II Biologische Herleitung geschlechtstyp. Verhaltensdispositionen Entwicklung ist Ausbildung und Abänderung von Strukturen mit dem Ziel verbesserter Anpassung an Umweltgegebenheiten Entwicklung vollzieht sich durch zwei Prozesse: Verhaltensweise entsteht ohne vorherige Erfahrung mit dem Objekt bzw. der Situation, an die das Verhalten angepaßt ist Es sind drei Formen der Umweltwirkung zu unterscheiden: • Stimulation • Alimentation • Selektion S. 176 Relevante Umweltwirkung Stimulation Reizung durch Sinnesorgane Anlagewirkung neuronale Strukturen Relevante Umweltwirkung Alimentation „Material“, das die Realisierung des genetischen Programms in einem individuellen Organismus ermöglicht, aber u.U. auch negativ beeinflußt Anlagewirkung Genetisches Programm Relevante Umweltwirkung bei der Entstehung eines genetischen Programms, also der Anlage: Selektion Ultima Ratio der Evolution = Reproduktion Erfolgreiche Anpassung zeigt sich im Reproduktionserfolg Je mehr Nachkommen ein Individuum hat, um so wahrscheinlicher ist die Verbreitung seiner genetischen Anlage innerhalb einer Population Nur Verhaltensdispositionen, die den Reproduktionserfolg fördern, breiten sich aus und bleiben bestehen, während weniger erfolgreiche verschwinden 9. Kap. Ultimate Fragestellung: Wozu ist ein Merkmal gut, welchen Vorteil bietet es seinem Träger, welche Leistung erbringt es, welcher Funktion, welchem „Zweck“ dient es? Wieso konnte es sich evolutionsgeschichtlich durchsetzen? Wieso verhilft es seiner eigenen genetischen Grundlage, sich in jeder neuen Generation erfolgreich zu behaupten? S. 107 Proximate Fragestellung: Mit welchen Mitteln erreicht es der Organismus, daß ein Merkmal überhaupt ausgebildet wird und seine Leistung erbringen kann? Welchem Konstruktionsprinzip verdankt das Merkmal seine Funktionstüchtigkeit? Welche Mechanismen müssen ablaufen, damit die Leistung zustande kommt? II Biologische Herleitung geschlechtstyp. Verhaltensdispositionen Ultimate Betrachtung Evolutionsbiol. Begründung von Geschlechtsunterschieden Parentale Investition, S.110ff Erfolgreiche Anpassung zeigt sich am Reproduktionserfolg Je mehr Nachkommen ein Individuum hat, um so wahrscheinlicher breiten sich seine genetischen Dispositionen aus, während weniger erfolgreiche Anlagen verschwinden Die Geschlechter sind gleichermaßen darauf eingerichtet, sich optimal fortzupflanzen. Aber sie verfolgen dabei unterschiedliche Strategien. Innere Befruchtung Aufwand an Zeit, Energie und Risiko, den ein Elternteil pro einzelnem Nachkommen auf Kosten potentieller weiterer Nachkommen investieren muß Männlich quantitative Strategie weiblich qualitative Strategie Folgen unterschiedlicher PI 9. Kap. männlich () Körperkraft, Ausdauer Wettkampfmotivation Risikobereitschaft weiblich () 10.Kap. Pflegemotivation, Fürsorglichkeit Kein Wettbewerb um Geschlechtspartner Ritualisierter Kampf Drohen, Imponieren statt Beschädigung Keine Ritualisierung, kein Imponierverhalten Auffällige Erscheinung Unauffällige Erscheinung Status nicht durch Kampf erworben Mißerfolgstoleranz hoch Erkämpfte Hierarchie Unterordnung Konfliktreduktion Kooperation keine erhöhte Mißerfolgstoleranz Reaktive Aggression Männliche Investition dann erhöht, wenn Weibchen Nachkommen allein nicht durchbringen würden Folge: Eheähnliche Bindungen • Gruppenehe • Haremsgemeinschaft • Monogamie Bei Monogamie ist die männliche PI an die des Weibchens angeglichen Folglich: Kein Geschlechtsdimorphismus, Fürsorglichkeit und Aggressivitätsform angegelichen II Biologische Herleitung geschlechtstyp. Verhaltensdispositionen Ultimate Betrachtung Evolutionsbiol. Begründung Parentale Investition Geschlechtstyp. Dispositionen beim Menschen 11. Kap. Geschlechtstypische Dispositionen sind beim Menschen dann zu erwarten, wenn die parentale Investition zwischen den Geschlechtern divergiert Indizien für eine solche Divergenz: • • • S. 140 S. 146 12.Kap. Eheformen beim Menschen Monogamie = 17% Polygynie (gemäßigt) = 83% Polyandrie = 0,4% Polygynandrie = 0 Kriterien für die Partnerwahl (37 Kulturen) D. Buss: Evolutionäre Psychologie, 2004 Männlich Weiblich Vorherrschende Lebensform während der menschlichen Phylogenese Halbnomadische Jäger und Sammler vergleichbar den Buschleuten in der Kalahari Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern Männer: Kooperative Großwildjagd, Krieger Bestätigt: Frauen: Kinderbetreuung und Sammeln von Nahrung Bestätigt: Kulturübergreifend überwiegend männl. Tätigk. Jagd auf größere Tiere (100%) Kriegeführen (100%) Metallbearbeitung, Herstellen von Waffen (100%) Fertigung von Musikinstrumenten (98%) Umgang mit Viehherden (82%) Fischerei (90%) Vorbereitungsarbeiten im Ackerbau (80%) Kulturübergreifend überwiegend weibl. Tätigk. Kinderbetreuung (100%) Kochen (95%) Feuerunterhalten (73%) Wasserholen (93%), Lastentragen (72%) Herstellen, Reparieren von Kleidern (98%) Töpferei (83%) Sammeln von Nahrung (75%) Getreidemalen von Hand (94%) Pflanzen u. Ernten von Früchten (70%) 87 85 82 61 35 11 0 Fürsorgl. (33) 3 3 0 Verantw. Gehorsam Leistung Selbstvertr. (84) (69) (31) (82) Margret Mead (1935) „Geschlecht und Temperament in drei primitiven Gesellschaften „Geschlechtsrollen ausschließl. kulturell bedingt“ Arapesh: Mundugumor: Tschambuli: 1949 „Mann und Weib“ Göttner-Abendroth: Denn „arche“ heißt im griechischen sowohl Herrschaft wie Anfang, wobei die zweite Bedeutung die ältere ist. So heißt Patriarchat (arche = Herrschaft) klarerweise „Herrschaft des Vaters“, aber Matriarchat (arche= Beginn) heißt „am Anfang die Mutter“. Und das trifft die Sache. URSPRÜNGLICHES MATRIARCHAT ? Info aus 565 Kulturen Matrilinearität: Patrilinearität: In vielen matrilinearen Kulturen bleibt der Sohn auch nach der Heirat bei seiner Ursprungsfamilie. Vielfach übernimmt dann der Onkel mütterlicherseis die Funktionen des Vaters URSPRÜNGLICHES MATRIARCHAT ? Eine durchgängige Vorherrschaft von Frauen ist von keiner Kultur bekannt Whyte: (92 Kulturen) „Die häufigsten Muster sind Gleichheit oder Bevorzugung der Männer“ „Geschlechtsegalitäre“ Kulturen: URSPRÜNGLICHES MATRIARCHAT ? Ursprüngliche Lebensform Steinzeitkulturen (Jäger u. Sammler) Ab 10 000 v. Ch. Seßhaftigkeit Ackerbauern (Pflanz-u. Grabstock-Anbau) Ackerbauern (Pflug) Hirtennomaden (Viehzüchter) Städt. arbeitsteilige Strukturen Luig über die San-Buschleute: „Alle Entscheidungen werden von den Mitgliedern der Lokalgruppe getroffen und solange diskutiert, bis ein Konsens gefunden ist. Frauen haben in dieser Diskussion theoretisch die gleichen Rechte wie die Männer, doch stecken sie in der Praxis öfter zurück.“ Frauen im Kibbuz (13.Kap.) Ziele der Kibbuzbewegung: • Egalität in allen Bereichen des Daseins • Totale Emanzipation der Frauen • Auflösung familialer Strukturen • Gemeinschaftserziehung im Kinderhaus Spiro 1956-58 und 1979 Kiryat Yedidim • Landwirtschaft mit Einsatz von Maschinen • Genossenschaftliche Verwaltung • Dienstleistungssektor: Versorgung der Kinder, Schulunterricht, Kochen und Waschen für die Gemeinschaft Frauen im Kibbuz Gründergeneration bemüht sich um Verwirklichung des Gleichheitsideals 2. Generation (Töchter): 88% der Frauen im Dienstleistungsbereich (Kindergärtnerin, Lehrerin, Köchin, Bibliothekarin) Kein Interesse an Verwaltungsaufgaben 3. Generation (Enkelinnen): Fordern eigene Haushalte, wollen für eigene Familie sorgen, Kinder bei sich haben. Vorliebe für hausfrauliche Tätigkeiten Frauen im Kibbuz Konsequenzen nicht-sexistischer Erziehung im Kinderhaus bei der 3.Generation (Enkel): Trotz doppelten Spielzeugangebots = geschlechtstypische Präferenzen Die Jungen dominierten die Mädchen Mädchen: Basteln, Fantasiespiel, Jungen: Lastwagen, große Bauklötze Fazit von Spiro: Es müßte „präkulturelle Determinanten“ geben, die den Entschluß der jungen Frauen, sich zurück zur Familie zu wenden, wesentlich mitbestimmt hätten