Braucht die Wissenschaftssoziologie einen Autonomiebegriff?

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Braucht die Wissenschaftssoziologie einen
Autonomiebegriff?
Braucht die Wissenschaftssoziologie
einen Autonomiebegriff?
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
Vortrag zur GWTF-Tagung
»Prekäre Autonomien«
Berlin, 29.–30. Nov. 2013
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Braucht die Wissenschaftssoziologie einen Autonomiebegriff?
Beiträge zum Workshop am 31.10/01.11.2013 am FIW
Braucht die Wissenschaftssoziologie einen
Autonomiebegriff?
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Subjekt der
Autonomie
I Martina Franzen: Wissenschaftliche Autonomie? Zu den Eigengesetzlichkeiten
wissenschaftlichen Publizierens
I Jochen Gläser und Uwe Schimank: Autonomie als Resistenz gegen Beeinflussung
I Arlena Jung: Autonomieansprüche und Leistungserwartungen – wissenschaftliche
Expertise in der deutschen Arbeitsmarktpolitik
I David Kaldewey: Die Autonomie der Wissenschaft als semantischer Raum
I Peter Münte: Das Aufbrechen der festen Gestalt. Das Problem der Autonomie der
Wissenschaft aus der Perspektive einer Theorie der Entstehung des historisch
Neuen
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
I Rudolf Stichweh: Paradoxe Autonomie. Zu einem soziologischen Begriff der
Autonomie von Universität und Wissenschaft
I Marc Torka: Herstellung wissenschaftlicher Autonomie
I Peter Wehling: Relationale, reflexive Autonomie der Wissenschaft
I Peter Weingart: Autonomie der Wissenschaft in der Demokratie?
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Fünf Dimensionen eins soziologischen Autonomiebegriffs
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Autonomiebegriff?
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Subjekt der Autonomie
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Formen der Autonomie
Strukturelle und semantische Bestimmungen von Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
Analytische und normative Bestimmungen von Autonomie
Autonomie und Heteronomie
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Autonomiebegriff?
Mikroebene
Mesoebene
Makroebene
Systemtheorie
(Franzen, Stichweh)
Individuum
Organisation
Funktionssystem
Handlungstheorie
(Gläser, Schimank)
individuelle Akteure
kollektive Akteure
Akteurkonstellationen
Professionalisierungstheorie (Torka)
professionelle
Interaktion und
Habitusbildung
Institutionalisierung
professioneller Praxis
Autonomie durch
Werte und Wissen
Soziale
Erkenntnistheorie
(Wilholt)
Individuelle Autonomie
Rechtswissenschaft
(Weingart)
Individuelle
Wissenschaftsfreiheit
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Subjekt der
Autonomie
Kollektive Autonomie
Institutionelle
Wissenschaftsfreiheit
subjektivrechtliche
Seite (»Abwehrrecht«)
-> Individuelle
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
objektivrechtliche Seite
(»Funktionsgrundrecht«)
-> Institutionelle
Autonomie
-> Autonomie der
Wissenschaft
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Martina Franzen,
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Ziele
Mittel
Werte
Primäre Autonomie
(Wahl von
Handlungszielen)
Sekundäre Autonomie
(Wahl von Handlungen
zur Zielverfolgung)
Teilsystemischer
Leitwert der Wahrheit
Systemtheorie
Zweckprogramme
Konditionalprogramme
Werte,
Codes
Soziale
Erkenntnistheorie
Freiheit der Ziele
(Entscheidung über
wissenschaftliche
Untersuchungen)
Freiheit der Mittel
(Verfügung über
Ressourcen)
(intrinsischer?)
Wert der Wahrheit
-> Starke Autonomie:
Wahl der Forschungsthemen, Festlegung der
Agenda
-> Schwache
Autonomie: Wahl von
Theorien und Methoden
-> Basale Autonomie:
Konstitution einer
gesellschaftlichen
Wertsphäre
Handlungstheorie
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
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Autonomie als sozialstruktureller Raum
Autonomie als semantischer Raum
Handlungstheorie Ein Akteur erfährt Autonomie als
Suspension von strukturellen Zwängen,
(Gläser,
d.h. als Möglichkeitsraum
Schimank)
Organisationssoziologie
(Whitley)
Arlena Jung,
Martina Franzen,
David Kaldewey
Protected space (»refers to the period
of time in which scientists have
discretion over [...] to pursue particular
problems and approaches before having
to produce valued results«)
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Feldtheorie
(Bourdieu)
scholé (›jene freie, von den Zwängen
der Welt befreite Zeit, die eine freie,
befreite Beziehung zu diesen Zwängen
und zur Welt ermöglicht‹)
illusio (›der grundlegende Glaube an
den Sinn des Spiels und den Wert
dessen, was auf dem Spiel steht‹)
Rekonstruktive
Sozialforschung
(Münte)
Institutionenanalyse (wie verweben sich
Diskurse mit konkreten
Entscheidungsprozessen, die den
strukturellen Möglichkeitsraum
erweitern oder verengen?)
Diskursanalyse (wie stabilisieren sich
historisch etablierte Gestalten der
Wissenschaft? Wie werden Alternativen
aus dem Bereich des Denkbaren
exkludiert?)
Autopoietische Autonomie des
Wissenschaftssystems (Luhmann)
Selbstbeschreibungen und Programme
des Wissenschaftssystems (Luhmann)
Operative Schließung des Systems, insb.
durch das Medium wissenschaftlicher
Publikationen (Stichweh, Franzen)
Autonomiesemantiken schwanken
zwischen »Selbständigkeitserklärungen«
und »Ausgrenzungsgesten« (Stichweh)
Disziplinen, Forschergruppen,
Netzwerke etc. bilden Subsysteme und
damit relativ geschlossene
sozialstrukturelle Räume
(Krohn/Küppers)
Autonomie- und Praxisdiskurse variieren
und stabilisieren historisch variable
semantische Räume, die dann mittels
Institutionalisierungen Strukturwert
gewinnen können (Kaldewey)
Systemtheorie
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Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
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Analytische Bestimmungen
Normative Bestimmungen
Handlungstheorie Analyse des strukturellen Kontexts und
des darin möglichen zielorientierten
Handelns (Gläser, Schimank, Whitley)
»Governance-Perspektive«: Interesse an
intentionaler Gestaltung (Schimank)
Systemtheorie
»Latent normativer Funktionalismus«
(Wehling)
Feldtheorie
soziale Erkenntnistheorie
»Es gibt Systeme« (Luhmann)
Rekonstruktion von
Autonomiediskursen mittels historischer
Diskurs- und Semantikanalysen;
Analyse von deren Funktion und
Bedeutung für die Reproduktion des
Wissenschaftssystems (Kaldewey)
Zwei mögliche normative Fehlschlüsse:
Ideologische Identitätsarbeit oder
ideologiekritische Dekonstruktion
Jedes Feld ist ein »Kräftefeld und ein
Feld der Kämpfe« (Bourdieu)
Logik des Wettbewerbs führt zu
wissenschaftlichem Fortschritt und zur
Steigerung wissenschaftlicher
Rationalität (Bourdieu, Wehling)
Ideengeschichtliche Rekonstruktion der
Forschungsfreiheit als »eine Norm, an
die auch unabhängig von spezifischen
Rechtssystemen of appelliert wird«
(Wilholt)
Analyse und Bewertung dieser Norm im
Sinne der praktischen und politischen
Philosophie; Anspruch auf
Demokratisierung der Wissenschaft
Erkenntnisinteressen der Wissenschaft:
»Wahrheit«
Erkenntnisinteresse der Allgemeinheit:
»relevante Wahrheiten«
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Martina Franzen,
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Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
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Autonomie
Gläser/Schimank
Autonomie/Selbstbestimmung
Heteronomie
↔
Heteronomie/Fremdbestimmung
(Nullsummenspiel, vgl. Governance-Equalizer)
Schimank
fremdreferentielle Programmstrukturen
legen sich als »äußerer Ring« um die
selbstreferentiellen Programmstrukturen
←
»Außendruck«
Bourdieu
Relative Autonomie
←
»Äußere Zwänge«
Wehling
Reflexive Autonomie
Jung
Autonomieansprüche
(Übersetzungsmacht, Brechungsstärke)
←
»Impulse« aus anderen Feldern
(Übersetzungsfähigkeit, Resonanzfähigkeit)
↔
Leistungserwartungen
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Martina Franzen,
David Kaldewey
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
(Expansion, Abgrenzung, Strategische Anpassung)
Stichweh
Pluralisierung und Balancierung von
Abhängigkeiten
↔
Vielfältige »Anlehnungskontexte«
Umwandlung von Fremdkontrollen in
←
»Kontrollabsicht« von
Selbstkontrollen
»Fremdsystemen«
(Paradoxe Autonomie)
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Autonomie und Heteronomie – theoretische Konvergenzen
I Münte: Bei der Autonomie der Wissenschaft geht es erstens »um die Integrität
einer bestimmten Gestalt (...), die sich im menschlichen Zusammenleben
herausgebildet hat und das Handeln auf eine bestimmte Weise ordnet«, zweitens
ergibt sich diese Autonomie »in einem sich fortwährend vollziehenden Austausch
und im Eingehen entsprechender Verbindungen«.
I Stichweh: Autonomie ist nicht »Un-abhängigkeit«, sondern »ein sehr viel
komplexeres Geflecht von Abhängigkeiten und Independenzen, das paradoxe
Oszillationen auszulösen vermag« – innen und außen sind nie leicht zu
unterscheiden.
I Torka: Bei Professionen handelt es sich um Berufe, »die ihre Autonomie nicht
durch eine Absonderung von gesellschaftlichen Erwartungshorizonten erlangt,
sondern ganz im Gegenteil, indem sie stellvertretend gesellschaftliche Zentralwerte
und Problemlagen bearbeiten«.
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Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Autonomie und
Heteronomie
I Wehling: Die Wissenschaft steht »unhintergehbar in einem relationalen
Interaktionsgeflecht mit anderen sozialen Feldern und gesellschaftlichen
Handlungsbereichen«; Einflüsse und Impulse aus diesen Handlungsbereichen
bringen »nicht notwendigerweise Einschränkungen und Gefährdungen
wissenschaftlicher Autonomie mit sich«.
I Wilholt: Eine Beteiligung der Öffentlichkeit an der Festlegung der Tagesordnung
der Wissenschaften wird die Forschungsfreiheit »nicht schwächen, sondern
stärken«.
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Autonomie und Heteronomie – revisited
I Bourdieu: Soziale Felder sind durch Spannung zwischen ihrem autonomen und
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David Kaldewey
heteronomen Pol strukturiert.
I Weber: Jedes rationale, nicht-religiöse Handeln innerhalb der Welt trägt eine
Spannung in sich selbst: »Denn es scheint kein Mittel zum Austrag schon der
allerersten Frage zu geben: von woher im einzelnen Fall der ethische Wert eines
Handelns bestimmt werden soll: ob vom Erfolg oder von einem – irgendwie ethisch
zu bestimmenden – Eigenwert dieses Tuns an sich aus«.
I Luhmann: Spannung zwischen Funktion und Leistung erzwingt Reflexion. Das
Wissenschaftssystem bedient sich dafür typischerweise der Unterscheidung von
Grundlagenforschung und angewandter Forschung.
I Kaldewey: Autonomiediskurse und Praxisdiskurse als Selbstbeschreibungen des
Subjekt der
Autonomie
Formen der
Autonomie
Strukturelle und
semantische
Bestimmungen von
Autonomie
Analytische und
normative
Bestimmungen von
Autonomie
Wissenschaftssystems
Autonomie und
Heteronomie
These: In allen diesen differenzierungstheoretischen Ansätzen geht es um eine innerhalb
von Wertsphären, Feldern oder Funktionssystemen angelegte Spannung. Mit Luhmann
könnte man von einem re-entry der Unterscheidung von Autonomie und Heteronomie
sprechen. Folgt man dieser Theoriefigur, dann ist die Autonomie eines gesellschaftlichen
Teilbereichs nicht allein deshalb prekär, weil es mit externen Zwängen konfrontiert ist,
sondern weil es laufend gezwungen ist, seine Identität vor dem Hintergrund einer
konstitutiven internen Spannung zu stabilisieren. Autonomie hieße dann nicht der
Versuch, sich dieser Spannung zu entziehen, sondern die Möglichkeit, diese Spannung
intern produktiv werden zu lassen.
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