Patienten und Krankenhaushygiene – gemeinsam Krankenhausinfektionen massiv reduzieren! 39. Deutscher Krankenhaustag Düsseldorf, 16. November 2016 Walter Popp Seite 1 Themen Situation heute Was geht jetzt schon? Wo sollten wir hin? 1 Risk Ending with death, probability for 1 person in a year Risk Probability Heart disease 1 : 405 Smonking cigarettes 1 : 500 Nosocomial infection, inpatient (based on number of inpateints) 1 : 600 Cancer 1 : 910 Injury by accident or violence 1 : 2,200 Nosocomial infection, inpatient (based on whole population) 1 : 2,700 Accidents 1 : 4,000 Car accident 1 : 5,000 Crimes 1 : 11,500 Airplane crash 1 : 245,000 Thunderbolt 1 : 1,000,000 Dog attack 1 : 70,000,000 2 Herausforderungen Multiresistente Erreger und Ausbrüche Zu wenig Personal Schlechte Reinigung Schwierige Aufbereitung von Medizinprodukten Krankenhausbau/renovierung defizitär Disziplinlosigkeit Ausbruch Universitätsklinik Leipzig Carbapenemase-bildende Klebsiella pneumoniae Erster Fall aus Griechenland 2010. 103 Patienten, über 40 Todesfälle. Screening ab 2012. Ausbruch 2013 beendet. 6 3 Ausbrüche verhinderbar Erkennung auf drei Kontroll-Ebenen: Labor-Ausgang (Ergebnis-Validierung) Befunddurchsicht auf Station Ggfs. Kontrolle über Krankenhaushygiene 3fache Sicherheit – sollte funktionieren! Ursachen: meist multikausal, selten monokausal: Händehygiene, bauliche Defizite, Personalzahlen, Reinigung und Desinfektion, zu späte Erkennung, zu spät ergriffene Maßnahmen 4 MRSA MRGN VRE C. diff. Stationär 1–2% 1–2% 0,1 % (KISS) (0,4 % - ICU,KISS) 0,4 % (2011,KISS) 70 % NI (KISS) Bevölkerung < 0,5 % 10 % ? ? Sanierung 80 % 50 % neg. nach Monaten Stuhl-Transplantation Seite 9 Neue Daten aus Frankfurt Wir screenen zu wenig auf MRGNs Hohe Risiken auch bei Auslandsaufenthalt und Flüchtlingen. Seite 10 5 Personal-Patienten-Relation - Bremen Auswertung RKI für Monate Juli bis Oktober 2011 und für Station 4027 und 4028: 1:4,4 bzw. 1:4,6 In einzelnen Schichten 1:6 Zusätzlich Transport der Neonaten und Versorgung im Kreissaal. G-BA (Juni 2013): Perinatalzentren: mindestens eine Pflegekraft je intensivtherapiepflichtigem und eine je zwei intensivüberwachungspflichtigem Früh-geborenen. Umsetzung bis Ende 2016. 50 % der Krankenhäuser weit davon entfernt. Seite 12 6 Forderungen IPI (APS) und DGKH: Intensivstation (Standardversorgung): 1 : 2 in allen Schichten Intensivstation (besonderer Betreuungsaufwand): 1 : 1 in allen Schichten Intermediate Care (IMC): 1:4 Normalstation: Europäischer Durchschnitt 1 : 7 – im Nachtdienst 1 : 25 Seite 14 7 Reinigung DGKH-Umfrage 2012, z.B.: Keine Routine-Reinigung oft am Sonntag … Samstag …. Mittwoch Reinigungskraft in der Nacht: 44 % über 6 Stunden Wartezeit Wir brauchen mehr festes Personal, geringere Flächenleistung. Medizinprodukte-Aufbereitung: Erfolge sind möglich Medizinprodukte-Betreiber-VO -> Überwachung z.B. NRW: Übergang der Überwachung auf die Bezirksregierungen Mehr Personal Seitdem regelmässige Begehungen 8 14.11.2016 17 Krankenhausbau/renovierung Investitionsstau Zu wenig Einzelzimmer 3- und 4-Bett-Zimmer in Neubauten … Grund: Abrechnung! 9 Nosokomiale Infektionen Erste Studie 1987: Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG): 6 % NI 1998: NIDEP: 3,5 % 2011: ECDC Prävalenz-Studie: 5.1 % (3.8 % im Haus erworben) Krankenhausinfektionen BMG und NRZ/KISS: 400.000 – 600.000 19 Mio stationäre Patienten 3,5 % NI – 722.000 Fälle NI 5,1 % NI – 969.000 Fälle NI 10 Themen Situation heute Was geht jetzt schon? Wo sollten wir hin? Abwiegeln „schicksalhaft“ „endogene Infektion“ „wäre ohnehin an Grundkrankheit gestorben“ 11 Wundinfektionen 18 % - von 4 bis 25 % 12 Sepsis: Dramatische Reduktion möglich Pronovost-Studie: 108 Intensivstationen in Michigan, USA (2003-2005) Bundle: Händehygiene Schutzkleidung beim Legen Hautdesinfektion mit Chlorhexidin Kein Femoralkatheter Unnötige Katheter entfernen Pronovost et al: N Engl J Med 2006, 355, 2725 13 Ähnlich andere Studien. Folgerung: Mindestens 50 % Reduktion heute schon möglich! Themen Situation heute Was geht jetzt schon? Wo sollten wir hin? 14 Die Philosophie im Gesundheitswesen … ist das Rheinische Grundgesetz: Artikel 1: Et es wie et es. Artikel 2: Et kütt wie et kütt. Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange. Artikel 7: Wat wells de maache? Artikel 9: Wat soll dä Kwatsch/Käu? Besucher am Schlachthof Deutsche Wurst- Herstellung Seite 30 15 Seite 31 Arbeitsschutz (DGUV): Vision Zero „Wir reden mithin nicht darüber, wie wir in zehn Jahren die Zahlen der Todesfälle um zwanzig Prozent senken können, sondern wir orientieren unsere Präventionsstrategie klar an der Vision Zero.“ Strassenverkehr (DVR): Ziel Null „Das Leben ist nicht verhandelbar.“ Luftverkehr (Lufthansa): „Entscheide so, als wäre Dein Kind an Bord!“ Seite 32 16 Maßnahmen 50er Jahre TÜV Innerorts Limit 50 km/h 60er Jahre Fällen von Alleebäumen Verbandkasten Pflicht 70er Jahre 0,8 Promille Mitnahmeverbot von Kindern auf Vordersitzen Anschnallpflicht auf Vordersitzen Antiblockiersystem ABS, ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm), Reifendruckkontrolle, Bremsassistent, Abstandsregelung, Kurvenlicht, Spurassistent, Nachtsichtgerät, Navi-Systeme, Einparkhilfen, Airbag, Kopfstützen auf allen Sitzen. Geschwindigkeitsbegrenzungen. 14.11.2016 34 17 Null Infektionen Ist eine Vision „Null Infektionen“ im Gesundheitswesen eine Illusion? DVR: „Bekanntlich gilt ja: Wer das Bestmögliche erreichen will, muss das unmöglich Scheinende fordern.“ John F. Kennedy, am 25. Mai 1961: „I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth. 21. Juli 1969 18 Ethik Grundrechte z.B. Eid des Hippokrates: „… Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden. …“ Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit… (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit… Artikel 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Vision Null Wir brauchen eine Vision Null: -> Ziel: Null Infektionen im Gesundheitswesen Nicht morgen zu erreichen. Nicht nur über Hygiene – auch neue Antibiotika, neue Therapien, neue Medizinprodukte usw. 19 Warum nicht im OP? Seite 39 Andere Ansätze AOK Bayern: Bundeszentralregister für Behandlungsfehler MDK: Meldung aller Entschädigungszahlungen (Gerichte, Versicherungen) NI: Ermittlungen wie bei Unfallversicherung? Todesbescheinigungen: Nosokomiale Infektion immer als Ursache? – ähnlich Krebserkrankungen 20 Fazit Wir brauchen eine Vision „Null Infektionen“ auch im Gesundheitswesen. Diese Vision ist in anderen Bereichen erfolgreich. Nicht morgen zu erreichen und auch nicht über Hygiene allein. Patienten und Krankenhaushygiene müssen zusammenarbeiten. Erfolge sind möglich – und nicht limitiert auf 30 oder x %. Ethik wieder als zentrale Maxime etablieren! Neue Wege denken! 21