Informationen der Ergotherapie für Patienten und Angehörige Gedächtnis Gedächtnisstörung Was ist unter Gedächtnisstörungen zu verstehen? Lern- und Gedächtnisstörungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung. Etwa 60 % aller Patienten weisen Einbußen in diesem Bereich auf. Man unterscheidet grob in folgende Gedächtnisbereiche: Das Kurzzeitgedächtnis wird als Zwischen- oder Arbeitsspeicher mit einer Verweildauer der Gedächtnisinhalte von wenigen Sekunden betrachtet. Die Merkspanne bezeichnet dabei die Aufnahmekapazität des Kurzzeitgedächtnisses, der Begriff des Arbeitsgedächtnisses bezieht sich hingegen auf die Dauer, über die Informationen zur kurzfristigen gedanklichen Verarbeitung zur Verfügung stehen (z.B. für Kopfrechenaufgaben). Das Langzeitgedächtnis hat gegenüber dem Kurzzeitgedächtnis eine unbegrenzte Kapazität. Hier werden persönliche Erlebnisse, wichtige „Episoden“ des öffentlichen Lebens, erlerntes Faktenwissen (z.B. historische Daten, Hauptstädte „Wissen was“) und Handlungsroutinen wie Radfahren oder Denk- und Wahrnehmungsabläufe gespeichert. Im Gegensatz zum Neugedächtnis, d.h. dem Lernen und Behalten neuer Informationen, bezieht sich der Begriff Altgedächtnis auf Inhalte, die vor der Hirnschädigung erworben wurden. Konsequenzen für den Alltag Typischerweise werden Informationen, die kurz vor der Schädigung erlebt oder gelernt wurden, eher vergessen als solche, die zeitlich weiter zurück liegen. Häufiger noch finden sich Beeinträchtigungen des Neugedächtnisses: Eine Störung der Merkund Lernfähigkeit verhindert sowohl das einfache Behalten von Eindrücken, Ereignissen und Erlebnissen als auch das bewusste Lernen von neuen Informationen und kann damit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen im Alltag führen. Dazu gehört z.B.: - die Unfähigkeit, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, da Wege nicht gelernt werden können - Handlungsabsichten sich nicht merken können wie etwa Herd ausstellen oder Post holen - alltägliche Tätigkeiten, wie z.B. Duschen, mehrfach oder gar nicht ausführen, da der Betroffene sich nicht erinnert, ob die Handlung schon verrichtet ist; Aufträge nicht speichern und somit auch nicht adäquat umsetzen können, Namen und neue Gesichter nicht behalten, Termine vergessen usw. Oft kann der Betroffene seine eigene Lern- und Behaltensleistung nicht richtig einschätzen (über- oder unterschätzen). Zudem kann es vorkommen, dass Patienten „vergessen, dass sie vergessen“ und dass sie Antworten frei erfinden, um bestehende Gedächtnislücken zu füllen. In einem ersten Schritt soll deshalb die neuropsychologische Diagnostik Stärken und Schwächen im Gedächtnisbereich aufzeigen, um dem Patienten eine realistische Einschätzung seiner Lern- und Merkfähigkeit widerzuspiegeln und erhaltene Stärken (z.B. bildhafte Vorstellung, Strukturierungsfähigkeit) aufzudecken. Abgrenzung zu anderen Beeinträchtigungen: Lern- und Gedächtnisleistungen stellen nur einen Teilleistungsbereich dar, der selbst wiederum in verschieden starker Ausprägung beeinträchtigt sein kann. Sie sind von anderen Hirnleistungen (z.B. Sehen, Aufmerksamkeit, Sprache/Sprechen, Handlungsplanung und Problemlösen usw.) abzugrenzen aber auch davon abhängig. So können z.B. Aufmerksamkeitsstörungen sowohl Prozesse der Aufnahme (Wahrnehmung, Verarbeitung) als auch des Abrufs von Informationen behindern und erfordern, wie andere Teilleistungsstörungen auch, spezifische therapeutische Maßnahmen. Behandlungsansätze und Tipps für den Alltag: Leider kann man das Gedächtnis selbst nicht wie z.B. einen Muskel trainieren. Studien haben gezeigt, dass es nicht sinnvoll ist, feststehende Gedächtnisprogramme („Memory“, „Gehirnjogging“) zu erstellen und bei jedem Patienten in gleicher Weise anzuwenden, sondern dass es notwendig ist, die individuelle Eigenart der Störung zu berücksichtigen und einzubeziehen. Der Betroffene soll demnach zum Experten seines Gedächtnisses werden, d.h. Schwächen erkennen und Stärken gezielt zu nutzen. Die Gedächtnisgruppe dient dabei zum einen dem Austausch von Erfahrungen im Umgang mit bestehenden Beeinträchtigungen und bereits eingesetzten Hilfsmitteln, zum anderen der gezielten Vermittlung und praktischen Erprobung externer Gedächtnishilfen (z.B. Gedächtnistagebuch, effektiver Umgang mit Kalendern, Notizen usw.) und des Einsatzes von Gedächtnisstrategien (z.B. Informationen besser organisieren, Wiederholen, bildhaftes Vorstellen, bestehendes Wissen mit neuen Inhalten verknüpfen usw.). Allgemein ist es beim Lernen neuer Gedächtnisinhalte wichtig, eine „fehlerfreie“ Lernsituation zu schaffen, da es gerade für Personen mit Gedächtnisstörungen schwierig ist, einmal gelernte Fehler wieder zu verlernen. Zudem erscheint es effektiver, kurz (Minuten) und häufiger als lang (Stunde) und selten zu üben. Dabei sollten Informationen möglichst einfach, kurz und prägnant formuliert werden. Zu Hause sollte der Betroffene ermutigt werden, Gedächtnishilfen regelmäßig einzusetzen. Zudem kann die Änderung von Umgebungsbedingungen z.B. Beschriftung von Schränken, wo was zu finden ist, Aufbewahrung wichtiger Alltagsgegenstände an immer gleichbleibenden Orten (Pinnwand, Regal, Schlüsselbrett…) eine Hilfe darstellen. Angehörige sind herzlich dazu eingeladen, weitere Informationen bei dem behandelnden Ergotherapeuten zu erfragen und gegebenenfalls an einer Therapiesitzung teilzunehmen.