Newsletter Q2/2013

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Wissenschaftliche Gesellschaft zur Forschung
und Weiterbildung im Bereich
nahrungsmittelbedingter Intoleranzen
Newsletter Q2/2013
Thema: Sinn und Unsinn von IgG 4 Tests für Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Die Entstehung von Antikörpern im Rahmen der adaptiven Immunantwort des Körpers ist natürlich
und zu erwarten. Falls diese Immunantwort pathologisch abläuft, können Antikörper weitere Zellen
des Immunsystems zur Ausschüttung von Effektor Substanzen anregen. Im Falle einer klassischen
Allergie werden IgE Antikörper generiert, welche Mastzellen und basophile Granulozyten zur
Ausschüttung von Histamin veranlassen. Allergien gegen Nahrungsmittel bzw.
Nahrungsmittelbestandteile unterscheiden sich von Intoleranzen, welche hauptsächlich durch ein
Ungleichgewicht zwischen einem Nahrungsmittelbestandteil und dem metabolisierenden Enzym im
Dünndarm gekennzeichnet sind. So werden z.b. die Symptome der Lactoseintoleranz dadurch
verursacht, dass die Lactose im Dünndarm nicht in Glucose und Galactose gespalten und diese
Monosaccharide aufgenommen werden; der Zucker führt zu übermäßigem Wachstum von Bakterien
im Dickdarm, und in weiterer Folge zu Blähungen und Durchfall. Diese Symptomatik findet ohne
Erzeugung von IgE Antikörper statt.
Abb. 1: Klassifikation Nahrungsmittelunverträglichkeiten gemäß EAACI [1]
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Histaminausschüttung durch Immunglobuline der Klasse G4 wurden erstmals vor 40 Jahren
beschrieben, allerdings beschreibt die derzeitige wissenschaftliche Literatur nur einen Sonderfall bei
dem IgG4 Antikörper die Ausschüttung von Histamin anregen [2]. In einigen Spezialfällen erweist es
sich trotzdem als sinnvoll, einen spezifischen IgG Titer zu bestimmen: Diagnostischen Wert besitzen
IgG Antikörper zum Beispiel bei der Diagnose der Zöliakie, einer Autoimmunerkrankung ausgelöst
durch das Getreideprotein Gluten. Aufgrund der höheren Sensitivität/Spezifität von IgA Tests wird
dieser IgG Test nur bei einer IgA Defizienz eingesetzt [3]. Auch im Rahmen einer Immuntherapie
spielt IgG4 eine Rolle in der IgE unterstützten Antigenpräsentation [4]. Eine Zunahme der IgG4
Sekretion, einhergehend mit einer Abnahme der IgE-Produktion ist hier sogar ein zu erwartender
Effekt.
Erst seit kurzem wurden eine Reihe von systemischen IgG4-assoziierten Erkrankungen beschrieben,
von autoimmuner Pankreatitis über Riedel Struma bis hin zu Retroperitonealfibrose [5]. Hier wird
durch die Anwesenheit der Antikörper im Bindegewebe Fibrose verursacht. Diese teils schweren
Erkrankungen stehen jedoch nicht im Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten, und werden
auch nicht von handelsüblichen IgG4 Tests erfasst.
Immunglobuline der Klasse G werden meist im Zusammenhang mit einer längeren Kontaktdauer
gebildet (wie z.b. durch den Kontakt von Nahrungsantigenen mit dem Immunsystem im Dünndarm)
und korrelieren nicht mit dem dazugehörigen IgE Titer; vielmehr gelten sie als Biomarker für eine
Immuntoleranz gegenüber dem Antigen. So konnte im Serum von Imkern, welche im Rahmen ihres
Berufes oft von Bienen gestochen werden, eine erhöhte Menge an IgG4 Antikörper gegen Bienengift
festgestellt werden, ohne dass diese unter einer Allergie leiden [6].
Damit ist es verständlich, dass alle großen professionellen Zusammenschlüsse von Allergologen wie
die European Academy of Allergology and Clinical Immunology, sowie die deutsche Gesellschaft für
Allergie und Klinische Immunologie, der Ärzteverband Deutscher Allergologen, die Gesellschaft für
Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin, die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und
Immunologie und die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie IgG bzw. IgG4
Antikörper gegen Nahrungsmittel zur Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten als
ungeeignet ablehnen [7, 8].
Eine Fehldiagnose führt bei Betroffenen zu Unsicherheit und einer ungerechtfertigten Einschränkung
der Diät und richtet somit deutlich mehr Schaden als Nutzen an.
1.
2.
3.
4.
Bruijnzeel-Koomen, C., et al., Adverse reactions to food*. Allergy, 1995. 50(8): p. 623-635.
Schuurman, J., et al., Complementation of Der P 2-induced histamine release from human
basophils sensitized with monoclonal IgE: not only by IgE, but also by IgG antibodies directed
to a nonoverlapping epitope of Der p 2. J Allergy Clin Immunol, 1998. 101(3): p. 404-9.
Villalta, D., et al., IgG antibodies against deamidated gliadin peptides for diagnosis of celiac
disease in patients with IgA deficiency. Clin Chem, 2010. 56(3): p. 464-8.
van Neerven, R.J., et al., IgE-mediated allergen presentation and blocking antibodies:
regulation of T-cell activation in allergy. Int Arch Allergy Immunol, 2006. 141(2): p. 119-29.
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nahrungsmittelbedingter Intoleranzen
5.
6.
7.
8.
Stone, J.H., Y. Zen, and V. Deshpande, IgG4-Related Disease. New England Journal of
Medicine, 2012. 366(6): p. 539-551.
Garcia-Robaina, J.C., et al., The natural history of Apis-specific IgG and IgG4 in beekeepers.
Clin Exp Allergy, 1997. 27(4): p. 418-23.
Stapel, S.O., et al., Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool:
EAACI Task Force Report. Allergy, 2008. 63(7): p. 793-6.
Kleine-Tebbe, J.e.a., Keine Empfehlung für IgG und IgG4-Bestimmungen gegen
Nahrungsmittel. Leitlinie der deutschsprachigen Allergiegesellschaften Allergo J, 2009. 18(4):
p. 267-73.
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