Aufmacher 2 © Liebherr Ausgabe 01 | 4. Juli 2016 Noch bevor er zu Mister Torque wurde: Ersteinsatz des Großdrehbohrers LB 44 beim Bau eines Teilchenbeschleunigers in Darmstadt. Großdrehbohrer mit Linkedin-Profil Was kann Digital Marketing leisten? / Unternehmen müssen Konsequenzen akzeptieren U nter seiner technischen Modellbezeichnung „Liebherr Bohrer 44“, kurz LB 44, hätte er die sozialen Medien wohl nicht so erfolgreich durchdrungen. „Mister Torque“ als Name für den größten Großdrehbohrer der Welt klingt da schon ganz anders. Es ist gute zwei Jahre her, als das diversifizierte Familienunternehmen, das neben Bohrgeräten auch Kräne, Flugsteuergeräte oder Klimatechnik kann und sogar Hotels betreibt, im Vorfeld einer wichtigen amerikanischen Baumesse vor der Frage stand: Wie wollen wir die Markteinführung dieses gewaltigen Apparats marketingseitig begleiten? Das Industriegüterunternehmen wagte ein Experiment: Der LB 44 wurde „vermenschlicht“, aus der Maschine wurde Mister Torque – mit Berufserfahrung, Arbeitserfahrung, Publikationen, einem eigenen Linkedin-Profil mit am Ende 151 echten Kontakten, 17.000 Fans und 42.000 Likes. 4,5 Millionen Menschen erreichte Liebherr mit Mister Torque über die digitalen Kanäle, mit etwa 10 Prozent von ihnen kam es zu einer Interaktion („engagement rate“). Andere Unternehmen freuen sich, wenn sie 1 Prozent schaffen. Wenn Tobias Ilg, Social Media Manager bei Liebherr, auf dem „Tag der Industriekommunikation“ des Bundesverbands Industrie Kommunikation (BVIK) in Fürstenfeldbruck von dieser Aktion erzählt, tut er das immer noch mit großem Stolz. Denn er kann handfeste, monetäre Ergebnisse dieses digitalen Marketingprojektes präsentieren: Drei Käufe des Bohrers sind direkt auf die Linkedin-Kontake von Mister Torque zurückzuführen. Das ging aus dem Vergleich von Käuferdaten und Social-Media-Profilen hervor. Ob drei Verkäufe bei dieser gigantischen Zahl an Fans, Likes und Shares nicht ein bisschen wenig seien, möchte ein Teilnehmer im Auditorium wissen. Ilg schmunzelt. Der Verkaufspreis eines Geräts liegt bei zwei Millionen Euro. Investiert wurden für die Kampagne insgesamt 20.000 Euro, intern fielen etwa 300 bis 400 Stunden Arbeit im Marketing an. „Ich glaube, da gibt es schlechtere ROI-Quoten“, sagt Ilg. Hinzu kommt der Reputationsgewinn: Der LB 44 wurde erfolgreich als Flaggschiff im Markt positioniert. Liebherr machte vor, dass digitales Marketing auch im Industriegüterbereich funktioniert. Warum tun sich dennoch viele Firmen bis dato so schwer damit? „Nicht jedes Unternehmen verfügt schon über das spezifische Know-how, das dafür nötig ist“, sagt Heino von Dreele, Head of » Nicht jedes Unternehmen verfügt schon über das spezifische Know-how für digitales Marketing.« Heino von Dreele, Head of Marketing, Schuler Pressen Marketing bei Schuler Pressen. Er ist sich aber sicher: „Auch im B2B kommt man am digitalen Marketing nicht mehr vorbei.“ Eine Hürde könnte der im Vergleich zu Konsumgüterunternehmen kleine Adressatenkreis des Marketings sein. „Viele haben Angst davor, Social Media zu entdecken, deshalb ist die Umsetzung dann so zögerlich und banal“, sagt Christian Blümelhuber, Professor für Strategische Organisationskommunikation an der Universität der Künste in Berlin. Social Media könne aber besonders gut „Möglichkeiten schaffen“, wie die Forschung zeigt. Möglichkeiten, mit dem Kunden in einen Dialog zu treten, der später irgendwann mal in einen Verkauf mündet. „Doch wer das ernst meint, muss auch die Konsequenzen ertragen“, fügt Blümelhuber hinzu. Und diese sind eine neue Form des Zusammenarbeitens mit simpleren Regeln und eine Organisation, die loslässt. Dann hat ihm zufolge die digitale Kommunikation das Zeug dazu, das Marketing insgesamt auf eine neue Ebene im Unternehmen zu heben. Was in puncto Datenauswertung und Analyse im Marketing deutscher Unternehmen noch alles möglich scheint, zeigt Julius van de Laar, OnlineStrategie- und Kampagnenberater, anhand der beiden „digitalen Wahlkämpfe“ von Barack Obama. An beiden war er unmittelbar beteiligt. Was hierzulande wohl dazu führt, dass sich bei jedem Datenschützer die Nackenhaare aufstellen, hat in den Wahlkämpfen dafür gesorgt, dass potentielle Obama-Wähler gezielt identifiziert, analysiert und adressiert wurden – auch mal durch sanften „sozialen Druck“. Dass die Arbeit des „Digital Campaigning“ am Ende mitentscheidend für seine zwei Wahlsiege war, ist heute unbestritten. Auch wenn aufgrund des strengen deutschen Datenschutzes sich diese Möglichkeiten hierzulande so schnell nicht eröffnen werden, ist für den Onlinexperten eines klar: „Auch für Marketingentscheider der Industrie eröffnen sich durch Big Data neue Perspektiven für ihre Onlinekampagnenstrategie, wenn sie es schaffen, ihre Wettbewerber mit Hilfe von technischer Innovation, Datenanalysen und integriertem Multi-ChannelMarketing hinter sich zu lassen“, sagt van de Laar. toa Also: Yes we can, too.