7. Bundestagung zur Begabungsförderung 24. - 25. November 2016, St. Georgen am Längsee __________________________________________________ Die "Verschiedenheit der Köpfe" (Herbart) erfordert einen "der Entwicklungsstufe entsprechenden Unterricht" (vgl. SCHOG §2). Dies gelingt durch eine neue Lehr- und Lernkultur in den Klassen. Lehr- und Lernorganisation erfordert Planungskompetenz und selbstsicheres Verfügen über den Stoff und die Inhalte des Gegenstandes. Die Pädagogische Hochschule Kärnten widmete die 7. Bundestagung zur Begabungsförderung dem Thema „Lernkultur und Begabungsförderung“ und bot dazu verschiedene Vorträge und Workshops an. Vortrag: Selbstlernkompetenz in der Begabungsförderung (Dr. Katharina Turecek, MSc) Erfolgreich mit dem Lernprofil – Stärken – und Schwächenanalyse der Selbstlernkompetenz Die Motivation für Lernprozesse wird durch Selbstlernkompetenz und frühere Lernerfolge begünstigt. Der von der Referentin konzipierte Lernprofiltest erfasst Fähigkeiten in sechs grundlegenden Teilbereichen der Selbstlernkompetenz und beurteilt Lernvoraussetzungen wie Motivation, Organisation und Konzentration sowie Lernstrategien, Gedächtnis und die Wiedergabefähigkeit. Kostenloser Lernprofilkurztest unter www.lernprofil.at Der Hippocampus ist die Gedächtniszentrale des Gehirns. Er erfüllt zwei wichtige Aufgaben: Orientierung, Ortsgedächtnis Gedächtniskonsolidierung: Überführung von Informationen in den Langzeitspeicher Häufige Aussage von Kindern wenn Sie einen Lehrstoff bei der Prüfung nicht mehr wissen: „Zu Hause habe ich es noch gewusst…“ Bundeslandkoordination Seite 1 von 9 Lernstrategie: Man versucht sich so gut wie möglich in die Lernumgebung zu versetzen in der man gelernt hat. Inhalte werden an Orte gekoppelt. Wissen und Können EXPLIZIT IMPLIZIT “WISSEN” “KÖNNEN” Taten, Fakten… Auswendiglernen: Tanzen, Telefonnummer, Fahrradfahren, Liedertexte, Vokabel, Deklinationen Melodie Der Rhythmus spielt beim Auswendiglernen eine große Rolle. Zusammenhänge, Vernetzungen fehlen für nachhaltiges Lernen. Bereich: Hippocampus (Großhirnrinde) Bereich: Kleinhirn, Amygdala Ohne Aufmerksamkeit gibt es keinen Wie erwerbe ich Fähigkeiten? Wissenserwerb! Grundprinzip: Übung, Wiederholung Weniger anfälliger Dinge zu vergessen. Kompetenz ist mehr als Können. Kompetenz = Wissen + Können Wir brauchen beide Komponenten! Der Weg ins Langzeitgedächtnis Sensorischer Speicher Arbeitsgedächtnis Langzeitgedächtnis Bundeslandkoordination Seite 2 von 9 Sensorischer Speicher Umfasst alles was wahrgenehmen wird, aber nur kurzzeitig (z.B. Verkäufer/in an der Kassa) Arbeitsgedächtnis Aktive Instanz mit Kapazitätsbeschränkung Größe des Arbeitsgedächtnisses korreliert mit IQ Ist trainierbar Langzeitgedächtnis Große Bedeutung der Vernetzung Informationen werden im Wissensnetz integriert Zur Erinnerung wird ein Hinweisreiz benötigt Links und Empfehlungen www.a-head.at Institut für Gehirntraining, Dr. Katharina Turecek MSc. www.lernprofil.at Kostenloser Kurztest Literaturtipps - Turecek, K. (2012): Geistig fit – ein Leben lang. Anti-Aging für das Gehirn. Verlag Krenn. - Turecek, K. (2010): Die 99 besten Lerntipps: vom Schulbeginn bis zum Ferienstart ; 99 radioerprobte Lastminute-Tricks, Verlag Krenn. - Turecek, K. (2008): Clever lernen – Kids: erfolgreiches Lernen für Schule und Alltag. Verlag Krenn - Turecek, K. (2009): 1-MIN- Gehirntrainer: täglich 60 Sek. für ein besseres Gedächtnis. Verlag Krenn. - Turecek, K. (2004): Einmal gelernt – nie mehr vergessen: Nummern & Zahlen merken; spielerisches Gedächtnis; Mnemotechniken; leichter lernen. (Verlag Krenn. - Turecek, K. (2011):Erfolgreich lernen mit dem Lernprofil: Erkenne deinen persönlichen Lerntyp und finde deine optimale Lernstrategie. Verlag Krenn. - Turecek, K. (2009): Kleines Handbuch Studium: effizient und erfolgreich lernen, schreiben und präsentieren. Verlag Krenn. Bundeslandkoordination Seite 3 von 9 Vortrag: Unser ganz normaler Schulalltag – Wie gehen wir mit den Herausforderungen um? (Dr. Angela Hensel, Kerstin Hartmann, Michele Neuwirt BA) Schüler/innen brauchen Orte, wo sie lernen und wachsen können. Je vielfältiger die Schüler/innen, umso kreativer und individueller müssen die Angebote in der Schule sein. Es braucht viel Eigenverantwortung und organisatorische Voraussetzungen, um die Schüler/innen bei der Entwicklung ihrer Potenziale bestmöglich zu unterstützen. Ein zentrales Thema stellt dabei die Vernetzung dar, wie auch die Gestaltung des Schulalltages und die Teamarbeit. Alle unsere Schüler/innen haben Talente und jedes Kind hat den Anspruch auf eine individuelle Förderung. Begabungsförderung bedeutet Persönlichkeitsförderung und Individualisierung. Besonders die schulische Tagesbetreuung an der Volksschule 8 bietet Raum und Zeit dafür. Eine weitere wichtige Komponente in der Begabtenförderung stellt unser Lernkonzept dar. Dieses besticht durch einen abwechslungsreichen, kreativen und etwas anderen Zugang zu Büchern und zum Lesen. Was bedeutet Begabungsförderung für uns? Lernbedarf eines Schülers herstellen Umgebung schaffen, damit Schüler/innen individuell lernen können Differenzierte Lernangebote Individuelles Lerntempo Möglichst viel Selbststeuerung und Autonomie beim Lernen ermöglichen Differenzierte Leistungsbeurteilung – die Schüler/innen sollen eine positive Einstellung zum Lernen und zur Leistung entwickeln Differenziertes Lehren – Perspektivenwechsel der Lehrerin Potenzialentfaltung bei Schüler/innen mit Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund bringen ebenso viele Potenziale mit die gefördert werden sollten Wichtig: Potenzial nicht an Sprache messen Förderung der Muttersprache Zweisprachigkeit bringt interkulturelle uns soziale Kompetenzen mit sich Bundeslandkoordination Seite 4 von 9 Zweisprachigkeit fördert kognitive Leistungen (hohe geistige Flexibilität, ausgeprägtes Arbeitsgedächtnis) Der Schlüssel zum Erfolg Kommunikation Zusammenarbeit im ganzen Schulhaus Schulentwicklung Weiterentwicklung Reflexion Potenziale erkennen und fördern Kompetenzen fördern und nutzen Individuelle Förderung Lesen in der VS 8 Bibliothek Klassenbibliothek Autorenlesung Lesenächte Rollende Lesewoche Leseatelier: Gruppen wandern Monat für Monat weiter Vorschule/1.Klasse Bücherwurm Willi mit Bücherkiste 2. Klasse Umgang in der Bibliothek 3. Klasse Lesepläne, Arbeit mit der Bücherkiste 4. Klasse „Bücher werden lebendig“, Rollenspiele, Geschichten dazu schreiben, Herstellung von Fingerpuppen, Theateraufführungen Bundeslandkoordination Seite 5 von 9 Workshop: English for me and you (Silvia Martinz BEd., Siobhan Kienzl BA.) Vorstellung des Schulversuches mit praktischen Beispielen Das Erlernen einer Fremdsprache soll in einem vereinten Europa eine Selbstverständlichkeit sein. Ebenso ist es ein erklärtes Ziel der EU- Bildungspolitik, dass in Zukunft jedes Kind mindestens zwei Sprachen muttersprachähnlich spricht. Einschlägige wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass es nur von Vorteil ist, wenn Fremdsprachen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erlernt werden. Diesen Erkenntnissen will die VS St. Stefan im Lavanttal mit ihrem Schulversuch gerecht werden. Das Lernen der Fremdsprache erfolgt im Rahmen des Gesamtunterrichtes für die gesamte Klasse. Lerninhalte, die sich für den Fremdsprachunterricht besonders eignen, werden auf Englisch angeboten, und zwar in den Fächern Sachunterricht, Mathematik, Musikerziehung, Bildnerische Erziehung und Bewegung und Sport. Workshop: Selbstlernkompetenz fördern (Dr. Katharina Turecek, MSc) Erfolgreiche Lerner/innen sind vielseitig und haben für jede Lernsituation für die richtige Taktik parat. Das in diesem Workshop vorgestellte Lernprofil (www.lernprofil.at) erfasst alle Bereiche erfolgreichen Lernens und zeigt, wie sie Lernenden dabei helfen können, ihr gesamtes Lernpotenzial zu entfalten. Selbstlernkompetenz = Ich weiß wie ich lerne Übung: „Merken Sie sich die 20 Begriffe“ Marmelade, Birne, sauer, würzig, Honig, Käse, Marzipan, salzig, Eis Schokolade, Lakritze, Orange, Sachertorte, bitter, Sirup, Apfelstrudel, Apfel, Banane, Weintraube, Kaugummi Anordnung: „Schreiben Sie die gemerkten Begriffe auf.“ Warum können wir uns manches so schwer merken? Sobald wir vernetzen, merken wir uns Dinge und Assoziationen passieren. Nach einer Stunde hat man 50% vergessen, da sinnlose, nicht verstandene Inhalte im Gedächtnis nicht gespeichert, vernetzt und gelernt werden. Vergessenskurve nach Ebbinghaus Bundeslandkoordination Seite 6 von 9 Vorwissen führt zu einer sinnstiftenden Verarbeitung neuer Informationen ermöglicht effektive Strategien (z.B. Kategorisieren) ist oft ein besserer Indikator für Schulleistungen als Intelligenz Konsequenz für das Lernen und Lehren Vorwissen erfassen „naive“ Konzepte aufspüren/ ausräumen Vorwissen kann auch falsch sein! Lücken im Vorwissen schließen Je nach Vorwissen unterschiedliche Steuerung bzw. Begleitung geben Nachhaltiges Lernen Lernphasen: Überblicken Erarbeiten Einprägen Wir lernen oft auswendig, bevor wir es verstanden haben. Überlegung: Wie unterstütze ich den Verständnisprozess des Erarbeitens? Expliziertes Lernen Wissen assoziieren, verknüpfen, verstehen, begründen… Optimierung durch an Vorwissen anknüpfen durch Brainstorming Schüler Fragen stellen (sich vor dem Lesen eines Textes 5 Fragen überlegen) Aufgaben stellen, sich selber Lösungen suchen, ausprobieren Offene Fragen Praktische Beispiele Zusammenfassung Impliziertes Wissen Ist Übung, unterbewusst, ist immer gleich Wiederholung, tun, auswendig lernen, Können, Bewegungsabläufe, Lieder Optimierung durch Selber tun immer wieder! Regelmäßig ein paar Minuten Bundeslandkoordination Seite 7 von 9 Vielseitiges Übungsangebot Sichere Übungsumgebung Kontakte suchen zur Sprache (z.B. Musik, Filme…) Klarstellen, was geübt werden muss Vortrag: Lesson Study und Begabungsförderung (Mag. Gabriele Isak) Die aus Japan kommende Lesson Studies sind ein Modell zur Unterrichtsentwicklung, dass auch international immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es handelt sich dabei um ein Konzept, das wirksameren Unterricht und effizienteres Lernen der Schüler/innen zum Ziel hat. Dabei wird besonderes Augenmerk auf Differenzierung und Lerngelegenheiten für alle Schüler/innen gerichtet. Die Grundidee der Lesson Studies besteht darin, dass eine Gruppe von Fachkolleg/innen an einem Schulstandort gemeinsam eine Unterrichtseinheit („Forschungsstunde“) für eine bestimmte Klasse wird über das WIE nachgedacht. Im nächsten Schritt wird die gemeinsam geplante Unterrichtseinheit durchgeführt, wobei die Teamkolleg/innen einzelne, vorher ausgewählte Schüler/innen hinsichtlich ihres Lernverhaltens beobachten. Danach wird die Unterrichtsstunde gemeinsam analysiert und reflektiert. In einem weiteren Zyklus könnte dann diese verbesserte Unterrichtseinheit in einer anderen Klasse nochmals durchgeführt werden. Lesson Study Zyklus Ein Lehrerteam bilden Lernziele formulieren Analyse & Reflexion Unterricht durchführen Bundeslandkoordination Unterricht planen Seite 8 von 9 Workshop: Offene Aufgabenstellungen in der Volksschule (Karin Maria Hartenberger) „Wirklich wichtig ist nicht das Wissen, sind nicht einmal die Entdeckungen: Wichtig ist das Forschen.“ (Celestin Freinet) Im Fokus dieses Workshops standen die Förderung prozessbezogener Kompetenzen und lösungsorientierter Denkweisen bei Kindern in der Volksschule sowohl im naturwissenschaftlichen Bereich als auch in Mathematik durch „offene Aufgabenstellung“. Wie kann diese angeregt und gefördert werden? Wie werden Aufgaben lernwirksam? Raum für authentische und individuelle Begegnungen mit dem Lernstoff Wissen lässt sich dann nachhaltig erwerben, wenn es mit Erfahrungen verbunden ist und in Prozessen des Erlebens, Interpretierens und Integrierens entwickelt wird. Potenzialentfaltung durch persönlichen Bezug zum Thema Rückmeldungen unter Entwicklungsperspektive Materialien für offene Aufgabenstellungen Holzstäbchen (Zündhölzer ohne Kopf) von Winkler - Paketieren von Dreiecken, Vierecken - Sich selbst Fragen ausdenken - Platonische und arithmetische Paketierungen Zahnstocher und getrocknete Erbsen - 1, 2, 3 dimensionale Figuren stecken - Grundflächen mit Faden umwickeln - Mit Seifen/Glycerinwasser Flächen bespannen Das Hunderterfeld/ der Zahlenteppich Matrix… Bücher Picon, D. (2013): Streichholzspiele. Denk- & Spielspaß mit Pfiff. Ullmann Verlag. Kramer, M. (2011): Mit Erbsen und Zahnstochern zur Mathematik. Ein Denk-, Staun- und Experimentierbuch für die Grundschule. Beltz Verlag. Bundeslandkoordination Seite 9 von 9