Knibbeln, drücken, quetschen, piddeln ... Jeder knibbelt mal an Pickeln oder Hautunebenheiten. Das ist in gewissem Maße ganz normal. Doch manche drücken, quetschen und zerren täglich an ihrer Haut, bis Wunden und Infektionen entstehen. Die Stellen werden immer wieder geöffnet, manche bleiben über Wochen und Monate wund. Das sieht nicht nur schmerzhaft aus. Die Betroffenen schämen sich sehr dafür, ihr Verhalten nicht unter Kontrolle zu haben. Sie verbringen oft viel Zeit mit Überschminken. Doch die Angst bleibt: „Jeder sieht es!“ Wenige wissen: Dieses Verhalten ist keine dumme Angewohnheit, sondern eine anerkannte psychische Störung. Dafür gibt es sogar Fachausdrücke: Dermatillomanie, Skin-picking, Acne ecxoriée, Knibbelakne ... Was wissen wir über Skin-picking? In den USA und Kanada ist Skin-picking als psychische Störung bekannt – und seit Mai 2013 auch endlich offiziell als Diagnose anerkannt: Das „DSM 5“, das offizielle Diagnosemanual der American Psychiatric Association, listet es unter der Gruppe der „obsessive-compulsive disorders“, also den Zwangsstörungen. Skin-picking wird aber auch als Störung der Impulskontrolle eingeordnet, ähnlich wie Haare ausreißen (Trichotillomanie). Weil Störungen wie krankhaftes Stehlen (Kleptomanie) und Spielsucht ebenfalls zum Bereich Impulskontrolle gehören, ist diese Einordnung wissenschaftlich umstritten. Skin-picking hat außerdem Züge von selbst verletzendem Verhalten, das man von Borderlinern kennt. Wer ist betroffen? „Lass es doch einfach bleiben!“ Schätzungen, die auf Untersuchungen basieren, schwanken zwischen zwei und fünf Prozent der Bevölkerung. Man kann also davon ausgehen, dass es allein in Deutschland mindestens eine Million Skin-picker gibt! Diesen gut gemeinten Rat hat wohl jede/r Betroffene schon mal von Familie oder Freunden gehört. Aber so einfach ist das nicht. Skinpicking ist eine psychische Störung. Von jemandem, der unter Depressionen leidet, verlangt man auch nicht: „Sei einfach wieder fröhlich!“ Wer seit Jahren oder Jahrzehnten knibbelt, kann nicht über Nacht aufhören. Geduld, Ausdauer und Selbstvertrauen sind nötig – Eigenschaften, die gerade Skin-picker sich oft hart erarbeiten müssen. In welchem Alter fängt es an? Ob in der Kindheit an Mückenstichen geknibbelt wird, in der Pubertät Pickel ausgedrückt werden oder im jungen Erwachsenenalter individuelle Stressituationen (Leistungsdruck, Mobbing, Trauerfälle, Beziehungsprobleme) zum Auslöser werden: Das Bedürfnis, sich mit dem eigenen Selbst beschäftigen zu müssen, sucht hier neue Wege, die nicht gut tun. Geknibbelt wird vor allem in Gesicht und Hals, an Schultern und Dekolleté oder Fingernägeln, aber auch an schwieriger zugänglicheren Körperstellen. Bin ich ein Skin-picker? Vielleicht hast Du einige Deiner eigenen Verhaltensweisen hier wiedererkannt. Eine Betroffene, die Kanadierin Angela Hartlin, hat jenseits von psychiatrischen Fachtermini eine gute Definition dafür gefunden, wer betroffen ist: Wann hört es wieder auf? • wenn dein Knibbeln dir emotionales Leid verursacht Leider gar nicht – jedenfalls wenn Betroffene nichts dagegen unternehmen. • wenn dein Knibbeln dich davon abhält, unter Menschen zu gehen Warum machen wir das? Viele Betroffene haben in ihrer Kindheit Traumatisches erlebt, doch das muss nicht die Ursache sein. Viele berichten, dass sie knibbeln, wenn sie unter Druck stehen, z.B. vor einer Prüfung, andere tun es aus Langeweile. Manche stellen sich vor den Spiegel oder vollziehen ein regelrechtes Ritual; andere tun es, während sie lesen, fernsehen oder am Computer sitzen. Einige berichten, dabei in eine Art Trance zu fallen. • wenn du das Gefühl hast, wegen deines Knibbelns im Leben eingeschränkt zu sein • wenn du dein Knibbeln aus Angst vor negativen Urteilen geheim hältst • wenn du dich wegen deines Knibbelns schämst, aber trotzdem nicht aufhören kannst • du dich wegen deines Knibbelns allein fühlst