Die Rolle der Sozialen Arbeit in Bezug auf das Problemfeld

Werbung
Die Rolle der Sozialen Arbeit
in Bezug auf das Problemfeld
frühkindlicher Störungen
Bachelorarbeit im Studiengang Soziale Arbeit
Vorgelegt von Greta Grundmann
im Sommersemester 2014
URN: urn:nbn:de:gbv:519-thesis 2014-0351-1
Erstprüfer: Prof. Dr. phil. Haenselt
Zweitprüfer: Prof. Dr. phil. habil. Kraft
2
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .................................................................................................................................. 3
2
Frühkindliche Störung – Begriffsklärung .................................................................................. 4
3
Konzepte frühkindlicher Störungen........................................................................................... 5
3.1
Die Bedeutung früher Interaktionserfahrungen für die Entwicklung des Säuglings .......... 5
3.2
Autismus ............................................................................................................................ 7
3.3
Psychose ............................................................................................................................11
3.4
Schizotypische Persönlichkeitsstörung ............................................................................ 13
3.5
Borderline ......................................................................................................................... 14
3.6
Narzistische Persönlichkeitsstörung ................................................................................. 15
3.7
Depression ........................................................................................................................ 17
3.8
Zusammenfassung ............................................................................................................ 20
4
Möglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Intervention oder Prävention frühkindlicher
Entwicklungsstörungen .................................................................................................................... 22
4.1
Der CARE-Index (Child-Adult-Relationship-Experimental-Index) ................................ 22
4.2
Das STEEP-Programm (Steps toward effective and enjoyable parenting) ...................... 24
4.3
Eltern-Kleinkind-Beratung ............................................................................................... 28
4.4
Mentale Unterstützung durch eine „Doula“ vor, während und nach der Geburt.............. 31
4.5
Unterstützung von Müttern autistisch gestörter Kinder ................................................... 32
4.6
Sozialarbeit in der Intensivpsychotherapie....................................................................... 34
5
Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapie im Problemfeld frühkindlicher
Entwicklungsstörungen .................................................................................................................... 35
5.1
Die psychoanalytische Säuglings/Kleinkind-Eltern-Psychotherapie ............................... 35
5.1.1
Unterschiede zwischen der psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen
Säuglings/Kleinkind-Eltern-Therapie ...................................................................................... 38
5.2
Innere Beistände – positive Beziehungserfahrungen und ihre nachhaltige Wirkung ....... 39
6
Beratung und Psychotherapie – ein Abgrenzungsversuch ....................................................... 41
7
Resümee .................................................................................................................................. 47
8
Quellenverzeichnis .................................................................................................................. 50
3
1
Einleitung
Nicht jedes Baby hat eine Hand nach der es greifen kann, einen Arm, der es hält, einen Blick der
den seinen sucht.
Die frühsten Interaktionserfahrungen, die ein Säugling mit seinen Eltern macht, legen den
Grundstein für dessen innere Gefühlswelt und sein Verhalten. Störungen innerhalb der Bindung und
der Interaktion mit den Bezugspersonen beeinflussen entscheidend die Entwicklung des Kindes
und haben Auswirkungen auf alle körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen.
Jedes negative Gefühl wirkt bedrohlich auf den Säugling und er ist noch nicht in der Lage,
differenziert darüber nachzudenken. Selbstregulatorische Fähigkeiten kann er nur durch das Trösten
der Fürsorgeperson erlernen. Das Baby macht dann Erfahrungen wie: a) Wenn ich Angst oder
Schmerzen habe oder mich alleine fühle, ist man für mich da. b) Negative Gefühle sind
überstehbar. c) Ich kann etwas bewirken, z.B. dass Mama kommt, wenn ich nach ihr „rufe“.
Einem Kind, dem in seinen frühen Nöten nicht geholfen wurde, dem fehlt später, wenn es
erwachsen ist, die Erinnerung an innere Lösungsmodelle, in Form dieser abgespeicherten
Erfahrungen.
Ein Kind lebt von der Interaktion, also von den Blicken, von den Berührungen und von der
Kommunikation mit seinen Bezugspersonen. Wenn diese jedoch unzureichend stattfinden, kommt
es zu Entwicklungsstörungen in frühester Kindheit, welche im Laufe der Kindheit nicht einfach
wieder verschwinden. Vielmehr entwickeln sich diese im Jugendalter zu schwerwiegenden
emotionalen und sozialen Störungen, die mit aggressivem Verhalten einhergehen. Im
Erwachsenenalter werden diese frühkindlichen Störungen dann in Form von gravierenden
psychosomatischen und psychischen Erkrankungen manifest.
Aufgrund dieses dramatischen Einflusses der frühesten Interaktionserfahrungen des Säuglings auf
dessen gesamtes Leben habe ich mich für dieses Thema entschieden. Ich will herausfinden, welche
Determinanten einen Menschen zu dem machen, was er aktuell ist und welche Möglichkeiten der
Prävention und Intervention bestehen. Mit Hilfe meiner Literaturrecherche möchte ich Kenntnis
darüber gewinnen, was ein Säugling braucht und was seine Bezugspersonen benötigen, um seine
Bedürfnisse entsprechend zu befriedigen, und was ein Sozialarbeiter oder Therapeut braucht, um
seinen Klienten ein entsprechendes Beziehungsangebot zu stellen. Außerdem will ich etwas zu
entwicklungsspezifischen Besonderheiten von Säuglingen und Kindern lernen.
Das Thema der frühkindlichen Entwicklungsstörungen interessiert mich sehr, da diese nachweislich
die Gene, das Immunsystem, die Stressregulation, die Affektsteuerung, die Bindungsentwicklung
und die Psychopathologie bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Wegen dieser langfristigen
Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen möchte ich später in diesem Bereich tätig
sein, um so früh wie möglich frühkindliche Störungen zu verhindern oder aufzuarbeiten und damit
zu lindern. Ich möchte damit den Leuten zu mehr Lebensqualität und Wohlbefinden verhelfen.
Mit dieser Arbeit möchte ich mehr Wissen und Verständnis über die Auslöser, Symptome sowie
Hilfe- und Behandlungsmöglichkeiten im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen
gewinnen. Es wird auch in Zukunft vermehrte Bedürfnisse nach Handlungskonzepten für die
verschiedenen Formen sozialpädagogischer und psychotherapeutischer Begleitung und
Unterstützung früher Störungen geben. Einige Handlungskonzepte und das dafür erforderliche
Grundwissen versuche ich, in dieser Arbeit zu erforschen.
Denn, so sagte Albert Einstein einst: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange
es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
4
2
Frühkindliche Störung – Begriffsklärung
Stauss definiert die frühe Störung folgendermaßen: „Die ‚psychische Geburt‘ stellt eine Zäsur in
der Entwicklung des Menschen dar. Menschen, die diese ‚Geburt‘ nicht vollzogen haben und deren
Symptome Ausdruck
spezifischer
Lösungsstrategien
für
eine
nicht
gelungene
Separation/Individuation von der Mutter darstellen, haben eine frühe Störung.“1
Voos erklärt die frühe Störung als eine psychische Störung, die in der frühen Mutter-KindBeziehung entstehen kann, wenn diese durch zu wenig Empathie gekennzeichnet ist und bei der es
dem Kind dadurch nicht ermöglicht wurde, ein starkes Ich zu entwickeln.2
Unter einer frühkindlichen Störung ist also eine Entwicklungsstörung zu verstehen, die auf
Unzulänglichkeiten hinsichtlich der frühsten Beziehungserfahrungen zwischen Mutter und Kind
basiert. Wenn ich von der Mutter-Kind Beziehung spreche, meine ich ebenso die Beziehung
zwischen dem Kind und seiner ersten Bezugsperson, welche in den meisten Fällen die Mutter
darstellt.
Mit diesen Beziehungserfahrungen sind die Interaktion mit dem Baby und die physische und
psychische Unterstützung der Eltern gemeint, die sie dem Baby bei der Kompensation gewähren,
die es zu bewältigen noch nicht in der Lage ist. Idealerweise fühlt sich das Kind dann beschützt,
gesehen und geborgen und kann auf dieser Grundlage seine Selbstwirksamkeit und seine
selbstregulatorischen Fähigkeiten entwickeln.3
Beziehung kann folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: „Sich beziehen auf, Bezug nehmen zu, in
Verbindung treten mit, Kontakt aufnehmen zu, hinwenden zu.“4
Bowlby beschreibt das menschliche Bindungsverhalten als eine Überlebensstrategie des
Säuglings.5 Die Bindung ist das Band oder die konstante Beziehung zwischen dem Kind und der
Bezugsperson. Mit Hilfe des Bindungsverhaltens erzielt das Kind bestimmte Ergebnisse, wie z.B.
die Nähe zur Mutter. Die Nähe offeriert dem Kind im Idealfall Sicherheit, Geborgenheit und Trost.
Nach Bowlby sind Säuglinge dazu prädisponiert, eine Bindung mit mindestens einer Person
einzugehen.6
Natürlich gibt es auch andere Blickwinkel bezüglich psychischer Störungen, von denen ich, der
Vollständigkeit halber, noch einen anführen möchte: Aus verhaltenstherapeutischer Sicht, sind
abnorme Verhaltensmuster angelernt und entscheidend ist ausschließlich die Gegenwart und
weniger die Vergangenheit, also die frühe Kindheit. Man geht davon aus, dass diese unerwünschten
Verhaltensweisen durch Verhaltens- und Lernprinzipien verändert werden können. Außerdem ist es
für eine Veränderung der psychischen Störung nicht notwendig, die Ursache dieser zu verstehen.7
Wendenburg erklärt: „Alles, was wir erlernt haben, auch unerwünschte und ungünstige
Verhaltensweisen, die zum Beispiel Ängste oder Depressionen begünstigen, können wir wieder
verlernen.“8 Weiter gehen Verhaltenstherapeuten davon aus, dass durch die Therapie nicht nur das
Verhalten, sondern auch das Denken verändert werden kann. Somit wird der Klient in diversen
Situationen beispielsweise nicht mehr durch Traurigkeit verstimmt.9
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Stauss 1994, S. 19
Vgl. http://www.medizin-im-text.de/blog/2007/99/fruehe-stoerung/
Vgl. https://www.medizin.uni-tuebingen.de/ppkj/Download/SkriptPPKJ061201.pdf
Vgl. Thielen 2002, S. 100
Vgl. Bowlby 1988, S. 105
Vgl. Stokowy & Sahhar 2012, S. 20
Vgl. http://www.therapeutenfinder.com/lexikon/verhaltenstherapie.html
http://www.berlin.de/special/gesundheit-und-beauty/gesundheit/psychologie/2137962-2260865verhaltenstherapie-aengste-und-depressio.html
Vgl. ebd.
5
3
3.1
Konzepte frühkindlicher Störungen
Die Bedeutung früher Interaktionserfahrungen für die Entwicklung des
Säuglings
Warum haben frühe Lebensereignisse einen so enormen Einfluss auf das gesamte Leben eines
Menschen?
Die Anfangszeit aller lebenden Systeme legt den Grundstein für das Funktionieren des Organismus
über die gesamte Lebensdauer.
Die frühsten Interaktionen eines Kindes mit den nahen Bezugspersonen finden durch
Affektübertragungen statt. Diese emotionale Kommunikation ist nonverbal und es ist unmöglich,
die menschliche Entwicklung ohne die Affekt-Transaktionsbeziehung zu verstehen. Auch Winnicott
ist sich sicher, dass ein Kind nicht jenseits der Interaktion mit seiner Mutter verstanden werden
kann.
Hinzu kommt die biologische Struktur, die während des Hirnwachstums reift und von frühen
sozialen Erfahrungen geprägt wird. Da das Hirnwachstum in den ersten beiden Lebensjahren
stattfindet, haben die frühen Beziehungserfahrungen fundamentale und fortwährende
Auswirkungen.
Laut Psychoanalyse deckt sich die Zeit, in der frühe Objektbeziehungen entstehen, exakt mit der
Phase des Gehirnwachstums.
Ich nutze das Bild „Baby's First Caress“ von Mary Cassatt (1980), welches Schore in seinem Buch
verwendete, um die Dyade zwischen Mutter und Kind zu symbolisieren
Abbildung 1: Baby's First Caress
(Quelle: Mary Cassatt 1980)
Es wird die in sich geschlossene Einheit, also die Nähe der mütterlich-kindlichen Beziehung
verdeutlicht. Mutter und Kind halten Blickkontakt und die Künstlerin stellt die von Bowlby
beschriebene Vorstellung von Bindung und die intensive Bezogenheit nach Winnicott durch die
gegenseitigen Berührungen der beiden dar. Sie gestalten sich wie ein Kreis. Das Baby berührt das
Gesicht der Mutter, während deren Hand seinen Fuß hält. Diese beiden ineinander verwobenen
Körper bilden ein geschlossenes System. Doch besonders ausschlaggebend ist hierbei der innige
6
Blickkontakt der beiden, der sie miteinander vereint.10 Der Glanz in den Augen der Mutter – mit
diesem Bild beschreibt der Psychoanalytiker Heinz Kohut eine wichtige Beobachtung. Mütterliche
Liebe und der Stolz auf das Kind sind notwendig, damit sich das Kind gut entwickelt.
Die Kenntnisse über die Individualentwicklung, also die Ontogenese, des Bewusstseins sind
klinisch nicht zu erfassen. Trotzdem sind sie für die Psychoanalyse maßgeblich relevant. Bei der
emotionalen und sozialen Entwicklung spielt die Reifung der sensorischen Systeme, insbesondere
des visuellen Systems, eine große Rolle. So sind im ersten Lebensjahr visuelle Erfahrungen
besonders ausschlaggebend für die soziale und emotionale Entwicklung des kleinen Kindes. Der
wirkungsvollste visuelle Stimulus ist nach Schore der emotionale Gesichtsausdruck der Mutter.
Durch das große Interesse des Kindes an den Augen der Mutter kommt es stets zu einem
ausgeprägtem Suchverhalten und sich daraus ergebende Perioden des gegenseitigen, innigen
Blickkontaktes.
Der Fokus auf die Augen, insbesondere die Pupillen der Mutter, beginnt im Alter von 2 bis 3
Monaten. Eine Zeit in der die Nervenfasern des visuellen Kortex mit Myelin (Marksubstanz)
ausgestattet werden. Diesen Vorgang nennt man Myelinisierung. Studien von Hess zeigen, dass
eine Frau (oder ein Vater) mit geweiteten Pupillen auf das Bild eines Babys reagiert. Dies ist eine
Reaktion die mit positiven Emotionen der Freude und des Interesses korreliert. Der Säugling wird
mit einem Lächeln und mit ebenfalls geweiteten Pupillen auf die der Bezugsperson reagieren. Die
großen Pupillen des Säuglings veranlassen wiederum Pflegeverhalten bei eben diesen Personen.
Folglich sind die Pupillen ein zwischenmenschliches, nonverbales Kommunikationsmittel auf
unbewusster Ebene.
Hess kommt zu folgender Erkenntnis: Da die Säugling-Erwachsenen-Interaktion für die mentale
und emotionale Entwicklung des Kindes so wichtig ist, wird durch die großen Pupillen des
Säuglings, mit denen er auf die Erwachsenen-Säugling-Interaktion reagiert, eben diese zumindest
in einem minimalen Maße gesichert.11
Grundlegend für die weitere affektive Entwicklung des Säuglings ist zudem die Synchronisierung
der Interaktionen von Mutter und Kind. So wird die auf das Kind abgestimmte Mutter die
Stimulation zurücknehmen, sobald sie spürt, dass es für das Kind Zeit wird sich zu erholen. Auf die
Wiederaufnahmesignale des Kindes wird sie ebenso angemessen reagieren, um den
Interaktionsaustausch erneut zu starten.
Durch diese synchronen Vorgänge innerhalb der Dyade wird die Übertragung des inneren Erlebens
deutlich. Nach Stern wird durch diese wechselseitigen Regulationssysteme die Erregung reguliert.
Das Baby werde dabei durch ein besonderes mütterliches Sozialverhalten in die nächsten
Kreisbahnen der Erregung gebracht, wobei vitale Affekte erzeugt werden.12
Schore stellt fest, dass es jederzeit zu Fehlabstimmungen innerhalb der Dyade kommen kann. Das
Kind scheitert beispielsweise in seinem Streben nach Weiterbestehen durch negative Affekte wie
Beschämung. Durch dieses beeinflussende Misslingen kommt es phänomenologisch zu einem
Scheitern seines Bedürfnisses, welches Winnicott „going-on-being“ nennt.
Andauernde negative Umstände schaden dem Säugling. Er kann sie nicht lange aushalten. Solche
negativen Umstände können beispielsweise die insensitive Reaktion mit Unlustbekundungen des
Säuglings, durch die Mutter, sein. Für die Prädisposition zu einer psychischen Störung spielen
daher die Dauer und Intensität der Phasen, in denen ein Säuglingen negativen Affekten ausgesetzt
war, eine große Rolle.
10
11
12
Vgl. Schore 2003, S. 27-30
Vgl. Hess 1975a, S. 110-119
Vgl. Stern 1983, S. 52-69
7
Die Entwicklung der Selbstregulation des kleinen Kindes kann nur durch das Zutun der Eltern zur
Zustandsregulierung erfolgen.13 Laut Malatesta-Magai, wird dem Kind durch den Prozess der
Wiederherstellung positiver Affekte nach einem negativen Ereignis vermittelt, dass es möglich ist,
Negatives auszuhalten und zu bewältigen.14
Schore verweist außerdem auf Trevarthens Untersuchung zu den Mutter-KindProtokonversationen. Hierbei wird deutlich, dass nicht nur eine Beeinflussung des Gehirns des
Babys durch Transaktionen stattfindet, sondern respektive, dass für das Wachstum eine richtige
Gehirn-zu-Gehirn-Interaktion notwendig ist, zusammenhängend mit der positiven affektiven
Beziehung innerhalb der Dyade. Dieser Mechanismus des wechselseitigen Aufeinander-Reagierens
benötigt reifere Gehirne, die sich mit Interesse in emotionale Bewusstseinszustände jüngerer
Gehirne versetzen lassen. Dabei erfolgt eine Koordination der Motivation des kleinen Kindes mit
den individuellen Gefühlen des Erwachsenen.15
Schore macht außerdem deutlich, dass der rechte Kortex, welcher vor dem linken reift, durch frühe
soziale Erfahrungen grundlegend beeinflusst und durch intensive positive Zustände aktiviert wird.
Die Mutter programmiert durch die beschriebenen Transaktionen also ihr „Gehirnprogramm“ in
das Gehirn ihres Kindes.16
Die Mutter-Kind-Beziehung lebt jedoch auch von Berührungen. So kommunizieren Eltern und
Kinder vermehrt miteinander und sind gelassener und entspannter, wenn sie in der postpartalen
Phase gegenseitigen Hautkontakt ausüben. Zudem gehen sie feinfühliger miteinander um und
besagten Kindern fällt es im Alter von einem Jahr leichter, mit Stresssituationen fertig zu werden.
In Reaktion auf Streicheleinheiten, Wärme und Berührungen wird bei Mensch und Tier Oxytocin
ausgeschüttet. Während der Wehen und des Stillens wird Oxytocin beispielsweise bei der Mutter
freigesetzt. Oxytocin ist ein Hormon, das nicht nur das Verhalten zwischen Kind und Mutter
beeinflusst. Es aktiviert sozial-interaktives Verhalten, mindert Angst und erhöht die
Schmerzschwelle. Es wirkt also beruhigend und entspannend, indem es den Kortisolspiegel und
den Blutdruck senkt. Außerdem verbessert es die Nährstoffaufnahme und fördert
Wiederherstellung, Wachstum sowie Lern-und Heilprozesse.17
Die frühsten Erfahrungen des Kindes mit seinen Bindungspersonen sind also von enormer
Wichtigkeit für die Grundsteinlegung seiner Psyche. Winnicott sagt dazu deutlich: „Die geistigseelische Gesundheit des Individuums im Sinn von Freisein von Psychose oder Psychoseneigung
(…) wird durch diese mütterliche Fürsorge gegründet.“ 18
Im Folgenden werde ich die chronologischen Entstehungen frühkindlicher Entwicklungsstörungen
erläutern.
3.2
Autismus
Bis zum 3. Lebensjahr durchlebt das kleine Kind 3 kritische Phasen. Die erste Phase erstreckt sich
von der Geburt bis zum 6. Lebensmonat. Darin enthalten ist die Fütterungs- und Bindungsphase,
welche in der Entwicklungspsychologie und der Psychoanalyse der oralen Phase entspricht.
13
14
15
16
17
18
Vgl. Schore 2003, S. 31-35
Vgl. Malatesta-Magai 1991, S. 218
Vgl. Trevarthen 1993, S. 121-173
Vgl. Schore 2003, S. 36
Vgl. Uvnäs-Moberg 2011, S. 13-14
Winnicott 1993, S. 63
8
In dieser Phase entwickelt sich das Kind-Ich 1 zum Kind-Ich 2. Das Kind-Ich 1 beinhaltet die
Quelle jeglicher psychischen Energie sowie die Motivation am Leben teilnehmen zu wollen.
Außerdem umfasst sie auch alle biologischen Grundbedürfnisse.
Abbildung 2: Das strukturelle Modell zweiter Ordnung (Quelle: Stewart, Joines 1990, S. 60)
Das Kind-Ich 2 ist folglich die Summe aus dem Kind-Ich 1, dem Erwachsenen-Ich 1 und dem
Eltern-Ich 1 und ist das aktuelle Kind in der erwachsenen Persönlichkeit.
Das Strukturmodell umfasst den Inhalt der Ich-Zustände. Alles, was wir von der Welt ab der ersten
Lebenssekunde erleben, wird in unserem Gedächtnis gespeichert. Das strukturelle Modell dient
dazu, diese Vielzahl von Erfahrungen, welche unsere Gedanken, Verhaltensweisen und Gefühle
beeinflussen, innerhalb der Ich-Zustände zu ordnen. Joines veranschaulicht dies am Beispiel eines
Geschäftsmannes, der seine Unterlagen in verschiedene Ablagen einordnet. Benötigt er dann seine
Ausgaben des Monats nimmt er sich einfach den Ordner mit der Aufschrift „Rechnungen“.
Über Botschaften, die jeder Mensch als Kind von seinen Eltern bekommt, macht man sich diverse
Gedanken und es entstehen fantasierte Vorstellungen in Zusammenhang mit diesen Botschaften.
Wir entscheiden uns, in bestimmter Weise auf sie zu reagieren, und erleben Gefühle, während wir
sie erhalten. Zusätzlich können diese Botschaften von unseren Eltern emotionsbehaftet sein,
wodurch sie neben der offen vermittelten eine weitere verdeckte Botschaft enthalten. Es kommt
auch vor, dass unsere Eltern uns erklären, warum diese Botschaft besonders wichtig ist. Im
Strukturmodell wird das Ganze folgendermaßen „einsortiert“: Im EL3 werden die Botschaften von
unseren Eltern oder Bezugspersonen abgespeichert. Die Gründe für die Wichtigkeit der Botschaft
gehören in das „Fach“ ER3. Enthält die Botschaft einen nonverbalen oder verdeckten Anteil, so
wird dieser im K3 abgelegt.
Unsere eigenen Gedanken bezüglich der Botschaften werden zu einem Teil des eigenen ER2. Die
Vorstellungen über die Konsequenzen, die eintreten, wenn die Botschaften befolgt oder nicht
befolgt werden, werden ein Teil vom EL1. Im K1 werden entsprechende Gefühle aufbewahrt, die in
Verbindung mit den Vorstellungen aufkommen. Und die frühe Entscheidung über unsere Reaktion
stammt aus dem ER1.
Alle Erfahrungen und das ganze Erleben, das ein Mensch aus seiner Kindheit „archiviert“ hat,
werden in der Transaktionsanalyse als Bestandteil seines Kind-Ich-Zustandes definiert.
Die Grundbedürfnisse und tiefen Wünsche die ein jedes Kind hat, gehören zum Kind-Ich. Zu
9
seinem Eltern-Ich gehört seine Vorstellung darüber, wie es sich diese Wünsche am besten erfüllt.
Und ebenso verfügt das Kind über intuitive Möglichkeiten um Probleme zu lösen. Diese gehören
zum Erwachsenen-Ich. Und der ganze Ich-Zustand, bestehend aus EL1, ER1 und K1 ist das KindIch2 (K2).19
Die Fütterungsphase dauert bis zum 3. Lebensmonat an. In dieser Zeit steht die Befriedigung der
Grundbedürfnisse an erster Stelle. Damit sind gemeint: Trinken, Saugen, Schlafen, Ausscheiden,
Körperwärme konstant halten etc.
Die Fütterungsphase enthält auch noch eine Unterphase, die Mahler den „normalen Autismus“
nennt. Sie meint damit die Zeit zwischen der 3. und 4. Lebenswoche, in der die schlafähnlichen
Zustände des Säuglings, gegenüber den Perioden in denen er wach ist, überwiegen. Der Säugling
befindet sich in einem verlängertem „pränatalen Zustand“ und verfügt über eine Reizschranke,
wodurch er vor „extremer Stimulierung“ geschützt ist.20
Stauss führt in diesem Zusammenhang die „angeborenen Aktionsschemata“ nach Lettner auf.
Lettner unterscheidet hierbei in Aktionsschemata mit deren Hilfe der Säugling sich bemüht, sich
von unlustvollen Spannungen zu befreien, dazu gehören Ausscheiden, Husten, Spucken, Niesen,
Aufstoßen und Erbrechen und erste Versuche einer Verwirklichung von „Aktionsschemata höherer
Ordnung“, welche der motorischen Entwicklung dienen.
Nach Lettner stellt das Saugen ein Aktionsschema höherer Ordnung innerhalb der Fütterungsphase
dar.
Während der autistischen Phase geht es primär um die Realisierung der angeborenen
Aktionsschemata.21
Bei Befriedigung der Grundbedürfnisse durch die Bezugsperson empfindet der Säugling Lust, bei
Nichtbefriedigung Unlust. Im vegetativen Nervensystem wird bei Lust der Parasympathikus und
bei Unlust der Sympathikus stimuliert. Mit Hilfe dieser physiologischen Prozesse ist das Kind in
der Lage, zwischen lustvollen und positiven sowie unlustvollen und negativen Ereignissen zu
unterscheiden. Mahler geht davon aus, dass dies die erste ontogenetische Basis des späteren
Spaltungsmechanismus ist.22
Im Zuge des voranschreitenden neurologischen Reifungsprozesses ist es dem Säugling möglich,
Teilobjekte der Mutter zu verinnerlichen, beispielsweise die „gute“ oder „böse“ Brust, ein
besorgtes Stirnrunzeln oder ein liebevoller Gesichtsausdruck. Diese Teilobjekte erzeugen Zustände
von Lust oder Unlust und gehen, nach Kenntnissen von Woods & Woods, durch die vegetative
Erregungsebene affektiv mit einem guten oder schlechten Selbsterleben einher.23
Die Beziehungserfahrungen mit der Mutter beeinflussen die Verinnerlichung von guten und
schlechten Teilobjekten.
„Eine pathologische Regression in diesen Bereich gespaltener und undifferenzierter Teilobjekte
wäre der Autismus.“24 Das heißt, bei dem späteren Patienten erfolgt ein Rückzug in dieses frühe
Entwicklungsstadium. Das könnte als ein Versuch, das psychische Gleichgewicht zu halten,
19
20
21
22
23
24
Vgl. Stewart, Joines 1990, S. 59-61
Vgl. Mahler 1975, S. 60
Vgl. Lettner 1989
Vgl. Mahler 1975, S. 62
Vgl. Woods & Woods 1982, S. 4
Stauss 1994, S. 24
10
bezeichnet werden. Diese Auffassung ist jedoch umstritten. Üblicherweise geht man davon aus,
dass erbliche Faktoren die Hauptursache für autistische Störungen sind.
Als versuchte Erklärung beziehe ich Stauss' Aussagen, rein hypothetisch, auf katalogisierte
Symptome des Autismus: Im Zuge der nicht erfolgten Verinnerlichung der Teilobjekte und der
Unterscheidung von guten und bösen Erfahrungen kommt es bei Autisten zu Störungen der
zwischenmenschlichen Beziehungen und zur Abkapselung von der Umwelt. Denn den Patienten
fällt es schwer, eigene Gefühle und die anderer wahrzunehmen und zu verstehen.25
Hobson untersuchte den Autismus näher. Er beschreibt einen autistischen Jungen, der trotz seines
niedrigen IQs, laut IQ-Test, zu außerordentlichen Gedächtnisleistungen vollbringt. Der Junge ist
nicht in der Lage, sich erdachte Situationen vorzustellen oder sich in sie hineinzuversetzen. Mit
Spielzeug kann er nichts anfangen. Seiner sozialen Umwelt begegnet er mit Desinteresse und er
zeigt keine Gefühlsregungen in Bezug auf andere Kinder. Es scheint, als ob andere Menschen in
seinem Inneren nicht existieren. Weder ahmt er andere Menschen nach, noch zeigt er eine Reaktion
auf das Wegnehmen von beispielsweise Spielsachen durch andere Kinder. Hobson macht deutlich,
dass der Autismus durch eingeschränktes Denken und ein mangelndes Bewusstsein von der eigenen
Person gekennzeichnet ist. Um das Denken als ein flexibles und fruchtbares Medium nutzen zu
können und zur Entwicklung der menschlichen Intelligenz ist das Bewusstsein anderer
unabdingbar. Das erklärt, wieso ein Autist, der zu herausragenden Denkleistungen in der Lage ist,
lediglich über einen zu geringen IQ verfügt. Hat ein Mensch also nicht die Möglichkeit, die
entsprechende Form der zwischenmenschlichen Interaktion zu erfahren, so fehlen ihm die
Grundvoraussetzungen für die mentale Flexibilität, welche für Denken und Vernunft Voraussetzung
ist. Denn dieser Mensch konnte keine Beziehung zwischen Selbst und anderen entwickeln. Das
Selbsterleben ist nur möglich, indem man sich als Mensch unter anderen erlebt.
Autistische Kinder haben somit keinen Blick für die Emotionen ihrer Mitmenschen. Sie werden
von diesen Emotionen also nicht berührt. Das ist aber die Basis für das Denken und das
Einfühlungsvermögen. Nur durch die emotionale Ansprechbarkeit kann sich das Selbst richtig
entwickeln.26
Salzberger-Wittenberg geht nach einer langjährigen Therapie mit einem autistischen Jungen davon
aus, dass es für ihn im Inneren seiner Mutter keinen Platz gab. Ein Baby nimmt eine deprimierte
und geistesabwesende Mutter so wahr, als ob sie nur mit ihrer eigenen Welt beschäftigt ist. Die
Aufmerksamkeit gilt also nicht dem Baby, was zu riesiger Verzweiflung und wahnsinniger
Eifersucht führt. Somit entsteht unerträgliche Hoffnungslosigkeit bei dem kleinen Kind, die es mit
größter Anstrengung zu vermeiden versucht.
Das Kind entwickelt Überlebensmaßnahmen, weil es von der Mutter physisch und psychisch nicht
genügend gehalten wird. Die Kinder versuchen, sich beispielsweise andauernd in Bewegung zu
halten. Dadurch wollen sie das Gefühl umgehen, in den Abgrund zu stürzen oder auseinander zu
fallen. Durch die Anspannung ihrer Muskeln halten sie sich selbst und entwickeln gleichzeitig eine
emotionale dicke Haut. Durch ihre manische Erregung versuchen sie wahrscheinlich, der
Hoffnungslosigkeit der inneren zerbrochenen Welt der Mutter auszuweichen.
Außerdem führt Salzberger-Wittenberg Bions Konzept des Containments an.
Das Containment ist ein Prozess, bei dem unbewusste Ängste und Zustände vom Anderen
aufgenommen werden. Er erfordert die Fähigkeit des Egos, diese Zustände mitterleben und
aushalten zu können. Containment bedarf der Empathie, fügt aber dem Mitempfindenkönnen noch
die Fähigkeit des Aushaltens, des Bewahrens und des darüber Nachdenkens hinzu. Dieses
Sichöffnen sollte in einem Zustand der „inneren Suspendierung von Urteilsvermögen“ stattfinden
25
26
Vgl. http://www.onmeda.de
Vgl. Hobson 2002, S. 195-200
11
und somit die größtmögliche Wahrnehmung aller unbewussten Ängste und Wünsche, sowohl der
beobachteten Person als auch der des Beobachters selbst, ermöglichen. Diese innere Haltung wird
„Entwicklung negativer Kapazität“ genannt.“27 Das Containment beschreibt also die
Notwendigkeit, dass die Mutter negative, angstmachende Gefühlszustände des Babys aufnimmt,
erträgt, innerlich bearbeitet und mit dem Kind darüber kommuniziert. Für die soziale Entwicklung
des Kindes ist das wichtig, denn dadurch vermittelt sie dem Kind Sicherheit. Wenn die Mutter aber
aufgrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen nicht lernen konnte, dass diese Ängste überstehbar und
ertragbar sind, wenn die Mutter sie also genau wie das Baby als tödlich erlebt, scheitert das
Containment. Glückt es aber, erlebt das Baby einen inneren psychischen Raum der Mutter, in dem
seine Ängste und Schmerzen aufgenommen werden, und es kann das mütterliche Objekt in sein
Inneres aufnehmen. Das kleine Kind ist dann allmählich dazu in der Lage, seine Ängste zu
verstehen und über sie nachzudenken. Dieser innere Raum, der Sicherheit vermittelt, könnte
autistisch gestörten Kindern womöglich gefehlt haben. Sie erleben ihre Mutter als
voreingenommen. Dadurch erfahren sie schon sehr früh in ihrem Leben eine große Enttäuschung.
Des Weiteren nimmt Salzberger-Wittenberg an, dass die Trennung vom Mutterleib bei der Geburt
nur durch das seelische und körperliche Halten der Mutter überwunden werden kann. Nur dadurch
ist es möglich, das Konzept eines Objekts, das Leben schenkt und Bedürfnisse befriedigt,
wiederherzustellen.
Autistische Kinder haben die Hoffnung auf eine zuversichtliche, trostspendende Mutter
aufgegeben. Sie vertrauen nicht mehr darauf, dass ihre Eltern ihnen Hoffnung und Liebe
vermitteln. Als Abwehr gegen diese Hoffnungslosigkeit kommt es zu autistischen Mechanismen.
Betroffene orientieren sich an harten Objekten und versuchen, durch andauernde Bewegung und
exorbitanten Aktionismus der Angst der Hoffnungslosigkeit und der des Fallens in den
Todesabgrund zu entgehen.28
Zu erwähnen ist, dass es mehrere Formen des Autismus gibt: frühkindlicher Autismus, atypischer
Autismus, Asberger Syndrom, nicht näher bezeichnete, tiefgreifende Entwicklungsstörungen.
Auch Oxytocinmangel könnte eine Rolle spielen. Denn es gibt mehrere Studien, die aufzeigen, dass
ein möglicher Zusammenhang zwischen Oxytocinmangel und autistischen Störungen besteht. So
war es nach Verabreichung von Oxytocin einigen Autisten möglich, die Gefühlslage eines
Gegenübers, anhand des Gesichtsausdruckes und der Stimmlage, besser zu deuten.29
3.3
Psychose
Vom 3. bis zum 6. Lebensmonat erstreckt sich die Bindungsphase. In dieser Phase geht es dem
Säugling darum, eine Bindung zur Mutter aufzubauen, also eine Symbiose mit ihr einzugehen. Er
ist stets an den Geschehnissen seiner Umgebung interessiert, hält sich dabei jedoch aktiv an seiner
Mutter fest. In dieser Phase ist bedingungslose Aufmerksamkeit ebenso wichtig wie die gute
materielle Versorgung des Kindes. Die Symbiose zwischen Mutter und Kind gestaltet sich optimal,
wenn es dem Kind von der Mutter erlaubt wird, sie während des Stillens (oder der Fütterung mit
der Flasche) unbeschwert anzuschauen. Das Kind erfreut sich an emotionaler und körperlicher
Zuwendung, in Form von Streicheleinheiten, angelacht oder angesprochen werden usw.
In dieser Phase wird der Grundstein aller kommenden zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt.
Der Aufbau einer psychologischen Bindung zu anderen Menschen stellt hier die
Entwicklungsaufgabe dar.30
27
28
29
30
Lazar 2000, S.409
Vgl. Salzberger-Wittenberg, S. 82-85
Vgl. Brisch 2011, S. 14
Vgl. Stauss 1994, S. 24-25
12
Nach Bowlby besteht ein spezifisches Band zwischen Mutter und Kind. Der Beweis dafür sei das
spezifische Lächeln, welches das Kind während dieser Phase in Bezug auf seine Mutter
entwickelt.31
Bei Befriedigung seiner Bedürfnisse empfindet das Kind Freude und Lust und bei
Nichtbefriedigung Wut und Unlust. Es ist jedoch noch nicht in der Lage, seine eigenen Gefühle von
denen der Mutter zu unterscheiden. So können Gefühlszustände der Mutter auf das Kind übertragen
werden und andersherum. Bei Unlustzuständen wird das Kind durch die körperliche Nähe zur
Bezugsperson beruhigt und es erlebt so, dass es bei anderen Personen Trost und Entlastung finden
kann. Die Mutter übernimmt also eine entlastende Funktion.
Besonders groß ist das Bedürfnis nach tiefster Vertrautheit mit der Bezugsperson durch körperliche
und emotionale Intimität und Stimulation. Die Haut ist dabei also das wichtigste Organ. Denn das
Baby genießt es, am ganzen Körper berührt zu werden. Dadurch ist es in der Lage, seine
Tiefensensibilität zu entwickeln. Bei der Tiefensensibilität geht es hauptsächlich um die
Eigenwahrnehmung des Körpers. Sie ermöglicht beispielsweise das Greifen und später das Laufen.
Laut Woods & Woods werden die eingeprägten Teilobjekte nun zu einem guten und bösen Bild der
Mutter zusammengefügt. Sie nennen das die „fairy good mother“ und die „wicked witch“.32
Durch diese verknüpften Teilobjekte entstehen zwei disparate Bilder des Eltern-Ich 1. Das Kind
speichert dann unbewusst die positiven und lustvollen Ereignisse im Eltern-Ich 1 gut (plus) und die
unlustvollen und nichtbefriedigenden Ereignisse im Eltern-Ich 1 böse (minus). Das Eltern-Ich 1
plus und das Eltern-Ich 1 minus werden dann durch Erinnerungsspuren als gegenteilige Strukturen
innerhalb der Psyche manifestiert.
In der Bindungsphase entstehen jedoch nicht nur gute und böse Objektrepräsentanzen, also innere
Bilder der Mutter, sondern auch gute und böse Selbstrepräsentanzen. Das sind innere Bilder des
Selbsterlebens, die sich dadurch entwickeln, dass sich das kleine Kind bei angemessener
Befriedigung seiner Bedürfnisse gut fühlt und bei Nichtgelingen der Versorgung schlecht. Das Kind
kann die Selbst- und Objektrepräsentanzen jedoch noch nicht voneinander unterscheiden.33 Denn
nach Rohde-Dachser werden die Objekterfahrungen vor allem nach ihrer Qualität, also gut/lustvoll
oder böse/unlustvoll, und weniger in die Kategorien 'von meiner Bezugsperson ausgehend' oder
'von mir selbst ausgehend' eingeteilt.
Um das Chaos der widersprüchlichen Erfahrungen, die das kleine Kind in seiner Welt macht, zu
ordnen, findet diese Spaltung als erster und natürlichster Versuch statt.34
„Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber undifferenzierter SelbstObjektbilder wäre typisch für die Psychose.“35
Das heißt, in diesem Falle misslingt die Differenzierung von Selbst- und Objektrepräsentanzen. Es
erfolgt eine pathologische Verschmelzung und Wiederverschmelzung.36 Die Betroffenen sind also
kaum oder nicht in der Lage, zwischen sich und anderen zu unterscheiden. Daher fühlen sie sich oft
fremdbestimmt und haben das Gefühl, Dinge tun zu müssen, die sie gar nicht tun wollen.
Außerdem kommen ihnen die eigene Person und die Umgebung fremd vor.37 Auch hier beziehe ich
rein hypothetisch, Stauss' Aussagen auf katalogisierte Symptome.
31
32
33
34
35
36
37
Vgl. Bowlby 1958, S. 39
Vgl. Woods & Woods 1982, S.12
Vgl. Stauss 1994, S. 27
Vgl. Rohde-Dachser 1984, S. 136-137
Stauss 1994, S. 28
Vgl. Stauss 1994, S. 47
Vgl. http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-05.html
13
Kurz möchte ich noch andere Erklärungsansätze für die Entstehung einer Psychose nennen. Nach
dem „Vulnerabilität-Stress-Modell“ von Zubin & Spring, gibt es eine genetische Veranlagung,
durch die Betroffene besonders zu einer Psychose neigen und anfällig sind für Stresssituationen,
wie z.B. die Pubertät, einen Umzug, eine Trennung und eine Prüfungssituation. Demnach
erkranken oft feinfühlige und kreative Menschen an einer Psychose.
Außerdem wird das Auftreten einer Psychose auch durch Stoffwechselprobleme von
Neurotransmittern erklärt.38
3.4
Schizotypische Persönlichkeitsstörung
In der zweiten Entwicklungsphase, die vom dem 6. bis zum 18. Lebensmonat andauert, entwickelt
sich innerhalb des Kind-Ich 2 das Erwachsenen-Ich 1. Dadurch ist es dem Kind immer mehr
möglich, sich getrennt von der Mutter wahrzunehmen.
Die Phase II überschneidet sich zeitlich mit dem Beginn der Separations- und
Individuationsphase.39 Mahler teilt die Separations- und Individuationsphase folgendermaßen ein:
1. Subphase – Differenzierung oder Separation, 2. Subphase – Üben und Exploration, 3. Subphase
– Wiederannäherung, 4. Subphase – Konsolidierung und Objektkonstanz.40
Davon fallen die ersten beiden Subphasen in die Zeit der Phase II.
Entscheidend für die Bewältigung der ersten beiden Subphasen ist die Entwicklung des
Erwachsenen-Ich 1, welches die Quelle der besonderen Neugier des Kleinkindes ist. Es möchte die
ganze Welt erkunden und ist darauf aus, herauszufinden, wie seine Umwelt riecht, schmeckt,
aussieht und sich anfühlt. Und das ermöglicht es ihm, sich getrennt und unterschiedlich von der
Mutter wahrzunehmen.
Ab dem 6. Monat befindet sich das Kind in der Subphase Differenzierung und Separation. In dieser
Phase treten vermehrt Verhaltensweisen auf, die darauf schließen lassen, dass der Säugling sich um
eine Ablösung aus der sehr engen Symbiose und um eine Entfaltungen zu einem eigenem Ganzen
bemüht.41 In dem er sich gegen seine Mutter stemmt, verschafft er sich einen besseren Blick auf
sie. Er untersucht nun genau das Gesicht der Mutter, zieht an ihren Haaren oder Ohrringen usw. Es
interessiert sich außerdem für ihre Stimmlage und versucht, die Mutter mit anderen zu vergleichen.
42
Das Kind bricht aus der Dyade mit der Mutter aus und möchte ihr ein wenig fern sein. Es kommt
zu einer Differenzierung der Körperbilder von Mutter und Kind. Durch die Sinne untersucht das
Kind seine Körpergrenzen und die der Mutter. Diese Grenzen, hauptsächlich geschaffen durch die
Haut, umfassen den Körper, beherbergen das Selbst und schließen es nach außen hin ab. Folglich
werden durch die Haut das eigene Ich und das der Mutter von der Außen- und Umwelt getrennt.
Die Entwicklungsaufgabe im 6. bis 9. Lebensmonat ist somit die Loslösung aus der Symbiose, der
Zwei-Einheit.43
Das Kind bekommt während dieses Prozesses einen neuen Blick, welcher durch Wachheit,
Ausdauer und Zielgerichtetheit gekennzeichnet ist.44
38
39
40
41
42
43
44
Vgl. http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-06.html
Vgl. Stauss 1994, S. 28-29
Vgl. Mahler 1975, S. 78
Vgl. Stauss 1994, S. 30
Vgl. Mahler 1975, S. 16-20
Vgl. Stauss 1994, S. 30
Vgl. Mahler 1975, S. 22
14
Die Selbst- und Objektrepräsentanzen sind jedoch nicht immer klar voneinander unterschieden.
Teilweise gehen sie noch ineinander über. Die präzise Trennung von positiven und negativen
Teileinheiten bleibt bestehen. Innerhalb dieses Vorgangs entwickelt sich schrittweise das gute
Selbstbild. Dieses wird ebenfalls genau vom bösen Selbstbild differenziert, genauso wie die guten
und bösen Objektbilder. Verknüpft werden die separierten Selbst- und Objektrepräsentanzen durch
eine Affektdisposition. Das Kind neigt also dazu, seine Gefühle bezüglich der Selbst- und
Objektrepräsentanzen kundzutun.
„Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber noch unscharf voneinander
differenzierter Selbst- und Objektbilder wäre typisch für eine schizotypische
Persönlichkeitsstörung.“45
Im Folgenden fasse ich wieder hypothetisch Symptome und mögliche Auslöser zusammen:
Patienten, die an einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung leiden, empfinden durch die nicht
klar voneinander getrennten Selbst-und Objektrepräsentanzen sich und ihre Umwelt teilweise als
fremd. Außerdem wird ihr Auftreten von anderen als merkwürdig und exzentrisch empfunden. Sie
leiden auch unter Affektverflachung und Anhedonie und leben isoliert. Die Sprache wirkt oft
gekünstelt und wird teilweise nur vage zum Einsatz gebracht.46
Andere Blickwinkel hinsichtlich der Entstehung einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung sind:
(a) eine neurobiologische Veranlagung zur Übererregbarkeit, (b) psychosoziale Lernerfahrungen in
der Kindheit, bei denen der Betroffene beispielsweise für sein aktives, selbstsicheres Auftreten
bestraft wurde, und (c) die aktuelle Verstärkung von abnormen Verhaltensweisen.47
3.5
Borderline
Zwischen dem 12. und 13. Lebensmonat erfolgt eine klare Differenzierung zwischen den
gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen. Das Kleinkind ist nun also in der Lage, genau
zwischen den inneren Selbst- und Objektbildern zu unterscheiden.
„Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener, aber klar voneinander
differenzierter Selbst-Objektbilder ist typisch für die Borderline-Persönlichkeitsstörung.“48
Borderline-Persönlichkeiten sind in der Lage, zwischen den Selbst- und Objektrepräsentanzen zu
unterscheiden. Diesen Patienten gelingt es allerdings nicht, eine Objekt- und Beziehungskonstanz
aufzubauen, da ihnen die Integration von bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen
misslungen ist. Auch die Aufgabe der illusionären symbiotischen Allmacht erfolgt bei BorderlinePersönlichkeiten nur teilweise. Sie stecken zwischen Verschmelzungswünschen und
Individuationswünschen fest und weisen somit ein stabil-instabiles Beziehungsmuster auf.49
In Folge dessen führen Betroffene unbeständige und unangemessen intensive zwischenmenschliche
Beziehungen, in denen sie zwischen Idealisierung und Abwertung schwanken. Denn durch die
nicht erfolgte Integration der bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen sind sie nicht in
der Lage, ihr Gegenüber als komplexen Menschen zu sehen, der sich dennoch widerspruchsfrei
verhalten kann. Aus Angst vor Enttäuschung und Verlust einer nahestehenden Person leiden
Borderline-Persönlichkeiten oft unter Stimmungsschwankungen und unangemessenen
Wutausbrüchen. Und da sie auch sich selbst nicht als komplexen Menschen anerkennen können,
fehlt ihnen ein klares Identitätsgefühl. Das wirkt sich z.B. erschwerend auf ihre sexuelle
45
46
47
48
49
Stauss 1994, S. 33-34
Vgl. http://flexikon.doccheck.com
Vgl. http://psychiatrie.charite.de
Stauss 1994, S. 34-35
Vgl. Stauss 1994, S. 47
15
Orientierung, die Berufswahl und auch auf die Partnerwahl aus. Durch diese gestörte Ich-Identität
verlieren die Patienten häufig das Gefühl für die Existenz der eigenen Person. Dadurch kommt es
zu Verlustängsten, denn Alleinsein bedeutet für sie Isolation. Ich denke, dass auch
selbstverletzendes Verhalten damit in Zusammenhang zu bringen ist. Denn durch den Schmerz,
z.B. durch Schnitte an Gliedmaßen, versuchen die Betroffenen sich selbst und damit die eigene
Existenz zu spüren. Außerdem kann das selbstzerstörende Verhalten aber auch ein Hilferuf sein und
die Bestrafung für sich und andere.50 Diese Behauptungen bezüglich Symptom und Auslöser sind
natürlich ungewiss und wieder rein hypothetisch.
Anderen Auffassungen nach kann eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entstehen, wenn es zu
einer Wechselwirkung zwischen folgenden Faktoren kommt: Das genetische Temperament,
Umweltfaktoren, wie Erlebnisse und Traumata und neurologische oder biochemische Störungen.51
3.6
Narzistische Persönlichkeitsstörung
Im Zuge der Subphase Exploration, welche sich über den 9. bis 18. Lebensmonat erstreckt, ist das
kleine Kind aufgrund seiner motorischen Entwicklung in der Lage, sich aktiv von der Mutter weg
zu bewegen. Es beginnt zu krabbeln und zu laufen. Das Interesse an den Dingen, die das Kind
umgeben, nimmt noch mehr zu, wobei das Interesse an der Mutter jedoch nicht abnimmt. Um seine
Umwelt aktiv erkunden zu können und sich trotzdem sicher zu fühlen, benötigt das Kind eine
optimale Distanz zur Mutter.
Das Kind ist wegen seiner Fortschritte in heller Begeisterung und hat daher narzistische
Allmachtsgefühle. Das Selbstwertgefühl des kleinen Weltbeherrschers befindet sich auf dem
Gipfel. In dieser Phase ist das Kind ziemlich schmerzunempfindlich und kann daher Frustrationen
wie Hinfallen oder kleine Stöße gut wegstecken.52 Um ungehindert die Welt erforschen zu können,
benötigt das Kind immer wieder die Mutter zum emotionalen Auftanken.53 Die Mutter übernimmt
für das Kind die Funktion des Hafens und befriedigt somit sein Bedürfnis nach körperlicher und
emotionaler Nähe.
In dieser sogenannten Übungsphase spielt nicht die Differenzierung zwischen Gut und Böse die
wichtigste Rolle, sondern Allmacht und Ohnmacht stehen im Vordergrund. Um das Kind bezüglich
Ohnmachtserfahrungen zu schonen, stellt die Mutter in dieser Phase ein erweitertes Selbst dar. Das
heißt, all das, was das Kind noch nicht selbst kann, lässt es seine Bezugsperson als verlängerten
Arm für sich tun. Damit geht natürlich eine Verzerrung der Realität einher, die das Kind vor dem
Gefühl seiner eigenen Begrenztheit und Ohnmacht schützt.
Während dieser Zeit ist es an der Mutter, ihr Kind in seiner Großartigkeit zu bestärken und es nicht
unempathisch auf seine Begrenztheit und die damit verbundene Ohnmacht zu stoßen. Folglich
werden zwei durch die vorangegangene Spaltung getrennte Selbst-Objektbilder verinnerlicht. Diese
gehen nun von Erfahrungen von Allmacht und Ohnmacht aus und nicht mehr von Erfahrungen von
Lust/gut oder Unlust/böse.
„Eine pathologische Regression in diesem Bereich gespaltener (Macht/Ohnmacht), aber klar
voneinander differenzierter Selbst-Objektbilder, bei illusionärer Aufrechterhaltung der Allmacht
und dem Verleugnen der Ohnmacht, wäre typisch für die narzistische Persönlichkeitsstörung.“54
50
51
52
53
54
Vgl. http://www.derlangeweginslicht.de
Vgl. http://www.borderline-borderliner.de
Vgl. Stauss 1994, S. 35-36
Vgl. Mahler 1975, S. 92
Stauss 1994, S. 36-39
16
Dem narzisstischen Charakter war es nicht möglich, die Allmachts- und Omnipotenzwünsche
abzulegen. Daher gestalten sich seine Beziehungen lediglich als Erweiterung seiner Grandiosität
oder Ohnmacht. Diese Patienten sind auf das Feedback der Außenwelt angewiesen, welches ihn in
seiner Grandiosität bestärken soll.55
Dadurch kommt es bei narzistischen Persönlichkeiten zu Störungen zweier grundlegender Dinge:
des Selbstwertgefühls und des Selbstgefühl. Das führt dazu, dass ihre Beziehungen zu anderen
Menschen gestört sind, sie oft unter Niedergeschlagenheit und nicht benennbaren Ängsten leiden
und sich innerlich leer fühlen. Sie sind leicht kränkbar und haben Größen- oder Kleinheitsfantasien,
die einhergehen mit starker Selbstunsicherheit.56 Auch das ist lediglich eine Hypothese.
Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung herrscht die ziemlich einheitliche Meinung, dass sie
in den Beziehungserfahrungen der frühen Kindheit entsteht. Eine zusätzliche genetische
Disposition wird aber auch nicht ausgeschlossen.57
Zum Anfang der Phase III, die zwischen dem 18. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr liegt,
entwickelt sich nach Piaget die begriffliche Intelligenz.58
Im Normalfall hat das Kleinkind bis zum 18. Lebensmonat Laufen gelernt und seine kognitiven
Fähigkeiten sind vorangeschritten. Es bildet sich allmählich strukturell das Erwachsenen-Ich 2
heraus. Der Vorgang der psychischen Geburt wird durch die freie Fortbewegung und der
Entwicklung der begrifflichen Intelligenz maßgeblich angekurbelt. Diese strebt das Erleben des
Kindes an, sich als eine ungebundene, individuelle Einheit wahrzunehmen.59
Das Kind verlangt nun nach klaren Grenzen und Informationen, auch über die Konsequenzen
seines Handelns. Aufgrund seiner sprachlichen Entwicklung ist es in der Lage, die gewünschten
Informationen abzufragen. Außerdem möchte das Kind versuchen, Grenzen auf ihre Beständigkeit
hin zu prüfen.
In dieser Zeit ist es wichtig, dass die Mutter dem Kind durch schonende Frustration sozial
kompetentes Verhalten nahebringt. Denn nur so wird es in der Lage sein, ein Leben mit
Mitmenschen zu führen. Durch eine optimale Frustration wird es dem Kind ermöglicht,
symbiotische Wünsche und auch Allmachtswünsche aufzugeben.
Innerhalb der Phase III findet die Subphase der Wiederannäherung und Konsolidierung statt. In der
Wiederannäherungsphase sieht sich das Kind damit konfrontiert, dass seine Eltern eigenständige
Individuen mit eigenen Interessen sind, welche nicht grenzenlos emotional zur Verfügung stehen.
Außerdem macht es die ebenfalls schmerzhafte Erfahrung seiner eigenen Begrenztheit und die
seiner nicht immer mit denen der Mutter harmonierenden Wünsche.60 Das Gefühl der Omnipotenz
beginnt zu bröckeln.61 Diese kritische Phase nennt man die Wiederannäherungskrise.62
Hinzu kommt ein möglicher Loyalitätskonflikt. Denn für das Kind kann es anfangs bedrohlich
wirken, wenn andere Menschen außer der Mutter einen wichtigen Stellenwert in seinem Leben
bekommen. Denn es bekommt Angst, dass dies die ausschließliche Beziehung zur Mutter in Frage
stellt.63
55
56
57
58
59
60
61
62
63
Vgl. Stauss 1994, S. 48
Vgl. http://www.hardtwaldklinik2.de
Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at
Vgl. Piaget 1969, S. 54
Vgl. Mahler 1975, S. 101
Vgl. Stauss 1994, S. 39-41
Vgl. Lettner 1989
Vgl. Stauss 1994, S. 41
Vgl. Lettner 1989
17
Das Kind bringt während der Wiederannäherungskrise viel Energie auf, um die Aufmerksamkeit
der Mutter zu erhaschen, indem es z.B. zeigt, was es schon kann oder der Mutter kleine Geschenke
bringt. Es ist auf ihre wohltuende Zuneigung angewiesen. Schnell aber kann es auch zu
Stimmungsschwankungen kommen. Diese münden in Unzufriedenheit und Wutausbrüche. So wird
die Mutter weggestoßen und im nächsten Moment werden wieder Zärtlichkeiten von ihr
eingefordert. Dieses Beziehungsmuster wird aufgrund des häufigen Wechsels als stabil-instabil
bezeichnet. Die Kämpfe der Wiederannäherungsphase neigen sich ab dem 21. Lebensmonat dem
Ende zu. Während dieser Zeit besteht die Entwicklungsaufgabe darin, zwei menschliche
Grundpolaritäten zu internalisieren: 1. Symbiose und Individuation, 2. Allmacht und Ohnmacht.64
Der symbiotische Charakter65 schafft es nicht, die erste Polarität zu verinnerlichen. Dadurch verfällt
er in symbiotisches, festklammerndes Verhalten. Beim narzistischen Charakter66 ist die Integration
der zweiten Polarität, von Allmacht und Ohnmacht, nicht erfolgt.
Dieser Charakter verfällt in Verhaltensweisen der Allmacht oder in beständige
Minderwertigkeitsgefühle. Aufgrund dessen entsteht ein falsches Selbst, denn er ist in seiner
Individuation behindert, weil er sich nur an erdachten Idealen und Leistungen seiner Umwelt
orientiert.
Die Wiederannäherungsphase beinhaltet auch die Annäherung an die Realität. Denn sie ist der erste
Versuch des jungen Individuums, die Vorstellung der Symbiose und der eigenen Unbegrenztheit zu
fassen und sie damit der Realität anzupassen.67 Dieser Prozess geht mit Getrenntsein und
Begrenztheit einher.68
Durch das sich herausbildende Erwachsenen-Ich ist es dem Kind möglich, die äußere Realität
anzunehmen, ohne die innere Realität verleugnen zu müssen. Es kann also die Spaltung
neutralisieren, indem es gute und böse Selbstobjektrepräsentanzen und narzistische Allmacht und
Ohnmacht zusammenbringt.
Nach der Wiederannäherungsphase folgt zum Ende des 3. Lebensjahres die Subphase
Konsolidierung. In dieser Phase entwickelt das Kind ein ganzes inneres Bild der Mutter, in dem das
„gute“ und das „böse“ Bild vollständig verschmolzen sind. Das ist die Voraussetzung für die
Beziehungskonstanz und für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls.
Entwicklungsaufgabe ist in dieser Phase die Aufhebung der Spaltung. Mithilfe des vollständigen,
verinnerlichten Bildes der Mutter ist das Kind in der Lage, eine temporäre Trennung von der
Mutter ohne emotionale Dysbalancen zu ertragen, da es auf dieses innere Bild zurückgreifen
kann.69
3.7
Depression
Luby et al. belegten anhand empirischer Daten, dass das Vorkommen von Depression schon im
Vorschulalter möglich ist. Sie ließen 105 Vorschüler im Alter von 3 bis 6 Jahren und ihre nächste
Bezugsperson einen Depressions-Untersuchungsbogen bearbeiten.
Dabei wurden funktionelle Beeinträchtigungen einhergehend mit depressiven Verstimmungen
festgestellt, auch wenn die Vorschüler in ihrer Entwicklung keine Verlangsamung aufwiesen.
64
65
66
67
68
69
Vgl. Stauss 1994, S. 41-42
Vgl. Johnson 1987, S. 57
Vgl. Johnson 1987, S. 57
Vgl. Stauss 1994, S. 42
Vgl. Johnson 1987, S. 58
Vgl. Stauss 1994, S. 42-45
18
Gefühle der Schuld und ein außerordentliches Maß an Erschöpfung stellten sich als signifikante
Symptome für eine Depression im Vorschulalter heraus.70
54 Kinder wurden als depressiv eingestuft. 57 % davon zeigten die Unfähigkeit, Freude und Lust
zu empfinden. Kinder, die unter Anhedonie leiden, haben ein vergleichsweise stärkeres depressives
Syndrom. Es ist nicht möglich, ihre Stimmung durch positive Ereignisse aufzuhellen. Sie weisen
stärkere Veränderungen in der Cortisolstressreaktion sowie stärkere Beeinträchtigung der
psychomotorischen Fähigkeiten und mehr familiengeschichtliche Fälle einer klinischen Depression
auf. Diese Untergruppe der Depression ähnelt der melancholischen Depression im
Erwachsenenalter sehr und die Symptome können schon bei dreijährigen Kindern hervortreten.
Als Voraussetzung für eine Depression gilt die Fähigkeit, Traurigkeit, also psychischen Schmerz,
empfinden zu können.71 Wildlöcher formulierte drei Basisbestandteile der Depression: Traurigkeit
bzw. den psychischen Schmerz, psychomotorische Verlangsamung und den Verlust der
Selbstachtung.72
Bei Hospitalisierten entdeckte Spitz das Vorkommen depressiver Symptome. Nach seinen
Erfahrungen kann psychischer Schmerz bei Säuglingen sogar zum Tod führen, auch wenn ihre
materielle Versorgung in ausreichender Form gedeckt ist. Durch die Trennung von ihren Eltern
wiesen die von Spitz beobachteten Kinder Apathie, einen traurigen Gesichtsausdruck sowie
verminderte Zugänglichkeit gegenüber alternativen Bezugspersonen auf. Außerdem litten die
Kinder an Verzögerungen ihrer körperlichen und psycho-motorischen Entwicklung. Spitz
bezeichnet dieses Syndrom als „anaklitische Depression“. Damit meint er, dass die Säuglinge sich
in der ersten Hälfte des ersten Lebensjahres in Heimen oder Krankenhäusern befinden und somit
getrennt von ihren Eltern sind und nur körperlich versorgt werden. Die Krankheit ist
gekennzeichnet durch Leere und Hilflosigkeit und den unbedingten Wunsch, geliebt und beschützt
zu werden. Diese minderwertige Versorgung des Säuglings wirkt sich dann auf sein affektives
System aus.73
Bowlby führt drei Stadien der Depression als Reaktion auf eine Trennung von den Eltern an. Im
ersten Stadium zeigt der Säugling Angst, Protest, Schreien sowie Schlaf- und Essstörungen. Im
zweiten Stadium zeichnet sich bereits das ausgereifte depressive Syndrom ab, gekennzeichnet
durch Apathie, psychomotorische Verlangsamung und den Verlust des Interesses an der Umwelt.
Im dritten Stadium hält die Apathie an, auch wenn die Bezugsperson zurückkehrt.74
Eine weitere Form der Depression, die nicht im Zusammenhang mit der Trennung von den Eltern
steht, entdeckte Kreisler. Dieser beschreibt eine lebensgefährliche Essstörung bei Kindern unter 24
Monaten. Diese Kinder leiden an funktionalem, seelisch ausgelöstem Erbrechen ihrer Nahrung.
Kreisler erklärte dieses Phänomen mit einer Lebensmüdigkeit der kleinen Kinder.75
Da Säuglinge schon ungefähr ab dem 3. Lebensmonat in der Lage sind, das affektive Klima
innerhalb der Partnerschaft ihrer Eltern wahrzunehmen, ist meiner Ansicht nach auch das eine
ausschlaggebende Komponente hinsichtlich der Entstehung einer Depression. Auch Lebovici macht
darauf in Verbindung mit der Entwicklung des Selbst aufmerksam.76
Hinzu kommt die Fähigkeit von Säuglingen, ebenfalls ab dem 3. Lebensmonat, negative Affekte im
Gesichtsausdruck ihrer Mutter wahrzunehmen. Dieses Phänomen lässt sich gut am „still-faceVerfahren“ von Ed Tronick aufzeigen. Bei diesem Verfahren wird getestet, wie ein kleines Kind auf
70
71
72
73
74
75
76
Vgl. Luby et al. 2003
Vgl. Keren 2011, S. 34-38
Vgl. Widlöcher 1986, S. 56
Vgl. Keren 2011, S. 35
Vgl. Bowlby 1983, S. 17
Vgl. Keren 2011, S. 36
Vgl. Lebovici 1985, S. 54
19
das völlig emotionslose Gesicht seiner Mutter reagiert. Im Normalfall ist es zuerst etwas geschockt,
dann bringt es Energie auf, die Mutter „zurück ins Leben“ zu holen, indem es sich nach ihr reckt,
schreit oder sie anlächelt und dann zeigt es Verzweiflung und Protest. Kinder einer depressiven
Mutter reagieren nicht auf das „still-face“, denn sie haben sich bereits den nicht vorhandenen oder
negativen Emotionen ihrer Bezugsperson angepasst. Für sie ist das „still-face“ nichts
Ungewohntes.77
Außerdem kommt es, zwischen den Kindern depressiver Mütter und anderen Bezugspersonen (z.B.
Kindergärtnerin oder Vater) zu einer besseren Interaktion, bei unbekannten Personen jedoch nicht.78
Eine biologische Anfälligkeit für eine spätere Depression geht mit der Konfrontation des Kindes
mit einer depressiven Mutter in den ersten Lebensmonaten einher.
Bei gesunden Erwachsenen finden in negativ empfundenen Situationen eine stärkere rechtsfrontale
Aktivierung (rechtsfrontale Asymmetrie) und eine geringere linksfrontale Aktivierung statt.
Andersherum ist es bei positiven Gefühlszuständen. 10 Monate alte Säuglinge reagierten
gleichermaßen auf Videoaufnahmen mit positiven oder negativen Inhalten.79 3 und 6 Monate alte
Säuglinge depressiver Mütter wiesen ähnliche EEG-Ergebnisse wie depressive Erwachsene auf.
Bei diesen Kindern kam es, im Gegensatz zu denen aus der Kontrollgruppe, nicht zu einer
stärkeren rechtsfrontalen Aktivierung durch eine Trennung von der Mutter.80 Außerdem fand man
bei ihnen eine rechtsfrontale Asymmetrie. Zudem gibt es phänomenologische Erkenntnisse über
den Zusammenhang einer depressiven Störung bei Säuglingen und einer schweren Zwangsstörung
der Mutter.81 Laut Green passt sich das Kind an die „Leere“ der „toten Mutter“ an, um die
Beziehung zu ihr aufrechtzuerhalten.82
Weitere Auslöser einer frühkindlichen Depression können Gewalterfahrungen oder andere frühe
Traumata sein. Kinder mit solchen Erfahrungen legen oft ein aggressives oder introvertiertes
Verhalten gegenüber Gleichaltrigen an den Tag. Außerdem wirken sich diese Erfahrungen negativ
auf ihr Selbstvertrauen, ihr Selbstverständnis und ihre Selbstwirksamkeit aus und die Kinder leiden
unter Freudlosigkeit, Interessenlosigkeit und Wein- und Wutanfällen. Diese Kinder machen schon
sehr früh einen traurigen Eindruck und erfüllen die Kriterien einer Depression.
Golse & Keren haben sich mit Kindern beschäftigt, die wegen einer lebensgefährlichen Krankheit
in einem Krankenhaus untergebracht sind. Zur Hospitalisierung kam ihres Erachtens hinzu, dass
schon kleine Kinder mitbekommen, wenn sie angesichts der Schwere ihrer Krankheit durch die
Eltern oder das Pflegepersonal
aufgegeben werden. Das Kind fühlt sich durch die
vorweggenommene Trauer emotional im Stich gelassen. Das Kind fühlt also schon vorzeitig die
Einsamkeit des Todes und läuft somit Gefahr, eine depressive Störung zu entwickeln.83
Außerdem gibt es Beobachtungen von Gauvain-Piquard & Meignier, welche belegen, dass Kinder
auf anhaltende physische Schmerzen und die unzureichende Hilfeleistung des pädiatrischen Teams
mit Rückzug und Verstummen reagieren. Diese Verhaltensmuster scheinen oft wie eine autistische
Reaktion.84
Auch bei der Depression ist jedoch die Meinung, dass eine genetische Vulnerabilität existiert,
verbreitet.85
77
78
79
80
81
82
83
84
85
Vgl. http://www.youtube.com
Vgl. Keren 2011, S. 39
Vgl. Davison & Fox 1982
Vgl. Dawson et al. 1992, S. 86
Vgl. Keren 2011, S. 40
Vgl. Green 2011, S. 234
Vgl. Brisch 2011, S. 41
Vgl. Gauvain-Piquard & Meignier 1993, S. 17
Vgl. http://www.therapie.de/psyche/info/diagnose/depression/ursachen-und-ausloeser/
20
3.8
Zusammenfassung
Nach Mahler hat die psychische Geburt stattgefunden, wenn die narzisstische Spaltung aufgehoben
ist und die Selbst-Objektbilder sowie Allmacht und Ohnmacht sich vereinigen. Denn dadurch ist
das Kind zur Objekt- und Beziehungskonstanz befähigt.86 Damit ist gemeint, dass das Kind nicht
nur sich selbst als stabil wahrnimmt, sondern auch das Gegenüber, also das Objekt, differenziert
wahrnimmt und somit Wandlungen in der Beziehungsgestaltung zulassen kann.87
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass das Kind bis zur psychischen Geburt folgende
Entwicklungsaufgaben absolvieren muss:
1. die Differenzierung der Selbst- und Objektrepräsentanzen,
2. die Integration von bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen,
3. die Aufgabe illusionärer Vorstellungen von symbiotischer Allmacht, der Dyade der
Bindungsphase und der narzisstischen Allmacht der Übungsphase und die damit
verbundene Annäherung an die Realität.88
Konnte diese psychische Geburt gar nicht oder nur unzureichend vollzogen werden, sind die
dadurch entstehenden Symptome, welche Lösungsstrategien für eine misslungene Individuation
von der Mutter darstellen, als frühe Störung zu bezeichnen.89
Ich bin mir durchaus darüber bewusst, dass die vorab beschriebenen Zusammenhänge nicht die
einzigen und erst recht nicht die verbreitetesten zum Thema frühkindlicher Entwicklungsstörungen
sind und immer noch wenig Berücksichtigung finden, in psychosozialen Berufen. Mich haben
jedoch die Erkenntnisse von Stauss, Schore & Co. überzeugt. Aufgrund dieser fundierten
Erkenntnisse sehe ich die Chance Sozialer Arbeit in der Prävention frühkindlicher
Entwicklungsstörungen. Ich halte es für sinnvoll, Eltern darin zu bestärken, mit ihren Kindern in
Beziehung zu treten, um deren Bedürfnisse besser zu erkennen und Kindern positive
Beziehungserfahrungen zu ermöglichen. Denn der Prozess der Interaktion mit der Bezugsperson
wirkt sich ganz entscheidend auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Von Anfang an speichert der
Organismus alle Beziehungserfahrungen, vor allem aber solche, die sich fortwährend wiederholen.
Entscheidend ist demnach das gesamte affektive Klima, in dem das Kind aufwächst. Denn auch
nach Rass spielen einzelne traumatische Erfahrungen weniger einer Rolle, wenn es um spätere
unlösbare Konflikte eines Menschen geht. Klinische Erfahrungen bestätigen, dass bei einem
Großteil der Patienten mit einer Fehlentwicklung die Pathologie eines oder beider Elternteile oder
eben der bestimmte Rahmen, in dem das Kind aufwuchs, für die Beschädigung des Selbst
verantwortlich sind. Durch ungenügende Beziehungserfahrungen in den ersten Lebensmonaten ist
es den Betroffenen unmöglich, ein starkes, in sich geschlossenes Selbst zu entwickeln. Dadurch
wird sich dieses Individuum in vielen Situationen seines Erwachsenenlebens so verletzlich und
schwach fühlen, wie in den ersten Lebensjahren. Für eine in sich gefestigte Psyche des Kindes und
für die des späteren Erwachsenen ist also ausschlaggebend, inwieweit durch die Bezugsperson
angemessen auf die Bedürfnisse und Herausforderungen des jeweiligen Entwicklungsstadiums des
Kindes reagiert wurde.90
Für die Entwicklung des Kindes sind die frühen Interaktionen sowie die frühe Bindung zur
Bezugsperson entscheidend. Beeinträchtigungen innerhalb der Bindungsbeziehung erhöhen das
86
87
88
89
90
Vgl. Stauss 1994, S. 47
Vgl. Mahler 1975, S. 120
Vgl. Stauss 1994, S. 47
Vgl. Stauss 1994, S. 19
Vgl. Rass 2008, S. 91-92
21
Risiko einer eingeschränkten kognitiven oder seelischen Entwicklung des Kindes. Das führt zu
einer verringerten Belastbarkeit in Stresssituationen, woraus psychische Erkrankungen resultieren
können. Um rechtzeitig intervenieren zu können, ist es notwendig, früh und angemessen
problematische Erwachsenen-Kind-Interaktionen zu erkennen.91
Jede Entwicklungsphase birgt spezifische Hürden und Herausforderungen. Der Erziehungsalltag
besteht darin, diese zu bewältigen. Während dieser Krisen ist das Kind auf die regulatorischen
Hilfestellungen seiner Eltern angewiesen.92 Aber auch die Eltern sind auf Unterstützung
angewiesen, um diese Herausforderungen der Elternschaft bewältigen zu können. Dazu kann die
Soziale Arbeit ihren Beitrag leisten.
Ansätze, die die frühen Beziehungserfahrungen gänzlich außer Acht lassen und ausschließlich von
einer genetischen Vulnerabilität ausgehen, sind für mich daher weniger plausibel.
91
92
Vgl. Stokowy & Sahhar 2012, S. 19
Vgl. http://www.hf.uni-koeln.de
22
4
Möglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Intervention oder Prävention
frühkindlicher Entwicklungsstörungen
Um Kindern helfen zu können, ist es notwendig, sie zu verstehen. Daher halte ich es für essentiell,
dass jeder Sozialarbeiter, der mit Kindern und ihren Eltern arbeitet, ein Grundverständnis von
frühkindlichen Entwicklungsprozessen, von der Bedeutsamkeit früher Interaktions- und
Beziehungserfahrungen, von der Entstehung frühkindlicher Störungen sowie von Beziehung und
entwicklungsspezifischen Besonderheiten hat.
Im Folgenden möchte ich einige Möglichkeiten der Sozialen Arbeit, zur Intervention und
Prävention frühkindlicher Entwicklungsstörungen, beschreiben. Ich habe bewusst Ansätze
ausgewählt, die ihren Schwerpunkt auf die frühen Beziehungserfahrungen legen.
Die, die ich ausgewählt habe beziehen sich auf Beziehungserfahrungen, welche ausschlaggebend
sind für die psychische Entwicklung jedes Menschen. Denn positive Beziehungserfahrungen
vermitteln dem Kind Sicherheit, welche die Grundbedingung für dessen Hirnentwicklung und
Lernfähigkeit darstellt.93
4.1
Der CARE-Index (Child-Adult-Relationship-Experimental-Index)
Der CARE-Index beinhaltet die Analyse von Interaktionsmustern zwischen Säugling und Mutter
(oder einer anderen Fürsorgeperson). Er ist eine videobasierte Mutter-SäuglingsinteraktionsDiagnostik zur Vorhersage von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Der CARE-Index ist
bisher das einzige Analyseverfahren für das frühe Lebensalter, das versteckt-feindseliges Verhalten
des Erwachsenen identifizieren kann und echte von unauthentischer Kooperation der Kinder
unterscheiden kann. Das Erlernen des CARE-Index beansprucht nicht nur kognitive Fähigkeiten
der Professionellen, die sich diese Methode zu nutzen machen, sondern ihre Seherfahrungen, ihr
Erleben und liebgewonnenen Erklärungsmuster werden sich deutlich verändern.
Der CARE-Index zielt darauf ab, die gewohnten Erfahrungen des Kindes mit seiner Bezugsperson
zu untersuchen. Er erfasst die Qualität der Interaktion innerhalb der Dyade und die wechselseitige
Abstimmung zwischen Mutter und Kind.
Der CARE-Index ist in der Interventionsplanung im klinischen Kontext auch in Deutschland
anerkannt. Außerdem wird er auch zur sach- und fachgerechten Bewertung von
Interventionsstudien verwendet.94
Auch Crittenden geht davon aus, dass die frühen Interaktionen und die frühen
Beziehungserfahrungen die kindliche Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Diese können durch
bestimmte Faktoren, wie z.B. eine postpartale Depression der Mutter, eine sehr junge Mutter oder
die Drogenabhängigkeit eines Elternteils, beeinträchtigt sein.95 Die kognitive und seelische
Entwicklung dieser Kinder ist dann auch oft beeinträchtigt. Hinzu kommt durch verringerte
Belastbarkeit in Stresssituationen eine erhöhte Prädisposition, an psychischen Störungen zu
erkranken.96 Um rechtzeitig entsprechend intervenieren zu können, ist eine frühzeitige und
angemessene Einschätzung von schwierigen Eltern-Kind-Wechselbeziehungen erforderlich.97
Der CARE-Index wurde auf dem Hintergrund des Dynamischen Reifungsmodells der Bindung und
Anpassung (DMM) von Crittenden entwickelt, um so Verhaltensmuster und Bindung für jede
Altersgruppe untersuchen zu können. Das DMM definiert Bindung als adaptive und
93
94
95
96
97
Vgl. Rass 2008, S. 38
Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 19
Vgl. Beck 1995, S. 299
Vgl. Essex et al. 2002, S. 780
Vgl. Crittenden & Bonvillian 1984, S. 260
23
selbstprotektive Strategie. Diese wird in der Beziehung erlernt. Crittenden hat im DMM eine
eigenständige Sichtweise von Bindung entwickelt. Sie berücksichtigt in ihrem Modell der
Bindungsentwicklung deren Abhängigkeit von neurophysiologisch und entwicklungspsychologisch
sich stetig verändernden kontextabhängigen Voraussetzungen und definiert als wesentliche
Grundlage der Suche von Bindung kulturübergreifend den Schutz vor Gefahr.
Die aktiven Interaktionen zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson sind ausschlaggebend für
das spätere Bindungsmuster des Kindes. Um die Bindung an sich messen zu können, müssten
Bindungsmuster durch Herbeiführen von Gefahr aktiviert werden, so wie bei der sogenannten
„fremden Situation“ von Ainsworth.98
Seine Anwendung findet der CARE-Index in der Beratung und Intervention aber auch zu
Forschungszwecken. Wichtig ist hierbei, die Ressourcen der Beteiligten nicht zu übersehen, denn
diese sind unbedingt notwendig für eine produktive Intervention. Die Beobachtung bezieht sich
also nicht nur auf das gefährdende Verhalten, sondern bezieht auch die Kontexterfahrungen der
Eltern mit ein. Der CARE-Index misst typische Muster der Interaktion, wie sensitiv - kooperativ,
kontrollierend - schwierig und nicht-responsiv – passiv in einer spielerischen Interaktion zwischen
der Bezugsperson und dem Kind.
Es geht nicht um das Auftreten von Verhalten oder dessen Häufigkeit, sondern um die besondere
Funktion dieses Verhaltens innerhalb der Interaktion. Es geht um Fragen wie: Ist das Lachen des
Kindes in dieser Situation authentisch oder fühlt sich das Kind aufgrund des Verhaltens seiner
Mutter dazu gezwungen?99 „Wie erlebt das Kind das Verhalten der Mutter und wie erlebt die
Mutter das Verhalten des Kindes?“100
Das Konzept des CARE-Indexes geht davon aus, dass ein Erwachsener mit verschiedenen Kindern
in unterschiedlicher Weise sensitiv umgehen kann. Deshalb wird Sensitivität nicht als individuelle
Eigenschaft sondern innerhalb einer Beziehung untersucht. Man betrachtet somit nicht separat
typische Verhaltensweisen des Kindes und der Fürsorgeperson, sondern betrachtet diese im
Bezugsrahmen ihrer Interaktion. Dafür wird eine alltägliche Spielsituation veranlasst, welche
ausschlaggebend ist über dyadische Besonderheiten, die mit Bindung einhergehen und als deren
Vorläufer gesehen werden können.
Die spielerische Interaktion umfasst etwa 3 bis 5 Minuten und kann zu Hause, in einem klinischen
Setting oder in einem Forschungslabor mit Video aufgenommen werden. Es werden eine Reihe von
Spielzeugen bereitgestellt und für Säuglinge z.B. eine Wickelauflage. Der Fürsorgeperson steht es
frei, ob sie diese Dinge benutzt, und sie wird gebeten, sich so mit ihrem Kind zu beschäftigen, wie
sie es immer tut. Durch die Spielsituation soll bewusst Stresspotenzial vermindert werden.
Außerdem wird sich die Fürsorgeperson aufgrund der 3. Person mit Kamera bemühen, sich von
ihrer besten Seite zu zeigen. Somit wird vermutet, dass Mütter, die ihrem Kind gegenüber weniger
feinfühlig sind besonders bemüht sind, vor der Kamera perfekt zu wirken, jedoch das Kind sein
Verhalten vor der Kamera nicht verfälscht.101 Um dem Ideal von Glücklich und Gut gerecht zu
werden, verfälschen Eltern und Fürsorgepersonen häufig in bester Absicht die eigene
reale Befindlichkeit.102
Das Kind reagiert aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen mit der Mutter. Ähnlich wie beim „stillface“-Verfahren. Dadurch können Risikofaktoren frühzeitig beobachtet werden, die im realen
Alltagsstress zur Gefährdung der Dyade führen können.
98
99
100
101
102
Vgl. Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 20-21
Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22
Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22
Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 23-24
Vgl. Crittenden 2010
24
Bei der Auswertung werden auch die zunehmende Reifung des Kindes und die altersspezifischen
Entwicklungsphasen und -aufgaben berücksichtigt.
Es ist ebenso möglich, den CARE-Index für die Untersuchung einer Interaktion zwischen
Erwachsenen einzusetzen. Denn hier können beispielsweise Mimik und Tonlage etwas über die
frühen Erfahrungen verraten. Wenn möglicherweise authentische eigene Anteile einer Person
aufgeben werden mussten, um die Beziehung zur Bindungsperson aufrechtzuerhalten, so sind diese
frühen Erfahrungen im Erwachsenen unterbewusst „gespeichert“ und werden im Interaktionsstil
repräsentiert. Diese Erfahrungen sind also in der erwachsenen Persönlichkeit persistent.
Für die Soziale Arbeit im Problemfeld frühkindlicher Entwicklungsstörungen kann der CAREIndex helfen, Pädagogen zu sensibilisieren für frühe Störungen der Mutter-Kind-Beziehung.
Auf der Grundlage des DMM können Sozialpädagogen Unterstützungsangebote für Familien
entwickeln, die auf den Kontext der Familien abgestimmt sind und deren Ressourcen und Gefahren
im Blick haben. Interventionen werden geleitet von Frage wie: Was stellt für diese spezifische
Familie eine Gefahr da? Wovor wollen sie ihr Kind schützen? Welche Funktion hat das jeweilige
Verhalten im Beziehungsgefüge? Es geht nicht vorrangig darum, den Bindungsstil des Kindes zu
verändern, weil z.B. das unsichere Bindungsverhalten in dem jeweiligen Familienkontext für das
Kind eine Überlebensstrategie darstellt. Es viel mehr um Unterstützung der Familie und um
Abwendung von Gefahren in diesem Rahmen.103
4.2
Das STEEP-Programm (Steps toward effective and enjoyable parenting)
Das STEEP-Konzept ist ein auf der Bindungstheorie basierendes Forschungs- und
Interventionsprogramm, welches in den USA entwickelt wurde. Im deutschsprachigen Raum wurde
es erstmals 2000 bei einer Bindungs-Fachtagung in München von Martha Farrell Erickson und
Byron Egelang vorgestellt. Die Idee war, ein Programm für schwangere Frauen in psychosozialen
Risikosituationen zu entwickeln, um diese noch vor der Geburt ihres Kindes erreichen zu können
und somit ihre Fähigkeiten als Fürsorgeperson und die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung zu
stärken.104 Denn verminderte oder schwierige Bindungserfahrungen in den ersten Lebensmonaten
sind die Hauptgründe für die Entwicklung frühkindlicher Störungen.
Es richtet sich an Schwangere oder Mütter, die mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllen:
Alter 16-26 Jahre, niedriges Bildungsniveau (kein oder niedriger Schulabschluss), geringes
Einkommen, psychische Labilität oder Erkrankung, Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten
(Familie, Partnerschaft oder Isolation).105
In jeder Gruppe sind jeweils 8 Mütter mit ihren Babys, deren zu erwartender Geburtstermin im
gleichen Dreimonatszeitraum liegt. Diese Gruppe trifft sich alle 14 Tage und wird von einer
STEEP-Beraterin angeleitet, welche den Frauen zusätzlich jede Woche einen Hausbesuch abstattet.
Zur STEEP-Beraterin können sich beispielsweise Sozialpädagogen, Krankenschwestern oder
Erziehungsberater ausbilden lassen. Dafür durchlaufen diese dann den STEEP-Orientierungskurs
und die STEEP-Ausbildung. Außerdem ist die laufende Supervision und eine praktische
Ausbildung Pflicht.106
103
104
105
106
Vgl. Letourneau & Tryphonopulos 2012, S. 22-24
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 29
Vgl. http://www.thueringen.de
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 53
25
Das STEEP-Programm umfasst 3 Grundsätze:107
1.
„Die Mutter-Kind-Beziehung ist in die Familie und Gemeinschaft eingebettet.“108
Die Mutter-Kind-Beziehung befindet sich in verschiedenen Systemen: in der Kernfamilie, in der
erweiterten Familie, in diversen Gemeinschaften und in der Gesellschaft. Um mit Mutter und Kind
gewinnbringend arbeiten zu können, ist es notwendig, die Möglichkeiten und Grenzen, die diese
Umwelt mit sich bringt, zu erkennen und zu berücksichtigen.109
2.
„Die Einzigartigkeit jeder Familie und jeder Person erfordert einen individuellen Ansatz.“110
Das Unterstützungsangebot muss stets auf die Individualität jedes Kindes, jedes Elternteils und
jeder Familie abgestimmt sein. Die Berater sollten sich also nicht starr an einen vorgegebenen
Programmablauf halten.111
3.
„Jedes Kind, jeder Elternteil und jede Familie hat Stärken, auf die man bauen kann.“112
Die STEEP-Berater finden gemeinsam mit den Familien heraus, über welche besonderen Stärken
diese verfügen und verstärken diese Ressourcen im Laufe des Prozesses.113
Es geht also nicht nur um die Beziehung zwischen Eltern und ihrem Kind, sondern auch um ein
Beziehungsangebot, was der STEEP-Berater den Eltern macht. Durch dieses Modell, was Interesse,
Anerkennung, Zuverlässigkeit und auch das Containment von Gefühlen beinhaltet, können die
Eltern in Beziehung mit ihrem Kind gehen. Denn Beeinträchtigungen innerhalb der
Bindungsbeziehung erhöhen das Risiko einer eingeschränkten kognitiven oder seelischen
Entwicklung des Kindes.
Sind die Probleme der Mutter aus der frühen Kindheit jedoch sehr gravierend, sollten die STEEPBerater für die Mutter eine Psychotherapie in Betracht ziehen und diese dazu ermutigen.
Ich denke, dem STEEP-Berater sollten auch die von Stern beschriebenen Diskurse innerhalb der
Mutterschaftskonstellation bewusst sein, um die Mütter besser verstehen und unterstützen zu
können. Denn diese lässt neue Handlungstendenzen, Sensibilitäten, Fantasien, Ängste und
Wünsche entstehen. Es ist wichtig, Kenntnis darüber zu haben, da der Berater ansonsten die
wichtigsten subjektiven Themen sowie die spezifischen Schwierigkeiten und Probleme und den
besonderen Bedarf einer fürsorglichen Beziehung zum Berater nicht erkennt.
Eine werdende Mutter sieht sich konfrontiert mit dem Diskurs mit ihrer eigenen Mutter in ihrer
Kindheit, mit dem Diskurs mit sich selbst als Mutter und mit dem Diskurs mit ihrem Baby. Sie
steht vor den Herausforderungen, (a) das Überleben und Heranwachsen des Babys zu
gewährleisten, (b) eine authentische Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, auch dann, wenn sich
das Baby eventuell anders entwickelt, als sie es sich wünscht, und (c) sich und ihre Umgebung so
zu gestalten, dass ihre Funktionen als Mutter gefördert werden.114 Stern macht klar, wie wichtig die
Bedürfnisse der Mutter für die Mutter-Kind-Bindung sind.
Bei der Fülle von Herausforderungen, vor denen die STEEP-Berater stehen, wird deutlich, welche
Notwendigkeit die laufende Supervision während des Programmes für sie hat, um selbst
Containment-Erfahrungen machen zu können, um dann wieder als Container für die Mütter zur
Verfügung stehen zu können.
107
108
109
110
111
112
113
114
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39
Erickson & Egeland 2002, S. 39
Vgl. Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 38-39
Erickson & Egeland 2002, S. 39
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39
Erickson & Egeland 2002, S. 39
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39
Vgl. Stern 1998, S. 209-213
26
Um Eltern und ihren Kindern zu mehr Kompetenz und Zufriedenheit zu verhelfen, gibt es
bestimmte Ziele für das STEEP-Programm. So sollen Eltern gesunde und realistische Vorstellungen
und Einstellungen bezüglich Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bekommen.
Eltern, die wenige Probleme im Umgang mit ihren Kindern haben, sind sich meist sowohl der
schönen als auch der schwierigen Seiten, die die Elternrolle mit sich bringt, bewusst. Befinden sich
Eltern jedoch in schwierigen Lebensumständen, neigen sie zu einer völligen Idealisierung oder
Abwertung ihrer Kinder oder ihres Lebens mit ihren Kindern. Es kann also vorkommen, dass eine
schwangere Frau illusorisch annimmt, durch ihr Kind bekomme ihr Leben endlich einen Sinn oder
der von ihr getrennt lebende Vater des Kindes würde nach der Geburt zurückkommen. Das sind
natürlich viel zu große Erwartungen an ein kleines Baby, welchen es niemals gerecht werden kann.
Dem gegenüber steht eine Mutter, die es ihrem Kind übel nimmt, dass es ihr unabhängiges Leben
zerstört hat und deswegen vielleicht feindselige, negative Gefühle gegen den Säugling hegt.
Für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung ist es also wichtig, den Eltern eine umfassende
Vorstellung über die Freuden und Schwierigkeiten des Elternalltags zu verschaffen.
Wichtig ist auch, dass die Eltern bestimmte Grundkenntnisse über entwicklungsspezifische
Besonderheiten ihrer Kinder erlangen, um so realistische Erwartungen über das kindliche Verhalten
zu fördern. Heutzutage ist es nicht mehr so üblich, dass man als heranwachsende Frau die
Erziehung von jüngeren Geschwistern oder anderen Kindern der Familie miterlebt und übernimmt.
Dadurch haben junge Frauen vor ihrem ersten Kind auch wenig Erfahrungen mit kleinen Kindern.
Die Unkenntnis fehlende Unterstützung und Bildung sowie meiner Meinung nach auch eigene
Kindheitserfahrungen führen teilweise zu einem strengen und bestrafenden Erziehungsstil.
Durch den STEEP-Berater soll z.B. den Eltern nahegelegt werden, ab wann ein Kind überhaupt in
der Lage ist, mündliche Anweisungen zu verstehen oder sich gar später noch an sie zu erinnern
oder den Drang, mit einem Gegenstand zu werfen, zu unterdrücken.
Darüber hinaus soll den Eltern ein Verständnis vermittelt werden, welche Bedeutung bestimmte
Verhaltensweisen in der Entwicklung des Kindes haben. Damit ist z.B. die Trennungsangst eines 8
Monate alten Babys gemeint, welches durch das aktivierte Bindungsverhalten die
überlebenswichtige Bindung zur Bezugsperson aufrechtzuerhalten versucht.
Auch wenn ein Kind noch nicht sprechen kann, versucht es durchaus, auf seine Wünsche und
Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Für diese Botschaften an die Erwachsenen verwenden sie
verschiedene Gesichtsausdrücke, Gesten, Körperhaltungen und Schreie. Das Maß, inwieweit die
Bezugsperson empathisch und verlässlich auf diese Signale reagiert, trägt entscheidend zu einer
sicheren Bindung mit dem Kind bei. Diese sichere Bindung ist notwendig für die spätere
Kompetenz, Zufriedenheit und mentale Entwicklung des Kindes. Die Eltern üben also, wie sie die
Signale ihres Kindes richtig deuten und angemessen auf sie eingehen. Wenn Eltern liebevoll,
sensitiv, zuverlässig und prompt reagieren, lernen die Kinder, dass sie selbst etwas bewirken und
anderen Menschen vertrauen können. Dieses Vertrauen in andere und in die Selbstwirksamkeit
bleibt über die frühe Kindheit bestehen und diesen Menschen ist es dann auch später besser
möglich, mit anderen in Beziehung zu gehen.
Gehen die Eltern jedoch überhaupt nicht oder unzuverlässig auf die Bedürfnisse des Kindes ein
oder übergehen diese, lernt das Kind, dass es selbst nichts bewirken kann.
Ein weiteres Ziel des STEEP-Programms ist es, die Fähigkeit der Eltern zu stärken, die Welt mit
den Augen des Kindes zu sehen. So enthält das Manual des STEEP-Programms Briefe aus der
Sicht des Kindes, an die Eltern. Ich finde diesen Ansatz besonders wichtig, weil ich aus eigenem
Erleben das Gefühl habe, dass dieser Blick vielen erwachsenen Menschen verschlossen ist.
Möglicherweise konnten sie selbst zu wenig damit Erfahrungen machen, zum einen, weil in ihrer
27
Kindheit sich nicht genug in sie hineinversetzt wurde und zum anderen, weil sie durch Isolation
keine mütterlichen Vorbilder haben.
Die Eltern lernen also, sich wirklich in das Kind hineinzuversetzen und seine Gefühle
nachzuvollziehen. Wie ist es z.B. für ein einjähriges Kind, was die aufregende Welt erkunden
möchte, indem es alle interessanten Sachen anfasst oder in den Mund steckt, dass es andauernd in
seinen Selbstbehauptungen durch Verbote gehemmt und dadurch frustriert wird?115 An dieser Stelle
möchte mich auf Dornes beziehen: Es liegt viel daran, wie oft Eltern explorativ-assertive
Handlungen durch ihre Interpretation als destruktiv hemmen und auf welche Weise sie das tun. Das
Kind reagiert auf die Unterbrechung seiner Exploration zunächst mit Rückzug oder Ärger. Ärger ist
dabei sinnvoll, da er die Selbstbehauptungskraft erhöht und zur Überwindung von Hindernissen
ermutigt. Ständige unempathische Reaktionen auf das natürliche Verhalten des Kindes veranlassen
leicht die Eskalation von vorerst adaptivem Ärger und/oder reaktiver Aggression. Durch die
ständige Blockierung von Selbstbehauptung wird mit der Zeit die erste Stufe der Aktivierung von
Ärger und/oder reaktiver Aggression, in der noch „Verhandlungsspielraum“ bestand, praktisch
übersprungen. Statt den Konflikt zu regulieren wird mit der Einschränkung der Assertion ein hohes
Maß an Aggression aufgewendet. Dies ist anfänglich die Antwort auf die ungeschickte Hemmung
der Eltern, kann sich aber allmählich verselbständigen und sich zur generellen Reaktion auf
Einschränkung entwickeln. Das Kind wird nun in jeder Einschränkung eine Bedrohung sehen, da
es nicht lernen konnte, Kontroversen zu regeln, und es keine/wenige Möglichkeiten sieht, in seiner
Selbstbehauptung zu bestehen und sich durchzusetzen, ohne große Mengen von Aggression
aufzuwenden.116
Eine Mutter, die selbst mit schweren Beziehungsstörungen aufgewachsen ist, wird Schwierigkeiten
haben, sich in die Lage ihres Kindes hineinzuversetzen und die Welt aus dessen Perspektive zu
sehen. So wird sie möglicherweise das Explorationsverhalten oder das Schreien ihres Kindes als
bösartig oder als Versuch, „sie in den Wahnsinn zu treiben“, verstehen. Um die Bedürfnisse des
Kindes zu erfüllen und es durch schonende Frustration an die Regeln des menschlichen
Miteinanders heranzuführen, ist ein Blick durch die Augen des Kindes notwendig.
Um diese Fähigkeit mit den Eltern zu üben, wird z.B. die Seeing-is-believing-Strategie genutzt.
Dazu werden im Rahmen der wertschätzenden und unterstützenden Beziehung zwischen STEEPBerater und Familie, die eine Eltern-Kind-Beziehung ermöglicht und fördert, Videoaufnahmen
gemacht. Auch hier liegt der Fokus auf der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Es werden die
Stärken der Eltern hervorgehoben und sie haben die Möglichkeit, mal aus einem anderen
Blickwinkel zu schauen, dem der Videokamera. Dieser Blickwinkel kann es ihnen erleichtern, sich
selbst mit den Augen ihres Kindes zu sehen.
Damit Kinder ausreichend explorieren können, um ihre kognitiven, motorischen und sprachlichen
Fähigkeiten normal zu entwickeln, ist eine kindgerechte Umgebung erforderlich. Um diese zu
gewährleisten, sollte der Haushalt über eine Grundorganisation, eine ausreichende Ordnung
verfügen und er sollte möglichst kindersicher sein. Außerdem brauchen Kinder und ihre
Bezugsperson eine relativ vorhersehbare Alltagsstruktur. Es ist wichtig, dass immer eine
erwachsene Person für das Kind verfügbar ist, die angemessen und interessiert auf das Kind
eingeht. In manchen Fällen benötigt der STEEP-Berater für die Umsetzung eines geordneten
Haushalts mit einer verlässlichen Tagesstruktur mehr Zeit, da beengte oder häufig wechselnde
Wohnverhältnisse es besonders schwierig machen. Es wird dann gemeinsam mit der Familie
versucht, schnellstmöglich bessere Umstände zu schaffen.
115
116
Vgl. Erickson & Egeland 2002, S. 39-42
Vgl. Dornes 2002, S. 253-254
28
Zudem macht es sich das STEEP-Programm zur Aufgabe, den Familien zu zeigen, welche sozialen
Unterstützungsangebote in ihrer Reichweite vorhanden sind und wie sie diese nutzen können. Denn
diese Angebote sind auch noch nach Beendigung des Programms vorhanden und stärken die ElternKind-Beziehung. Zu diesen Angeboten gehören offizielle Stellen, aber auch Freunde und
Familienangehörige. Die Eltern lernen, wie sie auf andere Menschen zugehen und um Hilfe bitten
können. Sie lernen aber auch, wie sie sich gegenüber Menschen, die es offenbar nicht so gut mit
ihnen meinen, abgrenzen können. Durch das STEEP-Programm lernen sie, ihr Leben selbst in die
Hand zu nehmen, dies auch in Bezug auf Entscheidungen, die sie treffen. Denn einige belastende
Lebensumstände sind manchmal auch die Folge von unüberlegten, schlecht organisierten
Entscheidungen. Durch verantwortungsbewusste Planung ließen sich diese Umstände vermeiden.
Diese vernünftige Planung üben die Eltern mit der STEEP-Beraterin, um bessere Chancen für sich
und ihre Kinder zu schaffen. Dafür werden die Eltern um eine Einschätzung ihrer aktuellen
Situation, ihrer Probleme und ihrer Stärken gebeten. Daraufhin erstellen sie persönliche Ziele. Die
STEEP-Berater suchen gemeinsam mit den Familien nach Möglichkeiten zur Stabilisierung ihrer
Gesamtsituation. Denn nur, wenn Eltern und Kind weitestgehend von anderen Sorgen befreit sind,
können sie in Beziehung zueinander gehen und ihr familiäres Miteinander genießen.
Um ihre eigenen Ziele zu erreichen, müssen Eltern, die vielleicht früh erfahren haben, dass ihre
Stimme nicht zählt, wieder lernen, dass sie sehr wohl etwas bewirken können. Die STEEP-Berater
verdeutlichen ihnen, dass sie Optionen haben und in der Lage sind, durchdachte und vernünftige
Entscheidungen für sich und ihr Kind zu treffen.117
An dieser Stelle möchte ich noch mal die Wichtigkeit der Psychohygiene der STEEP-Berater
betonen, für diese anspruchsvolle Arbeit über einen langen Zeitraum.
Projektbegleitende Studien des STEEP-Programms haben ergeben, dass die Berater am
wirkungsvollsten waren,
die eine erworbene Bindungssicherheit hatten. Erworbene
Bindungssicherheit heißt, dass durch Exploration ihrer Lebensgeschichte es zu einer Veränderung
ihrer Bindungsrepräsentationen (=earned secure) kam. 118
4.3
Eltern-Kleinkind-Beratung
Die Eltern-Kleinkind-Beratung und -Therapie versucht, ähnlich wie das STEEP-Programm
Grundkenntnisse über die frühkindliche Entwicklung für die Beratungspraxis nutzbar zu machen.
Sofern die Symptome eines Säuglings keine organischen Ursachen haben, werden diese ebenfalls
als Folge einer Interaktions- oder Beziehungsstörung gesehen. Auch die Eltern-Kleinkind-Beratung
geht davon aus, dass es für die weitere Entwicklung des Kindes sowie für das allgemeine
Wohlbefinden des Säuglings und der Eltern notwendig ist, diese Beziehungsstörungen zu erkennen
und zu behandeln.
Die Sozialarbeiterin und Kinderpsychotherapeutin Selma Fraiberg entwickelte mit anderen
Sozialarbeitern ein Frühinterventionsprogramm, um einen Zugang zu adoleszenten und/oder
alleinstehenden Müttern aus dem sozial schwachen Milieu und Multiproblemfamilien zu
ermöglichen. Damit wollte sie die herkömmliche Alternative der Fremdunterbringung des Kindes
umgehen.
Ihre psychoanalytische Sicht der Dinge brachte sie zu der Erkenntnis, dass Eltern ihre Kinder
misshandeln, vernachlässigen oder in sonst einer Weise suboptimal behandeln, weil sie unter ihren
eigenen frühen negativen Beziehungserfahrungen leiden. Dafür „erfand“ sie den bildhaften Begriff
„ghosts in the nursery“, also die Geister die in jedem Kinderzimmer als ungeladene, unterbewusste
117
118
Vgl. Erickson & Egeland 2006, S. 29-44
Vgl. www.khbrisch.de
29
Gäste existieren.119 Diese Sichtweise ist jedoch umstritten, da andere Autoren die eher
gegenwärtigen Lebensumstände als Grund für eine schwierige Eltern-Kind-Beziehung sehen und
nicht die Vergangenheit.120 Ich bin allerdings von der Bedeutung der frühen Beziehungserfahrungen
der Eltern hinsichtlich der Beziehungsproblematik mit ihrem Kind überzeugt. Dies belegen die
Erkenntnisse von Stauss, Schore, Stern und anderen Autoren, welche ich in den vorangegangenen
Kapiteln aufgeführt habe. Dabei habe ich nicht aus den Augen verloren, dass andere schwierige
Lebensumstände, z.B. materieller Art, eine Familie zusätzlich belasten können. Auch diese sollten
mit der Unterstützung eines Sozialarbeiters bewältigt werden, um ungehindert auf der
Beziehungsebene arbeiten zu können.
Genau wie beim STEEP-Programm geht man davon aus, dass Eltern von Kindern mit
Auffälligkeiten, Signale ihrer Kinder häufig fehlinterpretieren. Diese Fehlinterpretation wird mit
den „Geistern im Kinderzimmer“ in Verbindung gebracht, da die Eltern die Botschaften mit
projektiven Bedeutungszuschreibungen überlasten. Die Eltern projektieren also eigene Anteile aus
eigenen frühen Erfahrungen und damit eigene Gefühle in die Signale ihrer Kinder. Dadurch kommt
es zu einem Teufelskreis, welcher schnell zu verfestigten Symptomen beim Säugling führen kann.
Durch die Analyse der Vergangenheit der Eltern und die darauf folgende Bewusstmachung und
Durcharbeitung der Projektionen haben die Symptome des Säuglings häufig schnell ein Ende, da
sich die Eltern-Kind-Interaktion verbessert. Wichtig ist also, dass die unterbewussten
Fehldeutungen in der Beratung erkannt werden und den Eltern bewusst gemacht werden. Ich bin
mir dabei allerdings nicht ganz sicher, inwieweit das ein Berater leisten kann. Es wäre wohl
angebracht, gravierende frühkindliche Störungen der Eltern oder eines Elternteils zu erkennen, um
eine Therapie für die Eltern zu empfehlen. Auf jeden Fall kann aber der Berater ein
Beziehungsangebot stellen, aus dem die Eltern Kraft, Erfahrung, Unterstützung und Anerkennung
schöpfen können, die sie brauchen, um mit ihrem Kind eine Beziehung aufzubauen und zu festigen
und um eventuell den Mut zu finden, eine Therapie für sich selbst aufzunehmen.
Dornes unterscheidet hier allerdings nicht genau zwischen Beratung und Therapie.
Die Eltern-Kind-Beratung arbeitet also vornehmlich mutter- bzw. elternzentriert. So stehen die
Eltern und ihre Fantasien über sich selbst und ihr Kind im Fokus.121
Es gibt jedoch auch Autoren, die der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit oder den
projektiven Bedeutungszuschreibungen keine Relevanz beimessen. Sie gehen davon aus, dass eher
aktuelle Befindlichkeiten, z.B. der Mutter, die „Geister im Kinderzimmer“ darstellen und die
Beziehung zum Kind belasten.122
Möglich ist also auch, die Projektion und ihre Ursachen nicht zu thematisieren, sondern die Mutter
nach einer anderen Auslegung zu fragen oder einen Vorschlag zu machen. Ein Beispiel: „Vielleicht
war die Handbewegung ihres Kindes gar nicht aggressiv gemeint und er wollte nur den Teddy, der
in der anderen Ecke des Zimmer sitzt, haben."
In einer stützenden, wertschätzenden Beratungsbeziehung kann dieses Vorgehen zu einer
Rücknahme der Projektion führen. Somit wird die Mutter angeregt, über ihre Reaktion
nachzudenken und sie kann gleichzeitig lernen, ihr Kind besser zu verstehen. Denn der geschützte
Rahmen innerhalb der Beziehung zum Berater ermöglicht es ihr, das eigene Verhalten und den
Säugling mit Abstand realistisch zu betrachten.
119
120
121
122
Vgl. Dornes 2000, S. 227-228
Vgl. Lewis 1997, S. 97
Vgl. Dornes 2000, S. 229-230
Vgl. Muir 1992, S. 319-328
30
Genau wie das STEEP-Programm geht die entwicklungspsychologische Eltern-Kleinkind-Beratung
davon aus, dass die Fehlinterpretationen nicht nur mit den eigenen inneren Konflikten der Eltern zu
erklären sind, sondern oft auch eine Folge von fehlendem Wissen sein kann. Da bedarf es einer
Aufklärung über Grundkenntnisse kindlicher Entwicklung. Wenn das jedoch nicht ausreicht, gibt es
zusätzlich die Möglichkeit von Übungssitzungen. Dabei geht es ebenfalls um das Verstehen der
kindlichen Signale. Hinzu kommt aber, dass die Eltern gemeinsam mit dem Berater das
dazugewonnene Wissen gleich praktisch ausprobieren. Die Eltern lernen also, ihr Kind richtig zu
verstehen, um dann angemessen auf ihn eingehen zu können. So kann z.B. bei Essstörungen das
Füttern geübt werden.
Dornes verdeutlicht an dieser Stelle, dass bei gravierenden Schwierigkeiten auf eine Eltern-KindTherapie verwiesen werden sollte.123
Ein weiterer Weg ist die „interaction guidance therapy“, deren Prinzipien auch in der ElternKleinkind-Beratung angewandt werden können. Hier liegt das Augenmerk auf dem Verhalten der
Mutter und nicht auf ihren Fantasien über das Kind. Die Beratung findet zu Hause, meist bei
Multiproblemfamilien statt. Das Prinzip ist, die positiven Ressourcen in der Interaktion mit dem
Kind zu erkennen und zu stärken. Der Berater wertschätzt diese Ressourcen, indem er sie anspricht
und kommt darüber mit den Eltern ins Gespräch. Um hinderliche Umstände in den Familien zu
identifizieren, muss der Berater in der Lage sein, eigene Wertevorstellungen von Richtig und
Falsch in Frage zu stellen und wie im DMM beschrieben, den Kontext der Familie im Auge
behalten, um nicht eigene Wertevorstellungen durchzusetzen. Auch dafür Supervision unabdingbar
für die Berater. Wenn man allerdings, ähnlich wie beim STEEP Programm, nur die Stärken der
Eltern anspricht und die Schwächen gänzlich ignoriert, könnten sich die Eltern, meiner Meinung
nach, womöglich nicht ernst genommen fühlen. Denn sie wissen sehr wohl, dass es Probleme
innerhalb der Beziehung zu ihrem Kind gibt. Sie sind ja der Grund für das Aufsuchen der Beratung.
Ich denke, man sollte beiden, den positiven und negativen, Anteilen innerhalb der Interaktionen
einen Raum geben und sie besprechen. Joines & Stewart erklären das in der Transaktionsanalyse.
Wird beispielsweise ein Kind nur für seine positiven Seiten gestroket und sein Fehlverhalten
ignoriert, wird es sich nur teilweise wahrgenommen fühlen und einen Strokemangel empfinden.
Ob die Gründe dafür, dass die Eltern Stärken zu selten nutzen können, nun in der Gegenwart oder
in der Vergangenheit oder in beidem liegen, ist nicht das Wichtigste und die Eltern können selbst
entscheiden, ob sie darüber sprechen möchten. So wird die Empathie für die Signale des Kindes
gestärkt.124
Jede Eltern-Kleinkind-Beratung sollte also folgende drei Säulen enthalten:
1. die entwicklungspsychologische Beratung,
2. die Sensibilisierung auf die kindlichen Bedürfnisse und Signale sowie
3. das Erkennen der Gründe für die elterliche Insensitivität in Bezug auf die Signale ihres
Kindes.
Zu Punkt 3 ist zu sagen, dass bei besonderer Hartnäckigkeit der Fehlinterpretationen, durch
charakterologische Verwurzelung, zu einer Einzeltherapie der Eltern oder eines Elternteils motiviert
werden sollte. Denn das übersteigt die Möglichkeiten von Beratung und Übung.125
Ich denke, sowohl das STEEP-Programm als auch die Eltern-Kleinkind-Beratung basiert auf einem
fürsorglichen, unterstützenden Beziehungsangebot des Beraters an die Eltern. Denn, wenn Mütter
sich selbst in einer mütterlich schützenden Umgebung befinden, die ihre tägliche Leistung
123
124
125
Vgl. Dornes 2000, S. 231-236
Vgl. McDonough 1993, S. 414-426
Vgl. Dornes 2000, S. 237
31
bezüglich des Alltags mit einem Kind anerkennt, sind sie in der Lage, ihre Fürsorge zu verbessern.
Durch bloße Belehrung kann weniger erreicht werden.126 Metaphorisch könnte man sagen, man
muss auch etwas in das Glas hineingießen, damit daraus getrunken werden kann.
4.4
Mentale Unterstützung durch eine „Doula“ vor, während und nach der Geburt
Anders als noch in vorherigen Jahrhunderten, werden Frauen heutzutage nicht mehr von anderen
Müttern rund um die Geburt unterstützt. Die Begleitung werdender oder frisch gewordene Mütter
bezieht sich meistens nur auf den rein medizinischen Kontext.127 Es ist jedoch so, dass durch die
Anwesenheit einer unterstützenden, kontinuierlichen Begleitung während der Geburt die
Kaiserschnittrate, die Geburtsdauer, die Verabreichung von Wehenmitteln, die medikamentöse
Schmerzbekämpfung, den Einsatz der Geburtszange und die Nachfrage nach einer
Periduralanästhesie bedeutend verringert werden konnten. Außerdem wurden wesentlich mehr
Babys voll gestillt und es traten weniger Ernährungsprobleme auf. Durch psychologische Tests
konnten bei den Müttern weniger innere Unruhe oder Anzeichen von Depressionen, aber mehr
Zufriedenheit in der Partnerschaft festgestellt werden.
Diese in Deutschland noch nicht sehr bekannte Berufsgruppe, welche diese Art von Unterstützung
für Mütter leistet, nennt sich „Doula“. Es gibt mindestens 2 Institute in Deutschland, die eine
solche Ausbildung für Frauen anbieten. Die Voraussetzung ist, dass die zukünftige Doula selbst
schon einmal Mutter geworden ist.
Eine Doula ersetzt nicht die Hebamme. Sie begleitet die Mutter und unterstützt sie in ihren
emotionalen Bedürfnissen. Zusammen mit der Doula können Ängste abgebaut werden und so kann
sich die Mutter mit weniger Stress und Anspannung ganz auf die Geburt konzentrieren. Auch nach
der Geburt können die Erlebnisse noch mal erinnert und bearbeitet werden. Zusätzlich stellt die
Doula auch eine Erleichterung für den werdenden Vater dar, denn er ist in dieser für ihn
unbekannten, vielleicht beängstigenden Situation nicht allein für die Unterstützung der Mutter
zuständig.128
Durch diese emotionale Unterstützung erlebt und erinnert die Mutter die Geburt oft positiver und
kann dadurch leichter eine positive Beziehung zu ihrem Kind aufbauen.129 Die Doula ist hier also
auch für ein Beziehungsangebot an die Mutter zuständig, woraus diese dann für die Beziehung zu
ihrem Kind schöpfen kann. Das Kind kann also schon ganz früh positive Beziehungserfahrungen
sammeln, welche so wichtig sind für seine psychische Entwicklung. Ein Kind, das von Anfang an
positive Bindungserfahrungen macht, kann sich auf der Grundlage von Sicherheit, Geborgenheit
und liebevoller Zuwendung optimal entwickeln.
Da das Oxytocinsystem in Bezug auf die soziale Interaktion und für die zwischenmenschliche
Beziehung eine große Rolle spielt, wirkt sich der Kontakt mit einer Doula offenbar stimulierend
auf die Oxytocinausschüttung im Gehirn aus oder verstärkt dessen Wirkung. Dadurch kann der
geübte Hautkontakt, beispielsweise mit einer Doula, in der postpartalen Phase zwischen Eltern und
ihrem Baby die Manifestation autistischer Symptome vermeiden. 130
Ich sehe hier eine Möglichkeit für eine Präventionsarbeit der Sozialen Arbeit. Durch präventive
Unterstützungsangebote für alle werdenden Eltern, kann der Einstieg in die Elternschaft erleichtert
werden. Je nach Bedarf, sollten Eltern die Möglichkeit erhalten, in kritischen Entwicklungsphasen
ihrer Kinder, Beratung selbstverständlicher in Anspruch nehmen zu können. Es besteht die
126
127
128
129
130
Vgl. Winnicott 1984, S. 63
Vgl. http://www.doulas-in-deutschland.de/
Vgl. http://www.gfg-bv.de/
Vgl. Unväs-Moberg 2011, S. 26
Vgl. Klaus et al. 1972, S. 460-463
32
Möglichkeit, schon vor der Geburt eventuelle Beziehungsschwierigkeiten zu beheben und Mutter
und Kind den Einstieg in das gemeinsame Leben zu erleichtern. Störungen können vermieden
werden, bevor sie überhaupt entstehen. Denn nur durch eine optimale mütterliche Fürsorge kann
die spätere geistig-seelische Gesundheit des Kindes gewährleistet werden.131
Unerlässlich für eine gewinnbringende Begleitung finde ich auch hier eine Supervision oder
zumindest einen regelmäßigen Austausch untereinander.
4.5
Unterstützung von Müttern autistisch gestörter Kinder
Hier beziehe ich mich auf ein spezielles Unterstützungsangebot, hinsichtlich der
Entwicklungsstörung Autismus. Da es dazu eine Studie von Oppenheim et al. gibt, die belegt, dass
autistische Kinder eher über eine sichere Bindung zu ihrer Mutter verfügen, wenn sich die Mutter
einfühlsam verhält und sie die Diagnose ihres Kindes bewusst verarbeitet hat. Generell hilft Eltern
von Kindern, die sich anders entwickeln als erwartet, die bewusste Verarbeitung der Diagnose, um
eine sichere Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.
Mit der Einfühlsamkeit ist der Blick aus den Augen des Kindes gemeint. Diese Mütter sind also
verständnisvoll im Hinblick auf das Verhalten ihres Kindes und haben eine komplexe Sicht auf ihr
Kind.132 Sie sind eher bereit, ihr Fürsorgeverhalten zu überdenken und werden von ihren Kindern
als akzeptierend und zugänglich erfahren. Somit entwickelt sich eine sichere Bindung.133
Darüber hinaus sind Studien mit normal entwickelten Kindern zu erwähnen, die einen
Zusammenhang zwischen der Empathie der Mutter und der Bindungssicherheit der Mutter
belegen.134
Über bindungsförderndes Verhalten bei Kindern mit einer autistischen Störung ist leider noch nicht
so viel bekannt. Es ist jedoch wichtig, dieses zu erforschen, weil die Empathie der Mutter nicht nur
vom angemessenen Lesen und Reagieren auf die Signale ihres Kindes abhängt, sondern auch
davon, in welcher Weise das Kind in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu signalisieren.135 Diese
Fähigkeit ist bei Kindern mit einer autistischen Störung oft beeinträchtigt.136 Ebenfalls ist es
wichtig, herauszufinden, was das spezielle, das positive Bindungsmuster fördernde
Fürsorgeverhalten ist.137 Denn ca. 50 % der autistisch gestörten Kinder entwickeln eine sichere
Bindung an ihre Mutter.138
Das Einfühlungsvermögen der Mutter, also der Blick aus den Augen ihres Kindes, schließt eine
Verarbeitung der Diagnose ihres Kindes ein. Denn um empathisch, mit Akzeptanz der
Herausforderungen, die mit der Diagnose einhergehen, auf ein Kind mit einer autistischen Störung
einzugehen, muss sich die Mutter der Diagnose offen stellen.139 Zur Verarbeitung der Diagnose ist
es für die Mutter erforderlich, die Gewissheit über die Krankheit und auch das damit verbundenen
schmerzliche Gefühl, sich vom „gewünschten“ Kind verabschieden zu müssen, in ihr inneres Bild
des Kindes aufzunehmen.140
Im Zuge dieser Integration der Diagnose in das innere Bild des Kindes ist es der Mutter möglich,
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
Vgl. Winnicott 1984, S. 63
Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 203
Vgl. Fonagy et al. 1991, 200-202
Vgl. Koren-Karie et al. 2002, S. 534-542
Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204
Vgl. Sigman, Capps 1997, S. 72
Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204
Vgl. Rutgers et al. 2004, S. 1123-1134
Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204
Vgl. Blacher 1984, S. 55-60
33
sich mit ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Bereitschaft zur Problemlösung an der Diagnose ihres
Kindes zu orientieren.141 Damit ist die Grundlage für das begünstigende Fürsorgeverhalten einer
sicheren Bindung geschaffen.142
Ich denke, dieses Konzept gilt auch für Mütter von Kindern, welche an anderen Störungen leiden.
Nur wenn die Diagnose von der Mutter komplett angenommen, verarbeitet und akzeptiert ist, kann
sie empathisch auf ihr Kind eingehen. Denn nur dann ist sie in der Lage, ihr Kind zu verstehen und
das Kind wird eine sichere Bindung zu ihr aufbauen.
Das stützt auch eine Studie mit Kindern mit der Diagnose zerebrale Kinderlähmung und Epilepsie.
Auch diese Kinder konnten eher eine sichere Bindung zu ihrer Mutter aufbauen, wenn diese die
Diagnose ausreichend verarbeitet hat.143
Oft spüren Mütter intuitiv, dass mit ihrem Kind „etwas nicht stimmt“. Das heißt jedoch nicht, dass
sie dies benennen oder beschreiben können. Somit ist es für die Mütter nicht möglich, die
Problematik bewusst zu be- oder verarbeiten. Die ambivalenten Gefühle, meist Enttäuschung, die
eine Mutter durchlebt, wenn sich ihr Kind anders als erhofft entwickelt, sind oft mit
Schuldgefühlen verbunden. Aufgrund der Gefühlswelt der Mutter und der Hilfebedürftigkeit des
Kindes ergibt sich oft eine sehr enge Eltern-(Mutter)-Kind-Bindung, die es dem Kind nur wenig
erlaubt, Selbstständigkeit zu erlangen. Das hat dann ein erneutes Reifungsdefizit zur Folge. Durch
diese nicht ausreichend genutzten Lebensmöglichkeiten kommt es bei den Eltern oft zu
verdrängtem, heimlichem Groll und bei den Kindern zu Unselbstständigkeit, Bequemlichkeit,
Abhängigkeit und damit zu einem mangelnden Selbstbewusstsein.144
Es ist also wichtig, Mütter, deren Kinder eine Diagnose über eine Entwicklungsstörung bekommen,
in der Verarbeitung dieser zu begleiten, um die Bindungssicherheit ihrer Kinder nicht zu gefährden.
Diese Begleitung ist im Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit verankert. Es geht zum einen darum, die
Mütter über die Einzelheiten der Diagnose aufzuklären und über die Möglichkeiten des
bestmöglichen Umgangs damit. Zum anderen geht es darum, mit den Müttern über ihre Ängste,
ihre Trauer und ihre Wut zu sprechen. Auch hier geht es wieder um ein Beziehungsangebot des
Beraters an die Mutter und um das Containment der negativen Gefühle der Mutter. Dadurch wird es
der Mutter erleichtert, in Beziehung mit ihrem Kind zu gehen und dessen negative Gefühle
aufzunehmen. Es kann so eine Entwicklungsstörung vielleicht nicht mehr verhindert werden. Die
Schwere der Manifestation könnte meines Erachtens nach jedoch gelindert werden. Außerdem
können Mutter und Kind besser miteinander und mit der Diagnose umgehen, was das
Wohlbefinden beider steigert. Zusätzlich sind Selbsthilfegruppen, gegebenenfalls unter
professioneller Anleitung, eine große Bereicherung. Hier können sich die Mutter untereinander
austauschen, sich Mut machen und Hoffnung schöpfen. Die Mütter bekommen das Gefühl, nicht
allein zu sein und verstanden zu werden. Diese Erleichterung wirkt sich wiederum positiv auf die
Beziehung zu ihrem Kind aus.
Denn nur wenn die Diagnose verarbeitet wurde, kann die Mutter dem Kind die nötige Sicherheit
innerhalb der Beziehung bieten, welche die Grundbedingung für die Hirnentwicklung und die
Lernfähigkeit des Kindes darstellt. Unsicherheit produziert Stress, was den Adrenalinspiegel
ansteigen lässt. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Störung der Stoffwechselprozesse im Hirn,
was wiederum die Blockierung der Informationsspeicherung und die Beeinträchtigung der
emotionalen Fähigkeiten nach sich zieht.145
141
142
143
144
145
Vgl. Oppenheim et al. 2011, S. 204
Vgl. Marvin & Pianta 1996, S. 436-445
Vgl. Marvin & Pianta 1996, S. 436-445
Vgl. Rass 2008, S. 37-38
Vgl. Rass 2008, S. 38
34
4.6
Sozialarbeit in der Intensivpsychotherapie
In der Intensivpsychotherapie werden Kinder und Jugendliche stationär betreut. Sie leben aber
nicht auf einer typischen Station, sondern in einer Wohnung mit Familienwohnungscharakter. Sie
haben eine Bezugsperson, meist eine Krankenschwester, die sie zur Einzel-, Gruppen- und
Kreativtherapie sowie in die Klinikschule begleitet. Das gesamte Team tauscht sich regelmäßig aus
und die Teilnahme an einer Supervision ist verpflichtend.
Da viele Patienten aufgrund ihrer psychischen Probleme wenig in der Lage sind, Beziehungen zu
anderen einzugehen oder sich in Gruppen zu integrieren, sind sie vom sozialen Umfeld oft
ausgeschlossen. Es ist für sie also oft nicht möglich, regelmäßig den Kindergarten oder die Schule
zu besuchen. Denn um gruppenfähig zu sein, wäre es erforderlich146, „dass sie zunächst einmal in
Zweierbeziehungen ihre Gefühle einbringen und regulieren können, ohne ihre innere Struktur zu
verlieren“.147 Durch den Verlust des sozialen Umfeldes verschlechtert sich häufig der psychische
Zustand.
Die Patienten und ihre Familien brauchen also dringend eine soziale Beratung und Begleitung, die
die Erfolge der Therapie unterstützen.
146
147
Vgl. Brisch 2011, S. 303
Sachse & Strauß 2002, S. 134-140
35
5
Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapie im Problemfeld
frühkindlicher Entwicklungsstörungen
Dort, wo die Möglichkeiten der Beratung überschritten werden, also wo auf Seiten der Eltern oder
der Kinder der Fall einer psychischen Störung mit Krankheitswert besteht, ist Psychotherapie
angezeigt. Ich habe auch hier aufgrund eigenen Interesses und eigener Überzeugung ein paar
Behandlungsmöglichkeiten ausgewählt und bearbeitet. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass es noch
viele andere Möglichkeiten und Methoden gibt, deren Bearbeitung den Rahmen meiner Arbeit
allerdings übersteigen würden.
Bowlby kam zu der Erkenntnis, dass jedes Verhalten des Kindes darauf abzielt, die Bindung zur
Bezugsperson aufrechtzuerhalten. Über dieses Repertoire des Bindungsverhaltens verfügt jedes
Kind ab der Geburt. Das Fürsorgeverhalten der Bezugsperson ist das Gegenstück zum
Bindungsverhalten des Kindes. Diese beiden Komplementären sind perfekt aufeinander
abgestimmt.148 Das gilt es auch innerhalb der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen zu
beachten. Man muss davon ausgehen, dass das Verhalten eines Kindes eine bestimmte Funktion
innerhalb seiner Familie erfüllt. Arbeitet man beispielsweise mit einem Kind aus einer
gewalttätigen Familie an dessen Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit, ist es unabdingbar die
Eltern mit einzubeziehen. Denn man kann sich vorstellen, was das neu erlangte selbstbewusste
Auftreten des Kindes, gegenüber seines aggressiven Vaters, zur Folge haben kann. Es hilft also nur
nachhaltig, wenn man, vielleicht mit sozialpädagogischer Unterstützung, auch die Systeme, die das
Kind umgeben, behandelt und unterstützt. Denn schon Freud machte klar, dass ein Kind immer
nach der Bindung zu seinen Bezugspersonen bestrebt ist, auch wenn diese sich abweisend
verhalten. Dies geschieht aufgrund einer biologischen Notwendigkeit: das Überleben. Die ersten
Beziehungen sind ausschlaggebend für die weitere sozial-emotionale Entwicklung des Kindes bis
hin zum Erwachsenenalter.149
5.1
Die psychoanalytische Säuglings/Kleinkind-Eltern-Psychotherapie
Die klinisch-empirische Säuglingsforschung etablierte den Begriff des „kompetenten Säuglings“.
Damit ist gemeint, dass der neugeborene Säugling sich mit seinen unterschiedlichen Emotionen,
selbstregulatorischen Kompetenzen und Affekten wesentlich in die Mutter-Vater-Kind-Interaktion
einbringt und diese beeinflusst. Die Co-Regulation der Eltern ist ein ebenso wichtiger Anteil für
eine gelungene Interaktion. Ausschlaggebend für eine psychisch stabile Struktur des Kindes ist die
Fähigkeit der Eltern, angemessen auf die Interaktionseinladungen des Kindes einzugehen und diese
altersadäquat zu gestalten, um so eine gute Bindung aufzubauen.
Diese frühzeitige Intervention in den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung macht die
Behandlung psychischer Störungen im Säuglings- oder Kleinkindalter besonders nachhaltig
wirksam.150
Das komplexe Beziehungs- und Interaktionsgeflecht zwischen Mutter, Vater und Kind bedarf einer
besonderen Zugangsweise. Der Therapeut erweitert dieses triadische Beziehungssystem durch sein
Hinzukommen.
Die Säuglings-Kleinkind-Eltern-Psychotherapie (SKEPT) beginnt mit ähnlichen Aspekten wie die
Beratung. Es kann eine entlastende Beratung erfolgen, bei der die Eltern, für das was sie leisten,
Anerkennung und Wertschätzung erhalten. Darüber hinaus können sie auch Grundwissen über
entwicklungsspezifische Besonderheiten von Kindern vermittelt bekommen. Dadurch wird ein
148
149
150
Vgl. Fremmer-Bombik & Grossmann 1993, S. 85
Vgl. Fremmer-Bombik & Grossmann 1993, S. 83
Vgl. Cierpka & Windaus 2007, S. 7
36
Zugang zu den aktuellen und vergangenen Beziehungserfahrungen geschaffen. Durch
Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse werden dabei bewusste und unbewusste Vorstellungen
über diese Beziehungen erhellt. Die Interaktion zwischen dem kleinen Kind und seinen Eltern
repräsentiert die inneren Wünsche und deren Abwehr.
Förderlich für die Arbeit ist, dass die Eltern, aufgrund ihrer neuen Situation und Erwartungen auf
das Kind, sehr ansprechbar sind für Hilfe und Unterstützung. Denn sie erhoffen sich schnelle
Verbesserung in Bezug auf die Symptome ihrer Kinder. Hinzu kommt, dass Eltern in der ersten
Phase der Elternschaft sehr offen und feinfühlig sind. Denn in dieser Phase werden auf sonderbare
Weise eigene Kindheitserinnerungen wach. Dieses Phänomen kann die Wirksamkeit
therapeutischer Interventionen verstärken. Es kann jedoch auch vorkommen, dass traumatische
Erlebnisse aus der frühen Kindheit so überwältigend sind, dass sie den therapeutischen Prozess
hemmen. Hinzu kommen, durch problematische Beziehungserfahrungen mit den eigenen Eltern,
negative Übertragungen auf den Therapeuten. Der Therapeut muss diese negativen
Übertragungsangebote erkennen und in seine Arbeit einbeziehen. Da es sich um ein ganzes
Beziehungssystem, bestehend aus 3 einzelnen Individuen, mit Bedürfnissen, Ängsten und
Wünschen, handelt, ist die Arbeit mit Säuglingen und ihren Eltern hochkomplex.
Ein grundlegender Aspekt in der psychoanalytischen Arbeit ist das Beobachten. Der Therapeut
nimmt die körperlichen und emotionalen Aktionen aller Beteiligten wahr. Dabei wird er durch die
Gegenübertragung in bestimmte Gefühlslagen versetzt. Fühlt er sich bedrängt, könnte das vielleicht
bedeuten, dass die Eltern das Kind in seinen Bedürfnissen übergehen und es aufdringlich
behandeln.
Diese spezifischen Interaktionsmuster der Objektbeziehungen, die der Therapeut wahrnimmt,
stehen in Zusammenhang mit den Kindheitserfahrungen der Eltern.
Natürlich bringt auch der Therapeut eigene Anteile mit in die Therapiestunde. Diese eigenen
Anteile, die seine bestimmten Einstellungen beeinflussen, fließen ebenfalls in das Geschehen ein.
Es ist von großer Wichtigkeit, das zu erkennen und zu reflektieren, um eigene Anteile nicht mit
denen der Familie zu vermischen, aber auch, um eventuelles Nicht-Wissen zu ertragen. Beispiel:
So könnte die Mutter, unbewusst den Therapeuten an die sehr strenge, unliebevolle Großmutter
erinnern. Diese Übertragung könnte dazu führen, dass er nicht die reale Mutter sieht und sie
vorschnell verurteilt. Aber vielleicht gibt es eine sehr versorgende, empathische Seite der Mutter,
von der ihr Kind sehr profitiert, die er dadurch nicht wahrnehmen kann.151
„Eine Übertragung bezeichnet den Vorgang, wodurch die unbewussten Wünsche an bestimmten
Objekten im Rahmen eines bestimmten Beziehungstypus, der sich mit diesen Objekten ergeben hat,
aktualisiert werden.“152 „Die Gesamtheit der unbewussten Reaktionen des Analytikers auf die
Person des Analysanden und ganz besonders auf dessen Übertragung wird als Gegenübertragung
bezeichnet.“153
Die differenzierte Reflexion der Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse hilft dem Therapeuten
bei einer ersten Hypothesenbildung hinsichtlich des unbewussten Konfliktes oder struktureller
Defizite. Hinzu kommen die Signale und Äußerungen des kleinen Kindes, die den Prozess des
Verstehens voranbringen.
Auch bei der SKEPT spielt das Prinzip des Containment eine Rolle. Der Therapeut nimmt alle
Emotionen und Spannungen des Beziehungsgefüges auf. Er hält sie (aus) und bewahrt sie erst
einmal auf, ohne gleich handeln zu müssen. Die für die Beteiligten unerträglichen und
ungeordneten Gefühle werden beim Therapeut abgelagert und dieser versucht, sie zu deuten und in
151
152
153
Vgl. Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 113-118
Laplanche 1973, S. 550
Laplanche 1973, S. 164
37
einen Sinnzusammenhang zu bringen. Daraufhin gibt der Therapeut diese Gefühle in geordneter,
„entgifteter“ und weniger bedrohlicher Form zurück. So können Eltern und Kind diese Gefühle in
ihr Beziehungsgeflecht integrieren.
Diese Erfahrung mit dem Containment ist beispielhaft für die Eltern, um selbst die Gefühle ihres
Kindes containen zu können. Denn dadurch, dass ihnen ihre negativen Gefühle ein Stück weit
abgenommen und „entgiftet“ werden, können sie mehr inneren Raum für die Gefühle ihres Kindes
entwickeln.
Die Bedrohlichkeit der Kindheitserfahrungen kann durch das Containment und die besondere
Offenheit während der ersten Phase der Elternschaft vermindert werden.154 Die noch ungeordnete
Welt des Babys gewinnt dadurch mehr Sicherheit und Ordnung und Symbolisierungs-, Sprach- und
Beziehungsfähigkeit können sich entwickeln.155
Um den Eltern die Möglichkeit zu geben, ihr Kind mal aus der Perspektive des Kindes zu
betrachten, drückt der Therapeut seine Aktionen und Reaktionen aus und ordnet sie sinnvoll, sodass
es für die Eltern verständlich ist. Möglicherweise können auch hier die Eltern die Welt mal aus den
Augen ihres Kindes sehen und es dadurch besser verstehen.156
Im direkten Zusammenhang mit dem Containment steht die Mentalisierung.157 Hierbei geht es um
das Verstehen von und Nachdenken über seelische Zustände, sowohl die eigenen als auch die
anderer. Gelingt Eltern das Mentalisieren, haben sie eine Vorstellung bezüglich ihrer inneren
Bedürfnisse und Befindlichkeiten und bezüglich der ihres Kindes. Es ist wichtig für die
Entwicklung des Kindes, dass die Eltern das Kind als real und eigenständig, also mit eigenen
Bedürfnissen und einer eigenen Persönlichkeit, empfinden. Zusammen mit dem Therapeuten
versuchen die Eltern dann, die Signale ihres Kindes richtig zu verstehen und angemessen auf diese
einzugehen. Dadurch wird es ihnen zukünftig möglich sein, das Verhalten vorausschauend
einschätzen zu können. Alltägliche Abläufe werden für die Eltern dann vertraut und berechenbar.
Das hat zur Folge, dass sie diese Sicherheit auf das Kind übertragen. Dieses fühlt sich dann gut
gehalten und die Eltern fühlen sich in ihrer Funktion kompetent. Das alles trägt zu einer sicheren
Bindung bei.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Arbeit mit kleinen Kindern und ihren Eltern ist die
Triangulierungsfähigkeit.
Mutter, Vater und Kind bilden eine Triade, aber auch Therapeut, Mutter und Kind usw. Störungen
kann es geben, wenn die Zweierbeziehungen der Eltern sich so gestalten, dass der Dritte
ausgeschlossen wird. So kann z.B. Eifersucht auf Seiten des Vaters entstehen, der sich ausgegrenzt
fühlt, wenn Mutter und Kind interagieren. Störungen kann es aber auch auf Seiten des Kindes
geben, was in der Mitte der Zweierbeziehungen keinen Platz findet.
Das Ziel der Therapie liegt also auch darin, die Triangulierungsfähigkeit aller Beteiligten zu
stärken, damit die Beziehung als Triade, also als Dreierbeziehung, funktioniert. Die
Triangulierungsfähigkeit wird durch die triadische Erfahrung innerhalb des therapeutischen
Settings gefördert. Dadurch erfahren alle Beteiligten eine Entlastung und eine innere Bereicherung.
Die Wertschätzung, Unterstützung, Förderung und Ermutigung der Eltern im Vordergrund dieses
Settings. Diese positiven Beziehungserfahrungen mit dem Therapeuten, sind die Basis für eine
positive Beziehung zwischen Eltern und Kind. Die Eltern bekommen die Möglichkeit,
Unausgesprochenes und Unaussprechliches ohne Schuldzuweisungen zu äußern. Dadurch erfahren
154
155
156
157
Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 113-118
Vgl. Knott 2003, S. 530
Vgl. Cierpka et al. 2007, S.115
Vgl. Fonagy et al. 2004, S.77-80
38
sie eine enorme Entlastung, die sich wiederum erleichternd auf die Triade auswirkt. Außerdem
werden durch die Arbeit mit dem Therapeuten unbewusste Fantasien erhellt und dadurch ihre
Wirkung auf die Interaktion erklärt. Durch die Erfahrung und das Einfühlungsvermögen des
Therapeuten ist es auch möglich, verbal oder averbal zu intervenieren, ohne die Mutter oder die
Eltern in ihrer Rolle in Frage zu stellen.
Besonders schnelle Intervention ist gefragt, wenn Misshandlung des Kindes droht. Hier gilt es,
Hilfsangebote anzubieten, wie z.B. ein schützender, entlastender stationärer Aufenthalt der Mutter
mit dem Kind oder eine Erziehungshilfe, bis hin zur Fremdunterbringung des Kindes. Dafür bedarf
es eines übergreifenden, kooperativen Netzwerkes. An dieser Stelle könnte die vernetzte Soziale
Arbeit gefragt sein.
Zum Ende der Therapie werden die Eltern motiviert, selbst zu entscheiden, wie viel an
Unterstützung sie noch benötigen und wünschen. Das stimmen sie dann mit dem Therapeuten ab.
Stern beschreibt die Ziele der SKEPT folgendermaßen: eine positive Entwicklung, gegebenenfalls
eine Veränderung der bestehenden Repräsentanzen bei den Eltern und besonders beim Kind. Damit
gehen bestimmte Veränderungen einher: eine zunehmende somatische und psychische Gesundheit
des Säuglings, woraufhin Entwicklungsschritte möglich werden. Außerdem kommt es zu einer
Verstärkung der intuitiven elterlichen Kompetenz und Feinfühligkeit und Eltern und Kind erleben
die gemeinsamen Interaktionen befriedigender. Es werden Triangulierungsprozesse ermöglicht
und/oder gefördert. Durch die Erhellung unbewusster Fantasien wird der wesentliche innere
Konflikt gemildert und die negativen Projektionen der Eltern werden bearbeitet.158
5.1.1 Unterschiede zwischen der psychoanalytischen und
verhaltenstherapeutischen Säuglings/Kleinkind-Eltern-Therapie
Der wesentliche Unterschied zwischen der psychoanalytisch orientierten und der
verhaltenstherapeutischen Arbeit ist, dass erstere sich mit den Projektionen der Eltern und deren
Ursachen in der Vergangenheit beschäftigt. In der Verhaltenstherapie wird es nicht als notwendig
angesehen, die Kindheit der Eltern und die daraus entstandenen Projektionen zu analysieren und
durchzuarbeiten. Verhaltenstherapeuten sehen das „Graben“ in der Vergangenheit nicht als
notwendig an. Psychoanalytiker hingegen gehen davon aus, dass dessen Vernachlässigung nicht
mehr als eine vorübergehende Symptomverbesserung zur Folge hat.159
Eine Studie, an der Psychoanalytiker und Verhaltenstherapeuten mitwirkten, ergab, dass beide
Verfahren gleichermaßen erfolgreich sind.160 So konnten mit beiden Verfahren, bei etwa gleicher
Anzahl der Sitzungen, gleiche Ergebnisse mit übereinstimmender Dauer erzielt werden.
Jedoch wird bis heute noch auf beiden Seiten versucht, das jeweilige Verfahren als das bessere zu
beweisen.
Ich sehe jedoch eine Auseinandersetzung mit den Beziehungserfahrungen der Eltern als
unabdingbar an, um eine dauerhafte Verbesserung der Beziehungs- und Interaktionsqualität
zwischen Mutter/Eltern und Kind bewirken zu können. Denn unsere Vorstellung über andere
Personen bestimmt, wie wir Beziehungen zu ihnen erleben und mit welchen Erwartungen und
welchem Verhalten wir in diese Beziehungen treten. Der Grundstein für diese Vorstellungen wird in
unseren frühen Beziehungserfahrungen gelegt.
Wenn ein Säugling schreit, hängt die Reaktion davon ab, was man für Vorstellungen über ihn und
seine Absichten hat. Ist man der Meinung, das kleine Kind wolle einen absichtlich ärgern, wird
158
159
160
Vgl. Cierpka et al. 2007, S. 115-119
Vgl. Dornes 2000, S. 246
Vgl. Robert-Tissot et al. 1996, S. 97-114
39
man es womöglich „für sein Verhalten“ bestrafen, indem man es vielleicht einfach ignoriert. Eine
andere Person mit anderen Repräsentanzen würde eventuell in Panik verfallen, weil sie eine
Todesangst in den Schreien des Kindes erlebt. Eine Mutter, die ihre Repräsentanzen aber reflektiert
und bearbeitet hat, weiß womöglich, dass der Säugling nach Erfüllung seiner Bedürfnisse schreit,
also z.B. Nahrung oder Nähe, und kann angemessen und prompt auf die Signale ihres Kindes
eingehen.
Trotzdem gehen Verhaltenstherapeuten davon aus, dass Therapieformen, die statt an der
Vergangenheit am Verhalten ansetzen, ebenso die Veränderung von Beziehungsrepräsentationen
bewirken, da sich bei Veränderung des Beziehungsverhaltens auch die Beziehungsrepräsentationen
ändern.161 Diesen Punkt halte ich aber für fraglich, weil die Beziehungsrepräsentationen in aller
Regel unbewusst sind und es für die Veränderung eine Erhellung dieser bedarf. Jedoch denke ich,
dass es nicht so sehr auf die Therapieform ankommt, sondern eher, auf die positiven
Beziehungserfahrungen, die die Klienten mit dem Therapeuten machen können.
5.2
Innere Beistände – positive Beziehungserfahrungen und ihre nachhaltige
Wirkung
Menschen, die mit überwiegend schwierigen Beziehungserfahrungen aufwachsen, bleibt oft noch
eine „support figure“ oder auch ein innerer Beistand. Damit sind Personen aus ihrer Kindheit und
positive Erfahrungen, die sie mit diesen Personen machen, gemeint, deren Erinnerung ihnen im
zukünftigen Leben innerlich beisteht. Es ist dabei ganz individuell, wie lange eine solche Person
präsent sein muss, damit sie eine protektive Wirkung beim Kind hinterlässt. Beispiel: Eine
liebevolle Erzieherin, die eine kalte, unbarmherzige Kollegin vertritt, kann wegen der
„Kontrasterfahrung“ das eine Kind in eine noch tiefere Verzweiflung stürzen und dem anderen
Kind Hoffnung vermitteln, weil es sich, wenn auch für nur kurze Zeit, einmal gesehen und
angenommen fühlt. Diese nach Petzold „schützenden Insel Erfahrungen“, haben eine nicht zu
unterschätzende protektive Bedeutung durch162 „Verinnerlichung eines temporären ‘facilitating
environment‘ bzw. ‚potential space‘.“163 Auch wenn diese Erfahrungen nur ein paar Monate
andauern, wie z.B. während Aufenthalten in der Kinder-und Jugendpsychiatrie oder in
therapeutischen Wohngemeinschaften,164 kann auf sie in späteren Krisensituationen
zurückgegriffen oder im Falle einer späteren Therapie daran angeknüpft werden. Dies beweist eine
Follow-up-Untersuchung von Petzold, bei der 4 Kinderpsychotherapiegruppen,165 welche über 3
Jahre an Frühförderungs-, Kindertherapie- und Eltern-Kind-Programmen teilnahmen,166 nach 20
Jahren untersucht wurden. Hierfür wurden 6 Frauen und 3 Männer aus diesen Gruppen in 5 Kurzund 4 Tiefeninterviews über die Nachhaltigkeit ihrer Therapie aus Kindertagen befragt. Zur Zeit
der Therapie waren die Kinder 4 bis 7 Jahre alt und stammten aus sozial benachteiligten Familien.
7 der 9 Befragten beurteilten die ein- bis zweijährige Therapie als sehr hilfreich für ihre damaligen
Lebensumstände. Hinzu kommt, dass keiner der Befragten aktuell psychische Auffälligkeiten
aufwies oder unter gravierenden Lebensproblemen litt, obwohl alle in der Kindheit
Verhaltensauffälligkeiten und entsprechende Symptomatik zeigten.
Die übrigen 2 Befragten konnten sich nicht mehr genau an die Therapie erinnern.
5 der 9 Befragten konnten sogar eine wichtige Schutzfunktion der therapeutischen Erfahrung für
ihr späteres Leben erkennen. In schwierigen Phasen ihres Lebens dachten sie noch oft an die
161
162
163
164
165
166
Dornes 2000, S. 246-247
Vgl. Hilarion et al., 1993, S. 395
Winnicott 1972, S. 148-152
Vgl. Witt 1980. S. 404-422
Vgl. Hilarion et al. 1993, S. 396
Vgl. Geibel 1971, S. 271-273
40
Therapeuten, mit denen sie wenigstens einmal die Erfahrung machen konnten, wertgeschätzt und
angenommen zu sein. Dies gab ihnen Hoffnung, doch nicht so ungewollt zu sein, wie sie es
vielleicht oft dachten. Sie konnten also auch lernen, an etwas Gutes im Leben zu glauben. Somit
gab die kinderpsychotherapeutische Gruppenerfahrung nicht nur im häuslichen Umfeld eine
Unterstützung und Entlastung, sondern war ein wichtiger protektiver Faktor für das spätere Leben
der Beteiligten. Denn durch die Verinnerlichung der Erfahrung, angenommen und geschätzt zu
sein, und durch das Erleben einer anderen Form des zwischenmenschlichen Umgangs entwickelte
sich ein innerer Beistand, der den Klienten erhalten blieb.167
Innere Beistände haben demnach eine wesentliche Bedeutung. Denn die verinnerlichten
Personenrepräsentanzen und die Selbstbilder ergeben die Persönlichkeit eines Menschen. Sie sind
ausschlaggebend für z.B. das Selbstwertgefühl, Minderwertigkeits- oder Wertlosigkeitsgefühle.
Die inneren Beistände, die ein Kind während seiner Kindheit gewinnen konnte, sind heilsame
internale Schutzfaktoren. Es ist also wichtig, diese weiter zu erforschen und sie in der
Kindertherapie, Psychotherapie mit Erwachsenen aber auch in der Prävention einzusetzen und zu
nutzen. dafür zuständig ist, die äußeren Strukturen zu stabilisieren. Denn das ist die Voraussetzung
für die Arbeit an den inneren Strukturen.168
167
168
Vgl. Hilarion et al. 1993, S. 396
Vgl. Brisch 2011, S. 303
41
6
Beratung und Psychotherapie – ein Abgrenzungsversuch
Sowohl Psychotherapie als auch Beratung haben das Ziel der freien Entfaltung des Individuums,
der Platzfindung im kleineren und größeren Umfeld169, der Linderung menschlichen Leidens, der
Problemlösung und der allgemeinen Zufriedenheit des Menschen.170 Jedoch sind sie in
unterschiedliche Denkmodelle und in verschiedene institutionelle Kontexte eingebunden.171
Die Psychotherapie ist eine zwischenmenschliche Interaktion, die nonverbal und verbal vollzogen
werden kann, um Menschen in ihrem Verhalten, ihren Einstellungen oder Denkweisen zu
beeinflussen.172 Das ist bei der Beratung nicht der Fall. Sie vollzieht sich in der Regel verbal.
Außerdem bezieht sich die Beratung, anders als die Psychotherapie, auf fast alle Lebensbereiche.
Um ein Setting als Beratung bezeichnen zu können, müssen nach Kraft, folgende 3 Komponenten
erfüllt sein: Mindestens 2 Personen, mit komplementären Rollen (Ratsuchender/Klient vs. Berater)
und ein Problem, welches der Klient aktuell mit eigenen Mitteln nicht zu lösen in der Lage ist.173
Ich denke, diese Komponenten treffen auf das Setting einer Psychotherapie ebenfalls zu, wobei sich
die Probleme, derentwegen das jeweilige Angebot aufgesucht wird, unterscheiden. Das soziale
Beratungsangebot umfasst Schwangerschaftsberatung, Erziehungsberatung, Beratung im
Zwangskontext, Berufsberatung und vieles mehr. Wie der Ausdruck Beratung im Zwangskontext
(z.B. im Gefängnis oder im Jobcenter) schon aussagt, findet Beratung nicht immer freiwillig statt.
Psychotherapie hingegen größtenteils schon. Für beide ist eine genaue Diagnostik und Analyse der
Problemlage notwendig. Eine weitere Gemeinsamkeit, ist der Klient, der für das Liefern von
Informationen zuständig ist und den Prozess und das Ende wesentlich bestimmt. Beratung ist nicht
automatisch in das Umfeld von Therapie eingebunden. Es ist jedoch möglich, dass sich die durch
die Beratung erreichten Veränderungen der Lebensumstände des Klienten auf den Therapieprozess
desselben Klienten auswirken.174
Anders als die Therapie, findet Beratung heutzutage, so Kraft, nicht mehr nur „face to face“ statt,
sondern wird längst über sämtliche Kommunikationsmedien angeboten. So gibt es Beratungschats,
Beratung über das Telefon oder auch im Radio und Fernsehen.175 Für organisatorische
Alltagsprobleme sind diese kontaktvermeidenden Beratungsangebote eventuell ausreichend. Für
Probleme auf der Beziehungsebene halte ich diese Angebote allerdings völlig ungeeignet.
Nach Kraft greift die Beratung in aller Regel bei Problemen, welche sich durch Übung und
Informationen bewältigen lassen. Handelt es sich allerdings um beispielsweise unbewusste
Konflikte, die sich in Übertragungs-Gegenübertragungprozessen äußern, für die eine Analyse
notwendig ist und welche folglich nicht eingeübt oder durch Information behebbar sind, übersteigt
das die Möglichkeiten der Beratung und fällt in das Aufgabenfeld der Therapie.176 Während sich
die Psychotherapie klar an „Patienten“ mit einer Störung mit Krankheitswert, wendet, hat die
Beratung ein inhaltlich weniger festgelegtes, entwicklungsorientiertes Angebot.177
Trifft man bei der Beratung eines Heranwachsenden auf ein intaktes Beziehungsumfeld, so ist die
Beratung ausreichend. 178
Eine deutliche Unterscheidung zwischen Psychotherapie und Beratung findet man auf der
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
Vgl. Rass 2008, S. 107
Vgl. Dryden & Feltham 1994, S. 10
Vgl. Engel, Nestmann & Sieckendiek 2004, S. 36
Vgl. Hoffmann 2005, S. 3
Vgl. Kraft 2009, S. 45-46
Vgl. Rass 2008, S. 107
Vgl. Kraft 2009, S. 45
Vgl. Kraft 1993, S. 354-363
Vgl. Mattejat & Pauschardt 2009, S. 172
Vgl. Rass 2008, S. 108
42
rechtlichen Seite. Die Psychotherapie und auch der Psychotherapeut sind rechtlich geschützte
Begriffe, nicht so die Begriffe Berater und Beratung, obwohl einige Beratungskontexte auch im
Gesetzestext geregelt sind. Die Aufgaben der Erziehungs- und Lebensberatungsstellen sind im
Kinder-und Jugendhilfegesetz, Sozialgesetzbuch, achtes Buch (SGB VIII) festgelegt.
Das psychotherapeutische Setting ist im Psychotherapeuten-Gesetz (Psych-ThG) formalrechtlich
geregelt. Dieses Gesetz unterscheidet klar zwischen Psychotherapie und Beratung. Für die
psychotherapeutische Tätigkeit ist eine Approbation als Psychologischer/Medizinischer
Psychotherapeut oder als Kinder- und Jugendlichentherapeut notwendig.179 Denn im § 1 (3) des
PsychThG heißt es dazu ganz klar: „Ausübung von Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist
jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene
Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen
Psychotherapie indiziert ist.“ 180 Anders als bei Beratung bezieht sich die Psychotherapie also auf
Störungen mit Krankheitswert und nicht auf diverse Lebenslagen und Entscheidungskonflikte, die
nicht einer psychischen Störung entsprechen. Um das zu bestimmen, wird normalerweise der ICD10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems),
die Internationale
statistische
Klassifikation
der
Krankheiten
und
verwandter
Gesundheitsprobleme, verwendet. Im Gesetzestext wird ein wesentliches Tätigkeitsfeld der
Beratung ausgeschlossen, die Aufarbeitung sozialer Konflikte. Auch hier findet eine deutliche
Abgrenzung zwischen Psychotherapie und Beratung statt. Dazu kommt, dass die Psychotherapie
sich überwiegend im medizinischen Sektor wiederfindet. Somit erzielt sie die Linderung und/oder
Behebung bereits vorhandener psychischer Störungen. Die Beratung greift jedoch in verschiedenen
Sektoren und arbeitet unter anderem mit Förderung von Kompetenzen als Ressourcenstärkung zur
Prävention psychischer Störungen.181 Diese Methode findet z.B. im Steep-Programm (Kapitel 3)
seine Anwendung.
Beratung und Psychotherapie haben also einen unterschiedlichen Rahmen aus Begründungs- und
Argumentationszusammenhängen.182
Nach Lueger ist eine Beratung bei „Klienten mit einer Verschlechterung des subjektiven
Wohlbefindens ohne Symptomatik bei allgemein gutem Funktionsniveau“183angebracht.
Trotz der klaren Unterschiede gibt es einen Überschneidungsbereich und eine Beratung kann
durchaus in eine Therapie übergehen oder zu dieser motivieren oder umgekehrt. Eine Beratung
kann nach Beendigung der Therapie deren Erfolge im Alltag festigen. Außerdem können nicht
immer die Grenzen zwischen den Methoden und Interventionsformen beider Handlungsfelder klar
gezogen werden. Denn auch eine Psychotherapie kann bei erfolgreicher Intervention bereits nach
wenigen Sitzungen beendet sein und eine Erziehungsberatung von Eltern eines
verhaltensauffälligen Kindes kann beispielsweise über ein Jahr in Anspruch nehmen.
In der Psychotherapie gibt es auch beratende Anteile, jedoch ist der Charakter der Problemlagen ein
anderer als der, für den die Beratung zuständig ist. So handelt es sich bei der Beratung eher um
normative Problemlagen und diese werden mit Ressourcenstärkung bearbeitet.184
Mit Hilfe der folgenden Tabelle lassen sich die Überschneidungen sowie die Unterschiede deutlich
aufzeigen:
179
180
181
182
183
184
Vgl. Warschburger 2009, S. 21-172
Vgl. http://www.buzer.de/
Vgl. Warschburger 2009, S. 22
Vgl. Warschburger 2009, S. 172
Lueger 1995, S. 270
Vgl. Warschburger 2009, S. 22-23
43
Merkmal
Beratung
Psychotherapie
Beteiligte
Berater (i.d.R. psychosozialer
Psychotherapeut mit einem oder einer
Profession) mit einem oder einer Gruppe Gruppe von Klienten oder Patienten
von Klienten oder Ratsuchenden
Anlass
Vielfalt von Beratungsanlässen wie:
• „normative“ Entwicklungsprobleme
• Probleme im alltäglichen Lebensvollzug
• Entscheidungsanforderungen (z.B.
weitere schulische Laufbahn)
• Umgang mit veränderten Lebensbedingungen (z.B. neue Arbeitsstelle,
Verlust der Arbeitsstelle, Krankheit
etc.)
• eher: aktuter Charakter
Ausschluss: Störung mit Krankheitswert
(ĺ Therapie)
• Störung mit Krankheitswert
• Leidensdruck
• Chronische Probleme
Person mit Störungsbild steht im
Vordergrund der Betrachtung
Inanspruchnehmende
• man geht von einer generellen
Handlungsfähigkeit der
Klienten/Ratsuchenden aus
• supportiver Charakter betont:
zeitweilige Unterstützung in einer
Problemsituation
• starke Betonung von Autonomie und
Freiwilligkeit der Inanspruchnahme
(Ausnahmen möglich: z.B.
Schwangerschaftskonfliktberatung)
• Handlungsfähigkeit kann beim
Klienten/Patienten eingeschränkt sein
• Autonomie kann eingeschränkt sein
• freiwilliger Charakter für den Erfolg
von Therapie betont; dennoch auch
bei Selbst- und Fremdgefährdung
ohne Zustimmung des Patienten
Methodenrepertoire
• je nach theoretischer Ausbildung
unterschiedliche Herangehensweisen
zur Beseitigung des Problems
• diagnostische Kompetenzen
• interventive Kompetenzen (hier steht
der informative Aspekt im Vergleich
zur Psychotherapie stärker im
Vordergrund)
• evaluative Kompetenzen
• Strategien haben eher anregenden,
unterstützenden Charakter
• je nach theoretischer Ausbildung
unterschiedliche Herangehensweisen
zur Linderung der Symptomatik
• diagnostische Kompetenzen
• interventive Kompetenzen
• evaluative Kompetenzen
• Strategien sollen konkret zum Abbau
unangemessenen und Aufbau
angemessenen Verhalten beitragen
Ziel/Aufgabe
• entwicklungsorientierter Charakter
• Stärkung des Selbsthilferepertoires
(unterstützender Charakter)
• Aktivierung von Ressourcen
Je nach Beratungsanlass unterschiedlich:
• Beheben eines Informationsdefizits
• Orientierungshilfe geben
• Unterstützung bei
Entscheidungsfindung
• Bewältigungskompetenzen/Problemlö
sefertigkeiten steigern
• Veränderung der sozialen
Bedingungen
• Prävention des Auftretens
psychosozialer Hindernisse im
Entwicklungsverlauf
• Anstoßcharakter: Weitervermittlung
• Linderung/Heilung der psychischen
Störung (kurativer Charakter)
• Prävention von sekundären
Folgeerscheinungen
• Unmittelbare Veränderungen der
Lebenssituation nicht angestrebt
• Persönlichkeits- und
Verhaltensänderung
44
zu anderen Interventionsangeboten/
Dienstleistungsangeboten
Regelungen zur
Zusammenarbeit
oftmals informelle Beratungsverträge
Einsatzbereich
• keine eindeutige Fokussierung nur auf • Linderung/Behebung von Störung im
den interventiven Bereich
Vordergrund
• zahlreiche präventive Angebote
• Präventiver Charakter tritt in den
(indizierte sowie universelle
Hintergrund
Prävention)
Fokus
Starke Betonung von:
• Ressourcenorientierung (personale
wie soziale Ressourcen)
• Entwicklungsorientierung
• sozialer, lebensweltlicher
Bezug/unmittelbarer Alltagsbezug
Starke Betonung/Zentrierung auf Person
mit Störung sowie deren unmittelbares
soziales Umfeld
Dauer und Intensität
• i.d.R. eher kurzfristig (5-10
Sitzungen)
• „lockerer“ Rhythmus je nach
Problemlage und
Unterstützungsbedarf
• i.d.R. längerfristig (25 Sitzungen und
mehr; je nach therapeutischer
Orientierung)
• höhere zeitliche Verdichtung;
regelmäßige Treffen in zeitlich engen
Abständen
Zusammenarbeit mit
anderen
Berufsgruppen
• Interdisziplinarität explizit gefordert
• in institutionalisierten
Beratungseinrichtungen in Form von
interdisziplinären Teams realisiert
• nicht unbedingt notwendig
• Zusammenarbeit mit anderen
Berufsgruppen erfolgt (u.a.
Diagnostik)
Institutionalisierung
• staatliche Einrichtungen (wie z.B.
Erziehungs-, Sucht-, Schwangeren-,
Arbeitslosenberatungsstellen)
• karitative Einrichtungen
•
•
•
•
Interaktionsformen
Vielfalt von Interaktionsformen:
• face-to-face Kontakte
• technologie-basierte Beratung
(Telefon-Beratung, Online-Beratung)
• Informationsmaterial
• i.d.R. auf face-to-face Kontakte mit
einer oder mehreren Personen
begrenzt
Historische Wurzeln
Beratung und Psychotherapie teilen sich
gemeinsame Wurzeln aus:
• Psychotherapie
• Erziehung
• ehrenamtliche Tätigkeiten
• psychosoziale Berufsfelder (wie
Pädagogik; Sozialpädagogik)
i.d.R. formaler Behandlungsvertrag
private Praxen
universitäre Ambulanzen
Krankenhäuser
Rehabilitationseinrichtungen
• enge Verzahnung mit der Entwicklung
in der Medizin
Finanzierung
• kostenfreie, institutionalisierte
Beratungsangebote (ĺ Recht auf
Beratung in bestimmten Bereichen;
staatliche Finanzierung)
• kostenpflichtige, private Angebote
• i.d.R. Kostenübernahme durch
(gesetzliche bzw. private)
Krankenkassen
• selten: Selbstbezahler
Zugangswege für
Inanspruchnehmende
• in vielen Bereichen (z.B. Schulen;
Beratungsstellen) Angebote vor Ort
verfügbar; kein spezielles Antragsund Bewilligungsverfahren
• kostenpflichtige und -freie anonyme
und sehr kurzfristig verfügbare
• Psychotherapeut stellt nach
Eingangsdiagnostik Antrag auf
Kostenübernahme
• „hochschwelliges“ Angebot
45
Angebote (z.B. Internetforen;
Telefonhotlines)
• niedrigschwelliges Angebot
Zugangswege für
Professionelle
• zahlreiche Ausbildungsinstitute, die
beispielsweise in verschiedenen
Beratungsformen wie z.B. Coaching
oder lösungsorientierte Beratung
ausbilden; keine offizielle
Anerkennung
• oftmals: eklektizistische Orientierung
• Ausbildung in Verfahren
humanistischer Orientierung
(Gesprächspsychotherapie;
systemische Beratung) häufig
anzutreffen
• Ausbildung an einem anerkannten
Ausbildungsinstitut (nach definierten
Curricula, s. Approbationsordnung)
zum Erwerb der Approbation
(=Zulassung) auf der Basis eines
anerkannten Richtlinienverfahrens
(verhaltenstherapeutisch;
tiefenpsychologisch)
Rechtliche Aspekte
• kein staatlich geschützter Titel
• staatlich geschützte Titel:
Psychologischer Psychotherapeut
sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut
Zuordnung zu
Anwendungsfeldern
in der Psychologie
• Klinische Psychologie
• Gesundheitspsychologie
• Rehabilitationspsychologie /
Medizinische Psychologie
• Arbeits- und
Organisationspsychologie
• Pädagogische Psychologie
• neuere, sich gerade etablierende
Felder wie bspw. Medien- oder
Sportpsychologie
• Klinische Psychologie
Verortung in
Berufsfeldern /
Berufsprofil
keine Begrenzung; „Beratung“ findet in
allen Berufsgruppen statt; psychosoziale
Beratung in allen Berufsgruppen, die
sich mit den psychosozialen
Problemlagen von Menschen befassen;
wie z.B. Psychologie, Medizin,
Sozialarbeit, Sozialpädagogik,
Seelsorge, etc.
Sehr eng begrenzt und vom Gesetz klar
geregelt; im Wesentlichen:
• Psychologie
• Medizin
• Pädagogik
• Sozialpädagogik
Abbildung 3: Gegenüberstellung von Beratung und Psychotherapie (Quelle: Warschburger 2009, S. 24-26)
In der Tabelle wird deutlich, dass eine eindeutige Zuordnung zur Beratung oder zur Psychotherapie
nicht immer möglich ist. Dadurch gibt es Überschneidungen zwischen psychosozialer Beratung
und Psychotherapie. Sowohl die Psychotherapie als auch die Beratung nutzen eingreifende,
protektive, die Diagnostik betreffende und evaluative Methoden.
Im Kontext körperlicher Erkrankungen kommen Psychotherapie und Beratung zum Einsatz. So
können sich beispielsweise im Verlauf einer chronischen Krankheit psychische Störungen
entwickeln, die dann in einer Psychotherapie behandelt werden, wodurch sich auch die chronische
Krankheit verbessern sollte. Geht es allerdings um die emotionale Bewältigung der Veränderungen
durch die Krankheit oder um die Bewältigung des Alltags usw., greift normalerweise die Beratung.
Ich denke, hier können beide, Beratung und Psychotherapie, auch parallel verlaufen.
46
Man kann also zusammenfassend von einer Ergänzung und einer Kooperation beider
Interventionsformen sprechen. Denn durch den meist kostenfreien, jedem zugänglichen und
niedrigschwelligen Charakter der Beratung kann diese den Weg in eine Psychotherapie weisen und
gleichzeitig psychotherapeutische Maßnahmen begleiten und unterstützen. Außerdem kann die
Psychotherapie vom Lebensweltbezug der Beratung profitieren, denn dadurch können Erfolge einer
Therapie stabilisiert und in den Alltag des Patienten eingebracht werden. Beratung ist also ein
Bestandteil der Psychotherapie und umgekehrt und beide können fließend ineinander übergehen.185
Es ist klar geworden, dass Beratung und Psychotherapie rein rechtlich und formal zwei
unterschiedliche Modelle darstellen. Außerdem denke ich, dass eine Unterscheidung wichtig ist, da
für eine gewinnbringende Zusammenarbeit eine gewissen Spezialisierung und Ausbildung
erforderlich ist. So hat die Beratung nicht alle Möglichkeiten der Psychotherapie und umgekehrt.
Die Psychotherapie verfügt über den Handlungsrahmen, um Störungen mit Krankheitswert zu
behandeln. Beratung ist in den lebensweltlichen Kontext eingebunden und kann dem Klienten
damit besser helfen, seine äußeren Rahmenbedingungen zu stabilisieren.
185
Vgl. Warschburger 2009, S. 23-28
47
7
Resümee
Während meines Studiums machte ich die Erfahrung, dass die Erkenntnisse aus der
Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie und Säuglingsforschung nur marginal in der
Bachelorausbildung der Sozialen Arbeit behandelt wurden. In der Auseinandersetzung mit der
Thematik der frühen Störungen, ist mir deutlich geworden, dass Sozialarbeiter Kenntnisse darüber
brauchen, wie sich ein Mensch zu dem entwickelt, was ihn aktuell ausmacht und ein Wissen über
seine eigenen Bedürfnisse und Ängste, sowie die von anderen. Denn durch dieses Verständnis über
sich und andere, können sie mit ihren Klienten in Beziehung treten, welche die Grundlage des
Unterstützungsangebotes bildet. Ich konnte anhand der Theorien von Stauss, Schore, Bowlby,
Hess, Winnicott u.v.m. aufzeigen, dass frühe Beziehungserfahrungen maßgeblich die
Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen prägen. Sozialarbeit im Kontext früher Störungen
kann dieses Wissen nutzen um den Klienten ein Beziehungsangebot zur Verfügung zu stellen.
Denn um überhaupt Hilfe annehmen zu können, brauchen die Klienten im Sozialarbeiter eine
Person, mit der sie korrigierende positive Beziehungserfahrungen machen können. Nur mit einem
solchen Beistand können sie auch ihre negativen Gefühle eingestehen, deren Entstehung erforschen
und integrieren, dessen Unterdrückung sie in ihrer Autonomieentwicklung beeinträchtigen. Um
destruktives, selbstschädigendes Verhalten aufgeben zu können, müssen die Klienten, in der
Beziehung mit dem Sozialarbeiter bzw. Therapeuten, Selbstwirksamkeitserfahrungen machen
können. Es braucht Vertrauen damit die Klienten über die Stärken und Schwächen der eigenen
Persönlichkeit nachdenken können, ohne diese abzuwehren, um somit verstärkt mit den eigenen
Gefühlen in Kontakt zu kommen. Maßgeblich dafür ist das Containment für den individuellen
Lernprozess. Dafür muss sich der Sozialarbeiter zur Verfügung stellen.
Während meiner Arbeit, ist mir besonders klar geworden, dass psychische Störungen in den frühen
Beziehungserfahrungen ihren Anfang nehmen. Die frühen Interaktionserfahrungen prägen die
emotionale und soziale Entwicklung eines Menschen. Aus diesem Grund, sind präventive
Maßnahmen zur Verhinderung früher Störungen, aus meiner Sicht, besonders sinnvoll.
Um einen unterstützenden und sensiblen Umgang mit Eltern und deren Kindern zu ermöglichen,
bedarf es besondere beraterische Fähigkeiten und viel Einfühlungsvermögen.
Die Qualität des Beratungssettings hängt davon ab, in wie weit der Berater die bewussten und
unbewussten Motive, Ängste und inneren Konflikte bei sich und seinen Klienten wahrnimmt und
die Sitzungen darauf aufbauend gestaltet. Durch unbewusste Ängste und Abwehr besteht die
Gefahr, dass Berater daran gehindert werden, sich ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten zu bedienen,
um so kreative Perspektiven einnehmen zu können. Sie verwenden dann möglicherweise lieber
bestehende Methoden, anstatt auf der Beziehungsebene zu arbeiten.
Besonders wichtig ist auch, dass sich Sozialarbeiter ihrer persönlichen und institutionellen Grenzen
bewusst sind, um sich nicht zu überfordern und um die Vermischung eigener Anteile mit denen der
Klienten zu verhindern. Nur so sind sie in der Lage, angemessen in dieser hohen Komplexität
intervenieren und somit wirklich helfen zu können. Für diesen Prozess, sind regelmäßige
Supervisionen unerlässlich, um eigene Projektionen und den Stress aus dem Arbeitsalltag zu
bearbeiten.
Um diesen hohen Ansprüchen überhaupt gerecht werden zu können, also dieses Wissen zu
integrieren und anzuwenden, denke ich, benötigt es in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Sozialarbeitern spezifische psychoanalytisch orientierte Lehrangebote.
Eine Methode ist die Babybeobachtung nach Esther Bick.
Folgendes wird bei der Babybeobachtung erwirkt: (a) das Verstehen der inneren Welt des Kindes,
das sich innerhalb der Interaktion mit seinen Eltern entwickelt, (b) die Fähigkeit auch in
48
dramatischen Situationen die Beobachterrolle nicht zu verlassen, (c) die Fähigkeit, die eigenen
Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse wahrzunehmen und zu reflektieren, (d) die Fähigkeit,
zwischen verschiedenen Sichtweisen zu unterscheiden und (e) die Unterscheidung zwischen den
verschiedenen Ebenen der Reflexion beim Beobachten, der Verschriftlichung der Beobachtung und
der Reflexion in der Seminargruppe.186
Die Methode der Säuglingsbeobachtung bietet eine Lernerfahrung, bei der die Teilnehmer sich in
der Beobachterrolle erleben und die daraus gewonnenen Erfahrungen in einer Seminargruppe
interpretieren und verstehen lernen können. In der Gruppe machen sie Containment-Erfahrungen,
um sowohl die manifeste als auch die latente Bedeutung von Interaktionsprozessen zu verstehen.
Sie entwickeln ein Gefühl für die parallellaufenden, unbewussten und bewussten Ebenen einer
Beziehung. Außerdem ein Verständnis für die Gesamtsituation, um beide Ebenen miteinander
verbinden zu können, was dazu führt, Kenntnis über eigene diffuse oder ambivalente Gefühle,
sowie über die Gefühle anderer zu gewinnen.
Für Sozialarbeiter könnte das Erlernen dieser Methode hilfreich sein, um sie vor vorschnellen
Urteilen über ihre Klienten zu schützen. Indem sie die Beobachterrolle nicht verlassen, lernen sie,
das Geschehen mit allen Sinnen aufzunehmen und dabei Vorurteile und übereiltes Handeln zu
verhindern. Diese Methode führt zur Veränderung der Einstellungen und Haltungen und kann als
Prozess der Entschleunigung und Verringerung des Handlungsdrucks beschrieben werden.
Schwierige und unklare Situationen und somit das Noch-nicht-Wissen187 in Situationen können
dadurch länger ertragen werden..188
Um in diesem Bereich der frühen Störungen kompetent arbeiten zu können und um eine wirklich
gute Umsetzung der von mir angeführten Methoden möglicher zu machen, könnte meiner Meinung
nach, die Integration psychoanalytischer Sichtweisen und Methoden, wie z.B. die Methode der
Säuglingsbeobachtung hilfreich sein.
Das 2007 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gegründete Nationale
Zentrum „Frühe Hilfen“, hat Programme entwickelt für Eltern und Kinder und soziale
Frühwarnsysteme, um den präventiven Kinderschutz und die Fachpraxis beim Auf- und Ausbau der
Frühen Hilfen zu fördern. Im Programm „Pro Kind“, das in diesem Zusammenhang entwickelt
wurde, begleiten Familienbegleiter, Hebammen und Sozialpädagogen erstgebärende Frauen und
Familien, in schwierigen Lebenssituationen, von der Schwangerschaft bis zum 2. Geburtstag des
Kindes, um frühe Risiken in der kindlichen Entwicklung abzuwenden.189
In der Evaluierung des Projektes konnten wenige Effekte festgestellt werden. Die Gründe dafür,
lassen sich auch in den mangelnden Containment-Erfahrungen und deren selbstreflexiven
Prozessen, der Berater finden.190 Ich denke deutlich gemacht zu haben, dass Menschen in helfenden
Berufen, Unterstützungsangebote für selbstreflexive Prozesse und ein hohes Fachwissen über die
Entstehung früher Störungen benötigen, um ihren Klienten ein verbindliches Beziehungsangebot
machen zu können
Außerdem bin ich der Meinung, dass psychische Störungen in unserer Konkurrenzgesellschaft
notwendigerweise manifest werden und Eltern teilweise versuchen, mit einem harten
Erziehungsstil ihre Kinder für diese Gesellschaft „fit“ zu machen.
Die Menschen geben sich und nicht dem System die Schuld am Scheitern, obgleich diese
Gesellschaft nur mit Gewinnern und vielen Verlierern funktioniert. Auch die Gewinner geben sich
186
187
188
189
190
Vgl. Diem-Wille, Turner, Sengschmied 2012, S. 163-169
Vgl. Bion 1992, S. 107
Vgl. Turner & Ingrisch 2009, S. 157-169
Vgl. http://www.fruehehilfen.de
Vgl. Jungmann 2014
49
„die Schuld“ an ihrem Vorankommen, gelten innerhalb der Gesellschaft aber nicht als „krank“.
Jede Beratung und jede Therapie hat also die Aufgabe, den/die Klienten wieder „funktionstüchtig“
zu machen, um ihn danach wieder in das selbe System zu entlassen. Dort muss der Klient sich dann
wieder für einen entfremdenden Konkurrenzkampf in Stellung bringen, welcher ihn wieder krank
machen kann. Daher ist der Einfluss der Intervention begrenzt.
Dieses Problem sei hier nur kurz benannt.
Ich denke, dass es für jeden Sozialarbeiter und für jeden Therapeuten wichtig ist, das System, in
dem er arbeitet, kritisch zu reflektieren, um professionell und ohne Ignoranz arbeiten zu können.
Denn, so sagte es Adorno: „Es gibt nichts Richtiges im Falschen.“
Trotzdem bin ich nach wie vor von allen Methoden und Ansätzen, die ich in dieser Arbeit
aufgeführt habe, überzeugt und möchte mich in Zukunft noch intensiver damit auseinandersetzen
und später in diesem Bereich tätig sein.
50
8
Quellenverzeichnis
Beck, C.T.: The effects of postpartum depression on maternal-infant interaction. A meta-analysis. Nursing
Research 1995.
Blacher, J.: The sequential stages of parental adjustment to the birth of a child with handicaps: Fact or
artifact. Mental Retardation 1984.
Bowlby, J.: Verlust, Trauer und Depression. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch 1983.
Bowlby, J.: The Nature of the Child's Tie to the Mother.International Journal of Psychoanalysis 1985.
Bowlby, J.: A secure base: Parent-child attachment and healthy development. New York: Basic Books 1988.
Bowlby, J.: A secure base: Parent-child attachment and healthy development. New York. New York: Basic
Books 1988.
Bion, W.: Lernen durch Erfahrung. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1992.
Brisch, K.H.: Die Therapie von frühen Störungen der Entwicklung. In: Brisch, K.H. (Hrsg.): Bindung und
frühe Störungen der Entwicklung (S. 301-327). Stuttgart: Klett-Cotta 2011.
Cierpka, M.; Windaus, E.: Einleitung. In: Cierpka, M.; Windaus, E. (Hrsg.): Psychoanalytische SäuglingsKleinkind-Eltern-Psychotherapie (S. 7-10). Frankfurt/Main: Brandes & Apsel Verlag GmbH 2007.
Crittenden, P.M.; Bonvillian, J.: The effect maternal risk status on maternal sensitivity to infant cues.
American Journal of Orthopsychiatry 1984.
Crittenden, P.M.: Fortbildung „Bindung und Gefahr. Das Dynamische Reifungsmodell der Bindung und
Anpassung.“ Köln 2010.
Dawson, M.E.; Nuechterlein, K.H.; Schell, A.M.: Electrodermal anomalies in recent-onset schizophrenia:
Relationships to symptoms and prognosis. Schizophr Bull 1992.
Dornes, M.: Die emotionale Welt des Kindes. Frankfurt/Main: Fischer Verlag 2000.
Dornes, M.: Die frühe Kindheit: Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre. Frankfurt/Main: Fischer
Verlag 2002.
Dryden, W.; Feltham, C.: Psychologische Kurzberatung und Kurztherapie: Einführung in die praktischen
Techniken. München: Ernst Reinhardt Verlag 1994.
Engel, F.; Nestman, F.; Sickendiek, U.: „Beratung“ - Ein Selbstverständnis in Bewegung. In: Nestmann, F.;
Engel, F.; Sickendiek, U. (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung. Bd. 1: Disziplinen und Zugänge (S.33-43).
Tübingen: dgvt Verlag 2004.
Erickson, M. F.; Egeland, B.: Die Stärkung der Eltern-Kind-Bindung: Frühe Hilfen für die Arbeit mit Eltern
von der Schwangerschaft bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes durch das STEEP-Programm. Stuttgart:
Klett-Cotta 2006.
Essex, M.; Klein, M.; Cho, E.; Kallin, N.: Maternal stress beginning in infancy may sensitize children to later
stress exposure. Effects of cortisol on behavior. Biological Psychiatry 2002.
Fonagy, P.; Steele, M.; Steele, H.; Moran, G.S.; Higgit, A.C.: The capacity for understanding mental states:
The reflective self in parent and child and its significance for security of attachment. Infant Mental Health
Journal: 1991.
Fremmer-Bombik, E.; Grossman, K.E.: Über die lebenslange Bedeutung früher Bindungserfahrungen. In:
Petzold, H.G. (Hrsg.): Frühe Schädigungen – späte Folgen?: Psychotherapie & Babyforschung (S. 83-107).
Bd1. Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung 1993.
Green, A.: Die tote Mutter: Psychoanalytische Studien zu Lebensnarzissmus und Todesnarzissmus.
Psychosozial-Verlag 2011.
Gauvain-Piquard, A.; Meignier, M.: La Doleur de l'enfant. Calmann-Levy 1993.
Hess, E.H.: The role of pupil size in communication. Scientific American 1975.
Hobson, P.: Wie wir denken lernen: Gehirnentwicklung und die Rolle der Gefühle. Düsseldorf/Zürich: Walter
Verlag 2003.
51
Hoffmann, N.: Psychotherapie, Verhaltenstherapie und Therapietechniken. In: Linden, M.; Hautzinger, M.
(Hrsg.): Verhaltenstherapiemanual (S.3-6). Heidelberg: Springer 2005.
Johnson, M.: The body in the mind: The bodily basis of meaning, imagination and reason. Chicago:
University of Chicago Press 1987.
Jungmann, T.: Workshopreihe „Soziale Orte in Sozialer Arbeit und Kindheitspädagogik“ des
Graduiertenkollegs am Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung. Neubrandenburg 2014.
Keren, M.: Depression in der frühen Kindheit: Gibt es sie, wie zeigt sie sich, wie ist sie zu behandeln? In:
Brisch, K. H. (Hrsg.): Bindung und frühe Störungen der Entwicklung (S. 34-47). Stuttgart: Klett-Cotta 2011.
Künster, A.K.; Fegert, J.M.; Ziegenhain, U.: Assessing parent-child interaction in the preschool years: A pilot
study on the psychometric properties of the toddler CARE-Index. Clinical Child Psychology Psychiatry
2010.
Klaus, M.H.; Jerauld, R.; Kreger, N.C.; McAlpine, W.; Steffa, M.; Kennel, J.H.: Maternal attachment:
Importance of the first post-partum days. New England Journal of Medicine: 1972.
Koren-Karie, N.; Oppenheim, D.; Dolev, S.; Sher, E.; Etzion-Carasso, A.: Mother's insightfulness regarding
their infants' internal experience: Relations with maternal sensitivity and infant attachment. Development
Psychology: 2002.
Kraft, V.: Beratung. In: Andresen, S.; Casale, R.; Gabriel, T.; Horlacher, R.; Larcher-Klee, S.; Oelkers, J.
(Hrsg.): Handwörterbuch Erziehungswissenschaft (S. 44-56). Weinheim und Basel: Beltz Verlag 2009.
Kraft, V.: Probleme einer pädagogischen Theorie der Beratung. In: Bildung und Erziehung (345-363).
46/1993.
Lebovici, S.: Créativité et liberté psychique. Lyon : Césura Lyon Edition 1985.
Letourneau, N.; Tryphonopoulos, P.: Der CARE-Index: Ein Instrument zur Erfassung der Beziehungsqualität
zwischen Bezugsperson und Kind ab der Geburt. In: Stokowy, M.; Sahharn N. (Hrsg.): Bindung und Gefahr:
Das Dynamische Reifungsmodell der Bindung und Anpassung (S.19-32). Gießen: Psychosozial-Verlag 2012.
Lettner F.: Körperarbeit mit frühgestörten Patienten. Seminar, gehalten während der Lindauer
Psychotherapiewoche 1989.
Lewis, M.: Altering Fate: Why the Past does not predict the Future. New York und London: Guilford Press
1997.
Lueger, R. J.: Ein Phasenmodell der Veränderung in der Psychotherapie. Psychotherapeut 40/1995.
Malatesta-Magai, C.: Emotional socialization: It's role in personality and developmental psychopathology. In:
D. Cicchetti & S.L. Toth (Hrsg.), Internalizing externalizing expressions of dysfunction: Rochester
symposium on developmental psychopathology (Bd. 2, S. 203-224). Hillsdale, NJ: Erlbaum 1991.
Mahler, M. S.; Pine, F.; Bergmann, A.: Die psychische Geburt des Menschen. Frankfurt am Main: Fischer
Verlag 1975.
Marvin, R.S.; Pianta, R.C.: Mother's reactions to their child diagnosis: Relations with security of attachment.
Journal of Clinical Child Psychology 1996.
Mattejat, F.; Pauschardt, J.: Beratung in der Klinischen Psychologie. In: Warschburger, P. (Hrsg.):
Beratungspsychologie (S.173-204). Heidelberg: Springer Medizin Verlag 2009.
McDonough, S.: Interaction guidance: Understanding and treating early infant-caregiver relationship
disturbance. In: Zeanah, C. (Hrsg.): Handbook of Infant Mental Health. New York und London: Gilford Press
1993.
Muir, E.: Watching, waiting and wondering: Applying psychoanalytic principles to mother-infant
intervention. Infant Mental Health Journal 1992.
Oppenheim. D.; Koren-Karie, N.; Yirmiya N.; Dolev, S.: Welchen Einfluss haben die Einfühlsamkeit der
Mutter und ihre Fähigkeit zur Verarbeitung der Diagnose auf die Bindungssicherheit autistisch gestörter
Kinder? In: Brisch, K. H. (Hrsg.): Bindung und frühe Störungen der Entwicklung (S. 203-220). Stuttgart:
Klett-Cotta 2011.
Piaget, J.: Das Erwachen der Intelligenz beim Kinde. Stuttgart: Klett 1996.
52
Rass, E.: Kontaktaufnahme mit der Wahrnehmungswelt des Kindes: (Unerkannte) Störungen in der
Wahrnehmungsorganisation und deren Auswirkungen auf die psychische Entwicklung. Norderstedt: Books
on Demand GmbH 2008.
Rohde-Dachser, C.: Borderline-Störungen. In: Battegay, R., Glatzel, J., Poldinger, W. & Rauchfleisch, U.
(Hrsg.), Handbuch der Psychiatrie. Stuttgart: Enke Verlag 1984.
Rutgers, A.H.; Bakermans-Kranenburg, M.J.; van Ijzendoorn, M.H.; van Berckelaer-Onnes, I.A.: Autism and
attachment: A meta-analytic review. Journal of Child Psychology and Psychiatrie 2004.
Sachse, J.; Strauß, B.: Bindungscharakteristika und Behandlungserfolg nach stationärer psychodynamischer
Gruppenpsychotherapie. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie 2002.
Sigman, M.; Capps, L.: Children with autism: A developmental perspective. Cambridge: Harvard University
Press 1997.
Stern, D.N.: Early transmission of affect: Some research issues. In: J. Call, E. Galenson & R. Tyson (Hrsg.),
Frontiers of infant psychiatry (S. 52-69). New York: Basic Books 1983.
Stern, D. N.: Die Mutterschaftskonstellation: Eine vergleichende Darstellung verschiedener Formen der
Mutter-Kind-Psychotherapie. Stuttgart: Klett Cotta 1998.
Stewart, I.; Joines, V.: Die Transaktionsanalyse: Eine Einführung. Freiburg: Herder GmbH 1990.
Trevarthen, C.: The self born intersubjectivity: The psychology of an infant communicating. In: U. Neisser
(Hrsg.), The perceived self: Ecological and interpersonal sources of self-knowledge (S. 121-173). New York:
Cambridge University Press 1993.
Tronick, E.: Emotions and emotional communication in infants. American psychologist 1989.
Turner, A.; Ingrisch, D.: Erfahrungslernen durch die psychoanalytische Beobachtungsmethode – Auf dem
Weg zu einer neuen Lernkultur? Über das Verstehen der eigenen Emotionen und der von SchülerInnen aus
der Perspektive von LehrerInnen. In: Diem-Wille, G.; Turner, A. (Hrsg.): Ein-Blicke in die Tiefe: Die
Methode der psychoanalytischen Säuglingsbeobachtung und ihre Anwendungen (S. 157-179). Stuttgart:
Klett-Cotta 2009.
Uvnäs-Moberg, K.: Die Funktion von Oxytocin in der frühen Entwicklung und die mögliche Bedeutung eines
Oxytocinmangels für Bindung und frühe Störungen der Entwicklung. In: Brisch, K. H. (Hrsg.): Bindung und
frühe Störungen der Entwicklung (S. 13-27). Stuttgart: Klett-Cotta 2011.
Warschburger, P.: Theoretischer Hintergrund. In: Warschburger, P. (Hrsg.): Beratungspsychologie (S.11-36).
Heidelberg: Springer Medizin Verlag 2009.
Woods, K.; Woods, M.: Treatment of Borderline conditions. TA-Journal 1982.
Widlöcher, D.: Logik eines Leidens: psychoanalytisch, biologisch, historisch, sozial. München, Zürich: Piper
1986.
Winnicott, D. W.: Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. Frankfurt/Main: 1984.
http://www.buzer.de/gesetz/922/a12934.htm
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2587510/
http://www.investigatinghealthyminds.org/ScientificPublications/1988/FoxPatternsDevelopmentalPsycholog
y.pdf
http://www.youtube.com/watch?v=apzXGEbZht0
http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-05.html
http://www.derlangeweginslicht.de/borderline.php?kat=173
http://www.onmeda.de/krankheiten/autismus-symptome-1534-8.html
http://flexikon.doccheck.com/de/Schizotype_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung#Symptome
http://www.hardtwaldklinik2.de/narzisstische-persoenlichkeitsstoerung.html
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOGNITIVEENTWICKLUNG/Narzissmus.shtml
53
http://www.therapie.de/psyche/info/diagnose/depression/ursachen-und-ausloeser/
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tmsfg/aktuell/kinderschutzportal/gelingendekooperation/att439
4876_-_rferat_steep.pdf
http://www.doulas-in-deutschland.de/index.php/doula-was-ist-das
http://www.gfg-bv.de/geburtsvorbereitungfamilienbildungfrauengesundheitgfg-doular.html
http://www.fruehehilfen.de/wir-ueber-uns/
http://www.fruehehilfen.de/fruehe-hilfen/modellprojekte-fruehe-hilfen/pro-kind-niedersachsen-bremensachsen/
54
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig
und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Neubrandenburg, 26.06.14
Unterschrift
Herunterladen