GESELLSCHAFTLICHE UND THEOLOGISCHE HERAUSFORDERUNGEN ISLAMISCHER RELIGIONSDIDAKTIK Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan Wien, 21.03.2012 Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. Muslime in Österreich Muslimische Kinder an den öffentlichen Schulen und im IRU Entwicklung der IRP in Europa: Österreich-Deutschland Besondere Situation in Österreich Hindernisse vor der wissenschaftlichen Begründung der IFD Geschichte des Islam in Österreich • Geschichte des Islam in Österreich geht bis in das 9. -10. JH zurück • Islamgesetz von 1912 • 1979 Anerkennung der IGGiÖ als offizielle Vertretung der Muslime in • Österreich Zahl der Muslime 2001 2006 (geschätzt) 2012 (geschätzt) 338.998 400.000 573.876 ~ 6,2% der Bevölkerung: 2-höchster Anteil in der EU nach Frankreich. 30-40 % in Österreich geboren: 2. oder 3. Generation. 30-40 % Österreichische Staatsbürger. Herkunftsländer der Muslime Religionen und Bildung Akademie Matura Berufsbild. Schulen LehrlingsAusbildung Allgemein bildende Schulen Römisch-katholisch 6,7 11,0 12,4 34,5 35,4 Unierte Kirchen 23,5 21,3 6,6 12,6 36,1 Orthodox 5,4 8,4 4,5 22,4 59,3 Evangelisch 11,1 14,7 12,3 32,0 29,9 Andere Kirchen/Gemeinschaften 8,6 12,9 11,9 32,9 33,7 Israelitisch 18,8 19,6 7,0 12,5 42,2 Islamisch 4,1 6,9 3,3 17,9 67,8 Andere 14,3 13,9 5,4 11,3 55,1 Ohne Bekenntnis 10,5 13,8 10,7 40,8 24,1 Ohne Angabe 12,7 12,6 6,3 16,9 51,5 Gesamt 7,5 11,4 11,6 33,9 35,7 Zahl der muslimischen Kinder in den Schulen Zahl der muslimischen Kinder im IRU Islamische Religionspädagogik in den islamischen Ländern • Keine Tradition der Islamischen Religionspädagogik. • Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen wird als Moschee in der Schule verstanden. • Didaktik „Fachdidaktik“ ist die Methode der Theologie-Vermittlung an den Schulen. • Säkulare Bildung wird als ein Kampf gegen die religiöse Bildung erfasst. • Die Curricula der Universitäten beinhalten das Fach „Didaktik“ nicht. • Methode und Lehre werden theologisch definiert und bedürfen theologische Legitimierung. • In einigen islamischen Ländern sind neuere Tendenzen zu beobachten, aber durch die wachsende Islamisierung an den Universitäten wird die Stellung der reformorientierten KollegInnen schwieriger. In der Abteilung für Religionspädagogik der Fakultät für Islamwissenschaften werden 53 Fächer und 4 Wahlfächer während des Studiums absolviert. Von diesen 53 Fächern befassen sich 18 (ca. 34 %) mit keinen islamischen bzw. religiösen Themen. Bemerkenswert ist dabei, dass an dieser Abteilung weder Fachdidaktik noch islamische Religionspädagogik als Fach angeboten wird. Islamische Religionspädagogik in Europa 1980-1990 Die Einführung des islamischen Religionsunterrichtes in Österreich Einzelne Versuche und Modellversuche in Deutschland (Lähnemann, Tworuschka) Die ersten Lehrpläne in Nordrheinwestfalen und Wien 1990 : Durchbruch - Gründung der IRPA in Österreich - 2002 IZIR (interdisziplinäres Zentrum für islamische Lehre in Erlangen) - 2004 Lehrstuhl für Religion des Islam (Münster) - 2007 Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien - 2007 Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück - 2010 Weitere Standorte in D: Frankfurt, Gießen (Islamische Theologie und ihre Didaktik), Tübingen, Erlangen, Aktuelle Situation: Islamische Theologie erobert die vorhandenen universitären Strukturen und IRP wird im Schatten der islamischen Theologie wahrgenommen. Aktuelle Situation in Österreich Didaktische Grundsätze im alten Lehrplan des IRU: „Der Lehrer hat die entsprechenden Suren und Ahadith auf obigen Stoff bezugnehmend zu rezitieren und zu erklären. Es werden auch arabische Schriftzeichen und Aussprache im Rahmen der Rezitation der Suren aus dem Quran (Tilawat) den Kindern beigebracht.“ „Den Schülern dieser Schulstufen sind an Hand praktischer Beispiele die Gebote und Verbote in der islamischen Religion klar darzulegen.“ „Die Schüler dieser Schulstufen sollen eine gründliche Kenntnis in allen islamischen Glaubensfragen, im Aufbau der islamischen Wissenschaft, in der Religions-und Kulturgeschichte des Islam erhalten.“ „Die volle Verantwortung aus religiöser Sicht, welche sie Gott und den Menschen gegenüber ab Geschlechtsreife zu tragen haben. Daher sind mit den Schülern dieser Schulstufen die islamische Sitten-und Morallehre, Familienordnung, Gesellschaftsordnung, die islamische Staatsordnung und Merkmale der islamischen Gesetzgebung ausführlich zu besprechen.“ Lehrpläne der IGGiÖ Didaktische Hinweise in den neuen Lehrplänen der IGGiÖ „Der Inhaltsaspekt des Unterrichtes wird durch den Lehrinhalt abgedeckt, der von den Lehrerinnen und Lehrern möglichst ausgehend von den Erfahrungen, Interessen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler vermittelt werden soll. Sinn im Leben eines Menschen kann nur im Bezug auf seine eigene Lebenswelt erfahren werden – ein persönlichkeitsbildender Religionsunterricht soll daher schülerzentriert gestaltet werden.“ Didaktische Grundsätze: Am islamischen Konsens orientiert – authentisch Ganzheitlich Schülerorientiert Geschlechtergerecht Zur Mündigkeit erziehend Individualisierend Identitätsstiftend Befähigend zu kritischem Denken und Handeln Interdisziplinär – fächerübergreifend Diskursiv – diskussionsorientiert Halal und Haram „Sag, verwehrt hat mein Herr nur die Schandbarkeiten, die öffentlichen und die geheimen, um die Kategorie Halal darzustellen: beim Essen, im Verhalten, in der Ibadah Auswendiglernen: Al-Fatiha (1) – Ich danke und lobe Allah: alhamdulillah – Gott sei Dank Diese Surah gilt als ein Grundgerüst des Qur`an, ihre Lesung ist in jeder Gebetseinheit vorgeschrieben.. Al-Ikhlaas (112) – Ich weiß, dass Allah nur Einer ist Suratul-Ikhlaas gilt als eine der wichtigsten Suren des Qur´an, da sie die unmissverständliche Botschaft der Einheit Gottes klar ausdrückt. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich mit ihren Inhalten auseinandersetzen. Zinsverbot Die Schülerinnen und Schüler sollen die islamischen Positionen zum Zins kennenlernen und wissen, dass im Islam ein Zinsverbot besteht „Der Schwerpunkt befindet sich in dieser Schulstufe auf der Kunst der arabischen Schrift – der arabischen Kalligraphie. Diese spezielle Kunstform im Islam gründet auf der Bedeutung des Qur ´ans im Leben der Muslime – und auf dem Bilderverbot. Die Schülerinnen und Schüler sollen einerseits die arabische Kalligraphie kennenlernen (und die arabischen Schriftzeichen erlernen) wie auch unterschiedliche kalligraphische Schriften und Kunstwerke einordnen und einschätzen können – immer dem prophetischen Motto folgend: „Allah ist schön und liebt das Schöne.“ (asSafarin). Bekannte kalligraphische Stilrichtungen, Ich erkenne die unterschiedlichen Schriftarten etc. Warum überhaupt Rechts-schulen? Wie sind die fünf Rechts-schulen entstanden? Wer sind ihre Gründer? Portraits dieser fünf außergewöhnlichen Menschen: Al-Imam Dscha´far as-Sadiq, Al-Imam Malik, Al-Imam al-A´tham Abu Hanifah Al-Imam Asch-Schafi´i, Al-Imam Ahmad „Ähnliches wie oben beschrieben gilt für die zweite Hauptquelle des Islam. Auch hier sollen die Schülerinnen und Schüler die Sunnah des Propheten (a.s.) kennenlernen und erfahren, wie ein Hadith aufgebaut ist und wann und warum sie überhaupt gesammelt wurden.“ ,,Fordert eure Kinder zum Gebet auf, sobald sie sieben Jahre alt sind! Bestraft sie dafür (für dessen Vernachlässigung), sobald sie zehn Jahre alt sind!“ “Gottes Gesandter leckte nach dem Essen seine drei Finger ab.“ Ich erweitere mein Surenrepertoire um 2 weitere Suren: Hier lernen die Schülerinnen und Schüler den Wortlaut zweier neuer Suren aus dem Kontingent der kurzen Suren auswendig. Sie erfahren die ungefähren Inhalte, diskutieren miteinander darüber und suchen Situationen in ihrem eigenen Leben, in denen diese Inhalte vorkommen oder umsetzbar sind. Normativ-deduktive Katechismusdidaktik Moschee in der Schule: Glaubensunterweisung. Mangel an: Reflexion der Bedingungen und Kontexte des Lernens, Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen religiösen Lernens an den Schulen, Reflexion der theologischen Lehre, Dadurch wird das theologische Wissen, methodisch angereichert in den religiösen Lernprozess eingespeist. Dieses Wissen wird jedoch kaum unter neuen kontextuellen Verhältnissen bearbeitet. In der Praxis verliert der IRU öfters die Kinder aus seinem Blick. Deutschland macht staatlich! • Erkenntniskompetenz als Fähigkeit sich selbst, die Menschen, andere Lebewesen, das Universum und sämtliches Dasein in Zusammengehörigkeit, Bezogenheit und Differenziertheit zu begreifen (hermeneutische Kompetenz). • Verantwortungskompetenz als Fähigkeit sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden und Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen. • Sach- und Fachkompetenz als Fähigkeit die im Islam vertretenen Sachverhalte und Glaubenswahrheiten zu kennen und über ihre Bedeutung Auskunft geben zu können. • Personale Kompetenz als Fähigkeit Selbstwert und Stellenwert der eigenen Person in Bezug zu anderen wahrzunehmen, Vertrauen im Alltag mit Bezug auf Gott aufzubauen und Zutrauen zu gewinnen. • Soziale Kompetenz als Fähigkeit aufgeschlossen gegenüber menschlichen Bedürfnissen zu sein, Probleme des menschlichen Miteinanders zu erkennen,… Methodische Kompetenz als Fähigkeit selbstständig und zielgerichtet an ein Thema heranzugehen, Fähigkeit, Kenntnisse, Fragestellungen und Inhalte sachgemäß zu erschließen und vorzubringen und im Umgang mit Gegenwartsfragen die koranische Offenbarung und Erkenntniskompetenz als Fähigkeit die Interpretation von Mohammed mit einzuschließen und zu berücksichtigen • Ästhetische Kompetenz als Fähigkeit der „offenen Augen“ für die Welt, Staatlich verordnete Didaktik Korrelationsdidaktik: Inkompetente Wechselbeziehung von islamischer Lehre und Erfahrung der Kinder, Inkompetente Reflexion der Tradition und gelebten Glaubens. Interreligiöses Lernen als religionsdidaktischer Schwerpunkt: Ohne theologische Grundlage/innerislamischer Diskurs. Problemorientiertes Lernen: Lebenssituation und Glaubensüberlieferung werden auf eine Frage-AntwortRelation reduziert. Kompetenzorientiertes Lernen: Es ist noch keine ausgereifte Didaktik zum kompetenzorientierten Unterricht. Guter Wunsch hat die Praxis noch nicht erreicht! „Die Lehrkörper arbeiten mit Methoden, die bereits vorhanden waren und eher auf säkulare Fächer zugeschnitten sind. Eine gewisse Rolle spielt auch die von den christlichen RUen übernommene Korrelations- und Verschränkungsdidaktik. Die Lehrenden waren damit zwar hochzufrieden, nur wussten sie nicht, wie sie auf islamische Inhalte anzuwenden sei.“ Kiefer, M. „ Islamische Religionspädagogik und Theologie im Konstruktionsprozess.“, in: Hikma, Heft 1, Oktober 2010, 1. Jg., S. 21-32. Hindernisse vor der Entstehung einer neuen islamischen Fachdidaktik in Europa • Gesellschaftliche Herausforderungen wahrnehmen: Pluralität, Säkularismus, veränderte Kindheit, Religionen im Wandel, Kontextualisierung, neue Institutionalisierung des Islam, Lernorte.. • Umgang mit institutionalisierter Religion. • Besondere Stellung der Religion für die MigrantInnen. • Umgang mit Interessen der religiösen Verbänden. Die Grundlage für die wissenschaftliche Begründung einer Islam. RD als Wissenschaft: • • • • Historisch-kritische / hermeneutische Forschung Wirklichkeitsvergewisserung: Empirische Forschung Traditionshinterfragende Reflexion Wiederbelebung der islamischen Forschungstradition und Interdependenzen zwischen islamischen und verschiedenen Forschungsbereichen.