PDF 2.8 MB - Universität Regensburg

Werbung
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Rückblick über 40 Jahre Forschung
Matthias Brack
Institut für Theoretische Physik, Universität Regensburg
21. Dezember 2009
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
1
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Thema meiner Forschung:
Physik endlicher Fermionensysteme
Inhalt des Vortrags:
Die Problematik der Vielteilchen-Physik
Atomkerne: Asymmetrie der Kernspaltung
Metallcluster: heiße Superschalen und kalte Polyeder
Semiklassik: Quantenmechanik mit klassischen Bahnen
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
2
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das Periodensystem der Elemente
↑
Alkali- Metalle
↑
Spaltelemente (U, Pu etc.)
Matthias Brack
Edelgase
Rückblick über 40 Jahre Forschung
↑
3
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Struktur der Atome
Atom = Kern + Z Elektronen:
Achtung: Die Ausdehnung der
Elektronenhülle ist ∼ 10000 mal
größer als die des Kerns!
Der Kern enthält > 99.9% der
Gesamtmasse des Atoms!
Kern = Z Protonen (positiv geladen) + N Neutronen (neutral)
das sind also Z + N = A “Nukleonen” (mp ≃ mn ∼ 1000 me !)
Die Nukleonen werden durch die starke Wechselwirkung
(“Kernkräfte”) zusammengehalten
Die Atome werden durch die elektromagnetiche Wechselwirkung
(“Coulomb-Kräfte”) zusammengehalten; diese beherrschen auch
die Molekülphysik und die Chemie
In der “makroskopischen” Welt beherrscht die GravitationsWechselwirkung (“Schwerkräfte”) das Geschehen
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
4
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das Einteilchen-Problem: Newton und der Apfel
Newtons drittes Axiom:
Kraft = Masse × Beschleunigung
~ = m ~b
K
Mathematisch: Apfel → (Punkt-)Teilchen mit Masse m
Ort des Teilchens: ~r (Vektor aus drei Koordinaten x, y , z)
Bewegung des Teilchens entlang “Bahn” ~r(t) (t = Zeit)
~ r) an allen Orten ~r kennt, kann
Wenn man das Kraftfeld K(~
~ r) = m ~b die Bahn ~r(t) des Teilchens bestimmt werden
mit K(~
(Lösen der “Bewegungsgleichung”) [~b = ~r̈(t)]
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
5
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Ein Teilchen im Potential V (~r)
Sei V (~r) die potentielle Energie (kurz: “das Potential”) eines Teilchens
am Ort ~r. Dann wirkt dort auf das Teilchen die Kraft
~ r) = −∇V
~ (~r)
K(~
~ gibt die räumliche Änderung (“Gradient”) des Potentials
Der Vektor ∇V
Veranschaulichung (1-dimensional):
~ i ) gibt hier die (negative) Steigung
K(r
der Kurve V (r ) am Ort ri
~ zeigt allgemein dorthin, wo es am steilsten
Der Vektor −∇V
nach unten geht (Erinnerung ans Skifahren!)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
6
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das Zweiteilchen-Problem
Newtons zweites Axiom:
actio = reactio
~F = −~F′ (~F für “force”
~ für “Kraft”)
hier: K
Mathematisch: 2 Punktteilchen mit Massen m1 , m2 an Orten ~r1 , ~r2 :
~ 12 = −K
~ 21
K
(Kräfte in Richtung der
Verbindungslinie m1 - m2 )
(gilt für alle Kräfte)
Die Gravitationskraft ist umgekehrt proportional zum Quadrat des
Abstands:
~ 12 | = K12 = γ
|K
γ = Gravitationskonstante
m1 m2
|~r1 −~r2 |2
“Gravitationsgesetz”
(| . . . | bedeutet “Betrag von . . . ”)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
7
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Keplers Planetenbahnen
Newton zeigte: aus dem Gravitationsgesetz folgt, dass zwei Punktmassen
sich gegenseitig auf Ellipsenbahnen umkreisen
Der gemeinsame Schwerpunkt liegt in einem der Brennpunkte der Ellipsen
⇒ Dies erklärte Keplers Ellipsenbahnen der Planeten um die Sonne
Aber nur, wenn man die anderen
Planeten und sämtliche übrigen
Himmelskörper vernachlässigt!
Das Zweiteilchen-Problem mit der Gravitationskraft (oder einer anderen
Kraft, die nur vom Betrag des Abstands abhängt), kann in geschlossener
Form (im Prinzip analytisch) gelöst werden!
Wir sagen heute: Das Zweiteilchen-Problem ist “integrabel”
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
8
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das Vielteilchen-Problem
Wir betrachten nun N Teilchen mit Massen m1 , m2 , . . . , mN
an den Orten ~r1 , ~r2 , . . . , ~rN :
Das gibt 21 N(N − 1)
Paarkräfte Kij !
Wir suchen Lösungen der Bewegungsgleichungen für alle ~ri (t)
(i = 1, 2, . . . , N), d.h. von 3N Funktionen xi (t), yi (t), zi (t)
Dies kann im Allgemeinen nur numerisch auf großen Computern
gemacht werden
Aber die Situation ist noch ernster ...
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
9
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Ein Schritt Richtung Chaos ...
Henri Poincaré erkannte (ca. 1890), dass für N ≥ 3
die Bewegungsgleichungen für die ~ri (t) prinzipiell
nicht geschlossen (analytisch) gelöst werden können!
(höchstens näherungsweise auf dem Computer)
Wir sagen heute: Das N ≥ 3 -Teilchen-Problem ist
(im Allgemeinen) “nicht integrabel”
Poincaré fand, dass als eine Folge davon instabile bis chaotische
Bewegungen der Teilchen möglich werden und begründete damit
die Chaos-Theorie
Beruhigung: Unser Planetensystem ist recht stabil (“beinahe
integrabel”), aber es existieren Asteroiden mit chaotischen Bahnen!
Es gibt (ausnahmsweise) integrable Systeme für N ≥ 3
In diesen kann kein Chaos auftreten
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
10
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Wieviel ist viel?
Eins — zwei — viel!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
11
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Zwei Dreikörpersysteme
Das Helium-Atom:
Kern (hier als Punktteilchen gedacht)
und zwei Elektronen
Das älteste Dreikörpersystem der Welt:
Sonne – Erde – Mond
(ohne alle anderen Himmelskörper)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
12
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Quantenmechanik
In der mikroskopischen Welt (Nanostrukturen, Moleküle, Atome, Kerne)
gelten die Gesetze der Quantenmechanik:
- keine Teilchen auf Bahnen ~r(t), sondern Wellen mit
Aufenthalts-Wahrscheinlichkeiten
- Messungen geben nicht immer exakte Resultate (Unschärfe-Relationen)
- Eigenschaften (wie z.B. Energie, Drehimpuls) können quantisiert sein
- neue Eigenschaften (z.B. Spin s.u.)
Hier brauchen wir:
Gebundene Elektronen und Nukleonen haben quantisierte Energien:
E = En , n = 1, 2, 3, . . .
d.h., ihre Energie variiert nicht kontinuierlich!
Wir nennen dies ein “Energie-Spektrum” {En }
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
13
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Vielteilchenphysik quantenmechanisch
Statt Bewegungsgleichungen für N Ortsvektoren ~ri (t):
Schrödingergleichung (SG) für eine“Wellenfunktion” Ψ(~r1 ,~r2 , . . . ,~rN , t)
|Ψ|2 ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für alle Teilchen
Die SG kann aber für N ≥ 3 nicht geschlossen gelöst werden!
Erfolgreicher Ansatz: die “Mean field”-Näherung
~ r),
Ersetze die Summe aller Paarkräfte durch ein mittleres Kraftfeld K(~
respektive ein “mittleres Potential” V (~r), in welchem sich die N
Teilchen unabhängig voneinander bewegen
V (~r) hängt aber von |Ψ|2 ab und muss im Verlauf der Rechnungen
“selbstkonsistent” (iterativ) angepasst werden
Immer noch enormer Aufwand für große N – ist aber heute mittels
schneller Computer Standard geworden (HF, DFT, CI, etc.)
Aber: Resultate sind rein numerisch und können oft nicht intuitiv
interpretiert werden!
⇒ entwickle einfachere Näherungen (z.B. “Semiklassik”, s.u.)
zwecks besseren Verständnisses der Resultate!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
14
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Spin und Pauli-Prinzip
Wichtige Quanten-Eigenschaft von Teilchen: Spin
- gemessen in Einheiten von ~ = Plancksches Wirkungsquantum
(wie Drehimpuls!)
- analog zu Eigendrehung, aber kein wirklicher Drehimpuls
- existiert auch für reine Punktteilchen (Elektron)
- existiert auch für Teilchen mit m = 0 (keine Ruhemasse - z.B. Photon)
- hat Werte s = 0, 21 , 1, 23 , 2, . . . (in Einheiten von ~)
- für s = 21 nur zwei Zustände: (↑) und (↓)
Der Wert von s bestimmt das Sozialverhalten der Teilchen:
- s ganzzahlig: Bosonen (Photon: s = 1), mögen sich!
(⇒ Bose-Einstein-Kondensate!)
- s halbzahlig: Fermionen (Elektron, Nukleonen: s = 12 ), meiden sich!
(⇒ Pauli-Prinzip)
Das Pauli-Prinzip (Pauli 1925):
Identische Fermionen dürfen nie in allen Eigenschaften
(“Quantenzahlen”) übereinstimmen!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
15
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
N Fermionen im mittleren Potential V (r )
Unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips füllen wir die N Teilchen in die
untersten Energie-Niveaux En :
Systeme mit gefüllten “Schalen” haben “magische Zahlen” Nm und sind
besonders stabil (bei den Atomen: die Edelgase) ⇒ “Schalenstruktur”
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
16
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Deformationsabhängigkeit der Schalenstruktur
Energieniveaux En als Funktion einer Deformation (schematisch):
⇒ Im deformierten System gibt es neue “magische Zahlen” Nm !
Wichtiges Wechselspiel:
Deformationen ⇐⇒ Schaleneffekte
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
17
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Weitere Komplikation in der Kernphysik
Die Kraft zwischen zwei Nukleonen ist nicht genau bekannt!
Sie hängt nicht nur vom Abstand ab, sondern auch von Spin,
Drehimpuls und anderen Eigenschaften der Nukleonen
~ 12 (~r1 ,~r2 )!
⇒ Keine einfache Formel für K
(so wie für die Gravitations- und Coulomb-Kräfte)
Grund: innere Struktur der Nukleonen
Diese sind aus je drei “Quarks” zusammengesetzt:
⇒ Für die Vielteilchenphysik der Kerne braucht man
phänomenologische (“effektive”) Nukleon-Nukleon-Kräfte
(Analogie: Van der Waals-Kräfte zwischen Molekülen!)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
18
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Kernspaltung
1939 wurde die Kernspaltung entdeckt (Hahn u. Strassmann, Meitner u.
Frisch). Dabei zerfällt ein Kern in zwei kleinere Kerne “Fragmente”
(plus 2-3 Neutronen und ev. weitere leichte Kerne):
(Z , N )
(Z1 , N1 ) (Z2 , N2 )
Dabei wird viel Energie frei (Kernenergie)!
Fragen:
- Wie verändert der Kern bei diesem Prozess seine Form? (Deformation)
- Welche Rolle spielen dabei die quantenmechanischen Schaleneffekte?
Am Niels Bohr Institut (NBI) in Kopenhagen, ca. 1967 - 1972:
- Experimentelle Messung von Spaltbarrieren (Bjørnholm, Pedersen, ...)
- Theoretische Berechnung derselben (Strutinsky, ...) (← M.B. ab 1968)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
19
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das klassische Tropfenmodell
(Meitner und Frisch, Bohr und Wheeler, 1939):
Kern wird als elektrisch geladener Flüssigkeitstropfen aufgefasst
Es gibt einen Wettstreit zwischen:
- Zusammenhalt (Anziehung) durch die Oberflächenspannung
(stellt die starke Wechselwirkung dar)
- elektrische Abstoßung zwischen den Ladungen (Protonen)
Energieänderung bei Deformation (E = EOberfl + Eelektr ):
Anziehung überwiegt:
Kern ist stabil
Abstoßung überwiegt:
Kern zerfällt spontan
Beim stabilen Kern (A < Acrit ∼ 250) muss eine “Barriere” (Energie EB )
überwunden werden, bevor der Kern sich spaltet (auch: Tunneleffekt!)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
20
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Deformationen im Tropfenmodell (axialsymmetrisch)
(die Kurven müssen um eine horizontale Achse gedreht werden, um einen
dreidimensionalen Tropfen zu ergeben!)
[Bild aus: M.B. et al., Rev. Mod. Phys. 44, 127 (1972)]
c: Länge-Parameter (in Einheiten des Radius)
h: Einschnür-Parameter
α: Links/rechts-Asymmetrie-Parameter (α 6= 0: gestrichelt)
(Kugel: c=1, h=0, α=0) (NBI 1969)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
21
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Rolle der Schalenstruktur
Die Schalenstruktur in den Spektren {En } der Protonen und
Neutronen beeinflussen die Gesamtenergie des Kerns!
Aber bis in die 1960-er Jahre waren voll mikroskopische
Vielteilchen-Rechnungen für Kerne zu aufwendig
Es existierten aber gute phänomenologische “Schalenmodelle”
für die mittleren Potentiale der Protonen und Neutronen
und das Tropfenmodell (LDM) für die mittleren Energien
Hypothese von Strutinsky (1966):
E = ELDM + δE
δE = Schalenkorrektur-Energie:
- aus Spektren {En } der Schalenmodelle berechnet [dazu: M.B. Diss. 1972]
- macht nur Prozente oder Promille der Gesamtenergie E aus
- aber beeinflusst Deformationsenergien und Spaltbarrieren dramatisch!
In den 1970-er Jahren wurden selbstkonsistente “Mean field”
(HF)-Rechnungen mit “effektiven” Wechselwirkungen (Skyrme)
möglich (Paris-Orsay), und die Hypothese von Strutinsky konnte
numerisch bestätigt werden [M.B. und P. Quentin (1974)]
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
22
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Die Landschaft der Spaltbarriere von
240
Pu
Deformationsenergie als Funktion der zwei Parameter c und h
(ohne links/rechts-Asymmetrie, d.h. α = 0):
Tropfenmodell-Energie ELDM
E = ELDM +δE
Rote Linie: energetisch günstigster Weg vom GrundzustandsMinimum (×) über die Barriere (Sattel!) zur Spaltung (→)
⇒ Schalenstruktur ergibt deformierten Grundzustand und
zweihöckerige Barriere (zwei Sättel)! (Strutinsky 1966, NBI 1970)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
23
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Die zweihöckerige Spaltbarriere
Deformationsenergie entlang günstigstem Weg (schematisch):
tiefstes Minimum (EI ): Grundzustand
höheres Minimum (EII ): “Spalt-Isomer”
(experimentell schon länger bekannt,
aber erst 1966 von Strutinsky erklärt!)
zwei Barrieren (EA , EB )
- Abweichung von der “weichen” Tropfenmodell-Barriere:
Schalenkorrektur δE
- Niedrigste äußere Barriere (EB ) für α 6= 0 (axialsymmetrisch)
- führt zur Asymmetrie der Spaltfragmente (experimenteller Befund)
(Klassisches LDM gibt nur symmetrische Spaltung)
- alle Energien (EI , EII , EA , EB ) wurden experimentell vermessen
und bestätigten die Strutinsky -Theorie!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
24
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Rolle des Asymmetrie-Parameters α:
Gesamtenergie E = ELDM + δE von 240 Pu:
(Ausschnitt: zweites Minimum und zweiter Sattel)
α = 0: symmetrische Formen
(wie auf letztem Bild)
α 6= 0: so gewählt, dass die Energie
in jedem Punkt (c,h) minimal ist
⇒ zweiter Sattel wird niedriger!
⇒ gibt asymmetrische Spaltung!
[Bild: M.B. et al., RMP (1972)]
Quanteneffekt, der von δE kommt! (Lund, 1970; Basel, 1971)
(klassisch: ELDM ist immer minimal für α = 0)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
25
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Metallcluster
Moleküle aus einigen bis tausenden von Metall-Atomen
[Bild: M.B., “Scientific American” 1997, “Spektrum der Wissenschaft” 1998]
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
26
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Das Natrium-Atom
Das neutrale Na-Atom hat Z = 11 = 10 + 1 Elektronen
und im Kern: Z =11 Protonen
Zm = 10 = “magische Zahl”, gibt Edelgas Neon (Z =10)
mit gefüllten Elektronenschalen
Das 11. Elektron im Na ist sehr schwach gebunden (“delokalisiert”) und
heißt das “Valenz-Elektron” (macht ionische Bindung im Kochsalz NaCl
und Leitung im Metall)
Also:
Na ≃ Na+ + Valenz-Elektron
“Ion” Na+ = Kern (Z =11 Protonen) + 10 Elektronen in gefüllten
Schalen (kompakt)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
27
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Nochmals das Periodensystem der Elemente
↑
Alkali- Metalle
↑
Spaltkerne (U, Pu etc.)
Matthias Brack
Edelgase
Rückblick über 40 Jahre Forschung
↑
28
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
NaN Cluster
Vielteilchen-Problem: N Kerne und 11N Elektronen = 12N Teilchen!
wir wollen N bis zu ∼ 2000 untersuchen!
Etwas einfacher mit Na = (Na+ + Elektron) ⇒ 2N Teilchen:
N Na+ -Ionen werden durch N Valenzelektronen zusammengebunden
aber die Struktur ist immer noch sehr schwer zu berechnen
Struktur von (Na41 )+
eV
(berechnet mit Car-Parrinello-Molekulardynamik,
DFT-KS-LDA und lokalem Pseudopotential)
[S. Kümmel et al. (1998)]
eV
Für heiße Cluster verwenden wir das “Jellium”-Modell:
Die N Ionen werden durch einen N-fach positiv geladenen,
deformierbaren Teig (Gelee, Jellium) ersetzt, der von den
Valenzelektronen zusammengebunden wird
⇒ “Mean field”-Rechnung für N Valenzelektronen
im mittleren Potential des Jelliums
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
29
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Clusterquelle: Überschall-Düse
Metall wird in einer Druckkammer erhitzt und verdampft. Ein Strom von
Helium, der von links eintritt, drückt den Dampf rechts durch eine Düse
Der Metalldampf gelangt durch
die Düse in eine Vakuumröhre,
wo er in Form von (heißen)
Clustern auskondensiert
[Bild aus: W. de Heer, Rev. Mod. Phys. 65, 611 (1993)]
Die auskondensierten Cluster werden ionisiert und ihre Häufigkeit als
Funktion der Atomzahl N wird gemessen
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
30
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
“Magische” Cluster: gefüllte Elektronenschalen
Experimentelle Häufigkeiten
heißer Cluster (Zählrate)
aufgetragen gegen Zahl N
der Valenzelektronen in NaN
[W. Knight et al. (1984)]
Berechnete Häufigkeiten
(Lücke im Elektronenspektrum)
[W. de Heer et al. (1984)]
Die häufigsten Na-Cluster haben “magische Zahlen” Nm von
Valenzelektronen (auch bei ionisierten Clustern!)
Nm = 2, 8, 20, 40, 70, ... entspricht sphärischem Potential V (r ) = kr 2
(“harmonischer Oszillator”) (Zwischenmaxima: deformierte Cluster!)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
31
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
“Superschalen”: Schwebung in der Schalenstruktur
Experimentelle Häufigkeiten heißer
Cluster (nur oszillierender Anteil):
aufgetragen gegen N 1/3
Minima: stabilste Cluster mit Nm
äquidistant in N 1/3 !
[J. Pedersen et al., NBI (1991)]
“Mean field”-Theorie:
quantenmechanisch berechnet
(Jellium-Modell, DFT-KS-LDA,
selbstkonistent behandelt
als kanonisches Ensemble!)
[H. Genzken und M.B., PRL (1991)]
[Bild aus: M.B., Rev. Mod. Phys. 65, 677 (1993)]
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
32
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Radien von “magischen” Clustern
3
Das Volumen einer Kugel ist V = 4π
(R = Radius)
3 R
Falls V proportional zur Zahl Nm ist, muss gelten:
1/3
Rm = r0 Nm (r0 = Konstante)
1/3
Betrachte Kubikwurzeln Nm
für sukzessive Schalen-Nummern m:
(oben:) kalte Na-Cluster:
Ionenrümpfe bilden perfekte Ikosaeder
aus Nm Atomen (Ionen) (s.u.)
1/3
mit Rm = 1.49 Nm ⇒ r0 = 1.49
(unten:) heiße Na-Cluster:
Nm Valenz-Elektronen in sphärischen Schalen
1/3
mit Rm = 0.61 Nm ⇒ r0 = 0.61
(m = 14 enspricht Schwebungs-Minimum)
Experiment und Theorie geben dieselben Punkte!
⇒ Wir finden verschiedene Konstanten r0 (Steigung der Geraden)
für kalte und heiße Cluster!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
33
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
“Kältepackungen”
Kalte Cluster bilden geometrische Polyeder! (Martin et al., 1991)
Na: Ikosaeder (links oben)
Al: Oktaeder (Rest der Figur)
(Bild: “Scientific American” 1997, nach T.P. Martin, MPI Stuttgart)
Ionenstruktur bestimmt die Clustergröße und magische Zahlen Nm !
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
34
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Bohrs “alte” Quantentheorie
Niels Bohr und Arnold Sommerfeld postulierten 1916 eine
Quantenhypothese für gebundene Teilchen:
Das Wirkungsintegral S entlang einer geschlossenen Bahn des Teilchens
I
ist quantisiert:
S(E ) =
p · dr = n h
n = 1, 2, . . .
h = Plancksches Wirkungsquantum, p = mv = Impuls
[Plancks Quantenhypothese 1901: Eγ = n hν]
Da S von der Energie E des Teilchens abhängt, ergibt dies implizit
auch eine Quantisierung der Energie: E = En !
(Bohr hatte 1913 den Drehimpuls von Kreisbahnen quantisiert und
damit das korrekte Rydberg-Spektrum En = − Ry
n2 der Elektronen im
Wasserstoff-Atom erhalten. Die Bohr-Sommerfeld-Quantisierung der
Wirkung ist allgemeiner als die Drehimpulsquantisierung von Bohr)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
35
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Semiklassik
Fallit: Die Bohr-Sommerfeld-Quantisierung scheiterte am Versuch,
das Spektrum der Elektronen im Helium-Atom zu berechnen
Grund (Einstein 1917): Sie kann nur in integrablen Systemen
funktionieren! He ist aber nicht integrabel (Dreikörper-System)
⇒ Bohrs “alte” Quantentheorie wurde durch die “neue”
Schrödingersche Quantenmechanik (1926) ersetzt
und 40 Jahre lang praktisch verworfen
Renaissance: Martin Gutzwiller zeigte (1968-71), dass das
Quantenspektrum eines gebundenen Systems von Teilchen
näherungsweise (mathematisch: im Grenzfall h → 0) durch die
Gesamtheit aller klassischen periodischen Bahnen der Teilchen
bestimmt wird; insbesondere auch für nicht-integrable (und
chaotische) Systeme
⇒ Quantenmechanik mit klassischen Bahnen (“Semiklassik”)
ist (wieder) möglich geworden!
(AG Richter, M.B.)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
36
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Metallcluster-“Superschalen” semiklassisch
Einfachstes Modell für das mittlere Potential der Valenz-Elektronen:
Hohlkugel (3-dimensionales “Kugelbilliard”)
Überlagerung der kürzesten klassischen Bahnen gibt:
- Schalenstruktur im Elektronenspektrum mit r0 = 0.603
- korrekte “Superschalen”-Schwebung in den Stabilitäten
(Interferenz zwischen den einzelnen Bahnen!)
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
37
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Semiklassische Spaltbarriere von
240
Pu
(Regensburg-Lund-Dresden, 1997)
- einfaches Modell: Billiard mit (c,h,α)-Deformationen
- nur eine Sorte Teilchen, keine Ladungen, keine Spin-Bahn-Ww.
- [einziger angepasster Parameter: Fermi-Energie]
sy
mm
.
Semiklassisches δE gegen Elongation c und Asymmetrie α (h=0):
A
A
asy
.
mm
0
B
C
C
B
0.1
10
0
α
0.2 1.3
1.5
c
δE
-10
1.7
Die zwei kürzesten Bahnen in jeder Äquatorebene genügen!
[M.B., S.Reimann und M.Sieber, PRL (1997)]
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
38
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
Vergleich Semiklassik - Quantenmechanik:
A
h = 0.0
0.0
0.1
B
α
C
h = - 0.075
0.2
0.0
0.1
α
0.2
1.3
1.5
c
1.7 1.3
1.5
c
1.7
Links: quantenmechanisches δE (Kopenhagen-Basel, 1971)
Rechts: semiklassisches δE (Regensburg-Lund-Dresden, 1997)
optimaler Weg: Wirkung S der klassischen Bahnen ist konstant
δS = 0
Klassisches Wirkungsprinzip bestimmt den Weg über den tiefsten Sattel
zur asymmetrischen Spaltung: Quanteneffekt klassisch verstanden!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
39
Inhalt Vielteilchensysteme Kernspaltung Metallcluster Semiklassik Ende
DANKE!
Herzliche Einladung an alle zu Häppchen und Getränken!
und:
Frohe Weihnachten!
Matthias Brack
Rückblick über 40 Jahre Forschung
40
Herunterladen