Die Rolle der Sozialen Arbeit in Bezug auf das Problemfeld frühkindlicher Störungen Bachelorarbeit im Studiengang Soziale Arbeit Vorgelegt von Greta Grundmann im Sommersemester 2014 URN: urn:nbn:de:gbv:519-thesis 2014-0351-1 Erstprüfer: Prof. Dr. phil. Haenselt Zweitprüfer: Prof. Dr. phil. habil. Kraft 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .................................................................................................................................. 3 2 Frühkindliche Störung – Begriffsklärung .................................................................................. 4 3 Konzepte frühkindlicher Störungen........................................................................................... 5 3.1 Die Bedeutung früher Interaktionserfahrungen für die Entwicklung des Säuglings .......... 5 3.2 Autismus ............................................................................................................................ 7 3.3 Psychose ............................................................................................................................11 3.4 Schizotypische Persönlichkeitsstörung ............................................................................ 13 3.5 Borderline ......................................................................................................................... 14 3.6 Narzistische Persönlichkeitsstörung ................................................................................. 15 3.7 Depression ........................................................................................................................ 17 3.8 Zusammenfassung ............................................................................................................ 20 4 Möglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Intervention oder Prävention frühkindlicher Entwicklungsstörungen .................................................................................................................... 22 4.1 Der CARE-Index (Child-Adult-Relationship-Experimental-Index) ................................ 22 4.2 Das STEEP-Programm (Steps toward effective and enjoyable parenting) ...................... 24 4.3 Eltern-Kleinkind-Beratung ............................................................................................... 28 4.4 Mentale Unterstützung durch eine „Doula“ vor, während und nach der Geburt.............. 31 4.5 Unterstützung von Müttern autistisch gestörter Kinder ................................................... 32 4.6 Sozialarbeit in der Intensivpsychotherapie....................................................................... 34 5 Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapie im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen .................................................................................................................... 35 5.1 Die psychoanalytische Säuglings/Kleinkind-Eltern-Psychotherapie ............................... 35 5.1.1 Unterschiede zwischen der psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Säuglings/Kleinkind-Eltern-Therapie ...................................................................................... 38 5.2 Innere Beistände – positive Beziehungserfahrungen und ihre nachhaltige Wirkung ....... 39 6 Beratung und Psychotherapie – ein Abgrenzungsversuch ....................................................... 41 7 Resümee .................................................................................................................................. 47 8 Quellenverzeichnis .................................................................................................................. 50 3 1 Einleitung Nicht jedes Baby hat eine Hand nach der es greifen kann, einen Arm, der es hält, einen Blick der den seinen sucht. Die frühsten Interaktionserfahrungen, die ein Säugling mit seinen Eltern macht, legen den Grundstein für dessen innere Gefühlswelt und sein Verhalten. Störungen innerhalb der Bindung und der Interaktion mit den Bezugspersonen beeinflussen entscheidend die Entwicklung des Kindes und haben Auswirkungen auf alle körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen. Jedes negative Gefühl wirkt bedrohlich auf den Säugling und er ist noch nicht in der Lage, differenziert darüber nachzudenken. Selbstregulatorische Fähigkeiten kann er nur durch das Trösten der Fürsorgeperson erlernen. Das Baby macht dann Erfahrungen wie: a) Wenn ich Angst oder Schmerzen habe oder mich alleine fühle, ist man für mich da. b) Negative Gefühle sind überstehbar. c) Ich kann etwas bewirken, z.B. dass Mama kommt, wenn ich nach ihr „rufe“. Einem Kind, dem in seinen frühen Nöten nicht geholfen wurde, dem fehlt später, wenn es erwachsen ist, die Erinnerung an innere Lösungsmodelle, in Form dieser abgespeicherten Erfahrungen. Ein Kind lebt von der Interaktion, also von den Blicken, von den Berührungen und von der Kommunikation mit seinen Bezugspersonen. Wenn diese jedoch unzureichend stattfinden, kommt es zu Entwicklungsstörungen in frühester Kindheit, welche im Laufe der Kindheit nicht einfach wieder verschwinden. Vielmehr entwickeln sich diese im Jugendalter zu schwerwiegenden emotionalen und sozialen Störungen, die mit aggressivem Verhalten einhergehen. Im Erwachsenenalter werden diese frühkindlichen Störungen dann in Form von gravierenden psychosomatischen und psychischen Erkrankungen manifest. Aufgrund dieses dramatischen Einflusses der frühesten Interaktionserfahrungen des Säuglings auf dessen gesamtes Leben habe ich mich für dieses Thema entschieden. Ich will herausfinden, welche Determinanten einen Menschen zu dem machen, was er aktuell ist und welche Möglichkeiten der Prävention und Intervention bestehen. Mit Hilfe meiner Literaturrecherche möchte ich Kenntnis darüber gewinnen, was ein Säugling braucht und was seine Bezugspersonen benötigen, um seine Bedürfnisse entsprechend zu befriedigen, und was ein Sozialarbeiter oder Therapeut braucht, um seinen Klienten ein entsprechendes Beziehungsangebot zu stellen. Außerdem will ich etwas zu entwicklungsspezifischen Besonderheiten von Säuglingen und Kindern lernen. Das Thema der frühkindlichen Entwicklungsstörungen interessiert mich sehr, da diese nachweislich die Gene, das Immunsystem, die Stressregulation, die Affektsteuerung, die Bindungsentwicklung und die Psychopathologie bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Wegen dieser langfristigen Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen möchte ich später in diesem Bereich tätig sein, um so früh wie möglich frühkindliche Störungen zu verhindern oder aufzuarbeiten und damit zu lindern. Ich möchte damit den Leuten zu mehr Lebensqualität und Wohlbefinden verhelfen. Mit dieser Arbeit möchte ich mehr Wissen und Verständnis über die Auslöser, Symptome sowie Hilfe- und Behandlungsmöglichkeiten im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen gewinnen. Es wird auch in Zukunft vermehrte Bedürfnisse nach Handlungskonzepten für die verschiedenen Formen sozialpädagogischer und psychotherapeutischer Begleitung und Unterstützung früher Störungen geben. Einige Handlungskonzepte und das dafür erforderliche Grundwissen versuche ich, in dieser Arbeit zu erforschen. Denn, so sagte Albert Einstein einst: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“ 4 2 Frühkindliche Störung – Begriffsklärung Stauss definiert die frühe Störung folgendermaßen: „Die ‚psychische Geburt‘ stellt eine Zäsur in der Entwicklung des Menschen dar. Menschen, die diese ‚Geburt‘ nicht vollzogen haben und deren Symptome Ausdruck spezifischer Lösungsstrategien für eine nicht gelungene Separation/Individuation von der Mutter darstellen, haben eine frühe Störung.“1 Voos erklärt die frühe Störung als eine psychische Störung, die in der frühen Mutter-KindBeziehung entstehen kann, wenn diese durch zu wenig Empathie gekennzeichnet ist und bei der es dem Kind dadurch nicht ermöglicht wurde, ein starkes Ich zu entwickeln.2 Unter einer frühkindlichen Störung ist also eine Entwicklungsstörung zu verstehen, die auf Unzulänglichkeiten hinsichtlich der frühsten Beziehungserfahrungen zwischen Mutter und Kind basiert. Wenn ich von der Mutter-Kind Beziehung spreche, meine ich ebenso die Beziehung zwischen dem Kind und seiner ersten Bezugsperson, welche in den meisten Fällen die Mutter darstellt. Mit diesen Beziehungserfahrungen sind die Interaktion mit dem Baby und die physische und psychische Unterstützung der Eltern gemeint, die sie dem Baby bei der Kompensation gewähren, die es zu bewältigen noch nicht in der Lage ist. Idealerweise fühlt sich das Kind dann beschützt, gesehen und geborgen und kann auf dieser Grundlage seine Selbstwirksamkeit und seine selbstregulatorischen Fähigkeiten entwickeln.3 Beziehung kann folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: „Sich beziehen auf, Bezug nehmen zu, in Verbindung treten mit, Kontakt aufnehmen zu, hinwenden zu.“4 Bowlby beschreibt das menschliche Bindungsverhalten als eine Überlebensstrategie des Säuglings.5 Die Bindung ist das Band oder die konstante Beziehung zwischen dem Kind und der Bezugsperson. Mit Hilfe des Bindungsverhaltens erzielt das Kind bestimmte Ergebnisse, wie z.B. die Nähe zur Mutter. Die Nähe offeriert dem Kind im Idealfall Sicherheit, Geborgenheit und Trost. Nach Bowlby sind Säuglinge dazu prädisponiert, eine Bindung mit mindestens einer Person einzugehen.6 Natürlich gibt es auch andere Blickwinkel bezüglich psychischer Störungen, von denen ich, der Vollständigkeit halber, noch einen anführen möchte: Aus verhaltenstherapeutischer Sicht, sind abnorme Verhaltensmuster angelernt und entscheidend ist ausschließlich die Gegenwart und weniger die Vergangenheit, also die frühe Kindheit. Man geht davon aus, dass diese unerwünschten Verhaltensweisen durch Verhaltens- und Lernprinzipien verändert werden können. Außerdem ist es für eine Veränderung der psychischen Störung nicht notwendig, die Ursache dieser zu verstehen.7 Wendenburg erklärt: „Alles, was wir erlernt haben, auch unerwünschte und ungünstige Verhaltensweisen, die zum Beispiel Ängste oder Depressionen begünstigen, können wir wieder verlernen.“8 Weiter gehen Verhaltenstherapeuten davon aus, dass durch die Therapie nicht nur das Verhalten, sondern auch das Denken verändert werden kann. Somit wird der Klient in diversen Situationen beispielsweise nicht mehr durch Traurigkeit verstimmt.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Stauss 1994, S. 19 Vgl. http://www.medizin-im-text.de/blog/2007/99/fruehe-stoerung/ Vgl. https://www.medizin.uni-tuebingen.de/ppkj/Download/SkriptPPKJ061201.pdf Vgl. Thielen 2002, S. 100 Vgl. Bowlby 1988, S. 105 Vgl. Stokowy & Sahhar 2012, S. 20 Vgl. http://www.therapeutenfinder.com/lexikon/verhaltenstherapie.html http://www.berlin.de/special/gesundheit-und-beauty/gesundheit/psychologie/2137962-2260865verhaltenstherapie-aengste-und-depressio.html Vgl. ebd. 5 3 3.1 Konzepte frühkindlicher Störungen Die Bedeutung früher Interaktionserfahrungen für die Entwicklung des Säuglings Warum haben frühe Lebensereignisse einen so enormen Einfluss auf das gesamte Leben eines Menschen? Die Anfangszeit aller lebenden Systeme legt den Grundstein für das Funktionieren des Organismus über die gesamte Lebensdauer. Die frühsten Interaktionen eines Kindes mit den nahen Bezugspersonen finden durch Affektübertragungen statt. Diese emotionale Kommunikation ist nonverbal und es ist unmöglich, die menschliche Entwicklung ohne die Affekt-Transaktionsbeziehung zu verstehen. Auch Winnicott ist sich sicher, dass ein Kind nicht jenseits der Interaktion mit seiner Mutter verstanden werden kann. Hinzu kommt die biologische Struktur, die während des Hirnwachstums reift und von frühen sozialen Erfahrungen geprägt wird. Da das Hirnwachstum in den ersten beiden Lebensjahren stattfindet, haben die frühen Beziehungserfahrungen fundamentale und fortwährende Auswirkungen. Laut Psychoanalyse deckt sich die Zeit, in der frühe Objektbeziehungen entstehen, exakt mit der Phase des Gehirnwachstums. Ich nutze das Bild „Baby's First Caress“ von Mary Cassatt (1980), welches Schore in seinem Buch verwendete, um die Dyade zwischen Mutter und Kind zu symbolisieren Abbildung 1: Baby's First Caress (Quelle: Mary Cassatt 1980) Es wird die in sich geschlossene Einheit, also die Nähe der mütterlich-kindlichen Beziehung verdeutlicht. Mutter und Kind halten Blickkontakt und die Künstlerin stellt die von Bowlby beschriebene Vorstellung von Bindung und die intensive Bezogenheit nach Winnicott durch die gegenseitigen Berührungen der beiden dar. Sie gestalten sich wie ein Kreis. Das Baby berührt das Gesicht der Mutter, während deren Hand seinen Fuß hält. Diese beiden ineinander verwobenen Körper bilden ein geschlossenes System. Doch besonders ausschlaggebend ist hierbei der innige 6 Blickkontakt der beiden, der sie miteinander vereint.10 Der Glanz in den Augen der Mutter – mit diesem Bild beschreibt der Psychoanalytiker Heinz Kohut eine wichtige Beobachtung. Mütterliche Liebe und der Stolz auf das Kind sind notwendig, damit sich das Kind gut entwickelt. Die Kenntnisse über die Individualentwicklung, also die Ontogenese, des Bewusstseins sind klinisch nicht zu erfassen. Trotzdem sind sie für die Psychoanalyse maßgeblich relevant. Bei der emotionalen und sozialen Entwicklung spielt die Reifung der sensorischen Systeme, insbesondere des visuellen Systems, eine große Rolle. So sind im ersten Lebensjahr visuelle Erfahrungen besonders ausschlaggebend für die soziale und emotionale Entwicklung des kleinen Kindes. Der wirkungsvollste visuelle Stimulus ist nach Schore der emotionale Gesichtsausdruck der Mutter. Durch das große Interesse des Kindes an den Augen der Mutter kommt es stets zu einem ausgeprägtem Suchverhalten und sich daraus ergebende Perioden des gegenseitigen, innigen Blickkontaktes. Der Fokus auf die Augen, insbesondere die Pupillen der Mutter, beginnt im Alter von 2 bis 3 Monaten. Eine Zeit in der die Nervenfasern des visuellen Kortex mit Myelin (Marksubstanz) ausgestattet werden. Diesen Vorgang nennt man Myelinisierung. Studien von Hess zeigen, dass eine Frau (oder ein Vater) mit geweiteten Pupillen auf das Bild eines Babys reagiert. Dies ist eine Reaktion die mit positiven Emotionen der Freude und des Interesses korreliert. Der Säugling wird mit einem Lächeln und mit ebenfalls geweiteten Pupillen auf die der Bezugsperson reagieren. Die großen Pupillen des Säuglings veranlassen wiederum Pflegeverhalten bei eben diesen Personen. Folglich sind die Pupillen ein zwischenmenschliches, nonverbales Kommunikationsmittel auf unbewusster Ebene. Hess kommt zu folgender Erkenntnis: Da die Säugling-Erwachsenen-Interaktion für die mentale und emotionale Entwicklung des Kindes so wichtig ist, wird durch die großen Pupillen des Säuglings, mit denen er auf die Erwachsenen-Säugling-Interaktion reagiert, eben diese zumindest in einem minimalen Maße gesichert.11 Grundlegend für die weitere affektive Entwicklung des Säuglings ist zudem die Synchronisierung der Interaktionen von Mutter und Kind. So wird die auf das Kind abgestimmte Mutter die Stimulation zurücknehmen, sobald sie spürt, dass es für das Kind Zeit wird sich zu erholen. Auf die Wiederaufnahmesignale des Kindes wird sie ebenso angemessen reagieren, um den Interaktionsaustausch erneut zu starten. Durch diese synchronen Vorgänge innerhalb der Dyade wird die Übertragung des inneren Erlebens deutlich. Nach Stern wird durch diese wechselseitigen Regulationssysteme die Erregung reguliert. Das Baby werde dabei durch ein besonderes mütterliches Sozialverhalten in die nächsten Kreisbahnen der Erregung gebracht, wobei vitale Affekte erzeugt werden.12 Schore stellt fest, dass es jederzeit zu Fehlabstimmungen innerhalb der Dyade kommen kann. Das Kind scheitert beispielsweise in seinem Streben nach Weiterbestehen durch negative Affekte wie Beschämung. Durch dieses beeinflussende Misslingen kommt es phänomenologisch zu einem Scheitern seines Bedürfnisses, welches Winnicott „going-on-being“ nennt. Andauernde negative Umstände schaden dem Säugling. Er kann sie nicht lange aushalten. Solche negativen Umstände können beispielsweise die insensitive Reaktion mit Unlustbekundungen des Säuglings, durch die Mutter, sein. Für die Prädisposition zu einer psychischen Störung spielen daher die Dauer und Intensität der Phasen, in denen ein Säuglingen negativen Affekten ausgesetzt war, eine große Rolle. 10 11 12 Vgl. Schore 2003, S. 27-30 Vgl. Hess 1975a, S. 110-119 Vgl. Stern 1983, S. 52-69 7 Die Entwicklung der Selbstregulation des kleinen Kindes kann nur durch das Zutun der Eltern zur Zustandsregulierung erfolgen.13 Laut Malatesta-Magai, wird dem Kind durch den Prozess der Wiederherstellung positiver Affekte nach einem negativen Ereignis vermittelt, dass es möglich ist, Negatives auszuhalten und zu bewältigen.14 Schore verweist außerdem auf Trevarthens Untersuchung zu den Mutter-KindProtokonversationen. Hierbei wird deutlich, dass nicht nur eine Beeinflussung des Gehirns des Babys durch Transaktionen stattfindet, sondern respektive, dass für das Wachstum eine richtige Gehirn-zu-Gehirn-Interaktion notwendig ist, zusammenhängend mit der positiven affektiven Beziehung innerhalb der Dyade. Dieser Mechanismus des wechselseitigen Aufeinander-Reagierens benötigt reifere Gehirne, die sich mit Interesse in emotionale Bewusstseinszustände jüngerer Gehirne versetzen lassen. Dabei erfolgt eine Koordination der Motivation des kleinen Kindes mit den individuellen Gefühlen des Erwachsenen.15 Schore macht außerdem deutlich, dass der rechte Kortex, welcher vor dem linken reift, durch frühe soziale Erfahrungen grundlegend beeinflusst und durch intensive positive Zustände aktiviert wird. Die Mutter programmiert durch die beschriebenen Transaktionen also ihr „Gehirnprogramm“ in das Gehirn ihres Kindes.16 Die Mutter-Kind-Beziehung lebt jedoch auch von Berührungen. So kommunizieren Eltern und Kinder vermehrt miteinander und sind gelassener und entspannter, wenn sie in der postpartalen Phase gegenseitigen Hautkontakt ausüben. Zudem gehen sie feinfühliger miteinander um und besagten Kindern fällt es im Alter von einem Jahr leichter, mit Stresssituationen fertig zu werden. In Reaktion auf Streicheleinheiten, Wärme und Berührungen wird bei Mensch und Tier Oxytocin ausgeschüttet. Während der Wehen und des Stillens wird Oxytocin beispielsweise bei der Mutter freigesetzt. Oxytocin ist ein Hormon, das nicht nur das Verhalten zwischen Kind und Mutter beeinflusst. Es aktiviert sozial-interaktives Verhalten, mindert Angst und erhöht die Schmerzschwelle. Es wirkt also beruhigend und entspannend, indem es den Kortisolspiegel und den Blutdruck senkt. Außerdem verbessert es die Nährstoffaufnahme und fördert Wiederherstellung, Wachstum sowie Lern-und Heilprozesse.17 Die frühsten Erfahrungen des Kindes mit seinen Bindungspersonen sind also von enormer Wichtigkeit für die Grundsteinlegung seiner Psyche. Winnicott sagt dazu deutlich: „Die geistigseelische Gesundheit des Individuums im Sinn von Freisein von Psychose oder Psychoseneigung (…) wird durch diese mütterliche Fürsorge gegründet.“ 18 Im Folgenden werde ich die chronologischen Entstehungen frühkindlicher Entwicklungsstörungen erläutern. 3.2 Autismus Bis zum 3. Lebensjahr durchlebt das kleine Kind 3 kritische Phasen. Die erste Phase erstreckt sich von der Geburt bis zum 6. Lebensmonat. Darin enthalten ist die Fütterungs- und Bindungsphase, welche in der Entwicklungspsychologie und der Psychoanalyse der oralen Phase entspricht. 13 14 15 16 17 18 Vgl. Schore 2003, S. 31-35 Vgl. Malatesta-Magai 1991, S. 218 Vgl. Trevarthen 1993, S. 121-173 Vgl. Schore 2003, S. 36 Vgl. Uvnäs-Moberg 2011, S. 13-14 Winnicott 1993, S. 63 8 In dieser Phase entwickelt sich das Kind-Ich 1 zum Kind-Ich 2. Das Kind-Ich 1 beinhaltet die Quelle jeglicher psychischen Energie sowie die Motivation am Leben teilnehmen zu wollen. Außerdem umfasst sie auch alle biologischen Grundbedürfnisse. Abbildung 2: Das strukturelle Modell zweiter Ordnung (Quelle: Stewart, Joines 1990, S. 60) Das Kind-Ich 2 ist folglich die Summe aus dem Kind-Ich 1, dem Erwachsenen-Ich 1 und dem Eltern-Ich 1 und ist das aktuelle Kind in der erwachsenen Persönlichkeit. Das Strukturmodell umfasst den Inhalt der Ich-Zustände. Alles, was wir von der Welt ab der ersten Lebenssekunde erleben, wird in unserem Gedächtnis gespeichert. Das strukturelle Modell dient dazu, diese Vielzahl von Erfahrungen, welche unsere Gedanken, Verhaltensweisen und Gefühle beeinflussen, innerhalb der Ich-Zustände zu ordnen. Joines veranschaulicht dies am Beispiel eines Geschäftsmannes, der seine Unterlagen in verschiedene Ablagen einordnet. Benötigt er dann seine Ausgaben des Monats nimmt er sich einfach den Ordner mit der Aufschrift „Rechnungen“. Über Botschaften, die jeder Mensch als Kind von seinen Eltern bekommt, macht man sich diverse Gedanken und es entstehen fantasierte Vorstellungen in Zusammenhang mit diesen Botschaften. Wir entscheiden uns, in bestimmter Weise auf sie zu reagieren, und erleben Gefühle, während wir sie erhalten. Zusätzlich können diese Botschaften von unseren Eltern emotionsbehaftet sein, wodurch sie neben der offen vermittelten eine weitere verdeckte Botschaft enthalten. Es kommt auch vor, dass unsere Eltern uns erklären, warum diese Botschaft besonders wichtig ist. Im Strukturmodell wird das Ganze folgendermaßen „einsortiert“: Im EL3 werden die Botschaften von unseren Eltern oder Bezugspersonen abgespeichert. Die Gründe für die Wichtigkeit der Botschaft gehören in das „Fach“ ER3. Enthält die Botschaft einen nonverbalen oder verdeckten Anteil, so wird dieser im K3 abgelegt. Unsere eigenen Gedanken bezüglich der Botschaften werden zu einem Teil des eigenen ER2. Die Vorstellungen über die Konsequenzen, die eintreten, wenn die Botschaften befolgt oder nicht befolgt werden, werden ein Teil vom EL1. Im K1 werden entsprechende Gefühle aufbewahrt, die in Verbindung mit den Vorstellungen aufkommen. Und die frühe Entscheidung über unsere Reaktion stammt aus dem ER1. Alle Erfahrungen und das ganze Erleben, das ein Mensch aus seiner Kindheit „archiviert“ hat, werden in der Transaktionsanalyse als Bestandteil seines Kind-Ich-Zustandes definiert. Die Grundbedürfnisse und tiefen Wünsche die ein jedes Kind hat, gehören zum Kind-Ich. Zu 9 seinem Eltern-Ich gehört seine Vorstellung darüber, wie es sich diese Wünsche am besten erfüllt. Und ebenso verfügt das Kind über intuitive Möglichkeiten um Probleme zu lösen. Diese gehören zum Erwachsenen-Ich. Und der ganze Ich-Zustand, bestehend aus EL1, ER1 und K1 ist das KindIch2 (K2).19 Die Fütterungsphase dauert bis zum 3. Lebensmonat an. In dieser Zeit steht die Befriedigung der Grundbedürfnisse an erster Stelle. Damit sind gemeint: Trinken, Saugen, Schlafen, Ausscheiden, Körperwärme konstant halten etc. Die Fütterungsphase enthält auch noch eine Unterphase, die Mahler den „normalen Autismus“ nennt. Sie meint damit die Zeit zwischen der 3. und 4. Lebenswoche, in der die schlafähnlichen Zustände des Säuglings, gegenüber den Perioden in denen er wach ist, überwiegen. Der Säugling befindet sich in einem verlängertem „pränatalen Zustand“ und verfügt über eine Reizschranke, wodurch er vor „extremer Stimulierung“ geschützt ist.20 Stauss führt in diesem Zusammenhang die „angeborenen Aktionsschemata“ nach Lettner auf. Lettner unterscheidet hierbei in Aktionsschemata mit deren Hilfe der Säugling sich bemüht, sich von unlustvollen Spannungen zu befreien, dazu gehören Ausscheiden, Husten, Spucken, Niesen, Aufstoßen und Erbrechen und erste Versuche einer Verwirklichung von „Aktionsschemata höherer Ordnung“, welche der motorischen Entwicklung dienen. Nach Lettner stellt das Saugen ein Aktionsschema höherer Ordnung innerhalb der Fütterungsphase dar. Während der autistischen Phase geht es primär um die Realisierung der angeborenen Aktionsschemata.21 Bei Befriedigung der Grundbedürfnisse durch die Bezugsperson empfindet der Säugling Lust, bei Nichtbefriedigung Unlust. Im vegetativen Nervensystem wird bei Lust der Parasympathikus und bei Unlust der Sympathikus stimuliert. Mit Hilfe dieser physiologischen Prozesse ist das Kind in der Lage, zwischen lustvollen und positiven sowie unlustvollen und negativen Ereignissen zu unterscheiden. Mahler geht davon aus, dass dies die erste ontogenetische Basis des späteren Spaltungsmechanismus ist.22 Im Zuge des voranschreitenden neurologischen Reifungsprozesses ist es dem Säugling möglich, Teilobjekte der Mutter zu verinnerlichen, beispielsweise die „gute“ oder „böse“ Brust, ein besorgtes Stirnrunzeln oder ein liebevoller Gesichtsausdruck. Diese Teilobjekte erzeugen Zustände von Lust oder Unlust und gehen, nach Kenntnissen von Woods & Woods, durch die vegetative Erregungsebene affektiv mit einem guten oder schlechten Selbsterleben einher.23 Die Beziehungserfahrungen mit der Mutter beeinflussen die Verinnerlichung von guten und schlechten Teilobjekten. „Eine pathologische Regression in diesen Bereich gespaltener und undifferenzierter Teilobjekte wäre der Autismus.“24 Das heißt, bei dem späteren Patienten erfolgt ein Rückzug in dieses frühe Entwicklungsstadium. Das könnte als ein Versuch, das psychische Gleichgewicht zu halten, 19 20 21 22 23 24 Vgl. Stewart, Joines 1990, S. 59-61 Vgl. Mahler 1975, S. 60 Vgl. Lettner 1989 Vgl. Mahler 1975, S. 62 Vgl. Woods & Woods 1982, S. 4 Stauss 1994, S. 24 10 bezeichnet werden. Diese Auffassung ist jedoch umstritten. Üblicherweise geht man davon aus, dass erbliche Faktoren die Hauptursache für autistische Störungen sind. Als versuchte Erklärung beziehe ich Stauss' Aussagen, rein hypothetisch, auf katalogisierte Symptome des Autismus: Im Zuge der nicht erfolgten Verinnerlichung der Teilobjekte und der Unterscheidung von guten und bösen Erfahrungen kommt es bei Autisten zu Störungen der zwischenmenschlichen Beziehungen und zur Abkapselung von der Umwelt. Denn den Patienten fällt es schwer, eigene Gefühle und die anderer wahrzunehmen und zu verstehen.25 Hobson untersuchte den Autismus näher. Er beschreibt einen autistischen Jungen, der trotz seines niedrigen IQs, laut IQ-Test, zu außerordentlichen Gedächtnisleistungen vollbringt. Der Junge ist nicht in der Lage, sich erdachte Situationen vorzustellen oder sich in sie hineinzuversetzen. Mit Spielzeug kann er nichts anfangen. Seiner sozialen Umwelt begegnet er mit Desinteresse und er zeigt keine Gefühlsregungen in Bezug auf andere Kinder. Es scheint, als ob andere Menschen in seinem Inneren nicht existieren. Weder ahmt er andere Menschen nach, noch zeigt er eine Reaktion auf das Wegnehmen von beispielsweise Spielsachen durch andere Kinder. Hobson macht deutlich, dass der Autismus durch eingeschränktes Denken und ein mangelndes Bewusstsein von der eigenen Person gekennzeichnet ist. Um das Denken als ein flexibles und fruchtbares Medium nutzen zu können und zur Entwicklung der menschlichen Intelligenz ist das Bewusstsein anderer unabdingbar. Das erklärt, wieso ein Autist, der zu herausragenden Denkleistungen in der Lage ist, lediglich über einen zu geringen IQ verfügt. Hat ein Mensch also nicht die Möglichkeit, die entsprechende Form der zwischenmenschlichen Interaktion zu erfahren, so fehlen ihm die Grundvoraussetzungen für die mentale Flexibilität, welche für Denken und Vernunft Voraussetzung ist. Denn dieser Mensch konnte keine Beziehung zwischen Selbst und anderen entwickeln. Das Selbsterleben ist nur möglich, indem man sich als Mensch unter anderen erlebt. Autistische Kinder haben somit keinen Blick für die Emotionen ihrer Mitmenschen. Sie werden von diesen Emotionen also nicht berührt. Das ist aber die Basis für das Denken und das Einfühlungsvermögen. Nur durch die emotionale Ansprechbarkeit kann sich das Selbst richtig entwickeln.26 Salzberger-Wittenberg geht nach einer langjährigen Therapie mit einem autistischen Jungen davon aus, dass es für ihn im Inneren seiner Mutter keinen Platz gab. Ein Baby nimmt eine deprimierte und geistesabwesende Mutter so wahr, als ob sie nur mit ihrer eigenen Welt beschäftigt ist. Die Aufmerksamkeit gilt also nicht dem Baby, was zu riesiger Verzweiflung und wahnsinniger Eifersucht führt. Somit entsteht unerträgliche Hoffnungslosigkeit bei dem kleinen Kind, die es mit größter Anstrengung zu vermeiden versucht. Das Kind entwickelt Überlebensmaßnahmen, weil es von der Mutter physisch und psychisch nicht genügend gehalten wird. Die Kinder versuchen, sich beispielsweise andauernd in Bewegung zu halten. Dadurch wollen sie das Gefühl umgehen, in den Abgrund zu stürzen oder auseinander zu fallen. Durch die Anspannung ihrer Muskeln halten sie sich selbst und entwickeln gleichzeitig eine emotionale dicke Haut. Durch ihre manische Erregung versuchen sie wahrscheinlich, der Hoffnungslosigkeit der inneren zerbrochenen Welt der Mutter auszuweichen. Außerdem führt Salzberger-Wittenberg Bions Konzept des Containments an. Das Containment ist ein Prozess, bei dem unbewusste Ängste und Zustände vom Anderen aufgenommen werden. Er erfordert die Fähigkeit des Egos, diese Zustände mitterleben und aushalten zu können. Containment bedarf der Empathie, fügt aber dem Mitempfindenkönnen noch die Fähigkeit des Aushaltens, des Bewahrens und des darüber Nachdenkens hinzu. Dieses Sichöffnen sollte in einem Zustand der „inneren Suspendierung von Urteilsvermögen“ stattfinden 25 26 Vgl. http://www.onmeda.de Vgl. Hobson 2002, S. 195-200 11 und somit die größtmögliche Wahrnehmung aller unbewussten Ängste und Wünsche, sowohl der beobachteten Person als auch der des Beobachters selbst, ermöglichen. Diese innere Haltung wird „Entwicklung negativer Kapazität“ genannt.“27 Das Containment beschreibt also die Notwendigkeit, dass die Mutter negative, angstmachende Gefühlszustände des Babys aufnimmt, erträgt, innerlich bearbeitet und mit dem Kind darüber kommuniziert. Für die soziale Entwicklung des Kindes ist das wichtig, denn dadurch vermittelt sie dem Kind Sicherheit. Wenn die Mutter aber aufgrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen nicht lernen konnte, dass diese Ängste überstehbar und ertragbar sind, wenn die Mutter sie also genau wie das Baby als tödlich erlebt, scheitert das Containment. Glückt es aber, erlebt das Baby einen inneren psychischen Raum der Mutter, in dem seine Ängste und Schmerzen aufgenommen werden, und es kann das mütterliche Objekt in sein Inneres aufnehmen. Das kleine Kind ist dann allmählich dazu in der Lage, seine Ängste zu verstehen und über sie nachzudenken. Dieser innere Raum, der Sicherheit vermittelt, könnte autistisch gestörten Kindern womöglich gefehlt haben. Sie erleben ihre Mutter als voreingenommen. Dadurch erfahren sie schon sehr früh in ihrem Leben eine große Enttäuschung. Des Weiteren nimmt Salzberger-Wittenberg an, dass die Trennung vom Mutterleib bei der Geburt nur durch das seelische und körperliche Halten der Mutter überwunden werden kann. Nur dadurch ist es möglich, das Konzept eines Objekts, das Leben schenkt und Bedürfnisse befriedigt, wiederherzustellen. Autistische Kinder haben die Hoffnung auf eine zuversichtliche, trostspendende Mutter aufgegeben. Sie vertrauen nicht mehr darauf, dass ihre Eltern ihnen Hoffnung und Liebe vermitteln. Als Abwehr gegen diese Hoffnungslosigkeit kommt es zu autistischen Mechanismen. Betroffene orientieren sich an harten Objekten und versuchen, durch andauernde Bewegung und exorbitanten Aktionismus der Angst der Hoffnungslosigkeit und der des Fallens in den Todesabgrund zu entgehen.28 Zu erwähnen ist, dass es mehrere Formen des Autismus gibt: frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asberger Syndrom, nicht näher bezeichnete, tiefgreifende Entwicklungsstörungen. Auch Oxytocinmangel könnte eine Rolle spielen. Denn es gibt mehrere Studien, die aufzeigen, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen Oxytocinmangel und autistischen Störungen besteht. So war es nach Verabreichung von Oxytocin einigen Autisten möglich, die Gefühlslage eines Gegenübers, anhand des Gesichtsausdruckes und der Stimmlage, besser zu deuten.29 3.3 Psychose Vom 3. bis zum 6. Lebensmonat erstreckt sich die Bindungsphase. In dieser Phase geht es dem Säugling darum, eine Bindung zur Mutter aufzubauen, also eine Symbiose mit ihr einzugehen. Er ist stets an den Geschehnissen seiner Umgebung interessiert, hält sich dabei jedoch aktiv an seiner Mutter fest. In dieser Phase ist bedingungslose Aufmerksamkeit ebenso wichtig wie die gute materielle Versorgung des Kindes. Die Symbiose zwischen Mutter und Kind gestaltet sich optimal, wenn es dem Kind von der Mutter erlaubt wird, sie während des Stillens (oder der Fütterung mit der Flasche) unbeschwert anzuschauen. Das Kind erfreut sich an emotionaler und körperlicher Zuwendung, in Form von Streicheleinheiten, angelacht oder angesprochen werden usw. In dieser Phase wird der Grundstein aller kommenden zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt. Der Aufbau einer psychologischen Bindung zu anderen Menschen stellt hier die Entwicklungsaufgabe dar.30 27 28 29 30 Lazar 2000, S.409 Vgl. Salzberger-Wittenberg, S. 82-85 Vgl. Brisch 2011, S. 14 Vgl. Stauss 1994, S. 24-25 12 Nach Bowlby besteht ein spezifisches Band zwischen Mutter und Kind. Der Beweis dafür sei das spezifische Lächeln, welches das Kind während dieser Phase in Bezug auf seine Mutter entwickelt.31 Bei Befriedigung seiner Bedürfnisse empfindet das Kind Freude und Lust und bei Nichtbefriedigung Wut und Unlust. Es ist jedoch noch nicht in der Lage, seine eigenen Gefühle von denen der Mutter zu unterscheiden. So können Gefühlszustände der Mutter auf das Kind übertragen werden und andersherum. Bei Unlustzuständen wird das Kind durch die körperliche Nähe zur Bezugsperson beruhigt und es erlebt so, dass es bei anderen Personen Trost und Entlastung finden kann. Die Mutter übernimmt also eine entlastende Funktion. Besonders groß ist das Bedürfnis nach tiefster Vertrautheit mit der Bezugsperson durch körperliche und emotionale Intimität und Stimulation. Die Haut ist dabei also das wichtigste Organ. Denn das Baby genießt es, am ganzen Körper berührt zu werden. Dadurch ist es in der Lage, seine Tiefensensibilität zu entwickeln. Bei der Tiefensensibilität geht es hauptsächlich um die Eigenwahrnehmung des Körpers. Sie ermöglicht beispielsweise das Greifen und später das Laufen. Laut Woods & Woods werden die eingeprägten Teilobjekte nun zu einem guten und bösen Bild der Mutter zusammengefügt. Sie nennen das die „fairy good mother“ und die „wicked witch“.32 Durch diese verknüpften Teilobjekte entstehen zwei disparate Bilder des Eltern-Ich 1. Das Kind speichert dann unbewusst die positiven und lustvollen Ereignisse im Eltern-Ich 1 gut (plus) und die unlustvollen und nichtbefriedigenden Ereignisse im Eltern-Ich 1 böse (minus). Das Eltern-Ich 1 plus und das Eltern-Ich 1 minus werden dann durch Erinnerungsspuren als gegenteilige Strukturen innerhalb der Psyche manifestiert. In der Bindungsphase entstehen jedoch nicht nur gute und böse Objektrepräsentanzen, also innere Bilder der Mutter, sondern auch gute und böse Selbstrepräsentanzen. Das sind innere Bilder des Selbsterlebens, die sich dadurch entwickeln, dass sich das kleine Kind bei angemessener Befriedigung seiner Bedürfnisse gut fühlt und bei Nichtgelingen der Versorgung schlecht. Das Kind kann die Selbst- und Objektrepräsentanzen jedoch noch nicht voneinander unterscheiden.33 Denn nach Rohde-Dachser werden die Objekterfahrungen vor allem nach ihrer Qualität, also gut/lustvoll oder böse/unlustvoll, und weniger in die Kategorien 'von meiner Bezugsperson ausgehend' oder 'von mir selbst ausgehend' eingeteilt. Um das Chaos der widersprüchlichen Erfahrungen, die das kleine Kind in seiner Welt macht, zu ordnen, findet diese Spaltung als erster und natürlichster Versuch statt.34 „Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber undifferenzierter SelbstObjektbilder wäre typisch für die Psychose.“35 Das heißt, in diesem Falle misslingt die Differenzierung von Selbst- und Objektrepräsentanzen. Es erfolgt eine pathologische Verschmelzung und Wiederverschmelzung.36 Die Betroffenen sind also kaum oder nicht in der Lage, zwischen sich und anderen zu unterscheiden. Daher fühlen sie sich oft fremdbestimmt und haben das Gefühl, Dinge tun zu müssen, die sie gar nicht tun wollen. Außerdem kommen ihnen die eigene Person und die Umgebung fremd vor.37 Auch hier beziehe ich rein hypothetisch, Stauss' Aussagen auf katalogisierte Symptome. 31 32 33 34 35 36 37 Vgl. Bowlby 1958, S. 39 Vgl. Woods & Woods 1982, S.12 Vgl. Stauss 1994, S. 27 Vgl. Rohde-Dachser 1984, S. 136-137 Stauss 1994, S. 28 Vgl. Stauss 1994, S. 47 Vgl. http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-05.html 13 Kurz möchte ich noch andere Erklärungsansätze für die Entstehung einer Psychose nennen. Nach dem „Vulnerabilität-Stress-Modell“ von Zubin & Spring, gibt es eine genetische Veranlagung, durch die Betroffene besonders zu einer Psychose neigen und anfällig sind für Stresssituationen, wie z.B. die Pubertät, einen Umzug, eine Trennung und eine Prüfungssituation. Demnach erkranken oft feinfühlige und kreative Menschen an einer Psychose. Außerdem wird das Auftreten einer Psychose auch durch Stoffwechselprobleme von Neurotransmittern erklärt.38 3.4 Schizotypische Persönlichkeitsstörung In der zweiten Entwicklungsphase, die vom dem 6. bis zum 18. Lebensmonat andauert, entwickelt sich innerhalb des Kind-Ich 2 das Erwachsenen-Ich 1. Dadurch ist es dem Kind immer mehr möglich, sich getrennt von der Mutter wahrzunehmen. Die Phase II überschneidet sich zeitlich mit dem Beginn der Separations- und Individuationsphase.39 Mahler teilt die Separations- und Individuationsphase folgendermaßen ein: 1. Subphase – Differenzierung oder Separation, 2. Subphase – Üben und Exploration, 3. Subphase – Wiederannäherung, 4. Subphase – Konsolidierung und Objektkonstanz.40 Davon fallen die ersten beiden Subphasen in die Zeit der Phase II. Entscheidend für die Bewältigung der ersten beiden Subphasen ist die Entwicklung des Erwachsenen-Ich 1, welches die Quelle der besonderen Neugier des Kleinkindes ist. Es möchte die ganze Welt erkunden und ist darauf aus, herauszufinden, wie seine Umwelt riecht, schmeckt, aussieht und sich anfühlt. Und das ermöglicht es ihm, sich getrennt und unterschiedlich von der Mutter wahrzunehmen. Ab dem 6. Monat befindet sich das Kind in der Subphase Differenzierung und Separation. In dieser Phase treten vermehrt Verhaltensweisen auf, die darauf schließen lassen, dass der Säugling sich um eine Ablösung aus der sehr engen Symbiose und um eine Entfaltungen zu einem eigenem Ganzen bemüht.41 In dem er sich gegen seine Mutter stemmt, verschafft er sich einen besseren Blick auf sie. Er untersucht nun genau das Gesicht der Mutter, zieht an ihren Haaren oder Ohrringen usw. Es interessiert sich außerdem für ihre Stimmlage und versucht, die Mutter mit anderen zu vergleichen. 42 Das Kind bricht aus der Dyade mit der Mutter aus und möchte ihr ein wenig fern sein. Es kommt zu einer Differenzierung der Körperbilder von Mutter und Kind. Durch die Sinne untersucht das Kind seine Körpergrenzen und die der Mutter. Diese Grenzen, hauptsächlich geschaffen durch die Haut, umfassen den Körper, beherbergen das Selbst und schließen es nach außen hin ab. Folglich werden durch die Haut das eigene Ich und das der Mutter von der Außen- und Umwelt getrennt. Die Entwicklungsaufgabe im 6. bis 9. Lebensmonat ist somit die Loslösung aus der Symbiose, der Zwei-Einheit.43 Das Kind bekommt während dieses Prozesses einen neuen Blick, welcher durch Wachheit, Ausdauer und Zielgerichtetheit gekennzeichnet ist.44 38 39 40 41 42 43 44 Vgl. http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-06.html Vgl. Stauss 1994, S. 28-29 Vgl. Mahler 1975, S. 78 Vgl. Stauss 1994, S. 30 Vgl. Mahler 1975, S. 16-20 Vgl. Stauss 1994, S. 30 Vgl. Mahler 1975, S. 22 14 Die Selbst- und Objektrepräsentanzen sind jedoch nicht immer klar voneinander unterschieden. Teilweise gehen sie noch ineinander über. Die präzise Trennung von positiven und negativen Teileinheiten bleibt bestehen. Innerhalb dieses Vorgangs entwickelt sich schrittweise das gute Selbstbild. Dieses wird ebenfalls genau vom bösen Selbstbild differenziert, genauso wie die guten und bösen Objektbilder. Verknüpft werden die separierten Selbst- und Objektrepräsentanzen durch eine Affektdisposition. Das Kind neigt also dazu, seine Gefühle bezüglich der Selbst- und Objektrepräsentanzen kundzutun. „Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber noch unscharf voneinander differenzierter Selbst- und Objektbilder wäre typisch für eine schizotypische Persönlichkeitsstörung.“45 Im Folgenden fasse ich wieder hypothetisch Symptome und mögliche Auslöser zusammen: Patienten, die an einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung leiden, empfinden durch die nicht klar voneinander getrennten Selbst-und Objektrepräsentanzen sich und ihre Umwelt teilweise als fremd. Außerdem wird ihr Auftreten von anderen als merkwürdig und exzentrisch empfunden. Sie leiden auch unter Affektverflachung und Anhedonie und leben isoliert. Die Sprache wirkt oft gekünstelt und wird teilweise nur vage zum Einsatz gebracht.46 Andere Blickwinkel hinsichtlich der Entstehung einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung sind: (a) eine neurobiologische Veranlagung zur Übererregbarkeit, (b) psychosoziale Lernerfahrungen in der Kindheit, bei denen der Betroffene beispielsweise für sein aktives, selbstsicheres Auftreten bestraft wurde, und (c) die aktuelle Verstärkung von abnormen Verhaltensweisen.47 3.5 Borderline Zwischen dem 12. und 13. Lebensmonat erfolgt eine klare Differenzierung zwischen den gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen. Das Kleinkind ist nun also in der Lage, genau zwischen den inneren Selbst- und Objektbildern zu unterscheiden. „Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber klar voneinander differenzierter Selbst-Objektbilder ist typisch für die Borderline-Persönlichkeitsstörung.“48 Borderline-Persönlichkeiten sind in der Lage, zwischen den Selbst- und Objektrepräsentanzen zu unterscheiden. Diesen Patienten gelingt es allerdings nicht, eine Objekt- und Beziehungskonstanz aufzubauen, da ihnen die Integration von bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen misslungen ist. Auch die Aufgabe der illusionären symbiotischen Allmacht erfolgt bei BorderlinePersönlichkeiten nur teilweise. Sie stecken zwischen Verschmelzungswünschen und Individuationswünschen fest und weisen somit ein stabil-instabiles Beziehungsmuster auf.49 In Folge dessen führen Betroffene unbeständige und unangemessen intensive zwischenmenschliche Beziehungen, in denen sie zwischen Idealisierung und Abwertung schwanken. Denn durch die nicht erfolgte Integration der bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen sind sie nicht in der Lage, ihr Gegenüber als komplexen Menschen zu sehen, der sich dennoch widerspruchsfrei verhalten kann. Aus Angst vor Enttäuschung und Verlust einer nahestehenden Person leiden Borderline-Persönlichkeiten oft unter Stimmungsschwankungen und unangemessenen Wutausbrüchen. Und da sie auch sich selbst nicht als komplexen Menschen anerkennen können, fehlt ihnen ein klares Identitätsgefühl. Das wirkt sich z.B. erschwerend auf ihre sexuelle 45 46 47 48 49 Stauss 1994, S. 33-34 Vgl. http://flexikon.doccheck.com Vgl. http://psychiatrie.charite.de Stauss 1994, S. 34-35 Vgl. Stauss 1994, S. 47 15 Orientierung, die Berufswahl und auch auf die Partnerwahl aus. Durch diese gestörte Ich-Identität verlieren die Patienten häufig das Gefühl für die Existenz der eigenen Person. Dadurch kommt es zu Verlustängsten, denn Alleinsein bedeutet für sie Isolation. Ich denke, dass auch selbstverletzendes Verhalten damit in Zusammenhang zu bringen ist. Denn durch den Schmerz, z.B. durch Schnitte an Gliedmaßen, versuchen die Betroffenen sich selbst und damit die eigene Existenz zu spüren. Außerdem kann das selbstzerstörende Verhalten aber auch ein Hilferuf sein und die Bestrafung für sich und andere.50 Diese Behauptungen bezüglich Symptom und Auslöser sind natürlich ungewiss und wieder rein hypothetisch. Anderen Auffassungen nach kann eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entstehen, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen folgenden Faktoren kommt: Das genetische Temperament, Umweltfaktoren, wie Erlebnisse und Traumata und neurologische oder biochemische Störungen.51 3.6 Narzistische Persönlichkeitsstörung Im Zuge der Subphase Exploration, welche sich über den 9. bis 18. Lebensmonat erstreckt, ist das kleine Kind aufgrund seiner motorischen Entwicklung in der Lage, sich aktiv von der Mutter weg zu bewegen. Es beginnt zu krabbeln und zu laufen. Das Interesse an den Dingen, die das Kind umgeben, nimmt noch mehr zu, wobei das Interesse an der Mutter jedoch nicht abnimmt. Um seine Umwelt aktiv erkunden zu können und sich trotzdem sicher zu fühlen, benötigt das Kind eine optimale Distanz zur Mutter. Das Kind ist wegen seiner Fortschritte in heller Begeisterung und hat daher narzistische Allmachtsgefühle. Das Selbstwertgefühl des kleinen Weltbeherrschers befindet sich auf dem Gipfel. In dieser Phase ist das Kind ziemlich schmerzunempfindlich und kann daher Frustrationen wie Hinfallen oder kleine Stöße gut wegstecken.52 Um ungehindert die Welt erforschen zu können, benötigt das Kind immer wieder die Mutter zum emotionalen Auftanken.53 Die Mutter übernimmt für das Kind die Funktion des Hafens und befriedigt somit sein Bedürfnis nach körperlicher und emotionaler Nähe. In dieser sogenannten Übungsphase spielt nicht die Differenzierung zwischen Gut und Böse die wichtigste Rolle, sondern Allmacht und Ohnmacht stehen im Vordergrund. Um das Kind bezüglich Ohnmachtserfahrungen zu schonen, stellt die Mutter in dieser Phase ein erweitertes Selbst dar. Das heißt, all das, was das Kind noch nicht selbst kann, lässt es seine Bezugsperson als verlängerten Arm für sich tun. Damit geht natürlich eine Verzerrung der Realität einher, die das Kind vor dem Gefühl seiner eigenen Begrenztheit und Ohnmacht schützt. Während dieser Zeit ist es an der Mutter, ihr Kind in seiner Großartigkeit zu bestärken und es nicht unempathisch auf seine Begrenztheit und die damit verbundene Ohnmacht zu stoßen. Folglich werden zwei durch die vorangegangene Spaltung getrennte Selbst-Objektbilder verinnerlicht. Diese gehen nun von Erfahrungen von Allmacht und Ohnmacht aus und nicht mehr von Erfahrungen von Lust/gut oder Unlust/böse. „Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener (Macht/Ohnmacht), aber klar voneinander differenzierter Selbst-Objektbilder, bei illusionärer Aufrechterhaltung der Allmacht und dem Verleugnen der Ohnmacht, wäre typisch für die narzistische Persönlichkeitsstörung.“54 50 51 52 53 54 Vgl. http://www.derlangeweginslicht.de Vgl. http://www.borderline-borderliner.de Vgl. Stauss 1994, S. 35-36 Vgl. Mahler 1975, S. 92 Stauss 1994, S. 36-39 16 Dem narzisstischen Charakter war es nicht möglich, die Allmachts- und Omnipotenzwünsche abzulegen. Daher gestalten sich seine Beziehungen lediglich als Erweiterung seiner Grandiosität oder Ohnmacht. Diese Patienten sind auf das Feedback der Außenwelt angewiesen, welches ihn in seiner Grandiosität bestärken soll.55 Dadurch kommt es bei narzistischen Persönlichkeiten zu Störungen zweier grundlegender Dinge: des Selbstwertgefühls und des Selbstgefühl. Das führt dazu, dass ihre Beziehungen zu anderen Menschen gestört sind, sie oft unter Niedergeschlagenheit und nicht benennbaren Ängsten leiden und sich innerlich leer fühlen. Sie sind leicht kränkbar und haben Größen- oder Kleinheitsfantasien, die einhergehen mit starker Selbstunsicherheit.56 Auch das ist lediglich eine Hypothese. Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung herrscht die ziemlich einheitliche Meinung, dass sie in den Beziehungserfahrungen der frühen Kindheit entsteht. Eine zusätzliche genetische Disposition wird aber auch nicht ausgeschlossen.57 Zum Anfang der Phase III, die zwischen dem 18. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr liegt, entwickelt sich nach Piaget die begriffliche Intelligenz.58 Im Normalfall hat das Kleinkind bis zum 18. Lebensmonat Laufen gelernt und seine kognitiven Fähigkeiten sind vorangeschritten. Es bildet sich allmählich strukturell das Erwachsenen-Ich 2 heraus. Der Vorgang der psychischen Geburt wird durch die freie Fortbewegung und der Entwicklung der begrifflichen Intelligenz maßgeblich angekurbelt. Diese strebt das Erleben des Kindes an, sich als eine ungebundene, individuelle Einheit wahrzunehmen.59 Das Kind verlangt nun nach klaren Grenzen und Informationen, auch über die Konsequenzen seines Handelns. Aufgrund seiner sprachlichen Entwicklung ist es in der Lage, die gewünschten Informationen abzufragen. Außerdem möchte das Kind versuchen, Grenzen auf ihre Beständigkeit hin zu prüfen. In dieser Zeit ist es wichtig, dass die Mutter dem Kind durch schonende Frustration sozial kompetentes Verhalten nahebringt. Denn nur so wird es in der Lage sein, ein Leben mit Mitmenschen zu führen. Durch eine optimale Frustration wird es dem Kind ermöglicht, symbiotische Wünsche und auch Allmachtswünsche aufzugeben. Innerhalb der Phase III findet die Subphase der Wiederannäherung und Konsolidierung statt. In der Wiederannäherungsphase sieht sich das Kind damit konfrontiert, dass seine Eltern eigenständige Individuen mit eigenen Interessen sind, welche nicht grenzenlos emotional zur Verfügung stehen. Außerdem macht es die ebenfalls schmerzhafte Erfahrung seiner eigenen Begrenztheit und die seiner nicht immer mit denen der Mutter harmonierenden Wünsche.60 Das Gefühl der Omnipotenz beginnt zu bröckeln.61 Diese kritische Phase nennt man die Wiederannäherungskrise.62 Hinzu kommt ein möglicher Loyalitätskonflikt. Denn für das Kind kann es anfangs bedrohlich wirken, wenn andere Menschen außer der Mutter einen wichtigen Stellenwert in seinem Leben bekommen. Denn es bekommt Angst, dass dies die ausschließliche Beziehung zur Mutter in Frage stellt.63 55 56 57 58 59 60 61 62 63 Vgl. Stauss 1994, S. 48 Vgl. http://www.hardtwaldklinik2.de Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at Vgl. Piaget 1969, S. 54 Vgl. Mahler 1975, S. 101 Vgl. Stauss 1994, S. 39-41 Vgl. Lettner 1989 Vgl. Stauss 1994, S. 41 Vgl. Lettner 1989 17 Das Kind bringt während der Wiederannäherungskrise viel Energie auf, um die Aufmerksamkeit der Mutter zu erhaschen, indem es z.B. zeigt, was es schon kann oder der Mutter kleine Geschenke bringt. Es ist auf ihre wohltuende Zuneigung angewiesen. Schnell aber kann es auch zu Stimmungsschwankungen kommen. Diese münden in Unzufriedenheit und Wutausbrüche. So wird die Mutter weggestoßen und im nächsten Moment werden wieder Zärtlichkeiten von ihr eingefordert. Dieses Beziehungsmuster wird aufgrund des häufigen Wechsels als stabil-instabil bezeichnet. Die Kämpfe der Wiederannäherungsphase neigen sich ab dem 21. Lebensmonat dem Ende zu. Während dieser Zeit besteht die Entwicklungsaufgabe darin, zwei menschliche Grundpolaritäten zu internalisieren: 1. Symbiose und Individuation, 2. Allmacht und Ohnmacht.64 Der symbiotische Charakter65 schafft es nicht, die erste Polarität zu verinnerlichen. Dadurch verfällt er in symbiotisches, festklammerndes Verhalten. Beim narzistischen Charakter66 ist die Integration der zweiten Polarität, von Allmacht und Ohnmacht, nicht erfolgt. Dieser Charakter verfällt in Verhaltensweisen der Allmacht oder in beständige Minderwertigkeitsgefühle. Aufgrund dessen entsteht ein falsches Selbst, denn er ist in seiner Individuation behindert, weil er sich nur an erdachten Idealen und Leistungen seiner Umwelt orientiert. Die Wiederannäherungsphase beinhaltet auch die Annäherung an die Realität. Denn sie ist der erste Versuch des jungen Individuums, die Vorstellung der Symbiose und der eigenen Unbegrenztheit zu fassen und sie damit der Realität anzupassen.67 Dieser Prozess geht mit Getrenntsein und Begrenztheit einher.68 Durch das sich herausbildende Erwachsenen-Ich ist es dem Kind möglich, die äußere Realität anzunehmen, ohne die innere Realität verleugnen zu müssen. Es kann also die Spaltung neutralisieren, indem es gute und böse Selbstobjektrepräsentanzen und narzistische Allmacht und Ohnmacht zusammenbringt. Nach der Wiederannäherungsphase folgt zum Ende des 3. Lebensjahres die Subphase Konsolidierung. In dieser Phase entwickelt das Kind ein ganzes inneres Bild der Mutter, in dem das „gute“ und das „böse“ Bild vollständig verschmolzen sind. Das ist die Voraussetzung für die Beziehungskonstanz und für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls. Entwicklungsaufgabe ist in dieser Phase die Aufhebung der Spaltung. Mithilfe des vollständigen, verinnerlichten Bildes der Mutter ist das Kind in der Lage, eine temporäre Trennung von der Mutter ohne emotionale Dysbalancen zu ertragen, da es auf dieses innere Bild zurückgreifen kann.69 3.7 Depression Luby et al. belegten anhand empirischer Daten, dass das Vorkommen von Depression schon im Vorschulalter möglich ist. Sie ließen 105 Vorschüler im Alter von 3 bis 6 Jahren und ihre nächste Bezugsperson einen Depressions-Untersuchungsbogen bearbeiten. Dabei wurden funktionelle Beeinträchtigungen einhergehend mit depressiven Verstimmungen festgestellt, auch wenn die Vorschüler in ihrer Entwicklung keine Verlangsamung aufwiesen. 64 65 66 67 68 69 Vgl. Stauss 1994, S. 41-42 Vgl. Johnson 1987, S. 57 Vgl. Johnson 1987, S. 57 Vgl. Stauss 1994, S. 42 Vgl. Johnson 1987, S. 58 Vgl. Stauss 1994, S. 42-45 18 Gefühle der Schuld und ein außerordentliches Maß an Erschöpfung stellten sich als signifikante Symptome für eine Depression im Vorschulalter heraus.70 54 Kinder wurden als depressiv eingestuft. 57 % davon zeigten die Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden. Kinder, die unter Anhedonie leiden, haben ein vergleichsweise stärkeres depressives Syndrom. Es ist nicht möglich, ihre Stimmung durch positive Ereignisse aufzuhellen. Sie weisen stärkere Veränderungen in der Cortisolstressreaktion sowie stärkere Beeinträchtigung der psychomotorischen Fähigkeiten und mehr familiengeschichtliche Fälle einer klinischen Depression auf. Diese Untergruppe der Depression ähnelt der melancholischen Depression im Erwachsenenalter sehr und die Symptome können schon bei dreijährigen Kindern hervortreten. Als Voraussetzung für eine Depression gilt die Fähigkeit, Traurigkeit, also psychischen Schmerz, empfinden zu können.71 Wildlöcher formulierte drei Basisbestandteile der Depression: Traurigkeit bzw. den psychischen Schmerz, psychomotorische Verlangsamung und den Verlust der Selbstachtung.72 Bei Hospitalisierten entdeckte Spitz das Vorkommen depressiver Symptome. Nach seinen Erfahrungen kann psychischer Schmerz bei Säuglingen sogar zum Tod führen, auch wenn ihre materielle Versorgung in ausreichender Form gedeckt ist. Durch die Trennung von ihren Eltern wiesen die von Spitz beobachteten Kinder Apathie, einen traurigen Gesichtsausdruck sowie verminderte Zugänglichkeit gegenüber alternativen Bezugspersonen auf. Außerdem litten die Kinder an Verzögerungen ihrer körperlichen und psycho-motorischen Entwicklung. Spitz bezeichnet dieses Syndrom als „anaklitische Depression“. Damit meint er, dass die Säuglinge sich in der ersten Hälfte des ersten Lebensjahres in Heimen oder Krankenhäusern befinden und somit getrennt von ihren Eltern sind und nur körperlich versorgt werden. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch Leere und Hilflosigkeit und den unbedingten Wunsch, geliebt und beschützt zu werden. Diese minderwertige Versorgung des Säuglings wirkt sich dann auf sein affektives System aus.73 Bowlby führt drei Stadien der Depression als Reaktion auf eine Trennung von den Eltern an. Im ersten Stadium zeigt der Säugling Angst, Protest, Schreien sowie Schlaf- und Essstörungen. Im zweiten Stadium zeichnet sich bereits das ausgereifte depressive Syndrom ab, gekennzeichnet durch Apathie, psychomotorische Verlangsamung und den Verlust des Interesses an der Umwelt. Im dritten Stadium hält die Apathie an, auch wenn die Bezugsperson zurückkehrt.74 Eine weitere Form der Depression, die nicht im Zusammenhang mit der Trennung von den Eltern steht, entdeckte Kreisler. Dieser beschreibt eine lebensgefährliche Essstörung bei Kindern unter 24 Monaten. Diese Kinder leiden an funktionalem, seelisch ausgelöstem Erbrechen ihrer Nahrung. Kreisler erklärte dieses Phänomen mit einer Lebensmüdigkeit der kleinen Kinder.75 Da Säuglinge schon ungefähr ab dem 3. Lebensmonat in der Lage sind, das affektive Klima innerhalb der Partnerschaft ihrer Eltern wahrzunehmen, ist meiner Ansicht nach auch das eine ausschlaggebende Komponente hinsichtlich der Entstehung einer Depression. Auch Lebovici macht darauf in Verbindung mit der Entwicklung des Selbst aufmerksam.76 Hinzu kommt die Fähigkeit von Säuglingen, ebenfalls ab dem 3. Lebensmonat, negative Affekte im Gesichtsausdruck ihrer Mutter wahrzunehmen. Dieses Phänomen lässt sich gut am „still-faceVerfahren“ von Ed Tronick aufzeigen. Bei diesem Verfahren wird getestet, wie ein kleines Kind auf 70 71 72 73 74 75 76 Vgl. Luby et al. 2003 Vgl. Keren 2011, S. 34-38 Vgl. Widlöcher 1986, S. 56 Vgl. Keren 2011, S. 35 Vgl. Bowlby 1983, S. 17 Vgl. Keren 2011, S. 36 Vgl. Lebovici 1985, S. 54 19 das völlig emotionslose Gesicht seiner Mutter reagiert. Im Normalfall ist es zuerst etwas geschockt, dann bringt es Energie auf, die Mutter „zurück ins Leben“ zu holen, indem es sich nach ihr reckt, schreit oder sie anlächelt und dann zeigt es Verzweiflung und Protest. Kinder einer depressiven Mutter reagieren nicht auf das „still-face“, denn sie haben sich bereits den nicht vorhandenen oder negativen Emotionen ihrer Bezugsperson angepasst. Für sie ist das „still-face“ nichts Ungewohntes.77 Außerdem kommt es, zwischen den Kindern depressiver Mütter und anderen Bezugspersonen (z.B. Kindergärtnerin oder Vater) zu einer besseren Interaktion, bei unbekannten Personen jedoch nicht.78 Eine biologische Anfälligkeit für eine spätere Depression geht mit der Konfrontation des Kindes mit einer depressiven Mutter in den ersten Lebensmonaten einher. Bei gesunden Erwachsenen finden in negativ empfundenen Situationen eine stärkere rechtsfrontale Aktivierung (rechtsfrontale Asymmetrie) und eine geringere linksfrontale Aktivierung statt. Andersherum ist es bei positiven Gefühlszuständen. 10 Monate alte Säuglinge reagierten gleichermaßen auf Videoaufnahmen mit positiven oder negativen Inhalten.79 3 und 6 Monate alte Säuglinge depressiver Mütter wiesen ähnliche EEG-Ergebnisse wie depressive Erwachsene auf. Bei diesen Kindern kam es, im Gegensatz zu denen aus der Kontrollgruppe, nicht zu einer stärkeren rechtsfrontalen Aktivierung durch eine Trennung von der Mutter.80 Außerdem fand man bei ihnen eine rechtsfrontale Asymmetrie. Zudem gibt es phänomenologische Erkenntnisse über den Zusammenhang einer depressiven Störung bei Säuglingen und einer schweren Zwangsstörung der Mutter.81 Laut Green passt sich das Kind an die „Leere“ der „toten Mutter“ an, um die Beziehung zu ihr aufrechtzuerhalten.82 Weitere Auslöser einer frühkindlichen Depression können Gewalterfahrungen oder andere frühe Traumata sein. Kinder mit solchen Erfahrungen legen oft ein aggressives oder introvertiertes Verhalten gegenüber Gleichaltrigen an den Tag. Außerdem wirken sich diese Erfahrungen negativ auf ihr Selbstvertrauen, ihr Selbstverständnis und ihre Selbstwirksamkeit aus und die Kinder leiden unter Freudlosigkeit, Interessenlosigkeit und Wein- und Wutanfällen. Diese Kinder machen schon sehr früh einen traurigen Eindruck und erfüllen die Kriterien einer Depression. Golse & Keren haben sich mit Kindern beschäftigt, die wegen einer lebensgefährlichen Krankheit in einem Krankenhaus untergebracht sind. Zur Hospitalisierung kam ihres Erachtens hinzu, dass schon kleine Kinder mitbekommen, wenn sie angesichts der Schwere ihrer Krankheit durch die Eltern oder das Pflegepersonal aufgegeben werden. Das Kind fühlt sich durch die vorweggenommene Trauer emotional im Stich gelassen. Das Kind fühlt also schon vorzeitig die Einsamkeit des Todes und läuft somit Gefahr, eine depressive Störung zu entwickeln.83 Außerdem gibt es Beobachtungen von Gauvain-Piquard & Meignier, welche belegen, dass Kinder auf anhaltende physische Schmerzen und die unzureichende Hilfeleistung des pädiatrischen Teams mit Rückzug und Verstummen reagieren. Diese Verhaltensmuster scheinen oft wie eine autistische Reaktion.84 Auch bei der Depression ist jedoch die Meinung, dass eine genetische Vulnerabilität existiert, verbreitet.85 77 78 79 80 81 82 83 84 85 Vgl. http://www.youtube.com Vgl. Keren 2011, S. 39 Vgl. Davison & Fox 1982 Vgl. Dawson et al. 1992, S. 86 Vgl. Keren 2011, S. 40 Vgl. Green 2011, S. 234 Vgl. Brisch 2011, S. 41 Vgl. Gauvain-Piquard & Meignier 1993, S. 17 Vgl. http://www.therapie.de/psyche/info/diagnose/depression/ursachen-und-ausloeser/ 20 3.8 Zusammenfassung Nach Mahler hat die psychische Geburt stattgefunden, wenn die narzisstische Spaltung aufgehoben ist und die Selbst-Objektbilder sowie Allmacht und Ohnmacht sich vereinigen. Denn dadurch ist das Kind zur Objekt- und Beziehungskonstanz befähigt.86 Damit ist gemeint, dass das Kind nicht nur sich selbst als stabil wahrnimmt, sondern auch das Gegenüber, also das Objekt, differenziert wahrnimmt und somit Wandlungen in der Beziehungsgestaltung zulassen kann.87 Zusammenfassend ist also zu sagen, dass das Kind bis zur psychischen Geburt folgende Entwicklungsaufgaben absolvieren muss: 1. die Differenzierung der Selbst- und Objektrepräsentanzen, 2. die Integration von bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen, 3. die Aufgabe illusionärer Vorstellungen von symbiotischer Allmacht, der Dyade der Bindungsphase und der narzisstischen Allmacht der Übungsphase und die damit verbundene Annäherung an die Realität.88 Konnte diese psychische Geburt gar nicht oder nur unzureichend vollzogen werden, sind die dadurch entstehenden Symptome, welche Lösungsstrategien für eine misslungene Individuation von der Mutter darstellen, als frühe Störung zu bezeichnen.89 Ich bin mir durchaus darüber bewusst, dass die vorab beschriebenen Zusammenhänge nicht die einzigen und erst recht nicht die verbreitetesten zum Thema frühkindlicher Entwicklungsstörungen sind und immer noch wenig Berücksichtigung finden, in psychosozialen Berufen. Mich haben jedoch die Erkenntnisse von Stauss, Schore & Co. überzeugt. Aufgrund dieser fundierten Erkenntnisse sehe ich die Chance Sozialer Arbeit in der Prävention frühkindlicher Entwicklungsstörungen. Ich halte es für sinnvoll, Eltern darin zu bestärken, mit ihren Kindern in Beziehung zu treten, um deren Bedürfnisse besser zu erkennen und Kindern positive Beziehungserfahrungen zu ermöglichen. Denn der Prozess der Interaktion mit der Bezugsperson wirkt sich ganz entscheidend auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Von Anfang an speichert der Organismus alle Beziehungserfahrungen, vor allem aber solche, die sich fortwährend wiederholen. Entscheidend ist demnach das gesamte affektive Klima, in dem das Kind aufwächst. Denn auch nach Rass spielen einzelne traumatische Erfahrungen weniger einer Rolle, wenn es um spätere unlösbare Konflikte eines Menschen geht. Klinische Erfahrungen bestätigen, dass bei einem Großteil der Patienten mit einer Fehlentwicklung die Pathologie eines oder beider Elternteile oder eben der bestimmte Rahmen, in dem das Kind aufwuchs, für die Beschädigung des Selbst verantwortlich sind. Durch ungenügende Beziehungserfahrungen in den ersten Lebensmonaten ist es den Betroffenen unmöglich, ein starkes, in sich geschlossenes Selbst zu entwickeln. Dadurch wird sich dieses Individuum in vielen Situationen seines Erwachsenenlebens so verletzlich und schwach fühlen, wie in den ersten Lebensjahren. Für eine in sich gefestigte Psyche des Kindes und für die des späteren Erwachsenen ist also ausschlaggebend, inwieweit durch die Bezugsperson angemessen auf die Bedürfnisse und Herausforderungen des jeweiligen Entwicklungsstadiums des Kindes reagiert wurde.90 Für die Entwicklung des Kindes sind die frühen Interaktionen sowie die frühe Bindung zur Bezugsperson entscheidend. Beeinträchtigungen innerhalb der Bindungsbeziehung erhöhen das 86 87 88 89 90 Vgl. Stauss 1994, S. 47 Vgl. Mahler 1975, S. 120 Vgl. Stauss 1994, S. 47 Vgl. Stauss 1994, S. 19 Vgl. Rass 2008, S. 91-92 21 Risiko einer eingeschränkten kognitiven oder seelischen Entwicklung des Kindes. Das führt zu einer verringerten Belastbarkeit in Stresssituationen, woraus psychische Erkrankungen resultieren können. Um rechtzeitig intervenieren zu können, ist es notwendig, früh und angemessen problematische Erwachsenen-Kind-Interaktionen zu erkennen.91 Jede Entwicklungsphase birgt spezifische Hürden und Herausforderungen. Der Erziehungsalltag besteht darin, diese zu bewältigen. Während dieser Krisen ist das Kind auf die regulatorischen Hilfestellungen seiner Eltern angewiesen.92 Aber auch die Eltern sind auf Unterstützung angewiesen, um diese Herausforderungen der Elternschaft bewältigen zu können. Dazu kann die Soziale Arbeit ihren Beitrag leisten. Ansätze, die die frühen Beziehungserfahrungen gänzlich außer Acht lassen und ausschließlich von einer genetischen Vulnerabilität ausgehen, sind für mich daher weniger plausibel. 91 92 Vgl. Stokowy & Sahhar 2012, S. 19 Vgl. http://www.hf.uni-koeln.de 22 4 Möglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Intervention oder Prävention frühkindlicher Entwicklungsstörungen Um Kindern helfen zu können, ist es notwendig, sie zu verstehen. Daher halte ich es für essentiell, dass jeder Sozialarbeiter, der mit Kindern und ihren Eltern arbeitet, ein Grundverständnis von frühkindlichen Entwicklungsprozessen, von der Bedeutsamkeit früher Interaktions- und Beziehungserfahrungen, von der Entstehung frühkindlicher Störungen sowie von Beziehung und entwicklungsspezifischen Besonderheiten hat. Im Folgenden möchte ich einige Möglichkeiten der Sozialen Arbeit, zur Intervention und Prävention frühkindlicher Entwicklungsstörungen, beschreiben. Ich habe bewusst Ansätze ausgewählt, die ihren Schwerpunkt auf die frühen Beziehungserfahrungen legen. Die, die ich ausgewählt habe beziehen sich auf Beziehungserfahrungen, welche ausschlaggebend sind für die psychische Entwicklung jedes Menschen. Denn positive Beziehungserfahrungen vermitteln dem Kind Sicherheit, welche die Grundbedingung für dessen Hirnentwicklung und Lernfähigkeit darstellt.93 4.1 Der CARE-Index (Child-Adult-Relationship-Experimental-Index) Der CARE-Index beinhaltet die Analyse von Interaktionsmustern zwischen Säugling und Mutter (oder einer anderen Fürsorgeperson). Er ist eine videobasierte Mutter-SäuglingsinteraktionsDiagnostik zur Vorhersage von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Der CARE-Index ist bisher das einzige Analyseverfahren für das frühe Lebensalter, das versteckt-feindseliges Verhalten des Erwachsenen identifizieren kann und echte von unauthentischer Kooperation der Kinder unterscheiden kann. Das Erlernen des CARE-Index beansprucht nicht nur kognitive Fähigkeiten der Professionellen, die sich diese Methode zu nutzen machen, sondern ihre Seherfahrungen, ihr Erleben und liebgewonnenen Erklärungsmuster werden sich deutlich verändern. Der CARE-Index zielt darauf ab, die gewohnten Erfahrungen des Kindes mit seiner Bezugsperson zu untersuchen. Er erfasst die Qualität der Interaktion innerhalb der Dyade und die wechselseitige Abstimmung zwischen Mutter und Kind. Der CARE-Index ist in der Interventionsplanung im klinischen Kontext auch in Deutschland anerkannt. Außerdem wird er auch zur sach- und fachgerechten Bewertung von Interventionsstudien verwendet.94 Auch Crittenden geht davon aus, dass die frühen Interaktionen und die frühen Beziehungserfahrungen die kindliche Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Diese können durch bestimmte Faktoren, wie z.B. eine postpartale Depression der Mutter, eine sehr junge Mutter oder die Drogenabhängigkeit eines Elternteils, beeinträchtigt sein.95 Die kognitive und seelische Entwicklung dieser Kinder ist dann auch oft beeinträchtigt. Hinzu kommt durch verringerte Belastbarkeit in Stresssituationen eine erhöhte Prädisposition, an psychischen Störungen zu erkranken.96 Um rechtzeitig entsprechend intervenieren zu können, ist eine frühzeitige und angemessene Einschätzung von schwierigen Eltern-Kind-Wechselbeziehungen erforderlich.97 Der CARE-Index wurde auf dem Hintergrund des Dynamischen Reifungsmodells der Bindung und Anpassung (DMM) von Crittenden entwickelt, um so Verhaltensmuster und Bindung für jede Altersgruppe untersuchen zu können. Das DMM definiert Bindung als adaptive und 93 94 95 96 97 Vgl. Rass 2008, S. 38 Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 19 Vgl. Beck 1995, S. 299 Vgl. Essex et al. 2002, S. 780 Vgl. Crittenden & Bonvillian 1984, S. 260 23 selbstprotektive Strategie. Diese wird in der Beziehung erlernt. Crittenden hat im DMM eine eigenständige Sichtweise von Bindung entwickelt. Sie berücksichtigt in ihrem Modell der Bindungsentwicklung deren Abhängigkeit von neurophysiologisch und entwicklungspsychologisch sich stetig verändernden kontextabhängigen Voraussetzungen und definiert als wesentliche Grundlage der Suche von Bindung kulturübergreifend den Schutz vor Gefahr. Die aktiven Interaktionen zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson sind ausschlaggebend für das spätere Bindungsmuster des Kindes. Um die Bindung an sich messen zu können, müssten Bindungsmuster durch Herbeiführen von Gefahr aktiviert werden, so wie bei der sogenannten „fremden Situation“ von Ainsworth.98 Seine Anwendung findet der CARE-Index in der Beratung und Intervention aber auch zu Forschungszwecken. Wichtig ist hierbei, die Ressourcen der Beteiligten nicht zu übersehen, denn diese sind unbedingt notwendig für eine produktive Intervention. Die Beobachtung bezieht sich also nicht nur auf das gefährdende Verhalten, sondern bezieht auch die Kontexterfahrungen der Eltern mit ein. Der CARE-Index misst typische Muster der Interaktion, wie sensitiv - kooperativ, kontrollierend - schwierig und nicht-responsiv – passiv in einer spielerischen Interaktion zwischen der Bezugsperson und dem Kind. Es geht nicht um das Auftreten von Verhalten oder dessen Häufigkeit, sondern um die besondere Funktion dieses Verhaltens innerhalb der Interaktion. Es geht um Fragen wie: Ist das Lachen des Kindes in dieser Situation authentisch oder fühlt sich das Kind aufgrund des Verhaltens seiner Mutter dazu gezwungen?99 „Wie erlebt das Kind das Verhalten der Mutter und wie erlebt die Mutter das Verhalten des Kindes?“100 Das Konzept des CARE-Indexes geht davon aus, dass ein Erwachsener mit verschiedenen Kindern in unterschiedlicher Weise sensitiv umgehen kann. Deshalb wird Sensitivität nicht als individuelle Eigenschaft sondern innerhalb einer Beziehung untersucht. Man betrachtet somit nicht separat typische Verhaltensweisen des Kindes und der Fürsorgeperson, sondern betrachtet diese im Bezugsrahmen ihrer Interaktion. Dafür wird eine alltägliche Spielsituation veranlasst, welche ausschlaggebend ist über dyadische Besonderheiten, die mit Bindung einhergehen und als deren Vorläufer gesehen werden können. Die spielerische Interaktion umfasst etwa 3 bis 5 Minuten und kann zu Hause, in einem klinischen Setting oder in einem Forschungslabor mit Video aufgenommen werden. Es werden eine Reihe von Spielzeugen bereitgestellt und für Säuglinge z.B. eine Wickelauflage. Der Fürsorgeperson steht es frei, ob sie diese Dinge benutzt, und sie wird gebeten, sich so mit ihrem Kind zu beschäftigen, wie sie es immer tut. Durch die Spielsituation soll bewusst Stresspotenzial vermindert werden. Außerdem wird sich die Fürsorgeperson aufgrund der 3. Person mit Kamera bemühen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Somit wird vermutet, dass Mütter, die ihrem Kind gegenüber weniger feinfühlig sind besonders bemüht sind, vor der Kamera perfekt zu wirken, jedoch das Kind sein Verhalten vor der Kamera nicht verfälscht.101 Um dem Ideal von Glücklich und Gut gerecht zu werden, verfälschen Eltern und Fürsorgepersonen häufig in bester Absicht die eigene reale Befindlichkeit.102 Das Kind reagiert aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen mit der Mutter. Ähnlich wie beim „stillface“-Verfahren. Dadurch können Risikofaktoren frühzeitig beobachtet werden, die im realen Alltagsstress zur Gefährdung der Dyade führen können. 98 99 100 101 102 Vgl. Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 20-21 Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22 Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22 Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 23-24 Vgl. Crittenden 2010 24 Bei der Auswertung werden auch die zunehmende Reifung des Kindes und die altersspezifischen Entwicklungsphasen und -aufgaben berücksichtigt. Es ist ebenso möglich, den CARE-Index für die Untersuchung einer Interaktion zwischen Erwachsenen einzusetzen. Denn hier können beispielsweise Mimik und Tonlage etwas über die frühen Erfahrungen verraten. Wenn möglicherweise authentische eigene Anteile einer Person aufgeben werden mussten, um die Beziehung zur Bindungsperson aufrechtzuerhalten, so sind diese frühen Erfahrungen im Erwachsenen unterbewusst „gespeichert“ und werden im Interaktionsstil repräsentiert. Diese Erfahrungen sind also in der erwachsenen Persönlichkeit persistent. Für die Soziale Arbeit im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen kann der CAREIndex helfen, Pädagogen zu sensibilisieren für frühe Störungen der Mutter-Kind-Beziehung. Auf der Grundlage des DMM können Sozialpädagogen Unterstützungsangebote für Familien entwickeln, die auf den Kontext der Familien abgestimmt sind und deren Ressourcen und Gefahren im Blick haben. Interventionen werden geleitet von Frage wie: Was stellt für diese spezifische Familie eine Gefahr da? Wovor wollen sie ihr Kind schützen? Welche Funktion hat das jeweilige Verhalten im Beziehungsgefüge? Es geht nicht vorrangig darum, den Bindungsstil des Kindes zu verändern, weil z.B. das unsichere Bindungsverhalten in dem jeweiligen Familienkontext für das Kind eine Überlebensstrategie darstellt. Es viel mehr um Unterstützung der Familie und um Abwendung von Gefahren in diesem Rahmen.103 4.2 Das STEEP-Programm (Steps toward effective and enjoyable parenting) Das STEEP-Konzept ist ein auf der Bindungstheorie basierendes Forschungs- und Interventionsprogramm, welches in den USA entwickelt wurde. Im deutschsprachigen Raum wurde es erstmals 2000 bei einer Bindungs-Fachtagung in München von Martha Farrell Erickson und Byron Egelang vorgestellt. Die Idee war, ein Programm für schwangere Frauen in psychosozialen Risikosituationen zu entwickeln, um diese noch vor der Geburt ihres Kindes erreichen zu können und somit ihre Fähigkeiten als Fürsorgeperson und die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung zu stärken.104 Denn verminderte oder schwierige Bindungserfahrungen in den ersten Lebensmonaten sind die Hauptgründe für die Entwicklung frühkindlicher Störungen. Es richtet sich an Schwangere oder Mütter, die mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllen: Alter 16-26 Jahre, niedriges Bildungsniveau (kein oder niedriger Schulabschluss), geringes Einkommen, psychische Labilität oder Erkrankung, Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten (Familie, Partnerschaft oder Isolation).105 In jeder Gruppe sind jeweils 8 Mütter mit ihren Babys, deren zu erwartender Geburtstermin im gleichen Dreimonatszeitraum liegt. Diese Gruppe trifft sich alle 14 Tage und wird von einer STEEP-Beraterin angeleitet, welche den Frauen zusätzlich jede Woche einen Hausbesuch abstattet. Zur STEEP-Beraterin können sich beispielsweise Sozialpädagogen, Krankenschwestern oder Erziehungsberater ausbilden lassen. Dafür durchlaufen diese dann den STEEP-Orientierungskurs und die STEEP-Ausbildung. Außerdem ist die laufende Supervision und eine praktische Ausbildung Pflicht.106 103 104 105 106 Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22-24 Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 29 Vgl. http://www.thueringen.de Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 53 25 Das STEEP-Programm umfasst 3 Grundsätze:107 1. „Die Mutter-Kind-Beziehung ist in die Familie und Gemeinschaft eingebettet.“108 Die Mutter-Kind-Beziehung befindet sich in verschiedenen Systemen: in der Kernfamilie, in der erweiterten Familie, in diversen Gemeinschaften und in der Gesellschaft. Um mit Mutter und Kind gewinnbringend arbeiten zu können, ist es notwendig, die Möglichkeiten und Grenzen, die diese Umwelt mit sich bringt, zu erkennen und zu berücksichtigen.109 2. „Die Einzigartigkeit jeder Familie und jeder Person erfordert einen individuellen Ansatz.“110 Das Unterstützungsangebot muss stets auf die Individualität jedes Kindes, jedes Elternteils und jeder Familie abgestimmt sein. Die Berater sollten sich also nicht starr an einen vorgegebenen Programmablauf halten.111 3. „Jedes Kind, jeder Elternteil und jede Familie hat Stärken, auf die man bauen kann.“112 Die STEEP-Berater finden gemeinsam mit den Familien heraus, über welche besonderen Stärken diese verfügen und verstärken diese Ressourcen im Laufe des Prozesses.113 Es geht also nicht nur um die Beziehung zwischen Eltern und ihrem Kind, sondern auch um ein Beziehungsangebot, was der STEEP-Berater den Eltern macht. Durch dieses Modell, was Interesse, Anerkennung, Zuverlässigkeit und auch das Containment von Gefühlen beinhaltet, können die Eltern in Beziehung mit ihrem Kind gehen. Denn Beeinträchtigungen innerhalb der Bindungsbeziehung erhöhen das Risiko einer eingeschränkten kognitiven oder seelischen Entwicklung des Kindes. Sind die Probleme der Mutter aus der frühen Kindheit jedoch sehr gravierend, sollten die STEEPBerater für die Mutter eine Psychotherapie in Betracht ziehen und diese dazu ermutigen. Ich denke, dem STEEP-Berater sollten auch die von Stern beschriebenen Diskurse innerhalb der Mutterschaftskonstellation bewusst sein, um die Mütter besser verstehen und unterstützen zu können. Denn diese lässt neue Handlungstendenzen, Sensibilitäten, Fantasien, Ängste und Wünsche entstehen. Es ist wichtig, Kenntnis darüber zu haben, da der Berater ansonsten die wichtigsten subjektiven Themen sowie die spezifischen Schwierigkeiten und Probleme und den besonderen Bedarf einer fürsorglichen Beziehung zum Berater nicht erkennt. Eine werdende Mutter sieht sich konfrontiert mit dem Diskurs mit ihrer eigenen Mutter in ihrer Kindheit, mit dem Diskurs mit sich selbst als Mutter und mit dem Diskurs mit ihrem Baby. Sie steht vor den Herausforderungen, (a) das Überleben und Heranwachsen des Babys zu gewährleisten, (b) eine authentische Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, auch dann, wenn sich das Baby eventuell anders entwickelt, als sie es sich wünscht, und (c) sich und ihre Umgebung so zu gestalten, dass ihre Funktionen als Mutter gefördert werden.114 Stern macht klar, wie wichtig die Bedürfnisse der Mutter für die Mutter-Kind-Bindung sind. Bei der Fülle von Herausforderungen, vor denen die STEEP-Berater stehen, wird deutlich, welche Notwendigkeit die laufende Supervision während des Programmes für sie hat, um selbst Containment-Erfahrungen machen zu können, um dann wieder als Container für die Mütter zur Verfügung stehen zu können. 107 108 109 110 111 112 113 114 Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39 Erickson & Egeland 2002, S. 39 Vgl. Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 38-39 Erickson & Egeland 2002, S. 39 Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39 Erickson & Egeland 2002, S. 39 Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39 Vgl. Stern 1998, S. 209-213 26 Um Eltern und ihren Kindern zu mehr Kompetenz und Zufriedenheit zu verhelfen, gibt es bestimmte Ziele für das STEEP-Programm. So sollen Eltern gesunde und realistische Vorstellungen und Einstellungen bezüglich Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bekommen. Eltern, die wenige Probleme im Umgang mit ihren Kindern haben, sind sich meist sowohl der schönen als auch der schwierigen Seiten, die die Elternrolle mit sich bringt, bewusst. Befinden sich Eltern jedoch in schwierigen Lebensumständen, neigen sie zu einer völligen Idealisierung oder Abwertung ihrer Kinder oder ihres Lebens mit ihren Kindern. Es kann also vorkommen, dass eine schwangere Frau illusorisch annimmt, durch ihr Kind bekomme ihr Leben endlich einen Sinn oder der von ihr getrennt lebende Vater des Kindes würde nach der Geburt zurückkommen. Das sind natürlich viel zu große Erwartungen an ein kleines Baby, welchen es niemals gerecht werden kann. Dem gegenüber steht eine Mutter, die es ihrem Kind übel nimmt, dass es ihr unabhängiges Leben zerstört hat und deswegen vielleicht feindselige, negative Gefühle gegen den Säugling hegt. Für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung ist es also wichtig, den Eltern eine umfassende Vorstellung über die Freuden und Schwierigkeiten des Elternalltags zu verschaffen. Wichtig ist auch, dass die Eltern bestimmte Grundkenntnisse über entwicklungsspezifische Besonderheiten ihrer Kinder erlangen, um so realistische Erwartungen über das kindliche Verhalten zu fördern. Heutzutage ist es nicht mehr so üblich, dass man als heranwachsende Frau die Erziehung von jüngeren Geschwistern oder anderen Kindern der Familie miterlebt und übernimmt. Dadurch haben junge Frauen vor ihrem ersten Kind auch wenig Erfahrungen mit kleinen Kindern. Die Unkenntnis fehlende Unterstützung und Bildung sowie meiner Meinung nach auch eigene Kindheitserfahrungen führen teilweise zu einem strengen und bestrafenden Erziehungsstil. Durch den STEEP-Berater soll z.B. den Eltern nahegelegt werden, ab wann ein Kind überhaupt in der Lage ist, mündliche Anweisungen zu verstehen oder sich gar später noch an sie zu erinnern oder den Drang, mit einem Gegenstand zu werfen, zu unterdrücken. Darüber hinaus soll den Eltern ein Verständnis vermittelt werden, welche Bedeutung bestimmte Verhaltensweisen in der Entwicklung des Kindes haben. Damit ist z.B. die Trennungsangst eines 8 Monate alten Babys gemeint, welches durch das aktivierte Bindungsverhalten die überlebenswichtige Bindung zur Bezugsperson aufrechtzuerhalten versucht. Auch wenn ein Kind noch nicht sprechen kann, versucht es durchaus, auf seine Wünsche und Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Für diese Botschaften an die Erwachsenen verwenden sie verschiedene Gesichtsausdrücke, Gesten, Körperhaltungen und Schreie. Das Maß, inwieweit die Bezugsperson empathisch und verlässlich auf diese Signale reagiert, trägt entscheidend zu einer sicheren Bindung mit dem Kind bei. Diese sichere Bindung ist notwendig für die spätere Kompetenz, Zufriedenheit und mentale Entwicklung des Kindes. Die Eltern üben also, wie sie die Signale ihres Kindes richtig deuten und angemessen auf sie eingehen. Wenn Eltern liebevoll, sensitiv, zuverlässig und prompt reagieren, lernen die Kinder, dass sie selbst etwas bewirken und anderen Menschen vertrauen können. Dieses Vertrauen in andere und in die Selbstwirksamkeit bleibt über die frühe Kindheit bestehen und diesen Menschen ist es dann auch später besser möglich, mit anderen in Beziehung zu gehen. Gehen die Eltern jedoch überhaupt nicht oder unzuverlässig auf die Bedürfnisse des Kindes ein oder übergehen diese, lernt das Kind, dass es selbst nichts bewirken kann. Ein weiteres Ziel des STEEP-Programms ist es, die Fähigkeit der Eltern zu stärken, die Welt mit den Augen des Kindes zu sehen. So enthält das Manual des STEEP-Programms Briefe aus der Sicht des Kindes, an die Eltern. Ich finde diesen Ansatz besonders wichtig, weil ich aus eigenem Erleben das Gefühl habe, dass dieser Blick vielen erwachsenen Menschen verschlossen ist. Möglicherweise konnten sie selbst zu wenig damit Erfahrungen machen, zum einen, weil in ihrer 27 Kindheit sich nicht genug in sie hineinversetzt wurde und zum anderen, weil sie durch Isolation keine mütterlichen Vorbilder haben. Die Eltern lernen also, sich wirklich in das Kind hineinzuversetzen und seine Gefühle nachzuvollziehen. Wie ist es z.B. für ein einjähriges Kind, was die aufregende Welt erkunden möchte, indem es alle interessanten Sachen anfasst oder in den Mund steckt, dass es andauernd in seinen Selbstbehauptungen durch Verbote gehemmt und dadurch frustriert wird?115 An dieser Stelle möchte mich auf Dornes beziehen: Es liegt viel daran, wie oft Eltern explorativ-assertive Handlungen durch ihre Interpretation als destruktiv hemmen und auf welche Weise sie das tun. Das Kind reagiert auf die Unterbrechung seiner Exploration zunächst mit Rückzug oder Ärger. Ärger ist dabei sinnvoll, da er die Selbstbehauptungskraft erhöht und zur Überwindung von Hindernissen ermutigt. Ständige unempathische Reaktionen auf das natürliche Verhalten des Kindes veranlassen leicht die Eskalation von vorerst adaptivem Ärger und/oder reaktiver Aggression. Durch die ständige Blockierung von Selbstbehauptung wird mit der Zeit die erste Stufe der Aktivierung von Ärger und/oder reaktiver Aggression, in der noch „Verhandlungsspielraum“ bestand, praktisch übersprungen. Statt den Konflikt zu regulieren wird mit der Einschränkung der Assertion ein hohes Maß an Aggression aufgewendet. Dies ist anfänglich die Antwort auf die ungeschickte Hemmung der Eltern, kann sich aber allmählich verselbständigen und sich zur generellen Reaktion auf Einschränkung entwickeln. Das Kind wird nun in jeder Einschränkung eine Bedrohung sehen, da es nicht lernen konnte, Kontroversen zu regeln, und es keine/wenige Möglichkeiten sieht, in seiner Selbstbehauptung zu bestehen und sich durchzusetzen, ohne große Mengen von Aggression aufzuwenden.116 Eine Mutter, die selbst mit schweren Beziehungsstörungen aufgewachsen ist, wird Schwierigkeiten haben, sich in die Lage ihres Kindes hineinzuversetzen und die Welt aus dessen Perspektive zu sehen. So wird sie möglicherweise das Explorationsverhalten oder das Schreien ihres Kindes als bösartig oder als Versuch, „sie in den Wahnsinn zu treiben“, verstehen. Um die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen und es durch schonende Frustration an die Regeln des menschlichen Miteinanders heranzuführen, ist ein Blick durch die Augen des Kindes notwendig. Um diese Fähigkeit mit den Eltern zu üben, wird z.B. die Seeing-is-believing-Strategie genutzt. Dazu werden im Rahmen der wertschätzenden und unterstützenden Beziehung zwischen STEEPBerater und Familie, die eine Eltern-Kind-Beziehung ermöglicht und fördert, Videoaufnahmen gemacht. Auch hier liegt der Fokus auf der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Es werden die Stärken der Eltern hervorgehoben und sie haben die Möglichkeit, mal aus einem anderen Blickwinkel zu schauen, dem der Videokamera. Dieser Blickwinkel kann es ihnen erleichtern, sich selbst mit den Augen ihres Kindes zu sehen. Damit Kinder ausreichend explorieren können, um ihre kognitiven, motorischen und sprachlichen Fähigkeiten normal zu entwickeln, ist eine kindgerechte Umgebung erforderlich. Um diese zu gewährleisten, sollte der Haushalt über eine Grundorganisation, eine ausreichende Ordnung verfügen und er sollte möglichst kindersicher sein. Außerdem brauchen Kinder und ihre Bezugsperson eine relativ vorhersehbare Alltagsstruktur. Es ist wichtig, dass immer eine erwachsene Person für das Kind verfügbar ist, die angemessen und interessiert auf das Kind eingeht. In manchen Fällen benötigt der STEEP-Berater für die Umsetzung eines geordneten Haushalts mit einer verlässlichen Tagesstruktur mehr Zeit, da beengte oder häufig wechselnde Wohnverhältnisse es besonders schwierig machen. Es wird dann gemeinsam mit der Familie versucht, schnellstmöglich bessere Umstände zu schaffen. 115 116 Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39-42 Vgl. Dornes 2002, S. 253-254 28 Zudem macht es sich das STEEP-Programm zur Aufgabe, den Familien zu zeigen, welche sozialen Unterstützungsangebote in ihrer Reichweite vorhanden sind und wie sie diese nutzen können. Denn diese Angebote sind auch noch nach Beendigung des Programms vorhanden und stärken die ElternKind-Beziehung. Zu diesen Angeboten gehören offizielle Stellen, aber auch Freunde und Familienangehörige. Die Eltern lernen, wie sie auf andere Menschen zugehen und um Hilfe bitten können. Sie lernen aber auch, wie sie sich gegenüber Menschen, die es offenbar nicht so gut mit ihnen meinen, abgrenzen können. Durch das STEEP-Programm lernen sie, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, dies auch in Bezug auf Entscheidungen, die sie treffen. Denn einige belastende Lebensumstände sind manchmal auch die Folge von unüberlegten, schlecht organisierten Entscheidungen. Durch verantwortungsbewusste Planung ließen sich diese Umstände vermeiden. Diese vernünftige Planung üben die Eltern mit der STEEP-Beraterin, um bessere Chancen für sich und ihre Kinder zu schaffen. Dafür werden die Eltern um eine Einschätzung ihrer aktuellen Situation, ihrer Probleme und ihrer Stärken gebeten. Daraufhin erstellen sie persönliche Ziele. Die STEEP-Berater suchen gemeinsam mit den Familien nach Möglichkeiten zur Stabilisierung ihrer Gesamtsituation. Denn nur, wenn Eltern und Kind weitestgehend von anderen Sorgen befreit sind, können sie in Beziehung zueinander gehen und ihr familiäres Miteinander genießen. Um ihre eigenen Ziele zu erreichen, müssen Eltern, die vielleicht früh erfahren haben, dass ihre Stimme nicht zählt, wieder lernen, dass sie sehr wohl etwas bewirken können. Die STEEP-Berater verdeutlichen ihnen, dass sie Optionen haben und in der Lage sind, durchdachte und vernünftige Entscheidungen für sich und ihr Kind zu treffen.117 An dieser Stelle möchte ich noch mal die Wichtigkeit der Psychohygiene der STEEP-Berater betonen, für diese anspruchsvolle Arbeit über einen langen Zeitraum. Projektbegleitende Studien des STEEP-Programms haben ergeben, dass die Berater am wirkungsvollsten waren, die eine erworbene Bindungssicherheit hatten. Erworbene Bindungssicherheit heißt, dass durch Exploration ihrer Lebensgeschichte es zu einer Veränderung ihrer Bindungsrepräsentationen (=earned secure) kam. 118 4.3 Eltern-Kleinkind-Beratung Die Eltern-Kleinkind-Beratung und -Therapie versucht, ähnlich wie das STEEP-Programm Grundkenntnisse über die frühkindliche Entwicklung für die Beratungspraxis nutzbar zu machen. Sofern die Symptome eines Säuglings keine organischen Ursachen haben, werden diese ebenfalls als Folge einer Interaktions- oder Beziehungsstörung gesehen. Auch die Eltern-Kleinkind-Beratung geht davon aus, dass es für die weitere Entwicklung des Kindes sowie für das allgemeine Wohlbefinden des Säuglings und der Eltern notwendig ist, diese Beziehungsstörungen zu erkennen und zu behandeln. Die Sozialarbeiterin und Kinderpsychotherapeutin Selma Fraiberg entwickelte mit anderen Sozialarbeitern ein Frühinterventionsprogramm, um einen Zugang zu adoleszenten und/oder alleinstehenden Müttern aus dem sozial schwachen Milieu und Multiproblemfamilien zu ermöglichen. Damit wollte sie die herkömmliche Alternative der Fremdunterbringung des Kindes umgehen. Ihre psychoanalytische Sicht der Dinge brachte sie zu der Erkenntnis, dass Eltern ihre Kinder misshandeln, vernachlässigen oder in sonst einer Weise suboptimal behandeln, weil sie unter ihren eigenen frühen negativen Beziehungserfahrungen leiden. Dafür „erfand“ sie den bildhaften Begriff „ghosts in the nursery“, also die Geister die in jedem Kinderzimmer als ungeladene, unterbewusste 117 118 Vgl. Erickson & Egeland 2006, S. 29-44 Vgl. www.khbrisch.de 29 Gäste existieren.119 Diese Sichtweise ist jedoch umstritten, da andere Autoren die eher gegenwärtigen Lebensumstände als Grund für eine schwierige Eltern-Kind-Beziehung sehen und nicht die Vergangenheit.120 Ich bin allerdings von der Bedeutung der frühen Beziehungserfahrungen der Eltern hinsichtlich der Beziehungsproblematik mit ihrem Kind überzeugt. Dies belegen die Erkenntnisse von Stauss, Schore, Stern und anderen Autoren, welche ich in den vorangegangenen Kapiteln aufgeführt habe. Dabei habe ich nicht aus den Augen verloren, dass andere schwierige Lebensumstände, z.B. materieller Art, eine Familie zusätzlich belasten können. Auch diese sollten mit der Unterstützung eines Sozialarbeiters bewältigt werden, um ungehindert auf der Beziehungsebene arbeiten zu können. Genau wie beim STEEP-Programm geht man davon aus, dass Eltern von Kindern mit Auffälligkeiten, Signale ihrer Kinder häufig fehlinterpretieren. Diese Fehlinterpretation wird mit den „Geistern im Kinderzimmer“ in Verbindung gebracht, da die Eltern die Botschaften mit projektiven Bedeutungszuschreibungen überlasten. Die Eltern projektieren also eigene Anteile aus eigenen frühen Erfahrungen und damit eigene Gefühle in die Signale ihrer Kinder. Dadurch kommt es zu einem Teufelskreis, welcher schnell zu verfestigten Symptomen beim Säugling führen kann. Durch die Analyse der Vergangenheit der Eltern und die darauf folgende Bewusstmachung und Durcharbeitung der Projektionen haben die Symptome des Säuglings häufig schnell ein Ende, da sich die Eltern-Kind-Interaktion verbessert. Wichtig ist also, dass die unterbewussten Fehldeutungen in der Beratung erkannt werden und den Eltern bewusst gemacht werden. Ich bin mir dabei allerdings nicht ganz sicher, inwieweit das ein Berater leisten kann. Es wäre wohl angebracht, gravierende frühkindliche Störungen der Eltern oder eines Elternteils zu erkennen, um eine Therapie für die Eltern zu empfehlen. Auf jeden Fall kann aber der Berater ein Beziehungsangebot stellen, aus dem die Eltern Kraft, Erfahrung, Unterstützung und Anerkennung schöpfen können, die sie brauchen, um mit ihrem Kind eine Beziehung aufzubauen und zu festigen und um eventuell den Mut zu finden, eine Therapie für sich selbst aufzunehmen. Dornes unterscheidet hier allerdings nicht genau zwischen Beratung und Therapie. Die Eltern-Kind-Beratung arbeitet also vornehmlich mutter- bzw. elternzentriert. So stehen die Eltern und ihre Fantasien über sich selbst und ihr Kind im Fokus.121 Es gibt jedoch auch Autoren, die der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit oder den projektiven Bedeutungszuschreibungen keine Relevanz beimessen. Sie gehen davon aus, dass eher aktuelle Befindlichkeiten, z.B. der Mutter, die „Geister im Kinderzimmer“ darstellen und die Beziehung zum Kind belasten.122 Möglich ist also auch, die Projektion und ihre Ursachen nicht zu thematisieren, sondern die Mutter nach einer anderen Auslegung zu fragen oder einen Vorschlag zu machen. Ein Beispiel: „Vielleicht war die Handbewegung ihres Kindes gar nicht aggressiv gemeint und er wollte nur den Teddy, der in der anderen Ecke des Zimmer sitzt, haben." In einer stützenden, wertschätzenden Beratungsbeziehung kann dieses Vorgehen zu einer Rücknahme der Projektion führen. Somit wird die Mutter angeregt, über ihre Reaktion nachzudenken und sie kann gleichzeitig lernen, ihr Kind besser zu verstehen. Denn der geschützte Rahmen innerhalb der Beziehung zum Berater ermöglicht es ihr, das eigene Verhalten und den Säugling mit Abstand realistisch zu betrachten. 119 120 121 122 Vgl. Dornes 2000, S. 227-228 Vgl. Lewis 1997, S. 97 Vgl. Dornes 2000, S. 229-230 Vgl. Muir 1992, S. 319-328 30 Genau wie das STEEP-Programm geht die entwicklungspsychologische Eltern-Kleinkind-Beratung davon aus, dass die Fehlinterpretationen nicht nur mit den eigenen inneren Konflikten der Eltern zu erklären sind, sondern oft auch eine Folge von fehlendem Wissen sein kann. Da bedarf es einer Aufklärung über Grundkenntnisse kindlicher Entwicklung. Wenn das jedoch nicht ausreicht, gibt es zusätzlich die Möglichkeit von Übungssitzungen. Dabei geht es ebenfalls um das Verstehen der kindlichen Signale. Hinzu kommt aber, dass die Eltern gemeinsam mit dem Berater das dazugewonnene Wissen gleich praktisch ausprobieren. Die Eltern lernen also, ihr Kind richtig zu verstehen, um dann angemessen auf ihn eingehen zu können. So kann z.B. bei Essstörungen das Füttern geübt werden. Dornes verdeutlicht an dieser Stelle, dass bei gravierenden Schwierigkeiten auf eine Eltern-KindTherapie verwiesen werden sollte.123 Ein weiterer Weg ist die „interaction guidance therapy“, deren Prinzipien auch in der ElternKleinkind-Beratung angewandt werden können. Hier liegt das Augenmerk auf dem Verhalten der Mutter und nicht auf ihren Fantasien über das Kind. Die Beratung findet zu Hause, meist bei Multiproblemfamilien statt. Das Prinzip ist, die positiven Ressourcen in der Interaktion mit dem Kind zu erkennen und zu stärken. Der Berater wertschätzt diese Ressourcen, indem er sie anspricht und kommt darüber mit den Eltern ins Gespräch. Um hinderliche Umstände in den Familien zu identifizieren, muss der Berater in der Lage sein, eigene Wertevorstellungen von Richtig und Falsch in Frage zu stellen und wie im DMM beschrieben, den Kontext der Familie im Auge behalten, um nicht eigene Wertevorstellungen durchzusetzen. Auch dafür Supervision unabdingbar für die Berater. Wenn man allerdings, ähnlich wie beim STEEP Programm, nur die Stärken der Eltern anspricht und die Schwächen gänzlich ignoriert, könnten sich die Eltern, meiner Meinung nach, womöglich nicht ernst genommen fühlen. Denn sie wissen sehr wohl, dass es Probleme innerhalb der Beziehung zu ihrem Kind gibt. Sie sind ja der Grund für das Aufsuchen der Beratung. Ich denke, man sollte beiden, den positiven und negativen, Anteilen innerhalb der Interaktionen einen Raum geben und sie besprechen. Joines & Stewart erklären das in der Transaktionsanalyse. Wird beispielsweise ein Kind nur für seine positiven Seiten gestroket und sein Fehlverhalten ignoriert, wird es sich nur teilweise wahrgenommen fühlen und einen Strokemangel empfinden. Ob die Gründe dafür, dass die Eltern Stärken zu selten nutzen können, nun in der Gegenwart oder in der Vergangenheit oder in beidem liegen, ist nicht das Wichtigste und die Eltern können selbst entscheiden, ob sie darüber sprechen möchten. So wird die Empathie für die Signale des Kindes gestärkt.124 Jede Eltern-Kleinkind-Beratung sollte also folgende drei Säulen enthalten: 1. die entwicklungspsychologische Beratung, 2. die Sensibilisierung auf die kindlichen Bedürfnisse und Signale sowie 3. das Erkennen der Gründe für die elterliche Insensitivität in Bezug auf die Signale ihres Kindes. Zu Punkt 3 ist zu sagen, dass bei besonderer Hartnäckigkeit der Fehlinterpretationen, durch charakterologische Verwurzelung, zu einer Einzeltherapie der Eltern oder eines Elternteils motiviert werden sollte. Denn das übersteigt die Möglichkeiten von Beratung und Übung.125 Ich denke, sowohl das STEEP-Programm als auch die Eltern-Kleinkind-Beratung basiert auf einem fürsorglichen, unterstützenden Beziehungsangebot des Beraters an die Eltern. Denn, wenn Mütter sich selbst in einer mütterlich schützenden Umgebung befinden, die ihre tägliche Leistung 123 124 125 Vgl. Dornes 2000, S. 231-236 Vgl. McDonough 1993, S. 414-426 Vgl. Dornes 2000, S. 237 31 bezüglich des Alltags mit einem Kind anerkennt, sind sie in der Lage, ihre Fürsorge zu verbessern. Durch bloße Belehrung kann weniger erreicht werden.126 Metaphorisch könnte man sagen, man muss auch etwas in das Glas hineingießen, damit daraus getrunken werden kann. 4.4 Mentale Unterstützung durch eine „Doula“ vor, während und nach der Geburt Anders als noch in vorherigen Jahrhunderten, werden Frauen heutzutage nicht mehr von anderen Müttern rund um die Geburt unterstützt. Die Begleitung werdender oder frisch gewordene Mütter bezieht sich meistens nur auf den rein medizinischen Kontext.127 Es ist jedoch so, dass durch die Anwesenheit einer unterstützenden, kontinuierlichen Begleitung während der Geburt die Kaiserschnittrate, die Geburtsdauer, die Verabreichung von Wehenmitteln, die medikamentöse Schmerzbekämpfung, den Einsatz der Geburtszange und die Nachfrage nach einer Periduralanästhesie bedeutend verringert werden konnten. Außerdem wurden wesentlich mehr Babys voll gestillt und es traten weniger Ernährungsprobleme auf. Durch psychologische Tests konnten bei den Müttern weniger innere Unruhe oder Anzeichen von Depressionen, aber mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft festgestellt werden. Diese in Deutschland noch nicht sehr bekannte Berufsgruppe, welche diese Art von Unterstützung für Mütter leistet, nennt sich „Doula“. Es gibt mindestens 2 Institute in Deutschland, die eine solche Ausbildung für Frauen anbieten. Die Voraussetzung ist, dass die zukünftige Doula selbst schon einmal Mutter geworden ist. Eine Doula ersetzt nicht die Hebamme. Sie begleitet die Mutter und unterstützt sie in ihren emotionalen Bedürfnissen. Zusammen mit der Doula können Ängste abgebaut werden und so kann sich die Mutter mit weniger Stress und Anspannung ganz auf die Geburt konzentrieren. Auch nach der Geburt können die Erlebnisse noch mal erinnert und bearbeitet werden. Zusätzlich stellt die Doula auch eine Erleichterung für den werdenden Vater dar, denn er ist in dieser für ihn unbekannten, vielleicht beängstigenden Situation nicht allein für die Unterstützung der Mutter zuständig.128 Durch diese emotionale Unterstützung erlebt und erinnert die Mutter die Geburt oft positiver und kann dadurch leichter eine positive Beziehung zu ihrem Kind aufbauen.129 Die Doula ist hier also auch für ein Beziehungsangebot an die Mutter zuständig, woraus diese dann für die Beziehung zu ihrem Kind schöpfen kann. Das Kind kann also schon ganz früh positive Beziehungserfahrungen sammeln, welche so wichtig sind für seine psychische Entwicklung. Ein Kind, das von Anfang an positive Bindungserfahrungen macht, kann sich auf der Grundlage von Sicherheit, Geborgenheit und liebevoller Zuwendung optimal entwickeln. Da das Oxytocinsystem in Bezug auf die soziale Interaktion und für die zwischenmenschliche Beziehung eine große Rolle spielt, wirkt sich der Kontakt mit einer Doula offenbar stimulierend auf die Oxytocinausschüttung im Gehirn aus oder verstärkt dessen Wirkung. Dadurch kann der geübte Hautkontakt, beispielsweise mit einer Doula, in der postpartalen Phase zwischen Eltern und ihrem Baby die Manifestation autistischer Symptome vermeiden. 130 Ich sehe hier eine Möglichkeit für eine Präventionsarbeit der Sozialen Arbeit. Durch präventive Unterstützungsangebote für alle werdenden Eltern, kann der Einstieg in die Elternschaft erleichtert werden. Je nach Bedarf, sollten Eltern die Möglichkeit erhalten, in kritischen Entwicklungsphasen ihrer Kinder, Beratung selbstverständlicher in Anspruch nehmen zu können. Es besteht die 126 127 128 129 130 Vgl. Winnicott 1984, S. 63 Vgl. http://www.doulas-in-deutschland.de/ Vgl. http://www.gfg-bv.de/ Vgl. Unväs-Moberg 2011, S. 26 Vgl. Klaus et al. 1972, S. 460-463 32 Möglichkeit, schon vor der Geburt eventuelle Beziehungsschwierigkeiten zu beheben und Mutter und Kind den Einstieg in das gemeinsame Leben zu erleichtern. Störungen können vermieden werden, bevor sie überhaupt entstehen. Denn nur durch eine optimale mütterliche Fürsorge kann die spätere geistig-seelische Gesundheit des Kindes gewährleistet werden.131 Unerlässlich für eine gewinnbringende Begleitung finde ich auch hier eine Supervision oder zumindest einen regelmäßigen Austausch untereinander. 4.5 Unterstützung von Müttern autistisch gestörter Kinder Hier beziehe ich mich auf ein spezielles Unterstützungsangebot, hinsichtlich der Entwicklungsstörung Autismus. Da es dazu eine Studie von Oppenheim et al. gibt, die belegt, dass autistische Kinder eher über eine sichere Bindung zu ihrer Mutter verfügen, wenn sich die Mutter einfühlsam verhält und sie die Diagnose ihres Kindes bewusst verarbeitet hat. Generell hilft Eltern von Kindern, die sich anders entwickeln als erwartet, die bewusste Verarbeitung der Diagnose, um eine sichere Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Mit der Einfühlsamkeit ist der Blick aus den Augen des Kindes gemeint. Diese Mütter sind also verständnisvoll im Hinblick auf das Verhalten ihres Kindes und haben eine komplexe Sicht auf ihr Kind.132 Sie sind eher bereit, ihr Fürsorgeverhalten zu überdenken und werden von ihren Kindern als akzeptierend und zugänglich erfahren. Somit entwickelt sich eine sichere Bindung.133 Darüber hinaus sind Studien mit normal entwickelten Kindern zu erwähnen, die einen Zusammenhang zwischen der Empathie der Mutter und der Bindungssicherheit der Mutter belegen.134 Über bindungsförderndes Verhalten bei Kindern mit einer autistischen Störung ist leider noch nicht so viel bekannt. Es ist jedoch wichtig, dieses zu erforschen, weil die Empathie der Mutter nicht nur vom angemessenen Lesen und Reagieren auf die Signale ihres Kindes abhängt, sondern auch davon, in welcher Weise das Kind in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu signalisieren.135 Diese Fähigkeit ist bei Kindern mit einer autistischen Störung oft beeinträchtigt.136 Ebenfalls ist es wichtig, herauszufinden, was das spezielle, das positive Bindungsmuster fördernde Fürsorgeverhalten ist.137 Denn ca. 50 % der autistisch gestörten Kinder entwickeln eine sichere Bindung an ihre Mutter.138 Das Einfühlungsvermögen der Mutter, also der Blick aus den Augen ihres Kindes, schließt eine Verarbeitung der Diagnose ihres Kindes ein. Denn um empathisch, mit Akzeptanz der Herausforderungen, die mit der Diagnose einhergehen, auf ein Kind mit einer autistischen Störung einzugehen, muss sich die Mutter der Diagnose offen stellen.139 Zur Verarbeitung der Diagnose ist es für die Mutter erforderlich, die Gewissheit über die Krankheit und auch das damit verbundenen schmerzliche Gefühl, sich vom „gewünschten“ Kind verabschieden zu müssen, in ihr inneres Bild des Kindes aufzunehmen.140 Im Zuge dieser Integration der Diagnose in das innere Bild des Kindes ist es der Mutter möglich, 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 Vgl. Winnicott 1984, S. 63 Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 203 Vgl. Fonagy et al. 1991, 200-202 Vgl. Koren-Karie et al. 2002, S. 534-542 Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204 Vgl. Sigman, Capps 1997, S. 72 Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204 Vgl. Rutgers et al. 2004, S. 1123-1134 Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204 Vgl. Blacher 1984, S. 55-60 33 sich mit ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Bereitschaft zur Problemlösung an der Diagnose ihres Kindes zu orientieren.141 Damit ist die Grundlage für das begünstigende Fürsorgeverhalten einer sicheren Bindung geschaffen.142 Ich denke, dieses Konzept gilt auch für Mütter von Kindern, welche an anderen Störungen leiden. Nur wenn die Diagnose von der Mutter komplett angenommen, verarbeitet und akzeptiert ist, kann sie empathisch auf ihr Kind eingehen. Denn nur dann ist sie in der Lage, ihr Kind zu verstehen und das Kind wird eine sichere Bindung zu ihr aufbauen. Das stützt auch eine Studie mit Kindern mit der Diagnose zerebrale Kinderlähmung und Epilepsie. Auch diese Kinder konnten eher eine sichere Bindung zu ihrer Mutter aufbauen, wenn diese die Diagnose ausreichend verarbeitet hat.143 Oft spüren Mütter intuitiv, dass mit ihrem Kind „etwas nicht stimmt“. Das heißt jedoch nicht, dass sie dies benennen oder beschreiben können. Somit ist es für die Mütter nicht möglich, die Problematik bewusst zu be- oder verarbeiten. Die ambivalenten Gefühle, meist Enttäuschung, die eine Mutter durchlebt, wenn sich ihr Kind anders als erhofft entwickelt, sind oft mit Schuldgefühlen verbunden. Aufgrund der Gefühlswelt der Mutter und der Hilfebedürftigkeit des Kindes ergibt sich oft eine sehr enge Eltern-(Mutter)-Kind-Bindung, die es dem Kind nur wenig erlaubt, Selbstständigkeit zu erlangen. Das hat dann ein erneutes Reifungsdefizit zur Folge. Durch diese nicht ausreichend genutzten Lebensmöglichkeiten kommt es bei den Eltern oft zu verdrängtem, heimlichem Groll und bei den Kindern zu Unselbstständigkeit, Bequemlichkeit, Abhängigkeit und damit zu einem mangelnden Selbstbewusstsein.144 Es ist also wichtig, Mütter, deren Kinder eine Diagnose über eine Entwicklungsstörung bekommen, in der Verarbeitung dieser zu begleiten, um die Bindungssicherheit ihrer Kinder nicht zu gefährden. Diese Begleitung ist im Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit verankert. Es geht zum einen darum, die Mütter über die Einzelheiten der Diagnose aufzuklären und über die Möglichkeiten des bestmöglichen Umgangs damit. Zum anderen geht es darum, mit den Müttern über ihre Ängste, ihre Trauer und ihre Wut zu sprechen. Auch hier geht es wieder um ein Beziehungsangebot des Beraters an die Mutter und um das Containment der negativen Gefühle der Mutter. Dadurch wird es der Mutter erleichtert, in Beziehung mit ihrem Kind zu gehen und dessen negative Gefühle aufzunehmen. Es kann so eine Entwicklungsstörung vielleicht nicht mehr verhindert werden. Die Schwere der Manifestation könnte meines Erachtens nach jedoch gelindert werden. Außerdem können Mutter und Kind besser miteinander und mit der Diagnose umgehen, was das Wohlbefinden beider steigert. Zusätzlich sind Selbsthilfegruppen, gegebenenfalls unter professioneller Anleitung, eine große Bereicherung. Hier können sich die Mutter untereinander austauschen, sich Mut machen und Hoffnung schöpfen. Die Mütter bekommen das Gefühl, nicht allein zu sein und verstanden zu werden. Diese Erleichterung wirkt sich wiederum positiv auf die Beziehung zu ihrem Kind aus. Denn nur wenn die Diagnose verarbeitet wurde, kann die Mutter dem Kind die nötige Sicherheit innerhalb der Beziehung bieten, welche die Grundbedingung für die Hirnentwicklung und die Lernfähigkeit des Kindes darstellt. Unsicherheit produziert Stress, was den Adrenalinspiegel ansteigen lässt. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Störung der Stoffwechselprozesse im Hirn, was wiederum die Blockierung der Informationsspeicherung und die Beeinträchtigung der emotionalen Fähigkeiten nach sich zieht.145 141 142 143 144 145 Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204 Vgl. Marvin & Pianta 1996, S. 436-445 Vgl. Marvin & Pianta 1996, S. 436-445 Vgl. Rass 2008, S. 37-38 Vgl. Rass 2008, S. 38 34 4.6 Sozialarbeit in der Intensivpsychotherapie In der Intensivpsychotherapie werden Kinder und Jugendliche stationär betreut. Sie leben aber nicht auf einer typischen Station, sondern in einer Wohnung mit Familienwohnungscharakter. Sie haben eine Bezugsperson, meist eine Krankenschwester, die sie zur Einzel-, Gruppen- und Kreativtherapie sowie in die Klinikschule begleitet. Das gesamte Team tauscht sich regelmäßig aus und die Teilnahme an einer Supervision ist verpflichtend. Da viele Patienten aufgrund ihrer psychischen Probleme wenig in der Lage sind, Beziehungen zu anderen einzugehen oder sich in Gruppen zu integrieren, sind sie vom sozialen Umfeld oft ausgeschlossen. Es ist für sie also oft nicht möglich, regelmäßig den Kindergarten oder die Schule zu besuchen. Denn um gruppenfähig zu sein, wäre es erforderlich146, „dass sie zunächst einmal in Zweierbeziehungen ihre Gefühle einbringen und regulieren können, ohne ihre innere Struktur zu verlieren“.147 Durch den Verlust des sozialen Umfeldes verschlechtert sich häufig der psychische Zustand. Die Patienten und ihre Familien brauchen also dringend eine soziale Beratung und Begleitung, die die Erfolge der Therapie unterstützen. 146 147 Vgl. Brisch 2011, S. 303 Sachse & Strauß 2002, S. 134-140 35 5 Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapie im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen Dort, wo die Möglichkeiten der Beratung überschritten werden, also wo auf Seiten der Eltern oder der Kinder der Fall einer psychischen Störung mit Krankheitswert besteht, ist Psychotherapie angezeigt. Ich habe auch hier aufgrund eigenen Interesses und eigener Überzeugung ein paar Behandlungsmöglichkeiten ausgewählt und bearbeitet. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass es noch viele andere Möglichkeiten und Methoden gibt, deren Bearbeitung den Rahmen meiner Arbeit allerdings übersteigen würden. Bowlby kam zu der Erkenntnis, dass jedes Verhalten des Kindes darauf abzielt, die Bindung zur Bezugsperson aufrechtzuerhalten. Über dieses Repertoire des Bindungsverhaltens verfügt jedes Kind ab der Geburt. Das Fürsorgeverhalten der Bezugsperson ist das Gegenstück zum Bindungsverhalten des Kindes. Diese beiden Komplementären sind perfekt aufeinander abgestimmt.148 Das gilt es auch innerhalb der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen zu beachten. Man muss davon ausgehen, dass das Verhalten eines Kindes eine bestimmte Funktion innerhalb seiner Familie erfüllt. Arbeitet man beispielsweise mit einem Kind aus einer gewalttätigen Familie an dessen Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit, ist es unabdingbar die Eltern mit einzubeziehen. Denn man kann sich vorstellen, was das neu erlangte selbstbewusste Auftreten des Kindes, gegenüber seines aggressiven Vaters, zur Folge haben kann. Es hilft also nur nachhaltig, wenn man, vielleicht mit sozialpädagogischer Unterstützung, auch die Systeme, die das Kind umgeben, behandelt und unterstützt. Denn schon Freud machte klar, dass ein Kind immer nach der Bindung zu seinen Bezugspersonen bestrebt ist, auch wenn diese sich abweisend verhalten. Dies geschieht aufgrund einer biologischen Notwendigkeit: das Überleben. Die ersten Beziehungen sind ausschlaggebend für die weitere sozial-emotionale Entwicklung des Kindes bis hin zum Erwachsenenalter.149 5.1 Die psychoanalytische Säuglings/Kleinkind-Eltern-Psychotherapie Die klinisch-empirische Säuglingsforschung etablierte den Begriff des „kompetenten Säuglings“. Damit ist gemeint, dass der neugeborene Säugling sich mit seinen unterschiedlichen Emotionen, selbstregulatorischen Kompetenzen und Affekten wesentlich in die Mutter-Vater-Kind-Interaktion einbringt und diese beeinflusst. Die Co-Regulation der Eltern ist ein ebenso wichtiger Anteil für eine gelungene Interaktion. Ausschlaggebend für eine psychisch stabile Struktur des Kindes ist die Fähigkeit der Eltern, angemessen auf die Interaktionseinladungen des Kindes einzugehen und diese altersadäquat zu gestalten, um so eine gute Bindung aufzubauen. Diese frühzeitige Intervention in den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung macht die Behandlung psychischer Störungen im Säuglings- oder Kleinkindalter besonders nachhaltig wirksam.150 Das komplexe Beziehungs- und Interaktionsgeflecht zwischen Mutter, Vater und Kind bedarf einer besonderen Zugangsweise. Der Therapeut erweitert dieses triadische Beziehungssystem durch sein Hinzukommen. Die Säuglings-Kleinkind-Eltern-Psychotherapie (SKEPT) beginnt mit ähnlichen Aspekten wie die Beratung. Es kann eine entlastende Beratung erfolgen, bei der die Eltern, für das was sie leisten, Anerkennung und Wertschätzung erhalten. Darüber hinaus können sie auch Grundwissen über entwicklungsspezifische Besonderheiten von Kindern vermittelt bekommen. Dadurch wird ein 148 149 150 Vgl. Fremmer-Bombik & Grossmann 1993, S. 85 Vgl. Fremmer-Bombik & Grossmann 1993, S. 83 Vgl. Cierpka & Windaus 2007, S. 7 36 Zugang zu den aktuellen und vergangenen Beziehungserfahrungen geschaffen. Durch Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse werden dabei bewusste und unbewusste Vorstellungen über diese Beziehungen erhellt. Die Interaktion zwischen dem kleinen Kind und seinen Eltern repräsentiert die inneren Wünsche und deren Abwehr. Förderlich für die Arbeit ist, dass die Eltern, aufgrund ihrer neuen Situation und Erwartungen auf das Kind, sehr ansprechbar sind für Hilfe und Unterstützung. Denn sie erhoffen sich schnelle Verbesserung in Bezug auf die Symptome ihrer Kinder. Hinzu kommt, dass Eltern in der ersten Phase der Elternschaft sehr offen und feinfühlig sind. Denn in dieser Phase werden auf sonderbare Weise eigene Kindheitserinnerungen wach. Dieses Phänomen kann die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen verstärken. Es kann jedoch auch vorkommen, dass traumatische Erlebnisse aus der frühen Kindheit so überwältigend sind, dass sie den therapeutischen Prozess hemmen. Hinzu kommen, durch problematische Beziehungserfahrungen mit den eigenen Eltern, negative Übertragungen auf den Therapeuten. Der Therapeut muss diese negativen Übertragungsangebote erkennen und in seine Arbeit einbeziehen. Da es sich um ein ganzes Beziehungssystem, bestehend aus 3 einzelnen Individuen, mit Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen, handelt, ist die Arbeit mit Säuglingen und ihren Eltern hochkomplex. Ein grundlegender Aspekt in der psychoanalytischen Arbeit ist das Beobachten. Der Therapeut nimmt die körperlichen und emotionalen Aktionen aller Beteiligten wahr. Dabei wird er durch die Gegenübertragung in bestimmte Gefühlslagen versetzt. Fühlt er sich bedrängt, könnte das vielleicht bedeuten, dass die Eltern das Kind in seinen Bedürfnissen übergehen und es aufdringlich behandeln. Diese spezifischen Interaktionsmuster der Objektbeziehungen, die der Therapeut wahrnimmt, stehen in Zusammenhang mit den Kindheitserfahrungen der Eltern. Natürlich bringt auch der Therapeut eigene Anteile mit in die Therapiestunde. Diese eigenen Anteile, die seine bestimmten Einstellungen beeinflussen, fließen ebenfalls in das Geschehen ein. Es ist von großer Wichtigkeit, das zu erkennen und zu reflektieren, um eigene Anteile nicht mit denen der Familie zu vermischen, aber auch, um eventuelles Nicht-Wissen zu ertragen. Beispiel: So könnte die Mutter, unbewusst den Therapeuten an die sehr strenge, unliebevolle Großmutter erinnern. Diese Übertragung könnte dazu führen, dass er nicht die reale Mutter sieht und sie vorschnell verurteilt. Aber vielleicht gibt es eine sehr versorgende, empathische Seite der Mutter, von der ihr Kind sehr profitiert, die er dadurch nicht wahrnehmen kann.151 „Eine Übertragung bezeichnet den Vorgang, wodurch die unbewussten Wünsche an bestimmten Objekten im Rahmen eines bestimmten Beziehungstypus, der sich mit diesen Objekten ergeben hat, aktualisiert werden.“152 „Die Gesamtheit der unbewussten Reaktionen des Analytikers auf die Person des Analysanden und ganz besonders auf dessen Übertragung wird als Gegenübertragung bezeichnet.“153 Die differenzierte Reflexion der Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse hilft dem Therapeuten bei einer ersten Hypothesenbildung hinsichtlich des unbewussten Konfliktes oder struktureller Defizite. Hinzu kommen die Signale und Äußerungen des kleinen Kindes, die den Prozess des Verstehens voranbringen. Auch bei der SKEPT spielt das Prinzip des Containment eine Rolle. Der Therapeut nimmt alle Emotionen und Spannungen des Beziehungsgefüges auf. Er hält sie (aus) und bewahrt sie erst einmal auf, ohne gleich handeln zu müssen. Die für die Beteiligten unerträglichen und ungeordneten Gefühle werden beim Therapeut abgelagert und dieser versucht, sie zu deuten und in 151 152 153 Vgl. Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 113-118 Laplanche 1973, S. 550 Laplanche 1973, S. 164 37 einen Sinnzusammenhang zu bringen. Daraufhin gibt der Therapeut diese Gefühle in geordneter, „entgifteter“ und weniger bedrohlicher Form zurück. So können Eltern und Kind diese Gefühle in ihr Beziehungsgeflecht integrieren. Diese Erfahrung mit dem Containment ist beispielhaft für die Eltern, um selbst die Gefühle ihres Kindes containen zu können. Denn dadurch, dass ihnen ihre negativen Gefühle ein Stück weit abgenommen und „entgiftet“ werden, können sie mehr inneren Raum für die Gefühle ihres Kindes entwickeln. Die Bedrohlichkeit der Kindheitserfahrungen kann durch das Containment und die besondere Offenheit während der ersten Phase der Elternschaft vermindert werden.154 Die noch ungeordnete Welt des Babys gewinnt dadurch mehr Sicherheit und Ordnung und Symbolisierungs-, Sprach- und Beziehungsfähigkeit können sich entwickeln.155 Um den Eltern die Möglichkeit zu geben, ihr Kind mal aus der Perspektive des Kindes zu betrachten, drückt der Therapeut seine Aktionen und Reaktionen aus und ordnet sie sinnvoll, sodass es für die Eltern verständlich ist. Möglicherweise können auch hier die Eltern die Welt mal aus den Augen ihres Kindes sehen und es dadurch besser verstehen.156 Im direkten Zusammenhang mit dem Containment steht die Mentalisierung.157 Hierbei geht es um das Verstehen von und Nachdenken über seelische Zustände, sowohl die eigenen als auch die anderer. Gelingt Eltern das Mentalisieren, haben sie eine Vorstellung bezüglich ihrer inneren Bedürfnisse und Befindlichkeiten und bezüglich der ihres Kindes. Es ist wichtig für die Entwicklung des Kindes, dass die Eltern das Kind als real und eigenständig, also mit eigenen Bedürfnissen und einer eigenen Persönlichkeit, empfinden. Zusammen mit dem Therapeuten versuchen die Eltern dann, die Signale ihres Kindes richtig zu verstehen und angemessen auf diese einzugehen. Dadurch wird es ihnen zukünftig möglich sein, das Verhalten vorausschauend einschätzen zu können. Alltägliche Abläufe werden für die Eltern dann vertraut und berechenbar. Das hat zur Folge, dass sie diese Sicherheit auf das Kind übertragen. Dieses fühlt sich dann gut gehalten und die Eltern fühlen sich in ihrer Funktion kompetent. Das alles trägt zu einer sicheren Bindung bei. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Arbeit mit kleinen Kindern und ihren Eltern ist die Triangulierungsfähigkeit. Mutter, Vater und Kind bilden eine Triade, aber auch Therapeut, Mutter und Kind usw. Störungen kann es geben, wenn die Zweierbeziehungen der Eltern sich so gestalten, dass der Dritte ausgeschlossen wird. So kann z.B. Eifersucht auf Seiten des Vaters entstehen, der sich ausgegrenzt fühlt, wenn Mutter und Kind interagieren. Störungen kann es aber auch auf Seiten des Kindes geben, was in der Mitte der Zweierbeziehungen keinen Platz findet. Das Ziel der Therapie liegt also auch darin, die Triangulierungsfähigkeit aller Beteiligten zu stärken, damit die Beziehung als Triade, also als Dreierbeziehung, funktioniert. Die Triangulierungsfähigkeit wird durch die triadische Erfahrung innerhalb des therapeutischen Settings gefördert. Dadurch erfahren alle Beteiligten eine Entlastung und eine innere Bereicherung. Die Wertschätzung, Unterstützung, Förderung und Ermutigung der Eltern im Vordergrund dieses Settings. Diese positiven Beziehungserfahrungen mit dem Therapeuten, sind die Basis für eine positive Beziehung zwischen Eltern und Kind. Die Eltern bekommen die Möglichkeit, Unausgesprochenes und Unaussprechliches ohne Schuldzuweisungen zu äußern. Dadurch erfahren 154 155 156 157 Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 113-118 Vgl. Knott 2003, S. 530 Vgl. Cierpka et al. 2007, S.115 Vgl. Fonagy et al. 2004, S.77-80 38 sie eine enorme Entlastung, die sich wiederum erleichternd auf die Triade auswirkt. Außerdem werden durch die Arbeit mit dem Therapeuten unbewusste Fantasien erhellt und dadurch ihre Wirkung auf die Interaktion erklärt. Durch die Erfahrung und das Einfühlungsvermögen des Therapeuten ist es auch möglich, verbal oder averbal zu intervenieren, ohne die Mutter oder die Eltern in ihrer Rolle in Frage zu stellen. Besonders schnelle Intervention ist gefragt, wenn Misshandlung des Kindes droht. Hier gilt es, Hilfsangebote anzubieten, wie z.B. ein schützender, entlastender stationärer Aufenthalt der Mutter mit dem Kind oder eine Erziehungshilfe, bis hin zur Fremdunterbringung des Kindes. Dafür bedarf es eines übergreifenden, kooperativen Netzwerkes. An dieser Stelle könnte die vernetzte Soziale Arbeit gefragt sein. Zum Ende der Therapie werden die Eltern motiviert, selbst zu entscheiden, wie viel an Unterstützung sie noch benötigen und wünschen. Das stimmen sie dann mit dem Therapeuten ab. Stern beschreibt die Ziele der SKEPT folgendermaßen: eine positive Entwicklung, gegebenenfalls eine Veränderung der bestehenden Repräsentanzen bei den Eltern und besonders beim Kind. Damit gehen bestimmte Veränderungen einher: eine zunehmende somatische und psychische Gesundheit des Säuglings, woraufhin Entwicklungsschritte möglich werden. Außerdem kommt es zu einer Verstärkung der intuitiven elterlichen Kompetenz und Feinfühligkeit und Eltern und Kind erleben die gemeinsamen Interaktionen befriedigender. Es werden Triangulierungsprozesse ermöglicht und/oder gefördert. Durch die Erhellung unbewusster Fantasien wird der wesentliche innere Konflikt gemildert und die negativen Projektionen der Eltern werden bearbeitet.158 5.1.1 Unterschiede zwischen der psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Säuglings/Kleinkind-Eltern-Therapie Der wesentliche Unterschied zwischen der psychoanalytisch orientierten und der verhaltenstherapeutischen Arbeit ist, dass erstere sich mit den Projektionen der Eltern und deren Ursachen in der Vergangenheit beschäftigt. In der Verhaltenstherapie wird es nicht als notwendig angesehen, die Kindheit der Eltern und die daraus entstandenen Projektionen zu analysieren und durchzuarbeiten. Verhaltenstherapeuten sehen das „Graben“ in der Vergangenheit nicht als notwendig an. Psychoanalytiker hingegen gehen davon aus, dass dessen Vernachlässigung nicht mehr als eine vorübergehende Symptomverbesserung zur Folge hat.159 Eine Studie, an der Psychoanalytiker und Verhaltenstherapeuten mitwirkten, ergab, dass beide Verfahren gleichermaßen erfolgreich sind.160 So konnten mit beiden Verfahren, bei etwa gleicher Anzahl der Sitzungen, gleiche Ergebnisse mit übereinstimmender Dauer erzielt werden. Jedoch wird bis heute noch auf beiden Seiten versucht, das jeweilige Verfahren als das bessere zu beweisen. Ich sehe jedoch eine Auseinandersetzung mit den Beziehungserfahrungen der Eltern als unabdingbar an, um eine dauerhafte Verbesserung der Beziehungs- und Interaktionsqualität zwischen Mutter/Eltern und Kind bewirken zu können. Denn unsere Vorstellung über andere Personen bestimmt, wie wir Beziehungen zu ihnen erleben und mit welchen Erwartungen und welchem Verhalten wir in diese Beziehungen treten. Der Grundstein für diese Vorstellungen wird in unseren frühen Beziehungserfahrungen gelegt. Wenn ein Säugling schreit, hängt die Reaktion davon ab, was man für Vorstellungen über ihn und seine Absichten hat. Ist man der Meinung, das kleine Kind wolle einen absichtlich ärgern, wird 158 159 160 Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 115-119 Vgl. Dornes 2000, S. 246 Vgl. Robert-Tissot et al. 1996, S. 97-114 39 man es womöglich „für sein Verhalten“ bestrafen, indem man es vielleicht einfach ignoriert. Eine andere Person mit anderen Repräsentanzen würde eventuell in Panik verfallen, weil sie eine Todesangst in den Schreien des Kindes erlebt. Eine Mutter, die ihre Repräsentanzen aber reflektiert und bearbeitet hat, weiß womöglich, dass der Säugling nach Erfüllung seiner Bedürfnisse schreit, also z.B. Nahrung oder Nähe, und kann angemessen und prompt auf die Signale ihres Kindes eingehen. Trotzdem gehen Verhaltenstherapeuten davon aus, dass Therapieformen, die statt an der Vergangenheit am Verhalten ansetzen, ebenso die Veränderung von Beziehungsrepräsentationen bewirken, da sich bei Veränderung des Beziehungsverhaltens auch die Beziehungsrepräsentationen ändern.161 Diesen Punkt halte ich aber für fraglich, weil die Beziehungsrepräsentationen in aller Regel unbewusst sind und es für die Veränderung eine Erhellung dieser bedarf. Jedoch denke ich, dass es nicht so sehr auf die Therapieform ankommt, sondern eher, auf die positiven Beziehungserfahrungen, die die Klienten mit dem Therapeuten machen können. 5.2 Innere Beistände – positive Beziehungserfahrungen und ihre nachhaltige Wirkung Menschen, die mit überwiegend schwierigen Beziehungserfahrungen aufwachsen, bleibt oft noch eine „support figure“ oder auch ein innerer Beistand. Damit sind Personen aus ihrer Kindheit und positive Erfahrungen, die sie mit diesen Personen machen, gemeint, deren Erinnerung ihnen im zukünftigen Leben innerlich beisteht. Es ist dabei ganz individuell, wie lange eine solche Person präsent sein muss, damit sie eine protektive Wirkung beim Kind hinterlässt. Beispiel: Eine liebevolle Erzieherin, die eine kalte, unbarmherzige Kollegin vertritt, kann wegen der „Kontrasterfahrung“ das eine Kind in eine noch tiefere Verzweiflung stürzen und dem anderen Kind Hoffnung vermitteln, weil es sich, wenn auch für nur kurze Zeit, einmal gesehen und angenommen fühlt. Diese nach Petzold „schützenden Insel Erfahrungen“, haben eine nicht zu unterschätzende protektive Bedeutung durch162 „Verinnerlichung eines temporären ‘facilitating environment‘ bzw. ‚potential space‘.“163 Auch wenn diese Erfahrungen nur ein paar Monate andauern, wie z.B. während Aufenthalten in der Kinder-und Jugendpsychiatrie oder in therapeutischen Wohngemeinschaften,164 kann auf sie in späteren Krisensituationen zurückgegriffen oder im Falle einer späteren Therapie daran angeknüpft werden. Dies beweist eine Follow-up-Untersuchung von Petzold, bei der 4 Kinderpsychotherapiegruppen,165 welche über 3 Jahre an Frühförderungs-, Kindertherapie- und Eltern-Kind-Programmen teilnahmen,166 nach 20 Jahren untersucht wurden. Hierfür wurden 6 Frauen und 3 Männer aus diesen Gruppen in 5 Kurzund 4 Tiefeninterviews über die Nachhaltigkeit ihrer Therapie aus Kindertagen befragt. Zur Zeit der Therapie waren die Kinder 4 bis 7 Jahre alt und stammten aus sozial benachteiligten Familien. 7 der 9 Befragten beurteilten die ein- bis zweijährige Therapie als sehr hilfreich für ihre damaligen Lebensumstände. Hinzu kommt, dass keiner der Befragten aktuell psychische Auffälligkeiten aufwies oder unter gravierenden Lebensproblemen litt, obwohl alle in der Kindheit Verhaltensauffälligkeiten und entsprechende Symptomatik zeigten. Die übrigen 2 Befragten konnten sich nicht mehr genau an die Therapie erinnern. 5 der 9 Befragten konnten sogar eine wichtige Schutzfunktion der therapeutischen Erfahrung für ihr späteres Leben erkennen. In schwierigen Phasen ihres Lebens dachten sie noch oft an die 161 162 163 164 165 166 Dornes 2000, S. 246-247 Vgl. Hilarion et al., 1993, S. 395 Winnicott 1972, S. 148-152 Vgl. Witt 1980. S. 404-422 Vgl. Hilarion et al. 1993, S. 396 Vgl. Geibel 1971, S. 271-273 40 Therapeuten, mit denen sie wenigstens einmal die Erfahrung machen konnten, wertgeschätzt und angenommen zu sein. Dies gab ihnen Hoffnung, doch nicht so ungewollt zu sein, wie sie es vielleicht oft dachten. Sie konnten also auch lernen, an etwas Gutes im Leben zu glauben. Somit gab die kinderpsychotherapeutische Gruppenerfahrung nicht nur im häuslichen Umfeld eine Unterstützung und Entlastung, sondern war ein wichtiger protektiver Faktor für das spätere Leben der Beteiligten. Denn durch die Verinnerlichung der Erfahrung, angenommen und geschätzt zu sein, und durch das Erleben einer anderen Form des zwischenmenschlichen Umgangs entwickelte sich ein innerer Beistand, der den Klienten erhalten blieb.167 Innere Beistände haben demnach eine wesentliche Bedeutung. Denn die verinnerlichten Personenrepräsentanzen und die Selbstbilder ergeben die Persönlichkeit eines Menschen. Sie sind ausschlaggebend für z.B. das Selbstwertgefühl, Minderwertigkeits- oder Wertlosigkeitsgefühle. Die inneren Beistände, die ein Kind während seiner Kindheit gewinnen konnte, sind heilsame internale Schutzfaktoren. Es ist also wichtig, diese weiter zu erforschen und sie in der Kindertherapie, Psychotherapie mit Erwachsenen aber auch in der Prävention einzusetzen und zu nutzen. dafür zuständig ist, die äußeren Strukturen zu stabilisieren. Denn das ist die Voraussetzung für die Arbeit an den inneren Strukturen.168 167 168 Vgl. Hilarion et al. 1993, S. 396 Vgl. Brisch 2011, S. 303 41 6 Beratung und Psychotherapie – ein Abgrenzungsversuch Sowohl Psychotherapie als auch Beratung haben das Ziel der freien Entfaltung des Individuums, der Platzfindung im kleineren und größeren Umfeld169, der Linderung menschlichen Leidens, der Problemlösung und der allgemeinen Zufriedenheit des Menschen.170 Jedoch sind sie in unterschiedliche Denkmodelle und in verschiedene institutionelle Kontexte eingebunden.171 Die Psychotherapie ist eine zwischenmenschliche Interaktion, die nonverbal und verbal vollzogen werden kann, um Menschen in ihrem Verhalten, ihren Einstellungen oder Denkweisen zu beeinflussen.172 Das ist bei der Beratung nicht der Fall. Sie vollzieht sich in der Regel verbal. Außerdem bezieht sich die Beratung, anders als die Psychotherapie, auf fast alle Lebensbereiche. Um ein Setting als Beratung bezeichnen zu können, müssen nach Kraft, folgende 3 Komponenten erfüllt sein: Mindestens 2 Personen, mit komplementären Rollen (Ratsuchender/Klient vs. Berater) und ein Problem, welches der Klient aktuell mit eigenen Mitteln nicht zu lösen in der Lage ist.173 Ich denke, diese Komponenten treffen auf das Setting einer Psychotherapie ebenfalls zu, wobei sich die Probleme, derentwegen das jeweilige Angebot aufgesucht wird, unterscheiden. Das soziale Beratungsangebot umfasst Schwangerschaftsberatung, Erziehungsberatung, Beratung im Zwangskontext, Berufsberatung und vieles mehr. Wie der Ausdruck Beratung im Zwangskontext (z.B. im Gefängnis oder im Jobcenter) schon aussagt, findet Beratung nicht immer freiwillig statt. Psychotherapie hingegen größtenteils schon. Für beide ist eine genaue Diagnostik und Analyse der Problemlage notwendig. Eine weitere Gemeinsamkeit, ist der Klient, der für das Liefern von Informationen zuständig ist und den Prozess und das Ende wesentlich bestimmt. Beratung ist nicht automatisch in das Umfeld von Therapie eingebunden. Es ist jedoch möglich, dass sich die durch die Beratung erreichten Veränderungen der Lebensumstände des Klienten auf den Therapieprozess desselben Klienten auswirken.174 Anders als die Therapie, findet Beratung heutzutage, so Kraft, nicht mehr nur „face to face“ statt, sondern wird längst über sämtliche Kommunikationsmedien angeboten. So gibt es Beratungschats, Beratung über das Telefon oder auch im Radio und Fernsehen.175 Für organisatorische Alltagsprobleme sind diese kontaktvermeidenden Beratungsangebote eventuell ausreichend. Für Probleme auf der Beziehungsebene halte ich diese Angebote allerdings völlig ungeeignet. Nach Kraft greift die Beratung in aller Regel bei Problemen, welche sich durch Übung und Informationen bewältigen lassen. Handelt es sich allerdings um beispielsweise unbewusste Konflikte, die sich in Übertragungs-Gegenübertragungprozessen äußern, für die eine Analyse notwendig ist und welche folglich nicht eingeübt oder durch Information behebbar sind, übersteigt das die Möglichkeiten der Beratung und fällt in das Aufgabenfeld der Therapie.176 Während sich die Psychotherapie klar an „Patienten“ mit einer Störung mit Krankheitswert, wendet, hat die Beratung ein inhaltlich weniger festgelegtes, entwicklungsorientiertes Angebot.177 Trifft man bei der Beratung eines Heranwachsenden auf ein intaktes Beziehungsumfeld, so ist die Beratung ausreichend. 178 Eine deutliche Unterscheidung zwischen Psychotherapie und Beratung findet man auf der 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 Vgl. Rass 2008, S. 107 Vgl. Dryden & Feltham 1994, S. 10 Vgl. Engel, Nestmann & Sieckendiek 2004, S. 36 Vgl. Hoffmann 2005, S. 3 Vgl. Kraft 2009, S. 45-46 Vgl. Rass 2008, S. 107 Vgl. Kraft 2009, S. 45 Vgl. Kraft 1993, S. 354-363 Vgl. Mattejat & Pauschardt 2009, S. 172 Vgl. Rass 2008, S. 108 42 rechtlichen Seite. Die Psychotherapie und auch der Psychotherapeut sind rechtlich geschützte Begriffe, nicht so die Begriffe Berater und Beratung, obwohl einige Beratungskontexte auch im Gesetzestext geregelt sind. Die Aufgaben der Erziehungs- und Lebensberatungsstellen sind im Kinder-und Jugendhilfegesetz, Sozialgesetzbuch, achtes Buch (SGB VIII) festgelegt. Das psychotherapeutische Setting ist im Psychotherapeuten-Gesetz (Psych-ThG) formalrechtlich geregelt. Dieses Gesetz unterscheidet klar zwischen Psychotherapie und Beratung. Für die psychotherapeutische Tätigkeit ist eine Approbation als Psychologischer/Medizinischer Psychotherapeut oder als Kinder- und Jugendlichentherapeut notwendig.179 Denn im § 1 (3) des PsychThG heißt es dazu ganz klar: „Ausübung von Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“ 180 Anders als bei Beratung bezieht sich die Psychotherapie also auf Störungen mit Krankheitswert und nicht auf diverse Lebenslagen und Entscheidungskonflikte, die nicht einer psychischen Störung entsprechen. Um das zu bestimmen, wird normalerweise der ICD10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, verwendet. Im Gesetzestext wird ein wesentliches Tätigkeitsfeld der Beratung ausgeschlossen, die Aufarbeitung sozialer Konflikte. Auch hier findet eine deutliche Abgrenzung zwischen Psychotherapie und Beratung statt. Dazu kommt, dass die Psychotherapie sich überwiegend im medizinischen Sektor wiederfindet. Somit erzielt sie die Linderung und/oder Behebung bereits vorhandener psychischer Störungen. Die Beratung greift jedoch in verschiedenen Sektoren und arbeitet unter anderem mit Förderung von Kompetenzen als Ressourcenstärkung zur Prävention psychischer Störungen.181 Diese Methode findet z.B. im Steep-Programm (Kapitel 3) seine Anwendung. Beratung und Psychotherapie haben also einen unterschiedlichen Rahmen aus Begründungs- und Argumentationszusammenhängen.182 Nach Lueger ist eine Beratung bei „Klienten mit einer Verschlechterung des subjektiven Wohlbefindens ohne Symptomatik bei allgemein gutem Funktionsniveau“183angebracht. Trotz der klaren Unterschiede gibt es einen Überschneidungsbereich und eine Beratung kann durchaus in eine Therapie übergehen oder zu dieser motivieren oder umgekehrt. Eine Beratung kann nach Beendigung der Therapie deren Erfolge im Alltag festigen. Außerdem können nicht immer die Grenzen zwischen den Methoden und Interventionsformen beider Handlungsfelder klar gezogen werden. Denn auch eine Psychotherapie kann bei erfolgreicher Intervention bereits nach wenigen Sitzungen beendet sein und eine Erziehungsberatung von Eltern eines verhaltensauffälligen Kindes kann beispielsweise über ein Jahr in Anspruch nehmen. In der Psychotherapie gibt es auch beratende Anteile, jedoch ist der Charakter der Problemlagen ein anderer als der, für den die Beratung zuständig ist. So handelt es sich bei der Beratung eher um normative Problemlagen und diese werden mit Ressourcenstärkung bearbeitet.184 Mit Hilfe der folgenden Tabelle lassen sich die Überschneidungen sowie die Unterschiede deutlich aufzeigen: 179 180 181 182 183 184 Vgl. Warschburger 2009, S. 21-172 Vgl. http://www.buzer.de/ Vgl. Warschburger 2009, S. 22 Vgl. Warschburger 2009, S. 172 Lueger 1995, S. 270 Vgl. Warschburger 2009, S. 22-23 43 Merkmal Beratung Psychotherapie Beteiligte Berater (i.d.R. psychosozialer Psychotherapeut mit einem oder einer Profession) mit einem oder einer Gruppe Gruppe von Klienten oder Patienten von Klienten oder Ratsuchenden Anlass Vielfalt von Beratungsanlässen wie: • „normative“ Entwicklungsprobleme • Probleme im alltäglichen Lebensvollzug • Entscheidungsanforderungen (z.B. weitere schulische Laufbahn) • Umgang mit veränderten Lebensbedingungen (z.B. neue Arbeitsstelle, Verlust der Arbeitsstelle, Krankheit etc.) • eher: aktuter Charakter Ausschluss: Störung mit Krankheitswert (ĺ Therapie) • Störung mit Krankheitswert • Leidensdruck • Chronische Probleme Person mit Störungsbild steht im Vordergrund der Betrachtung Inanspruchnehmende • man geht von einer generellen Handlungsfähigkeit der Klienten/Ratsuchenden aus • supportiver Charakter betont: zeitweilige Unterstützung in einer Problemsituation • starke Betonung von Autonomie und Freiwilligkeit der Inanspruchnahme (Ausnahmen möglich: z.B. Schwangerschaftskonfliktberatung) • Handlungsfähigkeit kann beim Klienten/Patienten eingeschränkt sein • Autonomie kann eingeschränkt sein • freiwilliger Charakter für den Erfolg von Therapie betont; dennoch auch bei Selbst- und Fremdgefährdung ohne Zustimmung des Patienten Methodenrepertoire • je nach theoretischer Ausbildung unterschiedliche Herangehensweisen zur Beseitigung des Problems • diagnostische Kompetenzen • interventive Kompetenzen (hier steht der informative Aspekt im Vergleich zur Psychotherapie stärker im Vordergrund) • evaluative Kompetenzen • Strategien haben eher anregenden, unterstützenden Charakter • je nach theoretischer Ausbildung unterschiedliche Herangehensweisen zur Linderung der Symptomatik • diagnostische Kompetenzen • interventive Kompetenzen • evaluative Kompetenzen • Strategien sollen konkret zum Abbau unangemessenen und Aufbau angemessenen Verhalten beitragen Ziel/Aufgabe • entwicklungsorientierter Charakter • Stärkung des Selbsthilferepertoires (unterstützender Charakter) • Aktivierung von Ressourcen Je nach Beratungsanlass unterschiedlich: • Beheben eines Informationsdefizits • Orientierungshilfe geben • Unterstützung bei Entscheidungsfindung • Bewältigungskompetenzen/Problemlö sefertigkeiten steigern • Veränderung der sozialen Bedingungen • Prävention des Auftretens psychosozialer Hindernisse im Entwicklungsverlauf • Anstoßcharakter: Weitervermittlung • Linderung/Heilung der psychischen Störung (kurativer Charakter) • Prävention von sekundären Folgeerscheinungen • Unmittelbare Veränderungen der Lebenssituation nicht angestrebt • Persönlichkeits- und Verhaltensänderung 44 zu anderen Interventionsangeboten/ Dienstleistungsangeboten Regelungen zur Zusammenarbeit oftmals informelle Beratungsverträge Einsatzbereich • keine eindeutige Fokussierung nur auf • Linderung/Behebung von Störung im den interventiven Bereich Vordergrund • zahlreiche präventive Angebote • Präventiver Charakter tritt in den (indizierte sowie universelle Hintergrund Prävention) Fokus Starke Betonung von: • Ressourcenorientierung (personale wie soziale Ressourcen) • Entwicklungsorientierung • sozialer, lebensweltlicher Bezug/unmittelbarer Alltagsbezug Starke Betonung/Zentrierung auf Person mit Störung sowie deren unmittelbares soziales Umfeld Dauer und Intensität • i.d.R. eher kurzfristig (5-10 Sitzungen) • „lockerer“ Rhythmus je nach Problemlage und Unterstützungsbedarf • i.d.R. längerfristig (25 Sitzungen und mehr; je nach therapeutischer Orientierung) • höhere zeitliche Verdichtung; regelmäßige Treffen in zeitlich engen Abständen Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen • Interdisziplinarität explizit gefordert • in institutionalisierten Beratungseinrichtungen in Form von interdisziplinären Teams realisiert • nicht unbedingt notwendig • Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen erfolgt (u.a. Diagnostik) Institutionalisierung • staatliche Einrichtungen (wie z.B. Erziehungs-, Sucht-, Schwangeren-, Arbeitslosenberatungsstellen) • karitative Einrichtungen • • • • Interaktionsformen Vielfalt von Interaktionsformen: • face-to-face Kontakte • technologie-basierte Beratung (Telefon-Beratung, Online-Beratung) • Informationsmaterial • i.d.R. auf face-to-face Kontakte mit einer oder mehreren Personen begrenzt Historische Wurzeln Beratung und Psychotherapie teilen sich gemeinsame Wurzeln aus: • Psychotherapie • Erziehung • ehrenamtliche Tätigkeiten • psychosoziale Berufsfelder (wie Pädagogik; Sozialpädagogik) i.d.R. formaler Behandlungsvertrag private Praxen universitäre Ambulanzen Krankenhäuser Rehabilitationseinrichtungen • enge Verzahnung mit der Entwicklung in der Medizin Finanzierung • kostenfreie, institutionalisierte Beratungsangebote (ĺ Recht auf Beratung in bestimmten Bereichen; staatliche Finanzierung) • kostenpflichtige, private Angebote • i.d.R. Kostenübernahme durch (gesetzliche bzw. private) Krankenkassen • selten: Selbstbezahler Zugangswege für Inanspruchnehmende • in vielen Bereichen (z.B. Schulen; Beratungsstellen) Angebote vor Ort verfügbar; kein spezielles Antragsund Bewilligungsverfahren • kostenpflichtige und -freie anonyme und sehr kurzfristig verfügbare • Psychotherapeut stellt nach Eingangsdiagnostik Antrag auf Kostenübernahme • „hochschwelliges“ Angebot 45 Angebote (z.B. Internetforen; Telefonhotlines) • niedrigschwelliges Angebot Zugangswege für Professionelle • zahlreiche Ausbildungsinstitute, die beispielsweise in verschiedenen Beratungsformen wie z.B. Coaching oder lösungsorientierte Beratung ausbilden; keine offizielle Anerkennung • oftmals: eklektizistische Orientierung • Ausbildung in Verfahren humanistischer Orientierung (Gesprächspsychotherapie; systemische Beratung) häufig anzutreffen • Ausbildung an einem anerkannten Ausbildungsinstitut (nach definierten Curricula, s. Approbationsordnung) zum Erwerb der Approbation (=Zulassung) auf der Basis eines anerkannten Richtlinienverfahrens (verhaltenstherapeutisch; tiefenpsychologisch) Rechtliche Aspekte • kein staatlich geschützter Titel • staatlich geschützte Titel: Psychologischer Psychotherapeut sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Zuordnung zu Anwendungsfeldern in der Psychologie • Klinische Psychologie • Gesundheitspsychologie • Rehabilitationspsychologie / Medizinische Psychologie • Arbeits- und Organisationspsychologie • Pädagogische Psychologie • neuere, sich gerade etablierende Felder wie bspw. Medien- oder Sportpsychologie • Klinische Psychologie Verortung in Berufsfeldern / Berufsprofil keine Begrenzung; „Beratung“ findet in allen Berufsgruppen statt; psychosoziale Beratung in allen Berufsgruppen, die sich mit den psychosozialen Problemlagen von Menschen befassen; wie z.B. Psychologie, Medizin, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Seelsorge, etc. Sehr eng begrenzt und vom Gesetz klar geregelt; im Wesentlichen: • Psychologie • Medizin • Pädagogik • Sozialpädagogik Abbildung 3: Gegenüberstellung von Beratung und Psychotherapie (Quelle: Warschburger 2009, S. 24-26) In der Tabelle wird deutlich, dass eine eindeutige Zuordnung zur Beratung oder zur Psychotherapie nicht immer möglich ist. Dadurch gibt es Überschneidungen zwischen psychosozialer Beratung und Psychotherapie. Sowohl die Psychotherapie als auch die Beratung nutzen eingreifende, protektive, die Diagnostik betreffende und evaluative Methoden. Im Kontext körperlicher Erkrankungen kommen Psychotherapie und Beratung zum Einsatz. So können sich beispielsweise im Verlauf einer chronischen Krankheit psychische Störungen entwickeln, die dann in einer Psychotherapie behandelt werden, wodurch sich auch die chronische Krankheit verbessern sollte. Geht es allerdings um die emotionale Bewältigung der Veränderungen durch die Krankheit oder um die Bewältigung des Alltags usw., greift normalerweise die Beratung. Ich denke, hier können beide, Beratung und Psychotherapie, auch parallel verlaufen. 46 Man kann also zusammenfassend von einer Ergänzung und einer Kooperation beider Interventionsformen sprechen. Denn durch den meist kostenfreien, jedem zugänglichen und niedrigschwelligen Charakter der Beratung kann diese den Weg in eine Psychotherapie weisen und gleichzeitig psychotherapeutische Maßnahmen begleiten und unterstützen. Außerdem kann die Psychotherapie vom Lebensweltbezug der Beratung profitieren, denn dadurch können Erfolge einer Therapie stabilisiert und in den Alltag des Patienten eingebracht werden. Beratung ist also ein Bestandteil der Psychotherapie und umgekehrt und beide können fließend ineinander übergehen.185 Es ist klar geworden, dass Beratung und Psychotherapie rein rechtlich und formal zwei unterschiedliche Modelle darstellen. Außerdem denke ich, dass eine Unterscheidung wichtig ist, da für eine gewinnbringende Zusammenarbeit eine gewissen Spezialisierung und Ausbildung erforderlich ist. So hat die Beratung nicht alle Möglichkeiten der Psychotherapie und umgekehrt. Die Psychotherapie verfügt über den Handlungsrahmen, um Störungen mit Krankheitswert zu behandeln. Beratung ist in den lebensweltlichen Kontext eingebunden und kann dem Klienten damit besser helfen, seine äußeren Rahmenbedingungen zu stabilisieren. 185 Vgl. Warschburger 2009, S. 23-28 47 7 Resümee Während meines Studiums machte ich die Erfahrung, dass die Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie und Säuglingsforschung nur marginal in der Bachelorausbildung der Sozialen Arbeit behandelt wurden. In der Auseinandersetzung mit der Thematik der frühen Störungen, ist mir deutlich geworden, dass Sozialarbeiter Kenntnisse darüber brauchen, wie sich ein Mensch zu dem entwickelt, was ihn aktuell ausmacht und ein Wissen über seine eigenen Bedürfnisse und Ängste, sowie die von anderen. Denn durch dieses Verständnis über sich und andere, können sie mit ihren Klienten in Beziehung treten, welche die Grundlage des Unterstützungsangebotes bildet. Ich konnte anhand der Theorien von Stauss, Schore, Bowlby, Hess, Winnicott u.v.m. aufzeigen, dass frühe Beziehungserfahrungen maßgeblich die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen prägen. Sozialarbeit im Kontext früher Störungen kann dieses Wissen nutzen um den Klienten ein Beziehungsangebot zur Verfügung zu stellen. Denn um überhaupt Hilfe annehmen zu können, brauchen die Klienten im Sozialarbeiter eine Person, mit der sie korrigierende positive Beziehungserfahrungen machen können. Nur mit einem solchen Beistand können sie auch ihre negativen Gefühle eingestehen, deren Entstehung erforschen und integrieren, dessen Unterdrückung sie in ihrer Autonomieentwicklung beeinträchtigen. Um destruktives, selbstschädigendes Verhalten aufgeben zu können, müssen die Klienten, in der Beziehung mit dem Sozialarbeiter bzw. Therapeuten, Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können. Es braucht Vertrauen damit die Klienten über die Stärken und Schwächen der eigenen Persönlichkeit nachdenken können, ohne diese abzuwehren, um somit verstärkt mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Maßgeblich dafür ist das Containment für den individuellen Lernprozess. Dafür muss sich der Sozialarbeiter zur Verfügung stellen. Während meiner Arbeit, ist mir besonders klar geworden, dass psychische Störungen in den frühen Beziehungserfahrungen ihren Anfang nehmen. Die frühen Interaktionserfahrungen prägen die emotionale und soziale Entwicklung eines Menschen. Aus diesem Grund, sind präventive Maßnahmen zur Verhinderung früher Störungen, aus meiner Sicht, besonders sinnvoll. Um einen unterstützenden und sensiblen Umgang mit Eltern und deren Kindern zu ermöglichen, bedarf es besondere beraterische Fähigkeiten und viel Einfühlungsvermögen. Die Qualität des Beratungssettings hängt davon ab, in wie weit der Berater die bewussten und unbewussten Motive, Ängste und inneren Konflikte bei sich und seinen Klienten wahrnimmt und die Sitzungen darauf aufbauend gestaltet. Durch unbewusste Ängste und Abwehr besteht die Gefahr, dass Berater daran gehindert werden, sich ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten zu bedienen, um so kreative Perspektiven einnehmen zu können. Sie verwenden dann möglicherweise lieber bestehende Methoden, anstatt auf der Beziehungsebene zu arbeiten. Besonders wichtig ist auch, dass sich Sozialarbeiter ihrer persönlichen und institutionellen Grenzen bewusst sind, um sich nicht zu überfordern und um die Vermischung eigener Anteile mit denen der Klienten zu verhindern. Nur so sind sie in der Lage, angemessen in dieser hohen Komplexität intervenieren und somit wirklich helfen zu können. Für diesen Prozess, sind regelmäßige Supervisionen unerlässlich, um eigene Projektionen und den Stress aus dem Arbeitsalltag zu bearbeiten. Um diesen hohen Ansprüchen überhaupt gerecht werden zu können, also dieses Wissen zu integrieren und anzuwenden, denke ich, benötigt es in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Sozialarbeitern spezifische psychoanalytisch orientierte Lehrangebote. Eine Methode ist die Babybeobachtung nach Esther Bick. Folgendes wird bei der Babybeobachtung erwirkt: (a) das Verstehen der inneren Welt des Kindes, das sich innerhalb der Interaktion mit seinen Eltern entwickelt, (b) die Fähigkeit auch in 48 dramatischen Situationen die Beobachterrolle nicht zu verlassen, (c) die Fähigkeit, die eigenen Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse wahrzunehmen und zu reflektieren, (d) die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Sichtweisen zu unterscheiden und (e) die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Ebenen der Reflexion beim Beobachten, der Verschriftlichung der Beobachtung und der Reflexion in der Seminargruppe.186 Die Methode der Säuglingsbeobachtung bietet eine Lernerfahrung, bei der die Teilnehmer sich in der Beobachterrolle erleben und die daraus gewonnenen Erfahrungen in einer Seminargruppe interpretieren und verstehen lernen können. In der Gruppe machen sie Containment-Erfahrungen, um sowohl die manifeste als auch die latente Bedeutung von Interaktionsprozessen zu verstehen. Sie entwickeln ein Gefühl für die parallellaufenden, unbewussten und bewussten Ebenen einer Beziehung. Außerdem ein Verständnis für die Gesamtsituation, um beide Ebenen miteinander verbinden zu können, was dazu führt, Kenntnis über eigene diffuse oder ambivalente Gefühle, sowie über die Gefühle anderer zu gewinnen. Für Sozialarbeiter könnte das Erlernen dieser Methode hilfreich sein, um sie vor vorschnellen Urteilen über ihre Klienten zu schützen. Indem sie die Beobachterrolle nicht verlassen, lernen sie, das Geschehen mit allen Sinnen aufzunehmen und dabei Vorurteile und übereiltes Handeln zu verhindern. Diese Methode führt zur Veränderung der Einstellungen und Haltungen und kann als Prozess der Entschleunigung und Verringerung des Handlungsdrucks beschrieben werden. Schwierige und unklare Situationen und somit das Noch-nicht-Wissen187 in Situationen können dadurch länger ertragen werden..188 Um in diesem Bereich der frühen Störungen kompetent arbeiten zu können und um eine wirklich gute Umsetzung der von mir angeführten Methoden möglicher zu machen, könnte meiner Meinung nach, die Integration psychoanalytischer Sichtweisen und Methoden, wie z.B. die Methode der Säuglingsbeobachtung hilfreich sein. Das 2007 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gegründete Nationale Zentrum „Frühe Hilfen“, hat Programme entwickelt für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme, um den präventiven Kinderschutz und die Fachpraxis beim Auf- und Ausbau der Frühen Hilfen zu fördern. Im Programm „Pro Kind“, das in diesem Zusammenhang entwickelt wurde, begleiten Familienbegleiter, Hebammen und Sozialpädagogen erstgebärende Frauen und Familien, in schwierigen Lebenssituationen, von der Schwangerschaft bis zum 2. Geburtstag des Kindes, um frühe Risiken in der kindlichen Entwicklung abzuwenden.189 In der Evaluierung des Projektes konnten wenige Effekte festgestellt werden. Die Gründe dafür, lassen sich auch in den mangelnden Containment-Erfahrungen und deren selbstreflexiven Prozessen, der Berater finden.190 Ich denke deutlich gemacht zu haben, dass Menschen in helfenden Berufen, Unterstützungsangebote für selbstreflexive Prozesse und ein hohes Fachwissen über die Entstehung früher Störungen benötigen, um ihren Klienten ein verbindliches Beziehungsangebot machen zu können Außerdem bin ich der Meinung, dass psychische Störungen in unserer Konkurrenzgesellschaft notwendigerweise manifest werden und Eltern teilweise versuchen, mit einem harten Erziehungsstil ihre Kinder für diese Gesellschaft „fit“ zu machen. Die Menschen geben sich und nicht dem System die Schuld am Scheitern, obgleich diese Gesellschaft nur mit Gewinnern und vielen Verlierern funktioniert. Auch die Gewinner geben sich 186 187 188 189 190 Vgl. Diem-Wille, Turner, Sengschmied 2012, S. 163-169 Vgl. Bion 1992, S. 107 Vgl. Turner & Ingrisch 2009, S. 157-169 Vgl. http://www.fruehehilfen.de Vgl. Jungmann 2014 49 „die Schuld“ an ihrem Vorankommen, gelten innerhalb der Gesellschaft aber nicht als „krank“. Jede Beratung und jede Therapie hat also die Aufgabe, den/die Klienten wieder „funktionstüchtig“ zu machen, um ihn danach wieder in das selbe System zu entlassen. Dort muss der Klient sich dann wieder für einen entfremdenden Konkurrenzkampf in Stellung bringen, welcher ihn wieder krank machen kann. Daher ist der Einfluss der Intervention begrenzt. Dieses Problem sei hier nur kurz benannt. Ich denke, dass es für jeden Sozialarbeiter und für jeden Therapeuten wichtig ist, das System, in dem er arbeitet, kritisch zu reflektieren, um professionell und ohne Ignoranz arbeiten zu können. Denn, so sagte es Adorno: „Es gibt nichts Richtiges im Falschen.“ Trotzdem bin ich nach wie vor von allen Methoden und Ansätzen, die ich in dieser Arbeit aufgeführt habe, überzeugt und möchte mich in Zukunft noch intensiver damit auseinandersetzen und später in diesem Bereich tätig sein. 50 8 Quellenverzeichnis Beck, C.T.: The effects of postpartum depression on maternal-infant interaction. A meta-analysis. Nursing Research 1995. Blacher, J.: The sequential stages of parental adjustment to the birth of a child with handicaps: Fact or artifact. Mental Retardation 1984. Bowlby, J.: Verlust, Trauer und Depression. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch 1983. Bowlby, J.: The Nature of the Child's Tie to the Mother.International Journal of Psychoanalysis 1985. Bowlby, J.: A secure base: Parent-child attachment and healthy development. New York: Basic Books 1988. Bowlby, J.: A secure base: Parent-child attachment and healthy development. New York. New York: Basic Books 1988. 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Neubrandenburg, 26.06.14 Unterschrift