Cochlear Implant heute

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Arne Ernst
Rolf-Dieter Battmer
Ingo Todt
Cochlear Implant heute
Arne Ernst
Rolf-Dieter Battmer
Ingo Todt
Cochlear Implant
heute
Mit 30 Abbildungen
123
Prof. Dr. med. Arneborg Ernst
Dr. med. Ingo Todt
Unfallkrankenhaus Berlin
Direktor der HNO-Klinik
Warener Str. 7
12683 Berlin
Unfallkrankenhaus Berlin
Oberarzt der HNO-Klinik
Warener Str. 7
12683 Berlin
Prof. Dr. rer. nat. Rolf-Dieter Battmer
Unfallkrankenhaus Berlin
Leiter des Zentrums für klinische
Technologieforschung
Warener Str. 7
12683 Berlin
ISBN 978-3-540-88235-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg
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Gedruckt auf säurefreiem Papier
18/5135/ud – 5 4 3 2 1 0
V
Geleitwort
Das 1986 hier bei Springer erschienene erste Buch zum Thema Cochlear Implant (CI) hatte
den Hals-Nasen-Ohren-Arzt auf diese damals neue Hilfe für beidseitig Taube aufmerksam
und ihn mit der grundsätzlichen Funktionsweise vertraut machen sollen; zugleich wollten wir
versuchen, anhand der ersten, beeindruckenden Ergebnisse die bei Kollegen herrschenden
Zweifel zu zerstreuen. Über tief greifende Erfahrungen verfügten wir damals noch nicht; sie
mussten sich erst ergeben.
Zunächst, seit 1984, operierten wir ausschließlich vollständig ertaubte Erwachsene. Würden die Ergebnisse befriedigen und würden sie anhalten? Sie waren überraschend gut und
sie blieben gleich oder besserten sich noch über die Zeit. Die Implantate erwiesen sich als
zuverlässig und über viele Jahre dauerhaft. Aber würde, wenn einmal eines ausfiele, eine ReOperation möglich sein? Sie erwies sich als möglich, war aber glücklicherweise in nur sehr,
sehr wenigen Fällen notwendig und die Patienten hörten wieder wie zuvor. Wir hatten also
gelernt, dass sich störende Narben in der Schnecke vermeiden lasen, allerdings wohl nur,
wenn die Cochleostomie sehr bedächtig gehandhabt und der Elektrodenträger entsprechend
behutsam eingeführt wurde.
Dürften wir auch taube Kleinkinder mit dem CI versorgen? Obwohl die Physiologen es für
gänzlich aussichtslos hielten, wagten wir es (ab 1988) und sahen auch bei ihnen überraschend
gute Resultate – so gute, dass bald mehr Kinder als Erwachsene operiert wurden.
Beeindruckt waren wir, als wir schon intraoperativ sahen, dass selbst bei den taub geborenen Kindern der bis dahin nie gebrauchte Stapediusreflex nun über das Implantat auszulösen
war – für uns zugleich ein Zeichen dafür, dass das Implantat funktionierte und der Hörnerv
intakt war.
Durften wir neben den gänzlich Tauben auch Hörrestige mit dem CI versorgen? Diese
Frage stellten zunehmend häufiger Eltern und Pädagogen, deren Kinder vom Hörgerät keinen Nutzen erkennen ließen. Als wir deren Drängen schließlich nachgaben, überraschten
die Erfolge in doppelter Hinsicht: Die Kinder lernten auffallend rasch zu verstehen und zu
sprechen und ganz überraschend zeigte sich außerdem, dass die Hörreste erhalten bleiben
können (1992).
Damit erweiterte sich die Indikation zum CI ganz wesentlich; allein in Deutschland hat die
Zahl der inzwischen mit dem CI versorgten Patienten längst die 10.000-Marke überschritten
und sie wächst in jedem Jahr um etwa weitere tausend. Aus nur einer Handvoll interessierter Operateure, Ingenieure und Pädagogen erwuchsen Gemeinschaften mit Hunderten von
Mitgliedern und Kongresse mit Tausenden von Teilnehmern. Aus zaghaften Publikationen
entstand eine kaum noch übersehbare Fachliteratur.
Seit sich also bestätigt hatte, dass das Restgehör trotz intracochleärer Platzierung des
Elektrodenträgers nicht verloren gehen muss, ließ sich der Begriff Resthörigkeit zunehmend
weiter fassen – zunächst in Richtung hochgradiger Schwerhörigkeit und dann auch extremer
Hochtonschwerhörigkeit mit Steilabfall oberhalb 500 Hz. Für die letztgenannten Patienten
bahnt sich nun eine Kombination aus Hörgerät (für die tiefen) und Cochlear Implant mit
kürzerem Elektrodenträger an (für die mittleren und hohen Frequenzen).
Mit dieser Entwicklung parallel verliefen faszinierende Fortschritte in der digitalen
Elektronik des Implantats und des Prozessors; die Reizkodierungsprogramme arbeiten jetzt
mit mehr als 16.000 gegenüber anfänglich weniger als 1000 Spikes pro Sekunde. Objektive
Messdaten erleichtern die pädagogische Nachsorge und dies insbesondere bei den Kindern,
VI
Geleitwort
die, soweit taub geboren, möglichst schon im ersten oder zweiten Lebensjahr versorgt werden
sollten.
So hat das Cochlear Implant uns Ohrenärzten die Möglichkeit gegeben, sich auch derjenigen Patienten anzunehmen, denen wir zuvor hilflos gegenüber standen und es hat zugleich –
unbeabsichtigt und unerwartet – tief eingegriffen in die Welt der Gehörlosen und Ertaubten.
Es ist das Verdienst der Herausgeber und Autoren, hier verschiedene, fachübergreifende Aspekte dieser jüngsten Disziplin der Otologie kritisch beleuchtet zu haben – jetzt aus der Sicht
einer bis zu 20-jährigen Erfahrung.
Ernst Lehnhardt
Hannover, im Herbst 2008
VII
Vorwort
Das jetzt vorliegende Buch ist Ausfluss eines Festsymposiums, das anlässlich des 10-jährigen
Bestehens des CI-Programms der HNO-Klinik im ukb (Unfallkrankenhaus Berlin) im Herbst
2007 veranstaltet wurde.
Dabei wurden von namhaften, im Buch mit einzelnen Beiträgen vertretenen Fachreferenten ein Blick zurück auf die Entwicklung der CI-Programme und der Blick nach vorne in
die nahe und fernere Zukunft der Rehabilitation von hochgradig schwerhörigen und tauben
Patientinnen und Patienten jeglichen Alters geworfen.
Ernst Lehnhardt aus Hannover hatte mit Rolf Battmer seinerzeit Anfang der 80er Jahre
richtungsweisend den klinischen Teil der CI-Entwicklung in die Praxis gebahnt und wenig
später gelang es Bodo Bertram, im CIC »Wilhelm Hirte« die Grundlagen der (Re)Habilitation
zu legen.
Aus gegebenem Anlass hatten wir zu unserem Festsymposium auch die Berliner und die
Brandenburger Landespolitiker eingeladen. Frau Senatorin Lompscher (für Berlin) und Frau
Ministierin Ziegler (für Brandenburg) hoben die Bedeutung der neuzeitlichen Rehabilitation
unserer Patienten mit der klinisch-chirurgischen Arbeit im ukb und der (Re)Habilitation im
Hörtherapiezentrum Potsdam (HTZ) für eine länderübergreifende, dem Wohle der Patienten
dienenden Zusammenarbeit hervor.
Wir freuen uns deshalb besonders, dass aus gegebenem Anlass dieser kleine Leitfaden für
Patienten, deren Angehörige, Interessierte aller Berufs- und Fachgruppen entstanden ist.
Mit Hilfe des Springer-Verlages soll an dieser Stelle ein weiterer, kleiner Meilenstein auf
dem weiteren, bislang schon höchst erfolgreichen Weg der CI-Versorgung gesetzt werden!
Wir bedanken uns an dieser Stelle bei den Autoren für Ihre Zuarbeit, bei der DCIG und
unserer auf lokaler Ebene tätigen Gesellschaft für Integrative Hörrehabilitation (GIH) für die
jahrelange, vertrauensvolle Zusammenarbeit und wünschen dem Buch eine möglichst weite
Verbreitung!
Arne Ernst
Rolf-Dieter Battmer
Ingo Todt
Berlin, im Herbst 2008
IX
Inhaltsverzeichnis
1
25 Jahre Cochlear-Implantat in Deutschland
– eine Erfolgsgeschichte mit Perspektiven:
Indikationserweiterung, Reliabilität der
Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Rolf-Dieter Battmer
Indikation zum Cochlear-Implantat . . . . . . . . . . . .
Zuverlässigkeit der Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Technologische Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . .
Operationstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Systemanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprachverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bilaterale Versorgung und elektroakustisches
Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2
3
4
4
5
6
Diagnostik auditiver Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3
Subjektive Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Objektive Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Promontorialtest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Geschmack. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Bilaterale Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Weiteres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
6
8
8
9
Ursachen und entwicklungsphysiologische Diagnostik kindlicher
Schwerhörigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
M. Ptok
Formen der Hörstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Hören als komplexer Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Schallleitungsschwerhörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Schallempfindungsschwerhörigkeit . . . . . . . . . . . 14
Genetische Hörstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Syndromale und nichtsyndromale
Hörstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Schweregrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Erkennung von Störungen des Schalltransports bis zum Trommelfell . . . . . . . . . . . . . . . 18
Erkennung von mittelohrbedingten
Schwerhörigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Erkennung von cochleären Schwerhörigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Subjektive Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Auswertmodi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Auswahl eines adäquaten Hörprüfverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Objektive Hörtests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Untersuchungen der zentralen Hörbahn . . . . . . 23
Cochlear-Implant-Voruntersuchungen . . . . 27
I. Todt
4
Perioperatives Monitoring objektivaudiologischer Daten im Rahmen der
Cochlear-Implant-Versorgung . . . . . . . . . . . . 31
D. Basta
Erste Funktionsprüfung – die Messung der
Elektrodenwiderstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Elektrisch evozierter Stapediusreflex . . . . . . . . . . 32
Bestimmung des elektrischen Dynamikbereichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Funktionsprüfung der aufsteigenden
Hörbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Monitoring der Elektrostimulation in der
Cochlea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Objektivierung von postoperativen
Beschwerdebildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
5
Technologisch-chirurgischer Fortschritt
bei der Cochlear Implantation . . . . . . . . . . . . 39
A. Aschendorff, K. Gollner, W. Maier,
R. Beck, T. Wesarg, S. Kröger, S. Arndt,
R. Laszig
Zur Indikation der Cochlear-ImplantVersorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Das Alter bei Cochlear-Implant-Operation. . . . . 40
Zur Entwicklung der Implantate aus
chirurgischer Sicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
X
Inhaltsverzeichnis
Chirurgischer Zugang zum Cochlear
Implant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Elektroakustische Stimulation, HybridCochlear-Implant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Qualitätskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
6
Die Entwicklung minimal-invasiver
chirurgischer Verfahren zur CochlearImplant-Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
A. Ernst, I. Todt
Der Beginn der Cochlear-Implant-Chirurgie . . . 47
Standardisierung der Operationstechnik . . . . . . 49
Chirurgische Spezialversorgung bei
Begleiterkrankungen des Ohres und des
Felsenbeins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Minimal-invasive Cochlea-Implant-Chirurgie . . 51
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
7
Bilaterale CI-Versorgung heute . . . . . . . . . . . 53
T. Steffens
Die Vorteile des binauralen Gehörs. . . . . . . . . . . . 53
Der Schallschatten des Kopfes . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Neurophysiologische Effekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Untersuchung zum Hörvorteil sequentiell
bilateral implantierter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Sozialrechtliche Grundlagen und
medizinische Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Sozialrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Medizinische Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
8
Gründe der Gehörlosen gegen das CI . . . . . . . . . 68
Vergleich der CI-Versorgung von Kindern
hörender Eltern mit der von hörgeschädigten
Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Hörende Eltern und CI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Hörgeschädigte Eltern und CI. . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Zufriedenheit der Eltern mit der CochleaImplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Probleme im Rehabilitationsprozess . . . . . . . . . . 70
Abschließende Bemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Cochlea-Implantate für gehörlose Kinder
gehörloser Eltern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
A. Leonhardt
Der Weg zum CI für prälingual gehörlose
Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Gehörlose Eltern und CI-Kinder? . . . . . . . . . . . . . . 64
Hintergründe der Forschungsaktivitäten . . . . . . 65
Forschungsfragen und Forschungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Teilnehmer der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Ausgewählte Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Pro und Contra Cochlea-Implantat . . . . . . . . . . . . 66
Das soziale Umfeld – Reaktionen Gehörloser
und der Gehörlosengemeinschaft. . . . . . . . . . . . . 68
9
Die Deutsche Cochlear Implant
Gesellschaft e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
T. Ringhut
20 Jahre CI- Selbsthilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
CI-Selbsthilfe heute – selbstbewusst und
sichtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Förderung von CI-Trägern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Information und Öffentlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . 74
Hand in Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Vernetzung und Kooperation – Aufgaben
für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
XI
Autorenadressen
PD Dr. Antje Aschendorff
Tanja Ringhut
Universität Freiburg
HNO-Klinik, Sektion Cochlear Implant
Killianstr. 5
79106 Freiburg
Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e.V.
Geschäftsführerin
Rosenstr. 6
89257 Illertissen
Dr. rer. nat. Dietmar Basta
Dipl.-Ing. Thomas Steffens
Unfallkrankenhaus Berlin
Funktionsdiagnostiker der HNO-Klinik
Warener Str. 7
12683 Berlin
Universität Regensburg
HNO-Klinik, Audiologie
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensbrug
Prof. Dr. rer. nat. Rolf-Dieter Battmer
Dr. med. Ingo Todt
Unfallkrankenhaus Berlin
Leiter des Zentrums für klinische
Technologieforschung
Warener Str. 7
12683 Berlin
Unfallkrankenhaus Berlin
Oberarzt der HNO-Klinik
Warener Str. 7
12683 Berlin
Prof. Dr. med. Arneborg Ernst
Unfallkrankenhaus Berlin
Direktor der HNO-Klinik
Warener Str. 7
12683 Berlin
Prof. Dr. Dr. Ernst Lehnhardt
Siegestr. 15
30175 Hannover
Prof. Dr. habil. Annette Leonhardt
Ludwig-Maximilians-Universität München
Abteilung für Präventions-, Integrations- und
Rehabilitationsforschung
Lehrstuhl für Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik
Leopoldstr. 13
80802 München
Prof. Dr. Martin Ptok
Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
1
25 Jahre Cochlear-Implantat
in Deutschland – eine
Erfolgsgeschichte mit Perspektiven:
Indikationserweiterung, Reliabilität
der Systeme
Rolf-Dieter Battmer

Taubheit oder extreme Schwerhörigkeit ist auch in
der heutigen Gesellschaft ein kaum zu überwindendes
Hindernis für den Betroffenen. Die fehlende Möglichkeit, akustische Informationen auszuwerten, hat auf
die zwischenmenschlichen Beziehungen entscheidenden Einfluss und führt in den meisten Fällen sogar zur
Isolation. Noch bis vor wenigen Jahren konnte solchen Menschen nicht geholfen werden; ihre Verständigung war im günstigsten Fall auf das Lippenlesen
beschränkt oder aber führte bei angeborener Taubheit
zur Ausbildung einer eigenen Kommunikationsform,
der Gebärdensprache, die von der normalhörenden
Umwelt nicht verstanden wird.
Diese für den Tauben scheinbar aussichtslose Situation hat sich durch die Entwicklung der elektronischen Innenohrprothese – dem Cochlea-Implantat
(CI) – entscheidend verbessert. Bereits vor mehr als
fünf Jahrzehnten konnten Djourno u. Eyriés (1957) den
Nachweis erbringen, dass mittels direkter elektrischer
Reizung des Hörnervs Hörempfindungen ausgelöst
werden können. Diese Erkenntnis führte in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zur Konzeption und
Konstruktion unterschiedlicher Implantatsysteme, mit
denen inzwischen weltweit mehr als 120.000 Menschen versorgt sind.
Unter den vielen Pionieren des Cochlear-Implantats sind insbesondere zwei zu nennen, ohne dabei
andere Forscher herabwürdigen zu wollen. William
House in Los Angeles ist es wesentlich zu verdanken,
dass das CI von der Forschung in die klinische Routine
eingeführt wurde und so den Tauben unmittelbar zugute kam (House u. Urban 1973). Graeme Clark in Melbourne hat sich mit Akribie und Ausdauer über mehr
als 40 Jahre mit allen Aspekten des CI beschäftigt und
kann zu Recht als Vater des Nucleus-Implantats angesehen werden (Clark et al. 1977; ⊡ Abb. 1.1).
Cochlear Implant in Deutschland ist untrennbar
mit dem Namen Ernst Lehnhardt verbunden (Lehnhardt et al. 1986; ⊡ Abb. 1.2). Ihm gelang es, mit dem
in Australien entwickelten Nucleussystem eine nunmehr bundesweite klinische Versorgung zu initiieren,
die auch im europäischen Ausland ihre Verbreitung
fand. 1984 wurden erstmals vier Patienten mit diesem
System in Hannover versorgt; inzwischen sind daraus
fast 4000 geworden. Mit Bedacht hatte Lehnhardt das
Nucleussystem gewählt; erfüllte es doch erstmalig die
schon von Zöllner und Keidel 1963 postulierten Mindestanforderungen: Lage der Reizelektroden in der
2
Kapitel 1 · 25 Jahre Cochlear-Implantat in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte mit Perspektiven
1
⊡ Abb. 1.1. Prof. Graeme Clark, »Vater« des Nucleusimpantats.
Emeritierter Direktor der HNO-Klinik und Leiter des »Bionic Ear
Institute« der Universität Melbourne, Australien
Scala tympani, mehrkanaliges System, Betonung der
Ortskodierung und transkutane Übertragung von Signal und Energie (⊡ Abb. 1.3).
Die systematische Verbesserung von Operationsverfahren und Implantattechnologie hat erhebliche
Implikation auf die Indikation zur Implantation und damit auf das Patientenklientel: So steigt beispielsweise
der Anteil der Kleinstkinder unter einem Lebensjahr
und die Zahl der Patienten mit erheblicher Resthörigkeit stetig. Die beidseitige (bilaterale) Versorgung
wird ebenso wie die kombinierte Nutzung von Hörgerät und CI auf der gleichen Seite untersucht. Neue
modiolusnahe intracochleäre Elektroden sowie komplexere und schnellere elektrische Stimulationsmuster
(Sprachverarbeitungsstrategien) haben zu deutlichen
Verbesserungen des Sprachverstehens insbesondere
im Geräusch geführt. Objektive Messverfahren sollen
helfen, die individuelle Einstellung von Sprachprozessoren zu vereinfachen. Dieses sind sicher nur einige,
aber unseres Erachtens wesentliche Aspekte, die die
Cochlear-Implant-Versorgung heute charakterisieren.
Die Forschung um das CI ist ein Prozess mit großer Dynamik; entsprechend schnell verändern sich Anschauungen und Erkenntnisse. Eine »Erfolgsgeschichte«
kann daher nur einen Ausschnitt aufzeigen
Indikation zum Cochlear-Implantat
⊡ Abb. 1.2. Prof. Dr. Dr. Ernst Lehnhardt, emeritierter Direktor
der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
⊡ Abb. 1.3. Das erste kommerzielle Nucleussystem 1981. 1984
wurde dieses CI erstmals in Europa an der HNO-Klinik der MHH
durch Prof. Lehnhardt implantiert
Ein Cochlear-Implantat ist indiziert, wenn bei
funktionsfähigem Hörnerv eine reine cochleäre
hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegt. Während in der Frühzeit der CIVersorgung nur postlingual ertaubte Erwachsene
berücksichtigt wurden, werden seit langem Kinder
– in jüngster Zeit auch Klein- und Kleinstkinder –
implantiert. Dies lässt sich eindrucksvoll anhand
der Implantationszahlen der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover nachweisen.
Der Anteil der implantierten Kinder beträgt seit
1991 relativ konstant 55–60%. In den letzten Jahren hat sich das Implantationsalter deutlich nach
unten bewegt – das jüngste implantierte Kind in
unserer Klinik war erst 4 Monate alt. Es gibt eine
Reihe von Argumenten, die eine Implantation im
frühen Kindesalter unterstützen. Das wichtigste
ist vielleicht, dass je früher der auditorische Input (wieder)hergestellt wird, desto besser lernt das
3
Zuverlässigkeit der Systeme
Kind, diesen zu nutzen. Während früher eine zu
lange Zeit bis zur Entdeckung einer Schwerhörigkeit oder Taubheit im Kindesalter verstrich, hat
sich dies durch das Einführen des NeugeborenenHörscreenings deutlich verbessert. Wenn auch mit
objektiven audiologischen Messmethoden eine
geringe Resthörigkeit nicht völlig auszuschließen
ist, so kann ein Hörgeräteversuch, der bei Kleinkindern obligatorisch sein sollte, bereits im 1. Lebensjahr abgeschlossen sein und bei negativem
Ergebnis frühzeitig zu einer Indikation zum CI
führen. Nicht zuletzt soll an dieser Stelle auch auf
die Implikation einer frühen CI-Versorgung in
Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse hingewiesen werden, die einen deutlichen Vorteil für
die Implantation in den ersten zwei Lebensjahren
aufweist (Schulze-Gattermann 2002).
Bedingt durch die positiven Ergebnisse mit
technisch verbesserten Implantatsystemen wurde
die Indikation in Hinblick auf Resthörigkeit auch
bei den Erwachsenen ausgeweitet. Die Beurteilung
beruht dabei im Wesentlichen auf dem Sprachaudiogramm. Als Grenzwerte gelten heute allgemein
≤ 30% Verständlichkeit im Freiburger Einsilbertest und/oder ≤ 50% im HSM-Satztest (Leitlinie
»Cochlear-Implant Versorgung einschließlich auditorisches Hirnstammimplantat« 2002). Diese
Grenzen ergeben sich aus den Resultaten, die im
Mittel heute von CI-Patienten erreicht werden
(Ruh et al. 1997). Auch Missbildungen und Obliterationen der Schnecke können mit Hilfe von
Spezialimplantaten und einer besonderen Operationstechnik versorgt werden und gelten wie auch
die Mehrfachbehinderung keineswegs mehr als
kontraindiziert. Bei der Zusatzbehinderung gilt es
insbesondere, den individuellen Fall zu betrachten
und aufgrund der Art und Schwere eine Indikationsstellung vorzunehmen.
Zuverlässigkeit der Systeme
Das folgenschwerste technische Problem bei der
CI-Versorgung ist der Implantatausfall. Es wird
verständlicher, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Cochlea-Implantate technische Systeme
sind. Diese können trotz aller Kontrolle fehlerhaft
sein, Fehler entwickeln oder ganz ausfallen. Darü-
1
ber muss und wird jeder Patient (oder die Eltern
von CI-Kindern) vor der Implantation aufgeklärt.
Neue Implantatsysteme werden zunächst immer mit Erwachsenen getestet, um möglichen
Schaden zu begrenzen und um ein möglichst umfangreiches Feedback zu erhalten. Die entscheidenden Ursachen von Implantatausfällen wurden
allerdings erst bei der Versorgung von Kindern
entdeckt (Beispiele: Nucleus – Antennenbrüche,
Clarion – Gehäusebrüche) und waren zumeist
Folge des unterschiedlichen Verhaltens von Erwachsen und Kindern.
Ein Implantatausfall lässt sich folgendermaßen
definieren: Das Implantat kann die spezifizierte
Funktion nicht mehr ausführen, wobei sich der
Ausfall abstufen lässt in einen totalen Ausfall, der
den kompletten Verlust des klinischen Nutzens zur
Folge hat, und in Abweichungen von den technischen Spezifikationen, die nicht zum Verlust des
klinischen Nutzens führen.
Für die Verifizierung eines Implantatausfalls
sind heranzuziehen:
▬ die Telemetrie des Implantats, mit der Elektrodenimpedanzen und elektrische Schaltkreise
getestet werden, und
▬ der Integritätstest (Battmer et all. 1994), bei
dem durch Ableitung von Oberflächenpotentialen die Gesamtfunktion des Implantats überprüft wird.
Schließlich müssen ggf. medizinische Ursachen
abgegrenzt werden, wobei mittels elektrisch evozierter Potentiale (E-Bera) und Stapediusreflexmessung Aussagen über die Funktion der weiterführenden auditorischen Bahnen getroffen werden
können.
Diese verschiedenen Methoden erfordern neben qualifiziertem Personal auch einen erheblichen
apparativen Aufwand. Insbesondere die Überprüfung der Funktion der nachgeschalteten auditorischen Bahnen kann nicht durch die Hersteller
geleistet, sondern muss von der implantierenden
Klinik durchgeführt werden.
Ein Maß für die Zuverlässigkeit von Implantaten ist die »kumulative Überlebensrate (CSR)«.
Sie gibt an, wie groß prozentual die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Implantat einen Zeitpunkt x
nach der Implantation funktionstüchtig erreicht
4
1
Kapitel 1 · 25 Jahre Cochlear-Implantat in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte mit Perspektiven
(ISO 5841/2-2000) und beruht damit auf der Zahl
defekter Implantate pro Zeiteinheit. CSR verbindet
die beiden beeinflussenden Parameter: Zeit des
Ausfalles nach Implantation und prozentuale Ausfallrate eines bestimmten Modells. Das Maß wurde
bereits länger von der Herzschrittmacherindustrie
verwendet und wurde erstmalig 1991 durch E. v.
Wallenberg für CI eingeführt (von Wallenberg et
al. 1993). Überlebensraten bei modernen Implantaten liegen zwischen 95 und 100%.
Die Berechnung der CSR-Werte beruht auf
der Zahl ausgefallener Implantate und ist damit
von der Definition eines Implantatausfalls abhängig. Um zu erreichen, dass diese seitens der Hersteller einheitlich Verwendung findet und damit
zu vergleichbaren CSR-Raten führt, hat sich eine
internationale Gruppe von Professionals (Global
Consensus Group on Cochlear Implant Reliability)
zusammengefunden, die inzwischen eine solche
Definition erarbeitet hat. Das Ergebnis dieser Arbeit wird demnächst publiziert werden.
Technologische Verbesserungen
Operationstechnik
Seit ihrer Einführung unterliegt die Versorgung
mit Cochlea-Implantaten kontinuierlich technologischen Verbesserungen. Dieses gilt für die Operationstechnik ebenso wie für die Hardwarekomponenten sowie für die Anpass- und Betriebssoftware.
Die technologischen Möglichkeiten der CI-Systeme
haben mit größerer Verbreitung zugenommen, um
den gestiegenen Anforderungen der Patienten und
Wissenschaftler gerecht zu werden.
Mit wenigen Ausnahmen (z. B. Banfai 1979)
wurde bereits in den frühen achtziger Jahren die
intracochleäre Platzierung des Elektrodenbündels
favorisiert (z. B. House 1982; Clark et al. 1979;
Lenarz 1998). Um die Elektrode dorthin zu bekommen, bedarf es einer konventionellen Mastoidektomie mit anschließender posteriorer Tympanotomie. Die Elektrode wird schließlich über eine
Cochleostomie anteroinferior zum runden Fenster
in die Scala tympani eingeführt. Der Implantatkörper wird im Mastoidknochen versenkt, wobei bei
Kindern evtl. der Knochen bis auf die Dura abge-
tragen werden muss. Ein Knochenkanal bis zum
Kortikalisüberhang schützt den Elektrodenträger
gegen mechanische Kräfte. Diese Vorgehensweise
mit kleinen Unterschieden ist heute allgemein anerkannt und hat sich in den letzten 10 Jahren nur
geringfügig verändert.
Wichtige Voraussetzung für eine intracochleäre
Vorgehensweise ist die Beschaffenheit des Elektrodenträgers. Er soll einerseits leicht und schonend
zu inserieren sein, er muss aber auch, z. B. bei einem möglichen Systemausfall, ebenso leicht wieder
entfernt werden können. Zudem wird eine modioliusnahe Lage in der Scala tympani bevorzugt, um
mit geringen Strömen möglichst effektiv elektrisch
zu reizen. Als Beispiel einer solchen Elektrode
sei die Nucleus-Contour-Elektrode genannt – eine
vorgeformte Elektrode, die zur Einführung mittels
eines Drahts, dem sog. Stilett, gerade gehalten wird.
Nach der Einführung wird das Stilett entfernt, die
Elektrode nimmt ihre gekrümmte Form ein und
nähert sich so dem Modiolus.
Modifiziert gerade in letzter Zeit wurde der
Hautschnitt. Während die neunziger Jahre noch
geprägt waren durch einen umfangreichen J- oder
C-förmigen Schnitt, neigt man heute zur Anlage
einer möglichst kleinen Inzision, insbesondere bei
der Versorgung von Kleinstkindern. Diese Methodik, die dem Chirurgen deutlich mehr an operativem Geschick abverlangt, bedeutet für den Patienten eine erheblich schonendere Operation mit
entsprechend geringeren Nachwirkungen und geringeren postoperativen Komplikationsraten. Für
weitere und detailliertere Informationen über die
Operationstechnik sei auf Kap. 5, »Technologischchirurgischer Fortschritt bei der Cochlear-Implantation« von Frau Professor A. Aschendorf in diesem
Buch, verwiesen.
Die Versorgung von Patienten mit Teilobliteration oder Missbildungen der Schnecke ist heute
dank einer speziellen Operationstechnik, bei der
eine zweiteilige Elektrode verwendet wird, erfolgreich möglich. Dabei wird jeweils ein Elektrodenträger in die basale und einer in die zweite Windung
der Schnecke eingebracht (Lenarz et al. 2001).
Eine weitere wichtige Neuerung ist die Möglichkeit der intraoperativen Funktionskontrolle des Implantats. Mittels Telemetrie lassen sich – zumindest
bei drei der vier zurzeit kommerziell erhältlichen
5
Technologische Verbesserungen
1
⊡ Abb. 1.4. Das zurzeit aktuelle Nucleus-»Freedom«-System
Implantate – die Impedanzen der Elektroden messen. Damit ist nicht nur die Funktion des Implantats,
sondern auch die Integrität der Elektrodenkontakte
gewährleistet. Die Funktion der peripheren Hörbahn lässt sich ebenfalls bereits intraoperativ über
das Implantat mittels der Ableitung von Nervenaktionspotentialen (Neural Response Telemetry, NRT,
bzw. Neural Response Imaging, NRI) überprüfen.
Neben der Funktionalitätskontrolle werden mittels
der NRT-Schwellen auch objektive Daten gewonnen, die für die spätere Anpassung des Sprachprozessors verwendet werden können (Brown et al.
2000). Auch die intraoperativ registrierte Stapediusreflexschwelle lässt sich zu diesem Zweck verwenden und wird daher bei allen unseren Operationen
bestimmt (Battmer et al. 1990).
Systemanpassung
Voraussetzung für eine erfolgreiche Rehabilitation
nach einer Cochlea-Implantation ist die individuelle Anpassung des Sprachprozessors. Sie wird auch
heute noch überwiegend subjektiv durchgeführt
und verlangt von Untersucher und Patienten ein
hohes Maß an Kooperation und Konzentration.
Die Anpassung des Sprachprozessors unterscheidet sich bei Erwachsenen und Kindern deutlich im methodischen Verfahren. Bei Erwachsenen liegt die Vorgehensweise mehr auf rationaler
Ebene; es kann auf ihre Hörerfahrung und ihre
Fähigkeit, sprachlich exakte Angaben zu machen,
zurückgegriffen werden. Besonders bei sehr kleinen Kindern ist dieses nicht möglich. Daher ist
hier die Anpassung geprägt durch ein spielerisches Gestalten und durch das Beachten der individuellen altersbedingten Besonderheiten. Es ist
zu bedenken, dass Kooperationsbereitschaft und
Aufmerksamkeit der Kinder starken Fluktuationen
unterliegen und die aktuelle Befindlichkeit einen
erheblichen Einfluss auf den Ablauf der Anpassung
ausübt.
Das Ziel der Erstanpassung bei Erwachsenen
besteht zunächst darin, eine möglichst große Anzahl von Elektroden zu aktivieren – bei guter Kooperation des Patienten sofort alle verfügbaren.
Damit wird das individuelle Hörfeld erfasst und
Höreindrücke können darin adäquat abgebildet
werden. Aus diesen Daten wird – mittels des Computers – ein Sprachprozessorprogramm erstellt, mit
dem der Patient sofort hören kann. Die Anzahl der
angepassten Elektroden bei Kindern ist abhängig
6
1
Kapitel 1 · 25 Jahre Cochlear-Implantat in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte mit Perspektiven
von ihrer Bereitschaft mitzuarbeiten. Bei Erwachsenen ist ein schnelles Vorgehen möglich, da mit den
oben genannten Schwierigkeiten kaum zu rechnen
ist. Das Ziel der Erstanpassung bei Kindern besteht
daher primär in der Akzeptanz des angeschalteten
Sprachprozessors in alle Wachstunden.
Mit steigender Implantationszahl und immer
jüngeren Kindern, aber auch zur Verkürzung des
Prozedere wird intensiv versucht, objektiv, zumeist bereits intraoperativ ermittelte Daten für
die Anpassung zu verwenden. Hier bieten sich
insbesondere die intra- und postoperativ über das
Implantat messbaren Aktionspotentiale an (Brown
et al. 2000). Allerdings ist es bisher nicht gelungen, diese Messergebnisse eindeutig entweder der
elektrischen Hör- oder Unbehaglichkeitsschwelle
zuzuordnen. Vielmehr scheint die Verwendung der
intraoperativ ermittelten Stapediusreflexschwelle
als annäherndes Äquivalent zur Unbehaglichkeitsschwelle, wie bereits von uns vor längerer Zeit beschrieben (Battmer et al. 1990), die beste objektive
Annäherung darzustellen.
Sprachverarbeitung
Obwohl die genaue Art der Sprachkodierung im
Innenohr noch immer nicht komplett bekannt ist,
besteht kein Zweifel an einer Zeit- und einer Ortskodierung. In der Einzelfaser des Hörnervs werden
Lautstärke und auch Frequenz durch die Folgerate
der Spikes kodiert, die Tonhöhe durch die Zuordnung zum jeweiligen Bereich der Basilarmembran.
Dieses scheinbar eindeutige Prinzip wird jedoch
insofern durchbrochen, als Lautstärke auch durch
Zuschaltung benachbarter Nervenfasern verschlüsselt werden kann.
Auf der Basis dieser physiologisch bedingten
Tatsache entstand eine Reihe unterschiedlicher
Sprachverarbeitungsstrategien, die sich im Wesentlichen durch ihre verschiedenen Reizformen (pulsatil oder analog) und dem zeitlichen Auftreten dieser
Reize (gleichzeitig oder nacheinander) unterscheiden. Eine der wichtigsten davon ist die von Wilson
et al. (1993) entwickelte »Continous Interleaved
Sampling«(CIS)-Strategie. Charakteristikum dabei
ist, dass zeitlich nacheinander auf jedem vorhandenem Kanal ein Puls ausgelöst wird. Da die Pulse un-
mittelbar aufeinander folgen, wird die Reizfolgerate
durch die Pulsdauer bestimmt – je kürzer die Pulse,
desto schneller der Ablauf. Die Technik außerhalb des Labors ließ lange Zeit nicht zu, dass sehr
schnelle Reizfolgeraten an einem größeren Patientenkollektiv untersucht werden konnten. Das hat
sich mit Einführung des neuen Clarion-HiRes90KImplantats geändert; zumindest theoretisch können
damit Folgeraten von bis zu 90.000 Pulsen/s (pps)
als Summenrate erreicht werden.
Als Ergebnis zeigte sich, dass eine Gruppe von
Patienten einen deutlichen Zugewinn an Verständnis mit diesen höheren Raten erreichte; ein statisch
signifikanter Unterschied zwischen den Programmen mit unterschiedlich hohen Reizraten fand
sich nicht.
In jüngster Zeit wurde von Nogueira et al.
(2007) ein Sprachalgorithmus auf der Basis des psychoakustischen Maskingeffekts konzipiert. Diese
Strategie basiert auf einer auch bei MP3-Spielern
verwendeten Datenreduktion, die nur solche Frequenzen berücksichtigt, die auch im Normalfall
vom auditorischen System weitergeleitet werden.
Die Reduktion erfolgt etwa in einem Verhältnis
1:10. Das bedeutet einerseits eine Verminderung
des Strombedarfs, andererseits wird erwartet, dass
das Sprachgehör insbesondere im Geräusch eine
Verbesserung erfährt. Inzwischen wird eine europäische multizentrische Studie durchgeführt, um den
Nutzen der »MP3000«-Strategie nachzuweisen.
Bilaterale Versorgung und
elektroakustisches Hören
Eine weitere Möglichkeit, das Sprachverstehen deutlich zu verbessern, ist die Versorgung von CI-Patienten mit zwei Implantaten. Das erscheint insbesondere im frühen Kindesalter von Bedeutung, um das
Ausbilden eines binauralen auditorischen Systems
zu ermöglichen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass nur innerhalb eines gewissen Zeitfensters
eine solche Bahnung möglich ist. Daher sollten alle
Kleinkinder heute bilateral versorgt werden.
Der Nutzen zweier Implantate ist bereits seit langem bei postlingual ertaubten Erwachsenen nachgewiesen worden. Dabei konnten beim Sprachverstehen im Geräusch und insbesondere beim Richtungs-
7
Technologische Verbesserungen
1
Cochlear
Implant
(hohe Frequenzen)
Sprachprozessor
Im-OhrHörgerät
(tiefe Frequenzen,
Restgehör)
⊡ Abb. 1.6. Beispiel einer Elektrode für die elektroakustische
Stimulation. Die in Hannover zusammen mit der Fa. Cochlear entwickelte Hybrid-L-Elektrode im Vergleich zur ContourAdvance Standardelektrode
hören deutliche Verbesserungen registriert werden
(Müller et al. 2002; van Hoesel et al. 1999). Für ausführliche Information zur bilateralen Implantation
sei auf das Kap. 7, »Bilaterale CI-Versorgung heute«
von T. Steffens in diesem Buch, verwiesen.
Ein weiterer interessanter Ansatz für die Verbesserung des Hörvermögens einer bestimmten
Gruppe von Patienten ist die sog. »Elektroakustische Stimulation (EAS)«, bei der Patienten mit gut
erhaltenem Restgehör im Tieftonbereich zu ihrem
Implantat auf dem gleichen Ohr zusätzlich ein
Hörgerät nutzen (⊡ Abb. 1.5). Diese von v. Ilberg
et al. (1999) initiierte Methode der »bimodalen
Versorgung« erfordert den Erhalt des Restgehörs
bei der CI-Operation.
Vorteile einer solchen Versorgung werden darin gesehen, dass das CI nicht in der Lage ist, Frequenzen unterhalb 250–300 Hz zu übertragen. In
den Frequenzen unterhalb dieser Grenze sind aber
⊡ Abb. 1.5. Prinzip der elektroakustischen Stimulation (EAS). Der
taube Hochtonbereich wird durch
das Cochlea-Implantat elektrisch
stimuliert, während das Restgehör
im Tieftonbereich durch ein Hörgerät verstärkt wird
durchaus Informationen, die zum Sprachverstehen
und zum Musikhören beitragen. Zudem könnte
der Erhalt von Haarzellen sich insgesamt für das
periphere auditorische System positiv auswirken,
da dort neurotrophine Faktoren produziert werden, die neuronale Prozesse im peripheren auditorischen System unterstützen.
Mehrere Studien wurden zu diesem Thema bisher durchgeführt: Zu nennen sind dabei die Studie
von Gantz et al. (2005) in den USA, der zunächst
mit einer 6 mm, dann mit einer 10 mm langen
Elektrode und 6 Elektrodenkontakten sehr gute
Resultate bei der Hörerhaltung erzielte (im Mittel
nur ~10 dB Verschlechterung prä- zu postoperativ); weiterhin die Frankfurter Studie von Gestöttner et al. (2004) mit verschieden langen Med-ElElektroden, bei der bei ca. 70% der Patienten eine
Hörerhaltung mit im Mittel 20 dB zusätzlichem
Hörverlust zu registrieren waren, und schließlich
die multizentrische europäische Studie von James
et al. (2005), bei der eine herkömmliche NucleusContourelektrode verwendet wurde. Hier war die
Erhaltung des Resthörvermögens bei weniger als
70% der Patienten möglich; der mittlere zusätzliche
Hörverlust betrug 30 dB.
In jüngster Zeit wurde in Kooperation mit
Cochlear Ltd. eine weitere Studie mit einer speziell
konzipierten Elektrode (Hybrid-L) in Hannover
initiiert (Lenarz et al. 2006). Diese ist 16 mm lang,
verfügt über 22 Elektrodenkontakte und ist so
dünn, dass sie über das runde Fenster inseriert
werden kann (⊡ Abb. 1.6). Die Ergebnisse der ersten 30 Patienten sind sehr ermutigend; bei mehr
8
1
Kapitel 1 · 25 Jahre Cochlear-Implantat in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte mit Perspektiven
als 90% konnte das Resthörvermögen mit nur im
Mittel 10 dB Verschlechterung der Tonschwelle
postoperativ erhalten werden. Die Sprachtestergebnisse zeigen eine statistisch signifikante Verbesserung, wenn Hörgerät und CI zusammen verwendet
werden, gegenüber nur einem Hörsystem allein.
Inzwischen befindet sich die Elektrode in einer
europäischen multizentrischen Studie; es bleibt abzuwarten, ob die Hannoverschen Ergebnisse reproduziert werden können.
Fazit
Die Zukunft des Cochlear-Implants liegt zweifellos
in der Nutzung neuer technologischer Entwicklungen. Das bezieht sich wesentlich auf die Elektronik
mit der Verwendung kleinerer, höher integrierter
und stromsparender Schaltkreise. Damit lassen
sich beispielsweise noch schnellere und komplexere Sprachverarbeitungsstrategien realisieren. Ein
geringerer Strombedarf würde auch bedeuten, dass
ggf. kleinere Batterien oder Akkus verwendet werden könnten, so wie es heute bereits seit langem in
der Hörgerätetechnik üblich ist. Eine weitere Miniaturisierung sowohl der Implantate als auch der
Sprachprozessoren bis hin zu einem total implantierbaren System könnte dadurch erreicht werden.
Die steigende Anzahl an implantierten Patienten ermöglicht es auch, dass weltweit an verschiedenen Orten mit Hilfe von psychophysikalischen
Untersuchungen und Sprachtestverfahren neue
Wege zur Verbesserung des Sprachverstehens beschritten werden können. Eine Tendenz geht hier
zur Verwendung immer höherer Reizraten, um
eine mehr stochastisch verteilte Erregung auf den
Nervenfasern – so wie sie auch beim Normalhörenden zu messen ist – zu erreichen.
Bilaterale Versorgung wie auch das elektroakustische Hören gewinnen an Bedeutung – es bleibt abzuwarten, ob, wie in der Hörgeräteversorgung, die
bilaterale Implantation zum Regelfall wird. Nicht
zuletzt soll darauf hingewiesen werden, dass mit den
heutigen technischen Möglichkeiten der Implantate
auch die individuelle Anpassung an den Patienten
verbessert werden kann. Die intraoperative Ermittlung des Aktionspotentials mit Hilfe von intracochleären Elektroden (NRT, NRI) ist sicher ein Weg,
um die elektrischen Hörschwellen zu bestimmen,
aber auch, um die Wahl der Elektrodenkontakte
für das Sprachprozessorprogramm objektiv zu unterstützen. Ein Ansatz zur objektiven Ermittlung
der Unbehaglichkeitsschwellen liegt ferner in der
konsequenteren Nutzung intraoperativ ermittelter
Stapediusreflexe. Entsprechende Algorithmen zur
Berechnung der C-Level ließen sich in Sprachprozessoren oder Anpasssystemen integrieren.
Verbesserungswürdig ist auch die Zuverlässigkeit der Implantate und im Besonderen auch die
offene Kommunikation von Ausfällen. Hier müssen wir Anwender die Hersteller unter Vorgabe der
Randbedingungen zu einem offeneren Dialog hin
bewegen – zum Wohle unserer Patienten und im
Interesse einer korrekten Aufklärung.
Diese wenigen und zum Teil auch nur spekulativen Bemerkungen zur Zukunft sollen vermitteln, dass Cochlear-Implantate noch lange nicht
vollkommen sind. Vielmehr ist zu erwarten – und
zum Wohl der unzähligen Tauben weltweit auch zu
hoffen –, dass sie auch weiterhin das Feld für möglichst vielfältige Forschungsaktivitäten darstellen.
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2
Ursachen und entwicklungsphysiologische Diagnostik kindlicher
Schwerhörigkeiten
M. Ptok

Dem Gehör kommt eine Schlüsselrolle beim Erlernen
der Sprache zu. Ohne Sprache und Gehör kann die
Beziehung zwischen den Menschen auf Dauer stark
beeinträchtigt sein. So wurden früher Kinder, die nicht
auf akustische Reize reagierten und Sprache weder
verstehen noch spontan erwerben konnten, als »taub«
bzw. »taubstumm« bezeichnet. Das Wort »taub« ist wie
das Wort »dumm« aus dem altdeutschen Wort »tumb«
hervorgegangen (Stichnoth 1985). Dies deutet an, welchen Vorurteilen betroffene Kindern ausgesetzt waren.
Erst mit zunehmenden Kenntnissen der Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Hörorgans gelang
es, für die verschiedenen Formen der Schwerhörigkeit
diagnostische, therapeutische und (re)habilitative Verfahren zu entwickeln oder entscheidend zu verbessern.
Dadurch kann heute vielen Kinder, die früher als »taub«
(und/oder »dumm«) eingestuft worden wären, so geholfen werden, dass die Schwerhörigkeit bzw. deren Auswirkungen abgemildert oder beseitigt werden können.
Orientiert man sich an der Internationalen Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und
Beeinträchtigungen (ICIDH), dann kennzeichnet der
Begriff »Hörstörung« allerdings eine Störung des hochkomplexen Vorgangs »Hören« und stellt somit eine
Beschreibung einer Fähigkeitsstörung, nicht aber die
Beschreibung einer Schädigung dar. Somit handelt es
sich streng genommen nicht um eine »Diagnose«.
Formen der Hörstörungen
Die verschiedenen Formen der Hörstörungen im
Kindesalter lassen sich nach Qualität und Topik,
Ursachen und Schweregrad einteilen.
Im klinischen Alltag üblich ist die Unterteilung nach Schallleitungsstörungen, Schallempfindungsstörungen und zentralen Hörstörungen bzw.
Kombinationen, üblicherweise mit einem Hinweis
auf eine (vermutete) Ursache und einem Hinweis
auf den Schweregrad (z. B. hochgradige, nichtsyndromale, autosomal-rezessive Schallempfindungsschwerhörigkeit).
Hören als komplexer Prozess
Der Gesamtprozess des Hörens kann, auch in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht, grob
in folgende Teilfunktionen unterteilt werden (Ptok
1997):
12
2
Kapitel 2 · Ursachen und entwicklungsphysiologische Diagnostik kindlicher Schwerhörigkeiten
Im äußeren Ohr (Ohrmuschel und Gehörgang)
wird das Schallsignal auf das Trommelfell geleitet. Hierbei kommt es zu einer Modifizierung des
Frequenz-Intensitäts-Verhältnisses des ursprünglichen Schallsignals. Die Verstärkung beträgt bei
Säuglingen und Kleinkindern bis zu 20 dB bei
3–4 kHz, also in dem Frequenzbereich, der für das
Verstehen von Sprache besonders wichtig ist.
Am Trommelfell als Grenze zwischen äußerem Ohr und Mittelohr wird das Schallsignal von
einem Luftschall in einen Körperschall umgewandelt. Eine weitere Aufgabe des Trommelfells
ist die Schallprotektion, d. h., durch ein intaktes
Trommelfell wird vermieden, dass Schallsignale
gleichzeitig am runden und ovalen Fenster des
Innenohres auftreffen.
Im Mittelohr mit den Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel wird der Körperschall zum Innenohr transportiert. Die spezielle
Anordnung des Trommelfells und der Gehörknöchelchen bewirkt neben einer Vorverstärkung eine
Impedanzanpassung vom akustischen Widerstand
der Luft zum akustischen Widerstand der Innenohrflüssigkeiten: Würde das Schallsignal unmittelbar auf die flüssigkeitsgefüllten Räume der Hörschnecke treffen, würde der größte Teil der Schallenergie reflektiert werden und könnte nicht für den
eigentlichen Hörvorgang ausgenutzt werden.
⊡ Abb. 2.1. Graphische Darstellung eines tonschwellenaudiometrischen Ergebnisses bei
normalem Hörvermögen. Auf
der x-Achse sind die Prüffrequenzen eingetragen, auf der
y-Achse die Intensität, die nötig
war, damit das Kind den Prüfton hörte. Die gestrichelte Linie
zeigt die sog. Knochenleitung,
diese spiegelt die Funktion des
Innenohres näherungsweise
wieder. Die durchgezogene Linie zeigt die sog. Luftleitung
Im Innenohr wird zunächst die mechanische
Energie des Schallsignals nochmals aktiv verstärkt
(elektromechanische Transduktion) und anschließend in bioelektrische Energie (Nervenimpulse –
mechanoelektrische Transduktion) umgewandelt
(Zenner 1994). Diese beiden Prozesse können nur
funktionieren, wenn bestimmte Ionenkonzentationsgradienten bestehen und die schwingenden
Teile im Innenohr exakt aufeinander abgestimmt
sind (Gummer et al. 1996; Preyer 1996).
Die Impulse werden im Hörnerv zum Nucleus
cochlearis im Hirnstamm weitergeleitet.
Im Hirnstamm werden akustisch evozierte Nervenimpulse verarbeitet (Kodierung von Frequenz,
Intensität, Phase und Stimulationszeit, Signalmerkmalsextraktion). Dies ermöglicht die Funktionen
Lokalisation, Summation, Fusion, Separation, Diskrimination, Identifikation, Differenzierung und
Integration von Signalen.
Dem auditorischen Kortex (primäre, sekundäre
und tertiäre Felder) werden die Funktionen Laut- und
Geräuschempfindung, Klang- und Wortverständnis,
akustische Aufmerksamkeit und Speicherung von
Wort-, Musik- und Sprachinhalten zugeschrieben.
Bei einer Hörstörung können alle Teilfunktionen einzeln oder in Kombination betroffen sein.
Grob orientierend spricht man von einer Schallleitungsschwerhörigkeit (⊡ Abb. 2.1, 2.2), wenn der
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Schallleitungsschwerhörigkeit
Schalltransport bis zum ovalen Fenster gestört ist.
Ist die Umwandlung der mechanischen Energie des
Schalls in ein bioelektrisches Signal gestört, spricht
man von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit
(⊡ Abb. 2.3). Unter einer auditiven Verarbeitungsund Wahrnehmungsstörung (zentrale Hörstörung)
versteht man die Störung der Verarbeitung (Hirnstammniveau) und Wahrnehmung (höhere auditorische Funktionen unter Einbeziehung kognitiver
Funktionen) dieser nervalen Impulse.
2
Schallleitungsschwerhörigkeit
Schallleitungsschwerhörigkeiten sind im Kindesalter außerordentlich häufig: bei jeder Tubenventilationsstörung (z. B. im Rahmen banaler Erkältungskrankheiten oder aber bei vergrößerten bzw.
chronisch entzündeten Rachenmandeln und bei
Gaumenspalten) bzw. bei jedem Paukenerguss ist
eine solche Schwerhörigkeit zu vermuten. Nach
Angaben aus den 1970er und 1980er Jahren litten
⊡ Abb. 2.2. Graphische Darstellung eines tonschwellenaudiometrischen Ergebnisses bei
typischer Schallleitungsschwerhörigkeit. Zwischen Knochenleitung und Luftleitung besteht
in den niedrigen Frequenzen
eine Dissoziation (sog. Mittelohrkomponente)
⊡ Abb. 2.3. Graphische Darstellung eines tonschwellenaudiometrischen Ergebnisses
bei typischer leichter Innenohrschwerhörigkeit (sog. C5-Senke). Kochen- und Luftleitung
verlaufen parallel
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Kapitel 2 · Ursachen und entwicklungsphysiologische Diagnostik kindlicher Schwerhörigkeiten
ca. 200.000 Kinder der damaligen Bundesrepublik an chronisch-rezidivierenden Mittelohrerkrankungen.
Daneben können Störungen der Schallleitung
auch durch Traumen einschließlich Fremdkörper,
Infektionen, Fehlbildungen oder (selten) durch
gut- oder bösartige Tumore entstehen.
Traumen können entweder primär zu einer
Schädigung von Trommelfell und/oder Gehörknöchelchenkette oder sekundär (durch Auslösen einer Infektion) zu einer Hörstörung führen.
Häufig sind z. B. Trommelfelldefekte und/oder
Unterbrechungen der Gehörknöchelkette nach
Ohrfeigen.
Gerade im Kindesalter sind nicht selten
Fremdkörper (Erbsen, kleine Legosteine, Schrauben etc.) im Gehörgang zu finden. Werden sie
nicht umgehend entfernt, besteht die Gefahr einer sekundären Infektion mit Verschwellung des
Gehörgangs.
Fehlbildungen der Ohrmuschel stellen in erster
Linie ein ästhetisches Problem dar. Fehlbildungen
des Gehörgangs können als extrem enger Gehörgang, als Gehörgangsatresie oder als Verdoppelung
des Gehörgangs beobachtet werden.
Folgende Fehlbildungen des Mittelohres sind
bekannt:
▬ Fehlbildungen der Gehörknöchelkette (Malleus, Inkus, Stapes),
▬ Fehlbildungen der Binnenohrmuskeln,
▬ Gefäßanomalien,
▬ Fehlbildungen aufgrund von Keimversprengungen,
▬ kongenitales Epidermoid (kongenitales Cholesteatom),
▬ kongenitales Dermoid,
▬ Liquor-Mittelohrfisteln,
▬ indirekte (tranlabyrinthäre) Liquorfisteln,
▬ direkte (paralabyrinthäre) Fisteln.
▬ kombinierte Fehlbildungen.
Tumore der Ohrmuschel und des Gehörgangs sind
im Kindesalter selten.
Die klassische Therapie der Schallleitungsschwerhörigkeit ist die (operative) Beseitigung
des Schalltransporthindernisses, medikamentöse
Maßnahmen können vorgeschaltet sein (Beispiel:
Paukenerguss).
Schallempfindungsschwerhörigkeit
Ein bis zwei pro Tausend Neugeborene leiden an
einer sofort interventionspflichtigen (z. B. hörgerätepflichtigen) Innenohrschwerhörigkeit, d. h.
einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Neugeborene mit entsprechenden Risikofaktoren (insbesondere diejenigen, die nach der Geburt einer intensivmedizinischen Betreuung bedürfen,
⊡ Tabelle 2.1) haben ein zehnfach höheres Risiko,
an einer interventionspflichtigen Schallempfindungsschwerhörigkeit zu leiden.
Während die Ursache von Schallleitungsstörungen in der Regel einfach festzustellen ist, lässt
sich auch durch eine genaue Diagnostik nur bei
etwa der Hälfte aller kindlichen Innenohrschwerhörigkeiten die Ursache ermitteln.
Jegliche Störung funktionstragender Elemente
in der Cochlea (insbesondere Basilarmembran,
innere oder äußere Haarzellen einschließlich Stereozilien, Stria vaskularis, Axone) kann zu einer
Hörstörung führen. Da eine Endoskopie oder eine
Gewebeentnahme nicht möglich ist (die sofortige
Ertaubung wäre die sehr wahrscheinliche Folge!),
wird die Bestimmung des genauen Pathomechanismus im Einzelfall nur durch eine postmortale histologische Untersuchung des Felsenbeins
möglich sein. Die Konstellation verschiedener
Ergebnisse audiologischer Untersuchungen lassen allerdings Hinweise auf den Pathomechanismus zu.
Funktionsstörungen des Innenohres können
metabolisch, traumatisch (z. B. bei Schädelhirntraumen, Lärmtraumen) oder genetisch verursacht
sein. Sie können als reine Funktionsstörungen oder
als Funktionsstörung bei radiologisch nachweisbarer Fehlbildung der Hörschnecke (z. B. bei der
Mondini-Dysplasie) auftreten. Tumore des Innenohres sind nicht bekannt.
Typische Ursachen sind Fehlbildungen (kongenitale Folgezustände exogener Fetopathien und
echte Fehlbildungen durch Entwicklungshemmung), syndromale Erkrankungen (z. B. Pendred-,
Usher-, Alport-Syndrom), prä- und perinatale Asphyxie, Schwangerschaftsinfektionen, Einnahme
von teratogenen Medikamenten während der
Schwangerschaft, Geburtstraumen, Infektionen des
Labyrinths und Traumen. Etwa 50% aller hochgra-
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Syndromale und nichtsyndromale Hörstörungen
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⊡ Tabelle 2.1. Risikofaktoren für Schwerhörigkeit
Risikofaktoren, die bei Neugeborenen
einen Hörtest erforderlich machen:
 Postnatal erforderliche intensivmedizinische Behandlung (Risiko einer
beidseitigen Schwerhörigkeit 1–3%!)
 Kraniofaziale Anomalien
 Bekannte familiäre Schwerhörigkeit
 Intrauterine Infektion
 Perinatale Zytomegalieinfektion
Erstrebenswert ist ein Hörscreening bei allen Neugeborenen!
Risikofaktoren, die bei allen
betroffenen Kindern einen Hörtest
erforderlich machen:











Von Eltern geäußerter Verdacht auf eine Schwerhörigkeit
Ausbleiben altersentsprechender sprachlicher Fortschritte
Bakterielle Meningitis
Schädelhirntrauma mit Hör- oder Gleichgewichtsproblemen
Virale Labyrinthitis und Enzephalitis
Lärmtrauma
Einnahme ototoxischer Medikamente
Bekannte familiäre Schwerhörigkeit
Chronische Lungenkrankheiten
Diuretische Therapie
Wiederholte Mittelohrentzündungen und persistierender Paukenerguss
digen Innenohrschwerhörigkeiten im Kindesalter
gelten als vererbt (Frazer 1976).
Genetische Hörstörungen
Fortschritte bei der Identifizierung von Genen,
die für die Innenohrfunktion wichtig sind, haben
bereits jetzt zu einem besseren Verständnis der
Ätiologie von Schwerhörigkeiten geführt.
Rezessiv vererbte Schwerhörigkeiten sind in
der Regel hochgradig, treten häufig nur sporadisch
auf und sind deshalb schwer zu diagnostizieren.
Dominante sowie gonosomal kodierte Mutationen
lassen sich häufiger nachweisen. Insbesondere bei
x-chromosomal vererbten Hörstörungen weisen
männliche Betroffene einen ausgeprägteren Phänotyp auf, da männliche Familienmitglieder nur
ein x-Chromosom aufweisen. Klinisch sind die
weiblichen Genmutationsträger meist anhand einer leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit zu
erkennen. Bei autosomal dominanter und mitochondrial ererbter Schwerhörigkeit ist der klinische
Verlauf innerhalb der Familie dagegen sehr ähnlich.
Mutationen im mitochondrialen Genom können
Ursache für nichtsyndromale Gehörlosigkeit sein,
allerdings reichen solche Mutationen allein für die
Ausbildung einer Hörstörung in der Regel nicht
aus. Es müssen wohl zusätzliche genetische oder
Umweltfaktoren (bisher aber nicht identifiziert)
hinzukommen. Inwieweit eine solche Kombination
z. B. auch für eine besondere Vulnerabilität des Innenohres gilt, die dann in Kombination mit einer
starken Lärmbelastung bei Jugendlichen (Diskobesuchen o. Ä.) zu einer Schwerhörigkeit führt, ist
noch nicht bekannt.
Syndromale und nichtsyndromale
Hörstörungen
Bei 70–75% aller Patienten mit genetisch bedingten Hörstörungen finden sich keine weiteren Fehlbildungen oder Krankheiten (nichtsyndromale
Hörstörungen), bei 25–30% der Patienten werden
weitere Fehlbildungen gefunden (syndromale Hörstörungen).
Es gibt beim Menschen über 300 Syndrome, bei
denen Hörstörungen unterschiedlichen Ausmaßes
bis zur Taubheit als Symptom vorkommen. Etwa
85% der nichtsyndromalen Hörstörungen werden
autosomal rezessiv vererbt, 13–15% werden autosomal dominant und 1–3% x-chromosomal rezessiv vererbt.
1995 war ein einziges Gen beim Menschen detailliert bekannt, das für eine nichtsyndromale Hör-
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