozialen, und einer damit einhergehenden Einteilung der Menschen 1 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsruck-in-deutschland-welches-volk-kolumne-a1079825.html, Stand: 04.06.2016 2 vgl. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlen-2016-die-ergebnisse-der-landtagswahlen-imueberblick-a-1082093.html Stand: 09.05.2016. 3 http://www.statistik-hessen.de/k2016/html/EK1.htm Stand: 09.05.2016. 2 in nützlich und weniger nützlich, begünstigt werden. So finden Ausgrenzungsvorgänge nicht nur in ökonomisch schwachen Bevölkerungsschichten statt, nein auch höhere Einkommensgruppen scheinen ihren Besitz schützen zu wollen 4. Nach dem Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) finden Ausgrenzungsprozesse zu jeglichen Gruppen statt, nicht nur zu ethnischen Gruppen. Die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft beinhaltet dabei nur einen Aspekt der GMF. Nichtsdestotrotz zeigt sich sowohl in den Studien von Heitmeyer als auch in dessen Fortführung von A. Zick, dass Ausgrenzungsprozesse und Abwertung von Gruppen in allen Bevölkerungsschichten vorkommen und man davon ausgehen kann, dass diese Prozesse sich verstärken und auch gegenüber Menschen anderer Herkunft zunehmen, wenn sich die politischen und sozialen Lebensbedingungen verändern oder als verändert und als Bedrohung wahrgenommen werden. Insbesondere führt eine zunehmende soziale Ungleichheit laut Richard Wilkinson und Katie Pickett dazu, dass sich eine Gesellschaft immer mehr „zersetzen“ würde, womit soziale Probleme und Gewalt einhergehen würden 5. Demnach scheinen politische Unzufriedenheit und soziale Ungleichheit, Ausgrenzungsprozesse gegenüber anderen Gruppen, wie nun gegenüber den Flüchtlingen, zu begünstigen, und die Bevölkerung dazu zu bringen, sich Wahlalternativen zu suchen, welche sie unter anderem in der AfD finden, was nun den Rechtsdruck für die deutsche Politik ausmacht und sie unter einen Handlungsdruck setzt. Um genauer die Hintergründe einzelner Personen betrachten zu können, warum sie der AfD beigetreten sind oder warum sie in Teilen der AfD zustimmen und sie als Wahlalternative in Betracht ziehen, werde ich ein Interview vorstellen und analysieren sowie einen Film genauer betrachten. Doch zuvor gehe ich auf die Alternative für Deutschland (AfD) ein. 4 5 vgl. Heitmeyer, 2012, S. 19 ff. vgl. Heitmeyer, 2012, S. 27. 3 2 Die Alternative für Deutschland (AfD) Als Begründer der AfD ist Bernd Lucke (Hamburger Wirtschaftswissenschaftler/ Professor) zu nennen, der bereits im Herbst 2012 die „Wahlalternative 2013“ ins Leben rief, woraus dann am 06.02.2013 die Partei „Alternative für Deutschland“ gegründet wurde 6. Hintergrund ihrer Gründung war eine Unzufriedenheit mit der Politik der etablierten Parteien, insbesondere kritisiert die AfD die Einführung des Euros sowie des Rettungsschirms für Griechenland. Darüber hinaus plädiert die AfD für die Einführung von Direktwahlen, worin sie eine Stärkung der Demokratie sehen 7. Neben Lucke sind als Mitbegründer Konrad Adam (Journalist ehemals für die FAZ und Welt sowie Buchautor) und Alexander Gauland, Joachim Starbatty sowie Beatrix von Storch zu nennen. Die AfD sieht sich als Wahlalternative zu den etablierten deutschen Parteien, wie beispielsweise CDU und SPD. Seit ihrer Gründung im Februar 2013 verzeichnet die AfD einen rasanten Zuwachs an Mitgliedern und Wählerstimmen. Bereits Ende 2013 zählt die AfD 17.250 Mitglieder 8. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap veröffentlichte im April 2013, dass 24% der Deutschen sich vorstellen könnten bei der nächsten Bundestagswahl die AfD zu wählen 9. Die AfD erklärt sich den hohen Zulauf darin, dass die sie aus der Mitte der Gesellschaft komme 10 und daher den Geist eines Großteils der deutschen Gesellschaft treffen würde. Doch trotz des schnellen Anwachsens der Partei und der zahlreichen Anhänger, sieht sich die Partei von Beginn an mit den Vorwürfen, rechtspopulistisch 11 und antidemokratisch zu sein, konfrontiert. Diese Vorwürfe sind nicht ganz unbegründet in Anbetracht polarisierender Äußerungen wie beispielsweise die von Frauke Petry auch 6 vgl. Krautkrämer, 2014, S. 15 f. vgl. Krautkrämer, 2014, S. 20 f. 8 vgl. Krautkrämer, 2014, S. 204. 9 vgl. Krautkrämer, 2014, S. 23. 10 vgl. Krautkrämer, zitiert nach Bernd Lucke, 2014, S. 27. 11 Rechtspopulismus: hohes Nationalbewusstsein mit gleichzeitiger Ausgrenzung fremder Kulturen (vgl. http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41192/was-ist-rechtspopulismus?p=0 Stand: 11.05.2016). 7 4 vor dem Gebrauch von Schusswaffen gegenüber Flüchtlinge nicht zurückschrecken zu würden 12. Auch zeigte sich die Partei in sich uneinig bezüglich ihrer politischen Richtung. Die Vorwürfe, die AfD sei eine rechtspopulistische Partei, erhärtet sich mit dem Austritt Bernd Luckes am 10.07.2015 sowie anderen ehemaligen Parteimitgliedern, die sich offen zu dem jetzigen Kurs der AfD distanzieren. „Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen. In Essen ist in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr diese Mitglieder inzwischen in der Mehrheit sind und von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei sogar noch aufgeputscht werden. Niemand widersprach unkritisch prorussischen, antiwestlichen, offen islamfeindlichen und latent ausländerfeindlichen Aussagen. Damit ist das Ringen um die Zukunft der AfD aussichtslos geworden.“ (zitiert nach Bernd Lucke) 13. Der derzeitige Bundesvorstand besteht nun aus Dr. Frauke Petry und Prof. Dr. Jörg Meuthen sowie den Stellvertretern Dr. Alexander Gauland, Beatrix von Storch und Albrecht Glaser 14, welche ausgenommen von Meuthen und Glaser an der Mitbegründung der Partei im Jahre 2013 beteiligt waren. Am 30. April 2016 fand der fünfte einhergehend mit deutlichen Bundesparteitag der AfD in Stuttgart statt, Protesten aus der Bevölkerung. An diesem Bundesparteitag wurde nun auch das politische Programm der Partei verabschiedet und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 12 vgl. http://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/sie-konnen-es-nicht-lassen-1.2620328, Stand: 14.07.2016. 13 https://bernd-lucke.de/austritt-aus-der-alternative-fuer-deutschland/ Stand: 12.05.2016. 14 vgl. https://www.alternativefuer.de/partei/bundesvorstand/ Stand: 12.05.2016. 5 2.1 politische Ausrichtung der AfD Während bis Anfang des Jahres 2016 die tatsächlichen Vorhaben der AfD noch unklar waren, so sind diese spätestens mit dem Parteiprogramm vom 01.05.2016 einsehbar. Die AfD möchte anlehnend an dem Schweizer Vorbild eine direkte Demokratie einführen, durch welche sie den Bürger mehr Mitbestimmung und Macht zusprechen möchte. Der deutsche Bürger soll mitbestimmen können über Beschlüsse im Parlament, über Gesetzesvorlagen sowie über die Wahl des Bundespräsidenten. Damit soll einer politischen Entfremdung entgegengewirkt werden, in welcher sich die Bürger nicht mehr von den sogenannten politischen Eliten in ihren Interessen vertreten fühlen. Auch fordert die AfD zeitlich begrenzte Mandatszeiten, eine Reformierung der privaten Rentenversorgung der Parlamentsmitglieder sowie den Lobbyismus einzudämmen. Bezüglich der Europäischen Union (EU) fordert die AfD eine Rückkehr zu europäischen Einzelstaaten. Sie begründet dieses damit, dass mit der derzeitigen EU die jeweiligen Einzelstaaten an ihrer demokratischen Souveränität und ihre Bürger an nationalen Identifikationsmöglichkeiten verlieren würden. Ebenfalls fordert die AfD eine Beendigung des Euros, da dieser unter anderem die Schuldentragfähigkeit der EULänder überstrapazieren und finanzielle und ökonomische Belastungen für die Geberstaaten hervorrufen würde. Bezüglich der Innenpolitik spricht die AfD davon, dass die innere Sicherheit immer weiter abnehmen würde und sie dieses durch eine Stärkung der Polizei und einer Verbesserung der Strafjustiz verbessern möchte. Darüber hinaus möchte sie einen Justizwahlausschuss und einen Justizverwaltungsrat einführen, um eine unabhängige Judikative zu ermöglichen. Ebenso sieht die AfD keine Verschärfung des Waffengesetzes vor, da dieses lediglich zum Schaden der Opfer sei, indem die Opfer wehrlos gemacht werden würden. Die innere Sicherheit solle zudem geschützt werden, indem der Datenschutz für Täter aufgehoben werden würde. Die deutschen Grenzen sollen mit Bundeswehrsoldaten postiert und verteidigt werden. Bezüglich der Außen- und Sicherheitspolitik befürwortet die AfD das Bündnis zur Nato. Über einen Ausbau der Bundeswehr möchte sie dieses Bündnis weiter stärken und sich auch an Einsätzen beteiligen, sofern diese den deutschen Interessen entsprechen. 6 Der Ausbau der Bundeswehr würde dann auch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht mit sich ziehen. Bezüglich der Entwicklungshilfe in Zweite- und Dritte- Weltländer betont die AfD, dass diese ausschließlich das Ziel einer Hilfe zur Selbsthilfe haben sollen, und geförderte Hilfsprojekte nur dann genehmigt werden sollen, wenn abzusehen ist, dass sich das entsprechende Land nach Ablauf der Projektzeit selbst helfen kann. Im Rahmen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fordert die AfD eine Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit und eine Übertragung jeglicher Aufgaben an kommunale Jobcenter. Darüber hinaus soll es nicht mehr das Hartz IV im derzeitigen Sinn geben, sondern einen Unterstützungsbeitrag, der bei wachsenden Einkommen sinkt bis dahin, dass Einkommenssteuer zu entrichten ist. Dieses soll aktivierend wirken, da der Bürger so durch Arbeit stets mehr verdienen würde als derjenige, der keiner Arbeit nachgeht. Insbesondere für die Familie spricht sie die AfD aus. Sie bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild. Zur traditionellen Familie gehören der AfD zufolge eine Mutter, ein Vater, und bestenfalls mehrere Kinder, wobei die Mutter vor allem die erzieherischen Aufgaben übernehmen solle. Die AfD möchte die finanzielle Benachteiligung von Familien mit Kindern gegenüber denen ohne Kinder korrigieren, indem Familien mit Kindern materiell unterstützt werden. Eine Art der Unterstützung werde die Berücksichtigung von Rentenansprüchen bei Mehrkindfamilien sein. Ebenso fordern sie eine stärkere Anerkennung der „Vollzeitmütter“. Die AfD sagt eindeutig, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Insofern dürfen die muslimischen Religionspraktiken gemäß der Scharia nicht öffentlich unterstützt und ausgeführt werden 15. Die deutschen Grenzen möchte die AfD schließen und stattdessen von der EU geleitete Asylschutzzentren in den Herkunftsländern der geflüchteten Menschen einrichten. Im politischen Programm der AfD zeigt sich zusammenfassend, dass die AfD zwar eine größere Mitbestimmung der Bürger wünscht, sie aber auch eine Rückkehr zum Einzelstaatentum, zu traditionellen Rollenbildern sowie eine Reglementierung bis hin zur Ausgrenzung fremder Religionen und Kulturen, vor allem von der Muslimischen ist die Rede, wünscht. 15 vgl. https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/05/2016-06-27_afdgrundsatzprogramm_web-version.pdf, Stand: 14.07.2016. 7 3 politisches Einstellungsbild Da ich mich für die Gründe eines Sympathisierens mit der AfD interessiere habe ich ein Interview bzgl. dessen geführt sowie auch einen Film analysiert. Beide habe ich ausschließlich nach deren Inhalt analysiert. 3.1 Interview „… weil… das damals dermaßen…wie soll ich sagen?...beängstigend war..wenn man diese ganzen Massen gesehen hat, die hier als Flüchtlinge ankamen und man muss sich ja.. man muss sich.. nicht die Augen davor verschließen, dass das horrende Summen sind, die hier verschlungen werden.“ Die Probandin meines Interviews ist eine Frau. Ihr geschätztes Alter liegt bei Mitte 60. Sie war vom Beruf her Oberstufenlehrerin. Mittlerweile ist sie im Ruhestand und unterrichtet noch in der Volkshochschule. Sie ist eine Person aus meinem weiteren Bekanntenkreis. Daher sind mir ihr ungefähres Alter sowie ihre frühere berufliche Tätigkeit bekannt. Personenbezogene Daten habe ich aufgrund der Sensibilität des Themas nicht erhoben. Das Interview wurde am 11.06.2016 geführt. Für das Interview habe ich eine Eingangsfrage gestellt, und zwar wie die Probandin die AfD und ihre Entwicklung bewertet. Weitere Nachfragen hielt ich mir offen. Mir war es wichtig ein Meinungsbild zur Partei zu erfahren, eine politische Positionierung erkennen zu können sowie die Motive der Frau, die hinter ihrer Meinung stehen herausarbeiten zu können. Die Probandin beginnt das Interview damit, dass sie sagt, die AfD war für sie die einzige Partei, die ihre Interessen vertrat. Jedoch wird im weiteren Interviewverlauf deutlich, dass die AfD nun nicht mehr ihre Wahlalternative ist, da die Probandin nicht mit den öffentlichen Rechtparolen mitgehen kann und – so vermute ich – nicht die rechte Ecke eingeordnet werden möchte. Was der Probandin jedoch zusagt, seien die Forderungen im Bereich der Ausländerpolitik. Die Probandin fühle sich von der „Flüchtlingswelle“ – wie sie es sagt und wie es immer wieder von den Medien bezeichnet wurde – bedroht, zum einen darin, was die finanzielle Belastung angehe, zum anderen in der muslimischen Religion und Kultur. 8 „P: Die AfD war für mich, als diese Flüchtlingswelle anrollte, auch eigentlich die einzige Partei, die sich dagegen … auch gewehrt hat. Oder verwehrt hat, sagen wir mal so. Ähm, die Formen waren mir damals eigentlich völlig egal, weil… das damals dermaßen…wie soll ich sagen?...beängstigend war..wenn man diese ganzen Massen gesehen hat, die hier als Flüchtlinge ankamen und man muss sich ja.. man muss sich.. nicht die Augen davor verschließen, dass das horrende Summen sind, die hier verschlungen werden.“ Die Probandin kritisiert die derzeitige Flüchtlingspolitik unter anderem von Angela Merkel, in der Flüchtlinge ohne Festlegung von Zuwanderungsgrenzen aufgenommen werden und ihre Unterstützung und zukünftige Integration eine finanzielle Belastung für Länder und Kommunen darstellen würden (Z.15). Als Beispiel führt sie die Stadt Rostock an, welche aufgrund der Zahl der Asylbewerber nicht den geplanten Schuldenabbau bewältigen könne (Z.98ff.). Die Probandin ist der Meinung, der Bund solle die Integrationskosten übernehmen, da er über die Handhabe in der Flüchtlingspolitik entschieden habe (Z.103ff.). Desweiterten die Sorge einer kulturellen Entfremdung herauszuhören. Die Probandin betont, dass sie sich über die gefährlichen Zustände in den Herkunftsländern der Flüchtlinge und der daraus resultierenden Flucht im Klaren ist, doch sie kritisiert die Art der Auslebung der islamischen Religion in Deutschland. So bringt sie Sarrazins Buchtitel „Deutschland schafft sich selbst ab“ an und stimmt Sarrazin in seiner Behauptung zu. „Man müsse sich hüten vor einer Vereinnahmung durch den radikalen Islamismus.“ „Ich würde den Islam nicht als Bedrohung erleben, aber er ist schwer zu verstehen für einen Deutschen.“ Die Probandin erlebt den Islam als etwas Fremdes, den sie aufgrund seiner Regeln und Praktiken schwer nachvollziehen könne. Ihrer Meinung nach gehöre er nicht zu Deutschland, weil Deutschland ein christlich geprägtes Land sei. Demzufolge hätten muslimische Mitbürger sich der deutschen Kultur unterzuordnen zum Beispiel in dem Sinne, dass sie ihre Religion nur zu Hause, aber nicht öffentlich und schon gar nicht in eigens dafür bereitgestellten Räumlichkeiten leben dürften (Z.31). Auf der anderen Seite plädiert sie für eine Gleichstellung der Religionen in dem Sinne, dass Muslime ebenfalls 9% Kirchensteuer abführen sollten. Und auch wenn die Probandin sagt, sie 9 würde den Islam nicht als Bedrohung wahrnehmen, so lässt sich eine solche doch in ihren Worten heraushören. Sie spricht vom Islam als etwas, dass unter Kontrolle gehalten werden müsse, was begrenzt werden müsse, als etwas, dass man nur im Privaten führen dürfe und als etwas, was den Regularien eines deutschen Ausbildungssystem bedürfen würde. Insofern werte ich ihre Argumentation bzgl. des Islams allenfalls als eine Toleranz, als den Wunsch einer steuerrechtlichen Gleichstellung sowie als eine Kontrolle in dessen Auslebung bzw. als einen Verweis der religiösen Auslebung in das Private. In ihrem Argument einer finanziellen Überlastung als auch in ihrer Befürchtung einer Islamisierung ist der Gedanke der Ungerechtigkeit erkennbar. Die Probandin wertet es als ungerecht, dass sie als Einzelperson wie auch Länder und Kommunen für die Flüchtlingspolitik des Bundes finanziell aufkommen müssen. Dieses ist erkennbar, indem sie von Steuergeldern spricht, von unabsehbaren Kosten für Inklusion und Integration in den Arbeitsmarkt sowie einer fortlaufenden hohen Anzahl an Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, was sie als beängstigend erleben würde (Z.12ff.). Neben ihrer Befürchtung auch weiterhin von Flüchtlingen „überrollt“ zu werden, spricht die Probandin von Zuschüssen und Vergünstigungen, die die Flüchtlinge bekommen würden sowie von Räumen, die für deren Religionsausübung geschaffen werden würden. Auch hierin ist ein Ungerechtigkeitserleben der Probandin zu herauszuhören. Ebenso ist ein Unsicherheitserleben erkennbar, welches darauf beruht, dass die Probandin keine Vorstellung darüber hat, wie viele Flüchtlinge noch kommen werden (Z.19ff.). Diese Ungewissheit begünstigt zusätzlich den Bedrohungscharakter der „Flüchtlingswelle“. Auf der anderen Seite distanziert sich die Probandin auch von der AfD. „Was mich jetzt stört an der AfD ist die Tatsache, dass diese ganze Strömung so weit nach rechts geht, dass man Angst haben muss, das ein…ja…ein zweites oder ein drittes Deutsches Reich…“ Die Probandin kritisiert die rechten Strömungen aus der AfD, dass die Partei ein Sammelbecken für „Wendeverlierer“ und Hartz IV - Empfänger mit rechtem Gedankengut sei, dass aber auch von Parteimitgliedern, wie z.B. Frauke Petry, rechte 10 Parolen geäußert werden (Z.40ff.). Ebenso kritisiert sie Teile des Parteiprogrammes der AfD, wie den Bereich des Steuerrechts, das die Erbschaftssteuer nicht abschaffen werden soll und Großbetriebe steuerfrei bleiben sollen. Die Probandin sieht darin die Gefahr einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Und sie kritisiert, dass die AfD ebenso wenig wie andere Partei die Interessen der sozial Schwachen („Wendeverlierer“, Hartz IV - Empfänger) vertreten würde. Eine weitere Kritik der Probandin ist, dass die AfD von Vielen aus reinem Protest gewählt werden würde, wodurch die rechten Strömungen innerhalb der Partei an Macht gewinnen würden, als auch die Partei von Rechten missbraucht werden würde (Z.86ff.). Auf die Frage hin, welches ihre Wahlalternative wäre, antwortet die Probandin „Nicht die AfD“. Sie würde eine Art CSU in Mecklenburg Vorpommern vorziehen, welche in ihrer Flüchtlingspolitik der CSU und der AfD gleiche, indem die Migration begrenzt und die Integration stärker kontrolliert werde, welche jedoch nicht die soziale Ungleichheit in der Bevölkerung verschärfe und nicht in die rechtsextreme Ecke eingeordnet werden könne. Gegebenenfalls wäre auch die ALFA eine Wahlalternative der Probandin, da sie sich sehr positiv für den Mitbegründer Bernd Lucke, welcher auch Begründer der AfD war, ausspricht (Z.78ff.). 3.2 Filmanalyse „Wir haben nichts gegen Ausländer. Aber die Überflutung muss gestoppt werden, unbedingt. Kann doch nicht so weitergehen hier.“ Im Folgenden werde ich einen Film analysieren, der ebenfalls den Motiven einzelner Menschen für einen Beitritt zur bzw. eines Sympathisierens mit der AfD Beachtung schenkt. Der Film trägt den Titel „Ich und die AfD“. Er wurde am 14.03.2016 im WDR ausgestrahlt 16. Besucht wurde ein Kreisverband der AfD im Sauerland sowie einer in Köln. Beide wurden in ihrer Arbeit zum Beispiel auf Bürgerversammlungen oder dem Generieren neuer Wählerstimmen mit begleitet. 16 vgl. http://www1.wdr.de/fernsehen/hier-und-heute/sendungen/ich-und-die-afd-100.html, Stand: 13.07.2016 11 Auch den Film habe ich nach seinen inhaltlichen Aspekten hin analysiert. Die folgende Tabelle stellt die auftretenden Personen dar, ggf. ihren Beruf, ihre politische Tätigkeit sowie ihre Motive und Argumente für ihre politische Haltung und ihr Engagement. Personen Beruf Politische Tätigkeit Gründe / Argumente für AfD Jürgen Antonie Polizist Hat sich über 20 Jahre hinweg für die SPD engagiert, SPD Landtagsmitglied, 2013 Austritt aus der SPD und Eintritt in die AfD Interviewerin: „Was bedeutet es für Sie politisch aktiv zu sein?“ Jürgen:“ Sich einzusetzen, um etwas verändern zu wollen“ -zeitlebens politisch interessiert und aktiv „die dann aber nicht mehr meine SPD war“ -Mit der Eurokrise trennte er sich von der SPD -Im öffentlichen Raum würde versucht, die AfD in eine rechte Ecke zu stellen, daher seien Mitglieder Fremden gegenüber vorsichtig „nicht einer von uns ist auch nur annähernd in dieser Ecke zu verorten“ -Anhänger der NPD oder von Pro NRW werden ausgeschlossen „die Leute wollen wir nicht bei uns haben“ - auf der AfD-Facebook-Seite des Sauerlandes stand mal, der Islam sei ein Benutzerhandbuch zur Vernichtung der Menschheit. Interviewerin fragt, ob das Jürgen Antonies Meinung iderspiegel. Er bejaht das mit der Begründung, wenn jemand nach dem Islam lebe und sich danach verhalte, dann würde die Behauptung auf alle Fälle stimmen. Einwand der Interviewerin: Radikaler Islamismus sei nicht gleichzusetzen mit dem Islam, Salafisten seien nicht normale Muslime. Gegenargument von Jürgen Antonie: Alkoholismus sei nicht gleich Alkohol, „natürlich gehört das zusammen, es gibt kein Islamismus ohne den Islam“ - er ist der Meinung, dass Muslime nicht genug gegen den radikalen Islam protestieren würde Andre Monkol unbekannt Chef und Sprecher der AfD im Sauerland -Schutz der Werte der Aufnahmegesellschaft -distanziert sich von der Aussagen von Frau von Storch und Petry bzgl. Schusswaffen an den Grenzen. Begründet dieses, dass sich die AfD gerade erst professionalisieren würde und es daher auch Meinungsverschiedenheiten gäbe, dass er jedoch Vertrauen gegenüber dem Vorstand hat und die demokratischen Grundwerte (GG) durch die AfD nicht gefährdet sehe 12 - ist davon überzeugt sein Land verändern zu können (auch wenn es Leute gibt wie Herr Höcke; der sei ja weit weg in Thüringen) -distanziert sich von Höckes Rassentheorien, bleibt dennoch solidarisch zu Höcke - ist gegen den Euro „wir haben die falsche Währung“ Peter Bohnhof unbekannt Roland Beckamp Anwalt Kreisschatzmeister der AfD im Sauerland Ratsmitglied der AfD in Köln Teilnehm unbekannt unbekannt er einer Bürgerver sammlung der AfD im Sauerland Teilnehm unbekannt unbekannt er einer Bürgerver sammlun g der AfD im Sauerland unbekannt -Ihm hat v. a. die verfehlte Familienpolitik dazu bewogen, der AfD beizutreten. AfD möchte eine Wertschätzung der Familie stärker etablieren. -Es gebe ein Klatschverbot unter den anderen Parteien gegenüber der AfD. Damit rechtfertigt er sozusagen das Negativbild der AfD. Distanzierung von der Meinung von Frau von Storch, es dürfen an Grenzen auch auf geflüchtete Frauen geschossen werden. Jedoch sei die AfD Köln für ein Aufnahmestopp; ab 14.02.2016 dürften keine Flüchtlinge mehr in Köln aufgenommen werden. Aufnahmestopp in Köln soll ein Signal für andere Kommunen darstellen und dadurch die Regierung unter Druck setzen eine andere Flüchtlingspolitik zu führen. Argument: „Wenn in 15 Jahren 100 Mio. Menschen mehr auf der Welt leben, wohin würden die gehen?“ Implizierte Antwort: Sie würden nach Europa bzw. nach Deutschland gehen. Vermeintliche Angst vor einer Überwältigung seitens der Flüchtlinge. Wünscht sich bessere Deutschkenntnisse von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland „Ich möchte nicht, dass meine Enkel ein Kopftuch tragen. Ich habe nichts gegen Religionsfreiheit. Die soll man denen zugestehen. Aber bitteschön in den Grenzen und nicht als beherrschende Minderheit. Er hat selbst gesagt, hier unser Freund der Syrier, ich habe Angst vor Ideologen. Mit Ideologen kannst du nicht diskutieren.“ 13 Syrischer unbekannt unbekannt Flüchtling zu Gast bei der Bürgerver sammlun g der AfD im Sauerland Ein AfD unbekannt unbekannt Mitglied im Sauerland bei einer Bürgergew innung auf der Straße „Die Deutschen müssen aufpassen, denn der Islam ist gefährlich… Natürlich ist der Islam gefährlich. Wenn ich alles tun würde, was im Koran steht, wäre ich ein Terrorist.“ Interessant! Syrier kritisiert seine eigene Religion. „Wir haben nichts gegen Ausländer. Aber die Überflutung muss gestoppt werden, unbedingt. Kann doch nicht so weitergehen hier.“ Deutlich wird, dass sich sowohl AfD-Mitglieder als auch interessierte Bürger deutlich von einer rassistischen Einstellung distanzieren möchten. Sie sagen, nichts gegen Ausländer haben zu wollen. Sie sagen, sie würden ihre Mitgliedsanwärter nach ihrer politischen Ausrichtung hin untersuchen und sie distanzieren sich von Aussprüchen ihres Parteivorstandes von Frau Petry und Herr Höcke. Doch ebenso wird ein starker Abgrenzungscharakter zwischen dem „Wir“ und dem Fremden deutlich. Wobei das Fremde einhergeht mit einer Bedrohung seitens des Islams. Was dagegen das Deutsche ist, konnte nicht genau beantwortet werden. Die deutsche Sprache wurde genannt. Eine Kritik gegenüber Migranten wurde deutlich, welche u.a. in zweiter, dritter Generation in Deutschland leben, dass sie nicht richtig Deutsch sprechen können und sich eher einem Jargon bemächtigen würde. Auch die deutschen Werte und die Familie wurden genannt, dass sich die AfD stärker auf diese besinnen würde, doch wie genau das umgesetzt werden sollte, wurde nicht beantwortet. So bleibt der Eindruck, dass die Angst vor einer Entfremdung, ausgehend durch eine Bedrohung seitens des Islams sowie durch eine Entkulturalisierung/einem Verlust der eigenen Nationalität, ein entscheidender Grund zur Hinwendung zur AfD ist. Auch eine Unzufriedenheit gegenüber etablierten Parteien und deren Politik wird als ein Grund genannt. So werden die EU und der Euro kritisiert sowie die Flüchtlingspolitik. Die Eurokrise ab 2010 sowie die Politik des Euro-Rettungsschirms für Griechenland waren der ursprüngliche Anlass zur Gründung der AfD im Jahr 2013 und waren auch 14 hier im Film genannte Gründe zur Abkehr von den etablierten Parteien. Dahinter mag sich ein Benachteiligungs- und Ungleichheitsgefühl verbergen, dass sich deutsche Bürger nicht für die Verschuldung anderer europäischer Länder verantwortlich fühlen sowie für die Begleichung der Schulden in Anspruch genommen werden möchten. Dennoch führt die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien und deren Politikführung („Demokratieentlehrung“) nicht zu einem politischen Desinteresse und fehlenden Aktionismus. Während sich sonst stets über eine geringe Wahlbeteiligung beschwert wird, scheint in diesem Fall eine politische Unzufriedenheit zu politischen Aktionismus zu führen. Doch statt sich in seinen ursprünglichen Parteien zu engagieren, findet ein Wechsel zur AfD statt oder werden Bürgerversammlungen der AfD beigewohnt. Es stellt sich die Frage: Führt der empfundene Bedrohungscharakter zu einer politischen Aktivierung der Menschen? Und trotz des politischen Engagements bleibt auffällig, dass provokante und fremdenfeindliche Äußerungen wie beispielsweise die von Frauke Petry, Waffengewalt an deutschen Grenzen zu legitimieren, nicht dazu führen, sich von der Partei zu entfernen. Vielmehr werden Erklärungen für diese „Ausrutscher“ gesucht sowie immer wieder betont, dass sie persönlich sowie die AfD nicht auf der rechten Seite zu verorten seien. Eine stärkere Auseinandersetzung mit diesen Äußerungen könnte womöglich einen Loyalitätskonflikt zur Folge haben und die Erkenntnis, dass die AfD doch keine Wahlalternative für Deutschland sei. Es ist aber auch möglich, dass den rechtsextremen Äußerungen zugestimmt wird, dieses jedoch nicht öffentlich zugegeben wird. 3.3 Fazit des Einstellungsbildes Auch wenn sich meine beiden Quellen in ihrer politischen Verortung voneinander unterscheiden – meine Probandin würde nicht die AfD wählen, die Personen im Film arbeiten für die AfD oder sind ihr zugewandt – so lassen sich gemeinsame Bewegründe für ein Sympathisieren mit der AfD herausfiltern. Sehr deutlich wird der Bedrohungscharakter. Aus beiden Quellen geht hervor, dass die Personen in der „Flüchtlingswelle“ eine Bedrohung für die deutsche Kultur sehen. Ich schreibe „Flüchtlingswelle“ bewusst in Anführungszeichen, da das eine Wortkonstruktion ist, welche in den vergangenen Monaten häufig in den Medien 15 wiederzufinden war und welche durch das Wort „Welle“ den dramaturgischen Charakter einer unkontrollierten Macht gar Bedrohung assoziiert. Insofern ist die Angst der Menschen mitunter auch ein eigen gemachtes Problem im Sinne von Problemkonstruktionen und Problemkarrieren 17. Die Bedrohung wird auch dadurch deutlich, dass eine Abgrenzung vorgenommen wird von dem „Wir“ und dem Fremden. Dabei besteht das Fremde aus den Flüchtlingen und interessanter Weise scheinen diese alle der muslimischen Religion anzugehören, welche insbesondere als Bedrohung und nicht als deutsch angesehen wird. Ebenso spielt das Gefühl der Ungerechtigkeit mit hinein, dass den geflüchteten Menschen Zuschüsse und Freiheiten finanzieller Hinsicht wie auch in der Ausübung ihrer Religion und Kultur eingeräumt werden würden, die die Deutschen nicht hätten bzw. dass diese Freiheiten die deutsche Kultur bedrohen würden. Und wenn man sich bedroht und ungerecht behandelt fühlt, dann möchte man sich schützen. Auch dieser Gedanke geht aus beiden Quellen hervor. Schutz vor einer Islamisierung der deutschen Kultur, Schutz vor einem Überrollen durch die Flüchtlingsmassen. Ein weiterer Ungleichheitsgedanke wird in der finanziellen Belastung angesprochen, wobei die Probandin die Kosten durch Integration und Inklusion anspricht und die bereits vorhandene Schuldenproblematik der Städte und Kommunen, während im Film die Kritik an der Euro-Rettungsschirm-Politik angesprochen wird. Doch in beiden Fällen wird die gefühlte Ungerechtigkeit deutlich, für Kosten aufzukommen, welche man nicht verursacht habe bzw. für die man politisch nicht mitentschieden hätte. Damit einhergehend wird in beiden Quellen eine politische Unzufriedenheit deutlich. Beide fühlen sich in ihren Interessen von ihren ehemaligen Parteien nicht mehr vertreten und suchen Wahlalternativen. Dabei stellte sich in meinen Überlegungen die Frage, was die deutsche Kultur ausmacht? Lässt sie sich ausschließlich über das Christentum definieren? Scheinbar gelingt die Abgrenzung zu dem Anderen/dem Fremden ganz leicht und es finden sich schnell Attribute wie Flüchtling, Muslim, die man dem Fremden zuschreiben kann. Doch wie würde sich die Eigengruppe selbst definieren? Wie definiert man das „Wir“? 17 vgl. Schetsche, 1996, S. 88 ff. 16 Ebenso als Gemeinsamkeit ist aus beiden Quellen zu erkennen, dass sie es als Gefahr ansehen, wenn zunehmend Personen mit rechtextremen Einstellungen der Partei beitreten und somit der politische Aktionismus eher in eine zunehmend rechte Strömung ginge. Und obwohl AfD-Mitglieder selbst solche rechtsextremen Parolen öffentlich aussprechen, so wird insbesondere von den Personen im Film eine Rechtfertigung dafür gesucht, um die eigene politische Identität und das eigene politische Engagement zu rechtfertigen und sich nicht zu den rechtsextremen Strömungen dazuzählen zu lassen. Die Probandin sagt dagegen, dass es in der Partei selbst eine rechtsextreme Strömung gebe und die AfD deshalb nicht mehr für sie als eine Wahlalternative in Frage käme, doch sie befürwortet auch deren Politik. Ebenfalls interessant ist, dass nicht nur das „Fremde“ pauschalisiert wird, indem es ausschließlich als muslimisch angesehen und als Bedrohung verstanden wird. Auch der Islam als Religion wird in dem Sinne pauschalisiert, als dass er mit dem radikalen Islamismus gleichgesetzt wird. Aufgrund dieser Gleichsetzung ist es auch nicht verwunderlich, dass er als Bedrohung wahrgenommen wird. 17 4 Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? Um anhand meiner Film- und Interviewauswertung eine Antwort darauf zu finden, ob hinter den genannten Gründen eine rechte Orientierung steht und darüber hinaus, ob wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft befinden, beziehe ich mich auf klassische Theorien der Vorurteilsforschung wie die der Autoritären Persönlichkeit von Adorno (1950), der Frustrations-Aggressions-Hypothese (FAH) von Dollard et al. (1939), der Theorie der relativen Deprivation (RD) von Stouffer et al. (1949) und Willems (1992) sowie einer neueren Theorie, die der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) von Heitmeyer (2002) und Zick (2014). Diese Theorien befassen sich mit Persönlichkeitsmerkmalen wie auch mit gegebenen äußeren Umständen und deren Erleben von Menschen, welche das Einstellungsbild von Menschen beeinflussen und die Wahrscheinlichkeit einer Abgrenzung mit einhergehender Ausgrenzung begünstigen. Denn nichts stellt Rechtsextremismus dar. Er ist ein gruppenbezogenes, kein individuelles Urteil über andere Personengruppen und eine damit einhergehende Abwertung von Gruppen 18. 4.1 Begriffsklärung Die Verortung einer politischen Einstellung erweist sich genauso schwierig und sensibel, wie die klare definitorische Abgrenzung und Betitelung. In der Literatur wird von Fremdenfeindlichkeit, von Rechtsextremismus, von Rassismus, von Rechtspopulismus und von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gesprochen. Um nicht andauernd zwischen den Bezeichnungen zu wechseln, versuche ich eine Abgrenzung der Begriffe vorzunehmen, um mich dann auf einen festzulegen. Der Rechtspopulismus wird eher in Verbindung mit politischen Orientierungen und Parteien gebracht – so wird u.a. die AfD als eine rechtspopulistische Partei bezeichnet. Der Rechtspopulismus kann als eine politische Strategie verstanden werden, die an traditionellen Werten und autoritären Vorstellungen festhält 19. Ebenso stellt der Rechtspopulismus eine Gegenbewegung zu derzeitigen Parteien dar, der entsprechend seiner Bezeichnung in einer breiten Masse der Bevölkerung an Popularität gewinnt. 18 19 vgl. Zick, 2014, S. 15. vgl. http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/was-ist-rechtspopulismus-0, Stand: 17.05.2016. 18 Die anderen genannten Bezeichnungen stellen insbesondere eine Ausgrenzung und Benachteiligung anderer Gruppen, aufgrund bestimmter Merkmale, die diese Gruppen tragen, in den Vordergrund ihrer Definition. So begründet der Rassismus seine gruppenbezogene Ausgrenzung aufgrund biologischer Personenmerkmale wie kulturelle Herkunft oder Hautfarbe 20. Die Fremdenfeindlichkeit bezieht sich nicht speziell auf biologische Merkmale, sondern auf bedrohlich wahrgenommene kulturelle Unterschiede, begünstigt durch eine materielle Konkurrenz um knappe Ressourcen. A. Zick ordnet die Fremdenfeindlichkeit dem Rassismus zu. Denn einen kulturellen Unterschied als Bedrohung zu erleben, setzt eine Einstellung voraus, die der eigenen Kultur einen höheren Wert beimisst als der anderen und somit auch ein Vorrecht auf materielle Ressourcen zuspricht 21. Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist ein weiter gefasster Begriff. Sie schließt eine Abwertung verschiedenster Merkmalsträger mit ein, wie die Abwertung und Ausgrenzung von Langzeitarbeitslosen, von Sinti und Roma, von wohnungslosen Menschen, von behinderten Menschen, von Asylsuchenden, von Homosexuellen, von Juden (Antisemitismus), von Muslimen (Islamfeindlichkeit). Darüber hinaus zeigt sich die GMF in verschiedenen Einstellungsdimensionen wie die Befürwortung einer Diktatur, dem Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und einer Verharmlosung des Nationalsozialismus. Aufgrund ihrer vielfältigen Zielgruppe, welcher sie sich abgrenzen möchte, und aufgrund der detaillierten Einstellungsdimensionen können auch der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit der GMF zugerechnet werden. A. Zick ordnet all den zuvor genannten Facetten einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, also auch dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit, den Rechtsextremismus zu. Der Rechtsextremismus sei demnach als übergeordnete Einstellung zu betrachten. Er beinhaltet die Vorstellung eines Vorrechtes gegenüber anderen Personengruppen, welche sich aufgrund irgendwelcher Merkmale von der Eigengruppe unterscheiden und welche als Bedrohung angesehen werden, wodurch eine Abwertung, Benachteiligung oder gar der Einsatz von Gewalt gerechtfertigt seien 22. B. Rommelspacher beschreibt Rechtsextremismus als ein politisches Einstellungsmuster, welches unter anderem auch auf „natürliche“ Hierarchien beruhe. In diesem Sinne sei Rechtsextremismus auch immer antidemokratisch zu betrachten23. 20 vgl. http://www.birgit-rommelspacher.de/pdfs/was_ist_rassismus.pdf, S. 29, Stand: 31.05.2016. vgl. Zick, 2014, S. 63. 22 vgl. Zick, 2014, S. 64 f. 23 vgl. Rommelspacher, 2002, S. 132. 21 19 Schlussfolgernd dürfte es eine rechtsextreme Orientierung nicht geben, wenn sich Menschen aufgrund ihrer Personenmerkmale oder aufgrund zugeschriebener Merkmale nicht auf- oder abwerten würden. Für meine weiteren Ausführungen werde ich nur noch den Begriff „Rechtsextremismus“ verwenden. Er erscheint mir die übergeordnete und allgemeinste Bezeichnung für Ausgrenzungstendenzen aufgrund ethnischer und kultureller Herkunft sowie damit begründeten materiellen Vorrechten. 4.2 Ursachen für Rechtsextremismus Die Theorien aus der Vorurteils- und Rechtsextremismusforschung geben sowohl individuelle, strukturelle/gesellschaftliche wie auch öffentliche Erklärungen für eine rechtsextreme Orientierung 24. 4.2.1 Rechtsextremismus nach der Theorie der Autoritären Persönlichkeit Adorno et al. (1950) sowie Studien der Frankfurter Schule bilden sozusagen die Grundlage aller nachfolgenden Theorien der Vorurteilsforschung. Mithilfe vorheriger Studien sowie über eine durchgeführte Umfrage mittels einer F-Skala sowie mittels Tiefeninterviews wollte man herausfinden, welche individuellen Gründe es für eine antisemitische Haltung gibt und welche Charaktereigenschaften diese Personen haben. Dabei entstand die Charakterisierung der Autoritären Persönlichkeit (AP), welche nach Adorno unmittelbar mit Vorurteilen verbunden ist und zu Ausgrenzung anderer Menschen und Gruppen neigt sowie diese als Sündenbock für eigene Frustrationen nutzt. Eine Autoritäre Persönlichkeit lässt sich beschreiben „als eine Person, die an konventionellen aggressiv, Mittelschichtswerten anti-intransparenz, festhält, abergläubisch, autoritär unterwürfig, vorurteilsvoll, destruktiv-zynisch, projektiv und übertrieben sexuell orientiert ist.“ 24 25 autoritär macht-orientiert, 25 in Ahnlehnung an Doises (1986), ein Diskurs-Schema, vgl. Zick, 1997, S. 25 ff. Adorno, 1973, S.314 ff. In: Zick, 1997, S. 64. 20 Ebenso fand Adorno heraus, dass antisemitische Einstellungen sich besonders manifestieren können, wenn ein gesellschaftliches Meinungsklima herrsche, das Vorurteile billige 26. Das bringt mich zum gegenwärtigen politischem Klima in Deutschland, in welchem die AfD immer mehr Zulauf gewinnt und sich Menschen aus allen Bevölkerungsschichten von ihr angesprochen fühlen, obgleich sich die AfD rechtsextremer Programme wie die der Islamfeindlichkeit auf die Fahne schreibt. 4.2.2 Rechtsextremismus als Folge von Frustration - Verschiebung auf Sündenböcke Die Frustrations-Aggressions-Hypothese (FAH) von Dollard et al. (1939) sowie weitergeführt, ergänzt und umbenannt zu einer „Sündenbocktheorie“ von Berkowitz (1962, 1993) besagen, dass individuelle, intrapersonale (z.B. Arbeitslosigkeit, hohe finanzielle Belastungen durch Steuern, Sozialabgaben, Leistungsdruck) sowie äußere Einflüsse (schwache Konjunktur, Finanzkrise, hohe Flüchtlingszahlen) Frustration auslösen können, welche sich als Aggression gegen bestimmte Gruppen darstellen kann. Entscheidend ist, dass sich die Personen gegenüber der eigentlichen Frustrationsquelle, beispielsweise Frustration gegenüber etablierten Parteien und ihrer Politik, machtlos fühlen und sich ihr Frust und ihre Machtlosigkeit auf andere Gruppen verschieben. Diese Gruppen fungieren dann als Sündenbock. In der Regel stellen die ausgegrenzten Gruppen Minderheiten dar, welche bereits mit Vorurteilen belastet und wenig geschützt sind. Sie lösen eine gewisse Antipathie bzw. ein Angstgefühl aufgrund von Fremdheitsempfinden aus. Und lt. Berkowitz werden in ihnen Ähnlichkeiten zur Frustrationsquelle gesehen 27. Allerdings wurden in diversen Studien keine genauen Korrelationen zwischen Frustration und die Verschiebung und dadurch die Ausgrenzung und Abwertung auf bestimmte Gruppen herausgefunden. Zudem fanden z.B. Sillverman und Kleinman in ihrer Studie von 1967 heraus, dass ihre Versuchsteilnehmer neben Vorurteilen auch andere deviante Verhaltensweisen zeigten, welche in der FAH- und der Sündenbocktheorie nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls erklärt die Theorie nicht, wie die Assoziation zwischen Frustrationsquelle und Sündenbock stattfindet; warum gerade 26 27 vgl. Zick, 1997, S. 65. vgl. Zick, 1997, S. 80 ff. 21 eine bestimmte Gruppe das Stigma des Sündenbocks auferlegt bekommt und nicht eine andere Gruppe und wie es geschieht, dass eine individuell erlebte Frustration, welche sich in Form eines Vorurteils gegen eine Minderheit ausdrückt, von einer Gruppe von Menschen geteilt werden kann 28. 4.2.3 Rechtsextremismus als Folge eines Deprivations-/Mangelgefühls (RD) In enger Verbindung zur FAH steht die Theorie der relativen Deprivation (RD) von Stouffer et al. (1949) sowie Willems (1992). Beim Ansatz der RD für eine Erklärung von Vorurteilen und Rassismus wird von einer subjektiv erlebten Benachteiligung im sozialen Vergleich ausgegangen (einem Deprivationserleben). Interessant dabei ist, dass das Deprivationserleben nicht durch sozial und ökonomisch stärkeren Personen und Gruppen entsteht, sondern sich durch Minderheitengruppen festmacht und gegenüber diesen Minderheiten dann schließlich, ähnlich wie bei der FAH und der Sündenbocktheorie, Vorurteile und eine Ablehnung dieser entstehen 29. Die relative Deprivationstheorie erklärt u.a. die offengebliebene Frage bei der Sündenbocktheorie, und zwar, warum ein individuelles Deprivations- und Frustrationserleben zu einem geteilten Gruppenerleben und zu einer Ausgrenzung einer anderen Gruppe führt. Die RD geht von unterschiedlichen Deprivationserfahrungen aus. Sie kann subjektiv empfunden werden oder sich aus objektiven sozialen Differenzen begründen. Die Deprivation kann als persönliches Schicksal oder als Schicksal der „Ingroup“ angesehen werden. Das ist wiederum abhängig von dem Grad der Identifikation mit der „Ingroup“. Wird die Deprivation, sowohl die Subjektive als auch die aus objektiv, sozialen Differenzen entstehende, als ein Gruppenschicksal der eigenen Gruppe empfunden und fühlt sich der einzelne sehr der eigenen Gruppe („Ingroup“) zugehörig, dann führt dieses Deprivationserleben („Fraternal Deprivierte“) zu einer stärkeren Abgrenzung von außenstehenden Gruppen („Outgroups“) und zur verstärkten Vorurteilsbildung, zu Rechtsextremismus und zu Protestmärschen. Wird ein Mangel eher als persönliches Schicksal empfunden und fühlt sich der einzelne weniger seiner Ingroup zugehörig, so wird dieser eher im Einzelnen versuchen, seinen Mangel durch persönliche 28 29 vgl. Zick, 1997, S. 86 f. vgl. Zick, 1997, S. 97 f. 22 Veränderungen (z.B. durch einen Arbeitsplatzwechsel) zu beheben versuchen. Der Mangel wird nicht als Gruppenschicksal, wofür eine Outgroup verantwortlich gemacht werden könne, verstanden („Individuell Deprivierte“) 30. 4.2.4 Rechtsextremismus als Folge sozialer Ungleichheit - „Desintegrationsthese“ Heitmeyer spricht bei seiner Desintegrationsthese von einem Syndrom gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF). Unter GMF versteht er die Ausgrenzung und feindselige Haltung gegenüber Menschen und Gruppen unabhängig davon, ob sie einer anderen oder derselben ethnischen Gruppe zugehören. Die Ausgrenzung wird vielmehr durch als abweichend empfundene Eigenschaften gerechtfertigt 31. Neben der Fremdenfeindlichkeit, welche die Ausgrenzung einer anderen ethnischen Gruppe meint, beinhaltet die GMF noch Dimensionen wie u.a. Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamphobie, Rassismus, Heterophobie, Etabliertenvorrechte/Chauvinismus oder auch klassischer Sexismus. Auch Heitmeyer schließt mit seiner Theorie an die vorher beschriebenen Theorien eines Ungleichheitserlebens in der Gegenüberstellung der Ingroup zur Outgroup an. Vor allem Strukturkrisen, also objektive soziale Differenzen (siehe RD), fördern Verunsicherung in der Gesellschaft und das Gefühl von Entbehrlichkeit („prekäre Normalität“). Solche Verunsicherungen manifestieren die Identifizierung und Solidarität zur Ingroup, indem das individuelle Schicksal auch als ein gemeinschaftliches Schicksal der Gruppe empfunden wird. Und diese starke Identifizierung zur eigenen Gruppe begünstigt eine Ab- und Ausgrenzung anderer Gruppen sowie ein Gefühl von Überlegenheit gegenüber anderer Gruppen („Fraternale Deprivation“) 32. 30 vgl. Zick, 1997, S. 100 f. vgl. Heitmeyer, 2002, S. 19 f. 32 vgl. Heitmeyer, 2002, S. 16 ff. 31 23 4.2.5 Fazit der Theorien Es zeigt sich also, dass Vorurteile und aus diesen ein entstehender Rechtsextremismus ihren Nährboden in einem Zusammenspiel aus individuellen und sozialen sowie ökonomischen Faktoren findet. Ein autoritärer Charakter (i.S. Adornos), ein subjektiv empfundenes, jedoch mit einer Gruppe geteiltes Deprivationsempfinden, eine starke Identifizierung zu einer Ingroup sowie eine Pluralität von Lebensentwürfen mit gleichzeitigen Strukturkrisen und daraus entstehende Verunsicherungen, sind mögliche Ursachen für Vorurteile und einer rechtsorientierten Haltung. Allerdings geht nicht hervor nach welchen Kriterien eine Outgroup zu einem „Sündenbock“, also zu den Verantwortlichen für das eigene Mangelgefühl, gemacht wird. Auf die Gegenward bezogen, stellt sich die Frage, warum Flüchtlinge scheinbar automatisch mit Muslimen gleichgesetzt werden und warum der Islam automatisch als eine Bedrohung wahrgenommen wird. 4.3 Rechtsextremismus in der Film- und Interviewanalyse Nun komme ich zurück zur Film- und Interviewauswertung. In wie weit finden sich zuvor dargelegte Vorurteile und Einstellungen in meiner Auswertung wieder und kann ich aufgrund dieser, die im Film und im Interview genannten Gründe eine rechtsextreme Orientierung zuschreiben? 4.3.1 Das „Wir“ und das „Andere“ bzw. das „Fremde“ „Je entschiedener die Grenzen gegenüber dem Anderen gezogen und die Gemeinsamkeiten getilgt werden, desto mehr wird der Fremde zum Feind 33“. Aus dem Film und aus dem Interview geht deutlich hervor, dass es eine Differenzierung zwischen dem „Wir“ und dem „Anderen“ gibt. Das „Wir“ ist dabei das Deutsche, das „Andere“ wird dabei als etwas Fremdes und als Bedrohung für das Deutsche angesehen. Zu dem Fremden werden auch Zuschreibungen gemacht. So gehören die Ausländer, die Flüchtlinge und die Muslime zum Fremden. Doch wie schaut das „Wir“ aus? 33 Rommelspacher, 2002, S. 11. 24 Meine Probandin hatte ich danach gefragt, was für sie typisch deutsch sei bzw. was die deutsche Kultur ausmachen würde. Sie sagte mir, dass Deutschland schon immer ein christlich geprägtes Land gewesen sei. Von daher sei es gerechtfertigt und sollte es politisch stärker umgesetzt werden, dass sich der Islam dem Christentum in Deutschland unterordnet, d.h. weniger im öffentlichen Raum, sondern mehr im Privaten gelebt werden solle. Nun gibt es aber auch in Deutschland Geborene, der deutschen Staatsangehörigkeit Zugehörige, die keiner Konfession angehören. Und auf der anderen Seite gibt es in Deutschland Geborene, der deutschen Staatsangehörigkeit Zugehörige, die dem Islam oder aber dem Judentum angehören. Also irgendwie scheint diese Erklärung unzureichend. Und dennoch scheinen die Vorstellungen von dem „Wir“ bzw. der „Ingroup“ lt. Deprivations- und Desintegrationstheorie ganz klar. Um eine Definition für die deutsche Kultur und damit einhergehend auch die Differenz zu anderen Kulturen deutlich zu machen, reicht es nicht aus, sich ausschließlich auf die Religionszugehörigkeit zu beziehen. Vielmehr ist Kultur ein lt. Thomas (1994) in einer Gesellschaft geteiltes Orientierungssystem, welches über Generationen hinweg tradiert wird 34. Nichtsdestotrotz bleibt die Definition des für eine Kultur so bedeutenden Orientierungssystem schwierig, weshalb es diesbezüglich auch verschiedene Ansätze wie beispielsweise den von Hofstede, den von Schwartz oder den von Ingelhart und Welzel gibt. Nach diesen umfasst Kultur unterschiedliche Dimensionsbereiche, anhand derer dann auch eine Unterscheidung zu anderen Kulturen möglich ist. Besonders Hofstedes Kulturdimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ 35 scheint mir in diesem Zusammenhang – eines Fremdheitsempfindens gegenüber Ausländern, Flüchtlingen und insbesondere Muslimen – passend, da sich die deutsche Kultur wohl sehr in dieser Kulturdimension mit den der muslimischen Kultur unterscheidet. Auch wenn die Abgrenzung der deutschen zu anderen Kulturen unklar erscheint, so wirken aber Grenzziehungen zu etwas Fremden sinnstiftend und fördern die Identifikation mit der „Ingroup“, und das selbst, wenn das Wesen der „Ingroup“ nicht eindeutig beschrieben werden kann. Interessant ist, dass sich Fremdheit nicht ausschließlich durch den Fakt der Unbekanntheit erklären lässt. Fremdheit entsteht eher durch kulturelle Unterschiede wie unterschiedlichem Wissen, Erfahrungen und Weltanschauungen sowie durch soziale Distanz, dadurch dass sich die anderen nicht 34 35 vgl. Maehler, Schmidt-Denter, 2013, S. 15. vgl. Maehler, Schmidt-Denter, 2013, S. 19. 25 innerhalb der eigenen Bezugsgruppe befinden 36. Besonders stark sei der Wunsch nach nationaler Identifikation in Zeiten großer Heterogenität. Dahinter steht der Wunsch nach Selbstverortung, Zugehörigkeit und Egalität zu anderen Mitgliedern der „Ingroup“. Da es realistisch betrachtet diese gewünschte Homogenität jedoch nicht gibt, muss eine Grenzziehung zum Fremden dadurch verschärft werden, dass „die Gemeinsamkeiten überhöht und die Differenzen polemisch aufgeladen werden“ 37. Diese verschärfte Grenzziehung führt dazu, dass die „Anderen“ bzw. das Fremde als Bedrohung wie z.B. als eine „Flüchtlingswelle“, als eine „Vereinnahmung“ empfunden werden. Darin zeigt sich der Zusammenhang zu den Theorien der Vorurteilsforschung. Politische wie auch soziale Veränderungen, wie die Globalisierung, die Einführung des Euros 2002, der Kapitalismus mit einhergehenden sozialen Unterschieden sowie die Flüchtlingsbewegungen, bergen Unsicherheitsempfinden und fördern den Wunsch nach einer Identifikation mit einer Gemeinschaft. Damit die Identifizierung zu einer vermeintlichen „Ingroup“ gelingt, müssen die Unterschiede zum „Anderen“ hervorgehoben werden. Mit dieser Grenzziehung werden Ausländer, Flüchtlinge und Muslime zum Fremden und besitzen dadurch nicht die gleichen materiellen Rechte wie die Mitglieder der „Ingroup“. Durch diese hierarchische Herabsetzung der „Outgroup“ ist nun auch eine Schuldzuschreibung an die „Outgroup“ für sozialpolitische Missstände, für politische Entscheidungen oder für die individuell als unbefriedigend erlebte Lebenslage möglich (siehe Verschiebung auf Sündenböcke, Deprivationstheorie, Desintegrationsthese). Somit sehe ich in der Ausgrenzungstendenz eine rechtsextreme Orientierung. 36 37 vgl. Rommelspacher, 2002, S. 9 ff. Rommelspacher, 2002, S. 45. 26 4.3.2 Demokratieentleerung „die dann aber nicht mehr meine SPD war“ „wir haben die falsche Währung“ Als ein zweites entscheidendes Fazit aus der Film- und Interviewanalyse ging eine Unzufriedenheit zur derzeitigen Politik und dem Suchen nach Wahlalternativen hervor. A. Zick und A. Klein bezeichnen das als eine (sinn-) entleerte Demokratie 38, welche entsteht, wenn Menschen sich in ihren Interessen nicht mehr von ihren Politikern vertreten fühlen bzw. wenn sie das Gefühl haben, kein Mitsprache und keine Kontrollmöglichkeiten über politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen zu haben. Dieses wird im Film und im Interview sehr deutlich. Im Film ist der Polizist zu sehen, der nach zwanzigjähriger SPD-Zugehörigkeit nun zur AfD wechselte. Meine Probandin im Interview sagt, dass die AfD zu Beginn der „Flüchtlingswelle“ für sie die einzige Partei war, die sich dagegen gewehrt hätte. Sie begrüße nach wie vor die Flüchtlingspolitik der AfD im Sinne einer Festlegung von Obergrenzen sowie einer Kontrolle über die Auslebung des Islams. Eine Unzufriedenheit der deutschen Politik sowie ein Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber den Fremden, die sie „vereinnahmen“ oder „überrollen“ wollen, schafft wiederum Identität und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und zugleich aber auch Abgrenzung zu den anderen. Dabei heißt Demokratieentleerung nicht politisches Desinteresse. Demokratieentleerung meint vielmehr einen Qualitätsverlust innerhalb der Demokratie 39. Die Personen im Film sowie meine Probandin zeigten sich interessiert und informiert am politischen Geschehen. Der Film handelt darüber hinaus von Personen, die sich nicht nur informieren wollen, sondern auch politisch mitwirken möchten. Allerdings reicht ihre Informationsbereitschaft und Offenheit nicht aus, um für das vermeintlich Fremde aufgeschlossen zu bleiben. Insofern stimmt die Sündenbocktheorie zum Teil zu, in dem Sinne, dass die Verantwortung für politische und gesellschaftliche Veränderungen dem Fremden zugeschrieben werden und dadurch eine Grenzziehung weiter aufrecht erhalten bleiben kann. Aber auch die Verantwortung der Politik wird gesehen. Nicht umsonst fragt sich meine Probandin, welche Partei für sie eine Wahlalternative wäre und nicht umsonst sind im Film ehemalige SPDMitglieder zur AfD gewechselt. 38 39 vgl. Zick, 2014, S. 19. vgl. Zick, 2014, S. 86. 27 Kritik wird über den Euro, den Euro-Rettungsschirm, über die Flüchtlings- und über die Familienpolitik geäußert. Doch ist eine solche Kritik Zeichen einer rechtsextremen Orientierung? Laut A. Zick seien eher allgemeine und pauschale Demokratiezweifel gefährlich für die demokratische Grundordnung und für eine Anlehnung an rechtsextreme Orientierungen. Sie würden zu einer politischen Apathie und zu einer Hinwendung zu rechtspopulistischen Parteien führen 40. Allerdings kann ich in meiner Film- und Interviewauswertung keine politische Apathie erkennen. Es stellt sich aber die Frage, in wie weit die unter 4.3.1. beschriebenen Ausgrenzungstendenzen, denen ich rechtsextreme Einstellungen zuschreiben würde, Auswirkungen auf das politische Informations- und Mitwirkungsgeschehen haben. Meines Erachtens ist die Zuschreibung der anderen zu Sündenböcken sowie die Vorstellung, diesen gegenüber ungleich behandelt zu werden, so stark, dass ein vorurteilsfreies politisches Interesse und Mitwirken kaum möglich ist. Denn wie lässt es sich sonst erklären, dass die Personen im Film sich für die AfD engagieren, obwohl sie um die rechtsextremen Äußerungen ihrer Parteimitglieder wissen und sie sich davon distanzieren möchten. 4.3.3 Fazit: Befinden wir uns in einer rechtsextremen Gesellschaft? Aus der in 4.3.1 beschriebenen Grenzziehung zwischen dem „Wir“ und den „Anderen“ und der Negativzuschreibung der „Anderen“ als eine Bedrohung durch den Islam, welches eine Pauschalisierung der muslimischen Religion birgt, darin sehe ich rechtsextreme Einstellungen. Denn diese Einstellung birgt nicht nur eine Abgrenzung, was nicht weiter problematisch wäre, sondern sie birgt das Vorurteil von der islamischen Kultur bedroht zu werden sowie das Vorurteil, muslimische Personen in Deutschland bekämen mehr Vorteile zugesprochen. Im Umkehrschluss heißt das demnach, dass ihnen ihre Rechte nicht zustehen würden – zumindest nicht in Deutschland – und dass Deutschland höherwertig sei und sich somit gegen den Islam verteidigen bzw. ihn ausgrenzen und abwerten dürfe. Und selbst das scheinbare politische Interesse und Engagement der in meiner Analyse vorkommenden Personen verbirgt nicht ihr Überlegenheitsdenken der eigenen Gruppe gegenüber den „Anderen“ und damit ihrer Abwertung den anderen gegenüber. Dieser Überlegenheitsgedanke wird in der Literatur, im Rahmen der GMF, auch als Chauvinismus bezeichnet. Er stellt eine Einstellungsdimension dar, anhand derer eine rechtsextremistische Haltung zu erkennen 40 vgl. Zick, 2014, S. 90 f. 28 ist. In einer Studie der Universität Leipzig von 2002 bis 2014, in welcher die GMF in Deutschland gemessen wurde, zeigt sich, dass der Überlegenheitsgedanke bzw. der Chauvinismus in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet ist und einhergeht mit einer wie auch im Interview und im Film erkennbaren Abwertung einer sogenannten „Outgroup“ und einer Ausländerfeindlichkeit – ersichtlich aus der Abb. 1 und Abb. 2. Ebenso zeigt sich, dass diese Einstellungen nicht ausschließlich bei den Jüngeren zu finden sind, sondern auch in der Altersgruppe 31-60 sowie in der Altersgruppe 60+ vorkommen - ersichtlich aus der dritten Abbildung 41. Abb. 1: Einstellungsverteilung bezüglich Chauvinismus Abb. 2: Einstellungsverteilung bezüglich Ausländerfeindlichkeit 41 vgl. Decker et al., 2014, S. 34 ff. 29 Abb. 3: Einstellungsverteilung nach dem Alter Insofern decken sich die Ergebnisse meiner Film- und Interviewanalyse mit denen der Studie hinsichtlich der Einstellungsdimensionen „Chauvinismus“ und „Ausländerfeindlichkeit“. Auch wenn ich das Alter meiner Probandin nicht explizit erhoben habe, sondern nur geschätzt angegeben habe, und auch wenn man das Alter der Personen im Film nur erahnen kann, so handelt es sich doch nicht um Jugendliche oder relativ junge Menschen. Man kann davon ausgehen, dass die Personen im Film mittleren Alters (Mitte 30 – 60 Jahre) oder im Rentenalter waren. Insofern decken sich auch hier die Ergebnisse der Studie mit meinen, nämlich das rechtsextreme Einstellungen, insbesondere der Chauvinismus und die Ausländerfeindlichkeit in jeder Altersgruppe, die Ausländerfeindlichkeit mit 20,2% lt. Studie sogar am meisten in der Altersgruppe 60+, verbreitet sind. Auf den ersten Blick ist in meinen Analysen allerdings kein Rückzug aus dem politischen Geschehen bzw. eine politische Apathie zu erkennen. Die Flüchtlings-, Euro- und Familienpolitik wird zwar kritisiert sowie die Tatsache, dass es an Wahlalternativen fehle, allerdings zeigen sich die im Film und im Interview gezeigten Personen als politisch interessiert und engagiert. Doch trotz ihres Interesses ist dennoch ihr Überlegenheitsdenken gegenüber Flüchtlingen und insbesondere gegenüber muslimischen Flüchtlingen vorhanden. Dieses liegt wohl darin begründet, dass sie den Islam nicht zu Deutschland zählen und ihm daher keine Daseinsberechtigung in Deutschland bzw. nur eine mit weniger Rechten zusprechen. Womöglich sei diese Ausgrenzungstendenz wegweisend für die politischen Interessen der dargestellten 30 Personen und somit auch erklärend für ihr Sympathisieren mit der AfD. In ihrer Abkehr von etablierten Parteien kann hintergründig eine Demokratieentleerung gesehen werden in dem Sinne, das aus Protest darüber, sich in seinen politischen Interessen nicht mehr vertreten zu fühlen, zur AfD gewechselt wird oder zumindest mit einigen Punkten der AfD zugestimmt wird. Allerdings wäre ja auch ein Wechsel zu anderen Parteien möglich gewesen. Doch es ist vor allem die AfD, die seit ihrer Gründung 2013 an Stimmen gewinnt. Somit müssen ja wie zuvor erläutert versteckte rechtsextreme Einstellungen bereits vorhanden gewesen sein, bestehend aus einer Vorstellung von einer deutschen Kultur, die fremde Kulturen insbesondere den Islam nicht dazuzählt, um sich nun vom Programm der AfD angesprochen zu fühlen. So zeige sich eine rechtsextreme Einstellung nicht automatisch im Wahlverhalten. Laut Falters Studie von 1994 würden 14% der SPD-Wähler, ca. 17% der Nichtwähler und 20% der CDUWähler ein rechtsextremes Weltbild haben 42, welches jedoch nicht sichtbar wird. Erst jetzt, mit dem Zulauf zur AfD, wird sichtbar, welche große Vielzahl an rechtsextremen Einstellungen in Deutschland verbreitet seien. Und so lässt sich wohl auch der Zulauf zur AfD begründen. Ein bereits vorhandenes rechtsextremes Einstellungsbild bei vielen Menschen in Deutschland, insbesondere in der Vorstellung der Überlegenheit gegenüber anderen Gruppen, findet in der AfD nun eine Partei, die dieses Einstellungsbild aufgreift, teilt und zudem noch sozialpolitische Problemlage, welche auch zu einer Protestbewegung der Menschen in Richtung AfD geführt haben, in ihr Politikprogramm aufnimmt und zu bekämpfen verspricht. Doch darin liegt auch die Gefahr rechtspopulistischer Parteien, in dieser Arbeit nun in der AfD. Sie machen sich sozialpolitische Fragen und die Protestbewegung der Menschen zu Nutze und gewinnen somit Macht, um u.a. auch ihre rechtsextremen Forderungen zu streuen. Insofern ist die AfD auch als ein „Frühwarnsystem“ 43 für eine „wachsenden Entfremdung des politischen Systems vom Wahlvolk“ 44 zu sehen. 42 vgl. Häusler, 2008. S.47. vgl. Priester, 2008, S. 23. 44 Priester, 2008, S.20. 43 31 5 Möglichkeiten der Sozialen Arbeit Wie kann nun die Soziale Arbeit rechtsextremen Einstellungen entgegentreten und dagegen vorgehen? Obliegt ihr überhaupt diese Verantwortung? Politische Einstellungen und so auch die Rechtsextreme bilden sich auf verschiedenen Ebenen heraus. Zunächst auf der Individualebene im Familienkontext, in der Schule und in den Peergroups, darüber hinaus auf der Mesoebene, vor allem durch die Schule und in wie weit Schüler zur Teilhabe gefördert werden oder ob sie Ausgrenzungserfahrungen machen. Auf dritter Ebene, der Makroebene, nimmt die politische Kultur Einfluss auf politische Einstellungen. Sie ergibt sich einerseits aus den individuellen Erfahrungen als auch aus kollektiv geteilten Erfahrungen und Meinungsbildern 45. Die Soziale Arbeit hat bezüglich der politischen Einstellungsbildung Einsatz- und Wirkungskraft auf allen drei Ebenen resultierend aus ihrer gesellschaftlichen Funktion und Verantwortung. Die Soziale Arbeit sieht sich an der Schnittstelle zwischen dem Individuum und der Gesellschaft 46. Sie übernimmt die ihr vom Staat übertragene Aufgabe, auf soziale Probleme zu reagieren und zu intervenieren, indem sie Menschen in der Bewältigung ihrer individuellen Problemlagen unterstützt. Die Soziale Arbeit hat aber auch die Aufgabe, den Staat auf derzeitige strukturelle Problemlagen aufmerksam zu machen, um wiederum besser auf die individuellen Probleme der Menschen einwirken zu können. Insofern steht die Soziale Arbeit auch in der Verantwortung, auf einen derzeitigen Rechtsdruck in Deutschland zu reagieren sowie durch eine Bekämpfung von sozialen Problemlagen rechtsextremen Einstellungen vorzubeugen. Bereits in den 1990er Jahren, im Zuge der Wiedervereinigung und den rechtsextrem orientierten Anschlägen gegen Asylbewerberheimen in Solingen, Mölln, Rostock Lichtenhagen und Hoyerswerda 47 wurde die Sozialarbeit aktiv, indem sie Sonderprogramme des Bundes und der Länder („Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ AgAG 1992-1996) auf kommunaler Ebene umsetzte. Allerdings waren diese in erster Linie auf Jugendliche ausgerichtet, da man rechtsextreme Einstellungen und Gewalt vor allem bei Jugendlichen verortete 48. Doch liegt die Ursache 45 vgl. Becker, 2016, S. 445. vgl. Herrmann, 2016, S. 245. 47 vgl. Schmidtke, 2016, S. 389. 48 vgl. Schmitz, Häusler, 2008, S. 243. 46 32 rechtsextremer Einstellung – wie auch aus meinen Analysen hervorgeht - nicht allein in der Jugend begründet. Insofern sind darüber hinaus Maßnahmen mit einem weiteren Adressatenspektrum erforderlich. Rechtsextremen Einstellungen werden vor allem präventiv begegnet. Dieses kann auf der primären, sekundären und tertiären Präventionsebene geschehen. Auf der primären Präventionsebene sei die politische Bildung zum Beispiel durch interkulturelles Lernen 49, sowie durch Projekte wie „Jugend gegen Extremismus“ oder „Schule ohne Rassismus/ Schule mit Courage“ zu nennen. Sie zielen auf alle Personen unabhängig ihrer politischen Einstellung ab. Allerdings richten sie sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche. Projekte, welche der sekundären Prävention zuzuordnen sind, haben vor allem die sogenannten „Gefährdeten“ 50 als Zielgruppe, so zum Beispiel Personen in prekären Lebenslagen (von Armut Betroffene, Geringverdiener) oder aber Personen, welche im ländlichen Raum leben. Hier sind Personen vor allem über die Gemeinwesenarbeit, aber auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung oder der Eingliederungshilfen zu erreichen. Sie haben zwar nicht die Bekämpfung von Rechtsextremismus als oberstes Ziel, doch können sie sich indirekt durch eine Verbesserung der individuellen Lebenslagen auch rechtsextremen Einstellungen vorbeugen. Projekte, welche der tertiären Prävention zuzuordnen sind, setzen sich mit den „Manifest Betroffenen“ auseinander, zum Beispiel, um ihnen bei einem Ausstieg aus der rechtsextremen Szene zu verhelfen oder auch bloß, um Hintergründe für eine rechtsextreme Einstellung kennenzulernen. Umgesetzt werden diese Präventionsangebote durch verschiedene Projekte. Viele dieser Projekte lassen sich in der Jugendarbeit verorten. Sie werden entweder in der Schule, im Unterricht oder im Bereich der Schulsozialarbeit umgesetzt, oder im außerschulischen Bereich wie beispielsweise in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Doch es gibt auch lokale und regionale Initiativen, welche nicht ausschließlich bei den Kindern und Jugendlichen ansetzten. Denn wie der Film, das Interview und die Studie gezeigt haben, lassen sich rechtsextreme Einstellungen in jeder Altersgruppe wiederfinden. Diese Initiativen können Förderung beantragen entweder über Förderprojekte des Bundes, des Landes, der Kommunen oder über Stiftungen. 49 50 vgl. Rieker, 2009, 71 ff. vgl. Schmidtke, 2016, S. 414. 33 Als Beispiel sei das Förderprojekt „Jugend gegen Extremismus“ der Robert Bosch Stiftung zu nennen 51. Hier können Jugendprojekte von Vereinen, Schulklassen, Jugendhäusern, die sich mit dem Thema Extremismus und auch Rechtsextremismus beschäftigen, finanziell gefördert werden. Auch auf Bundes-, Länder-, und kommunaler Ebene gibt es verschiedene Förderprogramme. Auf Bundesebene ist es das seit 2015 laufende Projekt „Demokratie leben! – aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ 52. Verantwortlich für dessen Umsetzung ist das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Beauftragt wurde es vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Das BAFza fördert im Rahmen von „Demokratie leben!“ verschiedene Modellprojekte in Schulen, Vereinen, in Stadtteilbüros, Instituten sowie vielen anderen Einrichtungen in ganz Deutschland, welche sich mit der Prävention von rechtsextremen Einstellungen befassen. Auf kommunaler Ebene sei zum Beispiel die Initiative „Bund statt Braun e.V.“ genannt, eine Rostocker Bürgerinitiative. Alle diese Initiativen und Projekte zielen darauf ab, zum einen Aufklärungsarbeit zu leisten, aber auch politisches Engagement über Teilhabeerfahrungen zu stärken. Denn wie aus den Ergebnissen hervorging, ist es unter anderem eine Demokratieentleerung im Sinne eines fehlenden Selbstwirksamkeitserlebens oder im Sinne fehlender politischer Mitwirkungsmöglichkeiten, die rechtsextreme Einstellungen begünstigen können. Politische Förderprojekte und Initiativen wollen diesem Erleben entgegentreten. Bezüglich des Fremdheitserlebens gegenüber anderen Gruppen können natürlich die Inklusionsbestrebungen unter anderem im Schulkontext entgegenwirken. Jedoch zeigte sich unter 4.3.1 auch, dass das Fremdheitserleben nicht ausschließlich daher rührt, dass einem die anderen unbekannt sind, sondern vielmehr, weil äußerere Unsicherheitsfaktoren den Wunsch nach stärkerer Verortung zur Eigengruppe und damit zu einer polemischen Grenzziehung zu einem angeblichen Fremden begünstigen. 51 52 vgl. http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/67272.asp#, Stand: 13.07.2016. vgl. http://www.demokratie-leben.de/, Stand: 13.07.2016. 34 6 Zusammenfassung Zusammenfassend zeigt sich aus der Film- und Interviewanalyse sowie aus der Studie, dass rechtsextreme Einstellungen vorhanden sind und zwar in allen Altersgruppen der deutschen Gesellschaft. Es zeigt sich, dass diese Einstellungen mitunter schon vorhanden waren, sich jedoch nicht im Wahlverhalten zeigten und somit unsichtbar blieben. Doch durch das Stärker-Werden rechtspopulistischer Parteien, allen voran der AfD in Deutschland, werden diese Einstellungen sichtbar und von der AfD zudem noch gefördert. Es zeigte sich auch, dass eine Hinwendung zur AfD mit politischer Unzufriedenheit verbunden ist, dass das Engagement für die AfD auch als ein Wunsch verstanden werden kann, sich stärker politisch einbringen und etwas verändern zu wollen. Nichtsdestotrotz ließen sich trotz des politischen Engagements rechtsextreme Einstellungsdimensionen erkennen. Die Soziale Arbeit hat über politische Bildungsangebote die Verantwortung gegen den Rechtsextremismus zu kämpfen und die Demokratie zu stärken. Dieses versucht sie vor allem über Präventivangebote über Partizipation und Teilhabe der Menschen, um durch das erhoffte Selbstwirksamkeitserleben dem Gefühl der Ohnmacht und Demokratieentleerung entgegenzutreten. Es zeigt sich aber auch, dass der einstige Höhenflug der AfD mittlerweile nachlässt. Während Anfang des Jahres in einzelnen Bundesländern noch Wählerstimmen von über 12% verzeichnet wurden – in Sachsen-Anhalt sogar 24,3% - so gibt das Politbarometer derzeit an, dass nur noch 11 % der Deutschen die AfD wählen würden, wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre – siehe Abb. 4. 35 Abb. 4 53 Diese Einbußen sind unter anderem durch die andauernde Zerstrittenheit in der Partei begründet, welche einerseits eindeutige rechtsextreme Parolen und islamfeindliche Forderungen stellt, auf der anderen Seite jedoch jeden Vorwurf der rechtsextremen Orientierung von sich weist. Bereits im Film wurde dieses Phänomen deutlich. Und auch die Probandin im Interview hatte erkannt, dass die AfD eben auch ein Sammelbecken für Rechtsextreme darstelle. Und wie es in 4.3.3 beschrieben wurde, kann aufgrund der Diskrepanz zwischen rechtsextremer Einstellung und Wählerverhalten davon ausgegangen werden, dass sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung nicht in die rechte Ecke verorten lassen möchte, und sie sich somit gegenüber der AfD verdeckt halten. Nichtsdestotrotz zeigten die vorhergehenden Erläuterungen, dass sich auch bei denjenigen, die sich von rechtsextremen Äußerungen der AfD abgrenzen wollen, sich dennoch solche Einstellungen verbergen, insbesondere im Bereich des Chauvinismus und der Ausländer- vor allem der Islamfeindlichkeit. Es bleibt abzuwarten, in wie weit sich die AfD etablieren kann und ob, und gegeben diesen Falls, welche Auswirkungen der Rechtspopulismus in Deutschland haben wird. Interessant hierbei wird unter anderem die Landtagswahl in Mecklenburg Vorpommern im September 2016, wie auch die noch ausstehenden Landtagswahlen im nächsten Jahr sowie die im nächsten Jahr stattfinde Bundestagswahl. 53 vgl. http://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/Politbarometer/ , Stand: 13.07.2016. 36 7 Literatur Becker, Reiner: Wenn abstrakte Items auf die Wirklichkeit der Stammtische treffen, In: Frindte, Wolfgang; Geschke, Daniel; Haußecker, Nicole; Schmidtke, Franziska (Hrsg.): Rechtsextremismus und „nationalsozialistischer Untergrund“, Wiesbaden: Springer Verlag, 2016. Decker, Oliver; Kiess, Johannes; Brähler, Elmar: Die stabilisierte Mitte. Rechtsextreme Einstellung in Deutschland, Universität Leipzig, 2014. Häusler, Alexander: Rechtspopulismus als Stilmittel zur Modernisierung der extremen Rechten, In: Häusler, Alexander (Hrsg.): Rechtspopulismus als Bürgerbewegung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008. Heitmeyer, Wilhelm: Deutsche Zustände, Folge 1, 1. Aufl., Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2002. Heitmeyer, Wilhelm: Deutsche Zustände, Folge 10, 1. Aufl., Berlin: Suhrkamp Verlag, 2012. Herrmann, Franz: Konfliktarbeit – Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, In: Zipperle, Mijana; Bauer, Petra; Stauber, Barbara; Treptow, Rainer (Hrsg.): Vermitteln – Eine Aufgabe von Theorie und Praxis Sozialer Arbeit, Wiesbaden: Springer Verlag, 2016. Krautkrämer, Felix: Alternative für Deutschland, Berlin: Junge Freiheit Verlag, 2014. Maehler, Débora; Schmidt-Denter, Ulrich: Migrationsforschung in Deutschland, Wiebaden: Springer Verlag, 2013. Priester, Karin: Populismus als Protestbewegung, In: Häusler, Alexander (Hrsg): Rechtspopulismus als Bürgerbewegung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008. Rieker, Peter: Rechtsextremismus: Prävention und Intervention, Weinheim und München: Juventa Verlag, 2009. Rommelspacher, Birgit: Annerkennung und Ausgrenzung, Deutschland multikulturelle Gesellschaft, Frankfurt/Main: Campus Verlag, 2002. als Schetsche, Dr. Michael: Die Karriere sozialer Probleme, München: Oldenbourg Verlag, 1996. Schmidtke, Franziska: Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention in den Bundesländern, In: Frindte, Wolfgang; Geschke, Daniel; Haußecker, Nicole; Schmidtke, Franziska (Hrsg.): Rechtsextremismus und „nationalsozialistischer Untergrund“, Wiesbaden: Springer Verlag, 2016. 37 Schmitz, Adelheid; Häusler, Alexander: Aktiv für eine vielfältige, soziale und demokratische Stadt – kommunale Strategien gegen die extreme Rechte, In: Häusler, Alexander (Hrsg.): Rechtspopulismus als Bürgerbewegung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008. Zick, Andreas: Vorurteile und Rassismus, Münster: Waxmann Verlag, 1997. Zick, Andreas; Klein, Anna: Fragile Mitte, feindselige Zustände: Bonn: J.H.W. Verlag, 2014. 38 8 Internetquellen http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlen-2016-die-ergebnisse-derlandtagswahlen-im-ueberblick-a-1082093.html Stand: 09.05.2016 http://www.statistik-hessen.de/k2016/html/EK1.htm Stand: 09.05.2016 http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41192/was-istrechtspopulismus?p=0 Stand: 11.05.2016 https://bernd-lucke.de/austritt-aus-der-alternative-fuer-deutschland/ Stand: 12.05.2016 https://www.alternativefuer.de/partei/bundesvorstand/ Stand: 12.05.2016 http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/was-ist-rechtspopulismus-0, Stand: 17.05.2016 http://www.birgit-rommelspacher.de/pdfs/was_ist_rassismus.pdf, Stand: 31.05.2016 http://www1.wdr.de/fernsehen/hier-und-heute/sendungen/ich-und-die-afd-100.html Stand: 13.07.2016 (Film: „Ich und die AfD“) http://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/Politbarometer/, Stand: 13.07.2016 http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/67272.asp#, Stand 13.07.2016. http://www.demokratie-leben.de/, Stand: 13.07.2016. https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/05/2016-06-27_afdgrundsatzprogramm_web-version.pdf, Stand: 14.07.2016. http://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/sie-konnen-es-nicht-lassen-1.2620328, Stand: 14.07.2016. 39 1 Anhang 2 Transkript des Interviews 3 4 Eingangsfrage: 5 6 I: Wie sehen Sie die AfD; wie bewerten Sie die Entwicklung der Partei für sich, ob Sie daran etwas gut oder nicht gut finden? 7 8 9 10 11 12 P: Die AfD war für mich, als diese Flüchtlingswelle anrollte, auch eigentlich die einzige Partei, die sich dagegen … auch gewehrt hat. Oder verwehrt hat, sagen wir mal so. Ähm, die Formen waren mir damals eigentlich völlig egal, weil… das damals dermaßen…wie soll ich sagen?...beängstigend war..wenn man diese ganzen Massen gesehen hat, die hier als Flüchtlinge ankamen und man muss sich ja.. man muss sich.. nicht die Augen davor verschließen, das das horrende Summen sind, die hier verschlungen werden. 13 I: Hm 14 15 P: Und die Steuergelder bzw. die Städte und Kommunen, die haben ja auch heute noch Schwierigkeiten, ihre Schulden abzubauen, die sie ohnehin schon haben.. 16 I: 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 P: aufgrund der Tatsache, dass sie Wohnung öhm… die..in… die Inklusion also die…ähm..Deutschkurse dann die eventuelle Integration in den Arbeitsmarkt, dass sich das über Jaaahre hinziehen wird und dass die Kosten gar nicht abzusehen sind. Das ist beängstigend. Und aufgrund dieser Tatsachen wird auch die AfD, ist meine Meinung,.. in Zukunft noch mehr Zulauf haben. Auch wenn im Moment vielleicht diese Flüchtlings-…dieser Flüchtlingsstrom nachgelassen hat und nicht mehr so häufig.. nicht im Fernsehen auch darüber berichtet wird, das ist natürlich auch ein ganz wesentlicher Fakt, das sich die Medien da jetzt ein bisschen zurückhalten, und man gar nicht weiß, wie viele kommen da jetzt eigentlich noch und wie viele bleiben und wie viele müssen wieder zurück gehen….und das ist schon ganz schön belastend. Hinzu kommt, dass die Flüchtlinge eigentlich und darauf wird die AfD sich auch in irgendeiner Form stürzen, geh‘ ich mal von aus, dass die ne völlig andere.. Lebensstruktur haben, auch ne völlig andere Religion, die sie…eigentlich..so intensiv betreiben, dass wir das häufig gar nicht verstehen können. Und dass es auch ein Unding ist, dass man bestimmte..große Räumlichkeiten unbedingt zur Verfügung stellen muss, damit die dieses Freitagsgebet abhalten können. 32 I: Hm 33 34 35 36 37 38 P: Ich bin der Meinung, wenn sie beten wollen, können sie das zu Hause machen. Da muss man ihnen nicht in irgendeiner Form…sie kriegen so viele Zuschüsse, Vergünstigungen..da muss man ihnen diese Möglichkeiten nicht unbedingt auch noch zur Verfügung stellen. Ist meine Meinung. Das mag jetzt sicherlich hart klingen, aber ich weiß, wenn ich hier her komme, das ich in ein Land gehe, das ein christliches Land ist.. und dann kann ich auch nicht erwarten, dass ich meinen Glauben jetzt so ausleben kann, wie ich das zu Hause konnte. Dann muss ich zu Hause bleiben. 39 I: Hm hm 40 40 41 42 43 44 45 46 P: Ich mein‘ sie haben kein zu Hause, das ist mir auch klar und ich weiß auch, dass es für sie ganz ganz schlimm ist, aber es gibt auch irgendwo Grenzen. Und aufgrund dieser Tatsache.. ist die AfD eigentlich die einzige Partei, die sich mit Ausnahme vielleicht der CSU, die sich dagegen stellen und auch mit Argumenten kommen, die manchmal nicht vom Tisch zu weisen sind, die sind einfach da und das ist eigentlich auch.. das entspricht auch der Realität. Was mich jetzt stört an der AfD ist die Tatsache, dass diese ganze Strömung so weit nach rechts geht, dass man Angst haben muss, das ein…ja…ein zweites oder ein drittes Deutsches Reich 47 I: 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 P: entsteht…das….ja…kriegerische Auseinandersetzungen (unverständlich, weil sehr leise gesprochen) aufgrund dieser Tatsache, dass sie sich dann überrollt fühlen von irgendwelchen anderen…ähm…ja…Landsleuten hier..und das sagen sie ja auch ganz deutlich, das steht ja auch fest und das ist eben auch die Täuschung..sie würden auch viele Leute, die HartzIV-Empfänger sind, sind ja auch Anhänger der AfD, das darf man auch nicht verkennen, aber wenn man sich jetzt mal die….öh..wie soll ich sagen……diesen Plan der AfD für die Zukunft also ihre parteiinternen Vorstellungen anhört, dann merkt man, dass sie im Grunde genommen für die gerade für diese HartzIV-Empfänger gar nichts tun werden….wenn, dann sind sie für diejenigen, die jetzt ohnehin schon genügend Geld haben, die mit den Flüchtlingen überhaupt nicht in Kontakt kommen, die ihre eigenen Regionen haben, wo eh kein Flüchtling hinkommt. 59 I: Hm 60 61 62 63 64 65 P: Und die werden sie unterstützen. Die sind für sie ..öhm.. diejenigen, die am meisten davon profitieren. Sie wollen zum Beispiel die Erbschaftssteuer nicht abschaffen. Das ist schon mal son Punkt und sie wollen im Grunde genommen auch nicht die Besteuerung der…öhm.. Betriebe, der Großbetriebe, und in dem Punkt, find ich, haben sie mit der CSU ganz viel gemeinsam. Im Prinzip könnten sie sich mit der CSU zusammen tun und könnten eine Partei bilden. Wenn jetzt diese rechtsradikale Strömung in der AfD nicht wäre. 66 I: Ja 67 68 69 70 P: Denn die haben sich jetzt eigentlich nur so eingeschlichen mehr oder weniger auch, um irgendwo auch mal was sagen zu… zu sagen zu wollen, sagen wir mal. Öhm.. und aufgrund dieser Tatsache gehe ich mal davon aus, dass die AfD weiterhin an Prozenten gewinnen wird….. vielleicht hätte der Lucke, der sich ja mit der ALFA?...heißt die ALFA? 71 I: Er ist doch nicht mehr da drinne ne? 72 P: Der Lucke ist nicht mehr in der AfD 73 I: 74 75 76 77 78 P: Ne. Der Lucke hat eine eigene Partei gegründet, die in Demmin den Parteitag abgehalten haben zusammen mit einer Frau, den Namen hab‘ ich vergessen, die im…ähm..ähm..ähm.. die in der EU irgendeine Position hat. Die ist mit ihm damals ausgetreten gemeinsam aus der AfD als es darum ging, dass die…ähm…wie heißt sie jetzt?... 79 80 I: Petry? hm Er ist jetzt im Europaparlament 41 81 82 83 84 P: die Petry, dass die Petry dort sich eben dermaßen…ähm…ja…wie soll ich sagen?...rechtsradikal verhalten hat und das hat dem Lucke nicht gefallen, überhaupt nicht…öhm… und der hat eigentlich auch andere Positionen als die Petry und demzufolge müsse man nun abwarten, wie der sich da vielleicht irgendwo einbringt…ALFA glaube ich heißt die? 85 86 87 88 89 90 91 P: Und vom Intellekt ist der Lucke, wenn man die reden hört von der AfD dort sind ja jenseits von Gut und Böse, die kann man sich eigentlich auch nicht anhören, davon mal ganz abgesehen, mit den Parolen, die sie da verbreiten und im Grunde genommen diejenigen auch anlocken, die ihr..nach der Wende die Verlierer waren, die im Grunde genommen keine Arbeit gekriegt haben, die im Kopf auch wenig drin hatten und sich demzufolge jetzt da auch aufgehoben fühlen, ja und da sich verstanden fühlen im Grunde genommen…und..alles machen würden, was die ihnen vorsagen. 92 I: hm 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 P: Ohne drüber nachzudenken, was sie da eigentlich machen. Und das ist das Problem. Es sind aber auch Viele, die bei den Demos bei der AfD mitgehen, die ganz einfach aufgrund dieser Tatsache…ähm.. diese Ausländerpolitik nicht in Ordnung finden..und hoch anzurechnen ist es vielleicht auch dem…wie heißt unser Ministerpräsident?...von MeckPom…komm‘ nicht drauf…ähm.. ja jedenfalls hat der auch gesagt.. es ging um Rostock..und Rostock ist ja aufgrund der Tatsache, dass dort relativ viele Asylbewerber sind und sie eigentlich 10 Millionen.. öhm.. abbauen wollten Schulden abbauen wollten in diesem Jahr….das aber gar nicht schaffen können, weil sie aus ihrem Topf, der.. die Zuschüsse vom Land also von..von….vom Bund, die Zuschüsse vom Bund betragen, ich glaub‘ 37 Mio Euro, und sie müssten jetzt nochmal 17 oder 20 Millionen dazulegen, um überhaupt diese gesamten Kosten für diese Asylbewerber übernehmen zu können. Also müssen sie 10.000 Euro rundgerechnet mehr ausgeben als sie ursprünglich ausgeben wollten und an Schuldenabbau ist dann auch gar nicht zu denken. Und dann fand ich auch gut, dass unser Ministerpräsident gesagt hat naja man trifft sich jetzt wohl in Berlin mit dem Innenminister und dann ist es ja wohl mehr als recht, denn die gesamte Ausländerpolitik ist ja nicht von den Ländern gemacht worden, sondern sie ist vom Bund gemacht worden, speziell von Angela Merkel. Und dann kann man auch nicht erwarten, dass die Länder für die Kosten aufkommen, da muss der Bund dafür aufkommen. Es geht nicht anders. 111 I: 112 113 114 115 116 P: Für alles eigentlich bin ich auch der Meinung und nicht das die Länder benachteiligt werden. Denn viele Länder wie Berlin zum Beispiel oder Hamburg oder so, die sind dermaßen überbeansprucht auch dadurch, weil das ja ungeheuer Viele ja auch sind, die gerade dort untergekommen sind. Das kann man denen nicht aufbürden. Das geht nicht. Das muss der Bund machen. Eine andere Möglichkeit sehe ich da gar nicht. 117 118 I: Wenn ich das richtig verstanden habe, Sie befürworten die Ausländerpolitik der AfD oder die Kritik der jetzigen Politik.. 119 P: 120 I: 121 P: hm genau dass es eine hohe finanzielle Belastung ist für die einzelnen Länder mhm 42 122 Abbruch der Tonbandaufzeichnung nach 12:42 min, aufgrund eines vollen Speichers Fortführen mit Gedächtnisprotokoll Auf meine Frage hin, wie die Ausländerpolitik bezüglich der Flüchtlinge aussehen sollte, antwortet die Probandin, es dürfe kein Daueraufenthaltsrecht gebe. Wenn sich die Lage im Herkunftsland entspannt, sollten die Flüchtlinge wieder zurückkehren. Ebenso könne man die Flüchtlinge ebenso für die Bundeswehr akquirieren, damit sie für ihr Land kämpfen könnten und dabei helfen könnten, dieses wieder aufzubauen. Auf meine Frage hin, welche Partei sie wählen würde, wenn morgen Bundestagswahl wäre, antwortet die Probandin, sie würde nicht die AfD wählen, da die Partei zu sehr in die rechte Ecke rückt und so dargestellt werden würde. Sie würde eine Partei wie die CSU wählen, obwohl sie die CSU nicht mögen würde. Doch die CSU würde in der Flüchtlingspolitik am ehesten ihren Interessen entsprechen. Eine CSU in Mecklenburg Vorpommern würde sie wählen, so sagt sie. Da es diese jedoch nicht gibt, hat die Probandin derzeit keine Wahlalternative. Sie bringt das Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin an. Sie meint, sie hätte das Buch zu Hause und es gelesen und auch wenn Sarrazin vor sechs Jahren dafür öffentlich sehr kritisiert wurde, so habe er damit recht. Die Probandin geht auf Angela Merkel ein. Sie sagt, sie würde Angela Merkel achten. Sie sei die einzige, die das schaffen würde. Gemeint ist die „Flüchtlingskrise“. Doch mit ihrer Politik hätte sie sich keinen Gefallen getan. Auf meine Frage bzgl. des Islam, äußert die Probandin, nichts gegen den Islam zu haben, doch sie sei dagegen, dass man es den Muslimen so leicht und billig machen würde ihre Religion in Deutschland zu leben. Wenn Gleichstellung, so die Probandin, dann auch bzgl. der Religion. Die Probandin bezweifelt, ob Muslime ebenso wie Christen 9% Kirchensteuer zahlen würden. Das sollte geändert werden. Ebenso wünscht sie sich eine akademisierte Imamausbildung an deutschen Universitäten, um einer radikalen Auslebung und Propaganda des Islams vorzubeugen. Die Probandin sagt: „Man müsse sich hüten vor einer Vereinnahmung durch den radikalen Islamismus.“ Sie sagt: „Ich würde den Islam nicht als Bedrohung erleben, aber er ist schwer zu verstehen für einen Deutschen.“ Deutsche würden das Christentum weniger streng – höchstens 4 Kirchgänge im Jahr – leben. Muslime würden dagegen nach strengen religiösen Regeln leben. Das sei befremdlich 43 Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die Bachelorarbeit selbständig verfasst habe und keine anderen als die angegebenen Literatur- und Quellenverweise verwendet habe. Ebenso erkläre ich, dass ich die aus fremden Quellen entnommenen Gedanken direkt oder indirekt kenntlich gemacht habe. Diese Bachelorarbeit habe ich bisher in keinem anderen Prüfungsamt in gleicher oder vergleichbarer Form vorgelegt. Sie wurde bisher auch nicht veröffentlicht. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Arbeit auf enthaltende Plagiate überprüft wird. Ort, Datum Unterschrift 44