STEIN _Normen - frauseifert.de

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chancen nutzen
Natursteinmauern prägen
die Kulturlandschaft des
Eisacktals in Südtirol – und
das moderne Wohnhaus
von bergmeisterwolf Architekten.
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chancen nutzen
Basis für
gute noten
Zertifizierungen als Chance
Für die Immobilienbranche gehören Gebäudezertifizierungen zu den wichtigsten Instrumenten, ein Objekt ökologisch und monetär zu bewerten. Architekten und Planer setzen sich bereits seit einigen Jahren mit diesem Thema auseinander. Aber auch das Handwerk reagiert. Von Melanie Seifert
A
nfang des Jahres stellte das Institut für Bauen und Umwelt e.V. (IBU) dem Material Naturstein eine Environmental product declarations (EPD) aus – eine Produktdeklaration,
die vor allem Aspekte des Lebenszyklus’ transparent macht. Warum ist das so wichtig?
Obwohl Gebäudezertifizierungen nicht verpflichtend sind und in der Regel freiwillig durchgeführt werden, zertifizieren sogenannte Auditoren inzwischen die meisten Objekte mit mehr als
15.000 Quadratmetern Bruttogschossfläche (BGF) nach unterschiedlichsten Normen – weltweit und
meistens auf Nachfrage der Investoren oder Mieter. Diese Zertifizierungen heißen – je nachdem
nach welchem Länderverfahren bewertet wird – zum Beispiel Dgnb, Leed, Breeam oder Minergie.
Um die Höchstauszeichnungen der Labels zu erhalten, fließen die Ökobilanzen eins zu eins in die
Nachweise ein. Heraus kommen dann beispielsweise Ergebnisse wie Dgnb Gold oder Leed Platin.
Zertifizierungen mit hohem Stellenwert
Egal, welches Label zugrunde liegt, es geht bei allen um Bestnoten in Sachen Nachhaltigkeit, Ökologie, Energieeffizienz und Ökonomie, aber auch um hohen Nutzerkomfort – letztgenannter nimmt
besonders bei Labels in den deutschsprachigen Ländern einen hohen Stellenwert ein. Bevor aber
die Zertifizierungsfachleute – also die bereits erwähnten Auditoren – mit den Bewertungen beginnen, greifen sie auf Datengrundlagen der eingesetzten Bauprodukte zurück. Diese geben Auskunft
über Ökobilanzen und Lebenszyklen eines Produkts oder Baustoffs. Im Gegensatz zu den Gebäudezertifizierungen sind die EPDs transparent und somit als Nachweis für Umweltansprüche aller Länder geeignet. Darüber hinaus werden die Deklarationen von unabhängigen Programmbetreibern
erstellt. Innerhalb der EU gibt es seit Januar 2011 eine europäische Bauproduktverordnung. Sie
schreibt die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen vor, bei der die großen Themen »Recycling-
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Die Oberflächen dieses
Betonbaus sind mit
Maggia-Gneis
verkleidet. Für die
Fassade wurde
der Stein gegen das
Lager geschnitten, ­was
ein streifiges Bild
ergab.
Architekten: Beer
Architektur Städtebau,
München
fähigkeit« und »umweltfreundliche Rohstoffe« eine tragende Rolle spielen. Die DIN-Norm EN 15804
für Bauprodukte ist die Grundlage der jüngst auf dem Markt gekommenen EPDs. Diese sind lediglich
– wie der Name schon sagt – Deklarationen, keine Zertifizierungen oder Labels! Geprüft werden
Bauprodukte in ihren produkt- oder rohstoffspezifischen Eigenschaften wie zum Beispiel eingesetzte Rohstoffe, Transportwege oder Umweltauswirkungen bei der Entsorgung. Zusammen ergeben die
Werte eine Summe in Tonnen Kohlenstoffdioxid ab.
Nachhaltiger Naturstein
Das heißt: Endlich gibt es einen offiziellen Nachweis,
wie nachhaltig Naturstein wirklich ist. Die im Auftrag
vom europäischen Naturstein-Fachverband Euroroc auf
Anregung des DNV erstellte EPD wurde gemäß ISO-TypIII bewertet. Die natürliche Beschaffenheit, Vielfältigkeit
und Haltbarkeit von Naturstein macht ihn zum idealen
Bauprodukt für alle, die umweltbewusst und nachhaltig
denken. Die Deklaration beinhaltet eine unabhängige
Überprüfung der EPD und belegt die Umwelteinwirkungen der Produkte aus Naturstein. Die Deklarationen
werden im öffentlichen Vergabewesen als Nachweis der
Erreichung ökologischer Anforderungen anerkannt.
Damit lassen sich Produkte derselben Kategorie direkt
und sinnvoll ökologisch miteinander vergleichen, was
sonst kaum möglich wäre.
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SteinWISSEn
Anbieter von Deklarationen
Unterschiedliche Programmbetreiber
bieten Deklarationen an. In Deutschland beispielsweise übernehmen das
Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU),
das Institut für Fenstertechnik e.V. in
Rosenheim, kurz Ift-Rosenheim, oder
PE International die Auswertung der
Bauprodukte, in Österreich die BauEPD. Darüber hinaus gibt es europaweit weitere Programmbetreiber, die
sich unter eco-plattform.org finden.
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Steinplus
Websites zur Suche
Die Produktdeklarationen erhalten Planer, Auditoren oder Mitglieder der Vereine stets
frei zur Verfügung. Hierzu hält zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges
Bauen (Dgnb) ein Werkzeug bereit: den Dgnb-Navigator. Als Plattform für Bauprodukte
spuckt die Suchmaschine Produkte und deren Umwyelteigenschaften sortiert nach Produktgruppe, Hauptkategorie (beispielsweise Massivbaustoffe) und Hersteller aus. Die
zugrunde liegenden Daten stellt in diesem Fall das IBU mit den EPDs zur Verfügung.
Natürlich informieren die jeweiligen Programmbetreiber ebenfalls auf ihren Internetseiten über alle EPDs aus ihrem Hause.
dgnb-navigator.de
bau-umwelt.de
euroroc.net
Im Inneren des Hauses
rührt die wolkige
Textur der
horizontalen Flächen –
Böden im Erdgeschoss,
Deckenunterseiten
außen und Solbänke –
vom Schnitt des
Maggia-Gneises mit
dem Lager.
>> S. 51
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Ressourcen schonen
Martin Graser ist mit seiner Firma Bamberger Natursteinwerk Spezialist, wenn es um nach­
haltiges Bauen im Außenbereich geht. Besonders Steinfassaden konnte die Firma in letzter
Zeit oft umsetzen. STEIN unterhielt sich mit ihm über das Thema nachhaltiges Bauen.
Herr Graser, was verstehen
richtige Baustoff, wenn das
Sie unter nachhaltigem
Gebäude nach 20 Jahren
Bauen?
wieder abgerissen werden
Martin Graser: Nachhaltiges
soll. Naturstein ist das MateBauen bedeutet für mich,
rial für Bauten, die auf Dauer
Gebäude mit Rohstoffen zu
bestehen sollen – was früher
erstellen, die langfristig Wert
immer der Fall war. Damals
erhaltend sind und Ressourhat man gebaut, weil man
cen schonen; mit Rohstoffen
etwas Bleibendes Hinterlaszu arbeiten, die schonend
sen wollte.
abgebaut werden. Naturstein hat einen sehr gerinWie sollte Naturstein vergen Ressourcenverbrauch,
baut werden, damit er mögda er in guter Qualität in der
lichst nachhaltig ist?
Natur vorkommt und nur
Neben ästhetischen Aspeknoch in Form gebracht werten ist es wichtig, dass er
den muss. Holz zähle ich
fachlich korrekt verbaut wird,
ebenfalls zu den nachhaltidass es keine Mängel gibt, die
Martin
Graser,
Bamberger
Natursteinwerk
gen Baustoffen. Künstlich
dazu führen, dass man den
produzierte Baustoffe gehöNaturstein früher als nötig
ren nicht zu den Materialien,
austauschen muss. Für uns
die ich für nachhaltiges Bauen verwenden
bedeutet das, dass wir den Stein gerne dicker verwürde. Nachhaltig bauen heißt aber auch, nur so
bauen: nicht nur als vorgehängte Fassaden mit
viel von einer Ressource zu verbrauchen, wie
drei oder vier Zentimetern Stärke, sondern als
wieder nachwachsen kann. Das funktioniert
Mauerwerk mit zehn oder zwölf Zentimetern Stärbeim Holz sehr gut, beim Stein nicht, da er relake – oder ganz massiv. Wenn man Naturstein mastiv lange braucht, um neu zu entstehen. Trotzsiv einsetzt, fällt es später viel leichter, kleinere
dem ist er durch seinen Produktlebenszyklus beReparaturen auszuführen. Natürlich ist das zuständiger als Holz, das nach einer gewissen Zeit
nächst ein Kostenfaktor. Aber auch Unterhalt kosAuflösungserscheinungen vorweist.
tet. Was bringt eine drei Zentimeter dünne Fassadenplatte, die nach 20 Jahren wieder ausgeWann ist Naturstein nachhaltig im Bau?
tauscht werden muss, weil ein Mangel in der KonsWenn Naturstein aus der Region verwendet und
truktion vorlag und die Anker ausgebrochen sind
architektonisch so hochwertig verbaut wird,
oder das Material schlecht war – mit einem Maudass er seine Vorteile ausspielen kann und lange
erwerk habe ich diese Probleme nicht. Es gibt Argenug als Gebäude besteht. Viele alte Gebäude
chitekten, die genau das erkannt haben. Aber sie
zeugen davon, dass Naturstein ein sehr beständihaben es oft schwer, den Eigentümern oder Invesger Baustoff ist. Heutzutage wird oft für das
toren ihre Ideen näher zu bringen. Da liegt der
kurze Investment gebaut; Naturstein ist nicht der
Fokus schon sehr stark auf dem Geld.
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Ist in letzter Zeit ein Trend zu erkennen, dass sich mehr Architekten darauf
spezialisieren oder mehr Bauherren
mit Naturstein bauen wollen?
Ja, das merkt man ganz deutlich. Der
Markt im Natursteinbereich hat im letzten Jahr wieder angezogen. Es gibt wieder mehr Natursteinfassaden auf dem
Markt, auch Mauerwerksfassaden.
Was würden sie sich von Architekten
wünschen, die Naturstein mehr in
ihren Fokus rücken und damit bauen
wollen?
Viele Architekturbüros haben fachliche
Lücken, insbesondere was die Detailplanung angeht. Sie sollten sich mehr
von Fachfirmen, vom Deutschen Natursteinverband oder ähnlichen Institutionen beraten lassen. Viele Mängel lassen sich so von vornherein vermeiden.
Wie sieht Ihre Prognose für das Bauen
mit Naturstein in Zukunft aus?
Heimische Baustoffe sollte noch stärker in den Fokus gerückt werden, das
liegt mir sehr am Herzen, natürlich
auch, weil wir so viele eigene, heimische Steinbrüche haben. Und was uns
auch wichtig ist, ist, dass man ordentlich und werthaltig baut und auch wirklich Gebäude erstellt, die ein positives
Bild für den Naturstein abgeben und
nicht nach zwanzig Jahren saniert werden müssen. Privat sollte wirklich wieder mehr mit Stein gearbeitet werden,
man kann auch alte Steinhäuser sehr
gut nachhaltig sanieren.
Von Dorothea Gehringer
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Nachhaltig: Bauen im Bestand
Architektin Claudia Grotegut ist spezialisiert auf Bauen im Bestand und auf Sanierung und Umbau von
Altbauten sowie historischen Gebäuden unter Denkmalschutz. STEIN sprach mit ihr über nachhaltiges
Bauen, Naturstein und die Zusammenarbeit mit Steinmetzen.
einsetzen, so dass ein großzügiges und einheitliches Bild geschaffen werden kann.
Claudia Grotegut,
Architekturbüro
Claudia Grotegut,
Architektur + Konzept
STEIN: Was ist Ihre persönliche Definition von
nachhaltigem Bauen?
Claudia Grotegut: Bauen im Bestand und Bestandsentwicklung stellen im Grunde schon
den Aspekt der Nachhaltigkeit dar, da keine
neuen Flächen erschlossen und versiegelet
werden müssen. Ästhetik und Funktion eines
Gebäudes basieren unserer Meinung nach auf
innerer Logik und Effizienz und nicht auf temporärem Zeitgeist und kurzlebigen Materialien.
Wir achten bei unseren Konzeptionen darauf,
Ressourcen schonende Materialien zu verwenden. Zusätzlich befürworten wir geringen Materialeinsatz und eine Auswahl an langlebigen,
möglichst lokalen Baustoffen.
Warum verwenden Sie dafür gerne Naturstein?
Naturstein ist ein authentisches, langlebiges –
und wertbeständiges Material. Naturstein ist
für hochwertige (historische) Bestandsimmobilien ein vielfältig einsetzbares Material. Er lässt
sich sowohl im Innen- und als auch Außenraum
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Nach welchen Kriterien suchen Sie den Stein
aus?
Wir treffen eine Vorauswahl im Hinblick auf
den jeweiligen Bereich und die Kundenwünsche. Desweiteren spielen Faktoren wie die
Farbe, Gesteinsart und Oberflächenbeschaffenheit, zum Beispiel pflegeleichte Eigenschaften eine Rolle. Auf Wunsch wählen wir mit unseren Kunden das endgültige Material individuell aus den Natursteintafeln oder Natursteinblöcken des Steinmetzen aus. Im Denkmalschutz wird das Material auf den schon vorhandenen Naturstein abgestimmt und meist
aus der Region bezogen.
Wie wünschen Sie sich die Zusammenarbeit
mit dem Steinmetz bzw. Natursteinverarbeiter?
Zunächst eine umfassende Beratung in ansprechenden Ausstellungsflächen und Natursteinmuster für unsere Kunden. Auch in der
Planungs- und Ausführungsphase ist uns
eine neutrale Beratung wichtig. Außerdem
natürlich eine fachgerechte Verarbeitung,
zweitens Zuverlässigkeit im Bauablauf sowie
drittens hochwertiges Material und Langlebigkeit des verbauten Materials im Lebenszyklus der Immobilie.
Wie kommt der Kontakt mit den Partnern zu
Stande?
Ausschlaggebend ist die bewährte, langjährige
und reibungslose Zusammenarbeit, die sowohl
uns als Architekten im Rahmen der Planung
und Montage als auch unsere Kunden überzeugt hat.
Von Dorothea Gehringer
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Baumaterial und Ökobilanzen
Das IBU bietet als Herstellervereinigung eine geschlossene Außendarstellung von Umwelt-Produktdeklarationen vom Ökolabel Typ III. Im Zentrum ihrer Arbeit steht eine auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende Nachhaltigkeitsbetrachtung von Bauprodukten über deren gesamten Lebenszyklus. Die Offenlegung aller Produktinformationen, die auf Ökobilanzen beruhen, erfolgt nach international abgestimmten Normen wie ISO 14025 »Umweltkennzeichnungen und -deklarationen –
Grundsätze und Verfahren«, ISO 21930 »Hochbau – Nachhaltiges Bauen« und EN 15804 »Nachhaltigkeit von Bauwerken - Grundregeln für die Produktkategorie«. Die Typ 3-Bauproduktenkennzeichnung macht insbesondere Aussagen zum Energie- und Ressourceneinsatz und in welchem Ausmaß
ein Produkt zu Treibhauseffekt, Versauerung, Überdüngung, Zerstörung der Ozonschicht und Smogbildung beiträgt. Außerdem werden Angaben zu technischen Eigenschaften gemacht, die für die
Einschätzung des Verhaltens des Bauproduktes im Gebäude benötigt werden, wie Lebensdauer,
Wärme- und Schallisolierung oder den Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft.
Alle Gewerke profitieren
Das vom IBU verliehene Gütesiegel wendet sich mit diesen quantitativen Aussagen über die Umweltleistung von Bauprodukten nicht nur an Architekten, Bauplaner oder Bauherren. Alle am Bauprozess beteiligten Gewerke wollen wissen, wie umweltfreundlich und nachhaltig ihre Baustoffe sind.
Während im Jahr 2008 nur wenige wussten, was EPDs sind, gehören EPD-Deklarationen heute zum
Tagesgeschäft. Immer mehr Bauprodukte-Hersteller veröffentlichen ihre EPDs. Die Vorteile liegen
auf der Hand: Bei jedem Produkt können sie die Alleinstellungsmerkmale oder auch Recyclingszenarien besser abbilden, bei jedem Bauvorhaben können Unternehmen mit modernen Produktionsanlagen und Prozessen punkten. Gerade, wenn es um Beratungsleistungen geht, ist das Wissen über
EPDs ein entscheidender Vorteil für Steinmetzen und alle in der Natursteinbranche Tätigen: einmal
für den eigenen Erfolg und darüber hinaus für die Umwelt. n
Die 50 besten Einfamilienhäuser des Jahres 2014 aus
dem Wettbewerb „Häuser des
Jahres“. Eine umfangreiche
Dokumentation aller 50
Projekte mit eindrucksvollen
Fotos, detaillierten Plänen
und ausführlichen Projektbeschreibungen zeigt, was mit
Naturstein, Holz und Beton
alles möglich ist.
http://haeuser-desjahres.com
Wolfgang Bachmann /
Ulf Poschardt
Häuser des Jahres Die Besten Einfamilienhäuser 2014
272 Seiten, ca. 250
Farbfotos und Pläne
23 x 30 cm, gebunden
mit Schutzumschlag
E [D] 59,95 / E [A]
61,70 /sFr. 79.Auslieferung: 12. September 2014
ISBN: 978-3-76672097-9
Waschtisch aus JuraKalkstein – Konzept
Architekturbüro
Claudia Grotegut
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