Kapitel 1 Einleitung 1.1 Warum Quantenmechanik? Quantenmechanik (QM) ist die Grundlage vieler modernen Gebiete der Physik: • Atom- und Molekülphysik (� Chemie, Molekularbiologie) • Physik der kondensierten Materie (� Festkörperphysik) • Quantenoptik • Kernphysik • Elementarteilchenphysik • Kosmologie • ... Einbeziehung der speziellen Relativitätstheorie führt auf die Quantenfeldtheorie, die in weiterführenden Vorlesungen behandelt wird. Es ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, wie man QM mit der allgemeinen Relativitätstheorie kombinieren kann. 1.2 Historische Entwicklung und empirische Grundlagen Bis ca. 1900 gab es im Wesentlichen zwei Gebiete der Physik, die • klassische Physik (Newton’sche Mechanik) und die • Maxwell’sche Elektrodynamik. Um die Jahrhundertwende wurden folgende Beobachtungen gemacht: • atomare Struktur der Materie; • 1895: Entdeckung der Röntgenstrahlung; • 1897: Entdeckung des Elektrons (J. .J. Thomson). 6 1.2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG UND EMPIRISCHE GRUNDLAGEN Planck’sches Strahlungsgesetz. Um die Jahrhundertwende gab es ein Problem in der Berechnung der Energie der Hohlraumstrahlung. Die klassische Berechnung geht wie folgt. In einem würfelförmigen Hohlraum (mit Kantenlänge L) gibt es Lösungen der Wellengleichung mit dem elektrischen Feld Ei (�x) ∝ sin(k1 x) sin(k2 y) sin(k3 z) . (1.1) Der Wellenvektor �k steht mit der Frequenz ν bzw. der (Kreis-)Frequenz ω über die übliche Relation 2π ν = ω = c |�k| =: c k (1.2) in Beziehung, wo c die Lichtgeschwindigkeit bezeichnet. Die Zahl der Wellen im Frequenz–Intervall [k, k + dk] bzw. [ω, ω + dω] ist dN ∝ = Volumen der k–Raum Kugelschale k–Raum–Volumen pro Punkt 4π k 2 dk 4 L3 = 2 3 ω 2 dω . π/L π c (1.3) Eine wesentliches Ergebnis der statistischen Mechanik ist, dass jeder Freiheitsgrad einen Beitrag 21 kB T zur Gesamtenergie liefert. Hier bezeichnet kB = 1.38·10−23 m2 kg s−2 K−1 die Boltzmann–Konstante und T die Temperatur. Das bedeutet, dass die Wellen im Frequenzintervall [ω, ω + dω] den Beitrag zur Energiedichte u(ω) dω ∝ (Zahl der Wellen) · (kB T ) ∝ kB T ω 2 dω (1.4) geben. Integration über ω liefert unendlich, d.h. die Gesamtenergie geht wie � dω u(ω) → ∞ ! (1.5) Das Bild, das dahinter steht, ist dass Wellen mit beliebig hoher Frequenz angeregt sind (Abbildung 1.1). Die Forderung, dass solche Wellen immer einen festen Energiebeitrag liefern sollen, impliziert, dass für höhere Frequenzen die Amplitude der Wellen abnimmt, allerdings zu langsam, um ein endliches Ergebnis für die Gesamtenergie zu liefern. Planck’s Idee war nun, anzunehmen dass Wellen nicht mit beliebig kleinen Amplituden vorkommen. Stattdessen forderte er: Licht kommt nur in diskreten Quanten vor. Jedes dieser Quanten, die als Photonen bezeichnet werden, trägt einen diskrete Energie mit der Energie–Frequenz–Beziehung 7 1.2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG UND EMPIRISCHE GRUNDLAGEN Abbildung 1.1: Klassisches Bild der Wellen im Hohlraum. Wellen mit beliebig hohen Frequenzen tragen zur Energiedichte bei. E = hν = �ω mit ω = 2πν . (1.6) Dabei bezeichnet h das sog. Planck’sche Wirkungsquantum mit h = 2π � , (1.7) wobei � = 6.582 · 10−16 eV s = 1.05453 · 10−34 J s = 1.05453 · 10−34 kg m2 . (1.8) s Das bedeutet, dass es keinen Sinn macht, Wellen mit beliebig hohen Frequenzen mit einzubeziehen. Viel mehr findet man nach Rechnung ein modifiziertes Strahlungsgesetz, demgemäß die Frequenzverteilung von Strahlung im Hohlraum bei Temperatur T gegeben ist durch u(ω, T ) = dε � = 2 3 dω π c exp � ω3 � . �ω −1 kB T (1.9) Hierbei bezeichnen E die Energie, V das Volumen des Hohlraums, ε = VE die Energiedichte der Strahlung, ω die Frequenz der jeweiligen elektromagnetischen Wellen und T die Temperatur. Die Planck- und die klassische (oder Rayleigh–Jeans) Frequenzverteilungen sind in Abbildung 1.2 dargestellt. 8 1.2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG UND EMPIRISCHE GRUNDLAGEN u Rayleigh-Jeans Planck ω Abbildung 1.2: Vergleich zwischen Planck und Rayleigh–Jeans (gestrichelt) Verteilung. Photoelektrischer Effekt. Strahlt man Licht auf ein Metall, so können Elektronen ausgelöst werden. Deren maximale kinetische Energie ist durch Ee = � ω − W (1.10) gegeben, wobei W eine Austrittsarbeit“ bezeichnet. Das Bild ist, dass Elektronen im ” Metall gebunden sind, und durch die elektromagnetische Strahlung Energie erhalten, die die Bindungsenergie übertrifft (Abbildung 1.3). E Ee �ω W Abbildung 1.3: Photoelektrischer Effekt. Klassisch würde man erwarten, dass das Elektron nur lange genug Energie sam” meln“ müsste, um irgendwann das Metall verlassen zu können. Das ist aber nicht, was man beobachtet. Stattdessen ist es einzig und alleine eine Frage der Frequenz ω, ob Elektronen freigesetzt werden oder nicht. Ist ω so, dass (1.10) negativ ist, werden keine Elektronen losgelöst; erst für � ω > W tritt der photoelektrischer Effekt auf. 1905 schlug Einstein als Erklärung vor, dass Licht aus einzelnen Quanten, den sog. Photonen besteht, von denen jedes die Energie � ω trägt. Draüber hinaus wies er dem Photon den Impuls 9 1.2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG UND EMPIRISCHE GRUNDLAGEN p� = � �k 2π mit |�k| = λ (1.11) zu; dabei bezeichnet λ die Wellenlänge. Im photoelektrischer Effekt schlägt dann ein einzelnes Photon ein Elektron aus seiner Bindung; das kann nur funktionieren, wenn die Energie dazu ausreicht. Weitere Meilensteine. ren: Die weiteren Meilensteine in der Entwicklung der QM wa- • 1913: Bohr’sches Atommodell; • 1919: Sommerfeld: Atombau und Spektrallinien; • 1923: de Broglie: Materiewellen ←→ Welle–Teilchen–Dualismus; • 1923: Compton–Streuung; • 1927: Davisson–Germer: Beugung von Elektronenstrahlen in Kristallen; • 1925–28: M. Born, W. Heisenberg, P. Jordan : Göttinger Matrizenmechanik“; ” E. Schrödinger (Wien) : Wellenmechanik“. ” 10