Frühintervention bei problematischer Computernutzung 3. Berliner Mediensucht-Konferenz Dipl.-Psych. Kai W. Müller & K. Wölfling „Ambulanz für Spielsucht“ Gründung im März 2008 als Teil des übergeordneten Netzwerks „Kompetenzzentrum Verhaltenssucht“ Zielsetzungen: 1) (Angehörigen-) Beratung und kognitiv-behaviorale Therapie bei Pathologischem Glücksspiel und Unternetsucht 2) Wissenschaftliche Forschung zu Verhaltenssüchten, insbesondere Pathologisches Glücksspiel und Internetsucht „Ambulanz für Spielsucht“ 1 – Psychotherapeutische Intervention ambulante Behandlung gemischtes Design (Gruppentherapie und Einzelsitzungen) kognitive-behaviorale Therapie unter Berücksichtigung von klassischen Therapieelementen bei stoffgebundener Abhängigkeit und bei Pathologischem Glücksspiel „Ambulanz für Spielsucht“ 2 – Forschungsansätze Therapiewirksamkeit Komorbidität klinische Merkmale psychosoziale Korrelate Risikofaktoren Epidemiologie neurobiologische Korrelate Entwicklung und Validierung von diagnostischen Kriterien zur Klassifikation Charakterisierung der Internetsucht Anzahl Erstgespräche sei März 2008 250 200 150 100 50 21 35 44 59 67 86 129 119 110 101 92 226 218 214 202209 190 181 172 165 153 141 231 0 Mar Mai Juli Sept Nov Hotline-Kontakte: ca. 600 Jan Mar Mai Juli Sept Nov Jan * Es handelt sich um kumulierte Daten Stand: 31.01.2010 Verteilung der Diagnosen 11% 23% 36% Falscher Alarm Problemspielen Missbrauch Abhängigkeit 30% Diagnosen Nach mehr als 60% der Erstgespräche ist eine Computerspiel-Pathologie erkennbar. Weitere 23% weisen pathologische Tendenzen auf. Verhaltenssucht Exzessive belohnende Verhaltensweisen, die die Kriterien einer Abhängigkeit erfüllen • In Klassifikationssystemen keinen Eingang als eigenständiges Störungsbild • Ausnahme: Pathologisches Glücksspiel als Störungen der Impulskontrolle, nicht andernorts klassifiziert (DSM IV-TR, 2003) ABER: … Internationale Prävalenzen zu Internetsucht Müller & Wölfling (2010) 5.1% Batthyány, Müller, Benker & Wölfling (2009) 2.7% Johanson & Götestam (2004) 1.9% Pallanti et al. (2006) 5.4% Konstantinos et al. (2008) 5.9% Bayractar & Gün (2007) 7.5% Greenfield (1999) 6.0% Deng et al. (2007) 5.5% Kim et al. (2006) 1.6% Ghassemzadeh et al. (2008) 3.8% Epidemiologie Prävalenzschätzung unregelmäßige Spieler (28%) abhängige Spieler (2.7%) regelmäßige Spieler (59%) missbräuchliche Spieler (9.6%) N = 1068 Was kann man tun, um einer Computerspielsucht vorzubeugen ? Professionelle Hilfe suchen Frühzeitig gegensteuern Das Störungsbild verstehen Frühwarnzeichen erkennen Den Kontakt zum Lifestyle halten Schaffen eines Problembewusstseins Public Health: Aufklärungsarbeit Jeder weiß, dass Alkohol und illegale Drogen Abhängigkeitspotenzial besitzen Weniger bekannt ist, dass auch stoffungebundene Süchte existieren „Man denkt ja viel zu lange, dass alles in Ordnung ist, weil es ja keine Prügeleien, Verletzungen, Anzeigen und so gibt“ gibt Nicht außer Acht lassen Auch substanzungebundene Abhängigkeitserkrankungen können beim Betroffenen zu erheblichem Leidensdruck führen SCL 90R, Item 15: „Gedanken, sich das Leben zu nehmen“ „Gedanken, sich das Leben zu nehmen“ nicht-pathologisch pathologisch 0,5 0,28 0,25 0,11 0 19.2% der suchtartigen Computerspieler weisen auffällige Werte in diesem Item auf Der Anteil an unauffälligen Spielern dagegen beläuft sich nur auf 6.2% Wissen, was gespielt wird Wissen Deine Eltern, welche Spiele Du spielst? NEIN 75% JA 25% Gleichzeitig geben Eltern an, dass sie über die Spiele Bescheid wissen Ein konsequentes Monitoring bei gefährdeten Jugendlichen ist eine zentrale Maßnahme Insbesondere unter Jugendlichen sind es allem voran Computerspiele die suchtartig entgleiten können Diagnostik von Computerspielsucht – Der erste Schritt zur Prävention Implikationen Toleranzentwicklung: Haben sich die Spielzeiten in letzter Zeit verändert? Kontrollverlust: Erlebt der Betroffenen ein „Zeitloch“? negative Konsequenzen: Treten gehäuft soziale Probleme auf? Vernachlässigungen: Wird der „Anschluss“ verpasst? Computerspielsucht richtig erkennen Allgemeine Nutzungshäufigkeit Kriterium für regelmäßiges Spielen erfüllt, wenn mindestens 2 Mal pro Woche ein Computerspiel gespielt wird unregelmäßige Spieler (41%) regelmäßige Spieler (59%) * 3.6% der Befragten geben an, niemals Computerspiele zu spielen Ca. 2/3 der Befragten geht regelmäßig Computerspielen nach Basis: 828 Alter der Betroffenen unauffällig 60% gefährdet 50% missbräuchlich 40% abhängig 30% 20% 10% 0% bis 15 Jahre 16 bis 18 19 bis 21 22 bis 24 25 bis 27 28 bis 30 älter als Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 30 Jahre Grundsätzlich zu klären AD(H)S Schul- / Leistungsängstlichkeit Verhaltensstörung / Impulskontrolle Primäre Störung / Symptome Substanzbezogene Abhängigkeit Affektive Störung (uni- / bipolar) Angststörung Risk Taking Behavior Pathologisches Internetverhalten Angststörung Depressive Störung Arbeitsstörung Sekundäre Störung / Symptome 3. Berliner Mediensucht-Konferenz Wer nimmt den Erstkontakt auf ? Betroffener Angehöriger 13% 87% Die direkte Kontaktaufnahme durch den Betroffenen stellt die Ausnahme dar Basis: 346 Bei den Kontakt suchenden Angehörigen handelt es sich um … 63% Mutter 18% Vater Erziehungsberater Partner Arzt sonstige 0% 5% 3% 3% 8% 10% (Großeltern, Schule, andere Verwandte) 20% 30% 40% 50% 60% 70% … die Eltern. Insbesondere die Mutter stellt den aktiv Hilfe suchenden Part dar Basis: 346 Intervention Stress – Erleben Stress-Auslöser bestehen nach wie vor. Computerspielverhalten wird jedoch zusätzlich zum Konfliktherd. Teufelskreis ! Erfahrung wirkt belohnend, Verhalten wird verstärkt und zunehmend exzessiv Computerspielen lässt Stress vergessen Früherkennung Kriterienkatalog zur Verhaltensbeobachtung in der Familie 1: Aktivitäten/Hobbys + weitere Interessen werden verfolgt, Sorgfalt bei den HA gleich - Änderung früherer Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Interessen 2: Gesundheit + unveränderte Schlaf- und Essgewohnheiten - deutliche Einschränkungen im Ausgehverhalten/Freizeitverhalten Früherkennung 3: Bewältigung von Stress + problemlösend, verharmlosend, aktiv entspannend - ablenkend-vermeidend (passiv), Hilflosigkeit, Wut, Resignation 4: soziale Kontakte + hohe Qualität und häufige soziale Kontakte zu Gleichaltrigen - Angst vor Zurückweisung, Schwierigkeiten bei Kontaktaufnahme 5: Reaktionen auf Computerspielverbote + keine größeren Auseinandersetzungen bei Restriktionen - aggressive, beleidigende Reaktionen; depressives, ängstliches zurückgezogenes Verhalten Früherkennung Zuerst zu beantwortende Fragen: Ob ein problematisches Computerspielverhalten bei Ihrem Kind objektiv vorliegt oder nicht, Welche Stärken Ihr Kind mitbringt, Warum Ihr Kind exzessiv spielt, das heißt welche Funktionalität des Computerspielens bei Ihrem Kind zu vermuten ist, Welche Einflussmöglichkeiten Erfolg versprechen Um eine Entscheidung treffen zu können, ob das Problem: innerhalb der Familie gelöst werden kann mit oder ohne professionelle Hilfe Ambulante Psychotherapie bei Internet- und Computerspielsucht Psychotherapie Psychologische Diagnostik Einzel- und Gruppentherapie Angehörigengespräche Ärztliche Betreuung Ärztliche Aufnahme allgemeinärztliche, neurologische und psychiatrische Untersuchung und Behandlung Abschlussuntersuchung Indikativgruppen Sozialberatung Sporttherapie Schuldenberatung Entspannungstraining Berufsbezogene Beratung Soziales Kompetenztraining etc. CSV-R-Screener, SCL, NEO-FFI etc. Probatorik Einzelsettings Kosten-Nutzen-Analysen Kogn. Umstrukturieren Verhaltensexperimente Gruppensetting Aktivitätenaufbau Soziales Kompetenztraining Einzelsettings Nachsorge Stressbewältigungstrainings Exposition Einzelsymptomatik