Geräuschangst beim Hund

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H U N D
BTS Berufsverband der Tierheilpraktikerinnen Schweiz
GERÄUScHANGST
Teil 1
Hunde und Geräuschängste von
Ute Blaschke-Berthold
Warum hören Hunde?
Unkonditionierte Auslöser
• Schmerz
• Starke Reize
• Plötzlich auftretende Reize
• Schnelle Bewegungen (auf das Tier zu)
• Fremde, ungewohnte Reize
Hunde reagieren am empfindlichsten auf: Gewittergeräusche, Feuerwerk, Schüsse und Maschinengeräusche. Diese Geräusche haben Gemeinsamkeiten:
• Laut
• Plötzlich auftretend
• Ohne zeitliches Muster (keine Vorhersagbarkeit!)
• Ulraschall-Anteile, die auf größere Distanzen beim Hund nicht mehr
ankommen; deswegen vermutlich Schwierigkeiten bei der Ortung.
• Infraschall-Anteile werden prinzipiell als bedrohlich bewertet
Akustische Signale spielen eine Rolle in der Kommunikation zwischen
Artgenossen. Gerade auf größere Distanzen sind Laute für die Verständigung zwischen Hunden wichtig. Aber auch für die Ortung von Beutetieren muss ein Hund gut hören können; dies gilt sowohl für die Fernals auch für die Nahortung.
Gefahren kündigen sich oft durch Geräusche an. Je besser ein Hund
hören kann und je schneller (= empfindlicher) er auf ungewohnte Geräusche reagiert, desto größer ist seine Chance, Gefahren zu vermeiden. Laute im Ultraschallbereich spielen für die Ortung von Geräuschen bei
Hunden eines besonders wichtige Rolle. Aufgrund der biologischen Bedeutung ist programmiert: Hunde reagieren schnell auf Geräusche.
Entsprechend der individuellen Variabilität gibt es Hunde, die weniger
empfindlich sind, aber auch Hunde, die überempfindlich reagieren.
Weshalb gibt es Angst?
Angst wird also aus verschiedenen Quellen gespeist; eine davon ist die
Stammesgeschichte der Tierart. Die andere Quelle ist die Geschichte
des Individuums. Kann man sich den stammesgeschichtlichen Einfluss
als genetischen Rahmen vorstellen, der Verhalten umgrenzt, dann wird
dieser Rahmen ausgefüllt durch die Erfahrungen und Lernprozesse
des Individuums. Lernprozesse spielen beim Entstehen von Ängsten eine
große Rolle! Reize, die emotional neutral sind, aber in zeitlicher (und
räumlicher) Nähe zu einem unkonditionierten Angstauslöser auftreten,
werden mit der ablaufenden Angstreaktion verknüpft. Dadurch werden
sie selbst zu weiteren Auslösern von Angst. Diese Ängste werden als
erlernte Ängste bezeichnet, ein Ausdruck, der nicht ganz glücklich gewählt ist. Angst ist angeboren, aber die Liste der Auslöser kann durch
Lernprozesse enorm verlängert werden. Durch klassische Konditionierung kann Angst sehr schnell weite Kreise ziehen; dies kann so weit
führen, dass ein Hund z.B. nicht mehr die Wohnung verlassen möchte.
Ohne die Fähigkeit, bei Bedrohung Angst zu empfinden und entsprechend zu reagieren, würde kein Tier lange genug leben, um sich fortpflanzen zu können. Angst führt zu Anpassungen im Verhalten an kurzfristige Umweltveränderungen: Beutegreifer in der Nähe, ungewöhnliche
Erscheinungen, konkurrierende Artgenossen. Angst ist eine Funktion
des Gehirns., Angst ist eine Emotion. Mit Angst schützt das Gehirn sich
und den Körper. Angst ist eine emotionale Bewertung von Reizen
durch das emotionale Zentrum des Gehirnes. In einer Gefahrensituation ist es Aufgabe des Gehirns, bedrohliche Veränderungen zu erkennen und darauf mit speziellen Bewegungsmustern zu reagieren. Angst
als Emotion ist angeboren. Mit ihr sind spezifische Auslöser genetisch
verankert, die in der Stammesgeschichte der Tierart eine bedeutende
Rolle für die Vermeidung von Gefahren darstellten.
Neuronale Verarbeitung von Geräuschen
Wege zur Geräusch-Angst
Jedes Geräusch, das die Sinneszellen im Ohr erregt, wird über Nerven
weiter ins Gehirn geleitet. Dort gelangt es in den sensorischen Bereich
des Thalamus, der den Reiz zeitgleich sowohl in den Mandelkern als
auch in den Hörbereich der Großhirnrinde schickt. Da die Verbindung
zum Mandelkern die schnellere ist, reagiert dieser, noch bevor die
Großhirnrinde reagieren kann. Die erste Reaktion ist eine emotionale - und
der Hund reagiert nicht mit Absicht!
Auslöser für Geräusch-Angst können erlernt werden. Eine Rolle spielen
nicht-assoziatives und assoziatives Lernen.
Nicht-assoziatives Lernen: Fehlende Habituation, Sensitisierung, Dishabituation (meist durch chronischen Stress).
Habituation bedeutet eine Gewöhnung, weil der Reiz für das Tier nicht
wichtig ist. Habituation unterliegt bestimmten Regeln und Einschränkungen.
1. Der Reiz muss mehrfach hintereinander auftreten.
2. Je schwächer der Reiz (= weniger bedrohlich) desto schneller die
Habituation.
3. Je schneller der Reiz wiederholt wird, desto schneller erfolgt Habituation. Aber nach längeren Pausen tritt oft eine »spontane
Erholung« ein - das Tier reagiert wieder auf den Reiz.
4. Ist die Zeitspanne zwischen den einzelnen Reizen größer, folgt
Habituation langsamer, dafür aber länger anhaltend.
5. Habituation ist beschränkt auf Reize, die eine angeborene
Reaktion auslösen können. Habituation ist nicht immer möglich.
6. Reagiert das Tier gleich beim ersten Reiz mit Angst, ist Habituation
kaum noch möglich. Gewitter, Knall und Feuerwerk treten gleich zu
Beginn sehr intensiv auf.
Quellen der Angst
Das genetische Programm jeder Tierart bereitet die Individuen auf
ihren Lebensraum vor. Es ist durch die Prozesse der Evolution entstanden und immer wieder verfeinert worden. Auch die Angst vor bestimmten Dingen oder Situationen gehört zu artspezifischen Verhaltensprogrammen. Beutetiere haben z.T. andere angeborene Ängste als Beutegreifer. Laborratten zeigen Angstreaktionen, wenn sie den Geruch von
Katzen oder anderen Beutegreifern wahrnehmen. Dabei sind sie
schon seit vielen Generationen in der stark eingeschränkten Umwelt
des Labors gezüchtet worden und Erfahrungen mit Beutegreifern liegen in der Vergangenheit ihrer entfernten Vorfahren. Diese Ängste werden natürliche Ängste oder unkonditionierte Ängste genannt. Sie werden auch ohne negative Vorerfahrungen ausgelöst und führen wie erlernte Ängste zu angst-typischen Reaktionen. Hundewelpen z.B. zeigen
kurz nach dem Beginn ihrer Mobilität Angst vor der Höhe, ohne jemals zuvor
gestürzt zu sein.
Jede Tierart zeigt angeborene Tendenzen, bestimmte Ängste zu entwickeln. Zusätzlich zu diesen Tendenzen kann das Individuum im
Laufe seines Lebens durch Lernprozesse weitere Ängste erwerben.
Konditionierte Auslöser sind durch Erfahrung mit Bedrohung assoziiert
und tief im emotionalen Gedächtnis verankert.
Sensitisierung ist das Gegenstück zur Habituation: Das Tier reagiert immer
stärker auf einen Reiz, auch wenn dieser immer schwächer dargeboten wird. Je stärker ein Reiz ist (Distanz, Intensität, Plötzlichkeit), desto
wahrscheinlicher ist Sensitisierung anstatt Habituation. Sensitisierung
ist abhängig vom Erregungslevel des Tieres: je stärker es erregt ist,
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desto eher erfolgt Sensitisierung. Gerade bei Gewitter und Feuerwerk
folgen die Geräusche so schnell hintereinander, dass das Tier auf
einem hohen Erregungslevel bleibt.
• 1 Tropfen eines neutralen Öls werden mit 1 Tropfen ätherischen Öls vermischt. Von dieser Mischung geben wir 5 Tropfen auf ein Stoffläppchen
und legen es in die Nähe des Hundes. Zeigt der Hund kein Meideverhalten, kann beim nächsten Mal die Verdünnung verringert werden.
• Das ätherische Öl wird unverdünnt verwendet, wenn der Hund sich
entziehen kann. Sobald das Öl sich am Hundekörper befindet - z.B.
auf einem Halstuch - muss es verdünnt sein!
Klassische Konditionierung als assoziatives Lernen spielt beim Verknüpfen neuer Auslöser für Angst eine große Rolle. Eigentlich unbedeutende Reize können mit Bedrohung assoziiert werden.
Angst zieht schnell Kreise! Ein einziges Angsterlebnis kann zur Verknüpfung zeitnah auftretender Reize mit der Angst führen. Diese Reize
lösen dann ebenfalls Angst aus. So wird durch den Prozess der klassischen Konditionierung Angst immer häufiger und immer schneller ausgelöst.
• Besuch in der Tierarztpraxis: Bereits der Fahrtweg kann Angst
auslösen
• Gewitterangst: einzelne dunkle Wolken können Angst auslösen
Direkte Entspannung durch Musik4
Klaviermusik von Beethoven, Bach und Strauss entspannt Hunde ohne
Verknüpfung mit entspanntem Verhalten der Bezugspersonen.
Direkte Entspannung durch das ThunderShirt®
Direkte Entspannung durch angenehmen Druck auf die Körperoberfläche kann auch ohne Anwesenheit der Bezugsperson erreicht werden:
Thundershirt. Dieses Shirt ist eine Weiterentwicklung des Körperbandes aus dem Tellington-Training. Wichtig ist lediglich, dass das Öffnen
der extrem lauten Klettverschlüsse von Anfang an gegenkonditioniert
wird!
Angstverhalten bedarf immer der besonderen Beachtung, weil es sich
schnell ausbreitet. Die wenigsten Ängste «verwachsen» sich, sondern werden ganz im Gegenteil im Laufe der Zeit immer stärker. Je länger Angstverhalten auftritt, desto schlechter sind die Prognosen für eine positive
Veränderung!
Trainingsplan zur Bewältigung von Geräusch-Angst zu Hause
1. Trainingsziel: Eine abgeschirmte Sicherheitszone schaffen und anbieten. Der Hund soll lernen, diesen Platz zu seiner Entspannung aufzusuchen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der dem Tier Erleichterung
bringt, wenn es allein zu Hause dem Angstauslöser ausgesetzt ist.
Das Erlernen von Geräuschangst mittels sozialer Übertragung durch
Artgenossen oder Bezugspersonen konnte bislang für Hunde nicht
nachgewiesen werden.1
Nur wenn die Angstreaktionen eines Artgenossen oder einer Bezugsperson bedrohlich auf den beobachtenden Hund wirken, kann er das
entsprechende Geräusch als Angstauslöser erlernen. Hierbei handelt
es sich aber nicht um eine Geräuschangst!
Innerhalb der Wohnung suchen Hunde nach Wahrnehmung eines
angstauslösenden Geräusches oft einen Bereich auf, in dem sie sich
sicherer fühlen. Je weiter fortgeschritten die Angst ist, desto länger
bleibt der Hund auch nach Abklingen des Auslösers in dieser Zone und
zeigt Symptome von Angst. Typisch für Geräuschangst sind Verstecke, die geräusch-dämmend wirken: Kleiderschränke, Kisten und
Kellerräume. Dies ist eine Strategie, die der Hund wählt, um sich in der
ausweglosen Situation etwas Erleichterung zu verschaffen. Diese Strategie ist ausbaufähig. Wir können dem Hund eine Zone anbieten, die
Geräusche dämmt und die er mit Entspannung verbindet. Gut geeignet ist eine Hundebox, die mit dämmendem Material verkleidet wird.
Hauptproblem bei solchen Konstruktionen ist die schlechte Luftzirkulation, die besonders an heißen und schwülen Tagen (Gewitter!) gefährlich sein kann. Vorteilhaft ist es, wenn diese Box im kühlsten Raum der
Wohnung stehen könnte. Der Hund muss immer Zugang zu diesem
Raum haben, auch und gerade wenn keine der Bezugspersonen anwesend ist.
Auch Hunde, die ruhelos sind und kein Versteck aufsuchen, können
lernen, eine solche Zone anzunehmen. Für diesen Lernprozess bietet
es sich an, eine Decke, die ausschliesslich für diesen Platz genutzt
wird, als Target aufzubauen und mit Entspannungsübungen und Beschäftigung zu verknüpfen.
Zeit spielt eine Rolle! Die Reaktionsschwellen für Angstauslöser verändern sich während der Jugendentwicklung und während des Alterns.
Altersunabhängig reagieren chronisch gestresste Tiere auf geringere
Reizintensitäten!
Während der Jugendentwicklung ist die Stress-Reaktion schneller und
stärker auslösbar als zuvor. Jugendliche Tiere sind stressempfindlicher.
Habituation an verschiedene Geräusche während des Welpenalters
überdauert nicht unbedingt die Jugendentwicklung! Unter chronischem Stress kommt es zur Dishabituation und Angst tritt auf.
Entspannung
Bei der Bearbeitung von Geräusch-Angst bewährt sich der Einsatz
ätherischer Öle. Im Tierversuch zeigte sich das ätherische Öl der Zitrone,
der Angelika-Wurzel, des Lavendel (Lavendel, fein) und der Rose als ausgesprochen angstlösend. Diese Öle nehmen direkt Einfluss auf den Stoffwechsel des Neurotransmitters Serotonin.2
Im Jahre 20103 erschien eine Studie über die entspannende Wirkung
des ätherischen Öls von Gardenia jasminoides. Der Wirkstoff wurde isoliert und sein Wirkmachanismus verfolgt. Während Zitrone einen Einfluss auf den Umsatz des Neurotransmitters Serotonin hat, greift der
Wirkstoff der Gardenia direkt an den GABA-Rezeptoren des SchlafWach-Zentrums im Hypothalamus an.
Eine wesentliche Funktion von Verhalten ist die Kontrolle über Umweltfaktoren, die wichtig für das Tier sind. Befindet sich der Hund in einem
Angstzustand, zeigt er verschiedene Verhaltensreaktionen, um diesen
Zustand zu beenden. Bei länger andauernden Angstauslösern kann
der Hund tun, was ihm einfällt, die Angstauslöser werden nicht schwächer. Mit dieser Erfahrung ist ein Kontrollverlust verbunden, der selber
wieder ein Stressor ist und Verhaltensreaktionen produzieren kann, die
sich wiederholen und keinen Anpassungswert haben. Hierzu gehören
z.B. stereotypes Auf- und Ablaufen und Dauerbellen.
Dosierungen:
Der Hund sollte niemals mit den Fläschchen des konzentrierten ätherischen
Öls in Berührung kommen!
Um aversive Reaktionen zu vermeiden, wird das ätherische Öl verdünnt.
Jede Situation, in der der Hund Kontrollverlust erfährt, verstärkt das Erregungsverhalten. Denn nach dem Abbau der Erregung treten Entspannung und Erleichterung ein, die eine verstärkende Wirkung auf
das Verhalten haben können, welches zuvor gezeigt worden ist. Aus
diesem Grund ist das Schaffen einer Sicherheitszone die Grundlage für
jedes weitere Training.
• 10 Tropfen eines neutralen Öls werden mit 1 Tropfen ätherischen Öls vermischt. Von dieser Mischung geben wir 5 Tropfen auf ein Stoffläppchen
und legen es in die Nähe des Hundes. Zeigt der Hund kein Meideverhalten, kann beim nächsten Mal die Verdünnung verringert werden.
• 5 Tropfen eines neutralen Öls werden mit 1 Tropfen ätherischen Öls
vermischt. Von dieser Mischung geben wir 5 Tropfen auf ein Stoffläppchen und legen es in die Nähe des Hundes. Zeigt der Hund kein Meideverhalten, kann beim nächsten Mal die Verdünnung verringert werden.
• 3 Tropfen eines neutralen Öls werden mit 1 Tropfen ätherischen Öls
vermischt. Von dieser Mischung geben wir 5 Tropfen auf ein Stoffläppchen und legen es in die Nähe des Hundes. Zeigt der Hund kein Meideverhalten, kann beim nächsten Mal die Verdünnung verringert werden.
Weiter geht´s im 2. Teil (BTS -Ziitig Dezember 2013)
Quellen sie Seite 2
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