Festkörperphysik II - Institut für Festkörperphysik

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Festkörperphysik II
Studienjahr 2009/2010
Vorl.-Nr. 138.024
Silke Bühler-Paschen, Institut für Festkörperphysik
Peter Mohn, Institut für Allgemeine Physik
• 810 Technische Physik (2002U), 3. Abschnitt, 7. Semester, 6.0 ECTS
• 066 461 Master Technische Physik (2006U), Master 1. Semester, 4.0
ECTS
• 066 434 Master Materialwissenschaften (2006U), 3.0 ECTS
• 860 Technische Mathematik (2002U), 3.2 ECTS
• 864 Mathematik i.d. Naturwissenschaften (Stzw, 2002U), 3. Abschnitt,
3.2 ECTS
• 866 Wirtschaftsmathematik (Stzw, 2002U), 3. Abschnitt, 3.2 ECTS
• 867 Statistik (Stzw, 2002U), 3. Abschnitt, 3.2 ECTS
• 869 Mathematik i.d. Computerwissenschaften(Stzw, 2002U), 3. Abschnitt, 3.2
• 873 Finanz- u. Versicherungsmathematik (Stzw, 2002U), 3. Abschnitt,
3.2 ECTS
• 066 400-405 Master Mathematik und Varianten (2006U), 3.0 ECTS
ii
Kapitel 1
Einleitung
Das Ihnen vorliegende Skriptum Festkörperphysik II baut auf den Inhalten der Vorlesungen Materialwissenschaften und Festkörperphysik I auf. Weiters sind zum Verständnis des
abgehandelten Stoffes Grundkenntnisse der Quantenmechanik und der Statistischen Physik
von Nutzen. Ziel der Vorlesung ist es, von diesem Grundstock ausgehend eine Brücke zur
aktuellen Festkörperforschung zu schlagen und Ihnen damit einen Einstieg in eigene
Forschungsaktivitäten zu erleichtern.
Aufgrund der kleinen Abstände der Atome im Festkörper (im Vergleich zur Flüssigkeit
oder zum Gas) spielen Wechselwirkungen eine zentrale Rolle und sind daher auch das
Kernstück der Vorlesung. Als Beispiel sei die Bewegung eines Atoms im Festkörper genannt.
Sie ist keinesfalls unabhängig von der aller anderer Atome. Die Auslenkung eines einzelnen
Atoms aus seiner Ruhelage zieht auf Grund der starken Wechselwirkung der Atome miteinander eine Bewegung der anderen Atome im Festkörper nach sich. Man spricht von einer kollektiven Anregung (Phonon). Dass das Modell des freien Elektronengases (Sommerfeld-Theorie,
Festkörperphysik I), das Wechselwirkungen zwischen den Elektronen völlig vernachlässigt,
viele Eigenschaften einfacher Metalle relativ gut beschreibt ist eigentlich ein Wunder, denn
die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen sind keinesfalls klein. Dieses Wunder“ kann
”
mit der Landau’schen Theorie der Fermiflüssigkeit (s.u.) verstanden werden. Auch magnetische Momente im Festkörper, die auf die Spins der Elektronen zurückgehen, sind nicht unabhängig voneinander. So beruht z.B. das Phänomen der magnetischen Ordnung eben gerade
auf der Wechselwirkung zwischen den Momenten. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen
Teilchenarten“ führen zu einer Vielzahl von interessanten Effekten wie z.B. der konventio”
nellen Supraleitung (Elektron-Phonon-Wechselwirkung), der unkonventionellen Supraleitung
(Elektron-Paramagnon-Wechselwirkung) oder dem Schwere-Fermionen-Verhalten (ElektronSpin-Wechselwirkung). Derartige Wechselwirkungseffekte werden meist erst bei tiefen Temperaturen beobachtet, da die thermische Energie, die jeder Art von Ordnung entgegenwirkt,
hier reduziert ist. Moderne experimentelle Festkörperphysik ist daher oft Tieftemperaturphysik. Die theoretische Beschreibung eines Ensembles wechselwirkender Teilchen, die sog.
Vielteilchenphysik, stellt eine der bedeutendsten Herausforderungen der modernen Physik
dar. Da die Anzahl der zu beschreibenden Teilchen“ im Festkörper gigantisch ist (von der
”
Größenordnung der Avogadrozahl NA ≈ 6×1023 mol−1 ), ist eine exakte quantenmechanische
iii
iv
KAPITEL 1. EINLEITUNG
Behandlung des Festkörpers ausgeschlossen. Man ist auf Näherungsmethoden oder auf Modellrechnungen, in denen nur die wesentlichsten Wechselwirkungsterme behandelt werden,
angewiesen.
In Kap. 2 wird ein Überblick über Materialien der aktuellen Festkörperforschung gegeben. Bei der Auswahl wurde jenen Systemen der Vorzug gegeben, in denen eine bestimmte
Wechselwirkungen dominiert und somit gut greifbar“ ist. In Kap. 3 wird eines der bedeu”
tendsten Konzepte der modernen Festkörperphysik, das Quasiteilchenkonzept eingeführt und
dessen Bedeutung für die Entwicklung der Standardtheorie der Metalle“, der Landau’schen
”
Theorie der Fermiflüssigkeit, erläutert. Bevor wir uns den Wechselwirkungen (Kap. 5) zuwenden können, müssen wir genau definieren, welche Teilchen“ wir miteinander wechselwirken
”
lassen wollen. Dies geschieht im Kapitel über elementare Anregungen (Kap. 4). Während in
Kap. 4 und 5 einige Modell-Hamiltonoperatoren besprochen werden, sind ab initio-Methoden
Thema in Kap. 6.
Zur Erstellung des Skriptums wurden verschiedene Literaturquellen herangezogen. Originalliteratur wird stets im Text zitiert. Informationen, die aus Lehrbüchern stammen und
somit als Allgemeingut“ gelten, werden nicht im Text zitiert, jedoch unten angeführt. Sie
”
können auch zur weiterführenden Lektüre herangezogen werden.
• A Quantum Approach to Condensed Matter Physics, Philip L. Taylor & Olle Heinonen
(Cambridge University Press, Cambridge, 2002, ISBN 0-521-77827-1)
• Condensed Matter Physics, Michael P. Marder (John Wiley & Sons, Inc., New York,
2000, ISBN 0-471-17779-2)
• Einführung in die Festkörperphysik, Charles Kittel (Oldenbourg Verlag, München,
1983, ISBN 3-486-32766-6)
• Festkörperphysik, N. W. Ashcroft/N. D. Mermin (Oldenbourg Verlag, München, 2001,
ISBN 3-486-24834-0)
• Festkörpertheorie I/II, Otfried Madelung (Springer Verlag, Berlin, 1972, ISBN 0-38705731-5/0-387-05866-4)
• Introduction to Condensed Matter Physics, Feng Duan, Jin Guojun (World Scientific,
New Jersey, 2005, ISBN 981-256-070-X)
• Quantum Theory of the Solid State, Joseph Callaway (Academic Press, Inc., Boston,
1991, ISBN 0-12-1555203-9)
Silke Bühler-Paschen und Peter Mohn, Oktober 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
iii
2 Materialien der aktuellen Forschung
2.1 Schwere-Fermionen-Verbindungen . . . . . . . . . . .
2.2 Quantenkritische Systeme . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Quanten-Ising-Systeme . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Quantenkritische Schwere-Fermionen-Systeme
2.2.3 Systeme mit quantenkritischem Endpunkt . .
2.3 Unkonventionelle Supraleiter . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Hochtemperatur-Supraleiter . . . . . . . . . .
2.3.2 Schwere-Fermionen-Supraleiter . . . . . . . . .
2.4 Quasi-eindimensionale Systeme . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Das Kuprat SrCuO2 . . . . . . . . . . . . . .
2.4.2 Kohlenstoff-Nanoröhrchen . . . . . . . . . . .
2.5 Invar-Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Fe-Ni-Legierungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.2 Die Verbindung YbGaGe . . . . . . . . . . . .
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4 Elementare Anregungen
4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Elektronisches Quasiteilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Phonon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
48
48
49
3 Landau’sche Theorie der Fermiflüssigkeit
3.1 Das Konzept der Quasiteilchen . . . . . . . . . . . .
3.2 Spezifische Wärme und Paulisuszeptibilität . . . . . .
3.2.1 Statistische Thermodynamik der Quasiteilchen
3.2.2 Spezifische Wärme der Quasiteilchen . . . . .
3.2.3 Effektive Masse . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4 Fermiflüssigkeitsparameter . . . . . . . . . . .
3.2.5 Magnetische Suszeptibilität . . . . . . . . . .
3.3 Transporteigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Kollektive Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Eigenschaften der wechselwirkenden Elektronen . . .
v
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1
INHALTSVERZEICHNIS
4.2
4.1.3 Soliton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4 Magnon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.5 Paramagnon . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.6 Domain-wall- und Flipped-spin-Quasiteilchen
4.1.7 Spinon und Holon . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.8 Gebrochene valence bonds in stripes . . . . .
Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Phononen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Magnonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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61
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79
79
83
85
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93
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97
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121
121
126
138
138
140
141
142
144
146
freie Fermigas
Quantenstatistik der Fermionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Freie Energie des Fermigases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
147
150
157
5 Wechselwirkungen
5.1 Elektron-Phonon-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Auswirkung auf die Dispersionsrelation der Phononen
5.1.2 Der Peierls-Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.3 Der Jahn-Teller-Übergang . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.4 Auswirkungen auf die Elektronen . . . . . . . . . . .
5.2 Elektron-Spin-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Anderson-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Von der Verunreinigung zum lokalen Moment . . . .
5.2.3 Skalentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Elektron-Photon-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
6 Materialspezifische Methoden der Festkörperphysik
6.1 Elektronen im Kristall . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Die tight-binding-Näherung . . . . . . . . . . .
6.1.2 Hartree und Hartree-Fock-Methode . . . . . .
6.2 Dichtefunktional-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Das Hohenberg-Kohn-Sham-Theorem . . . . .
6.2.2 Lokale Dichtefunktional-Näherung (LDA) . . .
6.3 Starke elektronische Korrelationen . . . . . . . . . . .
6.3.1 Hubbard-Model . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.2 Korrelationskorrekturen in der LDA . . . . . .
6.3.3 Dynamische Molekularfeld-Theorie (DMFT) .
A Das
A.1
A.2
A.3
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2
INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 2
Materialien der aktuellen Forschung
Ein Großteil der aktuellen Festkörperforschung beschäftigt sich mit Materialien, die mit den
bisher beschriebenen Modellen (Skripten Materialwissenschaften und Festkörperphysik I)
nicht oder nur sehr unzureichen beschrieben werden können. Einige dieser Materialien sollen
hier beispielhaft vorgestellt werden.
2.1
Schwere-Fermionen-Verbindungen
1975 wurde mit CeAl3 die erste Schwere-Fermionen-Verbindung entdeckt. Diese für das Forschungsgebiet der elektronisch hochkorrelierten Systeme wesentliche Entdeckung wurde bei
der im Juli 2005 an der TU Wien abgehaltenen Konferenz The International Conference on
”
Strongly Correlated Electron Systems“ im Rahmen der Plenarsitzung 30 Years of Heavy
”
Fermion Physics“ gefeiert.
Das paramagnetische Metall CeAl3 kristallisiert in der hexagonalen Ni3 Sn-Struktur.
Bei hohen Temperaturen zeigt die magnetische Suszeptibilität Curie-Weiss-Verhalten [χ =
C/(T − Θp )], mit einem für Ce3+ charakteristischen effektiven magnetischen Moment.
Die wichtigsten experimentellen Ergebnisse der Originalveröffentlichung von 1975 sind in
Abb. 2.1, 2.2 und 2.3 dargestellt. Die spezifische Wärme C (Abb. 2.1) steigt bei Temperaturen
unterhalb von 150 mK linear mit der Temperatur T an: C = γT . Der Proportionalitätsfaktor
γ beträgt 1620 mJ/(mol K2 ). Die magnetische Suszeptibilität (Abb. 2.2) ist bei tiefen Temperaturen nur schwach temperaturabhängig und sättigt unterhalb von 100 mK bei einem
Wert von 0,036 emu/mol (SI: 4, 52 · 10−7 m3 /mol). Der spezifische elektrische Widerstand
(Abb. 2.3) variiert unterhalb von 100 mK quadratisch mit der Temperatur: ρ = ρ0 + AT 2 .
Der Proportionalitätsfaktor A beträgt 35 µΩcm/K2 .
Die spezifische Wärme von einfachen Metallen ist bei Temperaturen weit unterhalb der
Debyetemperatur durch C = γT + βT 3 gegeben. Der erste Term ist der elektronische, der
zweite der phononische Beitrag. γ wird auch als der Sommerfeld-Koeffizient der spezifischen
Wärme bezeichnet. Einfache Metalle haben γ-Werte von der Größenordnung 1 mJ/(mol K2 ),
2
was im Einklang mit der Sommerfeld-Theorie freier Elektronen ist: γ = (π 2 N kB
)/(2EF )
(N ist die Anzahl der Leitungselektronen pro Mol, kB die Boltzmannkonstante und EF
die Fermienergie). Beispiel Au: N = NA , EF = 5, 53 eV =⇒ γtheor = 0.63 mJ/(mol K2 );
3
4
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Abbildung 2.1: Spezifische Wärme von CeAl3 als Funktion der Temperatur im Nullfeld (•,
△) und bei 10 kOe (¤) [Andres et al., Phys. Rev. Lett. 35 (1975) 1779].
T [K]
Abbildung 2.2: Magnetische Suszeptibilität von CeAl3 als Funktion der Temperatur in verschiedenen Magnetfeldern [Andres et al., Phys. Rev. Lett. 35 (1975) 1779].
γexp = 0.67 mJ/(mol K2 ) (Ashcroft/Mermin).
Die Pauli-Suszeptibilität der Leitungselektronen ist in einfachen Metallen bei Temperaturen weit unterhalb der Fermitemperatur konstant und von der Größenordnung 10−10 m3 /mol,
wiederum in Übereinstimmung mit der Sommerfeld-Theorie freier Elektronen: χPauli =
2.1. SCHWERE-FERMIONEN-VERBINDUNGEN
5
Abbildung 2.3: Elektrischer Widerstand von CeAl3 als Funktion des Quadrats der Temperatur [Andres et al., Phys. Rev. Lett. 35 (1975) 1779].
(3µ0 µ2B N )/(2EF ) (µ0 ist die Induktionskonstante, µB das Bohr’sches Magneton). Beispiel Na:
N = NA , EF = 3, 24 eV =⇒ χPauli,theor = 1, 88 · 10−10 m3 /mol; χPauli,exp = 2, 0 · 10−10 m3 /mol
(Kittel).
Der elektrische Widerstand folgt in einfachen Metallen (Edelmetalle, Alkalimetalle) bei
Temperaturen wesentlich unterhalb der Debyetemperatur einem T 5 -Gesetz: ρ = ρ0 + aT 5 . ρ0
ist der durch elastische Streuung an Verunreinigungen bedingte Restwiderstand, der Term
aT 5 ist durch Streuung an Phononen bedingt. In Übergangsmetallen wird hingegen wie in
CeAl3 eine T 2 -Abhängigkeit beobachtet, die durch Elektron-Elektron-Streuung bedingt ist.
Ein Vergleich des Verhaltens von CeAl3 mit dem einfacher Metalle zeigt also, dass γ und
χPauli in CeAl3 um drei Größenordnungen erhöht sind. Mit Hilfe der obigen Beziehungen der
Sommerfeld-Theorie freier Elektronen kann das auf eine um drei Größenordnungen reduzierte ( renormalisierte“) Fermienergie zurückgeführt werden. Andererseits entspricht es wegen
”
EF = ~2 kF2 /(2m) (h = 2π~ ist die Plank’sche Konstante, kF der Fermi-Wellenvektor) einer
Erhöhung der Elektronenmasse m um drei Größenordnungen, was der Ursprung des Begriffs
Schwere Fermionen“ ist. Der normale T 5 -Term im elektrischen Widerstand ist in CeAl3
”
durch eine wesentlich stärkere T 2 -Abhängigkeit überdeckt. Der Proportionalitätsfaktor A
dieses Terms übertrifft den in Übergangsmetallen gefundenen um sechs Größenordnungen.
Ähnliche Eingeschaften wie in CeAl3 wurden bis heute an einer Vielzahl verschiedenster binären und ternärer Verbindungen gefunden. Eine interessante Beobachtung ist,
dass die Verhältnisse A/γ (Kadowaki-Woods-Verhältnis) und γ/χPauli (Sommerfeld-WilsonVerhältnis) für viele dieser Verbindungen annähernd konstant sind, obwohl die A-, γ- und
χPauli -Werte selbst um Größenordnungen variieren (Abb. 2.4). Das ist ein starker Hinweis
6
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
dafür, dass die Renormalisierung aller drei Parameter eine gemeinsame Ursache hat. Wie
wir in Kapitel 3 sehen werden, entspricht das Tieftemperatur-Verhalten
C/T = const
(2.1)
χ = const
(2.2)
ρ = ρ0 + AT 2
(2.3)
genau den Vorhersagen der Landau’schen Theorie der Fermiflüssigkeit.
10
100
UBe13
CeCu6
Sommerfeld-Wilson
Ratio
CeAl3
YbRh2Si2
CeCu2Si2
CeAl3
UPt3
UPt3
CeB6
1
1
UBe13
−2
CePd2 Al3
−2
A (µΩcmK )
CeCu2Si2
−1
10
YbRh2Si2
CeCu6
γ0 (J mol K )
Kadowaki-Woods
Ratio
YbCuAl
UPd2 Al3
UAl2
UNi2 Al3
CeRu3Si3
UPt3
YbAl2
UIn3
4f 5f
α− Ce
SC
Mag.
none
α− U
a
0.01
0.02
0.1
UAl2
CeNi2Ge2
UPt2
0.1
CeAl3
UGa3
b
0.1
1
−1
−2
γ0 (J mol K )
2
0.01
χ0 (10
0.1
−6
1
10
0.01
100
3
m /mole f-atom)
Abbildung 2.4: Charakteristische Parameter A, γ und χPauli für verschiedene SchwereFermionen-Verbindungen. Die Linien entsprechen A/γ 2 = 10 µΩcm(mol K/J)2 und R =
2
χPauli /γ · π 2 kB
/µ2eff = 1 [J. Custers, Dissertation, TU Dresden, 2004].
Eine mikroskopische Theorie für Schwere-Fermionen-Systeme gibt es bis heute nicht.
Die Ingredienzien für eine solche Theorie können wir aber leicht zusammenstellen. SchwereFermionen-Systeme sind Metalle. Daher wird man die Leitungselektronen berücksichtigen
müssen. Weiters besetzt in all diesen Verbindungen ein Element der Seltenen Erden oder
der Aktiniden einen der Gitterplätze. Diese Elemente haben unvollständig gefüllte innere
Schalen (4f oder 5f ) und somit lokale magnetische Momente. Ein Gitter aus magnetischen
2.1. SCHWERE-FERMIONEN-VERBINDUNGEN
7
Momenten muss also in der Theorie berücksichtigt werden. Es ist naheliegend anzunehmen,
dass das unkonventionelle Verhalten von Schwere-Fermionen-Systemen durch die Wechselwirkung dieser beiden Untersysteme bedingt ist. In Kapitel 5 werden wir einen Hamiltonoperator kennenlernen (Anderson-Hamiltonoperator), der häufig zur theoretischen Formulierung
des Problems verwendet wird. Eine exakte Lösung dieses komplexen Vielteilchenproblems
ist allerdings nicht möglich.
Viel zum derzeitigen Verständnis dieser Materialklasse haben Analogien zu Metallen mit
sehr wenigen magnetischen Verunreinigungen beigetragen (z.B. Au mit 0.01% Fe, LaB6 mit
0.5% Ce): Auch hier werden bei tiefen Temperaturen stark renormalisierte Werte für γ und
χPauli und ein anomales Widerstandsverhalten beobachtet. Die theoretische Beschreibung
von diesen sog. Kondo-Systemen ist wesentlich einfacher als die von Schwere-FermionenSystemen, sodass erstere heute als verstanden“ gelten. 1964 erklärte Kondo das in Kondo”
Systemen beobachtete Minimum im elektrischen Widerstand theoretisch. Es rührt von der
Streuung der Leitungselektronen an den magnetischen Momenten der Verunreinigungen her.
Dieser Prozess führt bei nicht zu tiefen Temperaturen zu einem −ln(T )-Term im elektrischen Widerstand. In Kombination mit dem normalen ρ = ρ0 + aT 5 -Verhalten ergibt sich
das beobachtete Widerstandsminimum (Abschnitt 5.2). Das bei den tiefsten Temperaturen
beobachtete ρ = ρ0 − AT 2 -Verhalten wird auf die Ausbildung eines kollektiven gebundenen
Zustandes zwischen dem lokalen Spin der magnetischen Verunreinigung und den Leitungselektronen zurückgeführt (Kondo-Effekt). Der lokale Spin wird dabei vom Kollektiv der
Spins der Leitungselektronen kompensiert. Ein solcher Zustand entspricht in der elektronischen Zustandsdichte einer Resonanz am Ferminiveau (Kondo-Resonanz). Das experimentell beobachtete Tieftemperaturverhalten lässt sich mit dieser veränderten Zustandsdichte
erklären.
In Schwere-Fermionen-Systemen sind die Abstände zwischen den lokalen Momenten wesentlich kleiner als in Kondo-Systemen. Daher kann die Wechselwirkung zwischen ihnen hier
nicht vernachlässigt werden. Zwar kommt es wegen der stark lokalisierten Wellenfunktionen der f -Elektronen nicht zu einem direkten Austausch, doch spielt der indirekte Austausch über die Polarisierung der Leitungselektronen (RKKY-Wechselwirkung) eine wesentliche Rolle. Während die RKKY-Wechselwirkung magnetische Ordnung der lokalen Momente
begünstigt, favorisiert die Kondo-Wechselwirkung die Kompensierung der lokalen Momente
und einen unmagnetischen Grundzustand. Tatsächlich gibt es sowohl Schwere-FermionenSysteme mit magnetisch geordnetem (meist antiferromagnetischem) als auch mit paramagnetischem Grundzustand. Einen großen Fortschritt für das Gebiet bedeutete die Entdeckung,
dass man gewisse Schwere-Fermionen-Verbindungen durch Variation eines nicht-thermischen
Parameters wie Druck oder Magnetfeld kontinuierlich vom magnetisch geordneten in den paramagnetischen Zustand überführen kann. Solche Verbindungen werden in 2.2 vorgestellt.
8
2.2
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Quantenkritische Systeme
|
In diesem Abschnitt werden wir verschiedene Materialklassen kennenlernen, in denen Quantenphasenübergänge auftreten.
Im Gegensatz zu klassischen Phasenübergängen wie dem Schmelzen von Eis bei 0◦ C oder
dem ferromagnetischen Übergang von Eisen bei 770◦ C verlaufen Quantenphasenübergänge
am absoluten Temperaturnullpunkt als Funktion eines nicht-thermischen Parameters wie
Druck, chemische Zusammensetzung oder Magnetfeld. Abbildung 2.5 zeigt ein schematisches
Phasendiagramm in der Umgebung eines quantenkritischen Punktes. Die dicke durchgezo-
|
T
thermisch
ungeordnet
quantenkritisch
kT ~
- បωc
b
klassisch
kritisch
geordnet
quantenmech.
ungeordnet
a
0
B
Bc
QCP
Abbildung 2.5: Schematisches Phasendiagramm in der Umgebung eines quantenkritischen
Punktes (QCP), für den Fall, dass makroskopische Ordnung bei endliche Temperaturen
existiert [Vojta, Physik in unserer Zeit 32 (2001) 38].
gene Linie stellt die Phasengrenze zwischen einer geordneten und einer ungeordneten Phase
nullpunkt variert
wird,diesen
würdebeiden
man amPhasen
quantenkritischen
thermische Energie
dar. Dieimmer
Phasenumwandlung
zwischen
verlaufe kontinuierlich (Phasenübergang
für den
Parameter, der den von
Quantenphasenübergang
Punkt bei BB =steht
Bc einen
uktuationen dominieren
selbst2. Ordnung).
Quantenphasenübergang
der
steuert.
Mit steigendem
B wird
Temperatur
des Übergangsungeordin die geordnete Phase
die Bezeichnung
Quantengeordneten
in diedie
(durch
Quantenfluktuationen)
kontinuierlich reduziert
und
schließlich
beim
kritischen
Wert
B
gänzlich
c
nete Phase beobachten. In jedem realen Experiment
bei unterdrückt. Ein
kann üblicherweise
durch
einen Ordnungsparameter
(z.B.
ird jetzt sicher kontinuierlicher
fragen:Warum Phasenübergang
von Null verschiedener
Temperatur,wie
beispielsweise
entferromagnetischen
charakterisiert
ge mehr als ein Magnetisierung
akademisches imlangFalle
Pfadeines
(a), kann
man dagegen Übergangs)
keinen wirklichen
Pha- werden. Der
Ordnungsparameter ist eine thermodynamische Größe, deren thermodynamischer Mitteleraturnullpunktwert
ist unerreichsenübergang beobachten, weil sich das System immer in
in der ungeordneten Phase verschwindet, während dieser in der geordneten Phase von
i einer endlichen
Temperatur der ungeordneten Phase befindet. Die ungeordnete Phase
Null verschieden ist. Die Abweichungen vom Mittelwert bezeichnet man als Fluktuationen
ade erklärt,das asymptotische
zerfällt jedoch
in klassische
drei Regionen
mit sehrFluktuationen
verschiedenenmit der typischen
des Ordnungsparameters.
Es gibt
thermische
ist. Um dies zuEnergie
beantworten,
Eigenschaften,je
nachdem,ob
oder ~ω. Ein einfakB T undphysikalischen
Quantenfluktuationen
mit der
Frequenz Quantenω und Energie
er Bedingung (4)
zurückkomthermische
Fluktuationen
dominieren
und je nachdem,
in
ches Beispiel für eine
thermische
Fluktuation
ist die Überquerung
eines Potentialbergs.
Das
peratur sehr klein
ist,
ist
auch
welcher
Phase
sich
der
zugehörige
Grundzustand
befindet.
Durchtunneln dieses Bergs entspricht einer Quantenfluktuation. Am Temperaturnullpunkt
ehr klein,und deshalb
Diese dreiFluktuationen.
Regionen sindDaher
nicht wird
durcheinscharfe
Phasenüber-hier durch Quangibt eswerden
keine thermischen
Phasenübergang
sehr kleinen Abständen vom gänge,sondern durch allmähliche „Crossover“ bei kBT w
bleiben. Nur in einer sehr
|B – Bc| z getrennt (in der Abbildung 3 durch die gestritischen Punktes werden die chelten Linien gekennzeichnet). In der quantenmechnisch
ominieren. Während also das ungeordneten Region dominieren die Quantenfluktuatiohalten bei jeder endlichen nen,und thermische Effekte sind unwichtig.Das System beder Bereich, in dem es gültig sitzt im wesentlichen die Eigenschaften des ungeordneten
immer kleiner. Bei genügend Grundzustandes. Die Eigenschaften der thermisch unge-
9
2.2. QUANTENKRITISCHE SYSTEME
tenfluktuationen getrieben. Im hell schraffierten Bereich in Abb. 2.5 dominieren thermische
Fluktuationen um den geordneten Grundzustand, im hellen Bereich dominieren Quantenfluktuationen. Im quantenkritischen Bereich werden die Eigenschaften des Systems durch den
quantenkritischen Grundzustand in Zusammenhang mit der Temperatur bestimmt. Experimente werden üblicherweise entweder bei konstanter (endlicher!) Temperatur als Funktion
eines Kontrollparameters B gemacht (Weg a in Abb. 2.5) oder bei konstantem Kontrollparameter als Funktion der Temperatur (Weg b in Abb. 2.5).
2.2.1
Quanten-Ising-Systeme
Als Quanten-Ising-Systeme bezeichnet man Materialien, in denen sich magnetische Momente
nur entlang einer bestimmten Achse im Raum ausrichten können. Ein solches System ist der
Isolator LiHoF4 . Das Selten-Erd-Element Holmium trägt einen Spin, der sich nur parallel
oder antiparallel zur c-Achse des Kristalls ausrichten kann. Ohne Magnetfeld ordnet das
System unterhalb der Curie-Temperatur
TC = 1, 53 K ferromagnetisch (Abb. 2.6). Dabei
|
2,0
thermischer
Paramagnet
Temperatur (K)
1,5
1,0
0,5
0
0
Ferromagnet
QuantenParamagnet
20
40
Bc 60
transversales Magnetfeld (kOe)
80
Abbildung 2.6: Phasendiagramm von LiHoF4 in der Temperatur-Magnetfeld-Ebene [Bitko
et al., Phys. Rev. Lett. 77 (1996) 940].
zeigen alle Spins in die gleiche Richtung, entweder auf“ oder ab“ (parallel oder antiparallel
”
”
zur c-Achse). Der klassische Phasenübergang bei der endlichen Temperatur TC (bei B = 0)
ist ein Phasenübergang 2. Ordnung. Ein solcher Übergang ist durch eine bei TC divergievoll polarisierter
Ferromagnet. Theoretisch
lässt sich eingibt die Größe der
rende Korrelationslänge
und -zeit charakterisiert.
Die Korrelationslänge
während der Korrelationszeit
bestehenden
geordneten
Clustern an. Bei der
solches System
durch das ferromagnetisch
Ising-Modell beschreiben
(AbbilAnnäherung (von dung
hohen1,Temperaturen
her kommend)
an TC Magnetfeld“).
wachsen diese Cluster an und
siehe „Ising-Modell
im transversalen
bleiben für längere Zeit
bestehen,
d.h.,
Korrelationslänge
und
-zeit
wachsen
Im Jahre 1996 untersuchten Bitko, Rosenbaum
und an. Bei TC divergieren Korrelationslänge
unddie
-zeit
und ein Cluster
erstreckt von
sich LiHoF
über 4die
Probe. Die
fluktuieren
die Spins mit d
Aeppli [1]
magnetischen
Eigenschaften
alsganze
Magentisierung (der
Ordnungsparameter)
nimmt
dann
einen
von
Null
verschiedenen
Wert
Funktion der Temperatur und eines äußeren Magnetfeldes, so dass der Mittelwert der
das im rechten Winkel zur Achse der Spins zeigte. Abbildung
2 zeigt das experimentell bestimmte Phasendiagramm. Am
Temperaturnullpunkt und ohne Magnetfeld ist das System,
wie bereits erwähnt, ein voll polarisierter Ferromagnet.
Erhöht man die Temperatur, werden zunächst einige Spins
umklappen. Mit weiter steigender Temperatur nehmen die
thermischen Fluktuationen zu. Die Bereiche mit umge-
Falle des Quantenparam
eindeutige quantenmecha
Superposition aus „auf“deshalb zu einer verschwi
zu einem verschwindend
tungswert.
10
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
an. Die magnetische Suszeptibilität divergiert bei TC , was einer extremen Empfindlichkeit
des Systems auf ein externes Magnetfeld entspricht.
Wird nun ein Magnetfeld senkrecht zur c-Achse angelegt, so wird die ferromagnetische
Ordnung sukzessive geschwächt und beim kritischen Wert des Magnetfelds Hc = 49, 3 kOe
gänzlich unterdrückt, wie in Abb. 2.6 gezeigt. Die Phasengrenze wurde mit Messungen der
magnetischen Suszeptibilität als Funktion der Temperatur und des Magnetfelds bestimmt.
Mittels dieser Daten wurde auch das kritische Verhalten sowohl im klassischen Grenzfall
(H = 0, T ≥ Tc ) als auch im Quanten-Grenzfall (T = 100 mK, H ≥ Hc ) untersucht. In beiden Fällen variiert der Realteil der Suszeptibilität χ′ als Funktion des normierten Abstandes
vom kritischen Punkt t = (T − Tc )/Tc bzw. h = (H − Hc )/Hc mit einem einfachen Potenzgesetz: χ′ ∼ t−γ (bzw. χ′ ∼ h−γ ), wie dies für kritisches Verhalten typisch ist. γ wird als
kritischer Exponent bezeichnet. Die Tatsache, dass eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Materialien das selbe kritische Verhalten (den gleichen kritischen Exponenten) zeigen, wird als
Universalität bezeichnet. In LiHoF4 ist γ ≈ 1. Dieses Verhalten entspricht den Vorhersagen
der Molekularfeldtheorie. Die auf den beiden Seiten des Quantenphasenübergangs relevanten
elementaren Anregungen werden wir in Abschnitt 4.1.6 behandeln.
Die Situation wird komplizierter, wenn zusätzlich zu lokalisierten magnetischen Momenten Ladungsträger vorhanden sind. Derartige Systeme werden im Folgenden behandelt.
2.2.2
Quantenkritische Schwere-Fermionen-Systeme
Wie bereits in Abschnitt 2.1 erwähnt, tritt quantenkritisches Verhalten in vielen SchwereFermionen-Systemen auf. Ein prototypisches Beispiel ist CePd2 Si2 , das unterhalb der NéelTemperatur TN ≈ 10 K antiferromagnetisch ordnet (Abb. 2.7). Unter Druck wird die NéelTemperatur reduziert. Mit einer linearen Extrapolation von TN (p) wird der kritische Wert
des Drucks, bei dem TN verschwindet, zu 28 kbar (2,8 GPa) bestimmt. In einem kleinen
Bereich um diesen kritischen Druck tritt Supraleitung unterhalb der kritischen Temperatur
Tc auf. Auf diese werden wir in Abschnitt 2.3 noch weiter eingehen. Das Teilbild in Abb. 2.7
zeigt, dass der elektrische Widerstand beim kritischen Druck oberhalb Tc nicht dem T 2 Gesetz einer Landau’schen Fermiflüssigkeit folgt, sondern annähernd proportional zu T 1.2
ansteigt, also der Beziehung
ρ = ρ0 + AT α
(2.4)
mit α = 1.2 gehorcht.
Ähnliches Verhalten wird auch in anderen Schwere-Fermionen-Systemen beobachtet. In
Abb. 2.8 sieht man am Fall von YbRh2 Si2 , dass die Abweichungen vom T 2 -Gesetz nur im
quantenkritischen Bereich des Phasendiagramms (Abb. 2.5) auftreten. Der gemäß Glg. (2.4)
bestimmte Exponent α ist in Abb. 2.8 als Helligkeit (bzw. Färbung) dargestellt. Im Nullfeld ordnet YbRh2 Si2 unterhalb von 70 mK antiferromagnetisch. Die Néel-Temperatur wird
mit steigendem Magnetfeld reduziert und verschwindet beim kritischen Feld von 0.7 T. Bei
diesem Feld wird bis zu den tiefsten Temperaturen ein in T linearer Widerstand (α = 1)
beobachtet.
Neben dem elektrischen Widerstand haben auch anderen Messgrößen im quantenkritischen Bereich einen ungewöhnlichen, vom Verhalten einer Landau’schen Fermiflüssigkeit
11
2.2. QUANTENKRITISCHE SYSTEME
28 kbar
ρ (µΩ cm)
40
Temperature (K)
10
20 Tc
0
TN
0
20
1.2
T
40
1.2
(K )
5
antiferromagnetic
state
superconducting
state
3Tc
0
0
10
20
30
Pressure (kbar)
40
Abbildung 2.7: Phasendiagramm von CePd2 Si2 in der Temperatur-Druck-Ebene. Teilbild:
Elektrischer Widerstand als Funktion von T 1.2 [Mathur et al., Nature 394 (1998) 39].
(Glgn. (2.1-2.3)) abweichenden Temperaturverlauf. Der Koeffizient aus spezifischer Wärme
und Temperatur bleibt im quantenkritischen Bereich temperaturabhängig. Dies ist am Beispiel von CeCu6−x Aux , das bei der Dotierung xc = 0.1 quantenkritisch ist (Abb. 2.9), in
Abb. 2.10 gezeigt. Bei x = 0.1 (und bis zu den hier gemessenen Temperaturen auch bei
x = 0.05) wird das Verhalten
C/T ∼ − ln T
(2.5)
beobachtet. Bei x = 0 wird C/T bei tiefen Temperaturen sehr flach, was dem Übergang zum
Fermiflüssigkeitsverhalten nach Glg. (2.1) entspricht. Bei x = 0.05 wird ein solcher Übergang
bei tieferen Temperaturen erwartet. Die Schultern für die Verbindungen mit x ≥ 0.15 rühren
vom antiferromagnetischen Phasenübergang her, das Abflachen der Kurven bei tieferen Temperaturen ist wiederum Zeichen für Fermiflüssigkeitsverhalten in der antiferromagnetischen
Phase.
Die Ursache für das im quantenkritischen Bereich auftretende sog. NichtFermiflüssigkeitsverhalten ist noch nicht geklärt. Ein Erklärungsansatz geht davon aus, dass
Quantenfluktuationen die Ursache sind. In Schwere-Fermionen-Systemen mit antiferromagnetischem Ordnungsparameter dominieren meist antiferromagnetische Spinfluktuationen
(auch Paramagnonen genannt, vgl. Abschnitt 4.1.5). Ihre Anwesenheit macht sich dadurch
12
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
B (T)
Abbildung 2.8: Phasendiagramm von YbRh2 Si2 in der Temperatur-Magnetfeld-Ebene in
Form des Widerstand-Exponenten α (hier mit ǫ bezeichnet) [Custers et al., Nature 424
(2003) 524].
Abbildung 2.9: Phasendiagramm von CeCu6−x Aux in der Temperatur-Dotierungs-Ebene [v.
Löhneysen et al., J. Phys. Condens. Matter 8 (1996) 9689].
2.2. QUANTENKRITISCHE SYSTEME
13
Abbildung 2.10: Temperaturabhängigkeit des Quotienten aus spezifischer Wärme und Temperatur von CeCu6−x Aux [von Löhneysen et al., J. Phys. Condens. Matter 8 (1996) 9689].
bemerkbar, dass nahe am quantenkritischen Punkt dauernd kleinere und größere antiferromagnetische Bereiche entstehen und wieder verschwinden. Mit abnehmender Temperatur
wächst die typische Größe dieser Bereiche und damit auch die Wechselwirkung zwischen
den Elektronen, die durch den Austausch von Spinfluktuationen bedingt ist. Dies würde
das anomale Widerstandsverhalten qualitativ erklären. Andererseits beeinflussen die magnetischen Fluktuationen, die als Quasiteilchen aufgefasst werden können, natürlich auch
die Energiebilanz und damit die spezifische Wärme. Der Anstieg von C/T mit abnehmender Temperatur bedeutet in diesem Bild, dass mit abnehmender Temperatur immer mehr
Spinfluktuationen erzeugt werden. Verschiedene experimentelle Beobachtungen insbes. an
CeCu6−x Aux und YbRh2 Si2 deuten aber darauf hin, dass zumindest nicht alle quantenkritischen Schwere-Fermionen-Systeme auf diese Art verstanden werden können. Gänzlich neue
Ansätze ziehen in Betracht, dass es die Quasiteilchen der Fermiflüssigkeit beim quantenkritischen Punkt überhaupt nicht mehr gibt, sondern dass sie am quantenkritischen Punkt aus”
einanderbrechen“. Auf der paramagnetischen Seite wäre ein Komposit-Teilchen aus lokalem
magnetischem Moment und einer das Moment abschirmenden Elektronenwolke ein plausibles
Quasiteilchen. Dieses würde am quantenkritischen Punkt in ein von den Leitungselektronen
unabhängiges lokales magnetisches Moment und einfache elektronische Quasiteilchen aufbrechen.
14
2.2.3
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Systeme mit quantenkritischem Endpunkt
In Abb. 2.5 ist der Fall dargestellt, wo am quantenkritischen Punkt eine geordnete Phase
gerade unterdrückt wird. Es gibt aber auch quantenkritische Punkte, an denen kein Symmetriebruch auftritt. Ein Beispiel dafür ist das Ruthenat Sr3 Ru2 O7 , das das typische Verhalten
eines itineranten Metamagneten zeigt: Als Funktion des Magnetfeldes nimmt die Magnetisierung in einem schmalen Feldbereich sehr rasch zu. Das Magnetfeld, bei dem der metamagnetische Übergang in Sr3 Ru2 O7 auftritt, hängt einerseits von der Temperatur ab, andererseits
vom Winkel zwischen Magnetfeld und kristallographischer ab-Ebene (Abb. 2.11). Der schat-
kritischer Endpunkt für 0° (2. Ordnung)
quantenkritischer
Endpunkt
Tmm(B,0°) (1. Ordnung)
Abbildung 2.11: Dreidimensionales Phasendiagramm von Sr3 Ru2 O7 erstellt aus Messungen
der komplexen Suszeptibilität χ = χ′ + iχ′′ . Bei den Übergängen erster Ordnung treten
Hysteresiseffekte und ein nichtverschwindendes χ′′ auf [Grigera et al., Phys. Rev. B 67 (2003)
214427].
tierte Bereich stellt die Fläche metamagnetischer Phasenübergänge erster Ordnung dar. Sie
wird zu hohen Temperaturen hin von einer Linie kritischer Temperaturen (kritischer Endpunkte) begrenzt. Jeder kritische Endpunkt stellt einen Phasenübergang zweiter Ordnung
dar. Der quantenkritische Punkt tritt auf, wo die Linie kritischer Endpunkte die T = 0Ebene schneidet, also in Abb. 2.11 bei ca. 90◦ und 7.8 T. Dies wird etwas anschaulicher,
wenn wir einen Schnitt durch das dreidimensionale Phasendiagramm, z.B. die Ebene zum
Winkel 0◦ , betrachten. Hier wird die Abhängigkeit der kritischen Temperatur des metamagnetischen Übergangs Tmm als Funktion des Magnetfeldes dargestellt. Bei einem Magnetfeld
von ca. 5 T ist Tmm zu Null unterdrückt. Mit steigendem Feld steigt Tmm steil an. Die Phasenübergangslinie erster Ordnung Tmm (B) endet schließlich in einem kritischen Endpunkt
zweiter Ordnung. In der entsprechenden Ebene zum Winkel 90◦ befindet sich nur noch dieser
2.2. QUANTENKRITISCHE SYSTEME
15
kritische Endpunkt, und zwar eben bei einem Feld von ca. 7.8 T bei T = 0. Da hier also ein
Phasenübergang zweiter Ordnung bei T = 0 passiert, handelt es sich um einen quantenkritischen Punkt, eben einen sog. quantenkritischen Endpunkt. Wie bei den Schwere-FermionenSystemen zeigen verschiedene physikalische Eigenschaften in der Umgebung dieses quantenkritischen Punktes Abweichungen vom Fermiflüssigkeitsverhalten. Abbildung 2.12 zeigt
den gemäß Glg. (2.4) bestimmten Exponenten α. Auch hier tritt ein großer quantenkriti-
Abbildung 2.12: Widerstandsexponent α von Sr3 Ru2 O7 in der Temperatur-MagnetfeldEbene, für einen Winkel zwischen Magnetfeld und ab-Ebene von 90◦ [Grigera et al., Science
294 (2001) 330].
scher Bereich mit α ≈ 1 auf. Genaue Untersuchungen an hochreinen Proben haben gezeigt,
dass unterhalb von 1 K in einem schmalen Feldbereich um das kritische Magnetfeld eine
neue Phase bisher unbekannter Natur existiert, auf die wir hier aber nicht weiter eingehen
möchten.
Ähnliches, wenn auch noch wesentlich komplizierteres Verhalten wird für URu2 Si2 beobachtet, wo die Bildung von gleich drei Phasen mit der Existenz eines metamagnetischen
quantenkritischen Punktes zusammenzuhängen scheint. Eine weitere, supraleitende Tieftemperaturphase, die in unmittelbarer Umgebung eines quantenkritischen Punktes auftritt, haben wir bereits am Beispiel von CePd2 Si2 in Abschnitt 2.2.2 kennengelernt. Auch wenn
ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Tieftemperaturphasen und einem quantenkritischen Punkt noch nicht bewiesen werden konnte, so scheint die Annahme, dass die Vielzahl
niederenergetischer Anregungen in der Umgebung eines quantenkritischen Punktes die Entstehung neuer Phasen begünstigt, zumindest plausibel.
Es gibt noch etliche weitere Materialklassen, die derzeit im Zusammenhang mit Quantenkritikalität diskutiert werden, so z.B. die Manganate, Kobaltate, Kondoisolatoren,
Spingläser, organische Ladungstransfer-Komplexe und auch die Hochtemperatur-Supraleiter.
Und es gibt sogar Hinweise darauf, dass Quantenkritikalität auch ausserhalb der traditio-
16
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
nellen Festkörperphysik von Bedeutung ist, z.B. in Quanten-Punkt-Systemen oder in Multilagen aus He3 -Atomen. Faszinierend – wenn auch noch etwas spekulativ – ist die derzeitige
Diskussion über Parallelen mit der Physik Schwarzer Löcher.
2.3
Unkonventionelle Supraleiter
Supraleitung ist ein makroskopisches Quantenphänomen, bei dem die beweglichen Elektronen eines Metalls unterhalb einer kritischen Temperatur sog. Cooper-Paare bilden und in
einen gemeinsamen Grundzustand kondensieren“. Die Paarbildung ist erforderlich, da nur
”
Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) den gleichen Zustand einnehmen können, während
dies für Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) wie Elektronen nach dem Pauliprinzip
verboten ist. Für konventionelle Supraleiter basiert der Paarungsmechanismus auf der Wechselwirkung mit den Gitterschwingungen (Phononen), wie sie die BCS-Theorie beschreibt. Es
gibt aber auch Materialien, in denen dieser Paarungsmechanismus unwahrscheinlich ist. Einige solche Systeme wollen wir im Folgenden behandeln.
2.3.1
Hochtemperatur-Supraleiter
Seit der Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung in der Familie der Kuprate im Jahre
1986 durch Bednorz und Müller bleibt trotz einer Fülle an experimentellen Ergebnissen der zu
Grunde liegende mikroskopische Mechanismus unklar. Ein auch nur halbwegs vollständiger
Überblick über den Stand der Forschung an Hochtemperatur-Supraleitern würde eine ganze
Vorlesung füllen. Hier wurde daher eine Auswahl nur weniger Aspekte getroffen.
In Abb. 2.13 ist die Struktur des typischen Hochtemperatur-Supraleiters La2−x Srx CuO4
zu sehen. Charakteristisch sind die CuO2 -Ebenen, die für die Supraleitung in den Kupraten eine entscheidende Rolle spielen. Die bisher höchste kritische Temperatur von 133.5 K
wurde in dem System HgBa2 Ca2 Cu3 O8+x gefunden, in dem gleich drei CuO2 -Ebenen pro
Einheitszelle vorhanden sind. Die Schichtstruktur führt zu extrem anisotropem Verhalten
im normalleitenden Zustand. Der elektrische Widerstand senkrecht zu den CuO2 -Ebenen
kann bis zu tausend Mal größer sein als der entlang der Ebenen.
Das phänomenologische Phasendiagram der Elektron- und Loch-dotierten (n- und pTyp) Hochtemperatur-Supraleiter ist in Abb. 2.14 am Beispiel von Nd2−x Cex CuO4 und
La2−x Srx CuO4 gezeigt. Ohne Dotierung (x = 0) sind beide Verbindungen antiferromagnetische Isolatoren. Bereits dieser Zustand ist ungewöhnlich, da die Systeme gemäß
Bandstrukturrechnungen Metalle sein sollten. Er rührt von starken Elektron-ElektronWechselwirkungen her und wird als Mott-Isolator bezeichnet. (In einem Mott-Isolator ist
jeder Gitterplatz mit einem Elektron besetzt. Für eine Bewegung der Elektronen müsste
ein Gitterplatz zeitweise doppelt besetzt werden. Dieser Prozess würde wegen der starken
Coulomb-Abstoßung zwischen den Elektronen zu viel Energie kosten und findet daher nicht
statt.) Mit zunehmender Dotierung wird die antiferromagnetische Phase unterdrückt und
schliesslich eine supraleitende Phase stabilisiert. Der supraleitende Ordnungsparameter (die
Energielücke) hat nicht wie bei konventionellen Supraleitern s-Wellen-Symmetrie, sondern
d-Wellen-Symmetrie. Das heißt, dass die Energielücke an bestimmten Orten der Fermifläche
2.3. UNKONVENTIONELLE SUPRALEITER
17
Abbildung 2.13: Tetragonale Hochtemperatur-Struktur von La2−x Srx CuO4 [Damascelli et
al., Rev. Mod. Phys. 75 (2003) 474].
Abbildung 2.14: Phänomenologisches Phasendiagramm der Hochtemperatur-Supraleiter am
Beispiel von Nd2−x Cex CuO4 und La2−x Srx CuO4 [Damascelli et al., Rev. Mod. Phys. 75
(2003) 473].
verschwindet. Hier sind elektronische Anregungen beliebig kleiner Energie möglich. Proben mit maximaler Sprungtemperatur werden als optimal dotiert“ (optimally doped) be”
18
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
zeichnet, solche mit kleinerer bzw. größerer Dotierung als unterdotiert“ (underdoped) bzw.
”
überdotiert“ (overdoped). Im wesentlich genauer untersuchen Loch-dotierten Fall gibt es
”
eine weitere Linie im Phasendiagramm. Unterhalb dieser oft mit T ∗ bezeichneten charakteristischen Temperatur verschwinden niederenergetische Spin-Fluktuationen mit abnehmender
Temperatur, was auf eine (Pseudo-)Energielücke (pseudogap) der Breite kB T ∗ im elektronischen Anregungsspektrum zurückgeführt wird. Innerhalb diesem pseudogap-Bereich kann
es je nach Material und Probenqualität weitere Phasen mit lokaler oder inkommensurabler (nicht gitterperiodischer) magnetischer Ordnung geben, z.B. einen Spin-Glas-Zustand
oder einen als Streifen“ (stripes) bezeichneten Zustand mit inhomogener Spin- und La”
dungsordnung, der statisch oder zeitlich fluktuierend sein kann (vgl. Abschnitt 4.14). In
überdotierten Proben scheinen magnetische Korrelationen hingegen vernachlässigbar zu
sein. Damit drängt sich ein Vergleich mit Schwere-Fermionen-Supraleitern wie dem in Abschnitt 2.2.2 besprochenen CePd2 Si2 auf. Die Rolle der Néel-Temperatur spielt im Fall
der Hochtemperatur-Supraleiter die pseudogap-Temperatur T ∗ . Es wird spekuliert, dass es
einen quantenkritischen Punkt gibt, an dem T ∗ verschwindet und dass die Cooper-Paare
durch den Austausch kritischer Spinfluktuationen gebildet werden. Tatsächlich wird auch
in Hochtemperatur-Supraleitern in der Umgebung dieses hypothetischen quantenkritischen
Punktes Nicht-Fermiflüssigkeitsverhalten beobachtet (Abb. 2.15), so z.B. ein mit der Temperatur linear ansteigender elektrischer Widerstand (Abb. 2.16). Es muss aber betont werden,
dass es für diese Erklärung derzeit keinen breiten Konsens gibt, ebensowenig wie für irgend
einen anderen Erklärungsansatz.
Abbildung 2.15: Schematisches Phasendiagramm der Hochtemperatur-Supraleiter [Orenstein
und Millis, Science 288 (2000) 468].
2.3. UNKONVENTIONELLE SUPRALEITER
19
Abbildung 2.16: Elektrischer Widerstand von La1.85 Sr0.15 CuO4 , gemessen entlang den CuO2 Ebenen, als Funktion der Temperatur [Takagi et al., Phys. Rev. Lett. 69 (1992) 2975].
2.3.2
Schwere-Fermionen-Supraleiter
In einigen Schwere-Fermionen-Verbindungen (z.B. CeIn3 , CeRh2 Si2 , CeNi2 Ge2 ) wird wie für
CePd2 Si2 (Abschnitt 2.2.2) in der unmittelbaren Umgebung des quantenkritischen Punktes
Supraleitung beobachtet. Die kritische Temperatur ist niedrig (ca. 0.4 K für CePd2 Si2 ). Zudem tritt Supraleitung nur in sehr reinen Proben (Proben mit niedrigem Restwiderstand)
auf. Es wird davon ausgegangen, dass diese Supraleitung nicht wie in konventionellen Supraleitern durch den Austausch von Phononen bedingt ist, sondern durch den Austausch von
Spinfluktuationen (vgl. Abschnitt 2.2.2 und 4.1.5). Theoretische Modelle, die den quantenkritischen Punkt als Spindichtewellen-Instabilität beschreiben, sagen tatsächlich Supraleitung
mit obigen Eigenschaften vorher. Dies ist auch mit der Beobachtung konsistent, dass in
Schwere-Fermionen-Verbindungen wie YbRh2 Si2 oder CeCu6−x Aux , in denen die magnetische Orndung auf lokalisierte magnetische Momente zurückgeführt wird (und nicht auf eine
Spindichtewelle der Leitungselektronen), bisher keine Supraleitung gefunden wurde.
Auf die Existenz eines weiteren, neuen Paarungsmechanismus scheinen Ergebnisse
an der Verbindung CeCu2 Si2 hinzuweisen. In Abb. 2.17 ist das Phasendiagramm für
CeCu2 (Si1−x Gex )2 dargestellt. Mit zunehmender Unordnung durch Dotierung wird die Supraleitung, die sich in reinem CeCu2 Si2 (punktierte und strichpunktierte Kurven) und
CeCu2 Ge2 (dunkle durchgezogene Kurve) über das ganze Phasendiagramm erstreckt, geschwächt und zerfällt bei x = 0.1 (dunkle Bereiche) in zwei voneinander getrennte supraleitende Phasen: Eine Phase in der Umgebung des quantenkritischen Punktes, bei dem die
Néel-Temperatur verschwindet und die mit Spinfluktuationen erklärt wird und eine zweite
Phase mit maximalem Tc bei 4 GPa. Verschiedene Experimente deuten darauf hin, dass bei
diesem Druck ein Valenzübergang des Ce auftritt (ein Teil des lokalisierten f -Elektrons des
20
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Abbildung 2.17: Phasendiagramm von CeCu2 (Si1−x Gex )2 in der Temperatur-Druck-Ebene
[Yuan et al., Science 302 (2003) 2104].
Ce wird itinerant). Damit Supraleitung durch den Austausch kritischer Valenzfluktuationen als Paarungsmechanismus in Frage kommt, müsste der Valenzübergang bei T = 0 ein
quantenkritischer Punkt und somit ein kontinuierlicher Übergang sein. Im Allgemeinen sind
Valenzübergänge allerdings Phasenübergänge erster Ordnung. Daher müsste es sich hier um
einen quantenkritischen Endpunkt (vgl. Abschnitt 2.2.3) handeln.
Unkonventionelle Supraleitung tritt noch in weiteren Materialklassen, wie z.B. in EinfachLagen-Perovskit-Ruthenaten (z.B. Sr2 RuO4 ) und in quasi-zweidimensionalen organischen
Leitern (z.B. BEDT-TTF) auf. Es handelt sich also um ein relativ weit verbreitetes
Phänomen.
2.4
Quasi-eindimensionale Systeme
In dreidimensionalen Leitern wird abgesehen von der Umgebung von Quantenphasenübergängen im Allgemeinen Fermiflüssigkeitsverhalten beobachtet. Dies liegt daran, dass
hier die freien Elektronen im Zusammenspiel mit den positiv geladenen Ionen des Kristallgitters für eine effektive Abschirmung der langreichweitigen Coulomb-Felder sorgen. In reduzierten Dimensionen wird diese Abschirmung weniger effizient. Im Grenzfall eindimensionaler Leiter ist die Abschirmung so schwach, dass das Bild der Fermiflüssigkeit gänzlich
zusammenbricht. Das experimentell beobachtete Verhalten ist vielmehr im Einklang mit den
theoretischen Vorhersagen für eine sog. Luttinger-Flüssigkeit. Zwei charakteristische Eigenschaften, nämlich das Phänomen der Spin-Ladungs-Separation und das des Verschwindens
2.4. QUASI-EINDIMENSIONALE SYSTEME
21
der elektronischen Zustandsdichte in Tunnelexperimenten, werden im Folgenden anhand von
Beispielen vorgestellt.
2.4.1
Das Kuprat SrCuO2
Die Struktur von SrCuO2 ist in Abb. 2.18 dargestellt. Jedes Cu-Atom ist von vier in einer Ebene liegenden O-Atomen umgeben. Diese sog. CuO4 -Plaketten sind über gemeinsame
Kanten so angeordnet, dass sich entlang der c-Achse zickzackförmige CuO2 -Ketten ergeben. Die Wechselwirkung zwischen Cu2+ -Ionen entlang dieser Ketten ist wesentlich stärker
als jene zwischen den Ketten, was zu quasi-eindimensionalem Verhalten führt. Die Spins
der Cu2+ -Ionen ordnen in einem weiten Temperaturbereich antiferromagnetisch. Ein stark
vereinfachtes Modell für SrCuO2 ist ein System aus voneinander unabhängigen antiferromagnetischen Ketten aus Elektronen mit Spin 1/2. Wenn ein Elektron aus einer solchen Kette
entfernt wird, werden gemäß der Luttinger-Theorie zwei Anregungen erzeugt, ein Holon
(trägt die Ladung des Elektrons bzw. Lochs) und ein Spinon (trägt den Spin des Elektrons
bzw. Lochs) (vgl. Abschnitt 4.1.7).
Abbildung 2.18: Schematische Kristallstruktur von SrCuO2 . Schraffiert: Sr, schwarz: Cu,
weiss: O [Motoyama et al., Phys. Rev. Lett. 76 (1996) 3212].
Experimentell können Anregungen, bei denen ein Elektron entfernt wird, mit Photoemissionsspektroskopie untersucht werden. In Abb. 2.19 sind ARPES (angle-resolved photoemission spectroscopy)-Spektren für verschienede k-Positionen entlang der Kettenrichtung
von SrCuO2 gezeigt. Mit Hilfe von Modellrechnungen im Rahmen des sog. t − J-Modells (t
steht für einen sog. hopping-Term, J für die Austausch-Wechselwirkung) konnte der Peak,
der zwischen k = π/2 und π auftritt (rechtes Teilbild) als Holon identifiziert werden, der Peak
22
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
zwischen k = 0 und π/2 (linkes Teilbild) als Gemisch aus Spinon- und Holon-Anregung. Die
starke Dispersion (k-Abhängigkeit der Peak-Position) ist typisch für quasi-eindimensionale
Anregungen.
Abbildung 2.19: ARPES-Spektren von SrCuO2 [Kim et al., Phys. Rev. Lett. 77 (1996) 4054].
2.4.2
Kohlenstoff-Nanoröhrchen
Kohlenstoff-Nanoröhrchen kann man sich wie eine zu einem Zylinder aufgerollte und nahtlos verschweißte Graphitschicht vorstellen. Je nach der Richtung, um die die Graphitschicht
gekrümmt ist, entstehen unterschiedliche Strukturen (Abb. 2.20). Röhrchen vom ArmsesselTyp (schräger Pfeil in Abb. 2.20) sind metallisch, solche vom Zickzack-Typ (waagerechter
Pfeil in Abb. 2.20) sind überwiegend halbleitend. Chirale Röhrchen, die entlang einer beliebigen anderen Richtung aufgerollt sind, können metallisch oder halbleitend sein. Diese Unterschiede können mit Bandstrukturrechnungen erklärt werden. Neben diesen einwandigen
Nanoröhrchen gibt es auch mehrwandige Nanoröhrchen. Diese scheinen aber nicht eindi”
mensional genug“ zu sein, um mit der Theorie der Luttinger-Flüssigkeit beschrieben werden
zu können. Bisher konnten noch keine Messungen an einzelnen einwandigen Nanoröhrchen
gemacht werden. Es können aber Bündel von einwandigen Nanoröhrchen hergestellt werden,
in denen der elektronische Transport durch eine einzige metallische Nanoröhre dominiert
wird.
23
2.4. QUASI-EINDIMENSIONALE SYSTEME
Zickzackstruktur
Armsesselstruktur
Chirale
Struktur
Abbildung 2.20: Graphit und verschiedene Arten von Kohlenstoff-Nanoröhrchen [C. Strunk,
Physik in unserer Zeit 36 (2005) 176; nach Chemie in unserer Zeit 39 (2005) 17 ].
Abbildung 2.21 zeigt die Ergebnisse eines Tunnelexperiments an einem solchen Bündel,
das auf zwei Metallkontakte gelegt wurde (Skizze in Abb. 2.21). Die differentielle Leitfähigkeit
dI/dV wurde bei verschiedenen Temperaturen als Funktion der Spannung zwischen den Kontakten gemessen. Bei kleinen Spannungen ist dI/dV konstant. Dieses ohmsche Verhalten wird
in Tunnelexperimenten zwischen zwei normalen Metallen beobachtet. Wie das lineare Verhalten in doppelt-logarithmischer Darstellung zeigt, steigt bei höheren Spannungen dI/dV aber
nach einem Potenzgesetz dI/dV ∼ V α an. Zudem fallen die Messkurven bei verschiedenen
Temperaturen in einer Auftragung (dI/dV )/T α gegen eV /(kB T ) auf eine universelle Kurve
(Hauptteil von Abb. 2.21). Beides ist im Einklang mit der Theorie der Luttinger-Flüssigkeit.
In einer Luttinger-Flüssigkeit zieht die Bewegung eines Elektrons eine wellenförmige Anregung des gesamten Elektronensystems, eine sog. Plasmaschwingung nach sich. Die Quanten
dieser Schwingung sind die Plasmonen. Während eine Tunnelbarriere von einzelnen Elektronen passiert (durchtunnelt) werden kann, ist sie für Plasmonen undurchlässig. Die Injektion
eines einzelnen Elektrons in eine Luttinger-Flüssigkeit kostet Energie, da das zusätzliche
Elektron in der Luttinger-Flüssigkeit nicht stabil ist und in Plasmonen zerfallen muss. Die
Energie, die zur Anregung dieser Plasmonen nötig ist, wird von der Spannungsquelle geliefert
und führt zu dem experimentell beobachteten Potenzgesetz.
24
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Abbildung 2.21: Differentielle Leitfähigkeit dI/dV eines Metall/Bündel einwandiger
Kohlenstoff-Nanoröhrchen/Metall-Tunnelkontakts (Skizze). Die Rohdaten des Teilbildes sind
im Hauptbild skaliert dargestellt [Bockrath et al., Nature 397 (1999) 598].
2.5
Invar-Materialien
Die (normale) thermische Ausdehnung eines Festkörpers (Isolators, elektronische Beiträge
werden hier nicht betrachtet) ist eine Folge der Anharmonizität der Bindungsenergie. Ein
unsymmetrischer Verlauf des Potentials zwischen benachbarten Atomen führt dazu, dass mit
steigender Temperatur nicht nur die Amplitude der Schwingungen der Atome wächst, sondern auch der mittlere Atomabstand; das Material dehnt sich aus. Dieses normale Verhalten
wird durch das Grüneisen-Gesetz beschrieben, gemäß dem der thermische Ausdehnungskoeffizient annähernd proportional zur spezifischen Wärme ist. Diese folgt der Debye-Funktion,
die mit steigender Temperatur S-förmig zunimmt und bei hohen Temperaturen in Sättigung
geht.
2.5. INVAR-MATERIALIEN
2.5.1
25
Fe-Ni-Legierungen
Bereits im Jahr 1897 entdeckte Ch. E. Guillaume (Comp. Rend. Acad. Sci. Paris 125 (1897)
235), dass eine Legierung der Zusammensetzung Fe65 Ni35 in einem Temperaturbereich rund
um Raumtemperatur einen verschwindend kleinen thermischen Ausdehnungskoeffizienten
hat (Abb. 2.22). 1920 erhielt er für diese Entdeckung den Physiknobelpreis. Dieses anomale
Abbildung 2.22: Oben: Thermischer Ausdehnungskoeffizient von Fe-Ni-Invar im Vergleich
zu normalem Stahl. Für hohe Temperaturen folgt der Ausdehnungskoeffizient wieder dem
Grüneisengesetz. Unten: Thermischer Ausdehnungskoeffizient von Fe-Ni-Invar bei 300 K als
Funktion der Ni-Konzentration.
Verhalten wird als Invar-Effekt bezeichnet. Dieser Effekt ist von praktischem Interesse, da
Materialien mit sehr geringem Ausdehnungskoeffizienten durch Temperaturschocks mechanisch kaum beansprucht werden. Heute kennt man auch Materialien mit besonders großem
Ausdehnungskoeffizienten (z.B. fcc Eisen); in diesem Fall spricht man vom anti-Invar-Effekt.
Der Invar-Effekt tritt auf, wenn der normale positive Beitrag zur thermischen Ausdehnung,
der von den thermischen Anregungen der Gitterschwingungen (Phononen) herrührt, gera-
26
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
de duch einen negativen Beitrag kompensiert wird. Da alle Invar-Materialien magnetisch
sind, liegt es nahe, dass die magnetische Ordnung an diesem Effekt beteiligt ist. Dies umsomehr, als es oberhalb der Curie-Temperatur keinen Invar-Effekt gibt. Da der Invar-Effekt
kein isoliertes Phänomen ist, sondern in einer großen Anzahl von Legierungen, jedoch immer
bei bestimmter Zusammensetzung, gefunden wird, muß der entsprechende Machanismus ein
fundamentaler sein. Invar-Verhalten tritt sowohl in Systemen mit itineranten magnetischen
Momenten (z.B. Fe und seinen Legierungen), als auch in solchen mit lokalisierten Momenten (Legierungen, die Selten-Erd-Atome enthalten) auf. Als mögliche Anregungen werden
derzeit Magnonen und Spinfluktuationen (Abschnitte 4.1.4/4.2.2 und 4.1.5) diskutiert. Man
kann zeigen, dass diese Anregungen unter bestimmten Umständen stark an das Volumen
koppeln und somit die Temperaturabhängigkeit der Magnetostriktion (Volumenänderung
im Magnetfeld) steuern.
2.5.2
Die Verbindung YbGaGe
Für das Invar-Verhalten der Verbindung YbGaGe wird ein anderer Mechanismus verantwortlich gemacht. Messungen der magnetischen Suszeptibilität zeigen (Abb. 2.23), dass das effektive magnetische Moment mit steigender Temperatur zunimmt. Dies wird so interpretiert,
dass mit steigender Temperatur mehr und mehr Yb-Atome vom diamagnetischen Valenzzustand Yb2+ in den paramagnetischen Valenzzustand Yb3+ übergehen (effektives Moment
von freiem Yb3+ -Ion: 4,54 µB ). Da das Volumen von Yb3+ wesentlich kleiner ist als jenes von
Yb2+ bedingt dieser Effekt eine Volumenverkleinerung mit steigender Temperatur (negative thermische Ausdehnung). Kombiniert mit der normalen (Phononen-bedingten) positiven
thermischen Ausdehnung ergibt sich insgesamt der experimentell beobachtete Invar-Effekt
(Abb. 2.24). Die elementaren Anregungen dieses Valenzübergangs sind Valenzfluktuationen.
27
2.5. INVAR-MATERIALIEN
Temperature (K)
Abbildung 2.23: Magnetische Suszeptibilität (links) und ihr Inverses (rechts) als Funktion
der Temperatur von YbGaGe [Salvador et al., Nature 425 (2003) 702].
Temperature (K)
Abbildung 2.24: Temperaturabhängigkeit des Einheitszellenvolumens von zwei leicht unstoichiometrischen YbGaGe Verbindungen YbGa1+δ Ge1−δ (oben) und YbGa1−δ Ge1+δ (unten)
[Salvador et al., Nature 425 (2003) 702].
28
KAPITEL 2. MATERIALIEN DER AKTUELLEN FORSCHUNG
Kapitel 3
Landau’sche Theorie der
Fermiflüssigkeit
Die Landau’sche Theorie der Fermiflüssigkeit wurde 1956 von Laudau entwickelt, um die
Eigenschaften von 3 He zu erklären. Ihre Bedeutung geht aber weit über diesen Spezialfall hinaus: grundsätzlich kann sie zur Beschreibung aller fermionischen Systeme verwendet
werden. Die Landau’sche Theorie der Fermiflüssigkeit gilt heute als eine der bedeutendsten
Theorien der Festkörperphysik und ist derzeit das Standardmodell“ der Metalle. Sie erklärt,
”
warum sich ein System aus stark wechselwirkenden Teilchen annähernd wie ein System freier
Teilchen verhalten kann und gibt an, wie man die Änderungen, die die Wechselwirkungen
hervorrufen, quantifizieren kann.
3.1
Das Konzept der Quasiteilchen
Dass einfache Metalle sehr gut mit der Sommerfeld-Theorie freier Elektronen beschrieben
werden können (vgl. Abschnitt 2.1, spezifische Wärme von Au und Paulisuszeptibilität von
Na) ist eigentlich überaus erstaunlich, denn die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen ist trotz Abschirmung keineswegs vernachlässigbar klein. Sie ist in Metallen von der
gleichen Größenordnung wie die kinetische Energie der Elektronen. Warum kann eine Theorie, die die Coulomb-Wechselwirkung gänzlich außer Acht lässt, dann so gut funktionieren?
Die Antwort liegt in Landau’s Konzept der Quasiteilchen.
Tatsächlich haben wir mit den Beziehungen freier Elektronen nämlich nicht die freien
Elektronen selbst beschrieben, sondern den Elektronen ähnliche (Landau’sche) Quasiteilchen. Obwohl sich der Grundzustand des wechselwirkenden Systems erheblich von dem des
nichtwechselwirkenden Systems unterscheiden kann, haben die elementaren Anregungen des
wechselwirkenden Systems (die Quasiteilchen) praktisch die gleichen Eigenschaften wie die
ursprünglichen Elektronen: sie haben die gleiche Ladung, den gleichen Spin und den gleichen
maximalen Impuls pF . Nur ihre effektive Masse m∗ und damit auch ihre Energie p2 /(2m∗ )
kann sich erheblich von der freier Elektronen unterscheiden. Zudem ist die Gesamtenergie
mehrerer Quasiteilchen annähernd gleich der Summe ihrer Einzelenergien. Man kann damit
komplizierte angeregte Zustände einfach als Summe von vielen Quasiteilchen beschreiben.
29
30
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Abbildung 3.1: Grundzustand des freien Fermigases im ~k-Raum mit einer Teilchen-LochAnregung [Schofield, Contemporary Physics 40 (1999) 95].
Zur Einführung der Quasiteilchen bedient man sich des Konzepts der adiabatischen
”
Kontinuität“. Wir gehen in einem Gedankenexperiment von einem Metall aus, in dem wir
die Wechselwirkung zwischen den Quasiteilchen über einen Regler variieren können: bei 0
verschwindet die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen und wir haben ein freies Fermigas, bei 1 erreicht die Wechselwirkung ihre volle Größe. Wir gehen vom Zustand
in Abb. 3.1 aus, also vom Grundzustand mit einem angeregten Zustand bei Reglerstellung
0. Nun regeln wir die Wechselwirkung ganz langsam hoch. Dabei fangen die Elektronen innerhalb der Fermifläche an, miteinander und mit dem Elektron außerhalb der Fermifläche
zu wechselwirken. Wenn der Regler nur langsam genug bewegt wird, gehen wegen der adiabatischen Kontinuität die Eigenzustände des nichtwechselwirkenden Systems kontinuiertlich in Eigenzustände des wechselwirkenden Systems über. Die Quantenzahlen der freien
Elektronen können also von den Quasiteilchen übernommen werden, obwohl sich ihre Wellenfunktionen und Energien verändern. Man spricht von einer Eins-zu-eins-Korrespondenz
zwischen Quasiteilchen und freien Elektronen. Zur Konstruktion der Landau’schen Theorie
der Fermiflüssigkeit ist es allerdings nötig, dass der Regler in einer Zeit von 0 auf 1 gedreht
wird, die kleiner ist als die Streuzeit der Quasiteilchen. Da die Streuzeit (bei T = 0) nahe
der Fermifläche divergiert, kann hier der Regler immer so langsam wie für die adiabatische
Kontinuität nötig gedreht werden. Weiter von der Fermifläche entfernt (oder bei höheren
Temperaturen) ist dies allerdings nicht mehr der Fall. Hier zerfallen die Quasiteilchen bereits bevor die Wechselwirkung vollständig eingeschaltet wurde. Bei endlicher Temperatur
wächst die Streurate mit T 2 an. Das Quasiteilchen-Konzept ist also nur bei tiefen Temperaturen und für niederenergetische Anregungen gültig.
Im Folgenden machen wir die Energie- und Temperaturabhängigkeit der Streurate plausibel. Das Quasiteilchen in Abb. 3.1 habe eine Energie ǫ1 , die größer als die Fermienergie ǫF
ist (vgl. Abb. 3.2 (A)). Es kann nur an einem Teilchen einer Energie ǫ2 < ǫF streuen, da
ausschließlich elektronische Niveaus mit Energien kleiner ǫF besetzt sind (vgl. Abb. 3.2 (B)).
Das Pauliprinzip fordert nun, dass diese beiden Teilchen nur in unbesetzte Niveaus gestreut
werden können, dass also ǫ3 > ǫF und ǫ4 > ǫF . Damit dies energetisch möglich ist, muss
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
31
Abbildung 3.2: (A) Ausgangszustand, bestehend aus einem Quasiteilchen mit der Energie
ǫ1 oberhalb der Fermienergie ǫF . (B) Endzustand nach einem Wechselwirkungsprozess, bei
dem ein Teilchen von unterhalb nach oberhalb der Fermienergie gestreut wird und das ursprüngliche Quasiteilchen seine Energie ändert[Condensed Matter Physics, Michael P. Marder].
|ǫ2 − ǫF | ≤ ǫ1 − ǫF gelten, muss also ǫ2 näher am Ferminiveau liegen als ǫ1 (oder höchstens
gleichweit davon entfernt sein). Da die Energie erhalten sein muss (ǫ1 + ǫ2 = ǫ3 + ǫ4 ), gilt
weiters, dass ǫ3 − ǫF < ǫ1 − ǫF und ǫ4 − ǫF < ǫ1 − ǫF . Für den Streuprozess kommen also
nur Zustände innerhalb einer Schale mit einer Dicke der Größenordnung ǫ1 − ǫF um die
Fermifläche in Frage. In der Sprache der Streutheorie kann man sagen, dass der Phasenraum, der für den Streuprozess verfügbar ist, mit dem Abstand von Quasiteilchen 1 zum
Ferminiveau abnimmt. Am Ferminiveau selbst, also für ǫ1 = ǫF , gibt es keinen Phasenraum
für den Streuprozess und die Lebensdauer des Quasiteilchens ist (bei T = 0) unendlich. Die
Streurate 1/τ ist proportional zum Quadrat von ǫ1 − ǫF
1
∼ (ǫ1 − ǫF )2 ,
(3.1)
τ
da sowohl die Energie ǫ2 als auch die Energie ǫ3 innerhalb der erlaubten Schale gewählt werden muss. Für ǫ4 ergibt sich die Energie auf Grund der Energieerhaltung dann automatisch.
Betrachtet man zusätzlich zur gefüllten Fermikugel nicht ein einzelnes Quasiteilchen,
sondern eine thermische Gleichgewichtsverteilung von Quasiteilchen bei einer von null verschiedenen Temperatur, so sind nun teilweise gefüllte Niveaus innerhalb einer Schale der
Dicke kB T um ǫF verfügbar. Damit ergibt sich selbst für ǫ1 = ǫF die endliche Streurate
1
∼ (kB T )2 .
(3.2)
τ
3.2
Spezifische Wärme und Paulisuszeptibilität
Das Beibehalten der durch das Pauliprinzip festgelegten Quantenzahlen und damit der wohldefinierten Fermifläche im wechselwirkenden Fall ist die Ursache für die gleiche Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme (CV = ∂U/∂T |V , U : innere Energie, V : Volumen)
und der Paulisuszeptibilität (χM = ∂M/∂H, M : Magnetisierung, H: Magnetfeld) in Fermigas und Fermiflüssigkeit. Beide Eigenschaften folgen nämlich allein aus der Existenz einer
wohldefinierten Fermifläche. Eine Skizze der Landau’schen Ableitung dieser Beziehungen für
die Fermiflüssigkeit wird im folgenden Abschnitt gegeben.
32
3.2.1
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Statistische Thermodynamik der Quasiteilchen
Energie-Funktional
Landau schlug eine phänomenologische Beschreibung für einen Quantenzustand, der von
vielen Quasiteilchen besetzt ist, vor. f~k sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zustand mit dem
Wellenvektor ~k besetzt ist. Im Grundzustand (bei T = 0 K) haben alle f~k für ~k-Vektoren
innerhalb der Fermifläche den Wert 1 (besetzte Zustände), alle außerhalb der Fermifläche
den Wert 0 (unbesetzte Zustände). Dies wird durch eine Sprungfunktion der Form
¡
¢
f~k0 ≡ Θ εF − ε~k
(3.3)
mit Θ(x) = 1 für x ≤ 0 und Θ(x) = 0 für x > 0 ausgedrückt. Es sei nun δf~k die Differenz
zwischen der aktuellen Besetzungswahrscheinlichkeit des Zustandes ~k und seiner Besetzungswahrscheinlichkeit im Grundzustand; im Grundzustand sind alle δf~k = 0. Wir nehmen nun
an, dass die Energie eines Quantenzustandes nach δf~k (der Spin-Zustand σ wird dabei vorerst
in der Notation von δf~k nicht mitgeführt) entwickelt werden kann:
ε [δf ] = ε0 +
X
ε~0k δf~k +
1 X
δf~ u~ ~ ′ δf~ ′ + ...
2 ′ ′ k kk k
(3.4)
~k~k σσ
~kσ
ε0 ist der Energie-Nullpunkt, ε~0k die Energie der nichtwechselwirkenden Teilchen (für ein
Metall ist dies die Energie der zu ~k gehörenden Bloch-Wellenfunktion, für ein freies Elektron
ist es die Energie (~~k)2 /(2m) zur ensprechenden ebenen Welle mit dem Wellenvektor ~k). Die
Funktion u~k~k′ beschreibt die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen mit den Wellenvektoren
~k und ~k ′ . Die Form des Wechselwirkungspotentials u~ ~ ′ bestimmt die Physik, die mit diesem
kk
Ansatz beschrieben wird. Vermittelt u~k~k′ eine abstoßende Wechselwirkung, so kann man
damit z.B. die Coulombkorrelation der Elektronen beschreiben. In unserer Ableitung machen
wir vorerst keine Einschränkung für u~k~k′ , sodass die Ergebnisse im Rahmen der nötigen
Näherungen sehr allgemeine Aussagen zulassen. Es sollte noch bemerkt werden, dass die
Theorie der Fermiflüssigkeit nicht geeignet ist, um z.B. Supraleitung zu beschreiben. Der
Grund liegt darin, dass bei der Bildung der Cooper-Paare Bosonen erzeugt werden, was die
geforderte Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen den freien Teilchen und den Quasiteilchen
bricht und dass die Quasiteilchen nur innerhalb ihrer Zerfallszeit existieren, während die
Cooperpaare stabil sind.
Wie sehen nun die δf~k für einen angeregten Zustand aus?
T = 0 K + 1 Quasiteilchen
Die Energie, die nötig ist, um ein Quasiteilchen im Zustand (~k, σ) oberhalb der Fermifläche
hinzuzufügen, ergibt sich aus Glg. (3.4) zu
ε~k = ε~0k +
X
~k′ σ ′
u~k~k′ δf~k′
.
(3.5)
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
33
Dabei wurde berücksichtigt, dass der Zustand (~k, σ) sicher, also mit Wahrscheinlichkeit 1
(δf~k = 1) besetzt ist. Der Faktor 1/2 im Wechselwirkungsterm von Glg. (3.4) entfällt, da
über die zwei möglichen Spin-Richtungen σ summiert wurde.
Niedrige Temperaturen
Bei T > 0 tritt an die Stelle der Fermienergie das chemische Potenzial µ, das der Energie des
höchsten besetzten Zustandes entspricht. Die Besetzungswahrscheinlichkeiten können über
die Zustandssumme berechnet werden. In einem Metall werden mit zunehmender Temperatur Quasiteilchen erzeugt. Wir haben es also mit einem offenen System – einem System
mit Teilchenaustausch mit dem Wärmebad – zu tun und müssen daher die großkanonische Zustandssumme
verwenden. Für nichtwechselwirkende Elektronen ist sie gegeben durch
P
Zgr = Zust. exp [−β(ε − µ)N ], wobei N die Gesamtteilchenzahl ist und β = 1/(kB T ). Die
großkanonische Zustandssumme für die Quasiteilchen ist gegeben durch





X
X
X¡
¢
1
Zgr =
exp −β 
.
(3.6)
δn~k u~k~k′ δn~k′ 
ε~0k − µ δn~k +


2
δn~k ...δn~k
1
N
~k~k′ σσ ′
~kσ
Die ganzen Zahlen δn~k sind die Besetzungszahlen für Fermionen und haben die Werte 0 und
1 für Zustände außerhalb der Fermikugel und −1 und 0 für Zustände innerhalb. Sie unterscheiden sich daher von den Besetzungswahrscheinlichkeiten δf~k , welche die thermischen
Mittelwerte der δn~k sind. δn~k = 1 beschreibt ein Quasielektron (Quasiteilchen ausserhalb
der Fermifläche), δn~k = −1 ein Quasiloch (Quasiteilchen innerhalb der Fermifläche). Man
steht nun vor dem Problem, dass man die Summation im Wechselwirkungsterm nicht analytisch durchführen kann. Bei tiefen Temperaturen jedoch, wo die δf~k entsprechend klein
sind, lässt sich eine Lösung im Rahmen der Mean-field -Näherung finden. Man ersetzt im
Wechselwirkungsterm von Glg. (3.6) die δn~k durch den a priori exakten Ausdruck
¡
¢
δn~k = δf~k + δn~k − δf~k
,
(3.7)
multipliziert aus und berücksichtigt nur jene Terme, die linear in (δn~k − δf~k ) sind. Der
physikalische Sinn liegt darin, dass man eine Größe, hier δn~k , durch ihren thermischen
Mit¢
¡
telwert, hier δf~k , und die – hoffentlich kleinen – Abweichungen von diesem δn~k − δf~k ,
die Fluktuationen, ersetzt (mehr zum Thema Mean-field-Näherung in Abschnitt 4.2.2). Die
großkanonische Zustandssumme wird damit zu






X
X
X ¡
X
¢
1
0


u~k~k′ δf~k′ δn~k + β
ε~k − µ +
exp −β
Zgr =
δf~ u~ ~ ′ δf~ ′ (3.8)

2 ′ ′ k kk k 
δn~k =0,1...
~k′ σ ′
~kσ
~k~k σσ
1
¶ X Y
µ
Y
¡
¡
¢
¢
1
exp −β ε~k − µ δn~k
(3.9)
=
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′
2
δn~k ... ~kσ
~k~k′ σσ ′
1
¶
µ
Y
Y
£
¡
¡
¢ ¢¤
1
1 + exp −β ε~k − µ h~k
.
(3.10)
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′
=
2
′
′
~k~k σσ
~kσ
34
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
P
P
Glg. (3.8) hat die Form
i exp(Ai + B) und kann
P
Q demnach in exp(B) i exp(Ai ) umgeformt
werden. Mit B = j Bj gilt weiter exp(B) = j exp(Bj ). Mit einer analogen Umformung
von A und Verwendung von Glg. (3.5) folgt Glg. (3.9). In Glg. (3.10) haben wir die Summation über die Besetzungszahlen δn~k durchgeführt und die neue Größe h~k eingeführt, welche
nur die Werte −1 und +1 annehmen kann. Schließlich bestimmen wir unter Verwendung von
Glg. (3.9) noch den Erwartungswert der Besetzungszahl δn~k im Zustand ~k, der natürlich
gerade die Besetzungswahrscheinlichkeit δf~k des Quasiteilchen-Zustandes ~k ist:


¶
µ
Y
X
¡
¡
¢
¢
1
1 Y
 δn~
exp −β ε~k′ − µ δn~k′
. (3.11)
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′ 
δf~k =
k
Zgr ′ ′
2
δn =0,1...
′ ′
~k~k σσ
~
k1
~k σ
P
P
(Der Erwartungswert E ist definiert als E = ( i pi Ai )/ i pi , wobei der Wert Ai mit
Wahrscheinlichkeit pi auftritt.) Nach Einsetzen des Ausdrucks für die Zustandssumme
Glg. (3.9) können die meisten Terme in Glg. (3.11) gekürzt werden, insbesondere fällt
Wechselwirkungsterm völlig heraus, sodaß man für die Besetzungswahrscheinlichkeiten
Quasiteilchenzustände wieder die Fermiverteilung erhält.
δf~k =
h
1
¡ ~k
¢¢
¡ ¡
¢¢
=
− f~k0
exp βh~k ε~k − µ + 1
exp β ε~k − µ + 1
¡
.
der
aus
der
der
(3.12)
Dennoch muß man berücksichtigen, dass die Quasiteilchen-Energien ε~k über Glg. (3.5) die
Wechselwirkung enthalten. In diesem Punkt unterscheidet sich diese Fermiverteilung von
jener für das freie Fermigas. Gleichung (3.12) ist somit eine implizite und auch entsprechend
komplizierte Beziehung für die Quasiteilchen-Besetzungswahrscheinlichkeiten.
3.2.2
Spezifische Wärme der Quasiteilchen
Für nichtwechselwirkende Teilchen (freies Elektronengas) ist die (elektronische) spezifische
Wärme bei konstantem Volumen cV proportional zur Zustandsdichte an der Fermienergie
(vgl. Abschnitt 2.1 mit N (εF ) = 3N/(2εF ))
π2 2
cV = kB T N (εF )
3
.
(3.13)
Dabei ist zu beachten, dass N (εF ) die Zustandsdichte an der Fermienergie für das Gas
freier Elektronen ist. Im realen Festkörper wird diese Zustandsdichte durch die periodische
Anordnung der Atome im Kristall modifiziert. Für einfache Metalle wie die Alkalimetalle,
aber auch für Metalle mit nahezu sphärischer Fermifläche wie Kupfer oder Aluminium liefert
Glg. (3.13) eine durchaus vernünftige Beschreibung der elektronischen spezifischen Wärme
(vgl. Abschnitt 2.1). Wir wollen nun die spezifische Wärme der Quasiteilchen berechnen und
gehen dabei vom Ausdruck für die Energie Glg. (3.4) aus
¯
∂ε [δf ] ¯¯
CV =
(3.14)
∂T ¯V
35
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT


X
X
∂ 
1
=
ε~0k δf~k +
δf~ u~ ~ ′ δf~ ′ 
∂T
2 ′ ′ k kk k
~kσ
=
X
~kσ
ε~k
∂δf~k
∂T
(3.15)
~k~k σσ
.
(3.16)
Wir verwenden Glg. (3.12) und erhalten


¡
¡
¢¢ 
¢
h~ exp βh~k ε~k − µ
h~k ¡
∂δf~k′
h~k ∂µ 
h~k X
∂δf~k
= £ k¡
u
+
ε
−
µ
−
¡
¢¢
¤2
~~ ′
~k
2
∂T
kB T ′ ′ kk ∂T
kB T ∂T 
exp βh~ ε~ − µ + 1  kB T
k
k
,
~k σ
(3.17)
wobei bei der Bildung der Temperaturableitung nicht nur die explizite T -Abhängigkeit über
β, sondern auch die impliziten T -Abhängigkeiten von ε~k und µ zu berücksichtigen sind. Bei
tiefen Temperaturen ist der erste Term in der geschwungenen Klammer wesentlich größer als
die anderen beiden, die wir daher vernachlässigen. Schreibt man die Summe in Glg. (3.16)
in ein Integral über ~k um, so erhält man damit
¡ ¡
¢¢
Z
¡
¢2
exp
β
ε
1
~k − µ
ε~ − µ £
CV = V
d~kN~k
(3.18)
¡ ¡
¢¢
¤2 .
kB T 2 k
exp β ε~k − µ + 1
¡
¢
Da der Integrand in Glg. (3.18) eine gerade Funktion in ε~k −
µ
ist,
¡ fallen
¢ die h~k heraus.
R
Zur Auswertung des Integrals erweitern wir es noch mit 1 = dεδ ε − ε~k (vgl. Abschnitt
A.3) und erhalten
Z
exp (β (ε − µ))
1
2
(ε
−
µ)
CV = V
dεN (ε)
.
(3.19)
kB T 2
[exp (β (ε − µ)) + 1]2
Das Integral ist nun der Form nach identisch mit dem Ausdruck, den man für das Gas freier
Elektronen erhält. Die Zustandsdichte N (ε) ist jedoch jene der Quasiteilchen-Zustände, da
die Energien ε~k , von denen wir ausgegangen sind, die Wechselwirkung enthalten. Das Integral
enthält die Ableitung der Fermifunktion f = 1/[exp (β (ε − µ)) + 1] nach dem chemischen
Potential
∂f
1
exp (β (ε − µ))
,
(3.20)
=
∂µ
kB T [exp (β (ε − µ)) + 1]2
die nur in einem Bereich der Größenordnung kB T um µ von Null verschieden ist. Daher lässt
sich das Integral über die Sommerfeld-Entwicklung berechnen, für deren ersten Term
Z
π2
(ε − µ)2 ∂f
′
= [kB T ]2 H ′ (µ)
(3.21)
H (µ) dε
2
∂µ
6
gilt. Durch einen Vergleich der linken Seite von Glg. (3.21) mit Glg. (3.19) kann H ′ (µ) als
2N (µ)/T identifiziert werden, wodurch sich für die spezifische Wärme pro Volumen cV =
CV /V die bekannte Beziehung
π2 2
cV = kB
T N (εF )
(3.22)
3
36
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
ergibt. Die unbekannte Funktion N (ε) wurde also im Bereich kB T um µ als konstant angenommen: N (ε) = N (µ).
Formal sieht in dieser Näherung (nur erster Term der Sommerfeld-Entwicklung) die spezifische Wärme für die Quasiteilchen also aus wie die der nichtwechselwirkende Elektronen.
Der Effekt der Wechselwirkung steckt zur Gänze in der Zustandsdichte. Diese ist andererseits
gegeben durch
Z h
i ¡
¢
d~k δ εF − ε~k
Z
¡
¢
2
~kδ εF − ε~
=
d
k
8π 3
Z
¡
¢
2
4πk 2 dkδ εF − ε~k
=
3
8π
¶
µ
Z
1
dk
2
=
δ (εF − ε)
k dε
π2
dε~k
N (εF ) =
,
wobei der Wert des Integrals an der Stelle ε = εF zu bestimmen ist. Mit ε~k = ~2 k 2 /(2m∗ )
erhält man
m∗ kF
(3.23)
N (εF ) = 2 2 ,
π ~
wobei m∗ die effektive Masse der Quasiteilchen ist. Die spezifische Wärme kann demnach
verwendet werden, um die effektive Masse zu bestimmen. Diese Beschreibung ist konsistent
mit den Ergebnissen aus der Theorie der Bandstrukturen; flache (nicht-disperse) Bänder
liefern hohe Zustandsdichten: Teilchen, die sich entlang flacher Bänder bewegen, zeigen eine
große effektive Masse.
3.2.3
Effektive Masse
Die effektive Masse m∗ der Quasiteilchen ist definiert über
¯
¯
¯ ∂ε~k
¯ ~kF
vF ≡ ¯¯
|kF ¯¯ ≡ ∗
m
∂~~k
.
(3.24)
Aufgrund der Wechselwirkung u~k~k′ unterscheidet sie sich von der Masse nichtwechselwirkender Teilchen (bare particle mass). Auf Englisch verwendet man statt effective mass oft auch
den Ausdruck dressed particle. Dieser ist einleuchtender, da das Teilchen über seine Wechselwirkung mit den anderen Teilchen bei seiner Bewegung benachbarte Teilchen – einfach
ausgedrückt – mitzieht und daher von einem Schwarm anderer Teilchen begleitet – bekleidet
(dressed) – wird. Die Bewegung von Teilchen ist auch die Grundlage der folgenden Herleitung der Beziehung zwischen m∗ und u~k~k′ : Der gesamte Teilchenfluss der Fermiflüssigkeit
wird auf zwei verschiedene Arten berechnet und die sich ergebenden Ausdrücke werden dann
miteinander verglichen.
37
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
Erste Berechnung des Teilchenflusses
Hier wird ausgenutzt, dass die Quasiteilchenzustände Eigenfunktionen des Impulses (~p = ~~k)
der nichtwechselwirkenden Teilchen sind.
J~N =
=
X
P̂α
hΨ| |Ψi
m
α
X ~k~
~kσ
m
f~k =
(3.25)
X ~k~
~kσ
m
δf~k
.
(3.26)
Im letzten Schritt wurde verwendet, dass f~k = f~k0 + δf~k und dass f~k0 sphärisch symmetrisch
ist und die Summe über alle ~k somit verschwindet. Eine eventuelle Massenrenormalisierung
auf Grund von Wechselwirkungen mit den Phononen wurde hier außer Acht gelassen.
Zweite Berechnung des Teilchenflusses
Die zweite Berechnung ist aufwändiger und wird hier nicht explizit durchgeführt (vgl. Marder, S. 467). Der Teilchenfluss wird berechnet, indem zunächst für ein Ensemble von Quasiteilchen der Impuls um ~d~k erhöht wird und dann die Änderung der mittleren Energie
pro dieser Impulsänderung berechnet wird. Es zeigt sich, dass sich der Teilchenfluss der
Fermiflüssigkeit so als Summe über alle Teilchengeschwindigkeiten multipliziert mit der Fermiverteilungsfunktion ergibt:
J~N =
X
v~k f~k =
X ∂ε~
k
f~k
~
∂~k
.
(3.27)
~kσ
~kσ
Setzt man nun ε~k gemäss Glg. (3.5) ein, so erhält man
J~N =
X ∂ε~0
X
∂
k
f~k
f~k +
u~k~k′ δf~k′
~
∂~k
∂~~k
~
~~ ′ ′
kσ
kk σσ
X £
X ∂ε~0
¤ ∂
k
δf~k + f~k0
δf~k +
u~k~k′ δf~k′
=
∂~~k
∂~~k
~kσ
.
(3.28)
~k~k′ σσ ′
Was nun folgt ist ein wenig aufwändig: man wandelt die Doppelsumme in entsprechende
Integrale um und integriert dann partiell nach ∂~k . Nach der Rückumwandlung in Summen
fallen die meisten Terme weg und man erhält
X ∂ε~
X ∂f~0
k
k
δf~k −
u~k~k′ δf~k′
~
~
∂~
k
∂~
k
~kσ
~k~k′ σσ ′
X
X
¡
¢
u~k~k′ v~k′ δ ε~0k′ − εF δf~k
v~k δf~k +
=
J~N =
~kσ
~k~k′ σσ ′
.
(3.29)
38
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Der zweite Term in Glg. (3.29) kann als gegengerichteter Fluß des Mediums (der anderen
Teilchen) um das bewegte Teilchen interpretiert werden. Dieser reduziert die Flussgeschwindigkeit, sodass sich, bei gegebener Kraft, das Teilchen so verhält, als hätte es eine schwerere
Masse. Betrachten wir nun den Fall, dass nur ein einziges Quasiteilchen vorliegt, dass δf~k
also nur für einen Wellenvektor ~k von Null verschieden ist und vergleichen Glg. (3.26) mit
Glg. (3.29):
X
¡
¢
~~k
= v~k +
u~k~k′ v~k′ δ ε~0k′ − εF
m
′ ′
~k σ
=
¢
~~k X
~~k ′ ¡ 0
u
+
δ
ε
−
ε
′
~
~
F
′
~
k
k
k
m∗
m∗
′ ′
(3.30)
~k σ
Nun wird auf beiden Seiten das innere Produkt mit ~k gebildet. Unter der Annahme einer
sphärischen Fermifläche müssen ~k und ~k ′ einen Absolutwert von etwa ~kF haben, da die
Fermiflüssigkeitstheorie ja nur in der Nähe der Fermifläche gilt.
X
~k · ~k ′ ¡
¢
m∗
u~k~k′
=1+
δ ε~0k′ − εF
~k 2
m
F
′ ′
.
(3.31)
~k σ
Wandelt man nun die Summe in ein Integral um, so erhält man (siehe Anhang A.3)
Z
~k · ~k ′
¢
¡ 0
m∗
′
= 1+V
dk N~k′ dΩδ ε~k′ − εF u~k~k′
(3.32)
~k 2
m
F
Z
N (εF )
u~k~k′ cos θ
(3.33)
= 1+V
dΩ
4π
Z
1 +1
= 1 + V N (εF )
d (cos θ) u~k~k′ cos θ .
(3.34)
2 −1
In Glg. (3.32) haben wir die Zustandsdichte N~k gemäß Glg. (A.55) eingeführt. In Glg. (3.33)
wird N~k durch die energieunabhängige Zustandsdichte N (εF ) ersetzt. Die Winkelintegration
dΩ läuft über die Fermifläche, cos θ ist der Cosinus des Winkels zwischen ~k und ~k ′ . Die
effektive Masse m∗ ist demnach durch die Wechselwirkungen erhöht, wobei das Integral in
Glg. (3.34) eine gewichtete Mittelung über die Wechselwirkungen u~k~k′ an der Fermifläche
darstellt.
3.2.4
Fermiflüssigkeitsparameter
Die Eigenschaften von u~k~k′ an der Fermifläche liefern die wichtigsten Beiträge zur Wechselwirkung. Es hat sich eingebürgert, diese Beiträge in Form der sog. Landau-Parameter zu
schreiben. Man beginnt damit, dass man unter Berücksichtigung des Spins eine symmetrische
und eine antisymmetrische Linearkombination definiert
u~k↑~k′ ↑ = u~k↓~k′ ↓ = u~sk~k′ + u~ak~k′
u~k↑~k′ ↓ = u~k↓~k′ ↑ = u~sk~k′ − u~ak~k′
,
(3.35)
(3.36)
39
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
wobei s für symmetrisch und a für antisymmetrisch steht. Da der Wechselwirkungsterm u~k~k′
im Allgemeinen von Winkel zwischen ~k und ~k ′ abhängt, entwickelt man die u~sk~k′ und u~ak~k′ nach
Legendre-Polynomen von Grad l
u~sk~k′
=
u~ak~k′ =
∞
X
l=0
∞
X
usl Pl (cos θ)
,
(3.37)
ual Pl (cos θ)
.
(3.38)
l=0
Durch Invertierung dieser Beziehungen können die usl und ual berechnet werden:
Z
u~k↑~k′ ↑ + u~k↑~k′ ↓
2l + 1 +1
s
ul =
d (cos θ) Pl (cos θ)
,
2
2
−1
Z
u~k↑~k′ ↑ − u~k↑~k′ ↓
2l + 1 +1
a
.
d (cos θ) Pl (cos θ)
ul =
2
2
−1
(3.39)
(3.40)
Die usl und ual haben beide die Dimension einer Energiedichte. Um dimensionslose Fermiflüssigkeitsparameter Fls und Fla zu erhalten, multipliziert man die usl und ual mit der
Zustandsdichte an der Fermienergie und dem Volumen
Fls ≡ V N (εF )usl
,
Fla ≡ V N (εF )ual
.
(3.41)
Mit Hilfe dieser Parameter läßt sich nun unser Ausdruck für die effektive Masse in sehr
kompakter Form schreiben. Da P1 (cos θ) = cos θ ist, lautet das Integral in Glg. (3.34)
Z
1 +1
V N (εF )
d (cos θ) u~k~k′ cos θ
2 −1
Z
u~k↑~k′ ↑ + u~k↑~k′ ↓
3 +1
1
V N (εF )
d (cos θ) P1 (cos θ)
=
3
2 −1
2
1 s
=
F .
(3.42)
3 1
Die effektive Masse Glg. (3.34) wird damit zu
m∗
1
= 1 + F1s
m
3
.
(3.43)
Wir können nun diesen Ausdruck benützen, um die spezifische Wärme Glg. (3.22) folgendermaßen darzustellen
cV
π 2 2 m∗ kF
k T
3 B π 2 ~2 µ
¶
1 s
π 2 2 mkF
1 + F1
=
k T
3 B π 2 ~2
3
¶
µ
2
π 2
1 s
0
=
k T N (εF ) 1 + F1
3 B
3
=
,
(3.44)
40
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
wobei N 0 (εF ) die Zustandsdichte des nichtwechselwirkenden Elektronengases ist. Man erkennt sehr einfach, wie die spezifische Wärme der nichtwechselwirkenden Teilchen durch den
Wechselwirkungs-Term vergrößert wird.
In ganz ähnlicher Weise wollen wir auch den Wechselwirkungsterm u~k~k′ σσ′ ein wenig näher
betrachten. In tranlationsinvarianten Systemen (diese haben eine wohldefinierte Fermifläche)
lassen sich gewisse allgemeinere Aussagen machen. Da die Theorie der Fermiflüssigkeiten nur
für Anregungen in der Nähe der Fermifläche gültig ist, sind die beteiligten ~k-Zustände dem
Betrag nach immer etwa gleich ~kF . Die ~k-Abhängigkeit ist daher nur durch den Winkel θ
zwischen ~k und ~k ′ gegeben (Glg. 3.31). Ohne festgelegte Quantisierungsachse, z.B. durch
eine L̂Ŝ -Kopplung, muss der Wechselwirkungs-Term symmetrisch bezüglich der Spins σ
und σ ′ sein und sollte daher in niedrigster Ordnung nur vom Produkt σσ ′ abhängen. Diese
Überlegungen erlauben es, die Wechselwirkung in folgender Form zu parametrisieren und
gleich wieder nach Legendre-Polynomen zu entwickeln
u~k~k′ σσ′ = uθσσ′
≡ φθ + 4σσ ′ ϕθ
∞
X
=
(φθ + 4σσ ′ ϕθ ) Pl (cos θ)
.
(3.45)
l=0
Durch Vergleich mit Glg. (3.39) und (3.40) erkennt man sofort den Zusammenhang mit den
Fermiflüssigkeitsparametern
Z
usl
2l + 1 +1
φθ
{ a} =
(3.46)
d (cos θ) Pl (cos θ) { } .
ul
ϕθ
2
−1
3.2.5
Magnetische Suszeptibilität
Als nächstes Beispiel wollen wir die magnetische Suszeptibilität χM
∂M
.
(3.47)
∂H
betrachten, also die Magnetisierung M des Quasiteilchen-Systems als Antwort auf ein kleines
äußeres Feld H. Im Unterschied zum Problem der spezifischen Wärme oder der effektiven
Masse müssen wir nun jedoch die Spins berücksichtigen. Die Wechselwirkung eines Fermions
mit einem äußeren magnetischen Feld H ist gegeben durch −σγH , wobei γ = e~/me das
gyromagnetische Verhältnis ist und der Spin die Werte σ = ± 12 annehmen kann. Durch das
magnetische Feld werden somit die Energien der Teilchen mit σ = + 12 abgesenkt, jene der
Teilchen mit σ = − 12 entsprechend angehoben. Da im thermodynamischen Gleichgewicht das
chemische Potential für Teilchen beider Spinrichtungen gleich sein muss, führt dies dazu, dass
die Besetzungszahl für Teilchen mit σ = + 21 grösser sein muss als für jene mit σ = − 21 . Die
Differenz der Besetzungszahlen ergibt dann das durch das Feld hervorgerufene magnetische
Moment M . Um nun das magnetische Moment M zu bestimmen, müssen wir berechnen, wie
sich die Spin-abhängige Dichte ρ (σ) im Feld H ändert. Da die Anzahl der Teilchen konstant
ist, können wir schreiben
ρ (σ) = ρ0 + σ∆ρ .
(3.48)
χM =
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
Aus dieser Beziehung lässt sich leicht das magnetische Moment M bestimmen
µ µ ¶
µ ¶¶
γ
1
γ
1
M=
ρ
−ρ −
= ∆ρ .
2
2
2
2
41
(3.49)
Die Änderung der Dichte ∆ρ kann man dann aus der Gleichgewichtsbedingung für das
chemische Potential bestimmen, da ja gelten muss
µ (σ) = µ (−σ)
.
(3.50)
Das chemische Potential für jeden Spin ist nun identisch mit der Quasiteilchen-Energie an
der jeweiligen Fermifläche
(3.51)
µ (σ) = ε~kF ,σ (σ) ,
wobei die Energie sowohl direkt als auch über ~kF von σ abhängt. Die Quasiteilchen-Energie
im Feld ist daher
X
u~k~k′ σσ′ δf~k′ σ′ .
(3.52)
ε~k,σ = ε~0k,σ − σγH +
~k′ σ ′
Für eine kleines äußeres Feld kann man das chemische Potential um µ0 bei H = 0 entwickeln
µ (σ) ≈ µ0 − σγH +
X ∂µ (σ)
σ ′ ∆ρ .
′)
∂ρ
(σ
σ′
(3.53)
Das Problem besteht nun darin, die Ableitung des chemischen Potentials nach der Dichte
zu bestimmen. Wir benutzen dazu Glg. (3.51) und setzen die Ableitung des chemischen
Potentials mit der Ableitung der Quasiteilchen-Energie gleich
¸
·
Z h i
δf
∂µ (σ)
∂kF σ′ ∂ε0σ
′ σ′
~
k
d~k u~k~k′ σσ′
.
(3.54)
=
δσ,σ′ +
∂ρ (σ ′ )
∂ρ (σ ′ ) ∂kσ
∂kF σ′
Mit unseren Erfahrungen können wir nun diesen Ausdruck auswerten, wobei man die Bezieδf
∂ε0σ
hungen ρ = kF3 / (3π 2 ) , ∂k
= ~2 kF /m∗ und ∂k~k′ σ′′ = δ (k ′ − kF ) verwendet
σ
Fσ
·
¸
2π 2 ~2 kF
~2 kF
∂µ (σ)
s
′ a
= 2
δσ,σ′ +
(F + 4σσ F0 )
.
(3.55)
∂ρ (σ ′ )
kF σ′ m∗
2m∗ 0
In Glg. (3.55) treten nur die Fermiflüssigkeitsparameter für l = 0 auf. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass durch das äußere Feld die Fermikugel isotrop verkleinert oder vergrößert wird (je nach Spinrichtung). Setzt man nun Glg. (3.55) in Glg. (3.53) ein und berechnet damit die Gleichgewichtsbedingung aus Glg. (3.50), so erhält man
γH =
2π 2 ~2
(1 + F0a ) ∆ρ .
kF m∗
(3.56)
Mit Glg. (3.49) ersetzt man ∆ρ durch M
M=
γ 2 HkF m∗
4π 2 ~2 (1 + F0a )
,
(3.57)
42
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
woraus sich die magnetische Suszeptibilität ergibt
χM
γ 2 kF m∗
∂M
= 2 2
=
∂H
4π ~ (1 + F0a )
.
(3.58)
Führt man nun wieder die Zustandsichte an der Fermienergie Glg. (3.23) ein und ersetzt
für Spin- 21 -Teilchen das gyromagnetische Verhältnis γ durch das Bohr’sche Magneton gemäß
γ = 2µB , so erhält man den bekannten Ausdruck
χM = 2µ2B N (εF )
= χP auli
1
1 + F0a
1
1 + F0a
.
(3.59)
(3.60)
Man erhält ein ähnliches Ergebnis wir für die spezifische Wärme in Glg. (3.44). Die Suszeptibilität des nichtwechselwirkenden Systems wird durch die Wechselwirkung modifiziert.
Generell findet man, dass die Suszeptibilität des wechselwirkenden Systems erhöht wird; F0a
ist im allgemeinen negativ. Man kann dieses Ergebnis direkt mit der austauschverstärkten
Stoner-Suszeptibilität vergleichen. Der Fermiflüssigkeitsparameter F0a tritt dort in der Form
−IS N (εF ) auf und führt zu einer Erhöhung der Paulisuszeptibilität (siehe Skriptum FKPI). Der Stoner-Parameter IS beschreibt im Rahmen einer Hartree-Fock-Näherung die Austauschwechselwirkung zwischen Teilchen mit gleichem Spin. Auch in unserem Resultat in
Glg. (3.60) erkennt man die Spinabhängigkeit der Wechselwirkung, in die mit F0a der antisymmetrische Anteil von u~k~k′ σσ′ eingeht.
3.3
Transporteigenschaften
Bei normalen Metallen ist der elektrische Widerstand bei tiefen Temperaturen durch die
Streueung der Leitungselektronen an den Gitterschwingungen (Phononen) bestimmt, was
zu einer Temperaturabhängigkeit proportional zu T 5 führt. Zusätzlich zur Streuung der Ladungsträger an Phononen existiert aber stets auch eine Streuung der Elektronen aneinander,
welche sich in einem T 2 -Term niederschlägt. Für normale Metalle ist dieser Term jedoch i.A.
vernachlässigbar klein. Falls die Wechselwirkung zwischen den Elektronen hingegen wichtig
wird, was z.B. bei Schweren-Fermionen-Systemen der Fall ist, so dominiert dieser Term das
Tieftemperaturverhalten des elektrischen Widerstandes. Wie kommt es nun zu dieser T 2 Abhängigkeit? Im Abschnitt 3.1 haben wir die Stabilität der Quasiteilchen untersucht und
festgestellt, dass ihre Zerfallsrate proportional T 2 ist. Der Widerstand eines Metalles ist nun
ebenfalls proportional zur Zerfallsrate der Ladungsträger, die den Strom tragen. Somit liefert diese einfache Abschätzung der Zerfallsrate (reziproke Lebensdauer) der Quasiteilchen
ein Plausibilitätsargument für das Tieftemperaturverhalten des elektrischen Widerstandes
in metallischen Leitern.
Die exakte Ableitung dieses Terms ist sehr aufwändig, man kann aber aus der Temperaturabhängigkeit der effektiven Masse ebenfalls zu diesem Ergebnis kommen. Der elektrische
43
3.4. KOLLEKTIVE ANREGUNGEN
Widerstand für das freie Elektronengas ist durch das Drude-Modell beschrieben
m
Rel = 2
,
ne τ
(3.61)
wobei m die Masse der Ladungsträger, n die Dichte der Ladungsträger und τ die mittlere
Stoßzeit ist. Es ist leicht einzusehen, dass für Quasiteilchen m einfach durch die effektive
Masse m∗ zu ersetzten ist. Die effektive Masse kann man auch schreiben als
m∗ =
3 π 2 ~2 1
2 kF kB εF
.
(3.62)
Da wir uns wieder auf Anregungen nahe an der Fermifläche beschränken, können wir εF
durch das chemische Potential µ ausdrücken. Bei endlicher Temperatur verändert sich das
chemische Potential durch die Temperaturabhängigkeit der Fermi-Dirac-Verteilung und wird
zu (Glg. (A.42))
Ã
µ ¶2 !
π2 T
,
(3.63)
µ (T ) = µ (0) 1 −
12 TF
wobei die Fermitemperatur kB TF = εF ist. Der Ausdruck in Glg. (3.63) kommt aus
der Sommerfeld-Theorie für das Elektronengas, welche sich in die Fermiflüssigkeitstheorie
überführen lässt, wenn man wieder m durch die effektive Masse m∗ ersetzt. Setzt man nun
Glg. (3.63) in Glg. (3.62) ein, so erhält man
Ã
µ ¶2 !
1
1
π2 T
= ∗ 1−
,
(3.64)
m∗ (T )
m
12 TF
oder für niedrige Temperaturen
m∗ (T ) ≃ m∗
Ã
π2
1+
12
µ
T
TF
¶2 !
.
Der elektrische Widerstand im Drude Modell wird daher zu
Ã
µ ¶2 !
m∗
π2 T
Rel = 2
1+
,
ne τ
12 TF
(3.65)
(3.66)
was die beobachtete T 2 -Abhängigkeit liefert. Für normale Metalle ist TF von der
Größenordnung 104 Kelvin, sodass der quadratische Term meistens nicht ins Gewicht fällt.
Für Schwere-Fermionen-Systeme kann TF jedoch um 2-3 Größenordnungen kleiner werden,
sodass der T 2 -Term wichtig wird.
3.4
Kollektive Anregungen
Die Anregungen, die wir bisher besprochen haben, waren sog. Einteilchen-Anregungen. Sowohl für die spezifische Wärme als auch für die magnetische Suszeptibilität haben wir Prozesse betrachtet, bei denen ein Elektron in einen unbesetzten Zustand oberhalb der Fermifläche
44
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
gestreut wurde. Eine solche Anregungen kann auch im Fermigas auftreten. Durch die Wechselwirkung zwischen den Elektronen, zu deren Behandlung wir die Fermiflüssigkeitstheorie
eingeführt haben, gibt es aber auch Anregungen, an denen das gesamte Elektronen-System
beteiligt ist. Solche kollektive Anregungen existieren im freien Fermigas nicht. Ein Beispiel
für eine kollektive Anregung sind die Ozillationen, zu denen wechselwirkende Elektronen
angeregt werden können, wenn z.B. ein Elektron auf eine Metalloberfläche geschossen wird.
Das Plasma“ schwingt, analog zu einer akustischen Anregung, mit seiner Resonanzfre”
quenz. Diese kollektive Schwingung kann als neues Quasiteilchen, als Plasmon, interpretiert
werden. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Anregungen eines geordneten Spinsystems, die
als Magnonen (Spinwellen) bezeichnet werden. Wir werden diese in Kapitel 4.2.2 genauer
untersuchen.
3.5
Eigenschaften der wechselwirkenden Elektronen
Bisher haben wir uns vor allem für die Eigenschaften der Quasiteilchen der Landau’schen
Fermiflüssigkeit interessiert. Da sie die gleichen Quantenzahlen wie die ursprünglichen freien
Elektronen haben, haben sie auch dieselbe Verteilungsfunktion (Abb. 3.3, linkes Teilbild).
Was kann man aber über die Eigenschaften der wechselwirkenden Elektronen selbst sagen?
Man kann zeigen, dass in der Verteilungsfunktion der wechselwirkenden Elektronen, die nicht
exakt bestimmt werden kann, eine Diskontinuität der Höhe z am Ferminiveau bestehen
bleibt (Abb. 3.3, rechtes Teilbild). z wird als Quasiteilchen-Gewicht bezeichnet und oft als
Ordnungsparameter der Fermiflüssigkeit betrachtet.
Ein wichtiges theoretisches Hilfsmittel zur Beschreibung der wechselwirkenden Elektronen ist die Spektralfunktion A(k, ε). Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Elektron
mit Wellenzahl k die Energie ε hat. In einem nichtwechselwirkenden System sind die Elektronen Eigenzustände des Systems und die Spektralfunktion ist eine Deltafunktion δ(ε − εk )
(Abb. 3.4, linkes Teilbild). Im wechselwirkenden System kann ein bestimmtes Elektron an
vielen Eigenzuständen des Systems teinehmen und daher hat die Spektralfunktion eine gewisse Energieverteilung (Abb. 3.4, rechtes Teilbild). Die Breite der Verteilung, die proportional
Probability
Probability
z
εF
Energy
εF
Energy
Abbildung 3.3: Wahrscheinlichkeit, dass ein Zustand gegebener Energie bei T = 0 besetzt
ist. Links: Für freie Elektronen in einem Fermigas oder Landau’sche Quasiteilchen in einer
Fermiflüssigkeit; Rechts: Für wechselwirkende Elektronen in einer Fermiflüssigkeit [Schofield,
Contemporary Physics 40 (1999) 95].
3.5. EIGENSCHAFTEN DER WECHSELWIRKENDEN ELEKTRONEN
45
, ε)
A(k,ω
A(k,,ωε)
ω
∼ 2ε2
ε
−hpF (k−k F )/m * ω
ε
−hpF (k−k F )/m ω
Abbildung 3.4: Die Spektralfunktion A(k, ε) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Elektron mit Wellenzahl k eine gewisse Energie ε (relativ zur Fermienergie) hat. Links: Für
freie Elektronen in einem Fermigas; Rechts: Für wechselwirkende Elektronen in einer Fermiflüssigkeit. Die Energie ε erhält man mit Hilfe einer Taylorentwicklung um kF und Linearisierung: ε = ~2 /(2m)[k 2 − kF2 ] = ~2 /(2m)[kF2 + 2kF (k − kF )/1! + 2(k − kF )2 /2! + ... − kF2 ] ≈
~2 kF (k − kF )/m = ~pF (k − kF )/m [Schofield, Contemporary Physics 40 (1999) 95].
zu (k − kF )2 ist, ist ein Maß für die Lebensdauer. Die Fläche unter der Kurve ist z. Am
Ferminiveau ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron die neue Energie p2F /(2m∗ ) hat,
also z.
Es ist möglich, die phänomenologische Theorie der Landau’schen Fermiflüssigkeit mikroskopisch zu begründen. Dazu wird von einem allgemeinen mikroskopischen Hamiltonoperator
wechselwirkender Elektronensysteme der Form
H = H0 + H1
Ne
Ne
X
X
p~2i
mit H0 =
+
V (~ri )
2m
i=1
i=1
X
und H1 =
u(~ri − ~rj )
(3.67)
(3.68)
(3.69)
i<j
ausgegangen. V (~r) ist das äußere Potential, u(~r − ~r′ ) die Coulomb-Abstoßung. Mit
aufwändigen Methoden der Vielteilchentheorie kann gezeigt werden, dass die wesentlichen
Aussagen der Landau’schen Theorie zumindest für normale“ dreidimensionale Systeme gel”
ten. Im Fall des Auftretens von Supraleitung oder magnetischer Ordnung aber auch in eindimensionalen Systemes gelten die Aussagen hingegen mit Sicherheit nicht.
46
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Kapitel 4
Elementare Anregungen
Warum bildet eine große Anzahl von Kupfer-Atomen einen metallischen Kristall und nicht
eine ungeordnete glasartige Struktur oder gar eine Flüssigkeit? Erstaunlicherweise kann eine so fundamentale Frage mit theoretischen Hilfsmitteln nicht ohne weiteres beantwortet
werden, da dies die Lösung des Vielteilchenproblems aus einer großen Anzahl von Kupferkernen und Elektronen erfordern würde, - ein schlichtweg unmögliches Unterfangen. Der
übliche Zugang ist daher, den Grundzustand zu erraten und dann seine Energie zu berechnen. Falls diese niedriger ist als die Energie vieler anderer Zustände, können wir berechtigte
Hoffnung haben, dass es sich tatsächlich um den Grundzustand handelt. Experimentelle
Untersuchungen sind aber zur Bestätigung des Grundzustandes unerlässlich. So zeigen z.B.
Röntgenstrukturuntersuchungen, dass Kupfer eine kubisch flächenzentrierte Struktur einnimmt. Diese Struktur kann also als Ausgangspunkt für die theoretische Behandlung von
Kupfer verwendet werden. Natürlich können Experimente niemals am absoluten Temperaturnullpunkt durchgeführt werden und können somit - strenggenommen - auch keine Aussage
über den Grundzustand machen. Dass eine Änderung der Struktur von Kupfer bei Temperaturen im Milli-Kelvin-Bereich auftritt, ist allerdings überaus unwahrscheinlich. Wesentlich
subtiler ist die Frage nach dem elektronischen Grundzustand. Wie wir in Kap. 2 gesehen
haben, können z.B. magnetische Ordnung oder Supraleitung bei extrem tiefen Temperaturen auftreten. Der elektronische Grundzustand kann also nicht generell aus experimentellen
Untersuchungen bestimmt werden.
Für einen Vergleich mit dem Experiment ist also meist nicht die Grundzustandsenergie
von Bedeutung, sondern die Antwort des Systems auf äußere Einflüsse. Mit der spezifischen
Wärme z.B. misst man die Änderung der Energie bei Eröhung der Temperatur. Mit der
magnetischen Suszeptibilität misst man die Änderung der Magnetisierung bei Anlegen eines
Magnetfeldes. Bei diesen Experimenten wird die Probe von einem energetisch tiefliegenden Zustand in einen angeregten Zustand höherer Energie übergeführt. Eine theoretische
Behandlung derartiger Prozesse geht vom Konzept der elementaren Anregungen aus. Der
Grundzustand wird dabei gänzlich außer Acht gelassen und der Prozess, bei dem das System
in einen Zustand höherer Energie überführt wird, als Erzeugung eines Etwas“ aufgefasst,
”
wo vorher Nichts“ war. Der einfachste derartige Prozess ist die Erzeugung von elementaren
”
Anregungen.
47
48
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Der Nutzen des Konzeptes der elementaren Anregungen rührt von einer einfachen Eigenschaft her, die die meisten Vielteilchensysteme gemeinsam haben: Nehmen wir an, dass
es zwei angeregte Zustände der Energie ǫ1 und ǫ2 oberhalb der Grundzustandsenergie gäbe.
Es ist dann häufig der Fall, dass es ebenfalls einen angeregten Zustand der Energie ǫ3 gibt,
wobei sich ǫ3 nur wenig von ǫ1 + ǫ2 unterscheidet: ǫ3 = (ǫ1 + ǫ2 ) + ∆ǫ. Wir sagen dann,
dass alle Anregungen, die in den ersten zwei Zuständen enthalten waren, jetzt gemeinsam
vorhanden sind. ∆ǫ ist die Wechselwirkungsenergie. ǫ1 and ǫ2 setzen sich i.A. ebenfalls aus
Anregungen niedrigerer Energie zusammen. Falls das nicht der Fall ist, die Anregungen also
nicht weiter unterteilt werden können, spricht man von elementaren Anregungen. Falls die
Wechselwirkungsenergie klein ist, kann man die meisten angeregten Zustände des Festkörpers
mit vertretbarer Genauigkeit als Ensemble elementarer Anregungen auffassen. Das bedeutet
eine weitreichende Vereinfachung des ursprünglichen Bildes, in dem wir ein Spektrum von
Energiezuständen ohne bestimmte Relation zueinander vorliegen hatten.
Gelegentlich wird zwischen zwei Arten von elementaren Anregungen, QuasiteilchenAnregungen und kollektiven Anregungen unterschieden, obwohl eine solche Unterteilung
nicht streng möglich ist. Die Anregung eines Elektrons von einem Zustand unterhalb der
Fermienergie in einen Zustand oberhalb der Fermienergie wird im Falle des freien Fermigases
als Teilchen-Anregung bezeichnet, im Falle der Fermiflüssigkeit als Quasiteilchen-Anregung
(Kap. 3; das Quasiteilchen hat nur eine endliche Lebensdauer). Ein einfaches Beispiel für
eine kollektive Anregung ist eine Schallwelle in einem Festkörper. Wegen der starken interatomaren Kräfte im Festkörper macht es wenig Sinn, die Bewegung eines einzelnen Atoms
zu beschreiben. Der Impuls, den wir einem einzelnen Atom zuführen, wird so schnell an die
Nachbarn weitergegeben, dass es schon nach kurzer Zeit schwierig wäre festzustellen, welches
Atom ursprünglich angestoßen wurde. Die gesamte Schallwelle wird hingegen nur langsam
abgeschwächt und ist somit ein besser geeignetes Bild einer Anregung. Da eine Schallwelle
durch die Angabe der Koordinaten aller Atome des Festkörpers bestimmt ist, spricht man
von einer kollektiven Anregung.
Im Folgenden werden wir eine Reihe von elementaren Anregungen auf einfachem Niveau einführen. Eine strengere quantenmechanische Beschreibung erfolgt anhand von zwei
Beispielen in Abschnitt 4.2.
4.1
4.1.1
Überblick
Elektronisches Quasiteilchen
Elektronische Quasiteilchen sind die in Kap. 3 eingeführten elementaren Anregungen eines
Systems wechselwirkender Elektronen. Sie werden auch als Quasielektron bzw. Quasiloch
bezeichnet. In der phänomenologischen Theorie der Landau’schen Fermiflüssigkeit wurde
die Art der Wechselwirkung zwischen den Elektronen nicht näher spezifiziert. In einer mikroskopischen Theorie kann über die Wahl des Hamiltonoperators in Glg. 3.67 eine Vielzahl
von verschiedenen Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Ein Beispiel, auf das wir in
Abschnitt 5.2 noch weiter eingehen werden, ist das Quasiteilchen schweres Elektron im
”
Kondo-System“. Wie schon im Abschnitt 2.1 gesagt, kann die Masse dieses Quasiteilchens
49
4.1. ÜBERBLICK
im Vergleich zur Masse des freien Elektrons um zwei bis drei Größenordnungen erhöht sein.
4.1.2
Phonon
Wir führen hier die Phononen über ihr klassisches Analogon, die Gitterschwingung ein. Wir
betrachten eine lineare Kette aus gleichen Massen M , die über Federn der Federkonstante K
gemäß Abb. 4.1 verbunden sind. Die Auslenkung der n-ten Masse aus ihrer Gleichgewichts-
Abbildung 4.1: Kette aus gleichen Massen und Federn.
lage werde mit yn bezeichnet. Die Bewegungsgleichungen des Systems lauten
M
d2 yn
= K[(yn+1 − yn ) − (yn − yn−1 )]
dt2
= K(yn+1 − 2yn + yn−1 ).
(4.1)
Diese Gleichungen können für gegebene Randbedingungen mit Hilfe von zylindrischen Besselfunktionen Jn gelöst werden. Die Rekursionsrelationen der Jn lauten
dJn
1
= − [Jn+1 (t) − Jn−1 (t)],
dt
2
(4.2)
woraus man durch nochmalige Anwendung von d/dt die Relation
1
d2 Jn
= [Jn+2 (t) − 2Jn (t) + Jn−2 (t)]
2
dt
4
(4.3)
erhält. Eine Lösung von Glg. (4.1) ist
yn (t) = J2n (ωm t),
(4.4)
2
ωm
= 4K/M,
(4.5)
wobei
wovon man sich durch Einsetzen von Glg. (4.4) in Glg. (4.1), das mehrmalige Umbenennen
von Indizes, die totale Differentiation nach t von Jn (z(t)) mit z(t) = ωm t und schließlich den
Vergleich mit Glg. (4.3) überzeugen kann.
Die Lösung für den Fall, dass wir eine Masse (z.B. die zu n = 0) auslenken und dann
loslassen, ist in Abb. 4.2 dargestellt. Die Auslenkung der 0-ten Masse y0 , die durch J0 (ωm t)
50
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
gegeben ist, zeigt Oszillationen, die rasch mit der Zeit abklingen. Schon nach wenigen Oszillationen verläuft y0 (t) wie t−1/2 cos(ωm t). Die Bewegung einer (z.B. der 0-ten) Komponente
des Systems zeigt also kein teilchenartiges Verhalten, das sich ja durch konstante Geschwindigkeit auszeichnen würde.
Abbildung 4.2: Die Besselfunktionen sind Lösungen der Bewegungsgleichungen (4.1).
Besser als elementare Anregungen geeignet sind die Normalmoden der Schwingungen des
Systems. Nehmen wir an, dass wir
yn (t) ∼ ei(ωt+kna)
(4.6)
schreiben können, wobei ω eine Funktion der Wellenzahl k ist und a der Gleichgewichtsabstand zweier Massen. Glg. (4.6) erfüllt die Bewegungsgleichungen (4.1), falls
−ω 2 M = K(eika + e−ika − 2),
falls also
(4.7)
1
ω = ±ωm sin ( ka).
(4.8)
2
Der Maximalwert von ω, ωm , ist wieder durch Glg. (4.5) gegeben. Glg. (4.7) erhält man
durch Einsetzen von Glg. (4.6) in Glg. (4.1), Glg. (4.8) folgt mit Berücksichtigung von
cos x = (eix + e−ix )/2 und sin2 x = (1 − cos(2x))/2. Die Lösung (4.6) stellt eine propagierende
Welle der Frequenz ω, der Wellenzahl k und der Wellenlänge λ = 2π/k dar. Die Gruppengeschwindigkeit v ist durch dω/dk gegeben. Sie ist die lokale Steigung der Kurve in Abb. 4.3,
die die Dispersionsrelation in Glg. (4.8) darstellt. Bei kleinem k ist die Steigung konstant und
entspricht der Schallgeschwindigkeit. Bei ω = ωm fällt die Gruppengeschwindigkeit auf null.
Dies erklärt, warum die Besselfunktions-Lösung Glg. (4.4) nach kurzer Zeit in eine Oszillation der Frequenz ωm zerfällt: Die Besselfunktion kann als Überlagerung von Wellen aller
51
4.1. ÜBERBLICK
Gruppengeschwindigkeit
0
Schallgeschwindigkeit
0
π
a
Abbildung 4.3: Dispersionskurve der linearen Kette aus Abb. 4.1.
Wellenzahlen betrachtet werden. Die Wellen niedriger Frequenz haben eine große Gruppengeschwindigkeit und entfernen sich schnell vom 0-ten Massenpunkt weg. Nur die Welle der
Frequenz ωm kann sich nicht fortbewegen und bleibt daher am Ort des 0-ten Massepunktes
erhalten.
Das einfache Modell der linearen Kette kann ohne weiteres auf kompliziertere Systeme
übertragen werden, z.B. auf Systeme mit drei Dimensionen, mit unterschiedlichen Atomsorten oder mit Wechselwirkungen, die nicht nur zwischen den nächsten Nachbarn wirken.
Solange die Rückstellkräfte proportional zur Auslenkung bleiben, haben die Lösungen die
Form von Glg. (4.6).
Das Phonon ist das quantenmechanische Analogon der mit Glg. (4.6) beschriebenen Gitterschwingung. Ein einzelnes Phonon der Kreisfrequenz ω hat die Energie ~ω. Eine klassische
Gitterschwingung von großer Amplitude entspricht der quantenmechanischen Situation, wo
viele Phononen der gleichen Mode vorliegen. Ein solches Ensemble von Phononen hat gewisse
Ähnlichkeit mit einem Gas aus Teilchen. Daher werden Phononen oft auch als Quasiteilchen
bezeichnet.
In Abschnitt 4.2.1 werden wir die Phononen mit Hilfe des Formalismus der zweiten Quantisierung (oder Fock-Darstellung) noch eingehender behandeln.
4.1.3
Soliton
Im realen Festkörper ergibt sich aufgrund der Abstoßung zwischen den Atomrümpfen ein
anharmonisches Potenzial. Die Bewegungsgleichungen (4.1) sind dann nicht mehr linear in
der Auslenkung. Bei kleinen Auslenkungen führt dies nur zu kleinen Korrekturen und eine
Beschreibung mit Phononen ist adequat. Bei großen Auslenkungen entsteht dadurch aber
eine völlig neue Familie von elementaren Anregungen, die solitären Wellen oder Solitonen.
52
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Dies sind Anregungen, in denen eine lokale Druckwelle den Festkörper durchläuft. Die Atome
werden nur kurzzeitig ausgelenkt und nehmen nach Durchlaufen der Druckwelle wieder ihre
ursprüngliche stationäre Lage ein.
Solitäre Wellen kommen auch in klassischen Systemen vor, sind also kein rein quantenmechanisches Phänomen. Allerdings können solitäre Wellen unter bestimmten Umständen
teilchenähnlich miteinander wechselwirken: Sie behalten dann bei einer Kollision ihre Gestalt
bei. Deshalb werden sie oft als Quasiteilchen betrachtet.
Das einfachste Modell, das solitäre Lösungen zulässt, ist eine eindimensionale Anordnung
harter Stäbchen, wie sie in Abb. 4.4 skizziert ist. Durch einen Schlag auf das Stäbchen ganz
Abbildung 4.4: Die solitäre Welle breitet sich durch eine Folge elastischer Stöße von links
nach rechts aus.
links wird dieses in Bewegung versetzt und auf das benachbarte Stäbchen schlagen, das
seinerseits wieder auf das nächste Stäbchen schlägt. Eine solitäre Druckwelle wird die ganze
Anordnung durchlaufen und alle bis auf das letzte (rechteste) Stäbchen im Ruhezustand
hinterlassen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle hängt einzig von der Stärke des
anfänglichen Schlags ab und kann jeden positiven Wert annehmen. Die Welle ist immer auf
einem einzigen Stäbchen lokalisiert, im Gegensatz zur Schallwelle in einem harmonischen
System, die immer gänzlich delokalisiert ist.
Ein oft verwendetes Modell, das zwischen den Grenzfällen des harmonischen Potenzials
und dem Potenzial zwischen harten Körpern interpoliert, ist die sog. Toda-Kette. Ihr Erfinder
Toda schlug das Potenzial
a
V (r) = ar + e−br
(4.9)
b
vor, wobei r der Abstand zwischen zwei Körpern ist. Wenn b → 0 und dabei ab = c endlich
ist, erhält man daraus durch Reihenentwicklung der Exponentialfunktion (exp(x) = 1 +
x1 /1! + x2 /2! + ...) das harmonische Potenzial
a 1 2
+ cr .
(4.10)
b 2
Falls hingegen b → ∞ und dabei ab = c endlich ist, ergibt sich das Potenzial zwischen harten
Körpern, das durch
V (r) =
V →∞ ,
V →0 ,
r≤0
r>0
(4.11)
53
4.1. ÜBERBLICK
gegeben ist. Für allgemeine Werte von b betrachten wirPeine Kette mit Gleichgewichtsabständen D zwischen den Massen, wobei das Potenzial n V (Rn − Rn−1 − D) zwischen
Massen am Ort Rn und Rn−1 wirkt. In der Notation der Auslenkungen von der Gleichgewichtslage yn = Rn − nD ergeben sich die Bewegungsgleichungen zu
d2 yn
M 2 = −a(e−b(yn+1 −yn ) − e−b(yn −yn−1 ) ).
dt
(4.12)
Mit yn − yn−1 ≡ rn erhalten wir
M
d2 rn
= a(−e−brn+1 + 2e−brn − e−brn−1 ).
dt2
(4.13)
Eine einfache Lösung dieser Gleichungen ist die propagierende Welle, für die
e−brn − 1 =
sinh2 µ
cosh2 (µn ± βt)
(4.14)
p
gilt, wobei β = ab/M sinh µ und µ eine Zahl ist, die sowohl die Amplitude als auch die
räumliche Ausdehnung der Welle bestimmt. Da die Funktion 1/ cosh2 (µn ± βt) außer für
kleine Argumente klein ist (1/ cosh x = 2/(ex + e−x )), ist die Breite der solitären Welle, für
die rn ∼ f (nD − vt) gilt, etwa D/µ. Die Geschwindigkeit der Welle ist
D
v=β =D
µ
r
ab sinh µ
(
).
M
µ
(4.15)
Für solitäre Wellen mit großer Amplitude dominieren die Charakteristika des Potenzials
harter Körper (Glg. (4.11)) und die Geschwindigkeit wird sehr groß (sinh x = (ex − e−x )/2).
Für kleine Amplituden zwischen benachbarten Massen ist sinh µ/µ → 1 (aus Reihenentwickx
lung:
p e = 1 + x + ...) und wir erhalten die Schallgeschwindigkeit der harmonischen Kette
D (ab/M ).
Das Beispiel der Toda-Kette zeigt, wie die Berücksichtigung von Nichtlinearitäten die
elementaren Anregungen eines Systems qualitativ verändert. Zur vollständigen Lösung des
klassischen Problems muss auf elliptische Jacobi-Funktionen zurückgegriffen werden, was
sich als sehr aufwändig gestaltet. Auch die quantenmechanische Behandlung ist überaus
nichttrivial.
Solitonen in konjugierten Polymeren
In konjugierten Polymeren wie Polyacetylen alternieren Einfach- und Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen. Damit ergibt sich ein zweifach entarteter Grundzustand, da die
Doppelbindungen entweder zwischen dem 1. und 2., 3. und 4., ... oder zwischen dem 2. und
3., 4. und 5., ... Kohlenstoffatom auftreten können. Ein Soliton ist hier eine Domänenwand
zwischen diesen beiden Grundzuständen (Abb. 4.5).
54
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Abbildung 4.5: Schematische Darstellung eines neutralen Solitons in trans-(CH)x [Heeger,
Rev. Mod. Phys. 60 (1988) 781)]
Magnetische Solitonen
Es gibt auch ein magnetisches Analogon zu mechanischen Solitonen. Ein einfaches Beispiel
ist eine antiferromagnetische Ising-artige Kette, die durch den Hamiltonoperator
X
H = −2J
(aSiz Sjz + bSiy Sjy + cSix Sjx )
(4.16)
i>j
mit negativer Austauschkonstante J (antiferromagnetische Kopplung) und wesentlich stärker
Kopplung in z-Richtung als in x- und y-Richtung (b = c ≪ a) beschrieben wird. Der NéelGrundzustand dieses Systems ist zweifach entartet, da die zwei in Abb. 4.6 (a) und (b) gezeigten Anordnungen der Spins möglich sind. Die niederenergetischen Anregungen sind magnetische Solitonen (oder Domänenwände) zwischen den zwei verschiedenen Néel-Grundzuständen
(c). Die nichtverschwindende Spinkopplung entlang der x- und y-Achse (b = c > 0) sorgt für
die Bewegung des Solitons entlang der Kette (d). Eine tight binding-Näherung ergibt für die
Geschwindigkeit des Solitons
v = −4abJsin(2ak).
(4.17)
4.1.4
Magnon
In einem Ferromagneten aus lokalen Momenten zeigen unterhalb der Curie-Temperatur alle
diese lokalen magnetischen Momente in etwa in die gleiche Richtung, die wir mit z bezeichnen.
Vereinfachend kann man annehmen, dass das effektive Magnetfeld, das ein magnetisches
Moment auf dem Gitterplatz ~l spürt, von der Orientierung der Momente seiner nächsten
Nachbarn abhängt:
X
~~ = A
H
~µ~l′ .
(4.18)
l
~
l′
A ist eine Konstante, ~µ~l′ ist das zum Gitterplatz ~l′ gehörende magnetische Moment. Die
~ ~, das dieses Feld auf das
Summe geht über die nächsten Nachbarn. Das Drehmoment ~µ~l × H
l
Moment auf dem Gitterplatz ~l ausübt, führt zu einer zeitlichen Änderung des Drehimpulses
und, da das magnetische Moment eines Atoms proportional zum Dreimpuls ist, auch zu einer
zeitlichen Änderung des magnetischen Moments
X
d~µ~l
~~ = A
~µ~l × ~µ~l′ .
(4.19)
∼ ~µ~l × H
l
dt
′
~
l
55
4.1. ÜBERBLICK
Abbildung 4.6: Grundzustände des Ising-Modells in (a) und (b) und niederenergetische
Solitonen-Anregungen in (c) und (d).
Wieder suchen wir nach einer wellenförmigen Lösung dieser Differentialgleichungen. Unter
der Annahme, dass die Auslenkungen der ~µ~l aus der z-Richtung klein sind, schreiben wir
~~
~µ~l = ~µz + ~µ⊥ ei(ωt+k·l) .
(4.20)
~µz zeigt in die z-Richtung. Die Komponenten in der x−y-Ebene ~µ⊥ = ~µx +i~µy sind komplexe
Zahlen. Einsetzen von Glg. (4.20) in Glg. (4.19) und Vernachlässigen der Terme in ~µ2⊥ liefert
iω~µ⊥ ∼ ~µz × ~µ⊥
X
l~′′
~ ~′′
(eik·l − 1).
(4.21)
l~′′ sind Vektoren, die den Gitterplatz ~l mit seinen nächsten Nachbarn verbinden. In einem
Kristall mit Inversionssymmetrie vereinfacht sich die Summe zu
−2
X
l~′′
1
sin2 ( ~k · l~′′ ).
2
(4.22)
56
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Damit ergibt sich die Kreisfrequenz, mit der ~µ⊥ in der x − y-Ebene rotiert zu
ω ∼ |~µz |
X
l~′′
1
sin2 ( ~k · l~′′ ).
2
(4.23)
Die Phasendifferenz zweier Atome im Abstand r voneinander ist ~k · ~r. Die hier beschriebene
Situation ist schematisch in Abb. 4.7 dargestellt. Die Pfeile zeigen die Richtungen an, in
die ~µ zeigt, wenn man in Richtung k entlang einer Kette von Atomen fortschreitet. Da das
magnetische Moment ~µ meist vom Spin eines Elektrons herrührt, werden die Wellen als
Spinwellen bezeichnet. Die Quanteneinheit der Spinwelle ist das Magnon.
Abbildung 4.7: Schematische Darstellung einer Spinwelle.
Der wichtigste Unterschied zwischen Phononen und Magnonen ist ihre unterschiedliche
Dispersionsrelation ω(~k) für kleine Werte von ~k (Abb. 4.8). Während die Gruppengeschwindigkeit dω/dk für Phononen für ~k → 0 gegen eine Konstante tendiert, geht sie im Fall von
Magnonen gegen null.
Zur Ableitung von Glg. (4.23) waren Näherungen nötig. Das bedeutet, dass die Spinwellen, die wir erhalten haben, keine exakten Eigenzustände des Systems sind sondern dass
sie nach einer gewissen Zeit zerfallen werden. Dass wir kein brauchbares Modell eines Ferromagneten finden können, das exakt gelöst werden kann, zeigt schon, wie kompliziert das
Problem Magnetismus ist.
Magnonen treten auch in Antiferromagneten mit lokatisierten Momenten auf. Ihre theoretische Beschreibung ist aber noch aufwändiger. Eine andere Art von Spinwellen tritt in
metallischen Ferro- oder Antiferromagneten auf, wo die Spinwelle nicht von lokalisierten magnetischen Momenten, sondern von den Spins der Leitungselektronen getragen wird. Sowohl
lokale als auch itinerante (ferromagnetische) Spinwellen werden wir in Abschnitt 4.2.2 noch
genauer betrachten.
57
4.1. ÜBERBLICK
Abbildung 4.8: Dispersionskurve für Magnonen.
4.1.5
Paramagnon
Man geht derzeit davon aus, dass in der Umgebung von quantenkritischen Punkten (Abschnitt 2.2) magnetische Spinfluktuationen, deren Quanteneinheit das Paramagnon ist, von
besonderer Bedeutung sind. Paramagnonen sind bosonische Quasiteilchen. In einem Metall,
~ t) stark. In der
das noch nicht magnetisch geordnet ist, fluktuiert die Magnetisierung M (R,
Nähe des Phasenübergangs breitet sich eine (antiferromagnetische) Fluktuation etwa folgendermaßen aus:
2
Dt
~ t) ∼ cos(Q
~ · R)e
~ − RDt e− ξ2 1 .
(4.24)
M (R,
t3/2
Q beschreibt die Modulation des Antiferromagneten, ξ ist die typische Größe eines magnetisierten Bereichs und wird als Korrelationslänge bezeichnet. Durch die Elektronen werden die
Fluktuationen stark gedämpft, was durch die Dämpfungskonstante D berücksichtigt wird.
Im oberen Teilbild von Abb. 4.9 ist M (x, t) für ein System dargestellt, in dem ξ ungefähr
drei Perioden der Magnetisierung beträgt. Die Fluktuationen zerfallen nach kurzer Zeit und
haben nur eine kurze Reichweite. Eine derartige Situation liegt z.B. im paramagnetischen
Zustand in der Nähe des quantenkritischen Punktes von CePd2 Si2 vor (vgl. Abb. 2.7). Für
ξ = ∞, wie es an einem Quantenphasenübergang auftritt, klingen die magnetischen Fluktuationen nur sehr langsam ab (unteres Teilbild von Abb. 4.9).
Die magnetischen Fluktuationen verursachen ihrerseits wieder eine effektive Wechselwirkung zwischen den Elektronen. Ein solcher Prozess ist in Abb. 4.10 dargestellt: Ein Elektron
am Ort ~r1 erzeugt zum Zeitpunkt t1 eine Spinfluktuation M (~r − ~r1 , t − t1 ), wobei sich die
Richtung seines Spins ändert. Zum Zeitpunkt t2 absorbiert ein anderes Elektron die Spinfluktuation wieder. Die effektive Wechselwirkung ist bei T = 0 proportional zu M (~r2 −~r1 , t2 −t1 ).
Ç9‰Ê4Ê*
Ê Ã Ê4Ê*
ÈW36ñ‰Æ¾
ÆN36Ê4ÆN:x
58
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
èÉ;ÆN36:¾
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59
4.1. ÜBERBLICK
↔x
↔z
beschrieben, wobei J > 0 und g > 0. σ j und σ j sind die Paulimatrizen, die die x bzw.
z-Komponente des Elektronenspins eines magnetischen Ions auf dem j-ten Gitterplatz einer
eindimensionalen Kette messen. Auf jedem Gitterplatz können zwei verschiedene Zustände
↔z
auftreten, und zwar |↑ij und |↓ij . Diese sind Eigenzustände von σ j mit den Eigenwerten
+1 und −1. |↑ij bedeutet, dass der Spin auf dem j-ten Gitterplatz nach oben“ zeigt,
”
|↓ij bedeutet, dass dieser nach unten“ zeigt. Der zweite Term in Glg. (4.25) bevorzugt
”
eine parallele Anordnung benachbarter Spins, der erste hingegen ermöglicht Quantentunneln
zwischen den Zuständen |↑ij und |↓ij mit einer Amplitude, die proportional zu g ist. Im
Falle g ≪ 1 kann man den ersten Term vernachlässigen und der Grundzustand besteht
entweder aus lauter oben“- oder aus lauter unten“-Spins. Eine elementare Anregung eines
”
”
solchen Zustandes mit lauter parallelen Spins ist ein Domänenwand-Quasiteilchen (domainwall quasiparticle). Der entsprechende Quasiteilchenzustand | Qj i zwischen Gitterplatz j
und j + 1 besteht aus oben“-Spins am Gitterplatz j und links davon, und aus unten“”
”
Spins am Gitterplatz j + 1 und rechts davon, wie in Abb. 4.11 im Bereich g < gc dargestellt.
Während die Domänenwände bei g = 0 stationär sind, können sie sich bei g > 0 selbst bei
T
Quantum
critical
Flipped-spin
quasiparticles
Domain-wall
quasiparticles
0
gc
g
Abbildung 4.11: Phasendiagramm des Hamiltonoperators in Glg. (4.25) [Sachdev, Science
288 (2000) 475.
T = 0 bewegen (Nullpunktsbewegung). Im anderen Grenzfall g ≫ 1 ist der zweite Term
↔x
von Glg. (4.25) vernachlässigbar und der Grundzustand besteht aus Eigenzuständen von σ j .
Zum Eigenwert +1 gehören die Zustände
1
|→ij = √ (|↑ij + |↓ij ).
2
(4.26)
|→ij bezeichnet einen nach rechts“ zeigenden Spin auf dem j-ten Gitterplatz. Quantenme”
chanisch ist dieser Zustand eine lineare Superposition eines oben“- und eines unten“-Spins.
”
”
60
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Im Grundzustand zeigen alle Spins nach rechts“ (oder alle nach links“). Zur Beschreibung
”
”
einer elementaren Anregung dieses Zustandes definieren wir in Analogie mit Glg. (4.26) einen
nach links“ zeigenden Spin mit
”
1
|←ij = √ (|↑ij − |↓ij ).
(4.27)
2
Der Quasiteilchenzustand | Q̃j i beschreibt nun einen einzelnen links“-Spin in einem Hinter”
grund aus lauter rechts“-Spins, wie in Abb. 4.11 im Bereich g > gc dargestellt. Auch hier ist
”
der Zustand für g = ∞ stationär, während die Quasiteilchen für g < ∞ Dynamik entwickeln.
Zwischen diesen Extremfällen gibt es einen kritischen Wert g = gc = 1, für den bei T = 0 ein
Quantenphasenübergang auftritt. Während die Zustände für g < 1 (g > 1) qualitativ dem
Zustand bei g = 0 (g = ∞) ähneln, kann der Zustand bei g = 1 nicht durch eine einfache
Spinanordnung symbolisiert werden. Die Grundzustandswellenfunktion bei g = gc zeichnet
sich durch Skaleninvarianz aus. Das bedeutet, dass, falls der Abstand zweier wechselwirkender Spins nicht zu klein ist, eine Abstandsänderung nur zu einer Änderung des Vorfaktors
↔z ↔z
in der Korrelationsfunktion h σ j σ k i führt, nicht aber zu einer Änderung der funktionalen
Abhängigkeit vom Abstand. Bei T > 0 treten Spinfluktuationen auf, deren Fluktuationsrate
durch die Zeitskala ~/(kB T ) universell bestimmt ist. Obwohl eine Quasiteilchenbeschreibung im quantenkritischen Bereich (vgl. Abb. 4.11) strenggenommen nicht möglich ist, kann
man sich das dynamische Verhalten doch annähernd wie das einer Flüssigkeit aus | Qj iQuasiteilchen vorstellen, die mit einer Rate der Größenordnung kB T /~ aneinander streuen.
Ganz analog kann man zur Beschreibung auch die | Q̃j i-Quasiteilchen verwenden.
4.1.7
Spinon und Holon
Wie in Abschnitt 2.4.1 besprochen, werden die elementaren Anregungen einer Luttingerflüssigkeit, also einer eindimensionalen Elektronenflüssigkeit, als Spinon und Holon bezeichnet. Das Spinon hat keine Ladung, aber einen Spin, während das Holon keinen Spin trägt,
aber geladen ist. Natürlich zerfallen die Elektronen in einer Dimension nicht tatsächlich in
zwei neue Teilchen. Aber auf Grund der Wechselwirkung bewegen sie sich bei tiefen Temperaturen nicht unabhängig voneinander, sondern gemeinsam mit einer komplex aufgebauten
Wolke anderer Elektronen, wobei dies so geschieht, dass sich effektiv Spin und Ladung unabhängig voneinander und mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen.
In Abb. 4.12 ist in der obersten Zeile eine antiferromagnetische Kette aus Elektronen mit
Spin 1/2, symbolisiert durch die Pfeile, dargestellt. Sie ist das einfachste Modell für SrCuO2
(Abschnitt 2.4.1). Was passiert nun, wenn wie im ARPES-Experiment aus Abschnitt 4.12
ein Elektron mit Licht aus dem Material herausgeschlagen wird? Es entsteht eine Fehlstelle,
die sich auf zwei verschiedene Arten ausbreiten kann. Entweder kann ein Elektron auf den
benachbarten freien Platz springen (durch gebogenen Pfeil gekennzeichnet), oder es kann
mit seinem Nachbarn die Spinrichtung austauschen (durch ein × dargestellt). Verfolgt man
die Entwicklung des Systems über einen kurzen Zeitraum, so stellt man fest, dass sich in der
antiferromagnetischen Kette gleich zwei Defekte ausbreiten: die fehlende Ladung des Elektrons (Kreis) und eine Spinanregung (Rechteck). Erstere ist das Holon, zweitere das Spinon.
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4.1. ÜBERBLICK
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nur sehr schwach miteinander in Wechselwirkung. Somit sind sie typische Quasiteilchen.
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¨J µj‰¦*• ¡ Ÿ© ¡l«’2Ÿ~œ¢X«&• ­H¡*£S¦œ§‚’2Ÿ~œêª£©’W¥l«&•Hœô¡’;• ­H¦¢&§N’2¢& ¡£©­N§J’;œ®¯
Abbildung 4.12: Holon (Kreis) und Spinon (Rechteck) bewegen sich unabhängig auf einer
*­iœ*œ‚¥N¸ œ*œ*’Wœ‚¢&Ÿ© ¡À*­N¢ F ¡ —J£SNœ ‰¯‹ •’2Ÿ©¢ š¦*œ·‰Ÿ©’»l¿*ŸSœ­Hœ*¹
Ä 36Ê/±Ê*È;3YÌKÆHÉW
antiferromagnetischen Kette [Rosch, Physik in unserer Zeit 30 (1999) 118].
•’2§H¦*œ§ ;»l¿*ŸSœ*Nœ À‹ˆ°’2 ¡l«’2 ¥*šP¦*œ­H”*¡®­H¸ œ*§JŸS§x‘cHœ’2Ÿ~œ>­iœ>’;•¶²6H•&«&”4’W¹
Ë4Ñ46Å 3YÆNÉ ÈWÆüâ Ã ÒÊ4
¤¶’W§J’Wœê‹ˆ¢&ŸS’W¡*’$º®’ l«;š;
Ë43YÆ 4
÷ 9‰ÉW5
1Pà ø Ê4҉È
4.1.8 Gebrochene valence bonds in stripes
ÈWÑ4É
Ãlð Ï ÿ ÆN
 36ÆïË Ã‰ð ÆN3!ÆHÊ*È2:È Ã ÊË>ÆNÊ4Æï÷4ÆN14ň:ÈWÆHÅ6Å6ÆlÍ,Ç Ã Ê4Ê:;3ˆ021 à Ñ>̼á Î ÆH3
In Abschnitt 2.3.1 haben wir erwähnt, dass in Loch-dotierten Hochtemperatur-Supraleitern
ÈWÆHÊ
ÆHÆNÅ©ÈWÆH5aè®ÆH
/±É;È;ÆNÊ Ã Ñ: ð É;ÆN3YÈ;ÆHÊÏ,ÄÊ*È Î ÆJË>ÆHPhase
ÉCÇ Ã Ê4und
Ê ÆHder
36Ê supraleitenden
ÄÅ6ÆHÇ*È;ÉW9‰Ê à Ñ>ÌÁ
Ë>ÆHÊ
im Bereich zwischen der Mott-isolierenden
Phase eine Phase
Å6ň:Ècà ø ÊË43YÒÍlË>ÆH
Ê Ã 021 ð.Ã É;È;diskutiert
ÆHʂÌKÉ;ÆN36ÆHÊ wird
Å Ã È;(vgl.
á: èÉ;Abb.
36Ê4ÒÆH2.15,
Ê gË>Ñ4grüner
É2021ÀË>Bereich).
ÆNÊ ÌKÆH36Å>Diese
: 5Cé Phaseñ9‰wermit stripes ð ( ÆHStreifen“)
”
ÉWË>ÊÑ4
Å63ˆ: 36ÆHÉ;È ±
9>Ë>ÆHÉ¾Ç Ã Ê4Ein
Êü5a
3Yȼ:;ÆH36verwendetes
Ê4ÆN5
3YÆ|einen
ç>è436Ê4HochtemperaturÉ;3ˆ021>é
à 021 Modell
ðà ÉWÊëË4für
den wir hierð 9‰
genauer
betrachten.
häufig
Î ÆH3YÈW3YÒÆ
Ë4ÆHÉ ÆNÆHÅYÈ;ÆN5aè.ÆN
ÑÊ4Òeinà zweidimensionales
Ñ: È Ã Ñ.:;0214ÆNÊ †Ë4Ñ4Gitter
ÉW021ÆH36aus
Ê SpinsË ÃSÉW҉=ÆJ:1/2
ÈWÆHÅ6ÅYmit
È wÏantiferromagnetischer
û,ÆHÉ;ÌK9‰Å6ÒlÈ
Supraleiter È;ist
Wechselwirkung,
eingebracht
Æ Ë ç3 3ˆ: ȗ36Ê(
5 à ʼË>in36Ædas
ÄÊ*durch
È Î 3602ÇDotierung
Å6Ñ4Ê4ÒË>ÆJ:PLöcher
ç >: È;ÆH5ž
:Ñ ø ð ÆNÉpÆN3YÊwerden
ÆHʼÇÑ4ÉW(Abb.
áHÆHÊ j4.13).
ÆH3YÈ é Jederà—Spin
rührt von einem
einzelnen
ungepaarten
Elektron
eines
Cu-Ions
her.
Da
die
Wechselwirkung
0 Ã Ï
Á36Å69 ðà ɷ
É Ã Ñ45Ͷ: 9Ô: È;ÆNÅ6Å©È·5 à ÊüÆHÉ2: È Ã ÑÊ4Å636021ÆHÉ Î ÆN36:;ƾÌKÆJ:ÈNÍ¶Ë Ã ìÔ:;3ˆ021ü3YÊ
innerhalb der
CuO
-Ebenen
wesentlich
stärker
ist
als
jene
zwischen
benachbarten
Ebenen,
2
Ë>ÆNÉ Ã Ê*È;3YÌKÆHÉWÉW9‰5 à ÒÊ4ÆiÈW3ˆ:;0214ÆNÊ ÁÆHÈ ÈWÆ
Éð :;9‰Å6Ñ>È;ÆNÊ ±Ñ4Å6
 ÆHÌKÆHÇ*È;Æ Ã Ñ: ð É;ÆN3©é
können viele Eigenschaften mit einer einzelnen Spinebene modelliert werden. NeutronenË43YÆJ: ÆJ: Ñ4Ê4Ç*È;ÆJ:
È;ÆNÊ áNÑ45 ÆN36Ê4ÆHÊaË>36ƐÌKÆH14Å6ÆNÊË>ƱРà Ë>Ñ4Ê4Ò¾Ë4ÆN:ÄÅYÆNÇ*È;ÉW9‰Ê: †Ë4Ñ4ÉW021
Streuexperimente haben gezeigt, dass sich die Löcher in einem gewissen Dotierungsbereich
3ˆ021*È;36ÒÆHÉNÍ Ã Åˆ:;9
ÆH36Ê4ÆNÊ verteilen,
ÁÉ;ÆN36:$Ë sondern
Å6Å©È 2ÍË Ã :±entlang
:;9‰Ò‰ÆNÊ Ã ÊStreifen“
ÊÈWÆ 9ÅY9anordnen
ÊÍáNÑ45 (Abb.
à ÉW҉ÆN: È;ÆNbevorzugt
à Ê>é 4.14Î (a)).
nicht statistisch
”
5aihnen
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Diese Loch-reichen
Gitterabstände
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Zwei
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an
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$
0F
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X
l
W
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aF
0F
:
X
C
62
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Abbildung 4.13: Modell für einen undotierten Hochtemperatur-Supraleiter (z.B. La2 CuO4 )
in (a) und für einen Loch-dotierten Hochtemperatur-Supraleiter (z.B. La2−x Srx CuO4 , x > 0)
in (b) [Sachdev, Physics World April (1999) 33].
Bereiche koppeln über eine schwächere Austausch-Wechselwirkung λJ aneinander, wobei
0 < λ < 1. Die Spins in den Loch-reichen stripes sorgen für die Kopplung λJ, werden aber ansonsten vernachlässigt. Wir haben somit einen anisotropen zweidimensionalen
S = 1/2-Antiferromagneten definiert. Der Parameter λ kann über die Dotierung (im Falle
von La2−x Srx CuO4 über den Sr-Gehalt x) variiert werden. Bei λ = 1 haben wir einen isotropen zweidimensionalen S = 1/2-Antiferromagneten. Für den Grenzfall λ ≪ 1 treffen wir
eine weitere vereinfachende Annahme. Jeder Loch-arme Bereich bestehe aus zwei aneinander
koppelnden eindimensionalen Spinketten. Der Grundzustand sei der in Abb. 4.14 (b) dargestellte: Je zwei benachbarte Spins bilden eine Valenzbindung“ (valence bond), die eine linea”
re Superposition zweier Spinkonfigurationen mit Gesamtspin S = 0 darstellt. Die qualitativ
unterschiedlichen Grundzustände in den zwei Grenzfällen λ = 1 und λ ≪ 1 können nicht
kontinuierlich ineinander übergehen, sondern sind durch einen Quantenphasenübergang bei
einem kritischen Wert λ = λc voneinander getrennt (Abb. 4.14 (c)). Die elementaren Anregungen im antiferromagnetischen Bereich λ < λc sind Spinwellen (Magnonen, vgl. Abschnitt
4.1.4) mit quasi-klassischer Wellendynamik. Im Bereich des S = 0-Singulett valence bondGrundzustands sind es aufgebrochene Valenzbindungen“, die S = 1-Triplettzustände sind
”
und quasi-klassisches Teilchenverhalten zeigen. Im quantenkritischen Bereich oberhalb von
λc versagt jede quasi-klassische Beschreibung und aufwändigere Theorien werden benötigt.
4.1. ÜBERBLICK
63
Abbildung 4.14: (a) Segregation von Löchern in Loch-reiche Streifen“ (stripes, rot) mit
”
Spinwechselwirkung λJ und Loch-arme Bereiche (blau) mit Spinwechselwirkung J. (b) Für
kleine λ: Valenzbindungen“ (valence bonds) mit Spin S = 0 zwischen je zwei Spins benach”
barter Ketten sind quantenmechanische lineare Superpositionen der unter den Kettenpaaren
dargestellten Spinkonfigurationen. (c) Phasendiagramm als Funktion von Temperatur und
1/λ. [Sachdev, Physics World April (1999) 33].
64
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
4.2
Beispiele
4.2.1
Phononen
Im vergangenen Kapitel haben wir so getan, als könnte man die Gitterschwingungen einfach im Rahmen der klassischen Mechanik behandeln. Die Analogie mit den Schwingungen
einer Kette, welche aus Massen besteht, die durch Federkräfte aneinander gekoppelt sind,
geht auch sehr weit. Der Grund dafür ist, dass die klassische und die quantenmechanische Beschreibung des harmonischen Oszillators weitgehend identisch sind. Wir wollen nun
das quantenmechanische Ergebnis für den harmonischen Oszillator auf Gitterschwingungen
(Phononen) verallgemeinern. Die Energie einer Schwingungsmode eines harmonischen Oszillators mit dem Wellenvektor ~k ist gegeben durch
µ
¶
1
~ω~k n +
,
(4.28)
2
wobei n ≥ 0 eine ganze Zahl ist. Wenden wir dieses Resultat auf Phononen an, so würde
beispielsweise für n = 1 ein einzelnes Phonon mit dem Wellenvektor ~k angeregt. Da jedoch
eine beliebige Anzahl von Phononen n einen Zustand mit dem Wellenvektor ~k besetzen
können, müssen wir die Thermodynamik der Phononen mit der Bose-Statistik berechnen.
Es ist nicht überraschend, dass für hohe Temperaturen die klassische und die quantenmechanische Behandlung identische Ergebnisse liefern (z.B. für die spezifische Wärme). Bei
niedrigen Temperaturen jedoch sind die Unterschiede dramatisch und rechtfertigen daher die
quantenmechanische Behandlung, was wir auch gleich in zweiter Quantisierung tun werden.
Berachten wir zur Einstimmung den harmonischen Oszillator in zweiter Quantisierung,
dessen Hamiltonoperator gegeben ist durch
H=
P2
1
+ M ω 2 R2
2M
2
.
Man definiert nun sogenannte Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren
r
r
M
ω
1
a† =
R−i
P
2~
2~M ω
und
r
(4.29)
(4.30)
r
Mω
1
R+i
P .
(4.31)
a=
2~
2~M ω
Lässt man den Erzeugungsoperator a† auf den Grundzustand wirken, so erhöht sich der
Quantenzustand um 1, man erzeugt also einen angeregten Zustand. Umgekehrt wirkt der
Vernichtungsoperator a, der bei jeder Anwendung den Oszillatorzustand auf der Leiter der
angeregten Zustände um 1 erniedrigt. Man bezeichnet solche Operatoren auch als Leiteroperatoren.
Die ursprünglichen Orts- und Impulsoperatoren werden in zweiter Quantisierung zu
r
¢
2~ ¡
1
R=
a + a†
(4.32)
2 Mω
65
4.2. BEISPIELE
und
¢
¡
i√
.
(4.33)
2~ωM a − a†
2
Drückt man nun den Hamiltonoperator durch die Erzeuger und Vernichter aus und
berücksichtigt die Bosonen-Kommutatorregel [a, a† ] = aa† − a† a = 1, so lässt sich leicht
nachrechnen, dass man folgenden Ausdruck erhält
¶
µ
1
†
(4.34)
H = ~ω a a +
2
µ
¶
1
= ~ω n +
,
(4.35)
2
P =−
wobei n = a† a der Teilchenzahloperator ist, welcher die Anzahl der Phononen angibt, die
einen Zustand besetzen.
Wir wenden nun unsere Ergebnisse für den harmonischen Oszillator auf das Problem der
Bewegung von Atomen in einem Festkörper an. Wir schreiben den entsprechenden Hamiltonoperator als
X P2
1X
l
H=
ul Φll′ ul′ ,
(4.36)
+
2M
2 ll′
l
~ l und
wobei die Operatoren ul und ul′ die Ortsänderung (Ablage) vom jeweiligen Gitterplatz R
~
Rl′ beschreiben. Man koppelt daher die Bewegungen der Atome an zwei Gitterplätzen über
das Potenzial Φll′ (solange man die harmonische Näherung nicht verlässt, ist Φll′ durch die dynamische Matrix des Gitters gegeben). Analog zu Glg. (4.30) und (4.31) definiert man wieder
Erzeugungs und Vernichtungsoperatoren, die das Eigenwertspektrum der Gitterschwingungen liefern, wobei man gleich auf die fouriertransformierten Größen übergeht und den Index
ν für die Polarisationsrichtung (transversal, longitudinal) einführt
s
"r
#
N
³
´
X
M
ω
1
1
~kν
~l χ
exp i~k R
~ ~kν
ul − i
Pl
a~†kν = √
(4.37)
2~
2~M ω~kν
N l=1
und
a~kν
N
³
´
1 X
~
~
√
exp −ik Rl χ
=
~ ~∗kν
N l=1
"r
M ω~kν
ul + i
2~
s
1
Pl
2~M ω~kν
#
.
(4.38)
In Glg. (4.37) und (4.38) haben wir die Einheitsvektoren χ
~ ~kν der einzelnen Moden eingeführt.
Im Prinzip können diese beliebig gewählt werden, eine sinnvolle Wahl ist es jedoch dafür die
Eigenvektoren der dynamischen Matrix Φll′ zu verwenden, welche dann paarweise orthogonal
sind. Es ist wieder relativ einfach, die Operatoren ul und Pl auszudrücken
³
´
³
´i
1 Xh
†
~
~
~
~
√
u~kν exp ik Rl + u~kν exp −ik Rl
(4.39)
ul =
N ~
kν
s
~
χ
~ ~ a~
(4.40)
mit u~kν =
2M ω~kν kν kν
66
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
und
³
´
³
´i
1 Xh
~ l + P † exp −i~k R
~l
P~kν exp i~k R
Pl = √
~kν
N ~
kν
r
~ω~kν M
mit P~kν =
χ
~ ~kν a~kν .
2
(4.41)
(4.42)
Mit Hilfe der Kommutatorregel für den Orts- und Impulsoperator [Rl , Pl ] = Rl Pl −Pl Rl = i~
lässt sich schnell der Kommutator für die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren berechnen
h
i
†
a~kν , a~kν = 1 ,
(4.43)
was die Kommutatorregel für Bosonen-Operatoren ist. Da die dynamische
´
³ ´Matrix³ symmetrisch bezüglich Auslenkungen mit Wellenvektor ~k und −~k ist, folgt Φ ~k = Φ −~k und
daraus
ω~kν = ω−~kν .
(4.44)
Damit lassen sich die beiden Terme im Hamiltonoperator Glg. (4.36) mittels der Erzeuger
und Vernichter ausdrücken


h
i
†
†

X P2
X ~ω~ 
a
a
+
a
a
~kν ~
~kν ~kν
kν
l
kν
h
i
(4.45)
=

2M
4  − a~ a~ χ
~∗ χ
~∗
~~ χ
~ ~ + a† a† χ
l
~kν
kν kν
kν
−kν
~kν ~kν ~kν
−~kν
und
X1
ll′
2
ul Φll′ ul′ =

X ~ω~ 
kν
~kν
4
h
a~kν a~†kν + a~†kν a~kν
i


h
i
†
†
∗
∗
 + a~ a~ χ

~
χ
~
+
a
a
χ
~
χ
~
~kν ~kν ~kν −~kν
kν kν ~kν −~kν
.
(4.46)
Um zu Glg. (4.45) und (4.46) zu gelangen, haben wir die Eigenschaften der dynamischen
Matrix und damit auch ihrer Eigenvektoren ausgenützt. Diese sind im Detail χ
~ ~∗kν χ
~ ~kν ′ = δνν ′
und χ
~ ~kν χ
~ −~kν ′ = δνν ′ .
Damit kann man den Hamiltonoperator in Glg. (4.36) schreiben als
i
X ~ω~ h
kν
H =
a~kν a~†kν + a~†kν a~kν
2
~kν
¶
µ
X
1
†
(4.47)
~ω~kν a~kν a~kν +
=
2
~kν
µ
¶
X
1
=
~ωi ni +
.
(4.48)
2
i
Für ein Gitter mit einer Basis aus mehreren Atomen müssen wir unsere Ausdrücke noch um
einen weiteren Index für die einzelnen Zweige der Phononen erweitern. Um die Darstellung
jedoch einfacher zu machen, haben wir in Glg. (4.48) die einzelnen Indizes für den Wellenvektor ~k, die Polarisation ν und evtl. für die Phononenzweige in einem Index i zusammengefasst.
Man sieht sehr schön die Analogie zum harmonischen Oszillator.
67
4.2. BEISPIELE
4.2.2
Magnonen
Bereits 1926 schlug Werner Heisenberg (Z. Phys. 38 441 (1926)) ein Modell vor, mit dem
er magnetische Ordnung beschrieb. Die Idee war dabei, dass Spins an benachbarten Gitteplätzen durch eine Wechselwirkung gekoppelt werden. Diese Kopplung führt jedoch nicht
nur zu magnetische Ordnung bei T = 0 K, sondern erlaubt auch kollektive Anregungen
des gesamten Spinsystems, die man als Magnonen bezeichnet. Da das Heisenbergmodell eine
paarweise Wechselwirkung annimmt, geht es über ältere Modelle hinaus, bei denen die Wechselwirkung einem inneren magnetischen Feld, dem Molekularfeld, zugeschrieben wurde. Das
Heisenbergmodell ist daher auch kein Mean-field -Modell. In seiner einfachsten Form schreibt
man den Heisenbergoperator als
X
X
~l S
~l+δ − gj µB Hext
S
Szl .
(4.49)
H = −Ih
l
lδ
Man nimmt an, dass die Spins dabei auf den Gitterplätzen l sitzen. δ ist dann jener Vektor,
der zu den nächsten Nachbarn weist. Ih ist das Austauschintegral welches die Wechselwirkung
beschreibt. Es wird für ferromagnetische Ordnung als positiv und für antiferromagnetische
Ordnung als negativ definiert. Hext ist ein externes Feld, welches in z-Richtung weist und
damit eine Quantisierungsachse festlegt. Dieses Feld ist > 0, sodass bei T = 0 K alle Spins
parallel zu diesem Feld stehen und einen Grundzustand bilden, der durch den Zustandsvektor
|0i gegeben ist. Im Folgenden wird ~ = 1 gesetzt. Für ein Ensemble von N Atomen mit Spin
S ist der Grunzustandsvektor in der |S, MS i Basis durch |0i ≡ |N S, N Si gegeben. Weiters
gilt
X
~l ,
S
(4.50)
S 2 |0i = N S(N S + 1) |0i mit S =
l
Sz |0i = N S |0i
with Sz =
X
Szl
.
(4.51)
l
Wir werden nun zeigen, dass der Heisenberg-Hamiltonoperator kollektive Anregungen des
gesamten Spinsystems beschreibt. Diese Anregungen werden als Spinwellen oder Magnonen
bezeichnet und stellen Quasiteilchen dar.
Magnonen-Operatoren
Der Übergang von den Komponenten des Spin-Vektor-Operators zu den Erzeugungs- und
Vernichtungsoperatoren wurde 1940 von Holstein und Primakoff (Phys. Rev. 58 1908 (1940))
vorgeschlagen. Da das Magnon als Paar anti-paralleler Spins gesehen werden kann, die durch
das Gitter wandern, gilt auch für Magnonen die Bose-Statistik. Für die Komponenten des
Spin-Vektor-Operators gilt die Kommutatorbeziehung [Sx , Sy ] = iSz (und zyklische Permutationen). Man definiert ein Set neuer Operatoren gemäß
S + = Sx + iSy
,
S − = Sx − iSy
,
η = S − Sz
,
(4.52)
wobei η die Differenz zwischen dem Gesamtspin und seiner z Komponente ist. η wird sich
später auch als Ordnungsparameter für die Anregungen erweisen, da die Energiedifferenz
68
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
η |S, MS i genau jene Energie darstellt, die durch das entsprechende Magnon absorbiert wird.
Der Eigenwert von η sei n und die entsprechende Eigenfunktion ψn . Die Erzeugungs- und
Vernichtungsoperatoren sind somit definiert als
√
√
a+ ψn = n + 1ψn+1 , aψn = nψn−1 ,
(4.53)
mit der Bosonen-Kommutatorregel
£ +¤
a, a = 1
und der Eigenschaft
(4.54)
hψn | a+ a |ψn i = n .
(4.55)
Wendet man nun die Operatoren S + und S − auf den Grundzustand an, so findet man
p
S + |S, MS i =
(S − MS ) (S + MS + 1) |S, MS + 1i ,
(4.56)
p
−
(S + MS ) (S − MS + 1) |S, MS − 1i ,
(4.57)
S |S, MS i =
oder, ausgedrückt mit der Wellenfunktion ψn ,
p
S + ψn =
(S − MS ) (S + MS + 1)ψn−1
p
−
S ψn =
(S + MS ) (S − MS + 1)ψn+1
,
,
sodass man S + , S − und η mit Hilfe der a, a+ formulieren kann
¶ 21
1 +
a al al ,
2S 1 −
=
2S l
µ
¶ 21
√
1 +
−
2S 1 −
Sl =
,
a al a+
l
2S l
η = a+
, Szl = Sl − a+
.
l al
l al
Sl+
√
µ
(4.58)
Der nächste Schritt ist, unsere Realraumoperatoren S + , S − , η und a+
l , al mittels einer
Fouriertransformation in die im reziproken Raum definierten Magnonen-Operatoren bk , b+
k
überzuführen.
³
³
´
´
1 X
1 X
+
~
~
exp ik~xl al , bk ≡ √
exp −ik~xl a+
,
(4.59)
bk ≡ √
l
N l
N l
³
³
´
´
1 X
1 X
~k~xl b+ ,
√
exp −i~k~xl bk , a+
exp
i
al ≡ √
≡
(4.60)
l
k
N k
N k
¤
£ + +¤
£
wobei wieder die Bosonen-Kommutatorregeln bk1 , b+
k2 = δk1 ,k2 and [bk1 , bk2 ] = bk1 , bk2 = 0
~
gelten. Der Operator b+
k erzeugt ein Magnon mit dem Wellenvektor k, während bk ein Magnon
vernichtet. Die erlaubten Werte für ~k sind durch periodische Randbedingungen bestimmt.
Betrachtet man die Rücktransformation (4.60), so erkennt man, dass die Änderung eines
individuellen Zustandes am Gitterplatz l (z.B. ein Spin-flip) durch eine Superposition einer
69
4.2. BEISPIELE
unendlichen Anzahl von Spinwellen beschrieben wird, die am Gitterplatz l konstruktiv zu
eben diesem veränderten Zustand interferieren.
Um nun die Spin-Operatoren in den Magnonen-Operatoren darzustellen, beschränkt man
sich auf Zustände
√ mit niedrigen Anregungsenergien, sodass man den Wurzelausdruck in
Glg. (4.58) nach 1 − ξ ≃ 1− 2ξ +. . . entwickeln kann. Dies setzt voraus, dass die Anregungen,
welche durch a+
l al beschrieben werden, klein gegen den Gesamtspin 2S bleiben. Man findet
"
r
³
´
2S X
+
~
Sl =
exp −ik~xl bk
N
k
#
³ ³
´´
1 X
+
exp i~xl ~k1 − ~k2 − ~k3 bk1 bk2 bk3 + . . . ,
−
4SN k k k
1 2 3
"
r
³
´
2S X
Sl− =
exp i~k~xl b+
k
N
k
#
³ ³
´´
1 X
+
exp i~xl ~k1 + ~k2 − ~k3 b+
−
k1 b k2 b k3 + . . . ,
4SN k k k
1 2 3
³ ³
´´
1 X
exp i~xl ~k1 − ~k2 b+
,
Szl = S −
k1 b k2
Nkk
1 2
³ ³
´´
1 X
exp i~xl ~k1 − ~k2 b+
(4.61)
Sz = N S −
k1 b k2
N lk k
1 2
X
X
,
b
=
N
S
−
b+
δk1 k2 b+
= NS −
k bk
k1 k2
k
k1 k2
wobei Sz wieder der Operator für den Gesamtspin aus Glg. (4.51) ist. Aus Glg. (4.61) für Sz
erkennt man, dass b+
k bk ähnlich wie bei den Phononen als Besetzungszahloperator für einen
Magnonen-Zustand ~k gesehen werden kann, wobei die Eigenwerte von b+
k bk wieder ganze
Zahlen sind.
Der Heisenberg-Hamiltonoperator in Magnonen-Variablen
Um den Heisenberg-Hamiltonoperator (Glg. (4.49)) in Magnonen-Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren darzustellen, schreiben wir ihn wie folgt um
¸
X·
X
¢
1¡ + −
− +
Szl Sz(l+δ) +
H = −Ih
Szl .
Sl Sl+δ + Sl Sl+δ − gj µB Hext
2
lδ
l
(4.62)
Die vier Terme, die in Glg. (4.62) auftreten, ergeben
P
(1) −Ih Szl Sz(l+δ)
lδ
= −Ih
X
jδ
"
S X i~xl (~k1 −~k2 ) +
S X i~xl+δ (~k1 −~k2 ) +
e
b k1 b k2 −
e
b k1 b k2
S2 −
Nkk
Nkk
1 2
1 2
#
70
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
−
(2) − I2h
P
lδ
X X
1
~ ~
~ ~
+
ei~xl (k1 −k2 )+i~xl+δ (k3 −k4 ) b+
I
h
k1 b k2 b k3 b k4
2
N
lδ k k k k
P
lδ
(4.63)
1 2 3 4
−
Sl+ Sl+δ
#
("
X
X
X
Ih S
1
~
~ ~ ~
= −
e−i~xl k1 bk1 −
ei~xl (k1 −k2 −k3 ) b+
k1 b k2 b k3
N lδ
4SN k k k
k1
1 2 3
#)
"
X
X
1
~
~
~
~
+
ei~xl+δ (k1 +k2 −k3 ) b+
ei~xl+δ k1 b+
×
k1 b k2 b k3
k1 −
4SN
k k k
k
1 2 3
1
(3) − I2h
,
(4.64)
+
Sl− Sl+δ
#
("
X
X
X
1
Ih S
~
~ ~ ~
+
ei~xl k1 b+
ei~xl (k1 +k2 −k3 ) b+
= −
k1 −
k1 b k2 b k3
N jδ
4SN k k k
k1
1 2 3
#)
"
X
X
1
~
~
~
~
,
ei~xl+δ (k1 −k2 −k3 ) b+
e−i~xl+δ k1 bk1 −
×
k1 b k2 b k3
4SN
k k k
k
1 2 3
1
(4) −gj µB Hext
P
(4.65)
Szl
l
= gj µB Hext
³ ³
´´
X
1 X
exp i~xl ~k1 − ~k2 b+
b
−
g
µ
H
Szl
j B ext
k1 k2
N lk k
l
.
(4.66)
1 2
Nun separiert man den Hamiltonoperator in drei Teile H = H1 + H2 + const., wobei H1
nur solche Beiträge enthält, die höchstens bilinear in den Magnonen-Operatoren sind, H2
alle Terme höherer Ordnung (4. und 6. Ordnung) und const. die konstanten Faktoren. Um
die konstanten Terme zu berechnen, führt man die Summationen über l und δ durch, wobei
man eine Anzahl z nächster Nachbarn annimmt. Dies ergibt
H = H1 + H2 − Ih N S 2 z − gj µB Hext N S
| {z } |
{z
}
aus (1)
.
(4.67)
aus (4)
Die bilinearen Terme fasst man zusammen zu


Ih S X  −i~xl (~k1 −~k2 ) i~k2~δ
i~
xl (~k1 −~k2 ) −i~k2 ~
e
e b k1 b +
H1 = −
e δ b+
k2 + e
k1 b k2

N lδk k |
{z
} |
{z
}
1 2
aus (2)
~
aus (3)
~
~
~



bk
− ei~xl (k1 −k2 ) b+
bk − ei~xl+δ (k1 −k2 ) b+
{z k1 }2 |
{z k1 }2 
|

aus (1)
aus (1)
71
4.2. BEISPIELE
+
³
´
gj µB Hext X
exp i~xl (~k1 − ~k2 ) b+
.
k1 b k2
N
|
{z
}
lk1 k2
(4.68)
aus (4)
Man führt nun eine neue Größe γk ≡
1
z
l durch
H1 = −Ih zS
X£
k
P
δ
³ ´
exp i~k~δ ein und führt die Summation über
X
¤
+
+
b+
γk b k b +
k bk
k + γ−k bk bk − 2bk bk + gj µB Hext
.
k
(4.69)
P
Für ein Kristallgitter mit Inversionssymmetrie ist γk = γ−k , sodass
γk = 0. Mit der
k
¤
£
Kommutatorregel bk , b+
k = 1 erhält man schließlich
X
X
b
=
ωk b+
.
(4.70)
H1 =
[2Ih Sz (1 − γk ) + gj µB Hext ] b+
k
k bk
{z
} k
|
k
k
≡ ωk
Der Term H2 enthält höhere Ordnungen in den Magnonen-Variablen und wird
üblicherweise vernachlässigt. Eine Diskussion dieser Magnon-Magnon-Wechselwirkungen
wurde von Dyson (Phys. Rev. 102 1217 (1956)) und Keffer und Loudon (J. Appl. Phys.
(Suppl.) 32 2 (1961)) gegeben.
Dispersionsrelation für die Magnonen
Unter Verwendung von Glg. (4.70) schreibt man H1 als
X
H1 =
nk ωk
(4.71)
k
wobei nk der Besetzungszahloperator für einen Zustand mit der Energie ωk ist. Nehmen
wir wieder ein Gitter mit Inversionssymmetrie an, sodass γk = γ−k gilt, so können wir γk
schreiben als
³ ´
1X
γk =
exp i~k~δ
z δ
³ ´
³
´i
1 Xh
~
~
~
~
exp ik δ + exp −ik δ
=
2z δ
³ ´ 1X
³ ´
1X
~
~
,
(4.72)
=
cosh ik δ =
cos ~k~δ
z δ
z δ
was uns die Dispersionsrelation für Magnonen in der bekannten Form liefert
!
Ã
³ ´
1X
cos ~k~δ
+ gj µB Hext .
ωk = 2Ih Sz 1 −
z δ
(4.73)
72
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Da wir uns bei der Ableitung auf kleine Energien beschränkt hatten, entwickelt man den
2
Cosinus gemäß cos x = 1 − x2 + . . . und erhält
ωk ≃ Ih S
X ³ ´2
~k~δ + gj µB Hext
.
(4.74)
δ
Für ein einfach kubisches Gitter mit der Gitterkonstante a0 lässt sich dieser Ausdruck weiter
reduzieren
ωk = gj µB Hext + 2Ih S (ka0 )2
= gj µB Hext + Dk 2 ,
(4.75)
(4.76)
wobei D die sogenannte Spinwellensteifigkeit ist, welche durch Neutronenstreuexperimente
bestimmbar ist. Beim Übergang von Glg. (4.74) zu Glg. (4.75) tritt ein Faktor 2 auf, der aus
P ³~ ~´2
der Summation
k δ stammt und der in den Eigenschaften des reziproken und direkten
δ
Gittters begründet ist.
Abbildung 4.15 zeigt eine klassische Repräsentation einer Spinwelle. Die thermisch induzierte Bewegung der Spins ist korreliert und wird daher als kollektive Anregung bezeichnet.
Gleichung (4.75) kann benutzt werden, um die effektive Masse m∗ der Magnonen (Quasiteilchen) abzuschätzen: hierzu setzt man die Energie eines freien Teilchens mit der Masse
m∗ der Anregungsenergie bei Hext = 0 gleich
~k 2
2m∗
= 2Ih S~k 2 a20
¡
¢−1
⇒ m∗ = 4Ih Sa20
.
(4.77)
Für einen üblichen Ferromagneten mit einer Curie-Temperatur von etwa 300 K erhält man
eine effektive Masse von etwa 10 mal der Elektronenmasse.
Abbildung 4.15: Klassische Darstellung einer kollektiven Anregung wie sie durch den
Heisenberg-Hamiltonoperator beschrieben wird
73
4.2. BEISPIELE
Spezifische Wärme der Magnonen
¯ ¯
¯ ¯
Im Grenzfall niederenergetischer Anregungen und daher langer Wellenlängen mit ¯~k~δ¯ << 1
und bei niedrigen Temperaturen schreibt man die Energie des Magnonen-Bose-Gases als
X
U=
ωk hnB i ,
(4.78)
k
wobei hnB i die Bose-Verteilungsfunktion ist
·
µ
¶
¸−1
E
hnB i = exp
−1
kB T
Man erhält
¶
¸−1
µ
X ·
ωk
−1
U =
ωk exp
k
BT
k
1
=
(2π)3
1
=
2π 2
(4.79)
·
µ 2¶
¸−1
Dk
Dk exp
−1
d3 k
kB T
0
kZmax
0
Mit den Abkürzungen x =
kZmax
.
2
·
µ 2¶
¸−1
Dk
Dk exp
−1
dk
kB T
4
.
(4.80)
Dk2
τ
und τ = kB T schreibt man den Ausdruck aus Glg. (4.80) als
x
Zmax
5
3
τ2
1
dx x 2
.
3
exp (x) − 1
4π 2 D 2
0
Da der Integrand rasch abnimmt, kann man die obere Integrationsgrenze durch ∞ ersetzen,
sodass das Integral analytisch gelöst werden kann
µ ¶ µ
¶ µ √ ¶
5
3 π
5
Γ
,1 =
ζ
(1.341) .
2
2
4
¡ ¢
¡ ¢
Γ 52 ist die Gamma-Function und ζ 52 , 1 die Riemann’sche Zeta-Function, womit man
erhält
5
0.45τ 2
U≃
.
3
π2D 2
¡ ¢
und damit
Die spezifische Wärme bei konstantem Volumen ist cv = ∂U
∂T V
µ
¶ 23
kB T
.
(4.81)
cv = 0.113kB
D
Das Resultat bedeutet, dass in einem System, in dem man Magnonen anregt, ein Beitrag
3
zur spezifischen Wärme auftritt, der proportional zu T 2 ist. Da man experimentell diesen
Beitrag leicht von anderen Anregungen (freie Elektronen, Phononen, etc.) unterscheiden
kann, bietet eine Messung der spezifischen Wärme eine Möglichkeit, die Spinwellensteifigkeit
D zu bestimmen.
74
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
Curie-Temperatur des Heisenberg-Ferromagneten
Die Curie-Temperatur lässt sich aus der Anzahl der durch thermische Anregung umgekehrten
Spins berechnen. Das magnetische Moment ist durch den Erwartungswert der z-Komponente
aller Spins gegeben
Ã
!
X
MS = gj µB Sz = gj µB N S −
b+
.
(4.82)
k bk
k
Die Temperaturabhängigkeit des magnetischen Momentes ist daher
X
MS (0) − MS (T ) = gj µB
hnB i
gj µ B
=
2π 2
k
kZmax
0
k2
exp
³
Dk2
kB T
´
dk
.
(4.83)
−1
Mit den gleichen Abkürzungen wie im letzten Abschnitt erhält man daraus
Z∞
1
1
gj µB ³ τ ´ 32
x2
MS (0) − MS (T ) =
dx
2
2π
D
exp (x) − 1
0
¶
µ ¶ µ
3
³
´
3
3
gj µ B τ 2
,1
ζ
Γ
=
2π 2 D
2
2
µ
¶3
kB T 2
= 0.117gj µB
.
D
(4.84)
3
Gleichung (4.84) beschreibt das bekannte T 2 -Verhalten der magnteischen Momente in einem
System von wechselwirkenden lokalisierten Spins. Es wird in der Literatur auch als das
3
Bloch’sche T 2 -Gesetz bezeichnet. Es ist einfach, Glg. (4.84) umzuschreiben
Ã
µ ¶ 32 !
T
(4.85)
MS (T ) = MS (0) 1 −
Tc
µ
¶ 23
MS (0)
D
wobei Tc =
.
(4.86)
0.117gj µB
kB
Für ein kubisches Gitter mit einer Spinwellensteifigkeit D = 2Ih Sa20 und mit MS (0) =
gj µB N S mit N = 1 erhält man einen Ausdruck für Tc
5
kB Tc = 1.26 S 3 Ih a20
.
(4.87)
Gleichung (4.87) kann ebenfalls dazu verwendet werden, um einen Wert für das Austauschintegral Ih zu erhalten. fcc Gd ist ein System mit lokalisierten Spins mit einem Gesamtspin
S = 27 . Mit einer Curie-Temperatur von 300 K und einer Gitterkonstante von 5.05 Å erhalten wir einen Wert von etwa 100 meVÅ−2 , der im Vergleich mit dem Experiment durchaus
vernünftig ist.
75
4.2. BEISPIELE
Näherungen für das Heisenberg-Modell
Im allgemeineren Fall muss man nicht nur Wechselwirkungen zwischen nächsten Nachbarn,
sondern auch solche zu entfernteren Spins betrachten
X
~i S
~j
H=−
Iij S
(4.88)
i6=j
wobei die Iij wieder die Austauschintegrale zwischen Spins auf Gitterplätzen i und j sind.
Der mathematische Aufwand nimmt nun aber entsprechend zu, sodass man sehr bald nach
Näherungen gesucht hat.
Ising-Modell
Das einfachste und am weitesten verbreitete Modell ist das Ising-Model (Z. Phys. 31 253
(1930))). Der Spin-Vektor-Operator wird dabei nur ein-dimensional angenommen und hat
daher nur zwei Zustände, nämlich spin-up (+1, (↑)) und spin-down (−1 (↓)). Man verwendet
daher nur die z-Komponente des Operators, welchen man schreibt als
~i = Si~ez
S
,
(4.89)
wobei die Quantisierungsachse in z-Richtung gewählt wird. Der entsprechende Hamiltonoperator HI sieht zwar fast aus wie der Heisenbergoperator, doch hat man durch die Beschränkung auf die z-Komponente einen großen Teil der Quanteneffekte, die über die Kommutatorregeln beschrieben sind, entfernt.
X
X
HI = −
Iij Si Sj − gj µB Hext
Si
(4.90)
i6=j
i
Der erste Term in Glg. (4.91) beschreibt das kollektive Verhalten des Spin-Systems und
erlaubt auch die Möglichkeit von Phasenübergängen. Der zweite Term ist wieder die ZeemanWechselwirkung zwischen einem Spin und einem externen Feld.
Für das ein-dimensionale Ising-Modell ist es relativ einfach, eine analytische Lösung zu
finden. Die Lösung des zwei-dimensionalen Problems erfolgte durch Lars Onsager (Phys. Rev.
65 117 (1944)) in einer mathematischen tour de force. Das drei-dimensionale Ising-Modell
ist noch immer ungelöst, es exitstieren jedoch numerische Lösungen auf Basis von QuantenMonte-Carlo-Verfahren. Das ein-dimensionale Ising-Model hat einen Phasenübergang zu einem geordneten Zustand bei T = 0. Das bedeutet, dass jede noch so kleine Temperaturerhöhung die langreichweitige Ordnung zerstört. Im zwei-dimensionalen Fall gibt es einen
Phasenübergang bei endlicher Temperatur und das magnetische Moment zeigt das folgende
Verhalten
 ·³
³
´´−4 ¸β

2I

1 − sinh kB T
T < Tc
M (T ) =
,
(4.91)

 0
T ≥ Tc
mit β = 18 . Die Curie-Temperatur wird somit zu
TC =
2
I
I
√ ¢
≃ 2.269
kB
ln 1 + 2 kB
¡
.
(4.92)
76
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
XY-Modell
Das XY-Modell geht einen Schritt weiter und verwendet einen zwei-dimensionalen SpinVektor-Operator, sodass der Spin in der xy-Ebene rotieren kann. Der Spin-Vektor hat die
Form
~i = Six ex + S y ey ,
S
(4.93)
i
womit der Hamiltonoperator das Aussehen annimmt
´
X ¡
X³
¢
~ ext S
~i
HXY = −
Iij Six Sjx + Siy Sjy − gj µB Hext
H
.
(4.94)
i
i6=j
Man kann zeigen, dass das XY-Modell nur für Dimensionen größer als 2 einen traditionellen
Phasenübergang besitzt, was auch als Mermin-Wagner-Theorem bezeichnet wird.
Eine wichtige Anwendung für das XY-Modell entsteht aus der Tatsache, dass man magnetische Anisotropie leicht simulieren kann. Führt man den Anisotropieparameter λ ein, so
erhält man
´
X
X
X³
~ ext S
~i .
HXY = −
Iij Six Sjx − (1 − λ)
Iij Siy Sjy − gj µB Hext
H
i
i6=j
i6=j
(4.95)
Der Wert λ = 0 beschreibt das isotrope XY-Modell, λ = 1 liefert ein quasi-Ising-Modell,
wobei die x-Achse die Quantisierungsachse ist.
Mean-field -Näherung für das Heisenberg-Modell
Wie wir gesehen haben, sind Produkte von Spin-Operatoren mühsam zu behandeln. Ein
Ausweg kann gefunden werden, wenn man die paarweise Wechselwirkung zwischen den Spins
durch eine Wechselwirkung eines Spins mit einem gemittelten Feld, das durch alle anderen
Spins erzeugt wir, ersetzt. Man schreibt, vorerst noch exakt, den Spin-Operator als dessen
thermischen Mittelwert plus die Abweichungen von diesem (Fluktuationen)
D E ³
D E´
~k = S
~k + S
~k − S
~k
S
.
(4.96)
|
{z
}
Fluktuationen
Man setzt dies in den Heisenberg-Hamiltonoperator ein
D E´i hD E ³
D E´i
X hD E ³
~i + S
~i − S
~i
~j + S
~j − S
~j
H=−
Iij S
S
,
(4.97)
i6=j
multipliziert aus und vernachlässigt alle Terme in zweiter und höherer Ordnung in den Fluktuationen. Der Rest ist dann der Heisenberg-Hamiltonoperator in der Mean-field -Näherung
D E´
X D ED E X ³ D E
~i S
~j −
~j S
~i + S
~i S
~j
HMF =
Iij S
Iij S
i6=j
i6=j
"
#
X D ED E X
X D E
~i S
~j −
~j
~i 2
=
Iij S
Iij S
S
i6=j
i
j
.
(4.98)
77
4.2. BEISPIELE
Der erste Term in Glg. (4.98) ist konstant, der zweite Term hkann interpretiert
D Ei werden als Spin
P
~i , der mit einem durch alle anderen Spins erzeugten Feld 2
~
S
wechselwirkt. Die
j Iij Sj
Lösung für die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung ist durch die Brillouinfunktion
gegeben (siehe FKI). Für die Curie-Temperatur erhält man
Tc =
2S (S + 1) 1 X
Iij
3kB
N i6=j
.
(4.99)
Nimmt man ein fcc oder bcc Gitter von Spins an, so erhält man
2S (S + 1) 1
(12J1 + 6J2 + 24J3 + 12J4 + 24J5 ) fcc
3kB
78
2S (S + 1) 1
(8J1 + 6J2 + 12J3 + 24J4 + 8J5 ) bcc ,
=
3kB
58
Tc =
Tc
wobei die Summation jeweils bis zum 5t-nächsten Nachbarn geht. Die Resultate für die
Curie-Temperaturen sind recht gut, jedoch systematisch zu hoch, was daran liegt, dass man
durch den Mean-field -Ansatz Quantenfluktuationen unterdrückt hat.
Antiferromagnetische Magnonen
Eine Behandlung des antiferromagnetischen Falles gelingt relativ leicht, wenn man den antiferromagnetisch geordneten Kristall in zwei jeweils ferromagnetisch geordnete Untergitter
zerlegen kann (dies ist jedoch nicht in jeder Kristallstruktur möglich). Der entsprechende
Hamiltonoperator hat dann die folgende Form
X
X
X
X
b
a
b
b
~la S
~l+δ
~ja S
~j+δ
S
− gj µB HA
Szj
+ gj µ B H A
Szl
.
(4.100)
S
+J
H=J
j,δ
l,δ
j
l
Die Spins auf den beiden Untergittern a und b stehen in antiferromagnetischer Wechselwirkung miteinander, innerhalb eines Untergitters sorgt das Anisotropiefeld HA für eine
ferromagnetische Ordnung. Die Richtung der Anisotropiefelder der beiden Untergitter ist
antiparallel, dies wird auch als staggered magnetization bezeichnet. Man führt zwei Gitterindizes j und l für die beiden Untergitter ein und auch die entsprechenden Erzeugungsund Vernichtungsoperatoren treten doppelt auf. Darüber hinaus ist die Ableitung über weite
Strecken identisch mit der für den ferromagnetischen Fall. Da jedoch eine Kopplung zwischen
den beiden Untergittern besteht, landet man beim Problem, dass die Lösung des Eigenwertproblems (die Diagonalisierung der Hamiltonmatrix) nur in verallgemeinerten Koordinaten
möglich ist. Diese Lösung wird auch als das Bogoliubov-Problem bezeichnet und die analytische Behandlung ist einigermaßen aufwändig.
Man erhält jedenfalls
µ
¶ X
¡
¢
1
H1 = −2JN zS (S + 1) − 2N gj µB HA S +
+
ωk αk αk+ + βk+ βk + 1
, (4.101)
2
k
78
KAPITEL 4. ELEMENTARE ANREGUNGEN
wobei αk αk+ und βk+ βk die Magnonen-Erzeuger und -Vernichter auf den entsprechenden Untergittern sind und für ωk gilt
ωk = (2JSz + gj µB HA )2 − (2JSz )2 γk2
.
(4.102)
Wenn man nun HA vernachlässigt, kann man mit den gleichen Näherungen für γk wie im
ferromagnetischen Fall die Dispersionsrelation für die antiferromagnetischen Magnonen im
Grenzfall kleiner ~k erhalten
√
ωk = 4 3JSka ,
(4.103)
was eine lineare Dispersionsrelation darstellt.
Die Berechnung der spezifischen Wärme erfolgt analog zum ferromagnetischen
¯ ¯ Fall. Im
¯ ¯
Grenzfall niederenergetischer Anregungen und daher langer Wellenlängen mit ¯~k~δ¯ << 1 und
bei niedrigen Temperaturen schreibt man die Energie des Magnonen-Bose-Gases wieder als
X
U=
ωk hnB i ,
(4.104)
k
wobei hnB i die Bose-Verteilungsfunktion ist. Die Analogie zu den Phononen (lineare Dispersionsrelation) legt eine ähnliche Behandlung nahe. Für die Phononen ist die spezifische
Wärme durch die Debye-Funktion gegeben, wobei darin bekanntlich eine materialspezifische
Größe, die Debye-Temperatur Θ, auftritt. Ähnliches lässt sich für die antiferromagnetischen
Magnonen durchführen, wenn man eine maximale Frequenz der Magnonen-Anregungen definiert
kB Θk
ωk ≃
,
(4.105)
kBZ
wobei kBZ der reziproke Gittervektor der ersten Brillouinzone ist. Die spezifische Wärme bei
tiefen Temperaturen hat somit die gleiche analytische Form wie im Fall der Phononen
µ ¶3
T
cv ∝
.
(4.106)
Θ
Kapitel 5
Wechselwirkungen
5.1
Elektron-Phonon-Wechselwirkung
In unserer bisherigen Beschreibung der Gitterschwingungen sind wir von elektrisch neutralen Massen ausgegangen. In einem realen Festkörper tragen die Atome aber eine elektrische
Ladung. So beschreibt man ein Metall z.B. oft als Gitter aus positiv geladenen Ionen (Atome
ohne Valenzelektronen) in einem See aus annähernd freien Leitungselektronen (Valenzelektronen). Jedes Ion stellt ein Coulombpotential dar. Da die Coulombkraft als Funktion des
Abstandes r von einem gegebenen Ion mit 1/r2 abnimmt, die Anzahl der nächsten Nachbarn
um ein gegebenes Ion aber mit r2 zunimmt, ist die Wechselwirkung langreichweitig. Die Behandlung von Phononen in einem solchen sog. Coulomb-Gitter ist nichttrivial (Summationen
müssen mit größter Genauigkeit durchgeführt werden). Für longitudinal polarisierte Wellen
nimmt ω im Limit kleiner ~k den endlichen Wert
s
r
4πρ0 e2
ρ0 e2
Ωp =
(CGS)
bzw.
Ωp =
(SI),
(5.1)
M
ǫ0 M
die ionische Plasmafrequenz an. e ist die Ladung, M die Masse der Teilchen und ρ0 die Anzahl der Teilchen pro Einheitsvolumen. Im Coulomb-Gitter gibt es also keine longitudinalen
Schallwellen im üblichen Sinne, denn Ωp ist nicht proportional zum Wellenvektor ~k. Da wir
aber wissen, dass es in Metallen sehr wohl longitudinale Schallwellen wohldefinierter Geschwindigkeit gibt, scheint das Coulomb-Gitter kein geeignetes Modell zur Beschreibung von
Metallen zu sein. Dies lässt sich mit dem Konzept der Abschirmung (screening) verstehen:
Man stellt sich vor, dass die Elektronen den Bewegungen der Ionen folgen, also in Phase schwingen, und dass sich daher effektiv elektrisch neutrale Teilchen bewegen. Tatsächlich
schirmt das Elektronengas das elektrische Feld der Ionen nicht zur Gänze ab. Das liegt daran,
dass bei einer Erhöhung der lokalen Elektronendichte auf Grund des Pauliprinzips die kinetische Energie der Elektronen zunimmt. Die Elektronen fließen also nur solange, bis die Summe
ihrer elektrischen potentiellen Energie und ihrer kinetischen Energie räumlich homogen ist.
Das residuelle elektrische Feld ist die Ursache für die Elektron-Phonon-Wechselwirkung.
Es sei noch erwähnt, dass es neben der in-Phase-Schwingung von Ionen und Elektronen
auch eine Mode gibt, in der die Schwingungen von Ionen und Elektronen die entgegengesetz79
80
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
te Phase haben. Diese Art der Schwingung nennt man Plasmaschwingung. Die Frequenz der
Plasmaschwingung ist durch Glg. 5.1 gegeben, wenn man die Ionenmasse M durch die Elektronenmasse m ersetzt. Genauer genommen müsste man M durch die reduzierte Elektronenmasse im Schwerpunktssystem aus Ion und Elektron ersetzten, was aber wegen M ≫ m keinen merklichen Unterschied macht. Die Plasmafrequenz ist von der Größenordnung 1016 Hz,
was einer Quantenenergie ~ωp der Größenordnung 10 eV entspricht. Das ist eine sehr hohe Energie für Elektronen in einem Metall, denn die meisten Metalle schmelzen bereits bei
thermischen Energien der Größenordnung 0.1 eV (1000 K). Daher können die Quanten der
Plasmaschwingung, die Plasmonen, nicht thermisch erzeugt werden. Man sagt, dass diese
Freiheitsgrade ausgefroren sind (frozen out). Plasmonen können aber sehr wohl in optischen
Experimenten angeregt werden werden.
Häufig wird zur Behandlung der Elektron-Phonon-Wechselwirkung vom FröhlichHamiltonoperator
H=
X
~k
ǫ~k c~†k c~k +
X
~ωq~aq†~aq~ +
q~
X
M~kk~′ (a†−~q + aq~)c~†k ck~′
(5.2)
~k,k~′
mit dem Matrixelement der Elektron-Phonon-Kopplung
M~kk~′ = i
s
N ~ ~′ ~
|k − k|V~k−k~′
2M ωq~
(5.3)
ausgegangen. Der erste Term ist die Energie nichtwechselwirkender Fermionen, der die Elektronen im gitterperiodischen Potential beschreibt. Der zweite Term ist die Energie der Phononen für den Fall, dass die Ionen auf Grund der oben besprochenen Abschirmung nur über
ein kurzreichweitiges Potential miteinander wechselwirken und somit ωq~ ∼ ~q für ~q → 0. Der
dritte Term beschreibt die Elektron-Phonon-Wechselwirkung. Zur Herleitung dieses Ausdrucks wurden folgende weitere Vereinfachungen gemacht:
1. Die Elektronen wechselwirken wiederum nur über ein kurzreichweitiges, abgeschirmtes
Potential mit den schwingenden Ionen (screening).
2. Das durch ein bestimmtes Ion bedingte Potential hänge nur vom Abstand zum Zentrum des Ions ab, nicht also von der momentanen Auslenkung des Ions aus seiner
Gleichgewichtslage (rigid-ion-Näherung).
3. Die Auslenkungen der Ionen aus ihren Gleichgewichtslagen seien klein. Dann ist es
berechtigt, die Fourierentwicklung des Elektron-Ion-Potentials nach dem ersten Glied,
das linear in der Auslenkung ist, abzubrechen (Linearisierung in der Auslenkung, harmonische Näherung).
4. Es wurde der Einfachheit halber ein einatomiges Gitter betrachtet und ein isotropes
Phononenspektrum angenommen.
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
81
Die Auslenkungen der Ionen aus ihren Gleichgewichtslagen wurden nach PhononenErzeugern aq†~ und -Vernichtern aq~ (Glg. 4.37 und 4.38) entwickelt. Betrachten wir den Wechselwirkungsterm etwas genauer. Er besteht aus zwei Teilen, Terme die a†−~qc~†k ck~′ enthalten
und solche die aq~c~†k ck~′ enthalten. Diese zwei Teile können durch die Diagramme in Abb. 5.1
(a) und (b) dargestellt werden. In (a) wird ein Elektron von k~′ nach ~k gestreut (ein Elektron mit k~′ wird vernichtet und ein anderes mit ~k wird erzeugt) und dabei ein Phonon mit
Wellenvektor k~′ − ~k emittiert. Ganz analog wird in (b) ein Elektron unter Absorption eines
Phonons mit Wellenvektor ~k − k~′ von k~′ nach ~k gestreut.
Abbildung 5.1: Der Wechselwirkungsterm des Fröhlich-Hamiltonoperators beschreibt die
Streuung eines Elektrons von k~′ nach ~k unter Emission (a) oder Absorption (b) eines Phonons. Die Gesamtwellenzahl ist in beiden Fällen erhalten.
Die wichtigsten Konsequenzen der Elektron-Phonon-Wechselwirkung sind:
1. Der Wellenvektor k~′ ist offenbar für die Elektronen keine gute Quantenzahl mehr, denn sie werden von k~′ nach ~k gestreut. Die Elektronen haben folglich nur eine endliche Lebensdauer im Blochzustand k~′ . Daraus resultiert insbesondere ein wesentlicher Beitrag zum elektrischen Widerstand.
2. Die elektronischen Eigenzustände und Eigenwerte werden modifiziert. Insbesondere kann es dazu kommen, dass sich eine Gitterpolarisation mit dem
82
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Elektron gemeinsam durch das Gitter bewegt. Unter bestimmten Umständen
spricht man dabei von einem neuen Quasiteilchen, dem Polaron. Es besteht aus einem Elektron plus der es umgebenden Polarisationswolke. Das
Polaron hat eine größere effektive Masse als ein normales Leitungselektron.
3. Das von einem Elektron emitierte Phonon kann von einem anderen Elektron
wieder absorbiert werden, so dass dieses Phonon eine effektive Elektron-ElektronWechselwirkung überträgt. Diese kann attraktiv sein, was der Mechanismus der
(herkömmlichen) Supraleitung ist. Dies kann man anschaulich auch so verstehen, dass
die von einem Elektron induzierte Gitterpolarisation zu einem späteren Zeitpunkt
von einem zweiten Elektron wegen der Ansammlung positiver Ionenladung (Auslenkung) noch attraktiv gespürt wird. Das entsprechende Diagramm geht aus dem für
das Polaron hervor, wenn man den geschlossenen Weg von k~′ in zwei offene umzeichnet.
4. Die Phononen-Eigenschaften und effektiven Frequenzen werden durch die
Elektron-Phonon-Wechselwirkung ebenfalls renormiert. Insbesondere existieren Prozesse, bei denen ein propagierendes Phonon zwischenzeitlich von
Elektronen absorbiert werden kann bzw. ein Elektron-Loch-Paar erzeugt.
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
83
Im Folgenden werden wir einige dieser Prozesse etwas genauer betrachten.
5.1.1
Auswirkung auf die Dispersionsrelation der Phononen
In diesem Abschnitt soll der Einfluss der Elektron-Phonon-Wechselwirkung auf das
Phononen-Spektrum untersucht werden. Dazu werden wir die Änderung der Grundzustandsenergie störungstheoretisch berechnen. In quantenmechanischer Störungsrechnung 2. Ordnung schreiben wir
ǫ = ǫ0 + hΦ|He−p |Φi + hΦ|He−p (ǫ0 − H0 )−1 He−p |Φi.
(5.4)
ǫ0 ist die Energie des ungestörten Zustandes |Φi, in dem nq~ Phononen in der longitudinal polarisierten Mode ~q vorhanden sind und n~k Elektronen im Zustand ~k. H0 umfasst
die ersten beiden Terme in Glg. 5.2, ist also der ungestörte Hamiltonoperator. He−p ist der
Wechselwirkungsterm (3. Term) aus Glg. 5.2. Der Term erster Ordnung verschwindet, da die
Komponenten in He−p angewandt auf |Φi ein Phonon erzeugen bzw. eines vernichten. Damit
ist die resultierende Wellenfunktion orthogonal zu |Φi. Im Term zweiter Ordnung verschwinden hingegen nicht alle Beiträge, da ein Phonon, das bei Wirken des rechten He−p auf |Φi
vernichtet (erzeugt) wird beim Wirken des linken He−p auf die resultierende Wellenfunktion
wieder erzeugt (vernichtet) werden kann. Der Term zweiter Ordnung ergibt sich zu
X
ǫ2 = hΦ|
M~kk~′ (a†−~q + aq~)c~†k ck~′ (ǫ0 − H0 )−1
~k,k~′
×
X
k~′′ ,k~′′′
= hΦ|
X
~k,k~′
Mk~′′ k~′′′ (a†−q~′ + aq~′ )c†k~′′ ck~′′′ |Φi
|M~kk~′ |2 [a†−~qc~†k ck~′ (ǫ0 − H0 )−1 a−~qc†k~′ c~k
+aq~c~†k ck~′ (ǫ0 − H0 )−1 aq†~c†k~′ c~k ]|Φi,
(5.5)
da alle anderen Terme ein verschwindendes Matrixelement haben. Der erste Term in der
eckigen Klammer von Glg. 5.5 kann mit dem Diagramm in Abb. 5.2 (a) dargestellt werden. Ein Elektron wird zunächst von ~k nach k~′ gestreut, wobei es ein Phonon mit Wellenvektor −~q = k~′ − ~k absorbiert. Der Faktor (ǫ0 − H0 )−1 misst die durch die Heisenberg’sche Unschärferelation gegebene Zeit, die das Elektron im Zwischenzustand k~′ verbringt. Da die Energiedifferenz zwischen Ausgangszustand und Zwischenzustand in diesem
Fall ǫ~k + ~ω−~q − ǫk~′ ist, ist der Faktor (ǫ~k + ~ω−~q − ǫk~′ )−1 . Danach wird das Elektron unter
Reemission des Phonons in seinen Ausgangszustand zurückgestreut. Der zweite Term in der
eckigen Klammer wird durch das Diagramm in Abb. 5.2 (b) repräsentiert. Der die Zeit im
Zwischenzustand messende Energiefaktor ist hier (ǫ~k −~ωq~ −ǫk~′ )−1 . Verwenden wir jetzt noch
die Besetzungszahloperatoren n~k = c~†k c~k und nq~ = aq†~aq~ und die Beziehungen c~k c~†k = 1 − n~k
und aq~aq†~ = 1 + nq~, so erhält man
µ
¶
X
hn−~qi
hnq~ + 1i
2
|M~kk~′ | hn~k (1 − nk~′ )i
ǫ2 =
.
(5.6)
+
ǫ
ǫ
~k − ǫk~′ + ~ω−~
~k − ǫk~′ − ~ωq~
q
′
~k,k~
84
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Abbildung 5.2: Die beiden Prozesse in (a) und (b) tragen in Störungstheorie 2. Ordnung zur
Energie des Elektron-Phonon-Systems bei.
hn~k i und hnk~′ i sind die Besetzungszahlen der Elektronen, hnq~i und hn−~qi jene der Phononen.
Unter der Annahme, dass ωq~ = ω−~q und dass daher im Gleichgewicht hnq~i = hn−~qi gilt,
kann man Glg. 5.6 umordnen [die Terme in der runden Klammer in Glg. 5.6 auf den gleichen Nenner bringen, ausmultiplizieren, Terme kürzen, wieder in zwei Terme aufteilen und
berücksichtigen, dass bei der Multiplikation des Ergebnisses mit hn~k (1 − nk~′ )i der Term in
hn~k nk~′ nq~i aus Symmetriegründen verschwindet] und findet für die Gesamtenergie (Glg. 5.4)
¸
·
X
1 − hnk~′ i
2(ǫ~k − ǫk~′ )hnq~i
2
.
(5.7)
+
ǫ = ǫ0 +
|M~kk~′ | hn~k i
(ǫ~k − ǫk~′ )2 − (~ωq~)2 ǫ~k − ǫk~′ − ~ωq~
′
~k,k~
Der Effekt der Elektron-Phonon-Wechselwirkung steckt in dem Term in Glg. 5.7, der pro(p)
portional zu hnq~i ist. Die Phononenenergie im wechselwirkenden System, die mit ~ωq~ (p für
perturbed) bezeichnet wird, ist gerade die Energie, die benötigt wird, um die Besetzungszahl
hnq~i um 1 zu erhöhen. Damit ergibt sich
(p)
~ωq~
=
∂ǫ
∂hnq~i
= ~ωq~ +
X
~k
|M~kk~′ |2
2hn~k i(ǫ~k − ǫk~′ )
,
(ǫ~k − ǫk~′ )2 − (~ωq~)2
(5.8)
wobei k~′ = ~k −~q. Vernachlässigen wir im Nenner von Glg. 5.8 die Phononenenergie gegenüber
den Elektronenenergien, ergibt sich
X
(p)
2|M~kk~′ |2 hn~k i(ǫk~′ − ǫ~k )−1 .
(5.9)
~ωq~ = ~ωq~ −
~k
(p)
Die Änderung der Phononenenergie durch die Elektron-Phonon-Wechselwirkung ~ωq~ − ~ωq~
kann man sich veranschaulichen, indem man das Diagramm in Abb. 5.2 (a), das ja den uns
hier interessierenden Term symbolisiert, gemäß Abb. 5.3 umzeichnet (ein - und auslaufendes ~k miteinander verbinden). Die erste Wechselwirkung ist dann nicht mehr die Streuung
eines Elektrons, sondern die Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares. Damit kann man die
85
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
Abbildung 5.3: Gemäß dieser alternativen Darstellung des Prozesses in Abb 5.2 (a) verbringt
ein Phonon einen Teil seiner Zeit als virtuelles Elektron-Loch-Paar.
veränderte Energie des Phonons darauf zurückführen, dass das Phonon eine gewisse Zeit als
Elektron-Loch-Paar vorliegt.
Obwohl (ǫ~k−~q − ǫ~k )−1 für gewisse ~k-Werte unendlich werden kann, bleibt die Summe über
den drei-dimensionalen ~k-Raum auf Grund der Integration über alle Richtungen endlich. In
eindimensionalen Metallen hingegen kommt es zu einer Divergenz des Korrekturterms (vgl.
Abschnitt 5.1.2).
Eine interessante Folge von Glg. 5.9 ist die sog. Kohn-Anomalie in Metallen, die auftritt,
wenn der Wellenvektor der Phononen ~q etwa gleich groß ist wie der Durchmesser 2kF der
Fermikugel. Es sei ~q parallel zu x und von Betrag gleich 2kF . Der Wechselwirkungsterm
(p)
liefert zu ~∂ωq~ /∂qx den Beitrag
2
X
~k
|M~kk~′ |2 hn~k i(ǫ~k−~q − ǫ~k )−2
∂ǫ~k−~q
∂qx
(5.10)
wobei die ~q-Abhängigkeit von M~kk~′ vernachlässigt wurde. Setzt man noch die Energie der
Elektronen ǫ~k = ~2~k 2 /(2m) ein, so findet man, dass die Summe Terme mit dem Faktor
hn~k i(k~x − k~F )−2 enthält. Beim Auswerten der Summe führen diese zu einer logarithmischen
Divergenz. Ein entsprechendes Phononenspektrum ist in Abb. 5.4 zu sehen. Die Stufe am Ort
q = 2kF ist die Kohn-Anolalie. Sie bedeutet eine unendlich große Gruppengeschwindigkeit
der Phononen an diesem Ort. Die praktische Bedeutung der Kohn-Anomalie liegt darin, dass
es auch für noch so komplexe Metalle immer ein Abbild der Fermifläche im Phononenspektrum gibt. Untersuchungen des Phononenspektrums z.B. mit Neutronenstreu-Experimenten
können also gleichzeitig Informationen über die Gestalt der Fermifläche liefern.
5.1.2
Der Peierls-Übergang
In Abschnitt 4.1.3 haben wir bereits das Auftreten von Solitonen in Polyacetylen besprochen.
Hier werden wir nun die Ursache für die Dimerisierung der Kette behandeln.
Jedes Kohlenstoffatom ist in Polyacetylen an ein Wasserstoffatom und an zwei Kohlenstoffatome gebunden. Wenn alle Bindungen Einfachbindungen wären, bliebe pro Kohlenstoffatom ein Elektron übrig, da Kohlenstoff vier Valenzelektronen hat. Man könnte Polyacetylen
86
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Abbildung 5.4: Die Kohn-Anomalie in der Phononen-Dispersionsrelation tritt auf, wenn der
Wellenvektor der Phononen ~q gleich dem Durchmesser der Fermikugel ist.
dann als eindimensionals Bravaisgitter der Gitterkonstante a (Abstand zweier Kohlenstoffatome) mit der Bandstruktur in Abb. 5.5 (a) beschreiben. Das Band ist halb gefüllt, d.h.
kF = π/(2a), was einem metallischen Zustand entspricht. Die Kohn-Anomalie würde bei
q = 2kF = π/a auftreten, was gerade der halbe reziproke Gittervektor ist. Die Wellenlänge
(λ = 2π/q) dieses Phonons ist also 2a, was bedeutet, dass benachbarte Monomere in Antiphase schwingen (Monomere im Abstand 2a schwingen in Phase). Um die Änderung der
Kreisfrequenz ωq dieses Phonons durch die Elektron-Phonon-Wechselwirkung abzuschätzen,
setzen wir q = (π/a)(1 + δ) und berechnen die Summe in Glg. 5.9 für den eindimensionalen
Fall. Wir erhalten
(p)
(5.11)
~ωq~ − ~ωq~ ∼ lnδ.
Für δ → 0 geht dies gegen −∞. Was soll aber eine unendlich große Störung der Phononenfrequenz bedeuten? Beim Übergang von einer endlichen positiven Störung nach −∞
(p)
muss die gestörte Phononenfrequenz ~ωq~ durch Null gehen. Ein Phonon mit Frequenz Null
entspricht aber gerade einer statischen Verzerrung des Gitters. Das Gitter dimerisiert also,
sodass die effektive Größe der Einheitszelle nun 2a beträgt. Damit fallen die Fermipunkte
(3D: Fermifläche, 2D: Fermilinien, 1D: Fermipunkte) gerade mit dem Rand der 1. BrillouinZone zusammen und Bragg-Streuung der elektronischen Zustände der Fermipunkte führt
zur Öffnung einer Bandlücke bei k = ±π/(2a), wie in Abb. 5.5 (b) gezeigt. Mit dieser neu-
87
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
Abbildung 5.5: Das halbgefüllte Band in (a) würde Polyacetylen zu einem metallischen Leiter
machen. Die Dimerisierung macht es jedoch zu einem Isolator, da eine Energielücke am
Ferminiveau entsteht.
en Form für ǫ~k bleibt die Summe in Glg. 5.9 endlich. Diese Art der Dimerisierung wird als
Peierls-Übergang bezeichnet.
5.1.3
Der Jahn-Teller-Übergang
Der Jahn-Teller(JT)-Übergang ist das dreidimensionale Analogon zum Peierls-Übergang.
Wenn die Energie einer elastischen Verzerrung durch einen Gewinn an elektronischer Energie überkompensiert wird, zeigt sich eine spontane Brechnung der Gittersymmetrie, wie zum
Beispiel ein Phasenübergang von einer kubischen in eine tetragonale Phase. Jahn-TellerÜbergange treten vor allem in Oxiden der Übergangsmetalle mit Perovskit-Struktur auf, z.B.
in LaMnO3 . Die Elemente der Übergangsmetalle zeichen sich durch nicht vollständig gefüllte
d-Orbitale aus. Das Kristallfeld hat einen starken Einfluss auf die Energie dieser Orbitale.
Der Begriff Kristallfeld ist bereits bei der tight-binding-Näherung in Abschnitt 6.1.1 aufgetreten. Der Effekt, dass sich beim Übergang von freien Atomen zum Kristall das Potential und
somit auch die Energie der Elektronen ändert, wurde dort mit Hilfe des onsite-Integrals A
beschrieben. Benützt man als Basisfunktionen die kubisch-harmonische Darstellung (symmetrieadaptierte Wellenfunktionen), so sind die fünf d-Orbitale durch nachstehende Ausdrücke
(in symbolischer Schreibweise) gegeben:
t2g :
ψ1 = C1 xy
f (r)
,
r2
ψ2 = C2 xz
f (r)
,
r2
ψ3 = C3 yz
f (r)
r2
(5.12)
88
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
eg :
¡
¢ f (r)
ψ4 = C4 x2 − y 2
,
r2
¡
¢ f (r)
ψ5 = C5 3z 2 − r2
r2
.
(5.13)
Die Klassifikation dieser Zustände erfolgt aufgrund ihrer Symmetrieeigenschaften. Im Fall
eines kubischen oder tetragonalen Kristallfeldes spalten die fünf d-Orbitale energetisch in
zwei Gruppen zu drei (t2g )- und zu zwei (eg )-Zuständen auf. Diese Darstellungen entstehen
aus Linearkombinationen der entsprechenden Wellenfunktionen χn,l,m = Rn,l (r) Yl,m (θ, φ).
Verwendet man wasserstoffartige Funktionen, so bekommt man die folgenden Ausdrücke
(Z...Kernladungszahl, a0 ...erster Wasserstoffradius 5, 2918 × 10−11 m, ρ = Zr/a0 ):
n = 1, E1 = − (Ze)2 / (2a0 )
ψ1s ≡ χ1,0,0
n = 2,
µ
Z
a0
¶3/2
exp (−ρ)
.
(5.14)
E2 = − (Ze)2 / (8a0 )
ψ2s ≡
ψ2px ≡
ψ2py ≡
ψ2pz ≡
n = 3,
1
=√
π
µ
¶3/2
³ ρ´ ³
ρ´
exp −
1−
,
χ2,0,0
2
2
µ ¶3/2
³ ρ´
Z
1
1
√ (χ2,1,1 + χ2,1,−1 ) = √
exp − ρ sin θ cos φ ,
2
2
4 2π a0
µ ¶3/2
³
1
Z
ρ´
1
√ (χ2,1,1 − χ2,1,−1 ) = √
exp − ρ sin θ sin φ ,
2
4 2π a0
2i
µ ¶3/2
³ ρ´
Z
1
exp − ρ cos θ .
χ2,1,0 = √
2
4 2π a0
1
= √
2 2π
Z
a0
(5.15)
(5.16)
(5.17)
(5.18)
E3 = − (Ze)2 / (18a0 )
ψ3s ≡ χ3,0,0
1
= √
3 3π
µ
Z
a0
¶3/2
¶
³ ρ´ µ
2ρ 2ρ2
1−
exp −
+
3
3
27
1
ψ3px ≡ √ (χ3,1,1 + χ3,1,−1 )
2
r µ ¶3/2
¶
³ ρ´ µ
ρ2
2 2 Z
exp −
ρ−
sin θ cos φ ,
=
27 π a0
3
6
1
ψ3py ≡ √ (χ3,1,1 − χ3,1,−1 )
2i
r µ ¶3/2
¶
³ ρ´ µ
ρ2
2 2 Z
sin θ sin φ ,
exp −
ρ−
=
27 π a0
3
6
r µ ¶3/2
¶
³ ρ´ µ
ρ2
2 2 Z
exp −
ρ−
ψ3pz ≡ χ3,1,0 =
cos θ
27 π a0
3
6
1
ψ3dxy ≡ √ (χ3,2,2 + χ3,2,−2 )
2
,
(5.19)
(5.20)
(5.21)
,
(5.22)
89
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
=
ψ3dx2 −y2 ≡
=
ψ3dxz ≡
=
ψ3dyz ≡
=
ψ3dz2 ≡
µ ¶3/2
³ ρ´
Z
1
√
exp − ρ2 sin2 θ cos (2φ) ,
3
81 2π a0
1
√ (χ3,2,2 − χ3,2,−2 )
2i
µ ¶3/2
³ ρ´
Z
1
√
exp − ρ2 sin2 θ sin (2φ) ,
3
81 2π a0
1
√ (χ3,2,1 + χ3,2,−1 )
2
r µ ¶3/2
³ ρ´
1 2 Z
exp − ρ2 cos θ sin θ cos φ ,
81 π a0
3
1
√ (χ3,2,1 − χ3,2,−1 )
2i
r µ ¶3/2
³ ρ´
1 2 Z
exp − ρ2 cos θ sin θ sin φ ,
81 π a0
3
µ ¶3/2
³ ρ´ ¡
¢
Z
1
exp − ρ2 3 cos2 θ − 1
χ3,2,0 = √
3
81 6π a0
(5.23)
(5.24)
(5.25)
(5.26)
.
(5.27)
Anmerkung: Für die wasserstoffartigen Atome hängen die Orbitalenergien nur von der
Hauptquantenzahl n ab. Erst in Mehrelektronenatomen sorgt die Elektron-ElektronWechselwirkung für eine Aufhebung dieser Energieentartung.
Für eine kubische oder tetragonale Koordination der Atome im Kristall beschreiben die
symmetrieadaptierten Wellenfunktionen die Bindungsrichtungen zu den weiteren Atomen
und stellen somit einen geometrieoptimierten Basissatz dar. Im Fall einer oktaedrischen Koordination (Abb. 5.7) weisen die zwei eg -Orbitale zu den sechs nächsten Nachbarn und die
drei t2g -Orbitale genau durch die Oktaederflächen hindurch. Haben wir nun eine ionische
Verbindung der Form [TiCl3 ] vorliegen (in einem Oktaedernetzwerk ist die Formeleinheit
[TiCl3 ]) mit Ti3+ und Cl1− , so werden Elektronen in den Ti-eg -Orbitalen von den ebenfalls negativ geladenen Cl1− -Ionen abgestossen, sodass sich ihre Energie um den Betrag 6Dq
erhöht. Die Ti-t2g -Orbitale hingegen weichen den negativen Cl1− -Ionen aus und ihre Energie
wird um 4Dq abgesenkt. Im Fall einer tetraedrischen Koordination ist es genau umgekehrt,
da jedoch die Anzahl der nächsten Nachbarn kleiner ist, ist wegen der reduzierten Wechselwirkung auch die entsprechende Aufspaltungsenergie geringer.
Es ist zu beachten, dass bei kovalenten Bindungen jeweils genau der umgekehrte Mechanismus auftritt: Bei oktaedrischer Koordination werden die eg -Orbitale energetisch abgesenkt und die t2g -Orbitale angehoben. Der Grund liegt darin, dass bei der Ausbildung einer
kovalenten Bindung der Überlapp der Orbitale zu einer Anhäufung der Elektronen in der
Bindungsrichtung und damit zu einer Absenkung der Energie (Bindungsenergie) führt!
Lassen wir nun eine volumserhaltende Verzerrung des Oktaeders entlang der z-Achse zu,
d.h. die z-Achse des Oktaeders wird länger, die xy-Achsen entsprechend kürzer. Die Abstoßung der Orbitale in der xy-Ebene wird damit größer und jene entlang der z-Achse kleiner.
Als Folge werden die eg - und die t2g -Zustände weiter um die Energie ET aufspalten, wie
90
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Abbildung 5.6: Darstellung der t2g - und eg -Orbitale.
in Abb. 5.8 gezeigt. Nehmen wir nun an, dass das Atom im Zentrum des Oktaeders sieben
d-Elektronen hat (z.B Co). Die ersten sechs Elektronen besetzten dann alle drei t2g -Orbitale.
Das siebte Elektron muss zwangsläufig eines der beiden eg -Orbitale besetzen. Kommt es nun
zu einer tetragonalen Verzerrung, beispielsweise durch die Anregung eines entsprechenden
Phonons (sog. Q3 -Mode), so wird die Energie des eg -Elektrons gemäss Abb. 5.8 abgesenkt.
Das System könnte daher bei einem solchen Prozess Energie gewinnen, wenn nicht auch
Energie notwendig wäre, um die elastische Verformung des Oktaeders zu bewirken. Man
kann daher die folgende “Energiebilanz”´ aufstellen: Die Energie der elastischen Verzerrung
um die Strecke ∆z wird in niedrigster Ordnung proportional zu ∆z 2 sein (Hook’sches Gesetz); der Gewinn an “elektronischer Energie”´ ist für kleine ∆z linear. Abbildung 5.9 zeigt
nun den entsprechenden Effekt, der zu einer statischen Verzerrung des Oktaeders führt. Man
bezeichnet ihn als kooperativen Jahn-Teller-Effekt. Es sei noch erwähnt, dass auch die Ausbildung von antiferromagnetischer Ordnung entlang der z-Achse eine Brechung der kubischen
Symmetrie darstellt und in analoger Weise zu einer Gitterverzerrung führen kann. Dies ist
z.B. bei fcc Mn der Fall.
Der Jahn-Teller-Effekt kann aber auch zu magnetischen Phasenübergängen führen. Nehmen wir einmal an, wir hätten ein Zentralatom M mit acht d-Elektronen (z.B. Ni). Wie
bei Co werden die ersten sechs Elektronen die t2g -Orbitale besetzen. Die beiden restlichen
Elektronen werden gemäß der Hund’schen Regel mit parallelem Spin je eines der beiden
eg -Orbitale besetzen, sodass man ein magnetisches Moment von 2µB feststellt. Kommt es
nun zu einer tetragonalen Verzerrung, so gibt es für kleine Verzerrungen keinen Gewinn an
5.1. ELEKTRON-PHONON-WECHSELWIRKUNG
91
Abbildung 5.7: Aufspaltung der d-Orbitale in t2g und eg im kubischen und tetraedrischen
Kristallfeld. Die Gesamtenergie bleibt erhalten.
Abbildung 5.8: Aufspaltung t2g und eg bei tetragonaler Verzerrung (Dehnung entlang z) des
Tetraeders.
elektronischer Energie, da die Aufspaltung der beiden eg -Orbitale äquidistant ist. Wird bei
größerer Verzerrung der Energieunterschied zwischen den beiden Elektronen jedoch größer
als die Spinpaarungsenergie, so wird das Elektron aus dem höheren Niveau seinen Spin umkehren und das tiefere eg -Orbital wird von zwei Elektronen mit antiparallelem Spin besetzt
werden. In diesem Zustand kann das System jedoch bei weiterer Verzerrung Energie gewin-
92
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Abbildung 5.9: Die elastische Energie der Verzerrung Ev und die elektronische Energie Eel
summieren sich zu Etot , welches ein Minimum bei einer statischen Verzerrung ∆z0 hat.
nen, da ja das doppelt besetzte eg -Orbital weiter abgesenkt werden kann. In jedem Fall stellt
man kein magnetisches Moment mehr fest, sondern beobachtet einen Phasenübergang vom
magnetisch geordneten in einen nichtmagnetischen Zustand als Folge der Gitterverzerrung.
5.1.4
Auswirkungen auf die Elektronen
Ebenso wie die Energie der Phononen durch die Wechselwirkung mit den Elektronen
verändert wird, kann auch die Energie der Elektronen durch die Wechselwirkung mit den
Phononen eine Änderung erfahren. Um diesen Prozess zu untersuchen, betrachten wir
Glg. 5.7 im Limit tiefer Temperaturen, wo hnq~i für alle ~q verschwindet. Die gestörte Elektro(p)
nenenergie ǫ~k ist wiederum die Energie, die benötigt wird, um die Besetzungszahl hn~k i um
1 zu erhöhen:
(p)
ǫ~k
∂ǫ
∂hn~k i
·
X
2
|M~kk~′ |
= ǫ~k +
=
k~′
= ǫ~k +
X
k~′
2
|M~kk~′ |
·
1 − hnk~′ i
hnk~′ i
−
ǫ~k − ǫk~′ − ~ωq~ ǫk~′ − ǫ~k − ~ωq~
¸
¸
2~ωq~hnk~′ i
.
−
ǫ~k − ǫk~′ − ~ωq~ (ǫ~k − ǫk~′ )2 − (~ωq~)2
1
(5.28)
Der erste Term in der eckigen Klammer hängt nicht von nk~′ ab und ist daher eine Korrektur
der Elektronenenergie, die auch für ein einzelnes Elektron in einem Isolator auftreten würde.
Tatsächlich kann die Wirkung dieses Terms in ionischen Kristallen so groß sein, dass es
sinnvoll ist, den Begriff Polaron zur Beschreibung des in Abb. 5.2 (b) dargestellen KompositTeilchens aus Elektron und virtueller Phononen-Wolke zu verwenden. Man stellt sich vor,
93
5.2. ELEKTRON-SPIN-WECHSELWIRKUNG
dass die positiv geladenen Ionen vom Elektron angezogen werden, eine Auslenkung erfahren
und somit das Gitter polarisieren (daher der Name Polaron).
Der zweite Term in der eckigen Klammer in Glg. 5.28 hängt hingegen von der Besetzung
der anderen k-Zustände ab. In einem Metall führt er in der k-Abhängigkeit der gestörten
(p)
Elektronenenergie ǫ~k zu einer Anomalie am Ferminiveau, wie sie in Abb. 5.10 gezeigt ist.
Man kann zeigen, dass diese Struktur zu einer veränderten Gruppengeschwindigkeit ~v~k der
Abbildung 5.10: Die Elektron-Phonon-Wechselwirkung bewirkt eine Änderung der effektiven Elektronenenergie, die zu einer Reduktion der Gruppengeschwindigkeit in der Nähe der
Fermienergie führt.
Elektronen führt:
~v~k ≈ ~v~k0 (1 − α)
mit α =
2|M̄ |2 D(ǫF )
,
~ω̄
(5.29)
wobei ~v~k0 die ungestörte Gruppengeschwindigkeit ist, |M̄ | und ω̄ Mittelwerte von |M~kk~′ | und
ωq~ und D(ǫF ) die elektronische Zustandsdichte am Ferminiveau. Diese Erniedrigung der
Elektronengeschwindigkeit entspricht einer Erhöhung der elektronischen Zustandsdichte um
den Faktor (1 − α)−1 und einer Erhöhung der effektiven Elektronenmasse um denselben
Faktor.
5.2
Elektron-Spin-Wechselwirkung
In Abschnitt 2.1 wurde das Verhalten von Schwere-Fermionen-Verbindungen vorgestellt. Hier
werden wir nun einige Aspekte der diesem Verhalten zu Grunde liegenden Elektron-SpinWechselwirkung etwas näher betrachten. Wir werden uns dabei auf die Wechselwirkung
94
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
eines Sees von Leitungselektronen mit einem einzigen Spin beschränken (Kondo-System).
Ausgangspunkt ist das Anderson-Modell.
5.2.1
Anderson-Modell
Das Anderson-Modell beschreibt ein Kollektiv von Leitungselektronen im Kontakt mit einer
einzelnen Verunreinigung (Abb. 5.11).
Abbildung 5.11: Leitungselektronenband der Bandbreite 2W in Kontakt mit einer Verunreinigung, deren Energie bei Einfachbesetzung ǫ0 ist. Um ein weiteres Elektron hinzuzufügen,
muss die Energie ǫ0 + U aufgewendet werden.
Der Anderson-Hamiltonoperator lautet
H = ǫ0 (n0↑ + n0↓ ) + U n0↑ n0↓ +
X
(ǫ~k c~†kσ c~kσ + V~k c†0σ c~kσ + V~k∗ c~†kσ c0σ ).
(5.30)
~kσ
Die ersten beiden Terme beschreiben die Verunreinigung. Wenn nur ein Elektron den Verunreinigungszustand besetzt, ist die Energie ǫ0 . Bei Doppelbesetzung ist die Energie 2ǫ0 + U ,
wobei U die gegenseitige Abstoßung zweier lokalisierter Elektronen ist. Der erste Term hinter
der Summe ist die kinetische Energie der Leitungselektronen, die anderen beiden Terme, die
proportional zur Kopplung V~k sind, beschreiben die Wechselwirkung zwischen den Leitungselektronen und der Verunreinigung [der letzte Term ist der vorletzte hermitisch konjugiert:
(V~k c†0σ c~kσ )† = c~†kσ c0σ V~k∗ = V~k∗ c~†kσ c0σ ; Zahlen werden komplex konjugiert, Operatoren hermitisch konjugiert, die Reihenfolge umgekehrt; Zahlen wie V~k∗ können, wie im letzten Schritt,
verschoben werden; die Addition des hermitisch konjugierten Terms ist nötig, um H hermitisch zu machen]. Die Verunreinigung kann z.B. zur Beschreibung einer ungefüllten äußeren
d- oder f -Schale verwendet werden. In diesem Fall beschreibt Glg. 5.30 ein Kondo-System
(vgl. Abschnitt 2.1). Die Tatsache, dass in d- oder f -Schalen meist mehr als ein Orbital
verfügbar ist, kann berücksichtigt werden. Da die Spin-Freiheitsgrade, die in Glg. 5.30 enthalten sind, aber bereits zu vielen interessanten Effekten führen, werden wir uns hier auf
ein einziges Orbital (Index 0) beschränken. Damit die Verunreinigung in Glg. 5.30 wie ein
magnetisches Moment wirkt, müssen wir folgende Annahmen treffen:
• Das Ferminiveau ǫF der Leitungselektronen liegt weit oberhalb von ǫ0 . Damit ist der
Verunreinigungszustand mit hoher Wahrscheinlichkeit besetzt.
5.2. ELEKTRON-SPIN-WECHSELWIRKUNG
95
• Dagegen ist ǫ0 + U wesentlich größer als ǫF und damit Doppelbesetzung so gut wie
ausgeschlossen.
• Die Kopplung V~k zwischen Verunreinigung und Leitungselektronen sei klein.
Statt Störungstheorie in V~k zu betreiben, werden wir einen effektiven Hamiltonoperator
herleiten, der den Einfluss der Verunreinigung auf die niederenergetischen Anregungen des
Systems beinhaltet, also die Tieftemperatur-Physik beschreibt. Dazu müssen wir hochenergetische Zustände eliminieren.
Zunächst möchten wir den Hamiltonoperator so aufschlüsseln, dass es möglich ist, jederzeit festzustellen, ob die Verunreinigung leer ist (n0 = 0, d.h. n0↑ = 0 und n0↓ = 0), einfach
besetzt ist (n0 = 1, d.h. n0↑ = 1 und n0↓ = 0 oder umgekehrt) oder doppelt besetzt ist
(n0 = 2, d.h. n0↑ = 1 und n0↓ = 1). Dazu benötigen wir die Projektionsoperatoren P0 , P1
und P2 . P0 angewandt auf einen beliebigen Quantenzustand, in dem der Verunreinigungszustand besetzt ist, ergibt null. Angewandt auf einen leeren Zustand ergibt es hingegen den
Zustand selbst. Auf analoge Weise projezieren P1 und P2 die Unterräume zu n0 = 1 und
n0 = 2 aus. Formal kann man
P0 = (1 − n0↓ )(1 − n0↑ )
(5.31)
schreiben und ähnliche Ausdrücke für die anderen beiden Operatoren. [Wirkt P0 auf einen
Zustand mit unbesetzter Verunreinigung (n0 = 0), so ist P0 = (1 − 0)(1 − 0) = 1 der
Einheitsoperator, ergibt also den Zustand selbst. Wirkt P0 hingegen auf einen Zustand, in
dem die Verunreinigung mindestens einfach besetzt ist, so ist einer der Klammerausdrücke
oder beide null und P0 angewandt auf einen solchen Zustand ergibt null.] Weiters definieren
wir
|Ψ0 i = P0 |Ψi, |Ψ1 i = P1 |Ψi, |Ψ2 i = P2 |Ψi
(5.32)
und
Hll′ = Pl HPl′ .
(5.33)
(H10 gibt z.B. die Wirkung des Hamiltonoperators auf jenen Teil der Wellenfunktion an, der
einen leeren Verunreinigungszustand hat und selektiert vom Ergebnis jenen Teil, der einer
einfach besetzten Verunreinigung entspricht.) Damit können wir H|Ψi = ǫ|Ψi umschreiben
zu





|Ψ0 i
|Ψ0 i
H00 H01 0
 H10 H11 H12   |Ψ1 i  = ǫ  |Ψ1 i  .
(5.34)
|Ψ2 i
|Ψ2 i
0 H21 H22
H02 = H20 = 0, da die Terme im Hamiltonoperator die Besetzung des Verunreinigungszustandes höchstens um eins ändern können. In Glg. 5.34 liegt die Wirkung des Hamiltonoperators auf die einzelnen Zustände der Verunreinigung getrennt vor. Damit können wir nun
durch Elimination der Unterräume n0 = 0 und n0 = 2 das Problem für |Ψ1 i betrachten. Die
oberste Zeile von Glg. 5.34 ist
H00 |Ψ0 i + H01 |Ψ1 i = ǫ|Ψ0 i,
(5.35)
96
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
woraus
|Ψ0 i = (ǫ − H00 )−1 H01 |Ψ1 i
(5.36)
|Ψ2 i = (ǫ − H22 )−1 H21 |Ψ1 i
(5.37)
folgt. Auf analoge Weise ergibt sich aus der untersten Zeile von Glg. 5.34
Einsetzen von Glg. 5.36 und 5.37 in die mittlere Zeile von Glg. 5.34 liefert schließlich
£
¤
H10 (ǫ − H00 )−1 H01 + (H11 − ǫ) + H12 (ǫ − H22 )−1 H21 |Ψ1 i = 0.
(5.38)
Durch Elimination von |Ψ0 i und |Ψ2 i ist das ursprüngliche Problem (Glg. 5.30) in Glg. 5.38
zur Gänze durch Zustände ausgedrückt, in denen die Verunreinigung einfach besetzt ist. Diese
Formulierung ist dann sinnvoll, wenn man aus physikalischen Gründen eine Einfachbesetzung
erwartet.
Als nächstes müssen wir für die Hll′ explizite Ausdrücke finden. Betrachten wir zunächst
H10 . Es muss auf einen Zustand mit unbesetzter Verunreinigung wirken und einen Zustand
mit einfachbesetzter Verunreinigung erzeugen. Der einzige Anteil von H (Glg. 5.30), der so
wirkt, ist
X
V~k c†0σ c~kσ .
(5.39)
~kσ
Allerdings erledigt dieser Ausdruck nicht die geforderte Vernichtung von Zustände mit einfach besetzter Verunreinigung. Dazu muss rechts noch der Projektionsoperator P0 (Glg. 5.31)
hinzugefügt werden:
X
V~k c†0σ c~kσ P0
(5.40)
H10 =
~kσ
=
X
~kσ
=
X
~kσ
=
X
~kσ
V~k c†0σ c~kσ (1 − n0↓ )(1 − n0↑ )
(5.41)
V~k c†0σ c~kσ (1 − n0,−σ )(1 − n0σ )
(5.42)
V~k c†0σ c~kσ (1 − n0,−σ ).
(5.43)
Im letzten Schritt wurde der Term (1 − n0σ ) weggelassen. Er ist überflüssig, denn falls
der Verunreinigungszustand mit Spin σ besetzt ist, wird er bereits von c†0σ anihiliert (für
Fermionen verbietet das Pauliprinzip Besetzungszahlen > 1). Da H hermitisch ist (H =
H † ⇒ Hll′ = Hl∗′ l ), gilt (n0,−σ ist hermitisch)
X
∗
(5.44)
V~k∗ (1 − n0,−σ )c~†kσ c0σ .
H01 = H10
=
~kσ
H00 wirkt auf einen Zustand mit unbesetzter Verunreinigung und belässt die Verunreinigung
auch unbesetzt. Damit kann H00 mit dem Hamiltonoperator der ungestörten Leitungselektronen identifiziert werden:
X †
ǫ~k c~kσ c~kσ
(5.45)
H00 =
~kσ
97
5.2. ELEKTRON-SPIN-WECHSELWIRKUNG
H11 wirkt auf einen Zustand mit einfach besetzter Verunreinigung (entweder mit ↑ oder mit
↓) und belässt die Verunreinigung auch in diesem Zustand. Damit unterscheidet sich H11
von H00 nur durch die Energie ǫ0 der einfach besezten Verunreinigung
X †
(5.46)
ǫ~k c~kσ c~kσ
H11 = ǫ0 +
~kσ
und H22 durch jene der doppelt besetzten Verunreinigung
X †
ǫ~k c~kσ c~kσ .
H22 = 2ǫ0 + U +
(5.47)
H21 kann auf ähnliche Weise wie H10 hergeleitet werden:
X
∗
V~k c†0σ c~kσ n0,−σ .
=
H21 = H12
(5.48)
~kσ
~kσ
5.2.2
Von der Verunreinigung zum lokalen Moment
Mit Hilfe dieser Beziehungen kann nun gezeigt werden, dass Glg. 5.38 näherungsweise Leitungselektronen beschreibt, die mit einem magnetischen Moment am Ort der Verunreinigung
wechselwirken. Betrachten wir zunächst den ersten Term
H10 (ǫ − H00 )−1 H01 |Ψ1 i
X
£
¤−1
|Ψ1 i
V~k∗ (1 − n0,−σ )c~†kσ c0σ ǫ − (H11 − ǫ0 + ǫ~k )
= H10
(5.49)
(5.50)
~kσ
Hier wurde H01 zuerst gemäß Glg. 5.44 eingesetzt. Dann wurde (ǫ − H00 )−1 auf die rechte
Seite von c~†kσ gebracht. Dabei musste ǫ~k zu H00 addiert werden, da ohne die Vertauschung
H00 ja auf ein Leitungselektron im Zustand ~kσ gewirkt hätte und dessen Energie ǫ~k geliefert
hätte. Setzt man nun noch H10 gemäß Glg. 5.43 ein, so sieht man, dass der Term in Glg. 5.50
von der Ordnung |V~k |2 ist und somit auf Grund unserer Annahme kleiner Kopplungen sehr
klein ist. Dasselbe gilt für den dritten Term in Glg. 5.38. Damit reduziert sich Glg. 5.38 in
niedrigster Ordnung zu (H11 − ǫ)|Ψ1 i = 0. Glg. 5.38 beschreibt einen Zustand, in dem die
Verunreinigung einfach besetzt ist, mit virtuellen Übergängen zu einer unbesetzten und einer
doppelt besetzten Verunreinigung. In Glg. 5.50 können wir zur Ordnung |V~k |2 den Ausdruck
ǫ − H11 durch 0 ersetzen. Beschränken wir uns auf angeregte Zustände ~k in der Nähe der
Fermifläche, so können wir ǫ~k durch ǫF ersetzen und erhalten
H10 X ∗
V~k (1 − n0,−σ )c~†kσ c0σ |Ψ1 i
(5.51)
ǫ 0 − ǫF
~kσ
=
X Vk~′ V~∗
k
~kk~′ σσ ′
=
ǫ 0 − ǫF
X Vk~′ V~∗
k
~kk~′ σσ ′
ǫ F − ǫ0
c†0σ′ ck~′ σ′ (1 − n0,−σ′ )(1 − n0,−σ )c~†kσ c0σ |Ψ1 i
(5.52)
c†0σ′ c~†kσ ck~′ σ′ c0σ |Ψ1 i
(5.53)
98
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Im letzten Schritt wurden die beiden Terme in den runden Klammern weggelassen. Man kann
sich davon überzeugen, dass sie immer nur 1 ergeben, außer wenn ohnehin alles verschwindet
(z.B.: ist in |Ψ1 i der Verunreinigungszustand ↑, so bleiben nur die Summanden übrig, bei denen dieser Zustand mit c0↑ vernichtet wird, denn c0↓ |Ψ1 i ist in diesem Fall 0. Die als nächstes
wirkenden Anzahloperatoren in den runden Klammern sind für diese nichtverschwindenden
Summanden 0, die Klammerausdrücke also 1). Außerdem wurde die Reihenfolge von ck~′ σ′
und c~†kσ vertauscht und somit das Vorzeichen geändert (die Operatoren antikommutieren).
Im Unterraum n0 = 1 kann die Verunreinigung nur zwei verschiedene Zustände annehmen,
↑ und ↓. Diese können mit den Zuständen eines Spin-1/2-Teilchens identifiziert werden. Die
Summe über σ und σ ′ in Glg. 5.53 enthält den folgenden Ausdruck (der Operator c0σ kann
vor c~†kσ ck~′ σ′ gezogen werden, da er auf die Verunreinigung und nicht auf Leitungselektronen
wirkt und somit mit c~†kσ ck~′ σ′ vertauscht):
c†0↑ c0↑ c~†k↑ ck~′ ↑ + c†0↓ c0↑ c~†k↑ ck~′ ↓ + c†0↑ c0↓ c~†k↓ ck~′ ↑ + c†0↓ c0↓ c~†k↓ ck~′ ↓
= n0↑ c~†k↑ ck~′ ↑ + c†0↓ c0↑ c~†k↑ ck~′ ↓ + c†0↑ c0↓ c~†k↓ ck~′ ↑ + n0↓ c~†k↓ ck~′ ↓
(5.54)
(5.55)
Führen wir jetzt noch den Spin-Erzeugungsoperator S + , den Spin-Vernichtungsoperator S −
und die z-Komponente des Spins S z mit
S + = c†0↑ c0↓ ,
S − = c†0↓ c0↑
n0↑ − n0↓
und S z =
2
(5.56)
(5.57)
(5.58)
(5.59)
ein, so kann man Glg. 5.55 weiter schreiben als
n0↑ c~†k↑ ck~′ ↑ + n0↓ c~†k↓ ck~′ ↓ + S − c~†k↑ ck~′ ↓ + S + c~†k↓ ck~′ ↑ .
(5.60)
Die ersten beiden Summanden können weiter umgeformt werden:
n0↑ c~†k↑ ck~′ ↑ + n0↓ c~†k↓ ck~′ ↓
1
1
(n0↑ − n0↓ )(c~†k↑ ck~′ ↑ − c~†k↓ ck~′ ↓ ) + (n0↑ + n0↓ )(c~†k↑ ck~′ ↑ + c~†k↓ ck~′ ↓ )
2
2
X
1
c† c ~′
= S z (c~†k↑ ck~′ ↑ − c~†k↓ ck~′ ↓ ) +
2 σ ~kσ k σ
=
(5.61)
(5.62)
(5.63)
Beim letzten Schritt wurde berücksichtigt, dass im Unterraum zu n0 = 1 der Faktor (n0↑ +
n0↓ ) immer 1 ist. Damit kann Glg. 5.53 geschrieben werden als
#
"
X Vk~′ V~∗
X
1
k
c~†kσ ck~′ σ |Ψ1 i.
(5.64)
S + c~†k↓ ck~′ ↑ + S − c~†k↑ ck~′ ↓ + S z (c~†k↑ ck~′ ↑ − c~†k↓ ck~′ ↓ ) +
ǫ F − ǫ0
2 σ
′
~kk~
99
5.2. ELEKTRON-SPIN-WECHSELWIRKUNG
Die ersten drei Terme in der eckigen Klammer stellen die Wechselwirkung von Leitungselektronen (bzw. deren Spins) mit einem lokalen magnetischen Moment von Spin 1/2 dar. Der
letzte Term ist eine kleine Korrektur der Energien der Leitungselektronen. Er ist unabhängig
vom Spin. Formt man den dritten Term in der eckigen Klammer von Glg. 5.38 auf ähnliche
Weise wie den ersten um, so erhält man schließlich für den effektiven Hamiltonoperator, der
nur auf Zustände vom Typ |Ψ1 i anzuwenden ist
(
)
h
i
X
X
J~kk~′ S + c~†k↓ ck~′ ↑ + S − c~†k↑ ck~′ ↓ + S z (c~†k↑ ck~′ ↑ − c~†k↓ ck~′ ↓ ) + K~kk~′
Hef f = H11 +
c~†kσ ck~′ σ
σ
~kk~′
(5.65)
mit
J~kk~′ =
5.2.3
Vk~′ V~k∗
·
¸
1
1
.
+
ǫ F − ǫ0 U + ǫ 0 − ǫF
(5.66)
Skalentheorie
Im vorhergehenden Abschnitt haben wir gezeigt, dass durch Eliminieren von Verunreinigungszuständen weit ober- und unterhalb des Ferminiveaus ein Verunreinigungspotential in
ein magnetisches Moment überführt werden kann. Andererseits kann durch Eliminieren von
Leitungselektronenzuständen an den Bandkanten die Kopplung zwischen Leitungselektronen
und einem lokalen magnetischen Moment verstärkt werden. Dabei wird eine Serie von verschiedenen aber äquivalenten Hamiltonoperatoren erzeugt, solche mit starker Kopplung an
das magnetische Moment und kleiner Bandbreite, andere mit schwacher Kopplung an das
magnetische Moment und großer Bandbreite.
Wir gehen von einer etwas vereinfachten Form des Hamiltonoperators aus Glg. 5.65 und
5.66 aus
i
X h
X
J S + c~†k↓ ck~′ ↑ + S − c~†k↑ ck~′ ↓ + S z (c~†k↑ ck~′ ↑ − c~†k↓ ck~′ ↓ )
ǫ~k c~†kσ c~kσ +
(5.67)
H=
~kk~′
~kσ,ǫ~ <W
k
und definieren die Projektionsoperatoren nun wie folgt. P2 projeziert Leitungselektronenzustände mit W − δW < ǫ~k < W aus, P1 solche mit −W + δW < ǫ~k < W − δW und P0
solche mit −W < ǫ~k < −W + δW , wie in Abb. 5.12 dargestellt. Wir nennen diese drei Energiebereiche im Folgenden 2, 1 und 0 (vgl. Abb 5.12). Zustände aus dem Bereich 1 werden
mit ~k und k~′ bezeichnet, solche aus dem Bereich 2 mit ~q und q~′ . Damit ergeben sich die
Hamiltonoperatoren H12 und H21 , die die Streuung eines Leitungselektrons aus dem Bereich
2 in den Bereich 1 und umgekehrt beschreiben zu
i
Xh
†
z †
− †
+ †
(5.68)
S c~k↓ cq~↑ + S c~k↑ cq~↓ + S (c~k↑ cq~↑ − c~k↓ cq~↓ )
H12 = J
~k~
q
H21 = J
Xh
k~′ q~′
i
S + c†q~′ ↓ ck~′ ↑ + S − c†q~′ ↑ ck~′ ↓ + S z (c†q~′ ↑ ck~′ ↑ − c†q~′ ↓ ck~′ ↓ ) .
(5.69)
Im vorhergehenden Abschnitt waren H02 und H20 exakt Null. Das ist hier nicht der Fall.
Falls jedoch W/J ≫ 1 gilt, sind Prozesse, bei denen ein Leitungselektron aus dem Bereich
100
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
2
1
0
Abbildung 5.12: Ein schmales Band der Breite δW wird an der oberen (Bereich 2) und
unteren Bandkante (Bereich 0) entfernt. Übrig bleibt Bereich 1. Die Kopplung zum magnetischen Moment im System mit reduzierter Bandbreite ist verstärkt (durch größeren Pfeil
symbolisiert).
2 in den Bereich 0 gestreut wird (oder umgekehrt), sehr unwahrscheinlich. Wir werden uns
hier auf den Fall W/J ≫ 1 beschränken und setzen H02 = H20 = 0.
Nun müssen wir die drei Terme in Glg. 5.38 betrachten. Wir beginnen mit dem dritten
Term
H12 (ǫ − H22 )−1 H21 |Ψ1 i
≈ H12 H21 {ǫ − [H22 + (W − ǫF )]}−1 |Ψ1 i
≈ H12 H21 (−W )−1 |Ψ1 i
(5.70)
(5.71)
(5.72)
Beim ersten Schritt wurde (ǫ − H22 )−1 auf die rechte Seite von H21 gezogen. Damit wirkt
H22 auf einen Leitungselektronenzustand im Bereich 1 statt auf einen im Bereich 2 und die
Energiedifferenz (W −ǫF ) muss zu H22 addiert werden (ǫF ist die größte Energie eines besetzten Zustandes, also eines Teilchens, das vernichtet werden kann. Ein Teilchen in der Nähe
von W wird erzeugt.) Im zweiten Schritt haben wir uns auf niederenergetische Anregungen
(ǫ ≈ ǫF ) beschränkt, die Energien als Abstände von ǫF ausgedrückt (d.h. W − ǫF → W ) und
berücksichtigt, dass H22 |Ψ1 i verschwindet, da im Zustand |Ψ1 i Leitungselektronenzustände
in der Nähe von W unbesetzt sind. Wir verzichten darauf, die etwas mühselige Ausmultiplikation von H12 H21 explizit durchzuführen und geben gleich das Endergebnis an
X3X †
H12 H21 = J 2 D(W ) [−δW ]
c c ~′
(5.73)
4 σ ~kσ k σ
~kk~′
h
i
†
+ †
− †
z †
− S c~k↓ ck~′ ↑ + S c~k↑ ck~′ ↓ + S (c~k↑ ck~′ ↑ − c~k↓ ck~′ ↓ ) .
Der erste Term in Glg. 5.38, der die Eliminierung von Zuständen aus dem Bereich 0 darstellt,
ergibt den gleichen Beitrag. Der effektive Hamiltonoperator aus Glg. 5.38 erhält damit die
5.2. ELEKTRON-SPIN-WECHSELWIRKUNG
101
gleiche Form wie Glg. 5.67, aber mit einem neuen Wert J + δJ für J:
J + δJ = J − 2
J2
D(W )δW.
W
(5.74)
δW ist negativ, weil die Bandbreite ja reduziert wird. Die Energie der Leitungselektronen
ist durch Addition des Terms
δW X †
3 2
c c ~′
J D(W )
2
W ′ ~kσ k σ
(5.75)
~kk~ σ
verändert.
Die Renormalisierung von J in Glg. 5.74 kann nun immer wieder durchgeführt werden,
um schließlich die Änderung von J bei großen Änderungen von W zu erhalten. Aus Glg. 5.74
folgt
δJ
J2
= −2 D(W ).
(5.76)
δW
W
Natürlich wird sich auch die Zustandsdichte D(W ) mit W verändern. Allerdings wird sie,
wenn W kleiner und kleiner wird und J somit größer und größer, gegen den Wert D0 der
Zustandsdichte am Ferminiveau gehen. Um die grundlegende Struktur von Glg. 5.76 zu erkennen, setzen wir D(W ) = D0 , integrieren und erhalten
µ
1
W exp −
2D0 J
¶
= const ≡ kB TK .
(5.77)
TK ist die Kondo-Temperatur. Zwei Hamiltonoperatoren mit verschiedenen Werten von W
und J haben die gleiche Kondo-Temperatur und daher das gleiche Tieftemperatur-Verhalten,
wenn W und J über Glg. 5.77 miteinander in Beziehung stehen. Zudem wird bei einer
Änderung von W auch die Energie der Leitungselektronen durch Addition des Terms in
Glg. 5.75 verändert. Dieser Term hängt allerdings nicht direkt vom magnetischen Moment
der Verunreinigung ab.
Zwei Grenzfälle von Glg. 5.77 haben besondere Bedeutung. TK sei konstant, aber W und
J werden variiert.
1. J sei klein, W exponentiell groß. Dieser Grenzfall beschreibt eine große Population von
Leitungselektronen, die sehr schwach mit dem magnetischen Moment wechselwirken.
Dieser Fall kann mit Störungstheorie behandelt werden.
2. J sei groß, W klein. In diesem Grenzfall wechselwirkt eine kleine Anzahl von Leitungselektronen sehr stark mit dem magnetischen Moment. Unterhalb der KondoTemperatur führt dies zu starken antiferromagnetischen Korrelationen zwischen den
Leitungselektronen und dem magnetischen Moment.
102
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Skalenverhalten des elektrischen Widerstandes
Um physikalische Konsequenzen aus der Skalenbeziehung Glg. 5.77 abzuleiten, nehmen wir
an, dass die physikalischen Eigenschaften eines Systems über eine universelle Funktion
F (T /TK ) von der Temperatur abhängen. Das bedeutet, dass zwei Systeme mit dem selben TK im Wesentlichen ununterscheidbar sind. Betrachten wir den spezifischen elektrischen
Widerstand
µ ¶
T
ρ=F
.
(5.78)
TK
Für sehr schwache Kopplung J der Leitungselektronen an das magnetische Moment folgt
aus der allgemeinen Streutheorie im schwachen Potential, dass ρ mit J 2 verschwindet. Dieses
Verhalten für kleine J ergibt sich z.B. mit der folgenden Funktion:
¸2
·
1
F (x) =
(5.79)
ln(x)
¸2
·
µ ¶
2D0 J
T
= ρ=
(5.80)
⇒F
TK
1 + 2D0 J ln(kB T /W )
≈ 4D02 J 2 [1 − 4D0 J ln(kB T /W )]
(5.81)
Im letzten Schritt wurde nach dem ersten Glied der Taylor-Reihe [1/(1 + x)2 = 1 − 2x + ...]
abgebrochen. Auch die experimentell beobachtete logarithmische Zunahme des elektrischen
Widerstands mit abnehmender Temperatur oberhalb der Kondo-Temperatur TK wird von
dieser Funktion richtig wiedergegeben. Die Temperaturabhängigkeit des gesamten Widerstandes bei tiefen Temperaturen ergibt sich unter Berücksichtigung des Bloch’schen T 5 Terms zu
ρ ∼ AT 5 − BnMV ln(kB T /W ),
(5.82)
wobei A und B Konstanten sind und nMV die Dichte magnetischer Verunreinigungen. Das
Minimum im Widerstand tritt auf bei
µ
¶1/5
BnMV
dρ
= 0 ⇒ Tmin =
.
(5.83)
dT
5A
Auch diese Anhängigkeit der Position des Minimums von nMV beschreibt die experimentellen
Ergebnisse gut. Bei T → TK versagt die Funktion in Glg. 5.80 allerdings, da sie hier divergiert,
was sicher unphysikalisch ist. Hier liefert die Funktion
µ ¶ ·
¸2
1
T
=
F
(5.84)
TK
cosh−1 (T /TK )
vernünftigere Resultate.
Skalenverhalten der spezifischen Wärme
In metallischen Systemen ist die spezifische Wärme bei tiefen Temperaturen proportional
zur Temperatur. Die Skalentheorie legt daher den Ansatz
¶
µ
T
kB T
1
(5.85)
Cv ∼ n
exp
=n
TK
W
D0 J
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
103
nahe. Wir haben bereits in Kap. 3 gesehen, dass TK in diesem Ausdruck die Rolle der Fermitemperatur TF spielt. Da i.A. TK ≪ TF ist die spezifische Wärme stark erhöht.
5.3
Elektron-Photon-Wechselwirkung
Licht ist als direkter Sinneseindruck viel mehr mit religiös, philosophischen und psychologischen Inhalten überfrachtet worden als jeder andere physikalische Effekt. Es kommt nicht von
ungefär, dass die Schöpfungsgeschichte der monotheistischen Religionen mit der Erschaffung
des Lichts beginnt. Erst nach der Renaissance wurde Licht auch von der naturwissenschaftlichen Seite betrachtet. Decartes und Snellius waren bereits von der Wellennatur überzeugt
und ihre Experimente zum Lichtpfad bei Brechnung und Reflexion veranlassten Fermat zur
Formulierung seines Prinzip des schnellsten Lichtweges. Die Arbeiten von Huygens brachten
das Elementarwellenprinzip und die Polarization und basierten bereits auf der Welleneigenschaft. Newton (1666) griff die Idee der Polarisation auf und postulierte, dass Licht somit
aus zwei Seiten bestand und damit aus Teilchen (Korpuskeln) bestehen müsste. Es entstand
ein massiver Disput zwischen Newton und Huygens, der ja von der Wellennatur des Lichtes
überzeugt war, den Newton jedoch 1715 für sich entschied. Newton war zu diesem Zeitpunkt
der unumstrittene König der Physik und auch sein damit verbundener politischer Einfluss
führten dazu, dass diese Korpuskeltheorie für die nächsten 150 Jahre uneingeschränkt als
wahr angesehen wurde. Newton war auch der erste der mit Hilfe eines Prismas Licht in sein
Spektrum zerlegte. Er ging jedoch noch einen Schritt weiter, indem er mit einem zweiten
Prisma zeigte, dass die einzelnen Farben (oder wie er es ausdrückte ”substances”) nicht weiter zerlegt werden konnten. Erst als Young am Ende des 18. Jhds. sein Doppelspaltinterferenz
Experiment ausführte war der Wellencharakter des Lichtes gesichert. Die klassische Theorie
des Lichtes wurde dann von Fresnel (1818) entwickelt und gleichzeitig wurde der Aether als
Medium in dem sich Licht fortpflanzt postuliert. Viele der Mathematiker und Physiker des
18. und 19. Jhds. befassten sich mit der Aethertheorie, darunter so bedeutende Namen wie
Navier, Poisson und Green.
Faraday und Maxwell entwickelten nahezu unabhängig voneinander die Theorie von
Elektrizität und Magnetismus. 1888 postulierte Maxwell, dass Licht eine elektromagnetische Welle sein, was durch Hertz experimentell bestätigt wurde. In der Folge wurde nach
einer Vereinigung der Aetherhypothese mit den Maxwellgleichungen für bewegte Körper gesucht. Diese Anstrengungen kulminierten in der Aufgabe des Aethers und in der speziellen
Relativitätstheorie durch Einstein (1905). Parallel dazu wurden die Prinzipien der Quantenmechanik entwickelt. Wieder war es ein Problem mit der elektromagnetischen Strahlung
das am Beginn einer neuen Ära der Physik stand. Ebenfalls in 1905 verwendete Einstein
Planck’s Ideen um den photoelektrischen Effekt zu erklären und führte damit wieder die
Teilchennatur in die Theorie ein.
Magneto- und Elektrooptik
Mit der Entwicklung der Theorie der Elektrizität und des Magnetismus wurde auch begonnen, die Wechselwirkung zwischen Licht und den elektrischen und magnetischen Feldern zu
104
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
untersuchen. Wichtige magnetooptische Effekte sind:
• Faraday-Effekt (1854)
• magneto-optischer Kerr-Effekt (1888)
• Zeeman-Effekt and inverser Zeeman-Effekt (1896)
• Voigt-Effekt (1902)
• Cotton-Mouton-Effekt (1907)
Ersetzt man das magnetische Feld durch ein elektrisches Feld, so findet man analoge Effekte:
• elektro-optischer Kerr-Effekt (1875)
• Stark-Effekt und inverser Stark-Effekt (1813)
• elektrisch induzierte Doppelbrechnung (1924)
Zeeman- und Stark-Effekt und deren inverse Effekte Bringt man ein Material (Gas,
Isolator) in ein externes magnetisches (Zeeman) oder elektrisches (Stark) Feld, so hebt die
Wechselwirkung mit dem Feld die Spinentartung auf und es kommt zur Aufspaltung einzelner Spektrallinien. Das emittierte Licht zeigt eine Frequenzverschiebung, die proportional
zur angelegten Feldstärke ist. Licht, das parallel zur Feldrichtung emittiert wird, zeigt eine Frequenzverschiebung um ±∆ν, Licht das normal zur Feldrichtung emittiert wird hat
darüber hinaus auch noch eine Komponente, deren Frequenz unverändert bleibt.
Die inversen Effekte beziehen sich statt auf Emission auf die Absorption von Licht und
sind ganz analog.
Voigt- und Faraday-Effekt Voigt: Ein optisch isotropes Material wird in einem starken
äusseren Magnetfeld doppelbrechend. Für Licht, das sich normal zur Feldrichtung ausbreitet,
hat das Material aufgrund des Zeeman-Effekts unterschiedliche optischen Konstanten.
Faraday: Analog zum Voigt-Effekt, nur das Licht ist nun parallel zum angelegten Feld.
Aufgrund der feldinduzierten Anisotropie beobachtet man eine Drehung der Polarisationsebene des transmittierten Lichtes.
Magneto-optischer Kerr-Effekt Der magneto-optische Kerr-Effekt ist identisch zum
Faraday-Effekt nur betrachtet man nicht die Transmission, sondern die Reflexion von Licht.
Abhängig von der Orientierung zwischen einfallendem Licht und der Richtung des angelegten
Feldes unterscheidet man den polaren Kerr-Effekt: das Feld steht normal auf die reflektierende Oberfläche und ist daher parallel zum einfallenden Lichtstrahl; und den longitudinalenund equatorialen-Kerr-Effekt: das Feld ist parallel zur Oberfläche.
105
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
Cotton-Mouton-Effekt Legt man an eine Flüssigkeit, bestehend aus anisotropen Molekülen, ein Feld an, so induziert man eine langreichweitige Ausrichtung der Moleküle. Diese
Reduktion der Symmetrie führt ebenfalls zu Doppelbrechnung (Flüssigkristalle). Da dieser Effekt jedoch makroskopischer Natur ist, ist er stark temperaturabhängig. Der CottonMouton-Effekt ist proportional zum Quadrat der Feldstärke.
Vergleich von Wellenlängen, Frequenzen und Energien
Der Bereich des für Menschen sichtbaren Lichtes erstreckt sich von etwa 400 bis 750 nm.
Zu kürzeren Wellenlängen hin schließt sich der Bereich des UV an. Die entsprechenden
Energien sind im Bereich der Bindungsenergien von einfachen organischen Molekülen, die
UV-Strahlung ist daher biologisch aktiv.
Zu längeren Wellenlängen hin liegt der Bereich des extremen Rot und Infrarot. Diese
Strahlung existiert hauptsächlich als Wärmestrahlung (Maximum des Plank’schen Strahlers
→ hohe Intensität) und entsteht typischerweise durch thermisch angeregte Festkörper oder
Moleküle.
Die Zusammenhänge zwischen Wellenlänge λ, Frequenz ν und Energie E sind durch die
bekannten Beziehungen: λ = c/ν , E = hν gegeben. 1eV = 1.602·10−12 erg = 1.602·10−19 J =
23.04kcal/M ol
Wellenlänge [nm] Frequenz in 1014 Hz
50
60
100
30
150
20
200
15
300
10
400
7.49
450
6.66
500
6.0
589, 3
5.09
600
5.0
650
4.61
700
4.28
800
3.75
900
3.33
1000
3.0
1100
2.72
1200
2.5
1300
2.3
1400
2.14
1500
2.0
Energie [eV]
24.8
12.4
8.27
6.2
4.13
3.1
2.75
2.48
2.1
2.07
1.91
1.77
1.55
1.38
1.24
1.12
1.03
0.95
0.88
0.83
Farbe
UV
UV
UV
UV
UV
Violett (400-440nm)
Blau (440-500nm)
Grün (500-580nm)
Gelb (Nd-D Linie!)
Orange (590-640nm)
Rot (640-750nm)
extremes Rot
Infrarot
fernes Infrarot
106
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Das Drude-Modell
Das Drude-Modell versucht auf einfache Art die Wechselwirkung von elektromagnetischer
Strahlung mit Metallen zu beschreiben. Solange die Wellenlängen des Lichtes viel grösser als
die Atomabstände sind und die Anregungsenergien klein bleiben, kann man die Wechselwirkung von Elektronen mit einem elektrischen oder magnetischen Feld dadurch beschreiben,
dass die Elektronen durch die Felder eine beschleunigende Kraft verspüren aber gleichzeitig
durch eine innere Reibung diese Energie wieder abgeben. Die klassische Bewegungsgleichung
lautet
d~v
~ − e ~v × B
~ − m ~v .
m = −eE
(5.86)
dt
c
τ
~ und B
~ sind das elektrische und magnetische Feld, τ die Relakationszeit, die die Dämpfung
E
beschreibt. Der Name Relaxationszeit kommt von der Vorstellung, dass ein Elektron, welches
sich mit der Anfangsgeschwindigkeit ~v0 in einem Festkörper befindet, ohne äußere Felder,
eine Bewegung der Form
¶
µ
t
(5.87)
~v (t) = ~v0 exp −
τ
annimmt.
~ 6= 0 ist, werden die Elektronen nach einer gewissen Zeit einen GleichIm Fall, dass E
gewichtszustand einnehmen für den ihre Geschwindigkeit im Mittel konstant ist. Lösen wir
v
~ = 0, so erhalten wir
nun Glg. 5.86 für den Fall d~
= 0 und B
dt
~v = −
τe ~
E
m
.
(5.88)
Wenn n die Dichte der Elektronen ist, so ergibt sich eine Stromdichte ~j als Antwort (response)
auf das äußere Feld
~j
ne2 τ ~
E
m
ne2 τ
⇒ σ=
,
m
= −ne~v =
(5.89)
(5.90)
wobei σ die elektrische Leitfähigkeit ist. Aus experimentellen Leitfähigkeitsdaten lässt sich
die Relaxationszeit bei Raumtemperatur zu etwa 10−14 s abschätzen.
Um die Wechselwirkung mit einer elektromagnetischen Welle zu beschreiben, betrachten
~ = 0 lautet Glg. 5.86
wir nun zeitlich variable Felder. Für den Fall B
m
d~v
~ − m ~v
= −eE
dt
τ
.
(5.91)
~ und somit von ~v von der Form
Unter der Annahme, dass die Zeitabhängigkeit von E
exp (−iωt) ist (das bedeutet, dass die Elektronen in Phase mit der äußeren Anregung schwingen), erhalten wir
~ −m
−iωm~v = −eE
~v
τ
,
(5.92)
107
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
ne2 τ
1
~
⇒ ~j = −ne~v =
E
m 1 − iωτ
1
ne2 τ
.
⇒ σ (ω) =
m 1 − iωτ
,
(5.93)
(5.94)
Da die Phase zwischen der Anregung und der Geschwindigkeit durch den arctan (ωτ ) gegeben ist, gilt für Frequenzen kleiner als 2π/τ der niederfrequente Grenzfall Glg. 5.90. Für
höhere Frequenzen sind die Anregung und der response außer Phase, sodass wir die komplexe
Leitfähigkeit berücksichtigen müssen. Viele der optischen Eigenschaften der Metalle lassen
sich jedenfalls mit diesem einfachen Modell erklären.
Maxwellgleichungen
Da die Maxwellgleichungen (MWG) klassisch sind, beschreiben sie nur den Fall für ein Photonenbad, also eine große Anzahl von Photonen. Dies ist jedoch im allgemeinen gut erfüllt,
wenn man z.B. das Reflexionsvermögen einer Metalloberfläche oder sogar einen Halbleiter
in einem Synchrotronstrahl betrachtet. Tatsächlich werden jedoch zwei Formen der Maxwellgleichungen benützt. Die eine beschreibt die fundamentalen Wechselwirkungen zwischen
geladenen Teilchen und sich ausbreitenden Wellen. Die andere, die wir benützen werden, ist
phenomenologisch und steckt all die komplizierten langreichweitigen Wechselwirkungen zwischen der großen Anzahl der Teilchen in kontinuierliche Funktionen wie den Brechungsindex
oder die Leitfähigkeit. Diese Form der MWG liefert nicht nur eine brauchbare Beschreibung der Wechselwirkung von Licht mit Festkörpern, sondern erlaubt auch, die effektiven
Wechselwirkungen von Elektronen und Photonen zwischeneinander und untereinander zu
bestimmen.
Die MWG für die Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen mit einer Elektronendichte n lauten
~ ·E
~ = −4πen ,
∇
~
~ ×E
~ = − 1 ∂B ,
∇
c ∂t
~
~
∇·B = 0 ,
~
~
~ ×B
~ = 4π j + 1 ∂ E
∇
c
c ∂t
(5.95)
(5.96)
(5.97)
.
(5.98)
Diese Form der MWG ist im Prinzip mikroskopisch, da der response aller Ladungen auf die
Felder explizit behandelt wird. Maxwell hat aber auch noch eine andere Form entwickelt, in
der die mikroskopischen Felder und der response des Materiales (die Polarisation) gemeinsam
behandelt werden. Dazu sind 3 Schritte nötig:
1. Man unterscheidet zwischen Ladungen außerhalb des Systems (next ) und jenen innerhalb (nint ). Die externen Ladungen wirken auf das System, während die internen
Ladungen den response bilden. (Um die Schreibweise zu vereinfachen werden wir, falls
nicht explizit angegeben, bei den internen Ladungen den subscript “int” weglassen:
nint = n , ~jint = ~j.)
108
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Abbildung 5.13: Überblick über die Längen und Energieskalen für die Wechselwirkung von
Licht mit kondensierter Materie.
2. Wir definieren die Polarisation P~ über die zeitliche Verschiebung von Ladung, also
über die Stromdichte ~jint
Z t
P~ =
dt′~jint (t′ ) .
(5.99)
Mit der Kontinuitätsgleichung für die Ladungsträger erhält man
−e
∂nint
∂t
~ · ~jint
= −∇
~ · P~
⇒ enint = ∇
(5.100)
,
(5.101)
109
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
~ als
sodass man das Feld D
~ =E
~ + 4π P~
D
,
(5.102)
~ enthält nun auch den response der internen Ladungen.
definieren kann. Das Feld D
Die MWG lauten nun
~ ·D
~ = −4πenext ,
∇
~
~ ×E
~ = − 1 ∂B ,
∇
c ∂t
~
~
∇·B = 0 ,
~
~
~ ×B
~ = 4π jext + 1 ∂ D
∇
c
c ∂t
(5.103)
(5.104)
(5.105)
.
(5.106)
~ zu finden, nehmen
3. Um einen Zusammenhang zwischen dem Strom ~j und dem Feld E
wir an, dass das Material homogen ist, d.h. eine Verschiebung um einen konstanten
Vektor das gleiche Ergebnis liefert. Dieses hängt somit nicht von den speziellen Werten
von ~r und t ab, sondern nur von der jeweiligen Differenz: σ (~r, ~r′ , t, t′ ) = σ (~r − ~r′ , t − t′ ).
Unter der Annahme, dass der Strom linear mit dem Feld zusammenhängt, können wir
ganz allgemein schreiben
Z
~ (~r, t)
~j (~r, t) =
dt′ d~r′ σ (~r − ~r′ , t − t′ ) E
(5.107)
~ (~r, t)
≡ σ∗E
,
(5.108)
wobei σ in der allgemeinsten Form ein 3 × 3 Tensor ist. Die Interpretation für den ortsund zeitabhängigen Leitfähigkeitstensor σ ist, dass er den Strom ~j beschreibt, der durch
~ zur Zeit t = 0 entsteht. Die Annahme der
einen Delta-Funktions-Puls des Feldes E
Homogenität bedeutet auch, dass wir unser Modell nur bei Wellenlängen anwenden
können, die viel größer als die Gitterabstände sind.
Es ist nun üblich, alle Größen von der Orts-Zeit-Darstellung in eine ImpulsFrequenz-Darstellung
zu transformieren. Dies gelingt mit der Fouriertransformation
R ′ ′
dt d~r exp (iωt − i~q~r) und liefert
~ (~q, ω)
~j (~q, ω) = σ (~q, ω) E
.
(5.109)
~ (Polarisation) und dem Feld E
~ ist
Der Zusammenhang zwischen dem Verschiebungsfeld D
durch den Dielektrizitätstensor ǫ gegeben, welcher definiert wird als
~ (~r, t) = ǫ ∗ E
~ (~r, t)
D
~ (~q, ω) = ǫ (~q, ω) E
~ (~q, ω)
⇒ D
(5.110)
.
(5.111)
Kombinieren wir nun die Gleichungen 5.99, 5.102, 5.109 und 5.111 so erhalten wir den
Zusammenhang zwischen dem Dielektrizitäts- und dem Leitfähigkeitstensor
ǫ (~q, ω) = 1 +
4πi
σ (~q, ω)
ω
.
(5.112)
110
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Gleichung 5.112 stellt einen sehr wichtigen Zusammenhang zwischen Experiment und Theorie her. Während für das Experiment die Messung der dielektrischen Größen und damit der
Dispersion und Absorption von elektromagnetischen Wellen ein Standard ist, legt man in
der theoretischen Modellierung viel mehr Wert darauf, wie die Ladungen den Feldern folgen und bestimmt somit Leitfähigkeiten. Glg. 5.112 verknüpft somit auf elegante Weise die
Möglichkeiten der Theorie und des Experiments.
Elektromagnetische Wellen im Medium
Bildet man den Rotor der MWG Glg. 5.104 so findet man
2
~
~ ×∇
~ ×E
~ = −1 ∂ ∇
~ ×B
~ = − 1 ∂ (ǫ ∗ E) ,
∇
(5.113)
c ∂t
c2
∂t2
~ ×B
~ durch Glg. 5.106 ausdrückt und ~jext = const. setzt. Mit der Fouriertranswobei man ∇
~
~
formation
³
´ für alle Größen, inklusive ∇ und unter Verwendung der Identität ~q × ~q × E =
~ − q2E
~ erhält man
~q ~q · E
³
´
ω2 ~
~
q E − ~q ~q · E = ǫ (~q, ω) 2 E .
(5.114)
c
Im allgemeinen Fall, wo ǫ ein Tensor ist, erhält man eine 3 × 3 Matrix-Gleichung, die man
diagonalisieren muss. Falls man das dielektrische Medium als isotrop annehmen kann, kann
man ǫ als Skalar betrachten. Dies gilt insbesondere für Flüssigkeiten und Polykristalle, aber
auch für Kristalle mit kubischer Symmetrie. Glg. 5.96 ist eine spezielle Form der Fresnel’schen
Gleichung, welche ihrerseits statt q den Brechungsindex enthält (siehe Glg. 5.116).
2~
~
Transversale Wellen Für eine transversale Welle steht das E-Feld
normal auf die Ausbreitungsrichtung ~q, sodass Glg. 5.114 lautet
ω2 ~
= ǫ (~q, ω) 2 E
,
c
p
ω
⇒ q = ñ , ñ (~q, ω) = ǫ (~q, ω) .
c
Die Amplitude der Welle in x-Richtung hat daher die Form
· µ
¶¸
ñx
~
E0 exp iω
−t
c
~
q2E
(5.115)
(5.116)
Der Realteil der dielektrischen Konstante wird nun üblicherweise als ǫ1 und der Imaginärteil
als ǫ2 bezeichnet. Während der Realteil von ñ als Brechungsindex n̄ bezeichnet wird und mit
c/n̄ die Phasengeschwindigkeit der Welle angibt, ist der Imaginärteil von ñ der Extinktionskoeffizient κ. Die Zusammenhänge zwischen diesen Größen sind
ǫ1 = n̄2 + κ2 ,
4π
Re [σ]
ǫ2 = 2n̄κ =
ω
(5.117)
.
(5.118)
111
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
~ parallel zu ~q, sodass Glg. 5.114
Longitudinale Wellen Für longitudinale Wellen ist E
lautet
ǫ (~q, ω)
ω2 ~
E
c2
= 0 ,
(5.119)
⇒ ǫ (~q, ω) = 0 .
(5.120)
Dies bedeutet, dass es im Inneren der Materials keine longitudinalen elektromagnetischen
Wellen gibt; an der Oberfläche können jedoch sehr wohl longitudinale Komponenten auftreten.
Mechanische Oszillatoren als Dielektrika
Wenn wir wieder davon ausgehen, dass die Wellenlänge des Lichtes viel größer als der Gitterabstand ist, was bis ins nahe UV sehr gut erfüllt ist, so können wir das äußere Feld wieder
schreiben als
~ (~r, t) = E
~ exp (−iωt) .
E
(5.121)
Wir vernachlässigen ebenfalls die ~q Abhängigkeit, sodass wir uns nur mit der Frequenzabhängigkeit der optischen Größen befassen.
In einem Isolator sind die Ladungen nicht frei beweglich. Man nimmt daher an, dass
der Isolator als Ensemble von geladenen Teilchen, die aber an feste Orte gebunden sind,
gesehen werden kann. Die Ladungen können um ihre Ruhelage schwingen, sodass wir es mit
Oszillatoren zu tun haben, die durch eine Masse m, eine Ladung −e, eine Eigenfrequenz ω0
und eine Relaxationszeit τ chrakterisiert sind. Die Bewegungsgleichung für diese Oszillatoren
lautet
m
d2~r
dt2
m d~r
~ (~r, t) ,
− eE
τ dt
~
eE
¢ .
⇒ ~r (ω) = − ¡ 2
m ω0 − ω 2 − i ωτ
= −mω02~r −
(5.122)
(5.123)
Für eine Ladungsdichte n ergibt sich wieder der Strom ~j zu
~j (ω) = −
sodass die Leitfähigkeit gegeben ist als
σ (ω) = −
~
iωne2 E
¢
m ω02 − ω 2 − i ωτ
¡
iωne2
¢
m ω02 − ω 2 − i ωτ
¡
,
(5.124)
.
(5.125)
Mit Glg. 5.112 erhält man für die dielektrische Konstante
ǫ (ω) = 1 +
4πne2
¢
m ω02 − ω 2 − i ωτ
¡
.
(5.126)
112
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Wir sehen also, dass die dielektrische Konstante und damit auch der Brechungsindex eine
Frequenzabhängigkeit zeigen, die in der Nähe der Eigenfrequenz besonder stark wird. Dieser
Effekt wird als Dispersion bezeichnet. Davon abhängig, ob ω unterhalb oder oberhalb von
ω0 liegt, bekommt man dann normale oder anormale Dispersion, was zur Herstellung von
achromatischen Linsen ausgenützt wird.
Wir können unser Ergebnis Glg. 5.126 auch auf metallische Festkörper anwenden, wenn
wir berücksichtigen, dass für diese die Eigenfrequenz ω0 = 0 wird. Man erhält
σ (ω) =
ne2 τ
m (1 − iωτ )
und
ǫ (ω) = 1 −
ωP2
ω (1 − i/τ )
wobei die Plasmafrequenz ωP definiert ist als
r
ωP =
4πne2
m
,
(5.127)
,
(5.128)
.
(5.129)
Die Real- und Imaginärteile der dielektrischen Funktion werden damit zu
ǫ1 (ω) = Re [ǫ (ω)] = 1 +
4πne2
(ω02 − ω 2 )
¡ ¢ ,
m (ω02 − ω 2 )2 + ω 2
(5.130)
τ
und
ǫ2 (ω) = Im [ǫ (ω)] =
4πne2
ω
¡ ¢ .
mτ (ω02 − ω 2 )2 + ω 2
(5.131)
τ
wO
Abbildung 5.14: Charakteristische Form des Real- und Imaginärteils der dielektrischen Funktion in der Nähe von ω0 .
113
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
Quantenmechanische Behandlung der optischen Konstanten
Wenn die Wellenlängen kürzer werden, müssen wir zu einem quantenmechanischen Modell übergehen. Die Anregungen können dann nicht mehr über den response eines freien
Elektronengases beschrieben werden, sondern man muss die Bandstruktur des Festkörpers
zugrunde legen. Im Allgemeinen betrachtet man sogenannte direkte Übergänge, wobei ein
Elektron durch die Energie des elektromagnetischen Feldes in einen unbesetzten Zustand
gehoben wird. Von dort aus kann es dann wieder in seinen Grundzustand rekombinieren,
vorausgesetzt, dass dieser Prozess aufgrund der Dipolauswahlregeln erlaubt ist. Bei direkten Übergängen ändert sich nur die Energie des Elektrons, nicht aber sein Wellenvektor. In
Kombination mit Phononen sind auch Prozesse möglich, bei denen sich der Wellenvektor des
Elektrons ändert. Solche Prozesse werden als indirekte Übergänge bezeichnet. Zur quantenmechanischen Behandlung betrachten wir die elektromagnetische Welle als kleine Störung
des elektronischen Potentials V0 und schreiben daher
V = V0 + V ′
.
(5.132)
Das Störpotential oszilliert mit der Frequenz des einfallenden Lichtes. Nimmt man eine linear
polarisierte Lichtwelle E = A cos (ωt) an, so hat das Störpotential die Form
V ′ = eEx = eAx cos (ωt)
.
(5.133)
Da wir nun ein zeitabhängiges Potential haben, müssen wir auch auf die zeitabhängige Form
der Schrödingergleichung zurückgreifen
2m
2im dΨ
VΨ−
=0
2
~
~ dt
(5.134)
2m
2im dΨ
(V + eAx cos (ωt)) Ψ −
=0 .
2
~
~ dt
(5.135)
△Ψ −
und erhalten somit
△Ψ −
In unserer klassischen Betrachtung war die Polarisation durch einen Ausdruck der Form
P = nex gegeben. In der quantenmechanischen Beschreibung müssen wir den Ort x durch
die entsprechende Aufenthaltswahrscheinlichkeit ersetzen und erhalten
P = ne
Z
xΨΨ∗ dτ
.
(5.136)
Wir müssen daher die Lösung Ψ der gestörten Schrödingergleichung bestimmen, um daraus die Polarisation berechnen zu können. Unter der Annahme, dass die Störung klein ist,
schreiben wir die zeitabhängige Wellenfunktion in folgender Form
Ψ0i (x, y, z, t) = ψi0 (x, y, z) exp (iωi t)
.
(5.137)
114
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Schreibt man den cos (ωt) mit Hilfe der Euler’schen Formeln als
so erhält man
1
2
[exp (iωt) + exp (−iωt)],
2m
2im dΨ
△Ψ − 2 V0 Ψ −
~
~ dt
m
0
= 2 eAxψi [exp (i (ωi + ω) t) + exp (i (ωi − ω) t)]
~
m
= 2 eAxψi0 [exp (i (ωi ± ω) t)] .
~
(5.138)
Die Lösungsfunktion besteht aus einer ungestörten Lösung Ψ0i und zwei Gliedern mit den
Frequenzen ωi ± ω
Ψ = Ψ0i + ψ+ exp [i (ωi + ω) t] + ψ− exp [i (ωi − ω) t]
= Ψ0i + ψ± exp [i (ωi ± ω) t] .
(5.139)
Setzt man diese Form nun in Glg. 5.138 ein, so erhält man eine zeitunabhängige, gestörte
Schrödingergleichung
△ψ± +
2m
m
ψ± (Ei ± ~ω − V0 ) = 2 eAxψi0
2
~
~
.
(5.140)
Die weitere Behandlung erfolgt als Störungsrechnung wobei die Funktion xψi0 nach Eigenfunktionen entwickelt wird
X
xψi0 =
ani ψn0 ,
n
man multipliziert dann von rechts mit
ψn0∗
ani =
und integriert um die ani zu bestimmen
Z
xψi0 ψn0∗ dτ
.
(5.141)
¶
2m 0
+ 2 ψn (Ei ± ~ω − V0 )
~
(5.142)
Analog verfährt man mit den ψ±
ψ± =
X
b±n ψn0
.
n
Einsetzen in Glg.5.140 ergibt
X
n
=
b±n
µ
△ψn0
m X
eA
ani ψn0
~2
n
.
Aus der ungestörten, zeitunabhängigen Schrödingergleichung folgt
△ψn0 −
2m 0
2m
ψn V0 = − 2 ψn0 En
2
~
~
,
(5.143)
115
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
sodass man Glg. 5.142 vereinfachen kann
2m eA X
2m X 0
ψ
b
(E
−
E
±
~ω)
=
ani ψn0
±n
i
n
~2 n n
~2 2 n
,
(5.144)
woraus man durch Koeffizientenvergleich eine Beziehung zwischen den Entwicklungskoeffizienten erhält
eA
ani
2 (Ei − En ± ~ω)
eA
ani ,
=
2~ (ωni ± ω)
b±n =
(5.145)
wobei
Ei − En = Eni = ~ωni
.
(5.146)
Nun lassen sich auch die Funktionen ψ± und damit die gesuchte Funktion Ψ bestimmen
Ψ = ψi0 exp (iωi t)
·
¸
exp (i (ωi − ω) t)
1 X
0 exp (i (ωi + ω) t)
+
eAani ψn
.
+
2~ n
ωni + ω
ωni − ω
(5.147)
Damit lässt sich nun der gesuchte Ausdruck für die Polarisation (Glg.5.136) berechnen
"
#
Z
Z
X
ne2 A X ∗
P =
ani Q xψn0∗ ψn0 dτ +
ani R xψn0 ψn0∗ dτ
2~
n
n
2
X
ne A
=
a2 (Q + R) ,
(5.148)
2~ n ni
wobei Q und R aus dem Produkt ΨΨ∗ stammen und lauten
exp (−iωt) exp (iωt)
+
ωni + ω
ωni − ω
exp (iωt) exp (−iωt)
R =
+
ωni + ω
ωni − ω
Q =
,
(5.149)
.
(5.150)
Die Summe Q + R ergibt sich somit zu
Q+R=
4ωni cos (ωt)
2
− ω2
ωni
,
sodass wir schließlich für die Polarisation den Ausdruck erhalten
P =
ne2 E X 2
ωni
ani 2
π
ωni − ω 2
n
.
(5.151)
116
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Damit wird ǫ1 (ω) zu
ǫ1 (ω) = n̄2 − κ2
= 1 + 4ne2
X
n
a2ni
ωni
− ω2
2
ωni
.
(5.152)
Die Polarisation und damit die optischen Konstanten entstehen durch Summation über alle
möglichen und erlaubten Übergänge mit der Energie ~ωni . Welche dieser Übergänge erlaubt
sind, bestimmt das Matrixelement a2ni . Die Definition der ani (Glg. 5.141) führt auf die
sogenannten Dipolauswahlregeln, nach denen nur Übergänge erlaubt sind, bei denen gilt
∆~kEelektron = 0 ,
∆l = ±1 ,
∆ml = ±1 .
(5.153)
(5.154)
(5.155)
Es muss noch angemerkt werden, dass diese Einteilchenformulierung bei ihrer Anwendung
auf die Interpretation von Experimenten sehr rasch an ihre Grenzen stößt. Wie wir im
Rahmen der Vorlesung schon öfter bemerkt haben, muss man ja vielmehr Anregungen der
Fermiflüssigkeit, also der wechselwirkenden Teilchen, betrachten. Die Anregung in einen
unbesetzten Zustand führt zu Relaxationseffekten, die eine Abschirmung des entstandenen
Loches bewirken. Diese Abschirmung verändert jedoch das Wechselwirkungspotential, sodass die Energien der beobachteten und der berechneten Anregungen im allgemeinen nicht
übereinstimmen.
Kramers-Kronig-Relationen
Die Kramers-Kronig-Relationen (KKR) (nicht verwechseln mit der KKR-Methode, wo KKR
für die Namen: Korringa, Kohn, Rostocker steht) stellen analytische Eigenschaften des Ansatzes der linearen Antwort (linear response theory) dar. Da jedoch die linear response Theorie
eine sehr verbreitete Methode zur Bestimmung der physikalischen Antwort eines Systems
auf eine äußere Störung ist, ist die Anwendung der KKR besonders bei der Interpretation
von Experimenten sehr verbreitet. Ganz allgemein kann man die Antwort eines Systems auf
einen äußeren Stimulus schreiben als
Z+∞
G (~r, ~r′ , t, t′ ) f (~r′ , t′ ) d~r′ dt′
X (~r, t) =
.
(5.156)
−∞
Gleichung 5.156 beschreibt die Antwort X (~r, t) des Systems am Ort ~r und zur Zeit t
auf einen Stimulus f (~r′ , t′ ), welcher an allen Orten ~r′ und zu allen Zeiten t′ wirkt. Die
Funktion G (~r, ~r′ , t, t′ ) heisst Antwortfunktion (response function). Typische response functions sind z.B. die spezifische Wärme, welche den speziellen Fall einer i.A. nicht orts- und
zeitabhängigen skalaren Funktion darstellt, und welche die Änderung der Energie (Antwort)
auf eine Änderung der Temperatur (Stimulus) beschreibt. Eine andere response function,
117
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
die jedoch sowohl orts- als auch zeitabhängig sein kann wäre die magnetische Suszeptibilität, welche die Magnetisierung eines Systems als Antwort auf ein äusseres Magnetfeld,
welches natürlich eine Orts- und Zeitabhängigkeit zeigen kann, liefert.
Für die meisten optischen Eigenschaften ist die räumliche Änderung im allgemeinen unwichtig, da die Wellenlängen viel größer als die Gitterabstände sind. Man macht daher
gerne die sog. lokale Näherung, wobei man annimmt, dass die Antwortfunktion an einem
bestimmten Ort nur vom stimulierenden Feld an gerade diesem Ort abhängt. Die Funktion
G (~r, ~r′ , t, t′ ) vereinfacht sich damit zu
G (~r, ~r′ , t, t′ ) = δ (~r − ~r′ ) G (t, t′ )
,
(5.157)
womit Glg. 5.156 zu
Z+∞
G (t − t′ ) f (t′ ) dt′
X (t) =
(5.158)
−∞
wird. Der nächste wichtige Schritt ist die Berücksichtigung des Kausalitätsprinzipes, nämlich,
dass keine Antwort vorhanden sein kann, bevor es nicht einen Stimulus gab. Es gilt daher
G (t − t′ ) ≡ 0 ,
t < t′
.
(5.159)
Wie so oft bei Faltungsintegralen der Form von Glg. 5.158 sind diese bequemer in ihrer
Fouriertransformation darzustellen, da sich damit diese Integrale oft als einfache Produkte
der fouriertransformierten Größen darstellen lassen
Z
f (ω) = f (t) exp (iωt) dt ,
(5.160)
Z
X (ω) = X (t) exp (iωt) dt ,
Z
G (ω) = G (t − t′ ) exp (iω (t − t′ )) dt .
(5.161)
(5.162)
Mit Glg. 5.161 und 5.158 bekommt man dann

 +∞
Z
Z
X (ω) =
dt exp (iωt)  G (t − t′ ) f (t′ ) dt′ 
−∞
=
Z
=
Z

 +∞
Z
f (t′ ) dt′  G (t − t′ ) exp (iωt) dt
−∞

 +∞
Z
f (t′ ) exp (iωt′ ) dt′  G (t − t′ ) exp (iω (t − t′ )) dt ,
(5.163)
−∞
und mit Glg.5.160 und 5.162
X (ω) = G (ω) f (ω) .
(5.164)
118
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Dies bedeutet, dass ein monochromatischer Stimulus f (ω) nur mit einer Zahl G (ω) multipliziert werden muss, um die Antwort X (ω) zu erhalten.
Die Kramers-Kronig Relationen stellen nun fundamentale Eigenschaften der response
function dar, wie z.B. die Beziehungen zwischen deren Real- und Imaginärteil. Nehmen wir
einmal an, dass sich G (ω) analytisch in den oberen Bereich der komplexen Zahlenebene
ω = ω1 + iω2 fortsetzen lässt und in diesem Bereich keine Pole oder Singularitäten hat. In
disem Fall können wir das Cauchy Theorem der komplexen Analysis auf eine Funktion der
G(ω)
Form ω−ω
anwenden, wobei man den Integrationsweg wie in Abb. 5.15 wählt. Man erhält
0
w‘2
w1‘
w
Abbildung 5.15: Integrationskontur in der oberen Hälfte der komplexen Ebene.
1
G (ω) = P
iπ
Z+∞
−∞
G (ω ′ ) ′
dω
ω′ − ω
,
(5.165)
wobei P für den sog. Cauchy’schen Hauptwert des Integrals steht. Für die Integration entlang
der reellen Achse haben wir die Dirac’sche Identität
µ ¶
1
1
− iπδ (x)
(5.166)
lim
=P
ε→0 x + iε
x
verwendet. Zerlegt man nun Glg.5.165 in ihren Real- und Imaginärteil so erhält man eine
Beziehung zwischen diesen Größen, die man als Kramers-Kronig-Relation bezeichnet
1
Re [G (ω)] = P
π
Z+∞
−∞
und
1
Im [G (ω)] = − P
π
Z+∞
−∞
Im [G (ω ′ )] ′
dω
ω′ − ω
Re [G (ω ′ )] ′
dω
ω′ − ω
(5.167)
.
(5.168)
Wenden wir nun diese Beziehungen auf die komplexe dielektrische Funktion ǫ = ǫ1 + iǫ2 an.
Die Polarisation P~ eines Mediums ist natürlich kausal und damit entsprechend die Funktion
119
5.3. ELEKTRON-PHOTON-WECHSELWIRKUNG
³
´
~ =E
~ + 4π P~ , D
~ = ǫE
~ ⇒ E
~ (ǫ − 1) = 4π P~ , sodass
ǫ − 1 ebenfalls D
1
ǫ1 (ω) − 1 = P
π
Z+∞
−∞
und
1
ǫ2 (ω) = − P
π
Z+∞
−∞
ǫ2 (ω ′ ) ′
dω
ω′ − ω
[ǫ1 (ω ′ ) − 1] ′
dω
ω′ − ω
(5.169)
.
(5.170)
Da wir es mit physikalischen Systemen mit reellen Stimuli und reellen Antworten zu tun
haben, muss die dielektrische Funktion hermitesch sein. Daher gilt
ǫ (−ω) = ǫ∗ (ω)
(5.171)
ǫ1 (−ω) = ǫ1 (ω) , ǫ2 (−ω) = −ǫ2 (ω) .
(5.172)
und damit
Verwendet man Glg. 5.171 um die Glgn. 5.169 und 5.170 umzuschreiben, so erhält man
gebräuchlichere Form der Dispersionsrelationen für positive Frequenzen
2
ǫ1 (ω) − 1 = P
π
Z+∞
0
und
2ω
ǫ2 (ω) = − P
π
Z+∞
0
ω ′ ǫ2 (ω ′ ) ′
dω
ω ′2 − ω 2
[ǫ1 (ω ′ ) − 1] ′
dω
ω ′2 − ω 2
,
(5.173)
.
(5.174)
Die eben gezeigte Ableitung ist exakt für echte Dielektrika (Isolatoren). Bei Metallen
divergiert die dielektrische Funktion ǫ (ω) für ω → 0 (Metalle sind durch ein statisches Feld
unendlich polarisierbar). Da ja ǫ (ω) = 1 − i4πσ (ω) /ω (Glg. 5.112) gegeben ist muss man
auch noch um den Pol bei ω = 0 integrieren und erhält einen zusätzlichen Term 4πσ0 /ω (σ0
ist die Gleichstromleitfähigkeit) zu ǫ2
4πσ0 2ω
−
P
ǫ2 (ω) =
ω
π
Z+∞
0
[ǫ1 (ω ′ ) − 1] ′
dω
ω ′2 − ω 2
.
(5.175)
120
KAPITEL 5. WECHSELWIRKUNGEN
Kapitel 6
Materialspezifische Methoden der
Festkörperphysik
6.1
Elektronen im Kristall
Eine grundlegende Frage zum mikroskopischen Verständnis von Festkörpern betrifft das
Verhalten der Elektronen im periodischen Potential des Kristalles. Die formale Beschreibung dieses Problems führt unmittelbar auf ein Vielteilchen Problem. Die erste grundlegende
Näherung stellt die Separation der Atom- und der Elektronenbewegung dar. Man kann in sehr
guter Näherung davon ausgehen, dass die Bewegung der schweren Kerne (Phononen) auf einer viel längeren Zeitskala erfolgt, als die Bewegung der viel leichteren Elektronen. Das Elektronensystem kann daher den atomaren Bewegungen ohne nennenswerte Zeitverzögerung
folgen. Man kann daher die Bewegung der Atome unabhängig von jener der Elektronen
berechnen. Dies wird auch als adiabatische Näherung oder Born-Oppenheimer Näherung
bezeichnet. Es ist zu beachten, das durch die Born-Oppenheimer-Näherung die ElektronPhonon Wechselwirkung unterdrückt wird, was u.a. dazu führt, dass es nicht möglich ist
einen BCS supraleitenden Zustand zu beschreiben. Auch kann diese Näherung für leichte
Atome (Wasserstoff) zu merkbaren Fehlern führen.
6.1.1
Die tight-binding-Näherung
Im Kapitel über das Fermigas haben wir angenommen, dass sich die Elektronen ohne Wechselwirkung in einem konstanten Potential bewegen, sodass ihre Wellenfunktionen durch ebene
Wellen gegeben waren, welche die Lösungen der Schrödingergleichung
·
¸
~2 2
−
▽ +V (~r) ψ (~r) = ǫψ (~r) ,
(6.1)
2m
mit V (~r) = 0 = konstant, sind. In der tight-binding-Näherung nimmt man an, dass die Elektronen durch ihre quasi-atomaren Wellenfunktionen zu beschreiben sind und daher auch im
Festkörper ”dicht” an die Atome gebunden bleiben. In jedem Fall hat man diese Wellenfunktionen jedoch so zu modifizieren, dass man die Gitterperiodizität berücksichtigt. In einem
121
122KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Festkörper ist das Potential jedoch keineswegs konstant, sondern zeigt starke Oszillationen,
die vom Coulombpotential der Atomrümpfe und von der Gitterperiodischen Elektronendichte herrühren. In der tight-binding-Näherung betrachtet man den Kristall als durch neutrale
Atome aufgebaut, sodass die Wechselwirkung der Atome untereinander klein gegen die Wechselwirkungen innerhalb der Atome sind. Man benützt daher die Wellenfunktion des freien
Atoms und erweitert diese um den Blochfaktor, der eine ebene Welle darstellt, welche die
Eigenfunktion des Translationsoperators ist. Die Wellenfunktion der Elektronen wird damit
zu
ψ = ψ~k (~r) =
X
l
~
e
~l
i~kR
³
´
~
φ ~r − Rl
,
(6.2)
~
wobei eikRl die ebene Welle darstellt (eikRl wird auch oft als Phasenfaktor oder als Blochfak~ l zentriert ist und
tor bezeichnet). φ (~r − Rl ) ist die atomare Wellenfunktion die am Ort R
die Gitterperiodizität haben muss. Eine Funktion der Form wie sie in Glg. 6.2 gegeben ist
wird auch als Wannier–Funktion bezeichnet. In Abb. 6.1 ist die Geometrie des Problems
dargestellt.
Die Gesamtwellenfunktion des Systems wird nun als Summe der atomartigen Wannierfunktionen gebildet, weshalb eine Wellenfunktion dieser Form oft als LCAO Wellenfunktion
(Linear Combination of Atomic Orbitals) bezeichnet wird.
In Abb. 6.2 ist das Kristallpotential skizziert. U (~r) ist das ungestörte Potential eines
freien Atoms, V (~r) ist das eigentliche Kristallpotential.
Die Wannier–Funktionen sind natürlich Lösungen der Schrödingergleichung für das freie
Atom
·
¸
~2 2
H0 φ (~r) = −
▽ +U (~r) φ (~r) = E0 φ (~r)
2m
.
Der Kristallhamiltonoperator hat dagegen die Form
- Elektron
r-R l
r
Gitterplatz
Rl
Abbildung 6.1: Geometrie für das tight-binding-Modell
(6.3)
123
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
·
¸
~2 2
H= −
▽ +V (~r)
2m
.
(6.4)
Aufgrund der Gitterperiodizität, gilt aber auch für das freie Atom, dass das Potential periodisch für alle l sein muss
·
³
´¸
~2 2
~
,
(6.5)
▽ +U ~r − Rl
Hl = −
2m
Um im Folgenden die Lesbarkeit zu verbessern unterdrücken wir alle offensichtlichen ~r
Abhängigkeiten sodass z.B. V (~r) = V , etc. gilt. Man schreibt nun das Potential, formal
exakt, in folgender Form
H = Hl + (H − Hl ) = Hl + (V − U ) .
(6.6)
Damit hat man das Problem des Kristallhamiltonoperators in einen gelösten Teil Hl (für
das freie Atom) und in eine (hoffentlich) kleine Störung zerlegt. Berechnet man nun den
Erwartungswert für die Energie für den Kristall Hamiltonoperator für unsere Wellenfunktion
(Glg.6.2) so erhält man
1
E =
N
Z
ψ~k∗ Hψ~k dτ
1
=
N
µZ
ψ~k∗ Hl ψ~k dτ
+
Z
ψ~k∗
(V − U ) ψ~k dτ
¶
.
R
In Glg.(6.7) ist N die Norm der Wellenfunktion: N = ψ~k∗ ψ~k dτ.
Für den Eigenwert von Hl zu ψ~k erhält man unter Verwendung von Glg. (6.2)
³
´
X ~~
~ l = E0 ψ~ ,
Hl ψ~k =
eikRl Hl φ ~r − R
k
l
und daher
Abbildung 6.2: Potentiale im tight-binding-Modell.
(6.7)
(6.8)
124KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Z
1
E = E0 +
ψ~k∗ (H − Hl ) ψ~k dτ
N
Z
³
´
³
´
1 X X i~k(R~ l −R~ m )
∗
~
~
e
φ ~r − Rl (V − U ) φ ~r − Rm dτ
= E0 +
N m l
Z
³
´
1 X i~kR~
~ (V − U ) φ (~r) dτ .
φ∗ ~r − R
e
= E0 +
N
(6.9)
~
R=0,nn
Der Energieeigenwert für den Kristallhamiltonoperator wird daher durch eine grosse Komponente E0 , der Lösung für das freie Atom, und einem kleinen Beitrag gebildet (2. Term von
(6.9)), der nur von der Differenz des atomaren und des Kristallpotentials abhängt. Transfor~ =R
~l − R
~ m , so ersetzt
miert man nun die Summation über das Gitter in Glg.(6.9) gemäß R
~ = 0 beginnt
man die Summe über alle Gitterplätze durch eine Summe die am Atom mit R
und die über nächste-Nachbar (nn) Schalen durchgeführt wird. Im allgemeinen muss diese
Summe natürlich über den ganzen Kristall laufen. Man stellt jedoch fest, dass bei grösser
werdenden Abständen der Atome die Beiträge sehr rasch vernachlässigbar werden. Oft reicht
es für eine brauchbare Beschreibung aus nur die erste Nachbarschale zu berücksichtigen.
~ = 0 (on site
Wir teilen die Summation in Glg. (6.9) nun in zwei Teile auf, einen für R
Beiträge) und einen für die Summe über die nächsten Nachbarn (off site Beiträge). Die entsprechenden Integrale werden mit A und B bezeichnet und beschreiben die Kristallfeldeffekte
und das Elektronenhüpfen (hopping Integral)
Z
1
−A =
φ∗ (~r) (V − U ) φ (~r) dτ ,
(6.10)
N
Z
³
´
1
~ (V − U ) φ (~r) dτ .
φ∗ ~r − R
(6.11)
−B =
N
¯
¯
¯
~ ¯¯)
Im einfachen Fall, dass φ sphärisch symmetrisch ist, (z.B. ein s-Orbital), ist φ(¯~r − R
identisch für allen nächsten Nachbarn, sodass nur die Summation über die Phasenfaktoren
übrig
³ ´bleibt. Für eine Summation über nn nächste Nachbarn erhält man daher für die Energie
E ~k
³ ´
X ~~
eikR .
(6.12)
E ~k = E0 − A − B
nn
Für ein einfach kubische Gitter mit einer Gitterkonstante a0 Wird die E(~k) für s-Elektronen
(l = 0, m = 0) zu
³ ´
(6.13)
E ~k = E0 − A − 2B(cos(a0 kx ) + cos(a0 ky ) + cos(a0 kz )) .
Zwischen dem Zentrum der Brillouin-Zone (BZ) ~k = 0 (Γ–Punkt) und der Oberfläche der
ersten BZ variiert E zwischen E0 − A ∓ 6B. Abbildung 6.3 zeigt einen Konturplot von
Glg.(6.13) in der kx , ky Ebene.
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
125
Abbildung 6.3: Energie Konturen für das s-Band im tight-binding-Modell (kz = 0).
Abbildung 6.4 zeigt das s-Band entlang der kx Richtung
zwischen
dem Zentrum der BZ
³
´
π
π
~
(k = 0) und dem reziproken Gittervektor (kx , 0, 0) = a0 , 0, 0 ,( a0 ...Kantenlänge der BZ).
Abbildung 6.4: Ein-dimensionale Dispersion entlang kx für das s-Band in der tight-bindingNäherung.
Im Fall kleiner ~k-Vektoren, (lange Wellenlänge) (6.13) entwickelt man den cos (x) in eine
Taylorreihe, was eine Banddispersion ähnlich wie für das Fermi Gas ergibt
³ ´
E ~k = E0 − A − 6B + Ba2~k 2 .
(6.14)
Vergleicht man nun Glg. (6.14) mit der Dispersionsrelation für freie Elektronen so lässt sich
wieder eine effektive Masse definieren m∗ = ~2 /(2a2 B) . Die effektive Masse der Kristallelektronen hängt also von der Größe des Hoppingintegrals B ab. Elektronen die sich in Bändern
126KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
mit kleiner Dispersion (flache Bänder; kleines B) bewegen verhalten sich demnach¯ als schwe¯
¯
~ ¯¯ ab,
rere Teilchen, als die freien Elektronen. Der Wert von B hängt vom Abstand ¯~r − R
sodass z.B. Druck ebenfalls den Wert des Hoppingintegrals beeinflusst. Mit grösserem Druck
wird die Überlappung der Wellenfunktionen größer und damit auch B . Damit nimmt jedoch
unter Druck die Bandbreite zu und, da die Elektronen über ein größeres Energieintervall verteilt werden, die Zustandsdichte ab. Dieses Verhalten hat demnach einen direkten Einfluss
auf Größen wie die Leitfähigkeit, die spezifische Wärme oder die Suszeptibilität.
Der Zusammenhang zwischen der Bandstruktur E(~k) und der Zustandsdichte N (ε) ist
gegeben durch
1
N (ε) = 2
8π
Z ³
³ ´´−1
∇~k E ~k
dS~k
,
(6.15)
wobei dSk ein Flächenelement der Fläche konstanter Energie E(~k) = ε = konst. ist.
6.1.2
Hartree und Hartree-Fock-Methode
Im vergangenen Abschnitt haben wir uns über die eigentliche Form des Potentials keine Gedanken gemacht. Um eine mikroskopische Beschreibung des Potentials zu erreichen müssen
wir natürlich alle Wechselwirkungen berücksichtigen wie da sind: Elektron-Kern, ElektronElektron (Coulomb), Spin-Spin (Austauschwechselwirkung). Besonders die letzten beiden,
machen die exakte analytische Behandlung schwierig (in den meisten Fällen unmöglich), da
sie auf eine Vielteilchenbeschreibung hinauslaufen, bei der alle Teilchen im System beteiligt
sind. Man hat daher sehr früh versucht diese komplizierten Wechselwirkungen in geeigneter
Form zu parametrisieren oder im Rahmen einer mean-field Näherung zu beschreiben. Die
Hartree und die Hartree-Fock Methode stellt nun so eine mean-field Beschreibung dar, wobei
das Vielteilchen Problem auf ein Einteilchen Problem abgebildet wird bei dem sich das eine
Teilchen in einem effektiven Feld bewegt, dass von allen anderen Teilchen erzeugt wird.
Die Begriffe Austausch und Korrelation hängen eng mit der Hartree-Fock Methode zusammen, weshalb es sinnvoll ist, diese Begriffe anhand dieser Methode einzuführen. Die
zwischen Elektronen wirkenden Coulombkräfte führen zu einer Korrelation der individuellen
Elektronenbewegung in der Weise, dass die Elektronen einander ausweichen. Diese Art von
Korrelation wird Coulomb-Korrelation genannt. In einer ersten groben Näherung kann die
Coulomb-Korrelation vernachlässigt werden. Das heisst, dass sich jedes Elektron frei in einem
elektrischen Feld bewegt, dass von den restlichen Elektronen und den Atomkernen aufgebaut
wird. Mathematisch drückt sich diese Unabhängigkeit aller Elektronen dadurch aus, dass die
Gesamtwellenfunktion des Elektronensystems ein Produkt von Einelektronenwellenfunktionen ist. Dies ist die Grundlage der historisch älteren Hartree Methode. Produktfunktionen,
wie sie die Hartree Methode verwendet, erfüllen nicht die Antisymmetriebedingung des Pauliprinzips, wonach die Gesamtwellenfunktion eines Fermionensystems bei Vertauschung der
Koordinaten zweier Teilchen (Elektronen) das Vorzeichen wechseln muss. Konstruiert man
aber aus den Produktfunktionen sogenannte Determinantenfunktionen, so erfüllen diese das
Pauliprinzip. Dies ist der wesentliche Schritt von der Hartree zur Hartree-Fock Methode. Die
127
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
Verwendung von Determinantenwellenfunktionen bedingt nicht nur, dass die Wahrscheinlichkeit, zwei Elektronen mit gleichem Spin am gleichen Ort anzutreffen, null ist, sondern
führt auch zu geringen Wahrscheinlichkeiten, dass sich Elektronen mit gleichem Spin nahe
kommen. In der Hartree-Fock Methode gibt es daher eine Elektronenkorrelation für Elektronen mit gleichem Spin, die man als Austauschwechselwirkung bezeichnet. Im effektiven
Potential für ein Elektron tritt gegenüber der Hartree Methode neben dem Coulombpotential ein zusätzlicher Potentialterm auf, der Austauschpotential genannt wird. Obwohl die
in der Hartree-Fock Methode auftretenden Korrelationen zwischen Elektronen mit gleichem
Spin nicht durch deren Coulombkräfte hervorgerufen werden, sondern durch die geforderte
Antisymmetrie der Fermionenwellenfunktionen (d.h. ein qunatenmechanischer Effekt) bedingt sind, beeinflussen diese Austauschkorrelationen die Gesamtenergie in gleicher Weise
wie Coulombkorrelationen. Die Korrelation zwischen Elektronen mit antiparallelem Spin
bleibt jedoch weiterhin völlig vernachlässigt. Dennoch stellt die Hartree-Fock Methode eine
wichtige Verbesserung gegenüber der Hartree Methode dar.
Zur Erfassung der Korrelation in Festkörpern sind besonders in den letzten Jahren Theorien entwickelt worden, die über das Modell des freien Elektronengases hinausgehen. Es hat
sich eingebürgert, jede Verbesserung der Hartree-Fock Gesamtenergie eines Systems als Korrelationsenergie zu bezeichnen Für ein System mit N Teilchen ist der Hamiltonoperator (in
atomaren Einheiten) gegeben durch


N
N
X
X
2 
−∇2i + V (~ri ) +
H=
.
(6.16)
~
r
−
~
r
i
j
i=1
j(j>i)
Die Eigenfunktion zu diesem Hamiltonoperator wird eine Wellenfunktion sein die von allen
Teilchenkoordinaten abhängt. Gleichzeitig führt die Gitterperiodizität zu einem Blochfaktor,
~
~ der sog. totale Wellenvektor ist,
der zu einer entsprechenden K-Abhängigkeit
führt, wobei K
das ist der Wellenvektor zur Vielteilchenwellenfunktion
³
´
³
´
~ ~r1 + R
~ µ , ~r2 + R
~ µ , ..., ~rn + R
~ µ = exp iK
~R
~ µ Ψ (~r1 , ~r2 , ..., ~rn ) .
Ψ K,
(6.17)
~ welcher in
Die Energiezustände des Systems sind Funktionen des totalen Wellenvektors K,
den Blochfaktor der Vielteilchenwellenfunktion eingeht. Wenn wir nun die Vielteilchenwellenfunktion durch ein Produkt von Einteilchenfunktionen annähern, so tritt dort ein formal anderer Blochfaktor auf, der aus der individuellen Periodizität der Näherungsfunktion
stammt.
Die Idee hinter der Hartree und der Hartree-Fock Methode ist es nun die Vielteilchenwellenfunktion durch eine optimale Näherung aus Einteilchenfunktionen zu ersetzen. Diese
Einteilchenwellenfunktionen hängen dann nur mehr von den Koordinaten und dem Spin eines einzelnen Elektrons ab. Solange wir in einer nicht-relativistischen Beschreibung bleiben,
vertauschtPder Kristallhamiltonoperator mit den entsprechenden Operatoren für den Gesamtŝi dem Spin ŝi und der z-Komponente Ŝz sodass der Spinteil der Wellenfuktion
spin Ŝ =
i
ein Produkt mit dem Raumteil bildet
Ψj (~r, s) = ψj1 (~r) α + ψj2 (~r) β
,
(6.18)
128KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
wobei α und β die üblichen zwei-Komponenten Spinoren für spin-up und spin-down sind.
Die Funktionen ψj1 (~r) und ψj2 (~r) könne auch verschieden sein, das bedeutet dass man
unterschiedliche Raumteile für verschiedene Spins zulässt. Ohne jede Einschränkung können
wir die Ψj orthogonal wählen
hΨj |Ψl i = δjl .
(6.19)
Das skalare Produkt zwischen den beiden Wellenfunktionen beinhaltet sowohl den Raumals auch den Spinteil.
Für die Hartree Methode bildet man nun eine Produktfunktion aus den Einelektronenfunktionen laut Glg.(6.18). Dabei bleibt der Spin unberücksichtigt und die gebildete Funktion
ist damit nicht antisymmetrisch d.h.
Ψ (1, ..., N ) = Ψ1 (~r1 ) Ψ1 (~r2 ) ...ΨN (~rN ) .
(6.20)
Mit dieser Funktion wird nun der Energieerwartungswert gebildet gemäß
E=
hΨ |H| Ψi
,
hΨ |Ψi
wobei man wegen der Orthonormalität nur den Zähler zu berechnen hat. Man bildet daher
Z
E =
Ψ∗ HΨdτ
#
"
Z
N
N
X
X
2
∗
∗
∗
2
=
Ψ1 (~r1 ) Ψ1 (~r2 ) ...ΨN (~rN )
−∇i + V (~ri ) +
~r − ~rj
i=1
j>i i
·Ψ1 (~r1 ) Ψ1 (~r2 ) ...ΨN (~rN ) dτ1 dτ2 ...dτN .
(6.21)
Zieht man die Summation vor das Integral erhält man
XZ
£
¤
E =
Ψ∗i (~ri ) −∇2i + V (~ri ) Ψi (~ri ) dτi
i
+
N
X
Ψ∗i
(~ri ) Ψ∗j
j>i
¸
2
Ψi (~ri ) Ψj (~rj ) dτi dτj .
(~rj )
~ri − ~rj
·
(6.22)
Unter Anwendung des Variationsprinzipes variiert man nun den Ausdruck für die Energie
nach den einzelnen Einelektronenfunktionen daher nach Ψ∗i (~ri )


R


δΨ∗i (~ri ) [−∇h2i + V i(~ri )] Ψi (~ri ) dτi


 P

2
∗
∗
δΨ
+
Ψ
(~
r
)
Ψ
(~
r
)
dτ
dτ
(~
r
)
Ψ
(~
r
)
i
i
j
j
i j
i
j
δE =
+ {...}∗ .
(6.23)
i
j
~
ri −~
rj
j>i


R




+λ δΨ∗ (~r ) Ψ dτ
i
i
i
i
i
wobei die λi Lagrange’sche Multiplikatoren sind und der Ausdruck {...}∗ für das konjugiert
komplexe der ersten Klammer steht. Die Variation ist dann genau null, wenn der Ausdruck
129
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
in der geschwungenen Klammer null wird, wenn also

−∇2ih+ V (~
Z
iri )
P

2
∗
+ Ψ (~r )
Ψj (~rj ) dτj
δΨ∗i (~ri ) 
 j>i j j ~ri −~rj
+λi


 Ψi (~ri ) dτi = 0 .

(6.24)
Da Glg.(6.24) für beliebige δΨ∗i (~ri ) gilt kann man allgemein schreiben
"
−∇2i + V (~ri ) +
X
j>i
#
¸
2
Ψ∗j (~rj )
Ψj (~rj ) dτj Ψi (~ri ) = −λi Ψi (~ri ) .
~ri − ~rj
·
(6.25)
Gleichung (6.25) ist bereits eine Form der sogenannten Hartree-Gleichung für das Orbital
Ψi (~ri ). Der dritte Term in der Klammer beschreibt die Coulombwechselwirkung eines Elektrons am Ort ~ri mit einer gemittelten Ladungsverteilung der restlichen N − 1 Elektronen.
Dieser Ausdruck wird auch als Hartree Potential bezeichnet. Der Lagrange’sche Multiplikator −λi ist ein Energieeigenwert und kann daher als εi geschrieben werden, womit die
Hartree Gleichung in die übliche Form gebracht wird
mit dem Coulombpotential
£
¤
−∇2i + VC (~ri ) Ψi (~ri ) = εi Ψi (~ri ) ,
VC (~ri ) = V (~ri ) +
X
j>i
Ψ∗j
(6.26)
¸
2
Ψj (~rj ) dτj .
(~rj )
~ri − ~rj
·
(6.27)
Die Hartree-Fock Methode geht nun einen Schritt weiter. Da wir Fermionen beschreiben
wollen müssen wir dafür sorgen, dass die Wellenfunktionen antisymmetrisch gegenüber einer
Vertauschung von zwei Elektronen ist und daher ihr Vorzeichen wechselt. Eine elegante
Methode um das zu erreichen ist es die Wellenfunktionen als Determinante zu schreiben
(Slater-Determinante)
¯
¯ Ψ (~r , s ) ...
ΨN (~r1 , s1 )
1 ¯¯ 1 1 1
Ψj (~ri , si ) ...
Ψ (1, ..., N ) = √ ¯ ...
N ! ¯ Ψ (~r , s ) ...
ΨN (~rN , sN )
1
N
N
¯
¯
¯
¯
¯
¯
.
(6.28)
Diese Determinantenwellenfunktion ist antisymmetrisch, da bei Vertauschung zweier Spalten oder Reihen, was der Vertauschung zweier Elektronen entspricht, die Determinante das
Vorzeichen wechselt.
Um die Hartree-Fock Gleichungen zu erhalten nehmen wir an, dass wir unsere Vielteilchenfunktion durch Einteilchenfunktionen annähern können. Die optimale Wellenfunktion
wird jene sein, die den tiefsten Energieeigenwert liefert, eine Bedingung die zu einer Variationsrechnung führt. Nach etwas mühseliger Schlacht der Indizes lässt sich der Erwartungswert
130KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
für die Energie für die Determinantenwellenfunktion aufschreiben
N Z
X
£
¤
E =
Ψ∗j (~r1 ) −∇2i + V (~ri ) Ψj (~r1 ) d3 r1
j=1
N
N
Z Z
N
N
Z Z
1 XX
+
2 j=1 j=1
1 XX
−
2 j=1 l=1
¯ ∗
¯
¯Ψj (~r1 )¯2 |Ψl (~r2 )|2 2 d3 r1 d3 r2
r12
Ψ∗j (~r1 ) Ψ∗l (~r2 )
2
Ψj (~r2 ) Ψl (~r1 ) d3 r1 d3 r2
r12
.
(6.29)
Die Integration beinhaltet auch die Summation über die Spinindizes. Variiert man diesen
Ausdruck bezüglich der Einteilchenwellenfunktionen so erhält man die sog. Hartree-Fock
Gleichungen.
XZ Z
2 3
2
∗
d r2
[ − ∇i + V (~ri ) +
ψlα
(~r2 ) ψlα (~r2 )
r
12
l
XZ Z
2 3
∗
d r2 ] ψjβ (~r1 )
−
ψlα
(~r2 ) ψjα (~r2 )
r12
l
= εj ψjβ (~r1 )
.
(6.30)
Für ein System von N Elektronen erhält man daher 2N gekoppelte Integrodifferentialgleichungen. Die neuen Terme in Glg.(6.30) beschreiben den Coulombanteil der ElektronElektron Wechselwirkung und den Austauschteil. Die Austauschwechselwirkung ist ein rein
quantenmechanischer Effekt der dem Pauliprinzip Rechnung trägt. Zwei Teilchen mit gleichem Spin spüren eine zusätzliche Coulombabstossung, was dazu führt, dass sich diese Teilchen nie zu nahe kommen. Der Austauschterm stellt einen Integraloperator dar, wobei die
Integration jeweils über alle Wellenfunktionen zu erfolgen hat. Dies macht die Berechnung
sehr Zeitaufwendig, da die Anzahl der zu berechnenden Terme mit N ! zunimmt. Man hat daher sehr früh versucht Näherungen zu finden, einer diese Ansätze, die lokale Dichte Näherung,
wird noch im Kapitel über Dichtefunktionaltheorie besprochen.
Im Fall ebener Wellen kann man den Austauschterm analytisch berechnen. Die Wellenfunktion sind
³ ´
³ ´
1
~
√
ψ k, ~r =
exp i~k~r
,
(6.31)
Ω
wobei Ω das Volumen ist in welchem die Wellenfunktionen normalisiert sind. Die entsprechende Einteilchenenergie ist dann
³ ´
³ ´
2
~
.
(6.32)
E k = k − εx ~k
Setzt man nun die ebenen Wellen in den Ausdruck für die Austauschwechselwirkung aus
Glg.(6.29) ein so erhält man
Z
³ ´
h ³
´
i 2
1X
~
εx k = −
d3 r2
(6.33)
exp i ~k − ~q (~r1 − ~r2 )
Ω q
~r1 − ~r2
131
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
= −
8π X
1
¯2
¯
¯
Ω q ¯~
¯k − ~q¯
.
(6.34)
Die Summation wird dabei über alle besetzten
ausgeführt.
Um dies zu berechnen
¤R
£
P Zustände
ersetzt man die Summe durch ein Integral ( q → Ω/ (2π)3 d3 ~q) bis zum Fermiwellenvektor ~kF welcher für eine sphärische Fermifläche deren Radius ist.
Z~kF
Zπ
³ ´
2
sin θ
2
εx ~k = −
dθ
q dq
π
(q 2 + k 2 − 2kq cos θ)
0
0
¯
¯#
"
k 2 − kF2 ¯¯ ~k − ~kF ¯¯
2~kF
ln ¯
1+
= −
¯
¯ ~k + ~kF ¯
π
2~k~kF
à !
~k
2~kF
.
= −
F
~kF
π
(6.35)
(6.36)
Die Funktion F (x) ist dabei gegeben durch
¯
¯
1 − x2 ¯¯ 1 + x ¯¯
ln ¯
F (x) = 1 +
2x
1 − x¯
.
(6.37)
Gleichung(6.36) erlaubt es nun den Beitrag der Austausches zur Gesamtenergie zu berechnen
1 X ³~ ´
εx k
2N k
Z
³ ´
Ω
= − 3 εx ~k d3 k
2π
µ ¶1/3
3ρ
3kF
= −3
= −
2π
8π
Ex = −
,
(6.38)
wobei wir die Beziehung zwischen den Radius der Fermikugel kF und der Dichte ρ : kF3 = 3π 2 ρ
verwendet haben. Führen wir nun wieder die Elementarladung explizit ein, so erhalten wir
Ex = −
µ
3e2
2
¶µ
3ρ
8π
¶1/3
.
(6.39)
Wir sehen also, dass für das freie Elektronengas die Austauschenergie proprtional zu ρ1/3 ist.
Dieses Resultat ist auch der Ansatzpunkt für alle Näherungsverfahren im Rahmen der LDA
(Local Density Approximation) welche versuchen das Resultat für die freien Elektronen auf
andere Systeme mit langsam variierender Dichte zu parametrisieren.
Gehen wir zurück zu Glg.(6.32) so sehen wir, dass durch den Beitrag der Austauschwechselwirkung Glg.(6.35) die Energie-Impuls Beziehung drastisch verändert wird. Gleichzeitig
wird die Gesamtenergie jedoch herabgesetzt.
132KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Ohne Ableitung wollen wir uns noch die Änderung der Elektronendichte ∆ρ rund um ein
Elektron mit Spin α oder β ansehen
!
Ã
N
9 (kF r cos kF r − sin kF r)2
∆ρ = e
(δαα + δββ )
.
(6.40)
1−
Ω
2
(kF r)6
Abbildung 6.5: Änderung der Elektronendichte für Teilchen gleichen Spins, sog. Austauschloch.
. Für ElekFür Elektronen mit unterschiedlichem Spin ist die Elektronendichte einfach e N
Ω
tronen mit gleichem Spin ist die Elektronendichte jedoch um den zweiten Term in Glg.(6.40)
reduziert. Die Austauschwechselwirkung sorgt dafür, dass sich Elektronen mit gleichem Spin
nicht zu nahe kommen, man sagt auch, jedes Elektron ist von einem Austauschloch umgeben,
das gerade die Ladung +e hat. Elektronen mit gleichem Spin spüren daher eine reduzierte
Coulombabstossung, was zur beobachteten Erniedrigung der Gesamtenergie führt.
Hartree-Fock Rechnung für das H2 -Molekül
Das Hartree-Fock Modell ist in seiner üblichen Schreibweise doch sehr unanschaulich. Eine
einfache Anwendung für ein zweiatomiges Molekül, H2 , geht auf Heitler und London zurück.
Für zwei Elektronen sind die entsprechenden Determinantenwellenfunktionen durch 2 × 2
Determinanten gegeben und lassen sich daher sehr leicht explizit aufschreiben. Gleichzeitig
werden wir auch etwas über den Grundzustand (singulett/triplett) eines Systems mit 2 Spins
lernen.
Um die entsprechende Schrödingergleichung für das H2 -Molekül aufzustellen benützt man
die Geometrie gemäß Abb. 6.6
µ 2
¸¶
· 2
¢
~ ¡ 2
e2
e2
e2
e2
e2
e
2
Ψm = 0.
−
−
−
−
+
∇1 + ∇2 + Um −
2me
rab ra1 ra2 rb1 rb2 r12
133
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
Abbildung 6.6: Geometrie für das H2 Molekül. Die grauen Kugeln symbolisieren die Protonen
und schwarzen Kugeln die Elektronen. ~rxy sind die entsprechenden Abstände.
(6.41)
Um ist der exakte Eigenwert zur Molekülwellenfunktion Ψm (Vielteilchenwellenfunktion). Für
zwei isolierte H Atome wären die entsprechenden Schrödingergleichungen
e2
~2 2
∇ ψa1 + (E0 +
)ψa1 = 0 ,
2me
ra1
~2 2
e2
∇ ψb2 + (E0 +
)ψb2 = 0 .
2me
rb2
(6.42)
(6.43)
E0 ist der Eigenwert für das isolierte Atom, ψa1 und ψb1 sind die entsprechenden atomaren
Wellenfunktionen (z.B. 1s-Funktionen). Ohne der Elektron–Elektron Wechselwirkung wäre
der Grundzustand des H2 Moleküls 4-fach entartet: Es existieren 2 Elektronen und jedes
kann des Spin α oder β haben; man hat daher 4 Wellenfunktionen
ψa α , ψa β , ψb α , ψb β
1 1
mit α, β = + , −
2 2
.
Der Gesamtspin S kann zwei mögliche Werte annehmen: S = 0 , MS = 0 und S = 1 ,
MS = −1, 0, +1 .
Es ist nicht möglich die Molekülwellenfunktion Ψm analytisch zu bestimmen. Wir wenden
daher die Hartee-Fock Methode an und schreiben die genäherte Molkülwellenfunktion durch
Determinantenwellenfunktionen der atomaren Wellenfunktionen.
Diese 4 Determinantenwellenfunktionen sind
¯
¯
¯ ψa α (1) ψb α (1) ¯
¯ ⇒ MS = 1 ,
Ψ1 = ¯¯
(6.44)
ψa α (2) ψb α (2) ¯
¯
¯
¯ ψa β (1) ψb α (1) ¯
¯
¯ ⇒ MS = 0 ,
Ψ2 = ¯
(6.45)
ψa β (2) ψb α (2) ¯
134KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
¯
¯ ψ α (1)
Ψ3 = ¯¯ a
ψa α (2)
¯
¯ ψ β (1)
Ψ4 = ¯¯ a
ψa β (2)
¯
ψb β (1) ¯¯
⇒ MS = 0 ,
ψb β (2) ¯
¯
ψb β (1) ¯¯
⇒ MS = −1 .
ψb β (2) ¯
(6.46)
(6.47)
Dabei bedeutet z.B. ψa α (1) : Elektron 1 am Atom a mit Spin +1/2. Ohne Wechselwirkung
liefern diese Wellenfunktionen jeweils den Eigenwert
U0 = 2E0
.
(6.48)
Schalten wir nun die Wechselwirkung ein, so spalten die 4 Eigenwerte in einen einfach entartenen Zustand den singulett-Zustand (S = 0, MS = 0) und in einen dreifach entarteten
triplett-Zustand (S = 1, MS = −1, 0, +1) auf. A priori könnte jeder dieser zwei Zustände
den Grundzustand des H2 Moleküls bilden.
2E0
S = 1, MS = −1, 0, +1
,
S = 0, MS = 0
2E0
S = 0, MS = 0
S = 1, MS = −1, 0, +1
Neben der Demonstration der eigentlichen Rechnung werden wir später auch noch herausfinden, welche Wechselwirkung den Grunzustand bestimmt.
Bevor wir die Rechnung beginnen, wollen wir noch einige Größen definieren. Da wir von
isolierten Atomen ausgegangen sind, können wir eine Orthogonalitätsbeziehung zwischen den
Wellenfunktionen formulieren. Für das Überlappungsintegral gilt
Z
Sαβ =
ψa αψb βdτ = 0 ,
(6.49)
Z
Z
Sαα =
ψa αψb αdτ = Sββ = ψa βψb βdτ = S .
(6.50)
Für das Molekül sind daher zwei Extremfälle denkbar
rab = 0 ⇒ S = 1 die Wellenfunktionen sind identisch,
rab → ∞ ⇒ S = 0 keine Überlappung.
Man konstruiert nun eine Näherung für die Molekülwellenfunktion aus den 4 Determinantenwellenfunktionen mit entsprechenden ci
Ψ=
4
X
i=1
ci Ψi
(6.51)
135
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
Um nun die Rechnung durchzuführen, definieren wir noch ein paar Abkürzungen
HΨ = U Ψ ,
mit H = 2E0 + V0 ,
·
¸
1
1
1
1
2
und V0 = e
−
−
+
rab ra2 rb1 r12
,
wobei U der Eigenwert zur genäherten Wellenfunktion Ψ ist. Weiters führen wir die Spinfunktionen ein
σ1
σ2
σ3
σ4
=
=
=
=
α (1) α (2)
β (1) α (2)
α (1) β (2)
β (1) β (2)
MS = +1 ,
MS = 0 ,
MS = 0 ,
MS = −1 .
Die Schrödingergleichung Glg.(6.41) wird somit
(U − 2E0 ) Ψ − V0 Ψ = 0 .
(6.52)
Multipliziert man Glg.(6.52) mit dem Produkt ψa α (1) ψb β (2) von rechts, so erhält man
Z
Z
(U − 2E0 ) α (1) β (2) dσ Ψψa (1) ψb (2) dτ
=
Z
σ
Z
α (1) β (2) dσ
τ
ΨV0 ψa (1) ψb (2) dτ
,
τ
σ
oder allgemein
(U − 2E0 )
Z
σ
σk dσ
Z
Ψψa (1) ψb (2) dτ =
τ
Z
σ
σk dσ
Z
ΨV0 ψa (1) ψb (2) dτ.
τ
(6.53)
Ersetzt man nun Ψ gegen sie Summe in Glg.(6.51) so findet man
4
X
i=1
ci [Hik + (2E0 − U ) Sik ] = 0 ,
wobei
Sik =
Z
σk dσ
Hik =
Z
σ
Ψi ψa (1) ψb (2) dτ
,
(6.55)
τ
σ
und
Z
(6.54)
σk dσ
Z
τ
Ψi V0 ψa (1) ψb (2) dτ
.
(6.56)
136KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Die Variation der Gesamtenergie in Bezug
terminante der Form
¯
¯ H11 + ES11 0
¯
¯ 0
H22 + ES22
¯
¯ 0
H
32 + ES32
¯
¯ 0
0
auf die Koeffizienten ci führt zu einer Sekularde0
H23 + ES23
H33 + ES33
0
0
0
0
H44 + ES44
¯
¯
¯
¯
¯=0 ,
¯
¯
¯
(6.57)
mit E = 2E0 − U .
Die Sekulardeterminante ist Block- diagonal, das bedeutet, dass man die Blöcke auch
einzeln diagonalisieren darf. Beginnen wir mit dem Block links oben, der nur aus einem
Element besteht: S11 → MS = +1 , i = 1 , k = 1
Ψ1 = σ1 [ψa (1) ψb (2) − ψa (2) ψb (1)] ,
Z
Z
2
S11 =
σ1 dσ ψa (1) ψb (2) ψa (1) ψb (2) dτ
|σ {z } τ
| =1
{z
}
=1
Z
Z
2
− σ1 dσ ψa (2) ψb (1) ψa (1) ψb (2) dτ
|σ {z } τ
| =1
{z
=S 2
S11 = 1 − S 2 ,
Z
Z
2
σ1 dσ |ψa (1)|2 |ψb (2)|2 V0 dτ
H11 =
,
}
(6.58)
|σ {z } τ
| =1
{z
}
=C
Z
Z
2
− σ1 dσ ψa (2) ψb (1) ψa (1) ψb (2) V0 dτ
|σ {z } τ
| =1
H11 = C − J
.
{z
=J
}
,
(6.59)
Wobei S das Überlappungs-, C das Coulomb- und J das Austauschintegral sind. Das erste
Matrixelement ist daher
H11 + (2E0 − U ) S11 = 0 ,
C −J
, MS = +1 .
(6.60)
1 − S2
Der Ausdruck für H44 wird genauso berechnet und hat den gleichen Wert, allerdings für
MS = −1. Die Terme U1 und U4 beschreiben also Zustände bei denen beide Spins parallel
sind und gehören zu S = 1.
⇒ U = U1 = 2E0 +
137
6.1. ELEKTRONEN IM KRISTALL
Um den Block im Zentrum der Sekulardeterminante zu knacken, verwendet man die
Eigenschaften der Hermitezität der Determinante
Z
Z
2
S22 = S33 = σ2 dσ |ψa (1)|2 |ψb (2)|2 dτ = 1 ,
(6.61)
σ
H22 = H33 =
S23 = S32 =
Z
Zσ
τ
σ22 dσ
σ32 dσ
σ
H23 = H32 =
Z
Z
Zτ
|ψa (1)|2 |ψb (2)|2 V0 dτ = C
,
ψa (2) ψb (1) ψa (1) ψb (2) dτ = S 2
(6.62)
,
(6.63)
τ
σ32 dσ
σ
Z
ψa (2) ψb (1) ψa (1) ψb (2) V0 dτ = J
(6.64)
τ
damit wird dieser Block zu
¯
¯ C + (2E0 − U )
J + (2E0 − U ) S 2
¯
¯ J + (2E0 − U ) S 2 C + (2E0 − U )
mit den Eigenwerten
U2 = 2E0 +
,
C +J
1 + S2
,
MS = 0 ,
¯
¯
¯=0 ,
¯
S=0 ,
(6.65)
und
C −J
, MS = 0 , S = 1 .
(6.66)
1 − S2
Unsere Rechnung führt also tatsächlich zu einem dreifach entarteten Zustand mit parallelem Spin (triplett Zustand) und einem nicht entarteten Zustand mit antiparallelem Spin
(singulett Zustand). Nehmen wir nun an, dass der triplett Zustand (S = 1) niedrigere Energie
haben soll als der singulett Zustand (S = 0). Dies ergibt
U3 = 2E0 +
U (S = 1) − U (S = 0) =
2 (CS 2 − J)
<0 ,
1 − S4
Falls das Überlappungsintegral hinreichend klein ist und man daher S 4 und S 2 vernachlässigen kann, so erhält man als Bedingung
J >0 .
(6.67)
Der Grundzustand des H2 Moleküls hängt demnach vom Vorzeichen des Austauschintegrals
ab. Das positive Vorzeichen für parallele Spinanordnung korrespondiert mit dem positiven
Vorzeichen für das Austauschintegal im Heisenbergoperator (siehe Magnonen). Es bleibt
noch zu bemerken, dass Lieb und Matis gezeigt haben, dass für zwei-Elektronensysteme der
Grundzustand immer der singulett-Zustand ist und damit das Überlappungsitegral immer
negativ ist.
138KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
6.2
Dichtefunktional-Theorie
Im letzten Abschnitt haben wir gefunden, dass wir die Grundzustandsenergie eines homogenen Eelektronengases als Funktion seiner Dichte schreiben können. Die Verallgemeinerung
dieses Resultates auf inhomogene Systeme führt auf Theorien, die die Gesamtenergie eines
Vielteilchensystems als Funktional seiner räumlich veränderlichen Dichte ausdrücken. Dies
ist die Basis der Lokalen-Dichte-Funktional Methoden.
6.2.1
Das Hohenberg-Kohn-Sham-Theorem
Das HKS-Theorem geht bereits auf das Jahr 1964 zurück, 1999 erhielt Walter Kohn dafür
den Nobelpreis für Chemie (sic!). Das Theorem besagt
• Die Grundzustandsenergie E0 eines Systems von N identischen Teilchen in einem
äußeren Potential V ist ein eindeutiges Funktional der Teilchendichte n (~r), E0 =
E [n (~r)] .
• Dieses Funktional hat sein Minimum bezüglich einer Variation ∂n (~r) der Teilchendichte
(wobei die Norm erhalten bleiben muss) für eine Gleichgewichtsdichte n0 (~r) bei einem
vorgegebenen äußeren Potential.
Es sei nun
H = T + Vee + V
(6.68)
der Hamiltonoperator eines Systems mit einer nicht näher bestimmten
VielteilchenwechselP
wirkung Vee und dem äußeren Einteilchenpotential V , V (~r) = i v (~r − ~ri ) (Coulombpotential zwische Elektron und Kern). Der Grundzustand habe die Energie E0 und die Wellenfunktion ψ0 , die zur Teilchendichte n0 (~r) führt. Nehmen wir an, es gäbe noch ein anderes
Einteilchenpotential V ′ das auf eine andere Grundzustandswellenfunktion ψ0′ , jedoch zur
gleichen Teilchendichte führt. In diesem Fall gilt
H ′ = T + Vee + V ′ ,
E0 = hψ0 |H| ψ0 i ,
E0′ = hψ0′ |H ′ | ψ0′ i .
(6.69)
(6.70)
(6.71)
Wegen des allgemeinen Variationsprinzips muss dann aber auch gelten
E0′ < hψ0 |H| ψ0 i = hψ0 |H + V ′ − V | ψ0 i
= E0 + hψ0 |V ′ − V | ψ0 i
Es folgt also
E0′
< E0 +
Z
n0 (~r) [V ′ (~r) − V (~r)] d3 r
(6.72)
139
6.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE
wenn wir die diskrete Summe über die einzelnen Elektronen durch ein Integral über die
quasi-kontinuierliche Dichte n0 (~r) ersetzen. Wir können dieses Argument jedoch auch mit
vertauschten gestrichenen und ungestrichenen Größen wiederholen und erhalten
Z
′
E0 < E0 + n′0 (~r) [V (~r) − V ′ (~r)] d3 r
Z
′
< E0 − n0 (~r) [V ′ (~r) − V (~r)] d3 r .
(6.73)
Addieren wir nun Glg.(6.72) und Glg.(6.73) so erhalten wir den Widerspruch
E0′ + E0 < E0 + E0′
.
(6.74)
Daraus folgt, dass entgegen unserer Annahme n0 (~r) und n′0 (~r) verschieden sein müssen und
somit V (~r) ein eindeutiges Funktional von n0 (~r) sein muss. Daraus folgt weiters, dass wir
wenn wir die Teilchendichte kennen, die Energie, die Wellenfunktionen und die Erwartungswerte der einzelnen Operatoren berechnen können.
Kehren wir zur Betrachtung der Grundzustandsenergie zurück. Wir definieren das Funktional (ψ führt auf die Dichte n (~r) )
F [n (~r)] = hψ |T + Vee | ψi
und damit
E [n (~r)] = F [n (~r)] +
Z
n (~r) V (~r) d3 r
(6.75)
.
(6.76)
Der zweite Teil des HKS-Theorems ist eine Folge des allgemeinen Variationsprinzips der
Quantenmechanik. Es gilt
E [n′ (~r)] = hψ ′ |T + Vee | ψ ′ i + hψ ′ |V | ψ ′ i
Z
′
= F [n (~r)] + n′ (~r) V (~r) d3 r
,
(6.77)
E [n0 (~r)] = hψ0 |T + Vee | ψ0 i + hψ0 |V | ψ0 i
Z
= F [n0 (~r)] + n0 (~r) V (~r) d3 r .
(6.78)
und
Nun gilt aufgrund des Variationsprinzips
E [n′ (~r)] > E [n0 (~r)] = E0 = min {E [n (~r)]}
,
(6.79)
unter der Variationsbedingung
∂E [n (~r)] ¯¯
n(~
r)=n0 (~
r) = 0
∂n (~r)
(6.80)
140KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
6.2.2
Lokale Dichtefunktional-Näherung (LDA)
Auf Basis des HKS-Theorems schreibt man die Grundzustandsenergie als
Z Z
Z Z
e2
n (~r) n (~r′ ) 3 3 ′
3
E [n (~r)] =
n (~r) V (~r) d r +
d rd r + G [n (~r)]
2
|~r − ~r′ |
.
(6.81)
Das durch Glg.(6.81) definierte Funktional G [n (~r)] setzt sich aus dem Funktional für die
kinetische Energie und für die Austausch- und Korrelationsenergie zusammen
G [n (~r)] = T [n (~r)] + E xc [n (~r)]
.
(6.82)
Für das Austausch-und Korrelationsfunktional macht man nun eine Lokale-Dichte-Näherung
der Form
Z
xc
E [n (~r)] = n (~r) ǫxc [n (~r)] d3 r ,
(6.83)
wobei
¢1/3
3e2 ¡ 2
3π n (~r)
(6.84)
4π
die Austauschenergie pro Teilchen für ein homogenes Elektronengas mit der lokalen Dichte n (~r) ist. Die Variation des Funktionals Glg.(6.81) führt mit der Nebenbedingung der
Teilchenerhaltung
Z
N = n (~r) d3 r
(6.85)
ǫxc [n (~r)] = −
auf die Gleichung
∂T [n (~r)]
+ V (~r) + e2
∂n (~r)
Z
n (~r′ ) 3 ′
d r + µxc [n (~r)] − λ = 0 ,
|~r − ~r′ |
(6.86)
mit
µxc [n (~r)] =
¢1/3
∂ {n (~r) ǫxc [n (~r)]}
e2 ¡ 2
∂E xc [n (~r)]
3π n (~r)
=
=−
∂n (~r)
∂n (~r)
π
,
(6.87)
wobei der Lagrange’sche Multiplikator λ die Nebenbedingung aus Glg.(6.85) sicherstellt.
Wir stehen nun vor dem Problem, dass wir das Funktional für die kinetische Energie nicht
kennen. Man geht nun zurück zu den Einteilchen Wellenfunktionen und schreibt die Dichte
als
X
n (~r) =
|ϕi (~r)|2 .
(6.88)
i
Eine weitergehende Annahme über den Zusammenhang zwischen der Einteilchen- und der
Vielteilchenwellenfunktion ist dabei nicht notwendig. Die Funktionalableitung nach der Dichte wird nun über eine Variation nach den Orbitalen ϕi (~r) durchgeführt. Mit
µ
¶
XZ
~2 2
∗
T [n (~r)] =
ϕi (~r) −
(6.89)
∇ ϕi (~r) d3 r
2m
i
141
6.3. STARKE ELEKTRONISCHE KORRELATIONEN
erhalten wir als Ergebnis der Variation nach den ϕ∗i (~r) eine Bestimmungsgleichung für die
ϕi (~r)








Z
 ~2

′
n
(~
r
)
2
2
3 ′
−
∇ + V (~r) + e
d
r
+
µ
[n
(~
r
)]
ϕi (~r) = ǫi ϕi (~r) .
(6.90)
xc


2m
|~r − ~r′ |



|
{z
}


Vef f
Gleichung (6.90) ist eine verallgemeinerte Einteilchen-Schrödinger-Gleichung, in der das Vielteilchen Potential durch ein effektives Einteilchen Potential Vef f (~r) ersetzt wurde. Multiplikation von links mit ϕ∗i (~r), Integration und Summation über die besetzten Zustände ergibt
µ
¶
Z
XZ
X
~2 2
∗
3
ϕi (~r) −
∇ ϕi (~r) d r + V (~r)
ϕ∗i (~r) ϕi (~r)d3 r
2m
|i
{z
}
|i
{z
}
T [n(~
r )]
+e2
=
X
Z X
ǫi
|i
.
n(~
r)
′
ϕ∗i (~r) ϕi (~r)
{z
n(~
r)
}
n (~r ) 3 3 ′
d rd r +
|~r − ~r′ |
Z X
|i
ϕ∗i (~r) ϕi (~r) µxc [n (~r)]d3 r
{z
n(~
r)
}
(6.91)
i
Subtrahiert man nun den Ausdruck für die Grundzustandsenergie (Glg.(6.81)) von Glg.(6.91)
so erhält man
Z
Z Z
X
e2
n (~r) n (~r′ ) 3 3 ′
E=
ǫi −
d rd r + n (~r) {ǫxc [n (~r)] − µxc [n (~r)]} d3 r . (6.92)
′|
2
|~
r
−
~
r
i
Die Gleichungen (6.90) und (6.92) sind das Äquivalent der Einteilchen- und Gesamtenergiegleichungen der Hartree-Fock Methode in der Lokalen-Dichte-Näherung. Sie werden auch oft
als Kohn-Sham Gleichungen bezeichnet und stellen die Grundlage aller modernen Methoden
zur Berechnung der elektronischen und magnetischen Eigenschaften von Festkörpern dar.
6.3
Starke elektronische Korrelationen
Während die Dichtefunktionaltheorie für ”normale” Metalle sehr gute Ergebnisse liefert,
scheitert dieser Ansatz ganz oder teilweise in Systemen für die eine ”chemische” Beschreibung in Form von Orbitalen notwendig ist. Wenn man sich also zu weit vom Elektronengas entfernt, so wird es notwendig die ”mean-field” Beschreibung der Elektronenkorrelation
durch einen mikroskopischen Ansatz zu erweitern. Ganz allgemein kann man sagen, dass
in Systemen in denen sehr flache Bänder existieren, die Korrelationseffekte nicht mehr vernachlässigbar sind. Typische Vertreter dieser Klasse sind die Übergangsmetalloxide wie FeO,
CoO und NiO, die experimentell antiferromagnetische Isolatoren sind, vom LDA jedoch als
142KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Metalle beschrieben werden. Ganz analog ist das Beispiel für den Hochtemperatursupraleiter
La2 CuO4 , welcher ebenfalls ein antiferromagnetischer Isolator ist, und der im Rahmen des
LDA ein nicht-magnetisches Metall wird. Zudem kann LDA die hohen effektiven Massen in
schweren Fermionen Systemen nicht beschreiben. Der Grund liegt eben in der schlechten
Näherung für die Coulombkorrelation, welche eben dann wichtig wird wenn Elektronen gleiche Orbitale besetzten sollen. Formal bedeutet dies jedoch, dass man den mean-field Ansatz
verlassen muss und dafür die Elektron-Elektron Wechselwirkung am besten als Paarwechselwirkung berücksichtigen sollte. Dieser mikroskopische Ansatz führt jedoch zu enormen
numerischen Problemen, sodass früh begonnen wurde nach sogenannten ”toy-models” zu
suchen die eine verbesserte Beschreibung der Coulombkorrelation zulassen und dennoch ”rechenbar” sind.
6.3.1
Hubbard-Model
Das Hubbard Modell kombiniert ”electron hopping” zwischen benachbarten Gitterplätzen
mit der Coulombabstossung zwischen Elektronen am selben Gitterplatz. (J. Hubbard, Proc.
Roy. Soc. A, 267 283 (1963), Phys. Rev. B, 19 2626 (1979), ibid. 20 4548 (1979)) In seiner
einfachsten Form lautet der Hubbard Hamiltonoperator
X
X
H=
tij c†iσ cjσ + U
ni↑ ni↓ .
(6.93)
ijσ
i
Das electron-hopping zwischen den Gitterplätzen i und j wird durch den Parameter tij beschrieben, während der Parameter U (das ist das berühmte Hubbard-U ) die Coulombwechselwirkung zwischen den spin-up und spin-down Elektronen am Gitterplatz i beschreibt. c†iσ , ciσ
sind die Fermionen Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für ein Elektron mit Spin σ am
Gitterplatz i und niσ = c†iσ ciσ ist der entsprechende Besetzungszahloperator (Leiteroperator)
der die Anzahl der Elektronen mit Spin σ am Gitterplatz i misst. Diese Fermionenoperatoren
genügen den folgenden Antikommutator Regeln
i
h
i
h
(6.94)
c†iσ , c†jσ′ = [ciσ , cjσ′ ] = 0 .
c†iσ , cjσ′ = δij δσσ′
In Abhängigkeit vom Vorzeichen von U kann der Hubbard Hamiltonoperator verschiedenen
Zustände des Elektronensystems beschreiben:
• U > 0 (abstossend): paramagnetisch metallisch, ferromagnetisch metallisch, antiferromagnetisch isolierend,
• U < 0 (anziehend): normale Fermi Flüssigkeit, Supraleitung, Ladungsdichtewelle (Isolator), normale Bose Flüssigkeit (Isolator).
U ist jedoch nicht der einzige Parameter. Es gibt weiters die Stärke des electron hopping
tij und die Temperatur T . Weitere “versteckte” Variable sid die dimensionalität des Systems
und das Kristallgitter auf dem das Problem definiert ist. Da die Bandauffüllung (daher die
Anzahl der Elektronen) eine wichtige Rolle spielt kann auch die Elektronendichte n = n↑ +n↓
143
6.3. STARKE ELEKTRONISCHE KORRELATIONEN
als Parameter des Hubbard Hamiltonoperators angesehen werden. Da das Pauli Prinzip
untersagt, dass zwei Elektronen mit gleichem Spin den selben Gitterplatz besetzen findet
man nσ ≤ 1 für σ =↑, ↓ und daher n ≤ 2. Der Spezialfall n = 1 beschreibt ein halbgefülltes
Band und im Allgemeinen eine anitferromagnetische Ordnung.
Es ist relativ einfach für den Fall U = 0 eine Lösung für den Hubbard Hamiltonoperator
anzugeben. Die Lösung gelingt indem man die Erzeuger und Vernichter Fourier transformiert.
Die zeitabhängige Schrödingergleichung für H lautet
i~ċiσ = −
X
tij cjσ
,
(6.95)
j
mit den fouriertransformierten Operatoren
~
1 X i~kR
ciσ = √
e i c~kσ
N ~
k
~
1 X i~kR
, cjσ = √
e j c~kσ
N ~
,
k
erhält man für einen bestimmten Wert ~k
X
~ ~ ~
i~ċ~kσ = −
tij e−ik(Ri −Rj ) c~kσ
.
(6.96)
j
Andererseits gilt für die Zeitentwicklung eines Eigenzustandes
i~ċ~kσ (t) = ǫ~0k c~kσ (t)
,
(6.97)
wobei gilt
i 0
c~kσ (t) = e− ~ ǫ~k t c~kσ (0)
,
(6.98)
und damit durch Vergleich von Glg.(6.96) und Glg.(6.97)
ǫ~0k = ǫ0 −
X
~ ~
~
tij eik(Ri −Rj )
.
(6.99)
j6=i
~i −R
~ j = a erhält man ǫ0 = −2tij (cos (kx a) + cos (ky a))
Für ein 2d quadratisches Gitter mit R
~k
was zu einer Bandbreite W = 4tij führt.
In ähnlicher Weise behandelt man den Fall für U 6= 0 jedoch im Rahmen der Hartree–
Fock Näherung. Das bedeutet, dass man die Hubbard Wechselwirkung ni↑ ni↓ annähert durch
n̄i↑ ni↓ + ni↑ n̄i↓ − n̄i↑ n̄i↓ . Die Größen n̄iσ sind die thermodynamischen Mittelwerte und müssen
selbstkonsistent bestimmt werden. Die physikalische Interpretation dieser Näherung ist,
dass Fluktuationen in der Doppelbesetzung ni↑ ni↓ unterdrückt werden. Die entsprechende
zeitabhängige Schrödingergleichung lautet
µ
¶
X
d
i~ − ǫ0 − U n̄i−σ ciσ = −
tij cjσ .
(6.100)
dt
j
144KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
Die Lösungen stellen zwei Bänder für die zwei Spins dar, die durch die Hubbardwechselwirkung U aufgespalten werden.
1
ǫ~↑k = ǫ~0k + U (n̄ + m) , ǫ~↓k = ǫ~0k +
2
1
1
mit n̄↑ =
(n̄ + m) , n̄ ↓= (n̄ − m)
2
2
1
U (n̄ − m)
2
.
,
(6.101)
(6.102)
Die Bandaufspaltung beträgt daher ∆E = U m = ǫ~↑k − ǫ~↓k . Die Unterdrückung der Quantenfluktuationen (vergl. mean-field Näherung für den Heisenbergoperator) führt ebenfalls auf
eine mean-field Näherung wobei U m das entsprechende Molekularfeld ist. (Zum Begriff des
Molekularfeldes siehe bitte Weiss Modell im Skriptum FK-I)
6.3.2
Korrelationskorrekturen in der LDA
LDA+U
Wie schon in der Einleitung zum Hubbard Modell ausgeführt, gelangt die LDA im Fall stark
korrelierter Elektronen an Ihre Grenzen. Man versucht daher die Vorteile der LDA beizubehalten und gleichzeitig die Fehler in der Behandlung der Korrelationen zu verbessern. Ein
möglicher Ansatz besteht darin eine Hubbardwechselwirkung einzubauen. Dieser Weg wird
in der Literatur als LDA+U bezeichnet und man verbessert die LDA Beschreibung durch
Berücksichtigung eines Hubbard U Terms und der Austauschenergie J (spin-flip) entsprechend der Hund’schen Regeln.
H = HLDA −
U
HLDA
′
1X X
σσ ′
+
Umm
′ nilmσ nilm′ σ ′
2 i,l mσ,m′ σ′
′
1X X
−
Jmm′ c†ilmσ c†ilm′ σ̄ cilm′ σ cilmσ̄
2 i,l mσ,m′ σ′
.
(6.103)
′
P
Die Summe
bedeutet, dass zumindest zwei Indizes eines Operators verschieden sein
müssen, σ̄ =↓ (↑) für σ =↑ (↓). Da in der LDA Korrelationen rudimentär Beschrieben
U
werden subtrahiert man diesen Anteil in Form von HLDA
um Doppelzählungen zu vermeiden. Dies ist jedoch nicht exakt möglich, man korrigiert die LDA Energie durch die Näherung
(wobei man sich z.B. nur auf die d-Elektronen beschränkt, l = 2)
1 X
1
U
ndσ (ndσ̄ − 1)
ELDA
= Ū nd (nd − 1) − J
2
2 σ
,
(6.104)
P
wobei P
ndσ =
m nilmσ die Gesamtzahl der wechselwirkenden Elektronen pro Spin und
nd = σ ndσ sind. Ū und J sind mittlere Coulombwechselwirkung und Austauschenergie.
↑↓
σσ ′
′
Typischerweise gilt Umm
= U, Jmm′ = J, Umm
′ = U − J − Jδσσ ′ für m 6= m (wobei das
erste J von der reduzierten Coulombabstossung für unterschiedliche m kommt und Jδσσ′
145
6.3. STARKE ELEKTRONISCHE KORRELATIONEN
von der reduzierten Coulombabstossung für gleiche Spins stammt) Ist nun M die Anzahl der
wechselwirkenden Orbitale (z.B. M = 5 für d-Elektronen) so ist Ū gegeben durch
Ū =
U + (M − 1) (U − J) + (M − 1) (U − 2J)
2M − 1
.
(6.105)
Das Problem, das bei der Anwendung entsteht ist nicht nur durch die erforderlichen
Näherungen gegeben, sondern liegt auch darin, dass der Ansatz nicht mehr variationell ist.
Es gibt daher kein Kriterium für die Qualität der gemachten Näherungen. Dennoch lassen
sich durch Wahl eines geeigneten Wertes für U experimentelle Befunde erklären und interpretieren. Ein Beispiel ist die intermetallische Verbindung FeAl die in der CsCl-Struktur kristallisiert. Experimentell ist FeAl nicht-magnetisch, dennoch liefert die einfache LDA Rechnung
immer einen sehr stabilen magnetischen Grundzustand. Erst nach einer Korrelationekorrektur von U ≃ 5eV verschieben sich die Fe d-Bänder derart, dass ein nicht-magnetischer
Grundzustand entsteht (Phys.Rev. Letters 87 196401 (2001)).
Abbildung 6.7: Elektronische Zustandsdichte für FeAl für U = 0eV und U = 5eV .
146KAPITEL 6. MATERIALSPEZIFISCHE METHODEN DER FESTKÖRPERPHYSIK
6.3.3
Dynamische Molekularfeld-Theorie (DMFT)
Der Haupteffekt der Elektronenkorrelation besteht in einer dynamischen Abschirmung von
Löchern die durch Quasiteilchen Anregungen entstanden sind. Wird ein Quasiteilchen (Elektron mit effektiver Masse) über die Fermifläche angeregt, so lässt es ein Loch zurück. Dieses
positiv geladene Loch wird jedoch von den anderen Elektronen aufgrund deren Polarisierbarkeit (Dielektrizitätskonstante) ganz oder teilweise abgeschirmt, sodass sich das Potential
des Loches ändert. Diesen dynamischen Effekt versucht man im Rahmen der DMFT und der
GW Methode zu berücksichtigen. Eine detaillierte Beschreibung des Formalismus geht weit
über den Rahmen dieser Vorlesung hinaus. Es soll nur erwähnt werden, dass beide Ansätze,
die ja im Gegensatz zu LDA+U tatsächlich Vielteilcheneffekte beschreiben, sehr erfolgreich
zu sein scheinen und trotz des großen numerischen Aufwandes einen gangbaren Weg zur
Berücksichtigung von Korrelationseffekten aufzeigen.
Anhang A
Das freie Fermigas
Wir interessieren uns hier für Elektronen im Festkörper. Ausgangspunkt wird die
Sommerfeld-Theorie der Metalle (vgl. Skriptum Festkörperphysik I) sein, in der, abgesehen
vom Pauliprinzip, das zur Fermi-Dirac-Verteilung führt, keine Wechselwirkungen zwischen
den Elektronen berücksichtigt werden. Der Grundzustand ist die gefüllte Fermikugel: alle
Zustände im ~k-Raum mit Wellenvektoren kleiner oder gleich dem Fermiwellenvektor k~F sind
besetzt, alle anderen Zustände sind unbesetzt. Niederenergetische (Teilchen-Loch-) Anregungen werden einfach dadurch erzeugt, dass ein Elektron von einem Ort knapp unterhalb
der Fermifläche an einen Ort knapp oberhalb gebracht wird. Ein solcher angeregter Zustand
wird durch die Angabe der Impuls- und Spin-Quantenzahlen des jetzt leeren Zustandes unterhalb der Fermienergie (Loch) und des neu besetzten Zustandes oberhalb der Fermienergie
(Teilchen) eindeutig gekennzeichnet.
A.1
Quantenstatistik der Fermionen
Um die quantenmechanischen Eigenschaften eines Ensembles von Teilchen zu beschreiben,
muss man die entsprechende Quantenstatistik bestimmen. Wie diese Statistik aussieht, hängt
von den Eigenschaften der Teilchen ab. Die Fermistatistik fundiert auf drei Forderungen:
• Die Teilchen sind ununterscheidbar
• Die Teilchen folgen dem Pauliprinzip (Austauschwechselwirkung); man hat es daher
mit Teilchen zu tun, deren Spin gegeben ist durch n + 1/2 mit n ∈ N . Die Wellenfunktionen dieser Fermionen sind antisymmetrisch gegenüber der Vertauschung zweier
Teilchen.
• Die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen sind schwach (strenggenommen null).
Bei einer mittleren Energie εs habe ein Systems eine Anzahl as von Quantenzuständen mit
den Besetzungszahlen ns . Die Anzahl der verschiedenen Verteilungen der Teilchen auf die
Quantenzustände ist daher gegeben durch
Ws =
as !
ns ! (as − ns )!
147
.
(A.1)
148
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
Die Divisioin durch ns ! trägt unserer Forderung nach Ununterscheidbarkeit Rechnung. (z.B.
as = 3, ns = 2, ⇒ Ws = 3. Hätte man die klassische Maxwell-Boltzmann Statistik verwendet,
so käme man auf Ws = ans s = 9.) Ws ist natürlich proportional zur Wahrscheinlichkeit, dass
ein Zustand besetzt ist oder nicht. Die Gesamtwahrscheinlichlichkeit W ist das Produkt
der einzelnen Wahrscheinlichkeiten, für eine Anzahl von Teilchenzuständen N und einen
Gesamtenergie E:
Y
Y
as !
W =
Ws =
,
(A.2)
n
!
(a
−
n
)!
s
s
s
s
s
N=
X
ns
,
(A.3)
s
E=
X
ε s ns
.
(A.4)
s
Wir maximieren nun die Entropie (Maximierung von W ) unter der Nebenbedingung, dass
die Teilchenzahl N und die Gesamtenergie konstant sind, wobei wir Boltzmann’s Formel
S = kB ln(W ) anwenden
dS = kB d(ln(W )) = kB
µ
∂ ln(W )
∂n
¶
dn .
Dabei müssen wir nur eine Variation bezüglich der Besetzungszahl n durchführen, da alle
anderen Variablen durch n ausgedrückt werden können. Es ist nun nur nötig, die Größe
∂ ln(W )/∂n zu berechnen, da W die Wahrscheinlichkeit für den wahrscheinlichsten Zustand
des Systems ist. Wir schreiben die Variation daher als
∂ ln(W ) − α∂N − β∂E = 0
,
(A.5)
wobei man die Lagrange Multiplikatoren α and β einführt. Mit den Glg. (A.2)–(A.4) erhält
man
X
∂N =
∂ns ,
s
∂E =
X
εs ∂ns
.
(A.6)
s
Die Berechnung von ln W ist etwas aufwändiger:
ln W =
X
s
ln Ws =
X
s
ln
as !
ns ! (as − ns )!
.
Man verwendet Stirling’s Näherung für den Logarithmus der Fakultät
ln(k!) ≃ k ln(k) − k
(A.7)
149
A.1. QUANTENSTATISTIK DER FERMIONEN
an und erhält
ln W =
X
s
=
X
ln(as !) − ln(ns !) − ln(as ! − ns !)
ns ln
s
µ
¶
¶
µ
as
ns
− 1 − as ln 1 −
ns
as
.
Dies ergibt für die Variation aus Glg.(A.5)
¶
¶
X µ µ as
ln
− 1 − α − βεs ∂ns = 0 .
n
s
s
(A.8)
(A.9)
Nach dem Prinzip des detaillierten Gleichgewichtes muss diese Variationsbedungung nun für
jedes s gelten:
µ
¶
as
ln
− 1 − α − βεs = 0 ,
(A.10)
ns
und daher
ns =
as
= as f (εs ) .
exp(α + βεs ) + 1
(A.11)
Unsere Voraussetzungen für das Verhalten der Teilchen führen also zur Fermi-Dirac-Statistik.
Hätten wir die klassische Statistik mit der Wahrscheinlichkeit W = ans s benützt, so hätten
wir die Boltzmann Statistik erhalten
ns = exp(−α − βεs ) .
(A.12)
Um nun die Zustandssumme zu berechnen, verwenden wir Glg.(A.11) und (A.8)
X
ln W =
[ns (α + βεs ) + as ln(1 + exp(−α − βεs )] .
(A.13)
Mit dem totalen Differential der Energie E
X
X
∂E =
εs ∂ns +
ns ∂εs
(A.14)
s
s
s
führt man nun die thermodynamischen Variablen Entropie T dS und Arbeit dW ′ ein. Man
schreibt nun ln W als:
X
X
∂ ln W =
α∂ns +
βεs ∂ns .
(A.15)
s
s
P
Unter der Bedingung, dass die Teilchenzahl konstant ist, setzt man α s ∂ns = 0. Für den
zweiten Term ist dies jedoch nicht möglich, da man eine Summe über das Produkt von ∂ns
und dem spektralen Gewicht“ Energie zu bilden hat. Fasst man nun alles zusammen, so
”
erhält man eine differentielle Form der Boltzmann Beziehung
∂ ln W = βT ∂S
.
(A.16)
150
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
Gleichung (A.16) ist auch eine implizite Definition für den Lagrange Multiplikator β, welcher
den Wert 1/(kB T ) annimmt. Wir schreiben die Entropie nun als
X
S
= ln W =
[ns (α + βεs ) + as ln(1 + exp(−α − βεs )]
kB
s
.
(A.17)
Führt man die Summation aus, so erhält man
S
= αN + βE + Z ,
kB
X
Z =
as [ln (1 + exp (−α − βεs ))]
.
(A.18)
s
Die Größe Z wird als Zustandssumme“ bezeichnet. Z ist eine zentrale Größe der stati”
stischen Thermodynamik und erlaubt die direkte Berechnung der Zustandsvarisablen des
Systems. Einige ihre Eigenschaften sind:
N =
X
s
ns = −
P = kB T
∂Z
∂V
∂Z
∂α
,
,
(A.19)
T ∂S = ∂E + kB T ∂Z = ∂E + P ∂V
A.2
.
Die Freie Energie des Fermigases
Die Freie Energie F und die Freie Enthalpie G sind gegeben durch
F = E − T S = −kB T (N α + Z)
,
G = F + P V = −kB T (N α + Z) + kB T Z
= −N kB T α .
(A.20)
(A.21)
Glg.(A.21) erlaubt eine Definition des Lagrange Multiplikators α, welcher durch das chemische Potential µ ausgedrückt wird
G
= −αkB T = µ .
N
Wir sind davon ausgegangen, dass as die Anzahl der Quantenzustände bei einer Energie
εs sind. Wenn man nun quasi-kontinuierliche Energiezustände annimmt, so ersetzt man as
durch die Zustandsdichte N (ε). Da N (ε) die Anzahl der Zustaände im Energieintervall dε
ist, schreibt man
as ⇒ N (ε) dε ,
ns ⇒ N (ε) f (ε) dε ,
151
A.2. DIE FREIE ENERGIE DES FERMIGASES
wobei f (ε) die Fermi-Dirac-Verteilung ist. In der Festkörperphysik ist die Zustandsdichte
eine zentrale Größe für das Verständnis der elektronischen und magnetischen Eigenschaften.
Sie ist das Festkörperanalogon zu den Energieniveaus in einem freien Atom mit bestimmten
Besetzungszahlen.
Für T 6= 0 multipliziert man die Zustandsdichte mit der Fermi-Dirac-Verteilung
1
N (ε) f (ε) = N (ε)
exp
.
´
+1
µ−ε
kB T
¶¶
³
ε−µ
kB T
(A.22)
Unter Verwendung der Zustandsdichte N (ε) wird die Zustandssumme zu
Z=
Z∞
0
µ
N (ε) ln 1 + exp
µ
dε .
(A.23)
Aus der Vorlesung FKPI wissen wir, dass die Zustandsdichte für die freien Elektronen gegeben ist durch
3
1
4π
(A.24)
(2m) 2 ε 2 .
3
h
In Glg.(A.24) haben wir nicht bezüglich der beiden Spinrichtungen unterschieden. Bei T =
0K ist das Fermigas natürlich im Zustand der tiefsten Energie. Alle Zustände unterhalb der
Fermienergie εF sind besetzt, alle Zustände oberhalb sind leer. Dies ist eine direkte Folge der
Fermi-Dirac-Verteilung bei T = 0K, welche unterhalb von εF gleich 1 und oberhalb gleich
0 ist. Bei T = 0K ist εF daher auch identisch mit dem chemischen Potential µ, welches ja
definiert ist als jene Energie, die nötig ist, um dem System ein Teilchen hinzuzufügen. Da
alle Zustände unterhalb von εF besetzt sind, hat der niedrigste unbesetzte Zustand daher (in
einem Metall) die Energie εF . In Halbleitern und Isolatoren muss man von dieser Definition
abgehen, da dort der niedrigste unbesetzte Zustand vom höchsten besetzten Zustand durch
die Bandlücke getrennt ist. In der Halbleiterphysik ist es deswegen üblich, die Fermienergie
in die Mitte der Energielücke zu setzen.
Das Konzept der Fermienergie und eine Analyse der Form der Zustandsdichte an der
Fermienergie εF liefern Informationen über eine große Anzahl von Festkörpereigenschaften
(Sommerfeld-Modell). Der Grund dafür liegt darin, dass die Fermifläche die Grenze zwischen
den besetzten und den unbesetzten Zuständen darstellt und jede Art von Störung (Anregung)
sich nur an dieser Grenze abspielen kann.
Die Zustandsdichte der freien Elektronen (Abb. A.1) hat die Form einer Parabel. Der Ausdruck parabolisches Band“ wird auch oft synonym für die parabolische Dispersion der Ener”
gie der freien Elektronen benützt, die ja durch E = ~2~k 2 /(2m) beschrieben wird. Ein Beispiel für die Zustandsdichte eines einfachen Metalles wird in Abb.A.2 gezeigt. Die annähernd
parabolische Form der Zustandsdichte der Valenzelektronen ist typisch für Metalle mit s, pElektronen, welche sich annähernd wie freie Elektronen verhalten. Die Abweichnungen in der
Nähe der Fermienergie sind Effekte der tatsächlichen Bandstruktur im periodischen Kristall
und heissen van Hove–Singularitäten“.
”
N (ε) =
152
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
Abbildung A.1: Parabolische Zustandsdichte für das freie Fermigas bei T = 0
Abbildung A.2: Zustandsdichte des kubisch-flächenzentrierten Aluminiums.
Die Anzahl der Teilchen unterhalb der Fermienergie ist gegeben durch
Z εF
Ntot =
N (ε)dε .
(A.25)
0
Ist die Teilchenzahl bekannt, so kann man daraus die Fermienergie berechnen
h2
εF =
2m
µ
3Ntot
8πV
¶ 23
.
(A.26)
Man benützt nun εF um eine äquivalente Temperatur zu definieren TF = εF /kB , welche als
Fermi-Entartungstemperatur (oder kurz Fermitemparatur) bezeichnet wird. TF bestimmt
153
A.2. DIE FREIE ENERGIE DES FERMIGASES
die Energieskala für die Anregungen der Elektronen und definiert eine Beziehung zwischen
der aktuellen Temperatur des Fermigases und der Temperaturabhängigkeit der einzelnen
Eigenschaften. Für normale Metalle wie Na oder Al ist TF von der Größenordnung 104 −105 K,
für Systeme mit starker WW zwischen den Elektronen, wie z.B. den Schwere-FermionenSystemen kann TF auf Werte von 102 − 103 K absinken.
Wir haben bereits gesagt, dass bei endlicher Temperatur die Zustandsdichte durch die
Temperaturabhängigkeit der Fermi-Dirac-Verteilung verändert wird (Abb. A.3).
1
3 Ntot
ε2
³
³
´
´
N (ε, T ) =
3
2 ε 2 exp ε−µ + 1
F
,
µ = µ (T )
.
(A.27)
kB T
Abbildung A.3: Zustandsdichte des Fermigases bei endlicher Temperatur
Um nun die Eigenschaften des Fermigases bei endlichen Temperaturen zu berechnen,
führen wir die folgenden Abkürzungen ein
µ
ε
, η=
,
kB T
kB T
Die Anzahl der Teilchen Ntot ist gegeben durch
Z∞
N (ε, T )dε
Ntot =
x=
n=
Ntot
V
.
(A.28)
0
3
=
Ntot
2
µ
kB T
εF
¶ 32
F1/2 (η)
,
(A.29)
wobei F1/2 (η) das sogenannte Fermiintegral ist, welches in seiner allgemeinen Form definiert
ist als
Z∞
xy
dx .
(A.30)
Fy (η) =
exp (x − η) + 1
0
154
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
In den letzten beiden Gleichungen haben wir die obere Intgrationesgrenze als unendlich angenommen. Der Grund dafür liegt in der Form der Fermi-Dirac-Verteilung, die bei endlicher
Temperatur keine rigorose Definition der Fermienergie zulässt. Gleichung (A.29) erlaubt nun,
F1/2 (η) zu berechnen
3
1 =
2
2
F1/2 (η (T )) =
3
µ
µ
kB T
εF
εF
kB T
¶ 32
F1/2 (η)
¶ 23
,
η = η (T ) =
µ
kB T
.
,
(A.31)
Ganz analog berechnet man die Energie der besetzten Zustände und erhält
E=
Z∞
3
εN (ε, T )dε = Ntot kB T
2
0
⇒
µ
kB T
εF
F3/2 (η)
E
=
Ntot kB T
F1/2 (η)
¶ 32
F3/2 (η)
,
,
(A.32)
(A.33)
Die Zustandssumme wird damit zu
3
Z =
2
µ
kB T
εF
¶ 32
Ntot
Z∞
1
x 2 ln (1 + exp (η − x)) dx
0
¶ 32
µ
kB T
F3/2 (η)
εF
F3/2 (η)
2
2 E
=
Ntot
=
3
F1/2 (η)
3 kB T
= Ntot
(A.34)
.
Wir könne nun auch die thermodynamischen Variablen Entropie S, Freie Energie F , und
Enthalpie G durch die Fermiintegrale ausdrücken
5 F3/2 (η)
3 F1/2 (η)
,
(A.35)
2 F3/2 (η)
F
=η−
Ntot kB T
3 F1/2 (η)
,
(A.36)
S
Ntot kB
= −η +
G
µ
= −α =
= η (T ) .
(A.37)
Ntot kB T
kB T
Um diese Beziehungen zu erhalten, sind wir von der Zustandsdichte des Fermigases ausgegangen. Es zeigt sich jedoch, daß diese Formeln auch kompliziertere Metalle wie die
Übergangsmetalle recht gut beschreiben können. Der Grund liegt wieder darin, dass die
Anregungen nur um einen kleinen Bereich rund um die Fermifläche auftreten, sodass die
globale From der Zustandsdichte nicht eingeht. Dies gilt insbesondere solange TF viel grösser
155
A.2. DIE FREIE ENERGIE DES FERMIGASES
als Raumtemperatur ist. Da in diesem Fall jedoch η >> 1 und daher
die Fermiintegrale entwickeln
µ
kB T
>> 1, kann man
#
"
∞
X
¢
(y + 1) y... (y − 2r + 2) ¡
η y+1
1−2r
1+2
1−2
ζ (2r) ,
Fy (η) =
y+1
η 2r
r=1
(A.38)
wobei ζ (2r) die Riemann’sche ζ-Funktion ist.
Für die Fermiintegrale erhält man somit in niedrigster Ordnung von T (ausgedrückt
durch η) die Näherungsformeln
µ
¶
2 3
π 2 −2
∼
2
F1/2 (η) =
η 1 + η + ...
,
3
8
µ
¶
5π 2 −2
2 5
∼
F3/2 (η) =
η2 1 +
η + ...
.
(A.39)
5
8
Unter Verwendung von Glg.(A.29) kann man nun die Temperaturabhängigkeit des chemischen Potentials bestimmen
µ
¶3
¶
µ
εF 2
2 3
π 2 −2
2
.
= η2 1 + η
F1/2 (η (T )) =
3 kB T
3
8
Mit
εF
µ (0)
=
=η
kB T
kB T
erhält man
µ (0)
µ (T )
=
η=
kB T
kB T
Ã
π2
1−
8
µ
(A.40)
kB T
εF
¶2 ! 23
.
(A.41)
Entwickelt man nun noch (1−x)2/3 findet man eine physikalisch sehr intuitive Form, nämlich
dass das chemische Potential mit steigender Temperatur abnimmt
Ã
µ
¶2 !
π 2 kB T
µ (T ) ≃ µ (0) 1 −
.
(A.42)
12
εF
Dieses Verhalten hat seine Begründung darin, dass durch thermische Anregung Teilchen in
höhere Zustände befördert werden, was natürlich unbesetzt Zustände unterhalb der Fermienergie erzeugt. Fügt man nun Teilchen zum System hinzu, so muss man nur mehr eine leicht
reduzierte Energie unterhalb von µ (0) aufbringen. Dieser Effekt skaliert wieder mit TF und
es kann daher davon ausgegangen werden, dass er sehr klein ist. Nichtsdestotrotz ist er für
die spezifische Wärme des Fermigases verantwortlich. Aus Glg. (A.33), (A.39), und (A.42)
berechnet man den Ausdruck für die Gesamtenergie E und für die spezifische Wärem bei
konstantem Volumen cv zu
156
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
Ã
¶5
¶2 !
µ
5π 2 kB T
kB T 2
3
1+
F1/2 (η) =
εF
5
12
εF
µ
¶
∂E
3 5π 2 kB2
cv =
2 T .
= Ntot εF
∂T V
5 12 ε2F
3
=
Ntot εF
2
E
µ
,
(A.43)
(A.44)
Schreibt man cv in der üblichen Form als cv = γT, so wird der Koeffizient des linearen Terms
der spezifischen Wärme zu
γ=
π 2 nkB
2 TF
,
TF =
εF
kB
.
(A.45)
Mit Hilfe von Glg.(A.24) und (A.26) drückt man den Faktor γ des elektronischen Anteils
der spezifischen Wärme durch die Zustandsdichte aus und erhält
(A.24) → N (ε) =
3
1
4π
2 ε2
(2m)
3
h
(A.46)
¶2
3Ntot 3
8πV
3n
,
⇒ N (εF ) =
2 εF
h2
(A.26) → εF =
2m
µ
π2 2
γ = kB N (εF ) .
(A.47)
3
Im Grenzfall hoher Temperaturen, wenn T vergleichbar zu TF wird, kann man das Fermiintgral assymptotisch entwickeln
Fy (η) = Γ (y + 1)
∞
X
r=1
(−1)r−1
exp (rη)
ry+1
,
(A.48)
sodass für η → ∞ ⇒ Fy (η) → 0. Mit Glg. (A.33) erhält man
E
nkB T
¡ ¢
Γ 52
3
¡3¢ =
=
,
2
Γ 2
3
3
⇒ E = RT , cv = R .
2
2
(A.49)
Im Hochtemperaturlimit geht das Fermigas in ein System klassischer Teilchen über. Die
spezifische Wärme wird konstant und strebt dem Grenzfall des Dulong–Petit’schen Gesetzes
zu. Physikalisch wird dieser Zustand nie erreicht, da ja T vergleichbar zu TF sein müsste, was
bei normalen Metallen weit über deren Siedepunkt liegt. In heissen Plasmen können diese
Beziehungen jedoch gelten.
157
A.3. ZUSTANDSDICHTE
A.3
Zustandsdichte
Die erlaubten ~k Zustände für Fermionen in einem periodischen Potential mit der Periodizität
L sind durch
~k = 2π (lx , ly , lz )
(A.50)
L
gegeben, wobei die lx , ly , lz ∈ N von −∞ bis +∞ gehen. Jeder ~k Zustand kann von 2
Elektronen besetzt werden. Der Grundzustand für eine System¯ mit
¯ N Elektronen entsteht
¯~ ¯
dadurch, dass man zuerst den Zustand niedrigster Energie d.h. ¯k ¯ = 0 besetzt. Als nächstes
¯ ¯
¯ ¯
folgt der Zustand mit ¯~k ¯ = 2π/L (1, 0, 0) und so weiter. Die so entstehenden Werte für
~k besetzen somit ein kubisches Gitter, wobei die Abstände zwischen zwei benachbarten ~k
Punkten immer 2π/L sind. Das Volumen für jeden ~k Punkt ist daher (2π/L)3 . Wann immer
man nun z.B. die Anzahl der Teilchen oder deren Energie berechnen will, muss man Summen
der Form
X
F~k
(A.51)
~k
auswerten, wobei F~k einen Funktion jener ~k Vektoren ist, wie sie durch Gl. (A.50) gegeben
sind. Die Berechnung der Summen erfolgt am einfachsten durch Integrale, wobei Integration
ja derart definiert ist, dass man den Raum in Volumenelemente unterteilt, für die man die
entsprechende Funktion - multipliziert mit dem Volumen des Elements - aufsummiert:
Z
d~kF~k =
X µ 2π ¶3
~k
L
F~k ⇒
X
~k
V
F~k =
(2π)3
Z
d~kF~k
.
(A.52)
In Fällen, in denen die Funktion F~k eine Deltafunktion z.B. der Form δ~k~q enthält kann man
diese in eine Funktion einer quasi-kontinuierlichen Variablen umschreiben. Damit der rechte
Teil von Glg. (A.52) auf beiden Seiten 1 ergbt, wenn wir F~k durch δ~k~q ersetzen, muss gelten:
δ~k~q →
´
(2π)3 ³~
δ k − ~q
V
.
(A.53)
Die Summe in Gl. (A.52) läuft über alle Wellenvektoren. Da der zu jedem Wellenvektor gehörende Zustand nach dem Pauliprinzip mit 2 Elektronen besetzt werden darf, wird
üblicherweise die Zustandsdichte (density of states, manchmal auch density of levels) eingeführt
1
N~k = 2
(A.54)
(2π)3
Mit dieser Definition lässt sich Gl. (A.52) schreiben als
Z
X
F~k = V
d~kN~k F~k
~kσ
(A.55)
158
ANHANG A. DAS FREIE FERMIGAS
und folgende Notation einführen
Z
Z h i
Z
2 X
2
~
~
dk ≡
= dkN~k =
d~k
3
V
(2π)
~
.
(A.56)
k
Die Zustandsdichte im ~k -Raum mag etwas trivial wirken, sagt sie doch nichts anderes aus,
alsdass sich in jedem Volumselement genau 2 Zustände befinden. N~k hat daher selbst auch
keine ~k -Abhängigkeit und ist mehr als Skalierungsgröße zu sehen.
Weiter verbreitet ist die Energie-Zustandsdichte, welche die Anzahl der Zustände in einem
Energieintervall beschreibt. Die Verwendung dieser Zustandsdichte ist dann sinnvoll, wenn
man Summen über Funktionen zu bilden hat deren ~k -Abhängigkeit ausschließlich durch eine
~k -abhängige Energie ε~ gegeben ist
k
Z
X ¡ ¢
F ε~k = V
dεN (ε) F (ε) .
(A.57)
~kσ
Berechnen wir nun N (ε)
X
~kσ
¡ ¢
F ε~k = V
Z h
Z
i ¡ ¢
~
dk F ε~k
Z h
i ¡
¢
d~k δ ε − ε~k F (ε)
Z h i
¡
¢
⇒ N (ε) =
d~k δ ε − ε~k
.
= V
dε
(A.58)
(A.59)
(A.60)
Bei der Ableitung
¡haben wir
¢ den Trick benützt, dass wir in das Integral Gl. (A.58) den Wert 1
R
in der Form dεδ ε − ε~k hineingeschrieben haben (das Integral über die Deltafunktion gibt
den Wert 1). Vertauscht man die Reihenfolge der Integration erlaubt dies die Zustandsdichte
zu identifizieren.
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